Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)


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Art. 337 Staatsanwaltschaft

1 Die Staats­an­walt­schaft kann dem Ge­richt schrift­li­che An­trä­ge stel­len oder per­sön­lich vor Ge­richt auf­tre­ten.

2 Sie ist we­der an die in der An­kla­ge­schrift vor­ge­nom­me­ne recht­li­che Wür­di­gung noch an die dar­in ge­stell­ten An­trä­ge ge­bun­den.

3 Be­an­tragt sie ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als ei­nem Jahr oder ei­ne frei­heits­ent­zie­hen­de Mass­nah­me, so hat sie die An­kla­ge vor Ge­richt per­sön­lich zu ver­tre­ten.

4 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann die Staats­an­walt­schaft auch in an­de­ren Fäl­len zur per­sön­li­chen Ver­tre­tung der An­kla­ge ver­pflich­ten, wenn sie dies für nö­tig er­ach­tet.

5 Er­scheint die Staats­an­walt­schaft nicht an der Haupt­ver­hand­lung, ob­wohl sie da­zu ver­pflich­tet wä­re, so wird die Ver­hand­lung ver­scho­ben.

BGE

148 IV 456 (6B_1188/2021) from 14. September 2022
Regeste: Art. 337 Abs. 3 und Art. 405 Abs. 3 StPO; persönliches Erscheinen der Staatsanwaltschaft an der Berufungsverhandlung. Art. 405 Abs. 3 StPO schreibt für das mündliche Verfahren vor, dass die Verfahrensleitung die Staatsanwaltschaft in den in Art. 337 Abs. 3 und 4 StPO vorgesehenen Fällen (lit. a) oder wenn die Staatsanwaltschaft Berufung oder Anschlussberufung erklärt (lit. b) zur mündlichen Berufungsverhandlung vorlädt. Gemäss Art. 337 Abs. 3 StPO hat die Staatsanwaltschaft die Anklage persönlich vor Gericht zu vertreten, wenn sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme beantragt. Entscheidend ist grundsätzlich der im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Antrag der Staatsanwaltschaft und nicht der erstinstanzliche Urteilsspruch. Drohen der beschuldigten Person im Berufungsverfahren jedoch weder eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr noch eine freiheitsentziehende Massnahme, weil die Erstinstanz dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt ist und nur die beschuldigte Person Berufung angemeldet hat, ist unter dem Aspekt des fairen Verfahrens nicht zu beanstanden, wenn die Staatsanwaltschaft von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung dispensiert und damit auf die Durchführung eines kontradiktorischen Verfahrens verzichtet wird (E. 2.3.1). Aus einer grammatikalischen Auslegung von Art. 337 Abs. 3 StPO ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft nur dann zur persönlichen Teilnahme verpflichtet ist, wenn sie eine Freiheitsstrafe beantragt, die über einem Jahr liegt, d.h. eine solche von mindestens einem Jahr und einem Tag (E. 2.3.3).

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