Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 375 Entscheid

1 Das Ge­richt ord­net die be­an­trag­te oder an­de­re Mass­nah­men an, wenn es die Tä­ter­schaft und die Schul­d­un­fä­hig­keit für er­wie­sen und die Mass­nah­me für er­for­der­lich hält. Gleich­zei­tig ent­schei­det es über die gel­tend ge­mach­ten Zi­vil­an­sprü­che.

2 Die An­ord­nung der Mass­nah­me und der Ent­scheid über die Zi­vil­an­sprü­che er­ge­hen in ei­nem Ur­teil.

3 Er­ach­tet das Ge­richt die be­schul­dig­te Per­son als schuld­fä­hig oder als für die im Zu­stand der Schul­d­un­fä­hig­keit be­gan­ge­nen Straf­ta­ten ver­ant­wort­lich, so weist es den An­trag der Staats­an­walt­schaft ab. Mit der Rechts­kraft die­ses Ent­scheids wird das Vor­ver­fah­ren ge­gen die be­schul­dig­te Per­son wei­ter­ge­führt.

BGE

141 IV 396 (6B_1021/2014) from 3. September 2015
Regeste: Zulässiges Rechtsmittel gegen selbstständige nachträgliche gerichtliche Entscheide. Selbstständige nachträgliche gerichtliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO ergehen in Form eines Beschlusses oder einer Verfügung und sind mit Beschwerde anzufechten (E. 3 und 4).

147 IV 93 (6B_360/2020) from 8. Oktober 2020
Regeste: Art. 2 Abs. 2, Art. 374 f. und Art. 404 Abs. 2 StPO; Grundsatz der Formstrenge, selbstständiges Massnahmeverfahren bei einer schuldunfähigen beschuldigten Person, Eingriff in die Dispositionsfreiheit. Beim Grundsatz der Formstrenge (Art. 2 Abs. 2 StPO) handelt es sich um einen fundamentalen Grundsatz des Strafprozessrechts (E. 1.3.2). Das Verfahren bei einer schuldunfähigen Person ist ein vom ordentlichen Verfahren klar abzugrenzendes selbstständiges, besonderes Verfahren, in dem mangels Vorwurfs eines schuldhaften Verhaltens kein Schuldspruch ergehen kann. Es gelangt zur Anwendung, wenn bereits im Vorverfahren die Schuldunfähigkeit hinsichtlich aller zu beurteilenden Straftaten eindeutig festgestellt wird. Wird eine Person mehrerer Taten beschuldigt, die teilweise mit und teilweise ohne Schuld begangen wurden, sind alle Taten im ordentlichen Verfahren gemäss Art. 328 ff. StPO zu beurteilen (E. 1.3). Wird in einem Verfahren bei einer schuldunfähigen Person ein Schuldspruch ausgesprochen, stellt dies zwar einen besonders schweren und offensichtlichen Verfahrensfehler dar, der jedoch in casu nicht zur Nichtigkeit des Urteils, sondern zu dessen Anfechtbarkeit führt (E. 1.4). Jedoch muss das Berufungsgericht in einem solchen Fall gestützt auf Art. 404 Abs. 2 StPO zugunsten der beschuldigten Person auch einen nicht angefochtenen (unzulässigen) Schuldspruch überprüfen bzw. aufheben (E. 1.5).

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