Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 386 Verzicht und Rückzug

1 Wer be­rech­tigt ist, ein Rechts­mit­tel zu er­grei­fen, kann nach Er­öff­nung des an­fecht­ba­ren Ent­scheids durch schrift­li­che oder münd­li­che Er­klä­rung ge­gen­über der ent­schei­den­den Be­hör­de auf die Aus­übung die­ses Rechts ver­zich­ten.

2 Wer ein Rechts­mit­tel er­grif­fen hat, kann die­ses zu­rück­zie­hen:

a.
bei münd­li­chen Ver­fah­ren: bis zum Ab­schluss der Par­teiver­hand­lun­gen;
b.
bei schrift­li­chen Ver­fah­ren: bis zum Ab­schluss des Schrif­ten­wech­sels und all­fäl­li­ger Be­weis- oder Ak­ten­er­gän­zun­gen.

3 Ver­zicht und Rück­zug sind end­gül­tig, es sei denn, die Par­tei sei durch Täu­schung, ei­ne Straf­tat oder ei­ne un­rich­ti­ge be­hörd­li­che Aus­kunft zu ih­rer Er­klä­rung ver­an­lasst wor­den.

BGE

141 IV 269 (6B_676/2014) from 30. Juli 2015
Regeste: Art. 386 Abs. 2 und 3 StPO; Rückzug eines Rechtsmittels; Willensmängel. Der Rückzug eines Rechtsmittels unter der Bedingung, dass die Gegenpartei ihr eigenes Rechtsmittel ebenfalls zurückziehe, ist zulässig (E. 2.1). Ein im Sinne von Art. 386 Abs. 3 StPO mit Willensmängeln behafteter Rechtsmittelrückzug ist nicht endgültig und kann widerrufen werden. Der Widerruf ist an diejenige Instanz zu richten, gegenüber welcher der Rückzug des Rechtsmittels erklärt wurde. Diese hat zu prüfen, ob der Rückzug wirksam ist (E. 2.2.3).

146 IV 286 (6B_254/2020) from 10. August 2020
Regeste: Art. 356 Abs. 3 StPO; Strafbefehl; Rückzug der Einsprache durch konkludente Handlung. Der Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl kann durch konkludentes Handeln erfolgen. Wenn die einsprechende Person die im Strafbefehl der festgesetzten Strafe und den Verfahrenskosten entsprechenden Geldbeträge zahlt, können die Strafbehörden diese Handlung grundsätzlich als Rückzug des Strafbefehls durch konkludentes Handeln im Sinne von Art. 356 Abs. 3 StPO auslegen (E. 2).

147 IV 36 (6B_895/2019) from 15. September 2020
Regeste: Art. 400 Abs. 3 lit. b und Art. 401 StPO; Art. 15 Abs. 2 StBOG; Umwandlung der Berufung in eine Anschlussberufung. Die gleichen Anträge einer Partei können nicht parallel Gegenstand einer Berufung und einer Anschlussberufung zur Berufung einer anderen Partei sein. Eine Berufung kann nach Ablauf der Frist für die Anschlussberufung gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO daher nicht mehr gültig in eine Anschlussberufung umgewandelt werden (E. 2).

147 IV 218 (6B_82/2021) from 1. April 2021
Regeste: Art. 14 Abs. 1 und 2 StPO; Auslegung und Zulässigkeit von kantonalen Bestimmungen über die Zuständigkeit innerhalb der Staatsanwaltschaft zum Entscheid über die Einlegung von Rechtsmitteln. Die Kantone können im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 und 2 StPO insbesondere regeln, welche Staatsanwälte zur Erhebung von Rechtsmitteln befugt sind (E. 2.3.1; Bestätigung der Rechtsprechung). Der Entscheid über die Einlegung von Rechtsmitteln liegt im Kanton Basel-Stadt gemäss der kantonalen Regelung von § 6 Abs. 4 Ziff. 2 der Verordnung vom 28. Juni 2016 über die Zusammensetzung, Organisation und Befugnisse der Staatsanwaltschaft beim Leitenden Staatsanwalt. Die basel-städtische Verordnung verlangt lediglich, dass der Grundsatzentscheid, ob ein Rechtsmittel einzulegen ist, vom Leitenden Staatsanwalt ausgeht. Die Bestimmung verpflichtet die Leitenden Staatsanwälte folglich nicht, das Rechtsmittel persönlich zu ergreifen. Eine solche Regelung betrifft die Behördenorganisation der Staatsanwaltschaft und erscheint mit Bundesrecht ebenfalls vereinbar (E. 2.4.2). Die Vorinstanz verstiess nicht gegen das Willkürverbot, indem sie die erwähnte Bestimmung auch auf den Rückzug von Rechtsmitteln anwandte und als Gültigkeitsvorschrift auslegte (E. 2.4.5).

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