Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht

vom 22. März 1974 (Stand am 1. Januar 2020)


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Art. 84

A. Ent­schei­de der Ver­wal­tung

I. Re­vi­si­ons­grün­de

 

1Ein durch Straf­be­scheid, Straf­ver­fü­gung oder Ein­stel­lungs­ver­fü­gung der Ver­wal­tung rechts­kräf­tig ab­ge­schlos­se­nes Straf­ver­fah­ren kann auf An­trag oder von Am­tes we­gen wie­der auf­ge­nom­men wer­den:

a.
auf Grund er­heb­li­cher Tat­sa­chen oder Be­weis­mit­tel, die der Ver­wal­tung zur Zeit des frü­he­ren Ver­fah­rens nicht be­kannt wa­ren;
b.
wenn nach­träg­lich ge­gen einen Teil­neh­mer ein Stra­f­ur­teil aus­ge­fällt wur­de, das mit dem Straf­be­scheid oder der Straf­ver­fü­gung in un­ver­ein­ba­rem Wi­der­spruch steht;
c.
wenn durch ei­ne straf­ba­re Hand­lung auf den Ent­scheid der Ver­wal­tung ein­ge­wirkt wor­den ist.

2Die Re­vi­si­on zu­guns­ten des Be­schul­dig­ten ist je­der­zeit zu­läs­sig. Ei­ner neu­en Ver­ur­tei­lung steht die nach der Rechts­kraft des be­an­stan­de­ten Ent­scheids ein­ge­tre­te­ne Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung nicht ent­ge­gen.

3Die Re­vi­si­on zu Un­guns­ten des Be­schul­dig­ten ist nur zu­läs­sig auf Grund von Ab­satz 1 Buch­sta­ben a und c und so­lan­ge die Ver­fol­gung der Wi­der­hand­lung nicht ver­jährt ist. Die Ver­jäh­rung be­ginnt mit der Wi­der­hand­lung zu lau­fen; der frü­he­re Ent­scheid ist kein Un­ter­bre­chungs­grund.

4Für den Ein­zie­hungs­be­scheid und die Ein­zie­hungs­ver­fü­gung gel­ten die Vor­schrif­ten der Ar­ti­kel 84–88 sinn­ge­mä­ss.

BGE

120 IV 246 () from 14. Juni 1994
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. a VStrR. Revision. Für die Auslegung von Art. 84 Abs. 1 lit. a VStrR ist die Lehre und Rechtsprechung zu Art. 397 StGB heranzuziehen. Neu bzw. nicht bekannt sind der Verwaltung Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie ihr im ursprünglichen Verfahren gegen den Beschuldigten überhaupt nicht zur Beurteilung vorlagen (E. 2a u. 3b). Erheblich sind Tatsachen oder Beweismittel, namentlich wenn es sich dabei um für die rechtliche Qualifikation oder die Strafzumessung bedeutende Umstände handelt, die von der Verwaltung nicht berücksichtigt wurden (E. 2b) und die wahrscheinlich zu einer Änderung des früheren Urteils führen. Grundsätzlich sind alle während der Strafuntersuchung erstellten Unterlagen den Akten beizufügen (E. 3c). Reichweite eines Sprechfunkgerätes als neue erhebliche Tatsache im Zusammenhang mit einer Bestrafung wegen Widerhandlung gegen das Fernmeldegesetz (E. 4).

122 IV 344 () from 25. November 1996
Regeste: Art. 103 VStrR. Abwesenheitsverfahren; Wiedereinsetzung. Ein Schreiben, mit welchem die Verwaltung ein Gesuch um Wiedereinsetzung abweist bzw. auf ein solches nicht eintritt, ist eine Verfügung und als solche mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (E. 3c). Der Entscheid der Verwaltung über ein Wiedereinsetzungsgesuch unterliegt der Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts (E. 4e). Mit der (auflösend bedingten) Rechtskraft des Abwesenheitsurteils hört die Verfolgungsverjährung zu laufen auf; gleichzeitig beginnt die Vollstreckungsverjährung (E. 5b). Der in Abwesenheit Verurteilte kann auch nach Eintritt der Vollstreckungsverjährung die Aufhebung des Abwesenheitsurteils und die Durchführung des ordentlichen Verfahrens verlangen (E. 5c und d). Wann hat sich der Beschuldigte im Sinne von Art. 103 Abs. 2 VStrR gestellt (E. 6b)?

127 I 133 () from 12. Juni 2001
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV; § 230 Ziff. 1 StPO/AG; Anspruch auf Revision im Strafverfahren; Garantie gleicher und gerechter Behandlung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über ein Revisionsgesuch, das aufgrund von neuen Tatsachen gestellt wurde, die eine vom kantonalen Prozessrecht beherrschte Frage betreffen (E. 3). Es stellt eine grundsätzlich in allen Prozessverfahren Geltung beanspruchende Verfahrensgarantie dar, ein materiell und formell rechtskräftiges Urteil, das mit der materiellen Wahrheit nicht übereinstimmt, unter bestimmten Voraussetzungen korrigieren zu können. Ein materiell und formell rechtskräftiges Prozessurteil im Strafverfahren, das dem davon Betroffenen wegen einer angeblich verpassten Rechtsmittelfrist den ordentlichen Rechtsmittelweg gegen eine Verurteilung endgültig versperrt, muss daher aufgrund von Art. 29 Abs. 1 BV auf dem Weg der Revision korrigiert werden können (E. 4-7).

 

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