Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 366 Voraussetzungen

1 Bleibt ei­ne ord­nungs­ge­mä­ss vor­ge­la­de­ne be­schul­dig­te Per­son der ers­tin­stanz­li­chen Haupt­ver­hand­lung fern, so setzt das Ge­richt ei­ne neue Ver­hand­lung an und lädt die Per­son da­zu wie­der­um vor oder lässt sie vor­füh­ren. Es er­hebt die Be­wei­se, die kei­nen Auf­schub er­tra­gen.

2 Er­scheint die be­schul­dig­te Per­son zur neu an­ge­setz­ten Haupt­ver­hand­lung nicht oder kann sie nicht vor­ge­führt wer­den, so kann die Haupt­ver­hand­lung in ih­rer Ab­we­sen­heit durch­ge­führt wer­den. Das Ge­richt kann das Ver­fah­ren auch sis­tie­ren.

3 Hat sich die be­schul­dig­te Per­son sel­ber in den Zu­stand der Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit ver­setzt oder wei­gert sie sich, aus der Haft zur Haupt­ver­hand­lung vor­ge­führt zu wer­den, so kann das Ge­richt so­fort ein Ab­we­sen­heits­ver­fah­ren durch­füh­ren.

4 Ein Ab­we­sen­heits­ver­fah­ren kann nur statt­fin­den, wenn:

a.
die be­schul­dig­te Per­son im bis­he­ri­gen Ver­fah­ren aus­rei­chend Ge­le­gen­heit hat­te, sich zu den ihr vor­ge­wor­fe­nen Straf­ta­ten zu äus­sern; und
b.
die Be­weis­la­ge ein Ur­teil oh­ne ih­re An­we­sen­heit zu­lässt.

BGE

141 IV 390 (1B_335/2015) from 30. Oktober 2015
Regeste: Art. 204 StPO, Art. 12 Ziff. 2 EUeR und Art. 73 Abs. 2 IRSG; Tragweite des freien Geleits im Sinn von Art. 204 StPO. Als Nutzniesser eines freien Geleits im Sinn von Art. 204 StPO fallen Beschuldigte, Zeugen und/oder Auskunftspersonen in Betracht (E. 2.1). Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte ergibt sich (E. 2.2.2), dass die gestützt auf Art. 204 StPO gewährte Immunität auch den Sachverhalt abdeckt, wegen dem der Beschuldigte vorgeladen wurde und bei einer Verurteilung wegen dieser Tatvorwürfe nicht erlischt. Die Behörde kann die Gewährung des freien Geleits indessen an Bedingungen knüpfen, bei deren Missachtung es dahin fällt (Art. 204 Abs. 3 StPO) (E. 2.2.3).

146 IV 30 (6B_801/2019) from 21. November 2019
Regeste: Art. 85 Abs. 4 lit. a und 356 Abs. 4 StPO; Einsprache gegen einen Strafbefehl, Nichterscheinen an der Hauptverhandlung im Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht, Rückzugsfiktion der Einsprache. Die gesetzliche Fiktion, wonach bei unentschuldigtem Fernbleiben die Einsprache gegen den Strafbefehl als zurückgezogen gilt, gelangt nicht zur Anwendung, wenn der Einsprecher keine Kenntnis von der Vorladung zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung und damit auch nicht von den Säumnisfolgen hat (Bestätigung der Rechtsprechung). Das Verbot der doppelten Fiktion (Zustellfiktion und Einspracherückzugsfiktion) gilt ungeachtet der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme des Einsprechers und der mehrmaligen Zustellungsversuche der Vorladung. Vorbehalten bleiben Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (E. 1.1 und 1.3).

146 IV 59 (6B_389/2019) from 28. Oktober 2019
Regeste: Art. 97 Abs. 3 StGB, Art. 366 ff. StPO; Verfolgungsverjährung bei Aufhebung eines Abwesenheitsurteils. Ein Abwesenheitsurteil im Sinne von Art. 366 ff. StPO gilt nur unter der resolutiven Bedingung, dass zu einem späteren Zeitpunkt kein Gesuch um neue Beurteilung eingereicht und das Abwesenheitsurteil durch ein neues Urteil ersetzt wird, als erstinstanzliches Urteil gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB. Ergeht in Gutheissung des Gesuchs um Neubeurteilung ein neues Urteil, fällt das Abwesenheitsurteil dahin. Die zwischen den beiden Urteilen verstrichene Zeit muss bei der Verfolgungsverjährung angerechnet werden (E. 3.4).

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