Swiss Criminal Procedure Code
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Art. 130 Mandatory appointment of a defence lawyer
A defence lawyer must be appointed to represent the accused if:
42 Amended by Annex No 5 of the FA of 20 March 2015 (Implementation of Art. 121 para. 3–6 Federal Constitution on the expulsion of foreign nationals convicted of certain criminal offences), in force since 1 Oct. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975). BGE
139 IV 113 (1B_387/2012) from 24. Januar 2013
Regeste: Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Art. 113 Abs. 1, Art. 130, 132 Abs. 1 lit. a und Art. 133 Abs. 2 StPO; amtliche und notwendige Verteidigung; Vorschlagsrecht des Beschuldigten betreffend die Person des amtlichen Verteidigers; Verbot des Selbstbelastungszwangs. Zwischenentscheid (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG): Drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil bejaht, wenn eine Verletzung des Vorschlagsrechts der beschuldigten Person nach Art. 133 Abs. 2 StPO zur Diskussion steht (E. 1.2). Bei notwendiger Verteidigung setzt die Bestellung eines Offizialverteidigers, dessen Kosten vom Staat (vorläufig) zu bevorschussen sind, keinen Nachweis der finanziellen Bedürftigkeit des Beschuldigten voraus. Dass die Vorinstanz das gesetzliche Vorschlagsrecht bei der Ernennung des Offizialverteidigers davon abhängig macht, dass der Beschuldigte der Staatsanwaltschaft seine finanziellen Verhältnisse offenlegt und der erbetene Verteidiger ihn dazu aktiv anhalten muss, hält vor dem Bundesrecht nicht stand (E. 4 und 5).
141 IV 289 (1B_56/2015) from 29. Juli 2015
Regeste: Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 130 lit. b, Art. 131 Abs. 3, Art. 141 Abs. 1, 2 und 5 StPO; Entfernung eines Einvernahmeprotokolls aus den Untersuchungsakten wegen angeblicher Unverwertbarkeit; nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil. Der alleinige Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer im Vorverfahren bestreitet, in den Untersuchungsakten bleibt, stellt grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur dar (E. 1). Eine Ausnahme von dieser Regel ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Insbesondere sieht das Gesetz (hier: Art. 131 Abs. 3 StPO) nicht ausdrücklich die sofortige Rückgabe aus den Akten oder die Vernichtung rechtswidriger Beweise vor. Ebenso wenig steht (aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalles) die Ungültigkeit bzw. Unverwertbarkeit des Beweismittels hier ohne Weiteres fest (E. 2).
142 IV 45 (6B_1105/2014) from 11. Februar 2016
Regeste: Entschädigung der beschuldigten Person bei Freispruch oder Einstellung; Verteidigungskosten; angemessene Ausübung der Verfahrensrechte; Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO. Dass die beschuldigte Person, die in Anwendung von Art. 292 StGB mittels Strafbefehl zu einer Busse verurteilt wurde, ohne vorher von der Staatsanwaltschaft angehört worden zu sein, zu ihrer Verteidigung einen Anwalt beizieht, erscheint angemessen (E. 2).
143 I 164 (1B_338/2016) from 3. April 2017
Regeste: Art. 6 Ziff. 3 lit. c und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 3, Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 130 und Art. 132 StPO: notwendige und amtliche Verteidigung. Ein Anspruch auf notwendige Verteidigung ergibt sich weder aus Art. 29 Abs. 3 BV noch aus Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK. Nach Massgabe der Garantie der Fairness sowie der Aufklärungs- und Fürsorgepflicht (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV) kann es geboten sein, dass die Strafbehörde von Amtes wegen für eine notwendige Verteidigung zu sorgen hat (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.3). Gesetzlicher Anspruch auf notwendige Verteidigung (E. 2.4), insbesondere aus Art. 130 lit. b StPO (zur Anknüpfung an das konkret zu erwartende Strafmass, vgl. E. 2.4.3) und Art. 130 lit. c StPO ("anderer Grund", vgl. E. 2.4.4). Unentgeltliche Bestellung einer amtlichen Verteidigung gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. c und Art. 6 Ziff. 1 EMRK in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (E. 3.2). Zur "abstrakten Betrachtungsweise" gemäss Quaranta-Rechtsprechung (E. 3.3) und deren Harmonisierung mit der StPO- Konzeption (E. 3.4-3.6).
143 I 284 (6B_294/2016) from 5. Mai 2017
Regeste: Art. 94 und 130 StPO; Wiederherstellung einer aufgrund eines schwerwiegenden Fehlers des notwendigen Verteidigers verpassten Frist. Eine Verfehlung des Anwalts ist grundsätzlich seinem Mandanten zuzurechnen und stellt in der Regel keine unverschuldete Säumnis dar, die eine Fristwiederherstellung im Sinne von Art. 94 StPO rechtfertigt (E. 1). In Fällen notwendiger Verteidigung kann jedoch das Recht der beschuldigten Person auf eine konkrete und wirksame Verteidigung im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK, Art. 14 Ziff. 3 lit. d UNO-Pakt II und Art. 32 Abs. 2 BV ausnahmsweise der Zurechnung des schwerwiegenden Fehlers des Verteidigers entgegenstehen. Ausnahmefall vorliegend bejaht, da der beschuldigten Person aus der Säumnis - die Berufungserklärung wurde einen Tag nach Fristablauf eingereicht - ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen würde (E. 2).
143 IV 122 (6B_616/2016) from 27. Februar 2017
Regeste: Art. 358 ff. und Art. 410 ff. StPO; Revision eines im abgekürzten Verfahren gefällten Urteils. Die Revision eines im abgekürzten Verfahren gefällten Urteils ist gestützt auf neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO nicht zulässig. Bei strafbarer Einwirkung auf das abgekürzte Verfahren (Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO) und bei schwerwiegenden Willensmängeln liegt ein Revisionsgrund vor (E. 3).
144 I 253 (1B_520/2017) from 4. Juli 2018
Regeste: Art. 29 Abs. 1 und 2, Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK; Art. 147 Abs. 1, Art. 157 f., Art. 185 StPO. Zulassung der Verteidigung zur psychiatrischen Exploration der beschuldigten Person. Das Verhör des Beschuldigten und die Beweisaussagen der Parteien erfüllen andere gesetzliche Funktionen als eine forensisch-psychiatrische Begutachtung. Die sachverständige Person nimmt ausschliesslich fachspezifische Erhebungen vor, die mit dem Expertiseauftrag in engem Zusammenhang stehen. Eine eigene Befragung der beschuldigten Person durch die sachverständige Person ist spezifisch gutachtensorientiert. Folglich dürfen die Strafbehörden Äusserungen der beschuldigten Person bei einem psychiatrischen Explorationsgespräch dieser auch nicht wie Beweisaussagen zum inkriminierten Sachverhalt vorhalten. Nach einer gesetzeskonformen kontradiktorischen Ernennung und Instruktion der forensischen sachverständigen Person (unter Teilnahme der Parteien) hat die Verteidigung auf materielle Begutachtungsvorgänge durch die medizinisch-psychiatrische Fachperson (bis zum Vorliegen der Expertise) keinen direkten Einfluss mehr zu nehmen. Die Verteidigung hat weder den fachlich-methodischen Ablauf der Expertise unmittelbar zu "kontrollieren", noch die Exploration mit eigenen Fragen direkt zu ergänzen bzw. zu beeinflussen. Nach Vorliegen des Gutachtens steht es den Parteien (im Rahmen ihres gesetzlich vorgesehenen Stellungnahmerechts) frei, nötigenfalls Kritik am methodischen Vorgehen oder an den fachlichen Schlussfolgerungen des Gutachters zu äussern und entsprechende Beweis- und Ergänzungsanträge zu stellen. Ein Recht auf Zulassung der Verteidigung zur forensisch-psychiatrischen Exploration ergibt sich weder aus Art. 147 Abs. 1 StPO noch aus anderen gesetzlichen Bestimmungen. Ein solcher Anspruch lässt sich hier auch nicht aus den Grundrechten der Bundesverfassung oder der EMRK herleiten (E. 3).
144 IV 377 (1B_401/2018) from 10. Dezember 2018
Regeste: Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, 136 und 299 Abs. 1 StPO; Zulässigkeit der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen die unentgeltliche Rechtspflege gewährenden Entscheid; Recht der Privatklägerschaft auf unentgeltliche Rechtspflege im Vorverfahren. Hebt eine kantonale Behörde eine Verfügung der Staatsanwaltschaft auf und weist sie die Sache zum neuen Entscheid an die Staatsanwaltschaft zurück, führt das bei dieser im Allgemeinen zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil, da sie sich gezwungen sieht, einen Entscheid zu treffen, den sie als rechtswidrig erachtet, ohne diesen in der Folge in Frage stellen zu können. So verhält es sich insbesondere, wenn die kantonale Behörde in der Sache gestützt auf eine Begründung - hier: das Verfahrensstadium - entscheidet, welche die Staatsanwaltschaft endgültig bindet (E. 1). Die Privatklägerschaft hat das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege im Vorverfahren während der - späteren - staatsanwaltschaftlichen Untersuchung (Art. 299 Abs. 1 in fine StPO; Bestätigung der Rechtsprechung). Dieses Recht hat die Privatklägerschaft auch im - vorherigen - polizeilichen Ermittlungsverfahren (Art. 299 Abs. 1 StPO; E. 2).
145 IV 197 (6B_517/2018) from 24. April 2019
Regeste: Art. 410 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 StPO; Übersetzung eines Strafbefehls. Die fehlende Übersetzung eines Strafbefehls ist weder Revisions- noch Nichtigkeitsgrund (E. 1).
145 IV 281 (6B_156/2019) from 27. Juni 2019
Regeste: Art. 56 Abs. 3, 63a Abs. 2 und 63b Abs. 5 StGB, Art. 363 ff. StPO; Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme an Stelle des Strafvollzugs, Verwertbarkeit des Gutachtens. Das Gericht muss sich zur in Art. 63b Abs. 5 StGB vorgesehenen Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme an Stelle des Strafvollzugs auf eine Begutachtung durch einen Sachverständigen stützen (E. 2.1.4). Die Strafvollzugsbehörde kann gestützt auf kantonales Recht ein für ihren Entscheid zur Einleitung eines Verfahrens im Sinne von Art. 364 Abs. 1 StPO massgebendes Gutachten selbst anordnen. Die Gerichtsbehörde, welche über die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme im Rahmen eines Verfahrens gemäss Art. 363 ff. StPO entscheidet, darf ein solches Gutachten berücksichtigen. Wenn eine möglicherweise freiheitsentziehende Massnahme in Erwägung gezogen wird, bedarf die verurteilte Person einer notwendigen Verteidigung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Verteidigungsrechte der von einem Verfahren nach Art. 364 Abs. 1 StPO betroffenen Person sind nicht notwendigerweise bereits vor der Anrufung der Gerichtsbehörde durch die Strafvollzugsbehörde sicherzustellen, sofern dies anschliessend im entsprechenden Verfahren ausreichend gewährleistet wird (E. 2.3).
145 IV 407 (6B_90/2019) from 7. August 2019
Regeste: a Art. 130 lit. d, 337 StPO; persönliches Erscheinen der Staatsanwaltschaft vor Gericht, notwendige Verteidigung. Der Umstand, dass der Staatsanwalt vom erstinstanzlichen Richter zur Hauptverhandlung vorgeladen wurde, hindert ihn nicht, auf sein persönliches Erscheinen zu verzichten, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung nicht erfüllt sind und er von der Verfahrensleitung nicht zur persönlichen Vertretung der Anklage verpflichtet worden ist (E. 1).
146 IV 172 (6B_572/2019) from 8. April 2020
Regeste: Art. 78 ff. BGG; Art. 21 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 (SIS-II-Verordnung); Art. 20 f. N-SIS-Verordnung; Art. 391 Abs. 2 StPO; Ausschreibung der Landesverweisung im SIS: Voraussetzungen, Zuständigkeit, Verfahren, Verschlechterungsverbot, rechtliches Gehör. Gegen die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS ist die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegeben (E. 1.3). Voraussetzungen und Zuständigkeit für die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS (E. 3.2.1-3.2.4). Die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS unterliegt - wie auch die Landesverweisung selber - nicht dem Anklageprinzip. Spricht das Gericht eine Landesverweisung aus, muss es bei Drittstaatsangehörigen unabhängig von einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft zwingend auch darüber befinden, ob die Landesverweisung im SIS auszuschreiben ist. Es hat die Frage der Ausschreibung der Landesverweisung im SIS materiell zu beurteilen und im Dispositiv des Strafurteils zwingend zu erwähnen, ob die Ausschreibung vorzunehmen ist oder ob darauf verzichtet wird (E. 3.2.5). Die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS ist vollzugs- bzw. polizeirechtlicher Natur. Im Berufungsverfahren gelangt das Verschlechterungsverbot (Verbot der "reformatio in peius") auf die Ausschreibung der Landesverweisung zumindest dann nicht zur Anwendung, wenn die Frage im erstinstanzlichen Verfahren unbehandelt blieb (E. 3.3). Anspruch auf rechtliches Gehör vor dem Entscheid über die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS (E. 3.4).
146 IV 364 (6B_639/2020) from 15. September 2020
Regeste: Art. 40 Abs. 2 und 41 Abs. 1 BGG; notwendige Verteidigung, fehlende Vollmacht. Das BGG kennt das Institut der notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 130 f. StPO nicht. Ohne entsprechenden Auftrag kann ein Anwalt nicht geltend machen, er sei zur Vertretung eines Beschuldigten berechtigt, weil es sich bei der Strafsache im kantonalen Verfahren um einen Fall notwendiger Verteidigung gehandelt hat. Ein Anwalt, der nicht entsprechend beauftragt wurde, ist nicht zur Beschwerdeführung befugt, wenn er beim Betroffenen weder Instruktionen noch eine Vollmacht erhältlich machen konnte. Das BGG weist diesbezüglich keine Lücke auf. Art. 41 Abs. 1 BGG ermächtigt das Bundesgericht lediglich, eine Partei, die selbständig Beschwerde erhoben hat und offensichtlich nicht imstande ist, ihre Sache selber zu führen, zu verpflichten, einen Vertreter oder eine Vertreterin beizuziehen. Diese Bestimmung ist jedoch nicht anwendbar, wenn das Bundesgericht von einem Anwalt im Namen eines Betroffenen angerufen wird, von dem er keine Instruktionen erhältlich machen konnte (E. 1.1 und 1.2). |