Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht

vom 22. März 1974 (Stand am 1. Januar 2020)


Open article in different language:  FR  |  IT
Art. 99

B. Ent­schä­di­gung

I. Im Ver­fah­ren der Ver­wal­tung

1. An­spruch

 

1Dem Be­schul­dig­ten, ge­gen den das Ver­fah­ren ein­ge­stellt oder der nur we­gen Ord­nungs­wid­rig­keit be­straft wird, ist auf Be­geh­ren ei­ne Ent­schä­di­gung für die Un­ter­su­chungs­haft und für an­de­re Nach­tei­le, die er er­lit­ten hat, aus­zu­rich­ten; sie kann je­doch ganz oder teil­wei­se ver­wei­gert wer­den, wenn er die Un­ter­su­chung schuld­haft ver­ur­sacht oder das Ver­fah­ren mut­wil­lig er­schwert oder ver­län­gert hat.

2Dem In­ha­ber ei­nes be­schlag­nahm­ten Ge­gen­stan­des oder ei­ner durch­such­ten Woh­nung, der nicht als Be­schul­dig­ter ins Ver­fah­ren ein­be­zo­gen wor­den ist, steht ein An­spruch auf Ent­schä­di­gung zu, in­so­weit er un­ver­schul­det einen Nach­teil er­lit­ten hat.

3Die Ent­schä­di­gung geht zu Las­ten des Bun­des.

BGE

107 IV 155 () from 20. August 1981
Regeste: Art. 99 Abs. 1 VStrR; Anspruch auf Entschädigung für Nachteile aus materiell ungerechtfertigter Strafverfolgung. 1. Anspruch auf Entschädigung haben auch juristische Personen (Erw. 4). 2. Die Entschädigungspflicht setzt eine gewisse objektive Schwere der Untersuchungshandlung und einen dadurch bedingten erheblichen Nachteil voraus. Dieser ist vom Ansprecher zu substantiieren und zu begründen (Erw. 5).

108 IV 202 () from 17. September 1982
Regeste: Art. 99 Abs. 1 VStrR; Anspruch auf Entschädigung für Nachteile aus materiell ungerechtfertigtem Strafbescheid. Die Entschädigungspflicht gemäss Art. 99 Abs. 1 VStrR gilt analog für nachteilige Folgen von Strafbescheiden nach Art. 62 VStrR (E. 2).

115 IV 156 () from 13. Juni 1989
Regeste: Art. 99 Abs. 1 VStrR; Entschädigung. Zu den entschädigungspflichtigen anderen Nachteilen im Sinne dieser Bestimmung gehören auch die notwendigen Verteidigungskosten.

117 IV 209 () from 15. Juli 1991
Regeste: Art. 15 IRSG; Entschädigung für ungerechtfertigte Auslieferungshaft. 1. Zuständigkeit der Anklagekammer. Im Beschwerdeverfahren können auch im Zusammenhang mit prozessualen Zwangsmassnahmen stehende Verletzungen von Prozessvorschriften gerügt werden (E. 1). 2. Wird dem Auslieferungsbegehren nicht stattgegeben ("Nichtannahme" im Sinne von Art. 27 Abs. 5 IRSG), hat dies mit begründeter Verfügung zu geschehen, die dem Verfolgten mitzuteilen ist (E. 2). 3. Die Anklagekammer beurteilt einzig Begehren auf Entschädigung für ungerechtfertigte, nicht indessen für rechtswidrige Auslieferungshaft (E. 4c). 4. Die Entschädigung kann nur verweigert werden, wenn der Verfolgte die Untersuchung durch trölerisches Verhalten erschwert oder verlängert hat (E. 4d).

118 IV 420 () from 31. August 1992
Regeste: Art. 15 IRSG; Entschädigung für ungerechtfertigte Auslieferungshaft. - Eidgenössische Bestimmungen, die sinngemäss gelten (E. 2a und E. 2b). - Der Verweigerung der Auslieferung ist der Fall gleichzusetzen, in welchem der ersuchende Staat nicht in der Lage ist, eine durch den ersuchten Staat an die Auslieferung geknüpfte Bedingung zu erfüllen. Die Auslieferungshaft erweist sich auch hier im nachhinein als ungerechtfertigt, weshalb eine Entschädigung geschuldet ist (E. 2c).

136 I 274 (1B_326/2009) from 11. Mai 2010
Regeste: a Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG; Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 13 EMRK; Entlassung des Beschwerdeführers aus der Untersuchungshaft während des bundesgerichtlichen Verfahrens; aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Haftbeschwerde. Unter besonderen Umständen behandelt das Bundesgericht die Beschwerde trotz der Entlassung des Beschwerdeführers materiell. Solche Umstände bejaht in einem Fall, in dem eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention offensichtlich war und dem Beschwerdeführer durch die entsprechende Feststellung und eine für ihn vorteilhafte Kostenregelung sogleich die verlangte Wiedergutmachung verschafft werden konnte (E. 1.3).

136 III 497 (5A_432/2010) from 26. Juli 2010
Regeste: Art. 397a und 397d ZGB; Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG; fürsorgerische Freiheitsentziehung; Entlassung der Beschwerde führenden Person aus der psychiatrischen Anstalt während des vor Bundesgericht hängigen Beschwerdeverfahrens; aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Behandlung der Beschwerde in Zivilsachen. Mit der Entlassung der von einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffenen Person aus der Anstalt fällt das aktuelle rechtlich geschützte Interesse an der Behandlung ihrer Beschwerde dahin. Ist auch kein virtuelles Interesse erstellt, so wird das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren als gegenstandslos abgeschrieben. Es erfolgt keine Prüfung der Frage, ob mit der Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung bzw. mit der Verweigerung der Entlassung des oder der Betroffenen aus der Anstalt Bestimmungen der EMRK verletzt worden sind (E. 1 und 2).

137 I 296 (2C_745/2010) from 31. Mai 2011
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 3 BGG; Art. 5 Ziff. 4 und 5, Art. 8 und 13 EMRK; Freilassung während des Rekursverfahrens vor der letzten kantonalen Instanz; aktuelles Rechtsschutzinteresse; Grundsätze der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges und der Einheit des Verfahrens. Der Grundsatz der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 111 Abs. 3 BGG) gilt als eingehalten, wenn der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz sämtliche Rügen vorbringen konnte, die er in der Folge auch vor Bundesgericht erheben kann. Um festzustellen, ob die kantonale Behörde den vorliegenden Rekurs zu Recht nicht materiell behandelt hat, ist zu prüfen, wie das Bundesgericht in einer vergleichbaren Situation vorgegangen wäre. Bei Vorliegen besonderer Umstände nimmt das Bundesgericht eine materielle Prüfung vor, obwohl der Beschwerdeführer kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr hat. Mit Hinblick auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet ("grief défendable"; vgl. Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 5 Ziff. 4 EMRK) (E. 4 und 5). Entsteht bei materieller Prüfung der Eindruck, dass die ausgestandene Haft illegal war, so ist dies festzuhalten. Bezüglich eines allfälligen Entschädigungsbegehrens kann die mit dem Rekurs befasste kantonale Instanz entweder aus verfahrensökonomischen Gründen selbst einen Entscheid fällen oder die Angelegenheit an die für Staatshaftungsfragen zuständige Behörde überweisen (E. 6).

 

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden