Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)


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Art. 8 Verzicht auf Strafverfolgung

1 Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te se­hen von der Straf­ver­fol­gung ab, wenn das Bun­des­recht es vor­sieht, na­ment­lich un­ter den Vor­aus­set­zun­gen der Ar­ti­kel 52, 53 und 54 des Straf­ge­setz­bu­ches3 (StGB).

2 So­fern nicht über­wie­gen­de In­ter­es­sen der Pri­vat­klä­ger­schaft ent­ge­gen­ste­hen, se­hen sie aus­ser­dem von ei­ner Straf­ver­fol­gung ab, wenn:

a.
der Straf­tat ne­ben den an­de­ren der be­schul­dig­ten Per­son zur Last ge­leg­ten Ta­ten für die Fest­set­zung der zu er­war­ten­den Stra­fe oder Mass­nah­me kei­ne we­sent­li­che Be­deu­tung zu­kommt;
b.
ei­ne vor­aus­sicht­lich nicht ins Ge­wicht fal­len­de Zu­satz­stra­fe zu ei­ner rechts­kräf­tig aus­ge­fäll­ten Stra­fe aus­zu­spre­chen wä­re;
c.
ei­ne im Aus­land aus­ge­spro­che­ne Stra­fe an­zu­rech­nen wä­re, wel­che der für die ver­folg­te Straf­tat zu er­war­ten­den Stra­fe ent­spricht.

3 So­fern nicht über­wie­gen­de In­ter­es­sen der Pri­vat­klä­ger­schaft ent­ge­gen­ste­hen, kön­nen Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te von der Straf­ver­fol­gung ab­se­hen, wenn die Straf­tat be­reits von ei­ner aus­län­di­schen Be­hör­de ver­folgt oder die Ver­fol­gung an ei­ne sol­che ab­ge­tre­ten wird.

4 Sie ver­fü­gen in die­sen Fäl­len, dass kein Ver­fah­ren er­öff­net oder das lau­fen­de Ver­fah­ren ein­ge­stellt wird.

BGE

147 IV 479 (6B_379/2020) from 1. Juni 2021
Regeste: Art. 70 Abs. 1, 2 und 5, Art. 71 Abs. 1, Art. 322 septies Abs. 1 StGB; aktive Bestechung; Umfang der Einziehung bei der blossen Beeinflussung von Ermessensentscheiden; Durchgriff. Der Erlös aus einem durch Bestechung zustande gekommenen Rechtsgeschäft unterliegt grundsätzlich der Einziehung. Unerheblich ist, dass das durch Korruptionszahlungen begünstigte Rechtsgeschäft eine objektiv legale Leistung zum Inhalt hatte (E. 6.3.2). Für die Frage, ob und in welchem Umfang der Gewinn aus einem durch Bestechung zustande gekommenen Vertrag einzuziehen ist, ist darauf abzustellen, ob der Vertrag einen illegalen Inhalt hatte, der Vertragsabschluss im Ermessen des bestochenen Beamten lag (sog. Beeinflussung eines Ermessensentscheids) oder gar Anspruch auf die Leistung bestand bzw. der Vertrag und damit der daraus resultierende Gewinn auch ohne die Bestechungszahlung abgeschlossen worden wäre (E. 6.5.1). Mangels Kausalzusammenhang ausgeschlossen ist die Einziehung, wenn davon auszugehen ist, dass der Vertrag in der vorliegenden Form auch ohne die Bestechungszahlung zustande gekommen wäre (E. 6.3 und 6.5.2). Bei der blossen Beeinflussung eines Ermessensentscheids ist in Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht der ganze Nettoerlös einzuziehen. Im Rahmen dieser Verhältnismässigkeitsprüfung ist den gesamten Umständen des konkreten Falles Rechnung zu tragen (E. 6.5.3 und 6.5.4). Für einen Durchgriff von der Aktiengesellschaft auf den Aktionär genügt nicht, dass die Aktien im Alleineigentum eines einzigen Aktionärs stehen. Erforderlich sind weitere Umstände, welche die Berufung auf die rechtliche Selbstständigkeit der juristischen Person als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Dies ist bei reinen Vermögensverwaltungsgesellschaften ohne eigentliche Geschäftstätigkeit der Fall, deren einziger Zweck in der Verwaltung von Vermögen der hinter ihr stehenden Person (Aktionär) besteht. Hingegen ist bei operativ tätigen Unternehmen die eigenständige Rechtspersönlichkeit grundsätzlich auch im Einziehungsrecht anzuerkennen (E. 7).

148 V 195 (8C_466/2021) from 1. März 2022
Regeste: Art. 17 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 2 ATSG; Art. 37 Abs. 3 UVG; Art. 54 StGB; Art. 90 Abs. 2 SVG; Leistungskürzung bei einem Unfall, der bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt wurde; Wiedererwägung; Revision. Ist die Staatsanwaltschaft auf eine Strafanzeige wegen Betroffenheit des Täters durch seine Tat (Art. 54 StGB) nicht eingetreten, so erscheint es nicht zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG, wenn die Unfallversicherung in ihrer rentenzusprechenden Verfügung von einer Leistungskürzung nach Art. 37 Abs. 3 UVG abgesehen hat (E. 5.5.3). Die Frage, ob ein Kürzungstatbestand gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG gegeben ist, betrifft - anders als etwa die Frage der Arbeitsfähigkeit oder der Adäquanz - einen zeitlich abgeschlossenen Sachverhalt, der einer neuerlichen Überprüfung im Rahmen eines Revisionsverfahrens gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG entzogen bleibt (E. 6.3). Frage offengelassen, ob der vorfrageweisen Prüfung des Straftatbestandes die strafrechtlichen Verjährungsbestimmungen entgegenstünden (E. 6.5).

150 IV 201 (1C_543/2023) from 7. März 2024
Regeste: Art. 2 IRSG; Art. 26 BV; Rechtshilfe an Russland, Aufrechterhaltung einer Kontosperre. Wer lediglich von einer rechtshilfeweisen Kontosperre in der Schweiz betroffen ist, kann sich nicht auf Art. 2 IRSG (Rechsthilfeausschlussgrund des Ordre public) berufen. Die Dauer der Kontosperre von mehr als acht Jahren ist unter den konkreten Umständen mit der Eigentumsgarantie vereinbar. Aufforderung an das Bundesamt für Justiz, sich aktiv nach dem Fortgang des russischen Strafverfahrens zu erkundigen (E. 2-5).

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