Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 293 Mass der zulässigen Einwirkung

1 Ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen und Er­mitt­ler dür­fen kei­ne all­ge­mei­ne Tat­be­reit­schaft we­cken und die Tat­be­reit­schaft nicht auf schwe­re­re Straf­ta­ten len­ken. Sie ha­ben sich auf die Kon­kre­ti­sie­rung ei­nes vor­han­de­nen Ta­tent­schlus­ses zu be­schrän­ken.

2 Ih­re Tä­tig­keit darf für den Ent­schluss zu ei­ner kon­kre­ten Straf­tat nur von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung sein.

3 Wenn er­for­der­lich, dür­fen sie zur An­bah­nung des Haupt­ge­schäf­tes Pro­be­käu­fe tä­ti­gen oder ih­re wirt­schaft­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit do­ku­men­tie­ren.

4 Über­schrei­tet ei­ne ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder ein ver­deck­ter Er­mitt­ler das Mass der zu­läs­si­gen Ein­wir­kung, so ist dies bei der Zu­mes­sung der Stra­fe für die be­ein­fluss­te Per­son ge­büh­rend zu be­rück­sich­ti­gen, oder es ist von ei­ner Stra­fe ab­zu­se­hen.

BGE

140 I 353 (1C_653/2012) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Polizeigesetz des Kantons Zürich; verdeckte Vorermittlung, Chatroom-Überwachung, Schutz des Post- und Fernmeldeverkehrs. Zuständigkeit der Kantone zur Regelung der präventiven Polizeitätigkeit, die nicht an einen Tatverdacht anknüpft und sich nicht auf die Strafprozessordnung des Bundes stützt (E. 5). Übersicht über die Regelung der verdeckten Vorermittlung und der Informationsbeschaffung im Internet gemäss dem Polizeigesetz (E. 6). Verdeckte Vorermittlung: Die kantonale Bestimmung (§ 32e PolG/ZH) bezieht sich auf schwere Delikte im Sinne von Art. 286 Abs. 2 StPO. Für die Durchführung wird auf die Art. 151 und 287-298 StPO verwiesen. Damit wird verhindert, dass die verdeckten Vorermittler als "agents provocateurs" tätig werden. Die Regelung entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen in Bezug auf die richterliche Genehmigung sowie die Verfahrensrechte und den Rechtsschutz der betroffenen Personen (E. 7). Chatroom-Überwachung: § 32f Abs. 2 PolG/ZH lässt die Überwachung der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen zu, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind (sog. Closed User Groups). Eine solche Informationsbeschaffung kann mit einem Eingriff in die Privatsphäre und in das Fernmeldegeheimnis verbunden sein (E. 8.4). Sie betrifft grundsätzlich alle Benutzer dieser Kommunikationsmittel. Es handelt sich um eine sehr weit gehende Überwachungsmethode, die das Sammeln und Auswerten von Informationen aus den Privatbereichen einer Vielzahl von Personen erlaubt, gegen die überhaupt kein Verdacht für rechtswidriges Verhalten vorliegt (E. 8.7.2.1). Die Bestimmung ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar, weil keine richterliche Genehmigung der Überwachung vorgeschrieben ist, keine nachträgliche Mitteilung an die Betroffenen erfolgt und ihnen auch kein Rechtsschutz gewährt wird (E. 8.7.2.4). Hinweis auf die Bestimmungen der StPO zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (E. 8.8).

143 I 304 (1B_117/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 113 Abs. 1, Art. 285a f. und Art. 293 Abs. 4 StPO; verdeckte Ermittlung, Aussageverweigerungsrecht der beschuldigten Person. Verweigert die beschuldigte Person die Aussage, steht dies der Anordnung einer verdeckten Ermittlung nicht entgegen. Der verdeckte Ermittler darf der beschuldigten Person allerdings nicht unter Ausnützung des geschaffenen Vertrauensverhältnisses in einer vernehmungsähnlichen Weise Fragen unterbreiten, die ihr bei der Einvernahme gestellt wurden oder hätten gestellt werden sollen, und sie zur Aussage drängen. Darin läge eine Umgehung des Aussageverweigerungsrechts. Ob der verdeckte Ermittler das Mass des Zulässigen überschritten hat, hat das Sachgericht zu beurteilen (E. 2).

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