Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 278 Zufallsfunde

1 Wer­den durch die Über­wa­chung an­de­re Straf­ta­ten als die in der Über­wa­chungs­an­ord­nung auf­ge­führ­ten be­kannt, so kön­nen die Er­kennt­nis­se ge­gen die be­schul­dig­te Per­son ver­wen­det wer­den, wenn zur Ver­fol­gung die­ser Straf­ta­ten ei­ne Über­wa­chung hät­te an­ge­ord­net wer­den dür­fen.

1bis Wer­den bei ei­ner Über­wa­chung nach den Ar­ti­keln 35 und 36 BÜPF121 straf­ba­re Hand­lun­gen be­kannt, so dür­fen die Er­kennt­nis­se un­ter den Vor­aus­set­zun­gen der Ab­sät­ze 2 und 3 ver­wen­det wer­den. 122

2 Er­kennt­nis­se über Straf­ta­ten ei­ner Per­son, die in der An­ord­nung kei­ner straf­ba­ren Hand­lung be­schul­digt wird, kön­nen ver­wen­det wer­den, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Über­wa­chung die­ser Per­son er­füllt sind.

3 In Fäl­len nach den Ab­sät­zen 1, 1bis und 2 ord­net die Staats­an­walt­schaft un­ver­züg­lich die Über­wa­chung an und lei­tet das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ein.123

4 Auf­zeich­nun­gen, die nicht als Zu­falls­fun­de ver­wen­det wer­den dür­fen, sind von den Ver­fah­rens­ak­ten ge­son­dert auf­zu­be­wah­ren und nach Ab­schluss des Ver­fah­rens zu ver­nich­ten.

5 Für die Fahn­dung nach ge­such­ten Per­so­nen dür­fen sämt­li­che Er­kennt­nis­se ei­ner Über­wa­chung ver­wen­det wer­den.

121 SR 780.1

122 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

123 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

BGE

137 IV 340 (1B_376/2011) from 3. November 2011
Regeste: Art. 80 Abs. 2, Art. 81 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 269 Abs. 1 lit. b und c, Art. 273 und 274 Abs. 2 StPO; Erhebung von Mobiltelefon-Randdaten; Überwachung des Fernmeldeverkehrs mittels Antennensuchlauf. Gesetzliche Ausnahme vom Erfordernis der "double instance" (E. 2.2). Schutzwürdiges Interesse der Staatsanwaltschaft an der Beschwerdeführung sowie drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil (E. 2.3). Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antennensuchlaufes im Rahmen einer strafprozessualen Rasterfahndung gegen noch unbekannte Täterschaft (E. 5 und 6).

141 IV 459 (1B_274/2015) from 10. November 2015
Regeste: Art. 269 Abs. 1 und Art. 278 Abs. 1 StPO; Verwendung von Zufallsfunden. Damit Zufallsfunde aus einer bereits gesetzeskonform genehmigten Telefonüberwachung verwendet werden können, müssen - gemäss Art. 278 Abs. 1 StPO - die Voraussetzungen von Art. 269 Abs. 1 lit. a-c StPO erfüllt sein. Insbesondere muss die neu entdeckte mutmassliche Straftat unter den Katalog von Art. 269 Abs. 2 StPO fallen. Soweit die genehmigte Überwachung bereits durchgeführt wurde, dürfen die daraus resultierenden Zufallsfunde bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts der neu entdeckten Straftat berücksichtigt werden (Art. 269 Abs. 1 lit. a StPO) (E. 4.1).

144 IV 254 (6B_1381/2017) from 25. Juni 2018
Regeste: Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1, Art. 278 StPO; Zufallsfund, absolute Unverwertbarkeit bei nicht genehmigter Überwachung. Die Genehmigung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs einer Zielperson umfasst nicht auch die Überwachung des nicht beschuldigten Kommunikationspartners. Erkenntnisse über Straftaten von Personen, die in der Überwachungsanordnung nicht formell beschuldigt werden, sind Zufallsfunde im Sinne von Art. 278 Abs. 2 StPO, deren Verwertung eine Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts voraussetzt (E. 1.3). Dass vorliegend das Zwangsmassnahmengericht zu einem früheren Zeitpunkt die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs des Beschwerdeführers wegen derselben Straftatbestände genehmigte, ändert nichts am Ergebnis. Massgebend sind nicht die Straftatbestände, sondern die konkreten Straftaten (E. 1.4.2). Nicht zur Verwertung genehmigte Zufallsfunde sind absolut unverwertbar im Sinne von Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 StPO (E. 1.4.3).

144 IV 370 (1B_345/2018) from 2. November 2018
Regeste: Art. 280, 281, 269 StPO; Voraussetzung und Durchführung der Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten. Der Einsatz von GPS-Ortungsgeräten zur geheimen Überwachung in Anwendung von Art. 280 lit. c StPO unterliegt den Voraussetzungen von Art. 281 Abs. 1 bis 3 StPO und - aufgrund des Verweises in Art. 281 Abs. 4 StPO - von Art. 269 StPO; entsprechend muss der dringende Verdacht bestehen, dass eine der im Katalog von Art. 269 Abs. 2 StPO genannten Straftaten begangen worden ist (Art. 269 Abs. 1 lit. a StPO; E. 2.3 und 2.4).

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