Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten

vom 14. März 1958 (Stand am 1. Januar 2020)


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Art. 15

1Die Straf­ver­fol­gung von Be­am­ten we­gen straf­ba­rer Hand­lun­gen, die sich auf ih­re amt­li­che Tä­tig­keit oder Stel­lung be­zie­hen, aus­ge­nom­men we­gen Wi­der­hand­lun­gen im Stras­sen­ver­kehr, be­darf ei­ner Er­mäch­ti­gung des Eid­ge­nös­si­schen Jus­tiz- und Po­li­zei­de­par­te­ments. Die­se Er­mäch­ti­gung er­teilt:

a.
die Ver­wal­tungs­de­le­ga­ti­on der Bun­des­ver­samm­lung für das Per­so­nal der Par­la­ments­diens­te;
b.
die Ver­wal­tungs­kom­mis­si­on des je­wei­li­gen Ge­richts für das Per­so­nal des Bun­des­ge­richts, des Bun­dess­traf­ge­richts und des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts;
c.1
die Auf­sichts­be­hör­de über die Bun­des­an­walt­schaft für das Per­so­nal ih­res Se­kre­ta­ri­ats;
d.2
der Bun­des­an­walt oder die Bun­des­an­wäl­tin für das von ihm oder ihr ge­wähl­te Per­so­nal der Bun­des­an­walt­schaft.3

2Kan­to­na­le Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den, bei de­nen sol­che Fäl­le an­ge­zeigt wer­den, ha­ben un­ver­züg­lich um die­se Er­mäch­ti­gung nach­zu­su­chen und dring­li­che si­chern­de Mass­nah­men zu tref­fen.

3Er­schei­nen ein Straf­tat­be­stand und die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der Straf­ver­fol­gung als er­füllt, so darf die Er­mäch­ti­gung nur in leich­ten Fäl­len ver­wei­gert wer­den und so­fern die Tat nach al­len Um­stän­den durch ei­ne dis­zi­pli­na­ri­sche Mass­nah­me4 des Fehl­ba­ren als ge­nü­gend ge­ahn­det er­scheint.

4Der Ent­scheid, durch den die Er­mäch­ti­gung er­teilt wird, ist end­gül­tig.

5Ge­gen die Ver­wei­ge­rung der Er­mäch­ti­gung durch das Eid­ge­nös­si­sche Jus­tiz- und Po­li­zei­de­par­te­ment oder die Ver­wal­tungs­de­le­ga­ti­on der Bun­des­ver­samm­lung ist die Be­schwer­de an das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu­läs­sig. Ent­schei­de der eid­ge­nös­si­schen Ge­rich­te über die Er­mäch­ti­gung sind end­gül­tig.5

5bisDie Staats­an­walt­schaft, die um die Er­mäch­ti­gung nach­ge­sucht hat, ist zur Be­schwer­de be­rech­tigt.6

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1 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).
2 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).
3 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 8 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).
4 Aus­druck ge­mä­ss Ziff. 1 des An­hangs zum BG vom 19. Dez. 1986, in Kraft seit 1. Ju­li 1987 (AS 1987 932; BBl 1986 II 313). Die­se Än­de­rung ist im gan­zen Er­lass be­rück­sich­tigt.
5 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 8 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).
6 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 8. Okt. 1999 (AS 2000 273; BBl 1999 4809 5979). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).
7 Auf­ge­ho­ben durch An­hang 1 Ziff. II 2 der Straf­pro­zess­ord­nung vom 5. Okt. 2007, mit Wir­kung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

BGE

93 I 75 () from 17. März 1967
Regeste: Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Bundesbeamten. 1. Art. 15 VG. Sinn und Zweck des Ermächtigungsverfahrens. Voraussetzungen, unter denen die Ermächtigung zur Strafverfolgung eines Beamten verweigert werden darf (Erw. 1). 2. Art. 238 Abs. 2 StGB. Frage offen gelassen, ob der Eisenbahnverkehr durch eine Schnellbremsung des Zuges stets konkret gefährdet werde (Erw. 2). 3. Art. 15 Abs. 3 VG. Ob ein leichter Fall vorliege, beurteilt sich nach den gesamten Umständen, die bei der Abwägung des Verschuldens zu berücksichtigen sind (Erw. 3).

93 I 83 () from 17. März 1967
Regeste: 1. Art. 1 Abs. 1 lit. d, 15 Abs. 1 VG. Die Strafverfolgung von Mitgliedern der Eidg. Bankenkommission bedarf einer Ermächtigung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes (Erw. 1). 2. Art. 15 VG, Art. 32 und 303 StGB. Sinn und Zweck des Vorverfahrens, in dem über die Ermächtigung entschieden wird. Die Eidg. Bankenkommission ist verpflichtet, strafbare Handlungen, die ihren Aufgabenkreis betreffen, den Strafbehörden anzuzeigen. Inhalt und Grenzen dieser Pflicht (Erw. 2). 3. Art. 4 BV, Art. 15 Abs. 3 VG. Darf die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Amtspersonen ohne Anhörung des Anzeigers verweigert werden (Erw. 3)?

104 IB 59 () from 10. März 1978
Regeste: Ermächtigung zur Strafverfolgung eines eidg. Untersuchungsrichters (Art. 15 VG); Akteneinsicht (Art. 26/27 VwVG). Ist im Verfahren, in welchem um die Ermächtigung zur Strafverfolgung eines eidg. Untersuchungsrichters wegen dessen Amtsführung nachgesucht wird, die Einsichtnahme in die Akten der betreffenden strafrechtlichen Voruntersuchung zu bewilligen? Frage verneint (E. 3). Rechtmässigkeit des Entscheids, die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu verweigern (E. 6).

106 IB 173 () from 30. Mai 1980
Regeste: Beschwerdebefugnis. Gegen die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung eines Beamten kann nur der Verletzte im Sinne von Art. 15 Abs. 5 Verantwortlichkeitsgesetz Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben; Art. 103 lit. a OG ist nicht anwendbar.

106 IB 273 () from 31. Oktober 1980
Regeste: BG über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (VG). 1. Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 lit. f VG (E. 2). 2. Die Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen strafbarer Handlungen, die sich auf die amtliche Tätigkeit einer der in Art. 1 VG aufgezählten Personen beziehen, ist auch nach Ausscheiden dieser Person aus dem Bundesdienst erforderlich (E. 3c). 3. Verweigerung der Ermächtigung wegen Vorliegens eines leichten Falles (E. 3d).

110 IV 46 () from 15. März 1984
Regeste: Art. 15 Abs. 1 Verantwortlichkeitsgesetz. Wurde eine Ermächtigung des EJPD zur Strafverfolgung eines Bundesbeamten während der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens nicht eingeholt, der unterinstanzliche Entscheid aber an eine obere kantonale Instanz mit voller tatsächlicher und rechtlicher Kognition weitergezogen und jener Mangel durch diese Instanz behoben, so sind die der nachträglichen Beibringung der Ermächtigung vorausgegangenen prozessualen Handlungen nicht nichtig.

111 IV 37 () from 12. März 1985
Regeste: Art. 320 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 15 Abs. 1 VG; Verfolgungsermächtigung. Die Strafverfolgung bedarf stets einer Ermächtigung durch das EJPD, wenn sich der Vorwurf der strafbaren Handlung auf die durch das Verantwortlichkeitsgesetz erfasste amtliche Funktion bezieht, unabhängig davon, ob der Betroffene die Verfehlung erst nach Ausscheiden aus dieser Funktion beging (Präzisierung der Rechtsprechung).

112 IB 350 () from 11. Juli 1986
Regeste: Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Bundesbeamte. Auch im Ermächtigungsverfahren nach Verantwortlichkeitsgesetz richtet sich die Beschwerdelegitimation nach Art. 103 OG (Änderung der Rechtsprechung).

137 IV 269 (1B_77/2011) from 15. Juli 2011
Regeste: a Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. e und Art. 89 Abs. 1 BGG; Verfahren betreffend die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Behördenmitgliedern und Beamten, Rechtsnatur, bundesgerichtliches Rechtsmittel, Ausschlussgrund, Beschwerdelegitimation des Kantons. Das Ermächtigungs- stellt ein Verwaltungsverfahren dar. Daher ist insoweit grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben (E. 1.3.1). Der Ausschlussgrund nach Art. 83 lit. e BGG kommt bei kantonalen Staatsbediensteten, welche nicht Mitglieder der obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden sind, nicht zur Anwendung (E. 1.3.2). Allgemeine Beschwerdebefugnis des Kantons nach Art. 89 Abs. 1 BGG bejaht, da sich der angefochtene Entscheid nachteilig auf das Funktionieren staatlicher Organe auswirken konnte und der Kanton damit in einem wichtigen öffentlichen Interesse erheblich betroffen war (E. 1.4).

139 IV 161 (6B_142/2012) from 28. Februar 2013
Regeste: Art. 15 Verantwortlichkeitsgesetz; Ermächtigung zur Strafverfolgung eines ehemaligen Angestellten der Bundespolizei. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach der Mangel einer fehlenden Ermächtigung zur Strafverfolgung eines Beamten geheilt wird, wenn die obere kantonale Instanz mit voller tatsächlicher und rechtlicher Kognition zu Beginn des Rechtsmittelverfahrens die Ermächtigung einholt (E. 2.5). Anwendung auf den Einzelfall, in dem die Ermächtigung zur Strafverfolgung einen Tag vor der obergerichtlichen Hauptverhandlung erteilt wurde. Unter Berücksichtigung verschiedener Umstände ist eine definitiv nicht erfüllbare positive Prozessvoraussetzung anzunehmen (E. 2.6).

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