Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 427 Kostentragungspflicht der Privatklägerschaft und der antragstellenden Person

1 Der Pri­vat­klä­ger­schaft kön­nen die Ver­fah­rens­kos­ten, die durch ih­re An­trä­ge zum Zi­vil­punkt ver­ur­sacht wor­den sind, auf­er­legt wer­den, wenn:

a.
das Ver­fah­ren ein­ge­stellt oder die be­schul­dig­te Per­son frei­ge­spro­chen wird;
b.
die Pri­vat­klä­ger­schaft die Zi­vil­kla­ge vor Ab­schluss der ers­tin­stanz­li­chen Haupt­ver­hand­lung zu­rück­zieht;
c.
die Zi­vil­kla­ge ab­ge­wie­sen oder auf den Zi­vil­weg ver­wie­sen wird.

2 Bei An­trags­de­lik­ten kön­nen die Ver­fah­rens­kos­ten der an­trag­stel­len­den Per­son, so­fern die­se mut­wil­lig oder grob fahr­läs­sig die Ein­lei­tung des Ver­fah­rens be­wirkt oder des­sen Durch­füh­rung er­schwert hat, oder der Pri­vat­klä­ger­schaft auf­er­legt wer­den:

a.
wenn das Ver­fah­ren ein­ge­stellt oder die be­schul­dig­te Per­son frei­ge­spro­chen wird; und
b.
so­weit die be­schul­dig­te Per­son nicht nach Ar­ti­kel 426 Ab­satz 2 kos­ten­pflich­tig ist.

3 Zieht die an­trag­stel­len­de Per­son im Rah­men ei­nes durch die Staats­an­walt­schaft ver­mit­tel­ten Ver­gleichs den Straf­an­trag zu­rück, so trägt in der Re­gel der Bund oder der Kan­ton die Ver­fah­rens­kos­ten.

4 Ei­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen der an­trag­stel­len­den und der be­schul­dig­ten Per­son über die Kos­ten­tra­gung beim Rück­zug des Straf­an­trags be­darf der Ge­neh­mi­gung der Be­hör­de, wel­che die Ein­stel­lung ver­fügt. Die Ver­ein­ba­rung darf sich nicht zum Nach­teil des Bun­des oder des Kan­tons aus­wir­ken.

Court decisions

138 IV 248 (6B_93/2012) from Sept. 26, 2012
Regeste: a Art. 118 ff. und 427 Abs. 2 StPO; Kostentragungspflicht der Privatklägerschaft bei Antragsdelikten. Dem Strafantrag stellenden Privatkläger, der sich abgesehen von der Strafklage am Strafverfahren nicht aktiv beteiligt, können bei Freispruch der beschuldigten Person nur in besonderen Fällen Verfahrenskosten auferlegt werden (E. 4.4).

139 IV 102 (6B_310/2012) from Dec. 11, 2012
Regeste: Parteientschädigung der Privatklägerschaft bei Erlass eines Strafbefehls und Verweisung der Zivilforderungen auf den Zivilweg; Legitimation der Privatklägerschaft zur Einsprache gegen den Strafbefehl; Art. 353 Abs. 1 lit. g, Art. 354 Abs. 1 lit. b, Art. 416, Art. 432 Abs. 1 und Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO. Kommt es zu einer Verurteilung der beschuldigten Person durch Strafbefehl, obsiegt die Privatklägerschaft als Strafklägerin, weshalb sie für die ihr im Zusammenhang mit der Strafklage erwachsenen Kosten der privaten Verteidigung zu entschädigen ist (E. 4.3). Wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, kann die Privatklägerschaft in ihrer Funktion als Zivilklägerin nicht als obsiegende und jedenfalls bei Erlass eines Strafbefehls auch nicht als unterliegende Partei gelten. Ausschliesslich mit der Zivilklage zusammenhängende Anwaltskosten oder anderweitige Auslagen der Privatklägerschaft, die einzig den Zivilpunkt betreffen, sind im Falle der Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg nicht im Strafverfahren zu entschädigen (E. 4.4). Die Privatklägerschaft ist als weitere Betroffene im Sinne von Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO zur Einsprache legitimiert, wenn ihr im Strafbefehl eine Parteientschädigung ganz oder teilweise verweigert wurde (E. 5.2).

143 IV 488 (6B_618/2016) from Nov. 8, 2017
Regeste: Art. 418 Abs. 3 und Art. 426 StPO; Auferlegung der Verfahrenskosten an haftenden Dritten, Solidarität. Art. 418 Abs. 3 StPO regelt einzig die Kostenverteilung zwischen mehreren Personen und nicht deren Auferlegung (E. 3.3). Wird keine beschuldigte Person zur Kostentragung im Sinne von Art. 426 StPO verurteilt, ist es nicht zulässig, die Verfahrenskosten gestützt auf Art. 418 Abs. 3 StPO ausschliesslich einem Dritten aufzuerlegen (E. 3.6).

145 IV 90 (6B_369/2018) from Feb. 7, 2019
Regeste: Art. 135 Abs. 4 StPO; im Falle eines Freispruchs der beschuldigten Person ist die Privatklägerschaft mangels gesetzlicher Grundlage nicht verpflichtet, dem Staat die Entschädigung der amtlichen Verteidigung zurückzuzahlen. Gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO kann ausschliesslich die zu den Verfahrenskosten verurteilte beschuldigte Person zur Rückzahlung der Entschädigung der amtlichen Verteidigung verpflichtet werden. Mangels einer geeigneten gesetzlichen Grundlage besteht bei einem (vollständigen oder teilweisen) Freispruch der beschuldigten Person keine entsprechende Rückzahlungspflicht der Privatklägerschaft. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung ist in diesem Fall vom Staat zu tragen (E. 5).

147 IV 47 (6B_582/2020) from Dec. 17, 2020
Regeste: a Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 426 Abs. 2, Art. 433 Abs. 1 lit. b StPO; Beschwerdelegitimation der Privatklägerschaft bezüglich der Kostentragungspflicht einer beschuldigten Person, deren Verfahren eingestellt wurde. Das rechtlich geschützte Interesse der Privatklägerschaft ist gegeben, weil der Entscheid über die Kostentragung die Entschädigungsfrage präjudiziert (E. 4.1).

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