Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 364 Verfahren

1 Die zu­stän­di­ge Be­hör­de lei­tet das Ver­fah­ren auf Er­lass ei­nes nach­träg­li­chen rich­ter­li­chen Ent­scheids von Am­tes we­gen ein, so­fern das Bun­des­recht nichts an­de­res be­stimmt. Sie reicht dem Ge­richt die ent­spre­chen­den Ak­ten so­wie ih­ren An­trag ein.

2 In den üb­ri­gen Fäl­len kön­nen die ver­ur­teil­te Per­son oder an­de­re da­zu be­rech­tig­te Per­so­nen mit ei­nem schrift­li­chen und be­grün­de­ten Ge­such die Ein­lei­tung des Ver­fah­rens be­an­tra­gen.

3 Das Ge­richt prüft, ob die Vor­aus­set­zun­gen für den nach­träg­li­chen rich­ter­li­chen Ent­scheid er­füllt sind, und er­gänzt wenn nö­tig die Ak­ten oder lässt wei­te­re Er­he­bun­gen durch die Po­li­zei durch­füh­ren.

4 Es gibt den be­trof­fe­nen Per­so­nen und Be­hör­den Ge­le­gen­heit, sich zum vor­ge­se­he­nen Ent­scheid zu äus­sern und An­trä­ge zu stel­len.

BGE

139 IV 175 (1B_126/2013) from 18. April 2013
Regeste: Art. 59 Abs. 4 StGB; Art. 220 Abs. 2, Art. 222 Satz 2, Art. 229-233 und 363 Abs. 1 StPO; Art. 80 Abs. 2 Satz 2 BGG; Sicherheitshaft in nachträglichen richterlichen Massnahmeverfahren. Wenn das kantonale Obergericht (nach dem kantonalen Gerichtsorganisationsrecht und gestützt auf Art. 363 Abs. 1 StPO) dafür zuständig ist, im selbstständigen nachträglichen Verfahren über die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme zu urteilen, und die Massnahmenfrist von Art. 59 Abs. 4 StGB abläuft, bevor das neue Massnahmenurteil rechtskräftig wird, stützt sich die zwischenzeitliche Anordnung von Sicherheitshaft auf Art. 229-233 i.V.m. 220 Abs. 2 StPO. In diesen Fällen ist die Verfahrensleitung des Obergerichtes auch für strafprozessuale Haftentscheide zuständig. Dagegen ist die Beschwerde ans Bundesgericht zulässig (E. 1).

141 IV 396 (6B_1021/2014) from 3. September 2015
Regeste: Zulässiges Rechtsmittel gegen selbstständige nachträgliche gerichtliche Entscheide. Selbstständige nachträgliche gerichtliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO ergehen in Form eines Beschlusses oder einer Verfügung und sind mit Beschwerde anzufechten (E. 3 und 4).

145 IV 281 (6B_156/2019) from 27. Juni 2019
Regeste: Art. 56 Abs. 3, 63a Abs. 2 und 63b Abs. 5 StGB, Art. 363 ff. StPO; Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme an Stelle des Strafvollzugs, Verwertbarkeit des Gutachtens. Das Gericht muss sich zur in Art. 63b Abs. 5 StGB vorgesehenen Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme an Stelle des Strafvollzugs auf eine Begutachtung durch einen Sachverständigen stützen (E. 2.1.4). Die Strafvollzugsbehörde kann gestützt auf kantonales Recht ein für ihren Entscheid zur Einleitung eines Verfahrens im Sinne von Art. 364 Abs. 1 StPO massgebendes Gutachten selbst anordnen. Die Gerichtsbehörde, welche über die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme im Rahmen eines Verfahrens gemäss Art. 363 ff. StPO entscheidet, darf ein solches Gutachten berücksichtigen. Wenn eine möglicherweise freiheitsentziehende Massnahme in Erwägung gezogen wird, bedarf die verurteilte Person einer notwendigen Verteidigung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Verteidigungsrechte der von einem Verfahren nach Art. 364 Abs. 1 StPO betroffenen Person sind nicht notwendigerweise bereits vor der Anrufung der Gerichtsbehörde durch die Strafvollzugsbehörde sicherzustellen, sofern dies anschliessend im entsprechenden Verfahren ausreichend gewährleistet wird (E. 2.3).

146 I 115 (1B_111/2020) from 31. März 2020
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 EMRK; Art. 5 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 BV; Art. 221, Art. 229-233 und Art. 363 f. StPO. Ausreichende gesetzliche Grundlage für Sicherheitshaft im massnahmenrechtlichen gerichtlichen Nachverfahren. Auseinandersetzung mit dem Urteil des EGMR I.L. gegen Schweiz vom 3. Dezember 2019. Die analoge Anwendung der Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Sicherheitshaft im selbstständigen gerichtlichen Nachverfahren stützt sich auf eine lang andauernde und konstante Rechtsprechung des Bundesgerichtes. Hinzu kommt, dass das Bundesgericht in diversen Entscheiden eine klare gesetzliche Regelung zur vollzugsrechtlichen Sicherheitshaft aus Gründen der Rechtssicherheit als wünschbar bezeichnet und der Gesetzgeber diese Anregung konsequent aufgenommen hat. Im hier beurteilten Fall ist nicht ersichtlich, dass die massgeblichen Rechtsquellen für den anwaltlich verbeiständeten Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherheitshaft nicht voraussehbar oder nicht hinreichend klar gewesen wären (E. 2).

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