Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 74 Orientierung der Öffentlichkeit

1 Die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te so­wie mit de­ren Ein­ver­ständ­nis die Po­li­zei kön­nen die Öf­fent­lich­keit über hän­gi­ge Ver­fah­ren ori­en­tie­ren, wenn dies er­for­der­lich ist:

a.
da­mit die Be­völ­ke­rung bei der Auf­klä­rung von Straf­ta­ten oder bei der Fahn­dung nach Ver­däch­ti­gen mit­wirkt;
b.
zur War­nung oder Be­ru­hi­gung der Be­völ­ke­rung;
c.
zur Rich­tig­stel­lung un­zu­tref­fen­der Mel­dun­gen oder Ge­rüch­te;
d.
we­gen der be­son­de­ren Be­deu­tung ei­nes Straf­fal­les.

2 Die Po­li­zei kann aus­ser­dem von sich aus die Öf­fent­lich­keit über Un­fäl­le und Straf­ta­ten oh­ne Nen­nung von Na­men ori­en­tie­ren.

3 Bei der Ori­en­tie­rung der Öf­fent­lich­keit sind der Grund­satz der Un­schulds­ver­mu­tung und die Per­sön­lich­keits­rech­te der Be­trof­fe­nen zu be­ach­ten.

4 In Fäl­len, in de­nen ein Op­fer be­tei­ligt ist, dür­fen Be­hör­den und Pri­va­te aus­ser­halb ei­nes öf­fent­li­chen Ge­richts­ver­fah­rens sei­ne Iden­ti­tät und In­for­ma­tio­nen, die sei­ne Iden­ti­fi­zie­rung er­lau­ben, nur ver­öf­fent­li­chen, wenn:

a.
ei­ne Mit­wir­kung der Be­völ­ke­rung bei der Auf­klä­rung von Ver­bre­chen oder bei der Fahn­dung nach Ver­däch­ti­gen not­wen­dig ist; oder
b.
das Op­fer be­zie­hungs­wei­se sei­ne hin­ter­blie­be­nen An­ge­hö­ri­gen der Ver­öf­fent­li­chung zu­stim­men.

BGE

120 IV 217 () from 8. September 1994
Regeste: Aussageverweigerungsrecht eines Kindes in einem gegen seinen Vater eröffneten Strafverfahren wegen Sexualdelikten zu seinem Nachteil. §§ 65 Ziff. 2, 66 Ziff. 1, 67 Abs. 1 StPO/BL; Art. 7 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 OHG. Ob einem vierjährigen Mädchen in einem gegen seinen Vater eröffneten Strafverfahren wegen Sexualdelikten zu seinem Nachteil nach dem kantonalen Strafprozessrecht ein Aussageverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft zustehe und ob es dieses rechtswirksam ausgeübt habe, sind Fragen des kantonalen Rechts, die im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgeworfen werden können (E. 3). Die Bejahung dieser Fragen verstösst weder gegen Sinn und Zweck des Sexualstrafrechts noch gegen Sinn und Zweck des Opferhilfegesetzes (E. 4). Offengelassen, ob und auf welche Weise ein vierjähriges Mädchen in einem solchen Fall als Opfer im Sinne von Art. 7 Abs. 2 OHG die Aussage zu Fragen betreffend sein Intimsphäre verweigern könne (E. 2).

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