Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


Open article in different language:  FR  |  IT  |  EN
Art. 81 Inhalt der Endentscheide

1 Ur­tei­le und an­de­re ver­fah­renser­le­di­gen­de Ent­schei­de ent­hal­ten:

a.
ei­ne Ein­lei­tung;
b.
ei­ne Be­grün­dung;
c.
ein Dis­po­si­tiv;
d.
so­fern sie an­fecht­bar sind: ei­ne Rechts­mit­tel­be­leh­rung.

2 Die Ein­lei­tung ent­hält:

a.
die Be­zeich­nung der Straf­be­hör­de und ih­rer am Ent­scheid mit­wir­ken­den Mit­glie­der;
b.
das Da­tum des Ent­scheids;
c.
ei­ne ge­nü­gen­de Be­zeich­nung der Par­tei­en und ih­rer Rechts­bei­stän­de;
d.
bei Ur­tei­len die Schluss­an­trä­ge der Par­tei­en.

3 Die Be­grün­dung ent­hält:

a.
bei Ur­tei­len: die tat­säch­li­che und die recht­li­che Wür­di­gung des der be­schul­dig­ten Per­son zur Last ge­leg­ten Ver­hal­tens, die Be­grün­dung der Sank­tio­nen, der Ne­ben­fol­gen so­wie der Kos­ten- und Ent­schä­di­gungs­fol­gen;
b.
bei an­de­ren ver­fah­renser­le­di­gen­den Ent­schei­den: die Grün­de für die vor­ge­se­he­ne Er­le­di­gung des Ver­fah­rens.

4 Das Dis­po­si­tiv ent­hält:

a.
die Be­zeich­nung der an­ge­wen­de­ten Ge­set­zes­be­stim­mun­gen;
b.
bei Ur­tei­len: den Ent­scheid über Schuld und Sank­ti­on, Kos­ten- und Ent­schä­di­gungs­fol­gen und all­fäl­li­ge Zi­vil­kla­gen;
c.
bei an­de­ren ver­fah­renser­le­di­gen­den Ent­schei­den: die An­ord­nung über die Er­le­di­gung des Ver­fah­rens;
d.
die nach­träg­li­chen rich­ter­li­chen Ent­schei­dun­gen;
e.
den Ent­scheid über die Ne­ben­fol­gen;
f.
die Be­zeich­nung der Per­so­nen und Be­hör­den, die ei­ne Ko­pie des Ent­schei­des oder des Dis­po­si­tivs er­hal­ten.

BGE

138 IV 35 (1B_504/2011) from 6. Dezember 2011
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 24 und 25 Abs. 1 lit. c JStPO; Art. 131 Abs. 1-3 StPO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 JStPO. Anspruch auf amtliche Verteidigung auch im jugendstrafprozessualen Untersuchungsverfahren gemäss bisheriger Praxis und neuer Jugendstrafprozessordnung (E. 5 und 6).

138 IV 241 (6B_79/2012) from 13. August 2012
Regeste: Art. 322 Abs. 2 StPO; Rechtsmittel bei impliziter Einstellung. Die Einstellung des Strafverfahrens muss durch eine beschwerdefähige, formelle Einstellungsverfügung erfolgen. Wenn die Staatsanwaltschaft durch Strafbefehl nur einen Teil der inkriminierten Taten ahndet, muss sie sowohl einen Strafbefehl als auch eine Einstellungsverfügung erlassen (E. 2.5). Wenn die Staatsanwaltschaft nicht zwei separate Entscheide fällt, sondern nur einen Strafbefehl erlässt, der eine implizite Einstellung enthält, ist diese mit Beschwerde und nicht mit Einsprache anzufechten (E. 2.6).

140 IV 213 (6B_360/2014) from 30. Oktober 2014
Regeste: Zulässigkeit der Beschwerde in Strafsachen bei Anfechtung des Entschädigungsentscheids durch die unentgeltliche Verbeiständung der Privatklägerschaft; Art 135 Abs. 3 StPO. Wird ein Urteil des Berufungsgerichts angefochten, das über die vom erstinstanzlichen Gericht der unentgeltlichen Rechtsbeiständin für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochene Entschädigung entscheidet, und bleibt die für das Berufungsverfahren festgesetzte Entschädigung unangefochten, liegt kein Anwendungsfall von Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO vor. Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig (E. 1.7).

141 IV 396 (6B_1021/2014) from 3. September 2015
Regeste: Zulässiges Rechtsmittel gegen selbstständige nachträgliche gerichtliche Entscheide. Selbstständige nachträgliche gerichtliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO ergehen in Form eines Beschlusses oder einer Verfügung und sind mit Beschwerde anzufechten (E. 3 und 4).

142 IV 70 (6B_845/2015) from 1. Februar 2016
Regeste: Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO; Zuständigkeit für den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen. Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO richten sich an den kantonalen Gesetzgeber. Hat ein Kanton von der in Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, gelangen für die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen die gewöhnlichen Bestimmungen der StPO zur Anwendung, d.h. für die Beweiserhebung und den Erlass des Strafbefehls ist der mit dem Fall befasste Staatsanwalt zuständig (E. 3). Die Kantone können den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO an Untersuchungsbeauftragte der Staatsanwaltschaft delegieren. Eine kantonale Regelung, wonach bei Übertretungen innerhalb der Staatsanwaltschaft nicht die Staatsanwälte, sondern andere Mitarbeiter für den Erlass von Strafbefehlen zuständig sind, verstösst nicht gegen übergeordnetes Recht. Erforderlich ist jedoch ein gültiger kantonaler Erlass, der dies explizit vorsieht (E. 4).

142 IV 299 (6B_1154/2015) from 28. Juni 2016
Regeste: Art. 29 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. a und b, Art. 353 Abs. 1 lit. i und Art. 354 Abs. 1 StPO; Einsprache gegen den Strafbefehl, Schriftlichkeitserfordernis, Hinweis auf die Einsprachemöglichkeit, Verbot des überspitzten Formalismus. Die Einsprache gegen den Strafbefehl muss gemäss Art. 354 Abs. 1 StPO schriftlich erfolgen. Ein Telefax erfüllt dieses Formerfordernis nicht (E. 1.1). Anforderungen an den Hinweis auf die Einsprachemöglichkeit nach Art. 353 Abs. 1 lit. i StPO (E. 1.2). Existiert ein sachlicher Grund für das Formerfordernis, verstösst dessen strikte Anwendung nicht gegen das Verbot des überspitzten Formalismus. Gegenüber fachkundigen Personen, insbesondere Rechtsanwälten, kommt eine Nachfristansetzung regelmässig nur bei Versehen oder unverschuldetem Hindernis in Frage. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Abgrenzung zu BGE 142 I 10 (E. 1.3).

143 IV 40 (6B_654/2016) from 16. Dezember 2016
Regeste: a Art. 384 lit. a und Art. 396 Abs. 1 StPO; Fristbeginn der Beschwerde gegen ein Urteil. Die Frist für die Beschwerde gegen ein Urteil beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (E. 3.2-3.4).

143 IV 469 (6B_1368/2016, 6B_1396/2016) from 15. November 2017
Regeste: Art. 391 Abs. 2 und 81 Abs. 4 StPO; Art. 48 StGB; Tragweite des Verbots der reformatio in peius; Inhalt des Urteilsdispositivs; Anordnungen betreffend die Strafzumessung. Das einzig von der beschuldigten Person angerufene Berufungsgericht verletzt das Verbot der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) nicht, wenn es die Strafe der ersten Instanz bestätigt, im Unterschied zu dieser aber den Strafmilderungsgrund der aufrichtigen tätigen Reue (Art. 48 lit. d StGB) in ihren Erwägungen verneint und diesen im Urteilsdispositiv auch nicht aufführt. Art. 48 StGB nennt lediglich einzelne Strafzumessungsfaktoren und ist nicht notwendiger Bestandteil des Urteilsdispositivs im Sinne von Art. 81 Abs. 4 lit. a StPO (E. 4).

144 IV 207 (6B_1099/2017) from 1. Mai 2018
Regeste: Art. 429 Abs. 1 StPO; Entschädigung. Die Strafbehörde hat im Endentscheid über die Entschädigung der beschuldigten Person zu befinden. Unterlässt sie dies, so hat sich die beschuldigte Person dagegen auf dem Rechtsmittelweg zu wehren (E. 1.7).

145 IV 259 (6B_315/2019) from 5. Juli 2019
Regeste: Art. 81 Abs. 1 lit. d und Art. 91 Abs. 2 StPO; Rechtsmittelbelehrung bei Zustellungen ins Ausland. Ist der Zustellungsempfänger im Ausland wohnhaft, muss die Rechtsmittelbelehrung grundsätzlich einen Hinweis enthalten, dass die Rechtsmitteleingabe spätestens am letzten Tag der Frist der Schweizerischen Post übergeben werden muss oder fristwahrend auch bei einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung im Ausland eingereicht werden kann (E. 1).

145 IV 438 (6B_1321/2018) from 26. September 2019
Regeste: Art. 353 Abs. 1 lit. c-e, Art. 354 Abs. 1 lit. a und Abs. 3, Art. 355 Abs. 1 und 3, Art. 356 Abs. 1 StPO; Erlass eines neuen Strafbefehls nach Einsprache gegen den ersten Strafbefehl; Pflicht gegen den zweiten Strafbefehl erneut Einsprache zu erheben. Vom Erlass eines neuen Strafbefehls im Sinne von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO mit neuem Schuldspruch und/oder neuer Sanktion zu unterscheiden ist die gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, den ursprünglichen Strafbefehl z.B. in Bezug auf die Sachverhaltsschilderung zu berichtigen oder zu ergänzen. Ein solches Vorgehen kann sich zwecks Vermeidung unnötiger Prozessleerläufe sowie im Interesse des Beschleunigungsgebots aufdrängen, da das Gericht verpflichtet ist, die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, wenn die Sachverhaltsumschreibung im Strafbefehl den Anforderungen an eine Anklageschrift nicht genügt. Die beschuldigte Person ist nicht verpflichtet, gegen einen berichtigten bzw. inhaltlich ergänzten Strafbefehl mit identischem Schuldspruch und identischer Sanktion erneut Einsprache zu erheben, da die Staatsanwaltschaft damit materiell am ursprünglichen Strafbefehl festhält (E. 1.4 und 1.5).

147 IV 145 (6B_601/2020) from 6. Januar 2021
Regeste: a Art. 292 StGB, Art. 70 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 80 Abs. 3 StPO; formelle Gültigkeitsvoraussetzungen und Tragweite eines Beschlusses, welcher den Zugang von Gerichtsberichterstattern zu einer unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verhandlung unter der Strafandrohung des Art. 292 StGB nur bedingt zulässt. Wird eine Gerichtsverhandlung gestützt auf Art. 70 Abs. 1 StPO unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt, kann der Zutritt der Gerichtsberichterstatter zu den Verhandlungen nach Art. 70 Abs. 3 StPO zwecks Wahrung berechtigter Interessen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit mit bestimmten Auflagen verbunden werden, deren Nichteinhalten zum Ausschluss von der Verhandlung führen kann. Der Vorentscheid, welcher den Medienvertretern, die zu Verhandlungen unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit zugelassen sind, die Berichterstattung über bestimmte Informationen untersagt, ist ein verfahrensleitender Beschluss (Art. 80 Abs. 3 StPO), der weder gesondert ausgefertigt noch begründet werden muss, sondern im Protokoll vermerkt und den Parteien in geeigneter Weise, insbesondere auch mündlich, eröffnet werden kann. Diese Mitteilungsmodalitäten und die fehlende Rechtsmittelbelehrung vermögen die Gültigkeit des mit der Strafandrohung im Sinne von Art. 292 StGB versehenen Beschlusses, welcher einem superprovisorischen Entscheid ähnelt, nicht in Frage zu stellen (E. 1).

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden