Schweizerisches Zivilgesetzbuch

vom 10. Dezember 1907 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 374

A. Vor­aus­set­zun­gen und Um­fang des Ver­tre­tungs-rechts

 

1 Wer als Ehe­gat­te, ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin oder ein­ge­tra­ge­ner Part­ner mit ei­ner Per­son, die ur­teil­s­un­fä­hig wird, einen ge­mein­sa­men Haus­halt führt oder ihr re­gel­mäs­sig und per­sön­lich Bei­stand leis­tet, hat von Ge­set­zes we­gen ein Ver­tre­tungs­recht, wenn we­der ein Vor­sor­ge­auf­trag noch ei­ne ent­spre­chen­de Bei­stand­schaft be­steht.

2 Das Ver­tre­tungs­recht um­fasst:

1.
al­le Rechts­hand­lun­gen, die zur De­ckung des Un­ter­halts­be­darfs üb­li­cher­wei­se er­for­der­lich sind;
2.
die or­dent­li­che Ver­wal­tung des Ein­kom­mens und der üb­ri­gen Ver­mö­gens­wer­te; und
3.
nö­ti­gen­falls die Be­fug­nis, die Post zu öff­nen und zu er­le­di­gen.

3 Für Rechts­hand­lun­gen im Rah­men der aus­ser­or­dent­li­chen Ver­mö­gens­ver­wal­tung muss der Ehe­gat­te, die ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin oder der ein­ge­tra­ge­ne Part­ner die Zu­stim­mung der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ein­ho­len.

BGE

85 II 457 () from 10. November 1959
Regeste: Entmündigung nach Art. 369 und 370 ZGB. Greis mit altersbedingter Arteriosklerose des Gehirns und daheriger Unfähigkeit, sich homosexuellen Delinquierens zu enthalten: 1. Geisteskrankheit, lasterhafter Lebenswandel, Gefährdung der Sicherheit Anderer und Schutzbedürftigkeit bejaht (Erw. 3). 2. Zur Entmündigung wegen Geisteskrankheit nach Art. 374 Abs. 2 ZGB genügt auch ein ausserhalb des Entmündigungsverfahrens, z.B. in Strafprozess, eingeholtes psychiatrisches Gutachten, sofern es alle nötigen Feststellungen enthält (Erw. 4). 3. Da hier der lasterhafte Lebenswandel seine Ursache nicht ausschliesslich in der geistigen Erkrankung hat, ist nach Art. 369 und 370 ZGB zu entmündigen (Erw. 5).

87 II 129 () from 21. September 1961
Regeste: Entmündigungsverfahren. 1. Ein Ehegatte kann sich der Entmündigung des andern nicht in seinem eigenen Namen widersetzen und ist gemäss Art. 29 Abs. 2 OG grundsätzlich auch nicht befugt, den andern im Verfahren vor Bundesgericht zu vertreten. 2. Aufhebung eines Entmündigungsbeschlusses wegen Verletzung der Vorschriften über die vorgängige Anhörung (Art. 374 ZGB). Wird dieser Verfahrensmangel erst vor Bundesgericht gerügt, so liegt darin nicht ein neues Vorbringen, das nach Art. 55 lit. c OG unzulässig wäre.

91 II 170 () from 2. Juli 1965
Regeste: Bevormundung wegen Freiheitsstrafe. Art. 371 ZGB. Veröffentlichung dieser Massnahme. Art. 375 ZGB. Gegenstand der Berufung an das Bundesgericht. Art. 44 lit. c OG. 1. Darf die Bevormundung nach Art. 371 ZGB wegen besonderer Interessen des Strafgefangenen unterbleiben? - jedenfalls nicht, wenn nicht in persönlicher wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Aufgaben eines Vormundes völlig ausser Betracht fallen. (Erw. 1-3). 2. Die Veröffentlichung der Bevormundung nach Art. 375 ZGB unterliegt nicht der Berufung an das Bundesgericht. Art. 44 lit. c OG. (Erw. 4).

92 I 259 () from 21. Dezember 1966
Regeste: Art. 4 BV; Beweisabnahme im Verwaltungsverfahren. Wann können beweisbildende Auskünfte nach Bündner Recht auf dem Wege der "amtlichen Erhebung" eingeholt werden? Ausschluss der telephonischen Vernehmung von Zeugen. In einem Verfahren, das einen Eingriff in die persönliche Freiheit zum Gegenstand hat, hat der Betroffene grundsätzlich Anspruch darauf, vom Ergebnis des Beweisverfahrens Kenntnis zu nehmen und dazu Stellung zu beziehen.

95 I 439 () from 1. Oktober 1969
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Die in Art. 87 OG enthaltene Beschränkung gilt nicht für Beschwerden, mit denen neben der Verletzung des Art. 4 BV noch andere Rügen erhoben werden (Erw. 1). Bankgeheimnis und kantonales Strafprozessrecht. Derogatorische Kraft des Bundesrechts. Verhältnis des kantonalen Strafprozessrechts zum Bankgeheimnis - inbezug auf die Zeugenpflicht und die Pflicht zur Herausgabe von Akten (Erw. 2 b Abs. 1). - inbezug auf das Akteneinsichtsrecht des Geschädigten. Abwägung der sich einander entgegenstehenden Interessen. Bedeutung des Umstands, dass der Geschädigte ein ausländischer Staat ist. Tragweite von Art. 321 Ziff. 3 und Art. 273 Abs. 2 StGB (Erw. 2 b-d).

96 II 15 () from 5. März 1970
Regeste: Tragweite des Anspruchs auf Anhörung nach Art. 374 Abs. 1 ZGB. Die zu entmündigende Person ist nicht nur zum Entmündigungsgrund als solchem zu befragen, sondern es ist ihr Gelegenheit zu geben, zu allen wesentlichen Einzeltatsachen Stellung zu nehmen, welche zur Entmündigung führen sollen. Der Anspruch auf Anhörung deckt sich nicht mit dem aus Art. 4 BV folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör. Hat sich die zu entmündigende Person in einem Entmündigungsverfahren zu allen Einzeltatsachen äussern können, so ist Art. 374 Abs. 1 ZGB auch dann Genüge getan, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde.

96 II 369 () from 25. September 1970
Regeste: Vormundschaftliche Massnahmen für einen Geisteskranken, dessen Krankheit schubweise verläuft. Entmündigung nach Art. 369 ZGB oder Errichtung einer Beiratschaft nach Art. 395 ZGB? Persönliche Fürsorge kann nicht nur dem Vormund (Art. 406 ZGB), sondern auch dem Beirat obliegen (Änderung der Rechtsprechung). Von der Entmündigung ist abzusehen, wenn die Errichtung einer Beiratschaft der in Frage stehenden Person genügenden Schutz bietet. Gründe für die Annahme, dass diese letzte Massnahme notwendig ist und ausreicht. Gerichts- und Parteikosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 156 Abs. 2 und 159 OG).

109 II 295 () from 20. Oktober 1983
Regeste: Art. 374 ZGB. Die Anhörung im Sinne von Art. 374 ZGB stellt nicht nur ein Verteidigungsrecht des zu Bevormundenden dar, auf das dieser beliebig verzichten kann, sondern sie bildet auch ein Mittel zur Erforschung des Tatbestandes, dessen sich die Behörde allenfalls auch gegen den Willen des Interdizenden bedienen soll.

110 IA 117 () from 10. Juli 1984
Regeste: Entmündigung, psychiatrische Begutachtung, kantonales Rechtsmittelverfahren, persönliche Freiheit. 1. Art. 420 Abs. 2 ZGB, wonach gegen die Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden kann, kommt im Entmündigungsverfahren nicht zur Anwendung, selbst wenn ein Kanton die Entmündigung den vormundschaftlichen Behörden überträgt (E. 2). 2. Die Annahme, dass im Kanton Zug die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung im Entmündigungsverfahren nicht selbständig mit Beschwerde an den Regierungsrat angefochten werden kann, ist nicht willkürlich (E. 3). 3. Es ist auch nicht willkürlich, wenn im Kanton Zug die Legitimation des Gemeinderats als Vormundschaftsbehörde zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Vormundschaftssachen bejaht wird (E. 4). 4. Die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung im Entmündigungsverfahren gegen den Willen des Interdizenden verstösst nicht gegen die persönliche Freiheit, sofern ein hinreichender Anlass für die Eröffnung eines solchen Verfahrens bestand (E. 5).

115 II 129 () from 1. Juni 1989
Regeste: Fürsorgerische Freiheitsentziehung. Die in Art. 397f Abs. 3 ZGB vorgeschriebene mündliche Anhörung verlangt in erster Instanz die Einvernahme durch das gesamte erkennende Gericht (Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 110 II 124 E. 4).

117 II 132 () from 25. April 1991
Regeste: Anhörung im Entmündigungsverfahren. Die in Art. 374 ZGB vorgeschriebene Anhörung verlangt nicht die Einvernahme durch die gesamte entscheidende Behörde. Hingegen hält die Anhörung durch einen in der Sache selbst nicht entscheidungsbefugten Beamten vor Bundesrecht nicht stand (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 1-4). Keine Heilung von Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens, wenn die Anhörung vor zweiter Instanz nicht durch ein Mitglied der entscheidenden Behörde geschieht (E. 5).

117 II 379 () from 12. September 1991
Regeste: Aufhebung der Vormundschaft, Anhörung (Art. 434 ff., Art. 374 ZGB). Im Verfahren der Aufhebung der Vormundschaft ist der Entmündigte von Bundesrechts wegen anzuhören.

118 II 249 () from 12. März 1992
Regeste: Fürsorgerische Freiheitsentziehung. Der Sachverständige im Sinne von Art. 397e Ziff. 5 ZGB muss einerseits ein ausgewiesener Fachmann und anderseits unbefangen sein. Das bedeutet, dass der Sachverständige sich nicht bereits im gleichen Verfahren über die Krankheit des Betroffenen geäussert haben darf. Für ihn gilt, ob er Mitglied des Gerichts ist oder nur als Hilfsperson des Richters amtet, der gleiche Grundsatz wie für den Richter, dass eine Mitwirkung in der unteren Instanz in demselben Verfahren ausgeschlossen ist.

119 II 319 () from 18. Oktober 1993
Regeste: Fürsorgerische Freiheitsentziehung; Begriff des Sachverständigen. Der Sachverständige im Sinne von Art. 397e Ziff. 5 ZGB ist ein Arzt, welcher sich unter den konkreten Umständen als geeignet erweist, ein objektives Gutachten zu erstellen, weil er über die dafür erforderlichen psychiatrischen Sachkenntnisse verfügt (E. 2).

124 I 40 () from 27. Februar 1998
Regeste: Persönliche Freiheit, Verhältnismässigkeitsgebot (psychiatrische Zwangsbegutachtung). Garantie der persönlichen Freiheit (E. 3a). Gesetzliche Grundlage als Voraussetzung für Eingriffe in die Freiheitsrechte (E. 3b). Eidgenössische und kantonale Vorschriften sowie Bundesgerichtspraxis zur psychiatrischen Begutachtung im Entmündigungsverfahren (E. 3c-d). Verfassungsmässiges Gebot der Verhältnismässigkeit (E. 3e). Umstände, unter denen die zwangsweise polizeiliche Vorführung einer hochbetagten, gebrechlichen und pflegebedürftigen Person zur ärztlichen Begutachtung in einer psychiatrischen Klinik unverhältnismässig erscheint (E. 4a-e). Verhältnismässigkeit und Gesetzmässigkeit einer ambulanten psychiatrischen Begutachtung am Wohn- und Pflegeort der betroffenen Person (E. 5).

 

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