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Art. 171 Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund eines Berufsgeheimnisses
1 Geistliche, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Verteidigerinnen und Verteidiger, Notarinnen und Notare, Patentanwältinnen und Patentanwälte, Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, Apothekerinnen und Apotheker, Psychologinnen und Psychologen, Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, Hebammen, Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater, Optometristinnen und Optometristen, Osteopathinnen und Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen können das Zeugnis über Geheimnisse verweigern, die ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden sind oder die sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben.87 2 Sie haben auszusagen, wenn sie:
3 Die Strafbehörde beachtet das Berufsgeheimnis auch bei Entbindung von der Geheimnispflicht, wenn die Geheimnisträgerin oder der Geheimnisträger glaubhaft macht, dass das Geheimhaltungsinteresse der Geheimnisherrin oder des Geheimnisherrn das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt. 4 Das Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200089 bleibt vorbehalten. 87 Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 des BG vom 16. Dez. 2022 über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege, in Kraft seit 1. Juli 2024 (AS 2024 212; BBl 2022 1498). BGE
147 I 354 (2C_657/2018) from 18. März 2021
Regeste: Art. 13 BV, Art. 8 EMRK, Art. 321 StGB, Art. 68 des Tessiner Gesundheitsgesetzes (LSan/TI); ärztliches Berufsgeheimnis, Bestimmungen des kantonalen Rechts über die Meldepflicht von Angehörigen der Gesundheitsberufe gegenüber der Strafverfolgungsbehörde, abstrakte Normenkontrolle. Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht (E. 3.2 und 3.3.1). Einwilligung des Patienten, Entbindung von der Schweigepflicht durch die Aufsichtsbehörde und Meldepflichten bzw. -rechte als Ausnahmen von der Strafbarkeit bei Offenbarung des Arztgeheimnisses (E. 3.3.2 und 3.3.3). Auch nach Inkrafttreten der StPO können die Kantone eine Meldepflicht der Gesundheitsfachpersonen bei der Staatsanwaltschaft gemäss Art. 321 Ziff. 3 StGB vorsehen (E. 3.3.3 und 4). Anforderungen, die von der kantonalen Gesetzgebung berücksichtigt werden müssen (E. 3.4 und 3.5). Art. 68 Abs. 2 LSan/TI legt eine allgemeine Verpflichtung für Angehörige der Gesundheitsberufe fest, der Staatsanwaltschaft jeden Krankheits- oder Verletzungsfall im Zusammenhang mit einer bekannten oder vermuteten Straftat zu melden, der ihnen bei der Ausübung ihrer Pflichten oder ihres Berufs bekannt wird. Eine Verpflichtung dieses Umfangs verletzt die Substanz des Arztgeheimnisses und verstösst damit gegen Art. 321 StGB (E. 5). Darüber hinaus verpflichtet Art. 68 Abs. 3 LSan/TI die Angehörigen der Gesundheitsberufe, jedes Offizialdelikt, das eine Gesundheitsfachperson im Zusammenhang mit ihrer Funktion oder ihrem Beruf begangen hat, der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, wobei die ärztliche Schweigepflicht im Zusammenhang mit einer therapeutischen Beziehung vorbehalten bleibt. Im Lichte der Strafbarkeit des Meldeversäumnisses ist die Beschreibung des Straftatbestandes nicht hinreichend präzise und eingegrenzt. Die Vorschrift verstösst insofern gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (E. 6.3).
147 IV 385 (1B_333/2020) from 22. Juni 2021
Regeste: Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO, Art. 2, 4, 13, 21 ff., 27 ff. BGFA, Art. 321 StGB; Tragweite des von Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO gewährleisteten Schutzes hinsichtlich des betroffenen Anwalts. Der Schutz des Berufsgeheimnisses, den Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO Gegenständen und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrem im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigten Anwalt verleiht, beschränkt sich in Anbetracht namentlich des Gesetzeswortlauts und der Gesetzgebungsarbeiten auf Anwälte, die nach dem Anwaltsgesetz zur Berufsausübung berechtigt sind (E. 2). |