Schweizerisches Zivilgesetzbuch

vom 10. Dezember 1907 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 590

2. Haf­tung aus­ser In­ven­tar

 

1 Den Gläu­bi­gern des Erb­las­sers, de­ren For­de­run­gen aus dem Grun­de nicht in das In­ven­tar auf­ge­nom­men wor­den sind, weil sie de­ren An­mel­dung ver­säumt ha­ben, sind die Er­ben we­der per­sön­lich noch mit der Erb­schaft haft­bar.

2 Ha­ben die Gläu­bi­ger oh­ne ei­ge­ne Schuld die An­mel­dung zum In­ven­tar un­ter­las­sen, oder sind de­ren For­de­run­gen trotz An­mel­dung in das Ver­zeich­nis nicht auf­ge­nom­men wor­den, so haf­tet der Er­be, so­weit er aus der Erb­schaft be­rei­chert ist.

3 In al­len Fäl­len kön­nen die Gläu­bi­ger ih­re For­de­run­gen gel­tend ma­chen, so­weit sie durch Pfand­recht an Erb­schaftssa­chen ge­deckt sind.

BGE

90 II 428 () from 13. Oktober 1964
Regeste: Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar; Haftung ausser Inventar; unverschuldete Nichtanmeldung einer Forderung (Art. 590 Abs. 2 ZGB). Fall eines im Ausland wohnenden Gläubigers, der vom Tod des Schuldners und vom Rechnungsruf nicht rechtzeitig Kenntnis erhielt. Kann die Übertretung ausländischer Devisenvorschriften unter dem Gesichtspunkte von Art. 590 Abs. 2 ZGB ein Verschulden darstellen? Erw. 3. Verjährung. 1. Frist, innert welcher die Forderung auf Auszahlung eines für den Gläubiger eingezogenen (und möglicherweise veruntreuten)Geldbetrages verjährt (Art. 127, 130 Abs. 1 und 60 Abs. 2 OR). Erw. 4. 2. Hinderung und Stillstand der Verjährung - während der Dauer des öffentlichen Inventars (Art. 586 ZGB), Erw. 5; - "solange eine Forderung vor einem schweizerischen Gerichte nicht geltend gemacht werden kann" (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR). Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der Gläubiger durch objektive, von seinen persönlichen Verhältnissen unabhängige Verhältnisse daran gehindert ist, in der Schweiz zu klagen. Es genügt nicht, dass ein Gläubiger mit Rücksicht auf die ausländische Gesetzgebung, der er wegen seines Wohnsitzes im Ausland unterworfen ist, in der Schweiz nicht klagen kann, ohne sich der Gefahr der Bestrafung und der Konfiskation seiner Forderung auszusetzen. Erw. 6-10. 3. Unterbrechung der Verjährung durch Schuldanerkennung (Art. 135 Ziff. 1 OR)? Erw. 11.

102 IA 483 () from 1. Dezember 1976
Regeste: Art. 4 BV und 2 ÜbBest. BV; definitive Rechtsöffnung für Steuerforderung. 1. Es ist nicht willkürlich anzunehmen, Art. 168 Abs. 2 des bernischen Steuergesetzes, wonach Steuerforderungen in öffentliche Inventare oder auf Rechnungsrufe einzugeben sind, sei eine blosse Ordnungsvorschrift, von deren Einhaltung die Haftung der Erben für diese Forderungen nicht abhänge (E. 4). 2. Die Art. 589/590 ZGB sind auf öffentlichrechtliche Forderungen nicht anwendbar, wenn nicht das öffentliche Recht deren Geltung ausdrücklich vorbehält. Eine abweichende kantonale Regelung oder Praxis verletzt somit den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht und verstösst auch nicht gegen Sinn und Geist des Bundesprivatrechts (E. 5 und 6).

105 IA 63 () from 23. Mai 1979
Regeste: Art. 4 BV; Steuerstrafrecht. Das Legalitätsprinzip beherrscht sowohl das Straf- wie das Steuerrecht; und der Grundsatz nulla poena sine lege findet anerkanntermassen auch Anwendung im Steuerstrafrecht, weshalb es unhaltbar und somit willkürlich ist, einen Erben wegen Lücken in dem von der zuständigen Behörde gemäss Art. 581 ZGB errichteten Inventar in eine Steuerbusse zu verfällen, während diese Strafe nach dem Gesetz nur denjenigen Erben trifft, der ein unvollständiges Inventar, das im Hinblick auf eine Abgabeerhebung von der Steuerverwaltung errichtet worden ist (sog. inventaire juridique), nicht hat ergänzen lassen.

110 II 228 () from 7. Juni 1984
Regeste: Art. 590 ZGB; Art. 527/8 und 537 ZGB. Nicht die Nichtanmeldung, sondern die Nichtaufnahme in das Inventar löst die Präklusionsfolgen nach Art. 590 ZGB aus. Sind die Ansprüche im Inventar verzeichnet, so gehen sie auf die Erben unabhängig davon über, wer sie angemeldet hat oder auf wessen Veranlassung sie aufgenommen worden sind (E. 2). Nachlass, Pflichtteile und verfügbare Quote berechnen sich nach dem Wert am Tag der Eröffnung des Erbganges (E. 7b). Der mit der Herabsetzung verbundene Rückerstattungsanspruch ist obligatorischer Natur (E. 7c). Ist der Gegenstand der Zuwendung nicht mehr vorhanden, so ist der gutgläubige Empfänger, soweit noch bereichert, höchstens bis zum Betrag des Erlöses erstattungspflichtig. Mit Bezug auf den bösgläubigen Empfänger gilt diese Einschränkung nicht: Er hat für den objektiven Schätzungswert zur Zeit des Erbganges einzustehen (E. 7d, e).

111 V 1 () from 10. Januar 1985
Regeste: Art. 16 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 AHVG, Art. 43 AHVV, Art. 590 Abs. 1 ZGB. Eine im öffentlichen Inventar schuldhaft nicht angemeldete Beitragsforderung geht unter und kann nicht mehr mit Leistungen an die Hinterlassenen verrechnet werden.

132 I 117 () from 15. Mai 2006
Regeste: Art. 127 Abs. 1 BV, Art. 389 Ziff. 5 und Art. 390 Abs. 1 Ziff. 2 StrV/BE; Kosten der Strafuntersuchung, Haftung des Nachlasses, Legalitätsprinzip. Wer die Kosten des Strafverfahrens trägt, bestimmt das Gesetz (E. 4). Das Berner Strafverfahrensgesetz sieht nicht vor, dass die Kosten dem Nachlass des Angeschuldigten auferlegt werden können. Für einen solchen Kostenentscheid bei Verfahrenseinstellung infolge Todes des Angeschuldigten vor der Strafgerichtsverhandlung fehlt die gesetzliche Grundlage (E. 7).

144 III 313 (5A_791/2017) from 17. Juli 2018
Regeste: Art. 580 ff. ZGB; öffentliches Inventar; einmalige Einsichts- und Äusserungsmöglichkeit im Verfahren auf Aufnahme des Inventars; Kognition der zuständigen Behörde. Art. 584 Abs. 1 ZGB sieht nach seinem Wortlaut im Verfahren auf Aufnahme eines öffentlichen Inventars nur eine einmalige Auflage des Inventars zur Einsichtnahme und Äusserung vor. Hiervon abzuweichen besteht mit Blick auf die (beschränkte) Funktion des öffentlichen Inventars und das Interesse der Gläubiger an der Vermeidung von Verzögerungen kein Anlass. Den Erben sind nachträgliche Änderungen aber anzuzeigen (E. 2.1, 2.3 und 2.4). Es ist nicht im Rahmen der Inventaraufnahme, sondern im Zivilprozess über Bestand und Inhalt der Aktiven und Passiven der Erbschaft zu befinden (E. 3).

 

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