Schweizerisches Zivilgesetzbuch

vom 10. Dezember 1907 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 315a411

2. In ehe­recht­li­chen Ver­fah­ren

a. Zu­stän­dig­keit des Ge­richts

 

1 Hat das Ge­richt, das für die Ehe­schei­dung oder den Schutz der ehe­li­chen Ge­mein­schaft zu­stän­dig ist, die Be­zie­hun­gen der El­tern zu den Kin­dern zu ge­stal­ten, so trifft es auch die nö­ti­gen Kin­des­schutz­mass­nah­men und be­traut die Kin­des­schutz­be­hör­de mit dem Voll­zug.412

2 Be­ste­hen­de Kin­des­schutz­mass­nah­men kön­nen auch vom Ge­richt den neu­en Ver­hält­nis­sen an­ge­passt wer­den.

3 Die Kin­des­schutz­be­hör­de bleibt je­doch be­fugt:413

1.
ein vor dem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ein­ge­lei­te­tes Kin­des­schutz­ver­fah­ren wei­ter­zu­füh­ren;
2.
die zum Schutz des Kin­des so­fort not­wen­di­gen Mass­nah­men an­zu­ord­nen, wenn sie das Ge­richt vor­aus­sicht­lich nicht recht­zei­tig tref­fen kann.

411Ein­ge­fügt durch Ziff. I 1 des BG vom 25. Ju­ni 1976 (AS 1977 237; BBl 1974 II 1). Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 4 des BG vom 26. Ju­ni 1998, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 1118; BBl 1996 I 1).

412 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

413 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

BGE

107 II 100 () from 12. Februar 1981
Regeste: Übertragung der elterlichen Gewalt im Falle des Todes des Ehegatten, dem der Scheidungsrichter die Kinder zugewiesen hatte (Art. 157 und Art. 315a Abs. 3 ZGB). Können die vormundschaftlichen Behörden die elterliche Gewalt in einem solchen Fall dem überlebenden Ehegatten übertragen? Frage offen gelassen, da die Zuständigkeit dieser Behörden keine ausschliessliche sein kann. Der Ehegatte, dem die elterliche Gewalt entzogen ist, behält das Recht, gestützt auf Art. 157 ZGB die Zuweisung der Kinder an ihn zu erwirken.

108 II 375 () from 10. Juni 1982
Regeste: Tod des Inhabers der elterlichen Gewalt bei einem Kind geschiedener Eltern; Übertragung der elterlichen Gewalt auf den überlebenden Elternteil. 1. Zuständig, ein Kind geschiedener Eltern nach dem Tod des Inhabers der elterlichen Gewalt unter die elterliche Gewalt des überlebenden Elternteils zu stellen, ist nicht nur der Richter (Art. 157 ZGB), sondern auch die Vormundschaftsbehörde (Ergänzung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Hat jedoch die Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 368 Abs. 1 ZGB bereits eine Vormundschaft errichtet und ein allfälliges Gesuch des überlebenden Elternteils um Einsetzung in die elterliche Gewalt ein erstes Mal abgewiesen, bleibt nur noch der Weg der Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils offen (E. 3).

112 II 16 () from 20. März 1986
Regeste: Art. 68 OG; Art. 315 Abs. 1, 315a Abs. 3, 367 und 405 ZGB. 1. Die Vormundschaftsbehörde ist zur Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht nur legitimiert, wenn sie nach kantonalem Recht als antragstellende Partei und nicht als in erster Instanz verfügende Behörde aufgetreten ist (E. 1). 2. Der Vormund darf, auch wenn beiden Eltern durch das Scheidungsurteil die elterliche Gewalt entzogen wurde, sicher dann die Kinder einem der Elternteile zur Pflege und Erziehung auf Zusehen hin überlassen, wenn sich die Verhältnisse bei den Eltern nachträglich in einer Weise geändert haben, dass der Unterbringung beim Vater oder bei der Mutter in einem Zeitpunkt, wo sich die Frage der Obhut aus nicht in der Person der Eltern liegenden Gründen neu stellt, aus der Sicht des Kindeswohls keine schwerwiegenden Hindernisse entgegenstehen. Die Zustimmung des Scheidungsrichters ist nicht erforderlich (E. 5). 3. Im vorliegenden Fall wird durch die Unterbringung der Kinder bei der Mutter der Vater in seiner rechtlichen Stellung nicht unmittelbar betroffen (E. 6).

125 III 401 () from 18. Oktober 1999
Regeste: Art. 156 ZGB i.V.m. Art. 275 ZGB und Art. 315a ZGB; Art. 53 OR und Art. 2 ÜbBest.BV; Zuständigkeit des Scheidungsrichters. An bestehende Kindesschutzmassnahmen und Anordnungen über den persönlichen Verkehr ist der Scheidungsrichter nicht gebunden, wenn sich seit Erlass der betreffenden Verfügungen die Verhältnisse geändert haben (E. 2b). Für die Regelung des persönlichen Verkehrs ist er auch dort sachlich zuständig, wo er beiden Ehegatten die elterliche Gewalt entzieht (E. 2c). Er missachtet den Vorrang des Bundesrechts nicht dadurch, dass er ohne Rücksicht auf ein vorausgegangenes Straferkenntnis die Frage eines Missbrauchs des Scheidungskinds abklärt (E. 3).

135 III 49 () from 14. November 2008
Regeste: Art. 315 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 f. ZGB; Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz des Kindes zum Vollzug gerichtlich angeordneter Kindesschutzmassnahmen. Die vormundschaftlichen Behörden, die das Scheidungsgericht mit der Vollziehung von Kindesschutzmassnahmen betraut, prüfen ihre Zuständigkeit selbstständig und ungeachtet der Zuweisung im rechtskräftigen Scheidungsurteil (E. 4). Wenn beiden Inhabern der elterlichen Sorge die Obhut entzogen ist und die Inhaber der elterlichen Sorge nicht den gleichen Wohnsitz haben, hat das Kind seinen Wohnsitz am Aufenthaltsort (E. 5). Hält sich das Kind im Zeitpunkt, in dem der von den Eltern oder einem Elternteil abgeleitete Wohnsitz entfällt, in einer Anstalt auf, kann das Kindeswohl gebieten, nicht an einen fiktiven Wohnsitz anzuknüpfen, sondern den Anstaltsort als Wohnsitz des Kindes gelten zu lassen (E. 6).

136 III 353 (5D_171/2009) from 1. Juni 2010
Regeste: Wegzug ins Ausland; Entscheidungskompetenzen des alleinigen Obhutsinhabers. Inhalt des elterlichen Sorgerechts (E. 3.1). Inhalt des Obhutsrechts. Dieses umfasst insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, weshalb in der Regel der alleinige Inhaber mit dem Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils ins Ausland ziehen darf. Der neuen Situation ist mit einer darauf zugeschnittenen Regelung des Besuchsrechts Rechnung zu tragen (E. 3.2). Bei ernsthafter Gefährdung des Kindeswohls kann die Vormundschaftsbehörde den Wegzug untersagen (E. 3.3). Der alleinige Obhutsinhaber macht sich durch den Wegzug nicht strafbar (E. 3.4). Der nicht obhutsberechtigte Elternteil kann kein Rückführungsbegehren gemäss HKÜ stellen (E. 3.5).

139 III 516 (5A_262/2013) from 26. September 2013
Regeste: Art. 75 Abs. 1 BGG und Art. 315a Abs. 3 Ziff. 2 ZGB; Rechtsnatur der von der Kindesschutzbehörde aufgrund dieser Bestimmung getroffenen Entscheide. Die von einer Kindesschutzbehörde aufgrund von Art. 315a Abs. 3 Ziff. 2 ZGB getroffenen Entscheide sind vergleichbar mit superprovisorischen Massnahmen, gegen die jegliche Beschwerde an das Bundesgericht mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs ausgeschlossen ist (Art. 75 Abs. 1 BGG; E. 1.1-1.3).

145 III 436 (5A_977/2018) from 22. August 2019
Regeste: a Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG; Feststellung der Nichtigkeit. Die Nichtigkeit eines Urteils kann im bundesgerichtlichen Verfahren neu geltend gemacht werden (E. 3).

 

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