Strassenverkehrsgesetz

vom 19. Dezember 1958 (Stand am 1. Januar 2020)


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Art. 35

Kreu­zen, Über­ho­len

 

1Es ist rechts zu kreu­zen, links zu über­ho­len.

2Über­ho­len und Vor­bei­fah­ren an Hin­der­nis­sen ist nur ge­stat­tet, wenn der nö­ti­ge Raum über­sicht­lich und frei ist und der Ge­gen­ver­kehr nicht be­hin­dert wird. Im Ko­lon­nen­ver­kehr darf nur über­ho­len, wer die Ge­wiss­heit hat, recht­zei­tig und oh­ne Be­hin­de­rung an­de­rer Fahr­zeu­ge wie­der ein­bie­gen zu kön­nen.

3Wer über­holt, muss auf die üb­ri­gen Stras­sen­be­nüt­zer, na­ment­lich auf je­ne, die er über­ho­len will, be­son­ders Rück­sicht neh­men.

4In un­über­sicht­li­chen Kur­ven, auf und un­mit­tel­bar vor Bahn­über­gän­gen oh­ne Schran­ken so­wie vor Kup­pen darf nicht über­holt wer­den, auf Stras­sen­ver­zwei­gun­gen nur, wenn sie über­sicht­lich sind und das Vor­tritts­recht an­de­rer nicht be­ein­träch­tigt wird.

5Fahr­zeu­ge dür­fen nicht über­holt wer­den, wenn der Füh­rer die Ab­sicht an­zeigt, nach links ab­zu­bie­gen, oder wenn er vor ei­nem Fuss­gän­ger­strei­fen an­hält, um Fuss­gän­gern das Über­que­ren der Stras­se zu er­mög­li­chen.

6Fahr­zeu­ge, die zum Ab­bie­gen nach links ein­ge­spurt ha­ben, dür­fen nur rechts über­holt wer­den.

7Dem sich an­kün­di­gen­den, schnel­ler fah­ren­den Fahr­zeug ist die Stras­se zum Über­ho­len frei­zu­ge­ben. Wer über­holt wird, darf die Ge­schwin­dig­keit nicht er­hö­hen.

BGE

89 IV 213 () from 25. Oktober 1963
Regeste: 1. Art. 18 Abs. 2 lit. b VRV. Begriff des Engpasses (Erw. 4). 2. Art. 18 Abs. 2 lit. d VRV. Die Strassenverzweigung erstreckt sich auch auf anstossende trichterförmige Ausweitungen (Erw. 6). 3. Art. 19 Abs. 1 VRV. Begriff des Parkierens (Erw. 7). 4. Art. 19 Abs. 2 lit. e VRV. Das Parkieren ist auf beiden Seiten des Bahnüberganges, ohne Rücksicht auf die Fahrrichtung des Fahrzeuges, verboten (Erw. 8).

91 IV 10 () from 26. Februar 1965
Regeste: Art. 34 Abs. 3 SVG. Die Vorschrift, bei Richtungsänderungen auf nachfolgende Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen, bedeutet beim Abbiegen nach links, dass der Abbiegende im Rückspiegel nach hinten zu beobachten und sich unter gewissen Umständen ausserdem zu vergewissern hat, ob ihm nicht ein anderes Fahrzeug im sichttoten Winkel seines Wagens folge.

91 IV 113 () from 4. Oktober 1965
Regeste: Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG. Das gewissenlose vorschriftswidrige Überholen kann allein zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges führen.

91 IV 205 () from 26. November 1965
Regeste: Art. 34 Abs. 3 SVG. Beim Linksabbiegen ist nicht nur auf das unmittelbar nachfolgende Fahrzeug, sondern auch auf solche, die von weiter hinten kommend andere zu überholen im Begriffe stehen, Rücksicht zu nehmen.

93 IV 63 () from 5. Mai 1967
Regeste: 1. Art. 35 Abs. 2 SVG. Satz 2 dieser Bestimmung gilt allgemein, sowohl beim Überholen einer Kolonne als auch beim Überholen eines einzelnen Fahrzeuges. Begriff der Behinderung. 2. Art. 35 Abs. 3 SVG. Rücksichtnahme gegenüber dem Überholten beim Wiedereinbiegen.

93 IV 99 () from 20. Oktober 1967
Regeste: 1. Art. 270 Abs. 3 BStP. Der Privatstrafkläger ist nicht befugt, gegen ein Urteil des solothurnischen Obergerichtes Nichtigkeitsbeschwerde zu führen, wenn der öffentliche Ankläger vor Obergericht hätte auftreten können (Erw. 1). 2. Art. 13 Abs. 2 Satz 2 VRV. Dieser Satz findet keine Anwendung auf Strassen, die in der Mitte mit einer Leitlinie versehen sind. 3. Art. 36 Abs. 1 und 3 SVG, Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV. Wer gegen die Strassenmitte einspurt, um nach links abzubiegen, darf die Leitlinie erst überfahren, wenn er die Gewissheit hat, ohne Beeinträchtigung des vortrittsberechtigten Gegenverkehrs abschwenken zu können (Erw. 2).

94 IV 124 () from 11. Oktober 1968
Regeste: Art. 35 Abs. 7 SVG, Art. 8 Abs. 3 VRV. 1. Wer überholt wird, darf die Geschwindigkeit auch dann nicht erhöhen, wenn er sich auf einer Autobahn oder sonst einer Strasse mit mehreren Fahrstreifen befindet (Erw. 1). 2. Sind die Voraussetzungen zum Überholen gegeben, so ist auch die Voraussetzung für das Verlassen des Fahrstreifens nach Art. 44 SVG erfüllt (Erw. 2).

95 IV 80 () from 4. März 1969
Regeste: Art. 34 Abs. 1 und 3 SVG, Art. 13 Abs. 1 VRV. 1. Wo die Einspurstrecke angegeben ist, hat der Fahrer sich daran zu halten; er darf vorher nur einspuren, wenn besondere Verhältnisse das erfordern (Erw. 1 und 2). 2. Frage offen gelassen, ob vorzeitiges Einspuren bei Längsverkehr in beiden Richtungen nicht nur gegen Art. 34 Abs. 1 und 3, sondern auch gegen Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG verstosse (Erw. 3).

95 IV 84 () from 18. August 1969
Regeste: Überholen. 1. Art. 35 Abs. 1 und 2 SVG. Im Sinne des Gesetzes überholt ein Fahrer, wenn er einem andern Fahrzeug, das sich vor ihm in gleicher Richtung, aber langsamer bewegt, links oder rechts vorfährt (Erw. 1). 2. Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VR V. Auf der Autobahn ist das Rechtsüberholen auch dann verboten, wenn der Vorausfahrende den linken Fahrstreifen nicht freigibt (Erw. 2). 3. Art. 90Ziff. 2 SVG. Fall einer groben Missachtung des Verbotes, rechts zu überholen (Erw. 3).

95 IV 175 () from 19. Dezember 1969
Regeste: Art. 35 Abs. 2 SVG verlangt nicht, dass der Überholende im Kolonnenverkehr jederzeit, sondern nur, dass er rechtzeitig ohne Behinderung anderer Fahrzeuge wieder einbiegen kann.

96 I 766 () from 4. Dezember 1970
Regeste: Entzug des Führerausweises wegen Verletzung von Verkehrsregeln. 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist in der Frage des Führerausweisentzugs zulässig (Erw. 1). 2. Wie weit ist die Verwaltungsbehörde beim Entscheid über einen Führerausweisentzug wegen Verkehrsdelikten an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Strafrichters im betreffenden Falle gebunden? (Erw. 2). 3. Der Entzug des Führerausweises wegen Verletzung von Verkehrsregeln ist eine administrative Massnahme (Erw. 3). 4. Die Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich nicht an die Feststellungen des Strafrichters gebunden. Sie wird aber von ihnen nicht ohne Not abweichen (Erw. 4). 5. Gründe, welche die Verwaltungsbehörde zwingen können, vom Entscheid des Strafrichters abzuweichen (Erw. 5). 6. Verletzung der Regeln über das Überholen (Erw. 7). 7. Vollzug der Massnahme, obschon seit der Begehung des Verkehrsdeliktes schon mehr als zwei Jahre vergangen sind. Der Fahrzeugführer hat in der Zwischenzeit erneut gegen Verkehrsregeln verstossen (Erw. 9).

96 II 25 () from 29. April 1970
Regeste: Art. 24 Ziff. 4 OR. Anfechtbarkeit einer Erklärung über die Verantwortung an einem Zusammenstoss wegen Grundlagenirrtums (Erw. 1 und 2).

97 IV 36 () from 6. April 1971
Regeste: Art. 35 Abs. 5 SVG. Der Fahrzeugführer, der ausserhalb einer Strassenverzweigung die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen, darf nicht links überholt werden.

98 IV 113 () from 21. Januar 1972
Regeste: Art. 14 Abs. 1 VRV. 1. Der Vortrittsbelastete darf, wenn er an einer Kreuzung oder Strasseneinmündung warten muss, bis zur seitlichen Randlinie der dem korrekt fahrenden Vortrittsberechtigten zustehenden Fahrbahn heranfahren (Erw. 1 b). 2. Festlegung der Randlinie bei Kreuzungen und Einmündungen von Strassen gleichbleibender Breite ohne Trottoir (Erw. 1c), mit Trottoir (Erw. 2 b) und bei trichterförmigen Strasseneinmündungen (Erw. 1c und 2 a).

98 IV 317 () from 9. November 1972
Regeste: Art. 8 Abs. 3 VRV. Rechtsüberholen auf Autobahnen. Rechtsüberholen ist nur beim Fahren in parallelen Kolonnen erlaubt.

100 IV 76 () from 26. März 1974
Regeste: Art. 35 Abs. 3 SVG: 1. Ist der Überholte genötigt, wegen des zu engen Wiedereinbiegens des Überholenden seine Geschwindigkeit herabzusetzen, so wird er dadurch in seiner Fahrt behindert; der Überholende lässt an der gesetzlich vorgeschriebenen besonderen Rücksichtnahme gegenüber dem Überholten ermangeln (Erw. 2). 2. Fall eines Überholenden, der beim Ausschwenken und Wiedereinschwenken vom mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h fahrenden Überholten nur 25 m Abstand wahrt (Erw. 2). Art. 35 Abs. 2 SVG: Ob der Gegenverkehr behindert wird, erklärt sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des Lenkers des entgegenkommenden Wagens, sondern danach, ob der Überholende zu Beginn des Manövers nach der objektiven Verkehrslage annehmen durfte, er werde den Gegenverkehr nicht behindern (Erw. 3).

100 IV 186 () from 1. Juli 1974
Regeste: Art. 34 Abs. 3 SVG. Die Sorgfalt, die ein Linksabbiegender anzuwenden hat, um die Gefährdung nachfolgender Fahrzeuge auszuschalten, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

101 IV 72 () from 31. Januar 1975
Regeste: Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG. 1. Begriff des Überholens (Erw. 1a). 2. Der "nötige Raum" (Erw. 1b u. c). 3. Frage der Fahrlässigkeit (Erw. 1d). 4. Pflicht zu besonderer Rücksichtnahme auf die übrigen Strassenbenützer (Erw. 2).

101 IV 77 () from 23. April 1975
Regeste: Art. 35 Abs. 2 SVG. Gleichzeitiges Überholen und Kreuzen. Erlauben die konkreten Verhältnisse ein gleichzeitiges Überholen und Kreuzen, so darf der Überholende mangels gegenteiliger Anzeichen erwarten, dass der auf grosse Entfernung sichtbare und in der Strassenmitte entgegenkommende Fahrzeugführer sich rechtzeitig an den rechten Strassenrand halten werde. Die Veranlassung zu einer solchen Änderung stellt keine Behinderung dar, sofern nicht unzumutbar weit ausgewichen werden muss.

101 IV 225 () from 24. Juni 1975
Regeste: Art. 35 Abs. 2 Satz 2 SVG. Art. 12 Abs. 1 VRV. Zulässiges Überholen bei Kolonnenfahrt, wenn beim Wiedereinbiegen des Überholers auf den überholten Wagen ein ausreichender Sicherheitsabstand bleibt.

102 IB 193 () from 15. September 1976
Regeste: Führerausweisentzug. 1. Ob ein Führerausweisentzug auf Art. 16 Abs. 2 oder 16 Abs. 3 lit. a SVG gestützt wird, ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes, in der die Administrativbehörde grundsätzlich nicht an das Erkenntnis des Strafrichters gebunden ist (E. 3c). 2. Verhältnis zwischen Art. 16 und 90 SVG (E. 3d). 3. Die Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG durch den Strafrichter verpflichtet die Administrativbehörde nicht, ihre Massnahme auf Art. 16 Abs. 2 SVG zu stützen (E. 3 und 4).

103 IV 256 () from 7. November 1977
Regeste: Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG. Überholen. Voraussetzungen, unter denen im allgemeinen ein Überholungsmanöver eingeleitet werden darf (E. 3a). Der Umstand, dass der zu Überholende ohne Zeichengabe langsam in der Mitte der rechten Fahrbahn fährt, ist kein konkretes Anzeichen dafür, dass er nach links ausschwenken werde (E. 3c).

104 IV 32 () from 14. April 1978
Regeste: Art. 35 Abs. 2 SVG. Gleichzeitiges Überholen und Kreuzen. Der Überholende behindert den Entgegenkommenden, wenn er diesen zum Ausweichen auf den Pannenstreifen nötigt.

104 IV 192 () from 27. September 1978
Regeste: Art. 35 Abs. 2 SVG, Art. 10 Abs. 2 VRV. Der von einem Automobilisten nach einem Überholmanöver beim Einbiegen auf das überholte und das voranfahrende Fahrzeug einzuhaltende Abstand hängt von den Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge, aber auch von den Strassen- und Sichtverhältnissen im konkreten Fall ab (E. 2). Art. 35 Abs. 7 SVG. Dem sich ankündigenden, schneller fahrenden Fahrzeuglenker ist die Strasse selbst dann zum Überholen freizugeben, wenn dieser das Überholmanöver nur unter Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit durchführen kann (E. 4).

104 IV 196 () from 30. Juni 1978
Regeste: Strassenverkehrsrecht. 1. Begriff des Überholens (Erw. 2). 2. Gebot des Linksüberholens; Ausnahmen von der Regel (Erw. 3-5).

105 IB 255 () from 30. November 1979
Regeste: Entzug des Führerausweises. 1. Verhältnis zwischen dem "mittelschweren Fall" gemäss Art. 16 Abs. 2, 1. Satz SVG und dem "leichten Fall" gemäss Art. 16 Abs. 2, 2. Satz SVG. Gesichtspunkte, nach denen die Frage des "leichten Falles" zu beurteilen ist (E. 2). 2. Die Frage, ob eine Verkehrsgefährdung "mittelschwer" im Sinne von Art. 16 Abs. 2, 1. Satz SVG oder "schwer" im Sinne von Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG ist, darf in Grenzfällen und bei kurzer Entzugsdauer offen bleiben (E. 3); Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG bleibt vorbehalten.

105 IV 135 () from 12. Juni 1979
Regeste: Art. 35 Abs. 1 SVG, 36 Abs. 5 VRV, 90 Ziff. 2 SVG. Rechtsüberholen auf der Autobahn durch einen Automobilrennfahrer bei schlechter Sicht und dichtem Verkehr.

107 IV 44 () from 26. Januar 1981
Regeste: Art. 26 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 SVG. Das Gebot des Rechtsfahrens ist je nach den Verkehrs- und Sichtverhältnissen mehr oder weniger strikt einzuhalten. Vor einem Kreuzen müssen die beiden beteiligten Verkehrsteilnehmer so stark rechts halten, dass zwischen den beiden Fahrzeugen ein Zwischenraum von mindestens 50 cm besteht. Der Umstand, dass der eine der beiden Verkehrsteilnehmer die Fahrbahnmitte nicht verlässt, befreit den andern nicht von der Pflicht, alles zu tun, um den Zusammenstoss zu vermeiden.

109 IV 134 () from 17. November 1983
Regeste: Überholen. 1. Art. 35 Abs. 2 SVG: Überholen vor einer unübersichtlichen Strassenbiegung (E. 2). 2. Art. 35 Abs. 4 SVG gilt auch für den Bereich unmittelbar vor unübersichtlichen Kurven (E. 3).

114 IV 55 () from 10. Juni 1988
Regeste: Art. 35 Abs. 1 SVG, Art. 8 Abs. 3 und Art. 36 Abs. 5 VRV. Der Automobilist, der auf dem Pannenstreifen einer Autobahn über eine Strecke von 400-500 m rechts an einer stockenden Fahrzeugkolonne vorbeifährt, um auf diesem Wege die Autobahn über die nächste Ausfahrt zu verlassen, macht sich des unzulässigen Rechtsüberholens schuldig. Offengelassen, ob er zusätzlich wegen unzulässiger Benützung des Pannenstreifens (Art. 36 Abs. 3 VRV) zu verurteilen sei.

114 IV 144 () from 5. Dezember 1988
Regeste: Art. 35 SVG und 39 Abs. 1 VRV; Überholen. Wer an einem Fahrzeug vorbeiführt, das wegen der Verkehrslage vorübergehend wartet, überholt im Rechtssinne; dieser Begriff erfordert somit nicht, dass sich beide Fahrzeuge in Bewegung befinden (Präzisierung der Rechtsprechung).

115 IV 244 () from 15. November 1989
Regeste: Art. 35 Abs. 1, 44 Abs. 1 und 34 Abs. 3 und 4 SVG; Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VRV; Fahren in parallelen Kolonnen, Rechtsvorbeifahren. 1. Ein Fahren in parallelen Kolonnen ist bei dichtem Verkehr, d.h. bei längerem Nebeneinanderfahren von mehreren sich in gleicher Fahrtrichtung bewegenden Fahrzeugreihen gegeben (E. 3a). 2. Abgrenzung zwischen Rechtsvorbeifahren, Rechtsüberholen und Spurwechsel nach Art. 44 Abs. 1 SVG (E. 3b).

118 IV 21 () from 20. Februar 1992
Regeste: 1. Bei der Strafzumessung steht dem Richter ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Er muss dabei allerdings zwei Hauptgruppen von Kriterien berücksichtigen, nämlich einerseits die Tat- und anderseits die Täterkomponente. Er muss sodann angeben, wie er diese einzelnen Elemente gewichtet, damit die Rekursinstanz, unter Beachtung des ihm zustehenden Ermessens, seine Gedankengänge nachvollziehen und die Rechtsanwendung überprüfen kann (E. 2a und b). 2. Fall eines Automobilisten, der einen guten Leumund geniesst und ein unauffälliges Vorleben aufweist, aber hart bestraft wurde, weil er vier Grundregeln im Verkehr auf der Autobahn missachtete, indem er 1) einen vor ihm fahrenden Wagen bedrängte, 2) diesen in der Folge als Einzelfahrer rechts überholte, 3) ihn dann beim Wiedereinbiegen nach links schnitt und schliesslich 4) kräftig bremste, wodurch der soeben überholte Fahrzeuglenker ebenfalls zu starkem Bremsen gezwungen wurde. Ein solches Verhalten wiegt in seiner Gesamtheit schwer und zeugt vom Fehlen jeglicher Skrupel gegenüber den andern Verkehrsteilnehmern (E. 2c und d).

121 IV 235 () from 21. September 1995
Regeste: Art. 90 Ziff. 2 und 35 Abs. 2 SVG; grobe Verkehrsregelverletzung durch vorschriftswidriges Überholen. Das blinde "Anhängen" an einen Überholenden ist gefährlich und verboten (E. 1b, Bestätigung der Rechtsprechung). Wer sich nachts bei nasser Fahrbahn auf einer relativ schmalen Strasse einem vor ihm fahrenden Auto beim Überholen anschliesst, ohne sich über die erforderliche Überholstrecke Gedanken zu machen, begeht eine grobe Verkehrsregelverletzung (E. 1c).

124 IV 219 () from 9. Juni 1998
Regeste: Art. 35 Abs. 1 SVG, Art. 8 Abs. 3 VRV und Art. 36 Abs. 5 VRV. Wird auf einer Autobahn die Aufhebung des rechten Fahrstreifens angezeigt, beginnt die Phase des Eingliederns der Fahrzeuge in die weitergeführte Fahrspur. Das Aufschliessen auf der rechten Fahrspur bis zu deren Aufhebung ist unter Übung der gebotenen Vorsicht erlaubt, auch wenn der Fahrzeuglenker dabei an einer Kolonne, die sich auf dem linken Fahrstreifen gebildet hat, rechts vorbeifährt.

125 IV 83 () from 2. März 1999
Regeste: Art. 26 SVG, Art. 34 Abs. 3 SVG, Art. 35 Abs. 3-6 SVG, Art. 36 Abs. 1 SVG und Art. 39 Abs. 1 lit. a SVG, Art. 13 Abs. 1 VRV; Vorsichtspflichten des Linksabbiegers, Vertrauensgrundsatz. Der Linksabbieger, der korrekt eingespurt ist und den linken Blinker gestellt hat, darf - ohne unmittelbar beim Abbiegen nochmals den Verkehr hinter ihm beobachten zu müssen - in der Regel darauf vertrauen, dass ihn kein Verkehrsteilnehmer vorschriftswidrig links überholt (Änderung der Rechtsprechung).

128 II 285 () from 5. September 2002
Regeste: Art. 33 Abs. 2 VZV; Warnungsentzug des Führerausweises; Berücksichtigung der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Bei der Bemessung der Entzugsdauer ist die berufliche Angewiesenheit des Betroffenen auf ein Motorfahrzeug zu berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Anordnung des Entzuges (E. 2).

129 IV 155 () from 13. Dezember 2002
Regeste: Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 47 Abs. 2 SVG; Überholen einer Fahrzeugkolonne durch einen Motorradfahrer; Kollision mit einem wendenden Fahrzeug. Motorradfahrer dürfen nicht eine stehende Fahrzeugkolonne links überholen (E. 3.2). Wer ein Überholmanöver ausführt, das wegen seiner Gefährlichkeit gesetzlich verboten ist, verletzt damit die allgemeinen Sorgfaltsregeln (E. 3.3).

142 IV 93 (6B_374/2015) from 3. März 2016
Regeste: Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 SVG, Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Art. 36 Abs. 5 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV); Art. 23 Abs. 2 BGG; Unterscheidung zwischen (auf Autobahnen) verbotenem Rechtsüberholen und erlaubtem Rechtsvorfahren; Präzisierung des Begriffs des Kolonnenverkehrs und der Gefahrenbewertung bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Bei parallelem Kolonnenverkehr ist es erlaubt, rechts an anderen Fahrzeugen vorbeizufahren (sog. Vorfahren). Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist hingegen gemäss Art. 8 Abs. 3 Satz 2 VRV auch beim Fahren in parallelen Kolonnen ausdrücklich untersagt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4.1 i.V.m. E. 3.1-3.3). Kolonnenverkehr ist anhand der konkreten Verkehrssituation zu bestimmen und zu bejahen, wenn es auf der (linken und/oder mittleren) Überholspur zu einer derartigen Verkehrsverdichtung kommt, dass die auf der Überhol- und der Normalspur gefahrenen Geschwindigkeiten annähernd gleich sind (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.2.1). Das (passive) Rechtsvorbeifahren bei dichtem Verkehr ist mittlerweile eine alltägliche, kaum zu vermeidende Situation, die nicht generell zu einer abstrakt erhöhten Gefahrensituation i.S.v. Art. 90 Abs. 2 SVG führt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.2.2). Ein Vorfahren begründet weder objektiv eine Verkehrsregelverletzung und erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit mit beträchtlicher Unfallgefahr (E. 5.1-5.3) noch subjektiv ein schweres Verschulden oder grobe Fahrlässigkeit (E. 5.4).

143 IV 138 (6B_164/2016) from 14. März 2017
Regeste: Art. 117 StGB; Art. 35 SVG; Art. 42 Abs. 3 VRV; Art. 36 Abs. 1 SVG; fahrlässige Tötung, Sorgfaltspflichtverletzung; Rechtsvorbeifahren an einer Motorfahrzeugkolonne; Einspuren. Nach Art. 42 Abs. 3 VRV dürfen Radfahrer an einer Motorfahrzeugkolonne vorbeifahren, wenn genügend freier Raum vorhanden ist. In einer sich bewegenden Kolonne ist das Rechtsvorbeifahren an einem Fahrzeug mit eingeschalteter rechter Richtungsanzeige unzulässig (E. 2.2.1). Nach Art. 36 Abs. 1 SVG hat sich an den rechten Strassenrand zu halten, wer rechts abbiegen will. Es ist nicht erforderlich, derart rechts zu fahren, dass ein Vorbeikommen an der rechten Seite unmöglich ist. Es genügt, wenn der Abstand derart ist, dass vernünftigerweise nicht mehr damit gerechnet werden muss (E. 2.2.3).

144 II 281 (2C_94/2018) from 15. Juni 2018
Regeste: Keine Haftung des Staates, wenn ein Fahrschüler an der Führerprüfung mit dem Auto der Fahrschule einen Schaden am Prüfungsfahrzeug und an einem Strassensignal verursacht, dem Prüfungsexperten aber nicht nachgewiesen werden kann, dass dieser pflichtwidrig eine Unterlassung begangen hat, welche den eingetretenen Schaden abgewendet hätte. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend Staatshaftung; Verhältnis zur Beschwerde in Zivilsachen (E. 1). Keine willkürliche Verneinung der Staatshaftung nach kantonalem Recht (E. 3). Keine Haftung des Kantons nach Art. 58 SVG für Schäden am Prüfungsfahrzeug (Art. 59 Abs. 4 lit. a SVG; E. 4.2) sowie für Schäden am Strassensignal, da er nicht Halter des Fahrzeugs ist (E. 4.3). Keine Haftung des Kantons als Unternehmer nach Art. 71 SVG (E. 4.4). Keine Haftung aus Lückenfüllung (E. 4.5).

 

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