Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)


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Art. 19 Erstinstanzliches Gericht

1 Das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt be­ur­teilt in ers­ter In­stanz al­le Straf­ta­ten, die nicht in die Zu­stän­dig­keit an­de­rer Be­hör­den fal­len.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen als ers­tin­stanz­li­ches Ge­richt ein Ein­zel­ge­richt vor­se­hen für die Be­ur­tei­lung von:

a.
Über­tre­tun­gen;
b.4
Ver­bre­chen und Ver­ge­hen, mit Aus­nah­me de­rer, für wel­che die Staats­an­walt­schaft ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als zwei Jah­ren, ei­ne Ver­wah­rung nach Ar­ti­kel 64 StGB5, ei­ne Be­hand­lung nach Ar­ti­kel 59 StGB oder, bei gleich­zei­tig zu wi­der­ru­fen­den be­ding­ten Sank­tio­nen, einen Frei­heits­ent­zug von mehr als zwei Jah­ren be­an­tragt.

4 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 17. Ju­ni 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 468; BBl 2019 6697).

5 SR 311.0

BGE

147 IV 329 (1B_370/2020) from 10. Mai 2021
Regeste: Art. 19 Abs. 2 lit. b und Art. 334 Abs. 1 StPO; Urteilskompetenz des Einzelgerichts. Die Grenze von zwei Jahren Freiheitsentzug, bis zu der die Urteilskompetenz des Einzelgerichts vorgesehen werden kann, ist streng zu handhaben. Sie darf unter keinen Umständen überschritten werden. Dem Widerruf einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug ist insoweit ebenso Rechnung zu tragen wie dem Widerruf einer bedingten Sanktion. Im zu beurteilenden Fall Aufhebung des Urteils des Einzelgerichts, das aufgrund der neu ausgesprochenen Strafe und einer zufolge Aufhebung einer ambulanten Massnahme vollziehbar erklärten Vorstrafe einen Freiheitsentzug von insgesamt 46 Monaten verantwortete (E. 2).

147 IV 433 (6B_764/2021) from 18. August 2021
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 59 und 62c Abs. 1 lit. a StGB; Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO; § 38b Abs. 1 lit. d Ziff. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG); Tragweite der einzelrichterlichen Zuständigkeit für "Streitigkeiten betreffend den Justizvollzug nach dem Straf- und Justizvollzugsgesetz" im Kanton Zürich. Die Zuständigkeit des Einzelrichters erfasst nicht auch die Überprüfung der Aufhebung einer stationären therapeutischen Massnahme wegen Aussichtslosigkeit. Es fehlt die kantonale gesetzliche Grundlage (E. 2.3); zudem ist eine einzelrichterliche Beurteilung nicht mit dem Strafprozessrecht des Bundes vereinbar (E. 2.4).

148 IV 1 (6B_544/2021, 6B_610/2021) from 23. August 2021
Regeste: Art. 59 Abs. 1 und 4, Art. 62a Abs. 1 lit. b, Art. 62c Abs. 1 lit. a, Abs. 3 und 4, Art. 63 Abs. 1, Art. 63a Abs. 2 und 3, Art. 63b Abs. 5 und Art. 64 Abs. 1 StGB; Art. 2 Abs. 2, Art. 29 f., Art. 80 Abs. 1, Art. 197 Abs. 1 lit. a, Art. 393 und Art. 398 Abs. 1-3 StPO; Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV; ambulante und stationäre therapeutische Massnahme; Antrag auf nachträgliche Anordnung der Verwahrung infolge Aussichtslosigkeit der stationären therapeutischen Massnahme und Antrag auf originäre Verwahrung infolge neuer Anlassdelikte; Verfahrensvereinigung; Zuständigkeit; Grundsatz der Formstrenge. Eine direkte Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung ist nicht möglich (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4.1). Das Gericht hat im Rahmen von Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB lediglich über die Verlängerung der stationären Massnahme zu befinden. Für die Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme infolge Aussichtslosigkeit ist die Vollzugsbehörde zuständig. Nach rechtskräftiger Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme ist es am erstinstanzlichen Gericht, auf Antrag der Vollzugsbehörde über die Rechtsfolgen zu befinden (E. 3.4.2). Dass das Berufungsgericht im zweitinstanzlichen Entscheid über die Nichtverlängerung der stationären Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB zu Unrecht eine ambulante Massnahme anordnete, hinderte die Vollzugsbehörde nicht daran, nach Aufhebung der stationären Massnahme infolge Aussichtslosigkeit beim zuständigen erstinstanzlichen Gericht in Anwendung von Art. 62c Abs. 4 StGB eine nachträgliche Verwahrung zu beantragen (E. 3.4.3). Tragweite des in Art. 2 Abs. 2 StPO verankerten Grundsatzes der Formstrenge (E. 3.5.1). Der Grundsatz der Formstrenge steht einer Gesetzesauslegung und einer richterlichen Lückenfüllung nicht entgegen (E. 3.5.2). Die kantonalen Instanzen sprachen sich zu Recht für eine Vereinigung des Verfahrens auf nachträgliche Verwahrung im Sinne von Art. 62c Abs. 4 StGB mit dem ebenfalls hängigen Verfahren auf originäre Verwahrung infolge neuer Anlassdelikte und für die abschliessende Beurteilung der Frage der Verwahrung im erstinstanzlichen Strafurteil aus. Die Zuständigkeit für die Beurteilung der Verwahrung im Rechtsmittelverfahren liegt damit ausschliesslich bei der Berufungsinstanz (E. 3.6).

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