Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)


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Art. 335 Zusammensetzung des Gerichts

1 Das Ge­richt tagt wäh­rend der ge­sam­ten Haupt­ver­hand­lung in sei­ner ge­setz­mäs­si­gen Zu­sam­men­set­zung und im Bei­sein ei­ner Ge­richts­schrei­be­rin oder ei­nes Ge­richts­schrei­bers.

2 Fällt wäh­rend der Haupt­ver­hand­lung ei­ne Rich­te­rin oder ein Rich­ter aus, so wird die ge­sam­te Haupt­ver­hand­lung wie­der­holt, es sei denn, die Par­tei­en ver­zich­te­ten dar­auf.

3 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann an­ord­nen, dass von An­fang an ein Er­satz­mit­glied des Ge­richts an den Ver­hand­lun­gen teil­nimmt, um nö­ti­gen­falls ein Mit­glied des Ge­richts zu er­set­zen.

4 Hat das Ge­richt Straf­ta­ten ge­gen die se­xu­el­le In­te­gri­tät zu be­ur­tei­len, so muss ihm auf An­trag des Op­fers we­nigs­tens ei­ne Per­son des glei­chen Ge­schlechts wie das Op­fer an­ge­hö­ren. Bei Ein­zel­ge­rich­ten kann von die­ser Re­ge­lung ab­ge­wi­chen wer­den, wenn Op­fer bei­der­lei Ge­schlechts be­tei­ligt sind.

BGE

148 IV 456 (6B_1188/2021) from 14. September 2022
Regeste: Art. 337 Abs. 3 und Art. 405 Abs. 3 StPO; persönliches Erscheinen der Staatsanwaltschaft an der Berufungsverhandlung. Art. 405 Abs. 3 StPO schreibt für das mündliche Verfahren vor, dass die Verfahrensleitung die Staatsanwaltschaft in den in Art. 337 Abs. 3 und 4 StPO vorgesehenen Fällen (lit. a) oder wenn die Staatsanwaltschaft Berufung oder Anschlussberufung erklärt (lit. b) zur mündlichen Berufungsverhandlung vorlädt. Gemäss Art. 337 Abs. 3 StPO hat die Staatsanwaltschaft die Anklage persönlich vor Gericht zu vertreten, wenn sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme beantragt. Entscheidend ist grundsätzlich der im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Antrag der Staatsanwaltschaft und nicht der erstinstanzliche Urteilsspruch. Drohen der beschuldigten Person im Berufungsverfahren jedoch weder eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr noch eine freiheitsentziehende Massnahme, weil die Erstinstanz dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt ist und nur die beschuldigte Person Berufung angemeldet hat, ist unter dem Aspekt des fairen Verfahrens nicht zu beanstanden, wenn die Staatsanwaltschaft von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung dispensiert und damit auf die Durchführung eines kontradiktorischen Verfahrens verzichtet wird (E. 2.3.1). Aus einer grammatikalischen Auslegung von Art. 337 Abs. 3 StPO ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft nur dann zur persönlichen Teilnahme verpflichtet ist, wenn sie eine Freiheitsstrafe beantragt, die über einem Jahr liegt, d.h. eine solche von mindestens einem Jahr und einem Tag (E. 2.3.3).

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