Schweizerische Strafprozessordnung
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Art. 288 Legende und Zusicherung der Anonymität
1 Die Polizei stattet verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler mit einer Legende aus.148 2 Die Staatsanwaltschaft kann verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittlern zusichern, dass ihre wahre Identität auch dann nicht preisgegeben wird, wenn sie in einem Gerichtsverfahren als Auskunftspersonen oder Zeuginnen oder Zeugen auftreten.149 3 Begehen verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler während ihres Einsatzes eine Straftat, so entscheidet das Zwangsmassnahmengericht, unter welcher Identität das Strafverfahren geführt wird. 148 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012 über die verdeckte Ermittlung und Fahndung, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 20131051; BBl 201255915609). 149 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012 über die verdeckte Ermittlung und Fahndung, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 20131051; BBl 201255915609). BGE
134 IV 266 (6B_777/2007) from 16. Juni 2008
Regeste: Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung; Anwendungsbereich des Gesetzes, Begriff der verdeckten Ermittlung; verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet zwecks Aufklärung von Straftaten, im Besonderen von sexuellen Handlungen mit Kindern, im Vorfeld eines Strafverfahrens; Erfordernis einer richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler, Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung bei deren Fehlen (Art. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 17, 18 BVE). Mangels einer klaren, abweichenden Regelung im BVE ist jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwandes und der Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren (E. 3.5-3.7). Die verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet ist trotz der gewissen Besonderheiten dieses Mediums eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE (E. 3.8). Die Voraussetzungen für die Anordnung einer verdeckten Ermittlung durch verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation im Chat zwecks Aufklärung von voraussichtlichen künftigen Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern im Vorfeld eines allfälligen Strafverfahrens sind schon vor dem Beginn des Chats erfüllt (E. 4.3). Die für die Ernennung eines verdeckten Ermittlers notwendige richterliche Genehmigung kann nicht erst nach dem Beginn des Einsatzes eingeholt und erteilt werden (E. 4.4). Erkenntnisse, die ein Polizeiangehöriger durch eine verdeckte Ermittlung gewinnt, dürfen nur als Beweis verwertet und für weitere Ermittlungen verwendet werden, wenn der Polizeiangehörige vor seinem Einsatz zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung vor seinem Einsatz richterlich genehmigt worden ist (E. 5.2). Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse mangels dieser notwendigen richterlichen Genehmigung im vorliegenden Fall (E. 5.3).
140 I 353 (1C_653/2012) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Polizeigesetz des Kantons Zürich; verdeckte Vorermittlung, Chatroom-Überwachung, Schutz des Post- und Fernmeldeverkehrs. Zuständigkeit der Kantone zur Regelung der präventiven Polizeitätigkeit, die nicht an einen Tatverdacht anknüpft und sich nicht auf die Strafprozessordnung des Bundes stützt (E. 5). Übersicht über die Regelung der verdeckten Vorermittlung und der Informationsbeschaffung im Internet gemäss dem Polizeigesetz (E. 6). Verdeckte Vorermittlung: Die kantonale Bestimmung (§ 32e PolG/ZH) bezieht sich auf schwere Delikte im Sinne von Art. 286 Abs. 2 StPO. Für die Durchführung wird auf die Art. 151 und 287-298 StPO verwiesen. Damit wird verhindert, dass die verdeckten Vorermittler als "agents provocateurs" tätig werden. Die Regelung entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen in Bezug auf die richterliche Genehmigung sowie die Verfahrensrechte und den Rechtsschutz der betroffenen Personen (E. 7). Chatroom-Überwachung: § 32f Abs. 2 PolG/ZH lässt die Überwachung der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen zu, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind (sog. Closed User Groups). Eine solche Informationsbeschaffung kann mit einem Eingriff in die Privatsphäre und in das Fernmeldegeheimnis verbunden sein (E. 8.4). Sie betrifft grundsätzlich alle Benutzer dieser Kommunikationsmittel. Es handelt sich um eine sehr weit gehende Überwachungsmethode, die das Sammeln und Auswerten von Informationen aus den Privatbereichen einer Vielzahl von Personen erlaubt, gegen die überhaupt kein Verdacht für rechtswidriges Verhalten vorliegt (E. 8.7.2.1). Die Bestimmung ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar, weil keine richterliche Genehmigung der Überwachung vorgeschrieben ist, keine nachträgliche Mitteilung an die Betroffenen erfolgt und ihnen auch kein Rechtsschutz gewährt wird (E. 8.7.2.4). Hinweis auf die Bestimmungen der StPO zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (E. 8.8).
143 I 310 (1B_118/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 151 Abs. 2 und Art. 297 Abs. 3 StPO; Art. 13 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Entdeckung der verdeckten Ermittlung durch die Beschuldigte, Schutz der verdeckten Ermittler. Für die sofortige und unwiederbringliche Löschung von Bildaufnahmen der verdeckten Ermittler auf Datenträgern der Beschuldigten bestand eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 3.3). Die Massnahme war jedoch unverhältnismässig. Die Staatsanwaltschaft hätte zumindest Kopien der Aufnahmen sicherstellen und zu den Akten geben müssen (E. 3.4).
143 IV 27 (6B_1293/2015) from 28. September 2016
Regeste: Art. 285a ff. und Art. 298a ff. StPO; verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet zwecks Aufklärung von Straftaten, insbesondere von sexuellen Handlungen mit Kindern. Erfordernis der richterlichen Genehmigung? Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, namentlich BGE 134 IV 266, unter der Herrschaft des früher geltenden Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (E. 2.1). Gesetzliche Grundlagen und Begriffsmerkmale der verdeckten Ermittlung und der verdeckten Fahndung in der heute geltenden StPO (E. 2.2-2.5). Die verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet erfüllt die Merkmale der verdeckten Ermittlung im Sinne von Art. 285a StPO grundsätzlich nicht. Sie ist eine verdeckte Fahndung nach Art. 298a StPO (E. 4.1-4.4). Daher bedarf es keiner Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht und sind die durch die verdeckten Abklärungen gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich verwertbar (E. 4.5). |