Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)


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Art. 278 Zufallsfunde

1 Wer­den durch die Über­wa­chung an­de­re Straf­ta­ten als die in der Über­wa­chungs­an­ord­nung auf­ge­führ­ten be­kannt, so kön­nen die Er­kennt­nis­se ge­gen die be­schul­dig­te Per­son ver­wen­det wer­den, wenn zur Ver­fol­gung die­ser Straf­ta­ten ei­ne Über­wa­chung hät­te an­ge­ord­net wer­den dür­fen.

1bis Wer­den bei ei­ner Über­wa­chung nach den Ar­ti­keln 35 und 36 BÜPF196 straf­ba­re Hand­lun­gen be­kannt, so dür­fen die Er­kennt­nis­se un­ter den Vor­aus­set­zun­gen der Ab­sät­ze 2 und 3 ver­wen­det wer­den. 197

2 Er­kennt­nis­se über Straf­ta­ten ei­ner Per­son, die in der An­ord­nung kei­ner straf­ba­ren Hand­lung be­schul­digt wird, kön­nen ver­wen­det wer­den, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Über­wa­chung die­ser Per­son er­füllt sind.

3 In Fäl­len nach den Ab­sät­zen 1, 1bis und 2 ord­net die Staats­an­walt­schaft un­ver­züg­lich die Über­wa­chung an und lei­tet das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ein.198

4 Auf­zeich­nun­gen, die nicht als Zu­falls­fun­de ver­wen­det wer­den dür­fen, sind von den Ver­fah­rens­ak­ten ge­son­dert auf­zu­be­wah­ren und nach Ab­schluss des Ver­fah­rens zu ver­nich­ten.

5 Für die Fahn­dung nach ge­such­ten Per­so­nen dür­fen sämt­li­che Er­kennt­nis­se ei­ner Über­wa­chung ver­wen­det wer­den.

196 SR 780.1

197 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

198 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

BGE

147 IV 402 (1B_638/2020) from 4. Juni 2021
Regeste: Art. 278 Abs. 2, Art. 281 Abs. 3 lit. a StPO; Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 BV; Bedingungen für die Verwendung von Zufallsfunden aus technischen Überwachungsmassnahmen, die im Besuchszimmer einer Strafanstalt durchgeführt wurden. Das Verbot, Überwachungsmassnahmen zu Beweiszwecken gegen eine sich in Haft befindliche beschuldigte Person durchzuführen (Art. 281 Abs. 3 lit. a StPO), bezweckt in erster Linie den Schutz der Privatsphäre des seiner Bewegungsfreiheit beraubten Gefangenen (E. 5.1.2 und 5.1.3). In Bezug auf Zufallsfunde (E. 3) aus der Überwachung des Besuchszimmers der Strafanstalt erstreckt sich dieser Schutz nicht auf Besucher bzw. auf weitere Beschuldigte, die sich in Freiheit befinden. Demzufolge kann eine sich in Freiheit befindliche beschuldigte Person Ziel einer technischen Überwachungsmassnahme sein, ungeachtet des Eingriffs in die Privatsphäre, den dies mit sich bringt; dabei ist es durchaus möglich, dass das Besuchszimmer eines Gefängnisses der am besten geeignete Ort für deren Durchführung ist (E. 5.1.3).

150 IV 139 (7B_159/2022, 7B_160/2022) from 11. Januar 2024
Regeste: Art. 141, 274, 277 und 278 StPO; Zuständigkeit zur Genehmigung eines Zufallsfundes aus einer rechtshilfeweise erwirkten Überwachung einer verschlüsselten Kommunikationsplattform im Rahmen einer international koordinierten Strafverfolgungsaktion ("Operation Trojan Shield"). Internationalstrafrechtlicher Grundsatz der Territorialität und Rechtshilfeerfordernis bei Überwachungen von verschlüsselten Kommunikationsplattformen im sogenannten Darknet; anwendbares Recht (E. 5.1). Anwendungsfälle von Art. 269 ff., insbesondere Art. 278 StPO (Genehmigung von Zufallsfunden). Der hier beurteilte Überwachungssachverhalt fällt nicht darunter (E. 5.2-5.6). In Fällen wie dem vorliegenden drängt sich auch keine "analoge" Anwendung von Art. 278 StPO und keine Annahme einer "Gesetzeslücke" auf, mit der de lege lata eine Zuständigkeit des Zwangsmassnahmengerichtes zur Vorab-Genehmigung der Verwertbarkeit von rechtshilfeweise erlangten Aufzeichnungen begründet werden könnte. Dem Sachgericht ist diesbezüglich nicht vorzugreifen (E. 5.7). Darüber hinaus wäre hier auch kein Zufallsfund im Sinne von Art. 278 Abs. 1 und 2 StPO ersichtlich gewesen (E. 5.8). Der Genehmigungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichtes war wegen Unzuständigkeit aufzuheben (E. 5.9).

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