Schweizerische Strafprozessordnung
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Art. 274 Genehmigungsverfahren
1 Die Staatsanwaltschaft reicht dem Zwangsmassnahmengericht innert 24 Stunden seit der Anordnung der Überwachung oder der Auskunftserteilung folgende Unterlagen ein:
2 Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet mit kurzer Begründung innert 5 Tagen seit der Anordnung der Überwachung oder der Auskunftserteilung. Es kann die Genehmigung vorläufig oder mit Auflagen erteilen oder eine Ergänzung der Akten oder weitere Abklärungen verlangen. 3 Das Zwangsmassnahmengericht eröffnet den Entscheid unverzüglich der Staatsanwaltschaft sowie dem Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nach Artikel 3 BÜPF118.119 4 Die Genehmigung äussert sich ausdrücklich darüber:
5 Das Zwangsmassnahmengericht erteilt die Genehmigung für höchstens 3 Monate. Die Genehmigung kann ein- oder mehrmals um jeweils höchstens 3 Monate verlängert werden. Ist eine Verlängerung notwendig, so stellt die Staatsanwaltschaft vor Ablauf der bewilligten Dauer einen begründeten Verlängerungsantrag. 119 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). 120 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). BGE
137 IV 340 (1B_376/2011) from 3. November 2011
Regeste: Art. 80 Abs. 2, Art. 81 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 269 Abs. 1 lit. b und c, Art. 273 und 274 Abs. 2 StPO; Erhebung von Mobiltelefon-Randdaten; Überwachung des Fernmeldeverkehrs mittels Antennensuchlauf. Gesetzliche Ausnahme vom Erfordernis der "double instance" (E. 2.2). Schutzwürdiges Interesse der Staatsanwaltschaft an der Beschwerdeführung sowie drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil (E. 2.3). Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antennensuchlaufes im Rahmen einer strafprozessualen Rasterfahndung gegen noch unbekannte Täterschaft (E. 5 und 6).
138 IV 232 (1B_563/2012) from 6. November 2012
Regeste: a Art. 197 Abs. 1 lit. c und Abs. 2, Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO; Überwachung der Telefonanschlüsse von Drittpersonen. Die Überwachung des Telefonanschlusses einer nicht beschuldigten Person kann statthaft sein, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschuldigte die fragliche Drittperson anruft und sich daraus Hinweise auf die Straftat oder den Aufenthalt des Beschuldigten ergeben. Die anordnende Behörde hat geeignete Anweisungen zu treffen, damit die mit der Ermittlung befassten Personen nicht Informationen erlangen, die mit dem Gegenstand der Untersuchung nicht im Zusammenhang stehen. Die Abhörung des Drittanschlusses ist abzubrechen, sobald der Anschluss, von dem aus der Beschuldigte die Gespräche führt, bekannt ist und selber überwacht werden kann (E. 2-8).
140 I 353 (1C_653/2012) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Polizeigesetz des Kantons Zürich; verdeckte Vorermittlung, Chatroom-Überwachung, Schutz des Post- und Fernmeldeverkehrs. Zuständigkeit der Kantone zur Regelung der präventiven Polizeitätigkeit, die nicht an einen Tatverdacht anknüpft und sich nicht auf die Strafprozessordnung des Bundes stützt (E. 5). Übersicht über die Regelung der verdeckten Vorermittlung und der Informationsbeschaffung im Internet gemäss dem Polizeigesetz (E. 6). Verdeckte Vorermittlung: Die kantonale Bestimmung (§ 32e PolG/ZH) bezieht sich auf schwere Delikte im Sinne von Art. 286 Abs. 2 StPO. Für die Durchführung wird auf die Art. 151 und 287-298 StPO verwiesen. Damit wird verhindert, dass die verdeckten Vorermittler als "agents provocateurs" tätig werden. Die Regelung entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen in Bezug auf die richterliche Genehmigung sowie die Verfahrensrechte und den Rechtsschutz der betroffenen Personen (E. 7). Chatroom-Überwachung: § 32f Abs. 2 PolG/ZH lässt die Überwachung der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen zu, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind (sog. Closed User Groups). Eine solche Informationsbeschaffung kann mit einem Eingriff in die Privatsphäre und in das Fernmeldegeheimnis verbunden sein (E. 8.4). Sie betrifft grundsätzlich alle Benutzer dieser Kommunikationsmittel. Es handelt sich um eine sehr weit gehende Überwachungsmethode, die das Sammeln und Auswerten von Informationen aus den Privatbereichen einer Vielzahl von Personen erlaubt, gegen die überhaupt kein Verdacht für rechtswidriges Verhalten vorliegt (E. 8.7.2.1). Die Bestimmung ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar, weil keine richterliche Genehmigung der Überwachung vorgeschrieben ist, keine nachträgliche Mitteilung an die Betroffenen erfolgt und ihnen auch kein Rechtsschutz gewährt wird (E. 8.7.2.4). Hinweis auf die Bestimmungen der StPO zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (E. 8.8).
140 IV 181 (1B_19/2014) from 28. Mai 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 263 ff. StPO; Art. 23 ff. VÜPF; Erhebung von E-Mails beim Anbieter von Fernmeldediensten ("Provider"). Vom Beschuldigten auf dem Server abgerufene E-Mails können beschlagnahmt, nicht abgerufene durch eine Echtzeit-Überwachung erhoben werden (E. 2).
142 IV 34 (1B_256/2015) from 4. November 2015
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 197 Abs. 2, Art. 269, Art. 270 lit. b, Art. 273 und Art. 274 Abs. 1 lit. b StPO. Rückwirkende Randdatenerhebung betreffend den Mobiltelefon-Anschluss eines Privatklägers. Unterscheidung zwischen der inhaltlichen Überwachung des Fernmeldeverkehrs, der aktiven Erhebung von Randdaten in Echtzeit und der rückwirkenden Randdatenerhebung. Gesetzliche Regelung und Voraussetzungen der Überwachung von Drittanschlüssen, insbesondere der Randdatenerhebung bei Geschädigten (E. 4.1-4.3). Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen einer rückwirkenden Randdatenerhebung betreffend den Mobiltelefon-Anschluss eines Privatklägers nicht erfüllt, zumal die Überwachung bloss indirekt der Aufklärung der untersuchten Straftaten diente (E. 4.4). Die gesetzlichen Voraussetzungen einer strafprozessualen Randdatenerhebung bei Dritten, insbesondere das richterliche Genehmigungserfordernis, sind grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn die verfahrensleitende Staatsanwaltschaft sich um eine Zustimmung des Inhabers des überwachten Fernmeldeanschlusses bemüht hat. Es empfiehlt sich, dass die Staatsanwaltschaft eine allfällige schriftliche Zustimmung des betroffenen Dritten zusammen mit dem Genehmigungsgesuch beim Zwangsmassnahmengericht einreicht (E. 4.5).
142 IV 289 (1B_63/2016) from 8. Juni 2016
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 7, 12 lit. a, 15, 269, 272, 274, 306, 307 und 309 StPO; geheime Telefonüberwachung, polizeiliche Berichte zur Rechtfertigung des dringenden Tatverdachts. Bei der Prüfung des dringenden Verdachts nach Art. 269 Abs. 1 lit. a StPO (E. 2.2.1) stützt sich das Zwangsmassnahmengericht auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft, deren Überwachungsanordnung und Begründung so wie die wesentlichen Verfahrensakten (vgl. Art. 274 Abs. 1 lit. a und b StPO; E. 2.2.2). Insoweit kann die Genehmigungsbehörde die in den Berichten der Polizei enthaltenen Feststellungen berücksichtigen, auch wenn diese - insbesondere zum vorübergehenden oder dauernden Schutz der Identität von Informanten - nicht weiter belegt werden können (E. 2.2.3). Das rechtfertigt sich mit Blick auf die Eigenschaft der Polizei als Strafverfolgungsbehörde (vgl. Art. 12 lit. a StPO) und die ihr zukommenden Aufgaben (vgl. Art. 7, 15, 306 und 307 StPO), das noch frühe Stadium der Untersuchung im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um geheime Überwachung (E. 3.1) sowie die Art der angezeigten Straftat (E. 3.2).
143 I 292 (1B_115/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 113 Abs. 1 und Art. 280 f. i.V.m. Art. 269 ff. StPO; Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten. Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten von Eltern, die beschuldigt werden, ihren beiden Kleinkindern schwere Körperverletzungen zugefügt und eines davon getötet zu haben. Überwachung als rechtmässig beurteilt. Diese war verhältnismässig und verletzte den Kerngehalt der verfassungsmässigen Rechte der Beschuldigten nicht (E. 2).
144 I 126 (1C_598/2016) from 2. März 2018
Regeste: Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation. Streitgegenstand bildet die verwaltungsrechtliche Frage, ob die Speicherung und Aufbewahrung von mit dem Fernmeldeverkehr verbundenen Randdaten konform mit der Verfassung bzw. der EMRK sind (E. 2.2). Art. 15 Abs. 3 des bis zum 28. Februar 2018 geltenden Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (aBÜPF) verpflichtete die Fernmeldedienstanbieter - gleich wie das heute geltende BÜPF -, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten ihrer Kunden zu speichern und während sechs Monaten aufzubewahren (E. 3). Die Speicherung und die Aufbewahrung von Randdaten stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Achtung des Privatlebens, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 4). Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings zu relativieren: Die gespeicherten Daten betreffen nicht den Inhalt der Kommunikation und werden von den Fernmeldeunternehmen weder gesichtet noch miteinander verknüpft; für einen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden müssen die qualifizierten gesetzlichen Voraussetzungen der Strafprozessordnung erfüllt sein (E. 5). Art. 15 Abs. 3 aBÜPF bildete für die Randdatenspeicherung eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 6). Die Randdatenspeicherung und -aufbewahrung dient namentlich der Aufklärung von Straftaten; damit liegt ein gewichtiges öffentliches Interesse vor (E. 7). Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sehen wirksame und angemessene Garantien zum Schutz vor Missbrauch und behördlicher Willkür vor. Unter diesen Rahmenbedingungen ist auch die sechsmonatige Aufbewahrungsdauer verhältnismässig (E. 8).
144 IV 254 (6B_1381/2017) from 25. Juni 2018
Regeste: Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1, Art. 278 StPO; Zufallsfund, absolute Unverwertbarkeit bei nicht genehmigter Überwachung. Die Genehmigung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs einer Zielperson umfasst nicht auch die Überwachung des nicht beschuldigten Kommunikationspartners. Erkenntnisse über Straftaten von Personen, die in der Überwachungsanordnung nicht formell beschuldigt werden, sind Zufallsfunde im Sinne von Art. 278 Abs. 2 StPO, deren Verwertung eine Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts voraussetzt (E. 1.3). Dass vorliegend das Zwangsmassnahmengericht zu einem früheren Zeitpunkt die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs des Beschwerdeführers wegen derselben Straftatbestände genehmigte, ändert nichts am Ergebnis. Massgebend sind nicht die Straftatbestände, sondern die konkreten Straftaten (E. 1.4.2). Nicht zur Verwertung genehmigte Zufallsfunde sind absolut unverwertbar im Sinne von Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 StPO (E. 1.4.3).
145 IV 42 (6B_181/2018) from 20. Dezember 2018
Regeste: Art. 196, Art. 280 lit. b, Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 272 Abs. 1 und Art. 277 Abs. 2, Art. 141 Abs. 1 StPO; polizeiliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz; Beweisverwertungsverbot. Eine polizeiliche Videoüberwachung von Angestellten in Geschäftsräumen zwecks Aufklärung einer Straftat stellt eine strafprozessuale Zwangsmassnahme unter Einsatz technischer Überwachungsgeräte dar. Diese muss von der Staatsanwaltschaft angeordnet und vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt werden (E. 4.2 und 4.5). Dass die Geschäftsleitung als Hausherrin in die Überwachung eingewilligt hat, ändert nichts daran (E. 4.4). Wird die Massnahme weder von der Staatsanwaltschaft angeordnet noch vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt, sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse absolut unverwertbar (Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 StPO) (E. 4.5). |