Urteilskopf
105 IV 330
84. Urteil des Kassationshofes vom 12. November 1979 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft Bern-Oberland (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 222 StGB
.
Wer - ohne den Vorsatz der Anstiftung - durch unbedachte Äusserungen über die "Wünschbarkeit" eines Brandes einen Gesprächspartner dazu anregt, den Brand zu legen, erfüllt nicht den Tatbestand der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (Erw. 1).
Art. 148 StGB
. Betrug.
Bereicherungsabsicht (Erw. 2).
A.-
a) Am 14. April 1976 war Ursula P. mit ihrem Freund Beat S. bei ihrer Bekannten Helene M. in Lachen SZ auf Besuch. Man kam auf die beträchtlichen Renovations- und Kanalisationskosten zu sprechen, die Frau M. für das Bauernhaus in Thalheim AG bevorstanden, das ihre Patin ihr ein halbes Jahr vorher geschenkt hatte. Frau M. sagte, am besten würde man das Haus "warm abbräche". Beat S., dessen kriminelle Vergangenheit Frau M. nicht kannte, antwortete unverzüglich, dass dies für ihn eine Kleinigkeit wäre, dass er es mit einem Kurzschluss erledigen könnte. Dann fragte er Helene, wieviel ihr dies wert wäre. Sie nannte den Betrag von Fr. 5'000.--, den sie gerade im Haus habe und den sie ihrer Patin nach Klagenfurt bringen wolle, wohin sie noch am gleichen Abend für einige Tage abreisen werde. Auch Ursula P. zeigte Interesse an der Sache und meinte, sie wüsste schon, was man mit den Fr. 5'000.-- machen könnte, und erwähnte eine Polstergruppe, die sie in einem Geschäft in Lachen gesehen hatte. Helene M. beschrieb Ursula und Beat die Lage des Hofes und den Weg dorthin. Sie will das alles nur spasseshalber gesagt haben. Mindestens beim Hinausgehen sagte sie zu den beiden, sie sollten "keinen Seich" machen.
Nach anfänglichen Zweifeln kamen Beat S. und Ursula P. zum Schlusse, Helene M. habe ihr Angebot ernst gemeint. Sie zündeten am Ostersonntagmorgen, den 18. April 1976, das Bauernhaus an, in dem sich auch Fahrhabe des Pächters U. befand.
b) Am Mittwoch nach Ostern orientierte Frau P. Helene M. über den Brand. Diese machte grosse Augen, war erstaunt und
BGE 105 IV 330 S. 332
wollte es nicht glauben. Darauf erzählte Frau P., vor der Brandlegung seien ein Zelt und ein Kronleuchter, welche den Eheleuten M. gehörten, in Sicherheit gebracht worden. Der Ehemann Rudolf M., der damals über den wahren Sachverhalt nicht orientiert war, meldete in der Folge diese Gegenstände der Schweiz. Mobiliarversicherung als vermisst an zu einem Schadensbetrag von Fr. 916.--, womit Frau M. einverstanden war. Die Auszahlung unterblieb, weil die Sache auskam.
Frau M. unterzeichnete eine Strafanzeige wegen der verschwundenen Gegenstände und liess es zu, dass ihr Stiefvater nicht nur der Brandstiftung sondern auch des Diebstahls dieser Gegenstände verdächtigt wurde.
Das Aargauische Versicherungsamt zahlte am 4. Juni 1976 Helene M. die ordentliche Versicherungssumme von Fr. 27'421.-- aus.
B.-
Am 23. Oktober 1978 sprach das Geschwornengericht des I. Bezirks des Kantons Bern Helene M. der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (
Art. 222 Abs. 1 StGB
) zum Nachteil von U. im Deliktsbetrag von ca. Fr. 46'150.--, des vollendeten Betrugsversuchs zum Nachteil der Schweiz. Mobiliarversicherungsgesellschaft (
Art. 148 Abs. 1 StGB
) und der Irreführung der Rechtspflege (
Art. 304 Ziff. 1 StGB
) schuldig und verurteilte sie zu drei Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben auf zwei Jahre.
C.-
Helene M. beantragt sinngemäss Aufhebung des Urteils des Geschwornengerichts und Rückweisung der Sache zum Freispruch von den Anklagen der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst und des Betrugsversuchs.
Die Staatsanwaltschaft Bern-Oberland beantragt sinngemäss Gutheissung der Beschwerde hinsichtlich der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst und Abweisung betreffend den Betrugsversuch.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Das Geschwornengericht hat Beat S. und Ursula P. der eventualvorsätzlichen Brandstiftung (
Art. 221 Abs. 1 StGB
) schuldig erklärt.
Es kommt zum Schluss, das dumme Gerede von Frau M. beim Besuch von Ursula P. und Beat S. am 14. April 1976
BGE 105 IV 330 S. 333
sei ursächlich gewesen für die vier Tage danach verübte Brandstiftung. Doch stellt es für den Kassationshof verbindlich fest (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
;
BGE 101 IV 50
), es könne nicht schlüssig bewiesen werden, dass Frau M. den Vorsatz gehegt habe, die beiden zu einer Brandstiftung anzustiften. Deshalb wertet es ihr Verhalten nicht als Anstiftung gemäss
Art. 24 StGB
. Hingegen qualifiziert es ihr Gerede als fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst (
Art. 222 Abs. 1 StGB
).
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie Beat S. und Ursula P. durch ihr Gerede, wenn auch nicht vorsätzlich, zur Brandstiftung veranlasst hat. Sie macht jedoch geltend, durch Reden könne der Tatbestand der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst nicht erfüllt werden.
b) Die Vorinstanz führt im einzelnen aus, wenn die Feuersbrunst beim Tatbestand von
Art. 222 StGB
auch normalerweise durch unvorsichtigen Umgang mit irgendwelchen Instrumenten oder brennbaren Mitteln, d.h. manuell, verursacht werde, so schliesse das Gesetz doch nicht aus, dass sie durch ungeschicktes und leichtfertiges Reden, das bei Dritten zu verhängnisvollen Reaktionen führen könne, d.h. verbal, verursacht werden könne. Ohne die Äusserungen von Frau M. wären Beat und Ursula niemals auf die Idee gekommen, den Hof anzuzünden. Somit habe letztlich die Angeklagte durch ihr höchst unbedachtes und inspirierendes Reden die am 18. April 1976 von S. und Frau P. gelegte Feuersbrunst verursacht.
Die Beschwerdeführerin setzte somit durch ihr Verhalten, das nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht als Anstiftung qualifiziert werden kann, in fahrlässiger Weise eine conditio sine qua non für die vorsätzliche Brandstiftung durch Beat S. und Ursula P. "Fahrlässige Anstiftung" ist jedoch nicht strafbar. Zwischen dem unbedachten Reden über die Möglichkeit oder Wünschbarkeit einer Straftat und der spätern vorsätzlichen Begehung gerade dieses Deliktes durch einen voll schuldfähigen Täter, der von dem (nicht als Anstiftung gemeinten) Gespräch zur Tat angeregt wurde, besteht zwar ein Kausalzusammenhang, aber es fehlt die Adäquanz; denn dass unbedachtes Reden über Brandstiftung einen Gesprächspartner zur vorsätzlichen Tatbegehung veranlasse, ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht voraussehbar (zur Fahrlässigkeitshaftung bei der Förderung der
BGE 105 IV 330 S. 334
Vorsatztat eines Dritten durch unvorsichtiges Verhalten: JESCHECK, Lehrbuch, 3. Aufl. S., 465).
In diesem Punkt ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin freizusprechen.
2.
Helene M. wurde auch wegen versuchten Betruges im Betrage von Fr. 916.-- zum Nachteil der Schweiz. Mobiliarversicherung verurteilt. Am 19. April 1976 bemerkten die Eheleute M. im Bauernhof das Fehlen eines Zeltes und eines Kronleuchters, welche sie während der Ehe angeschafft hatten. Am folgenden Tag stellte M. deswegen Strafanzeige gegen Unbekannt. Frau M. unterschrieb sie. M. verlangte bei der Versicherung auch eine Vergütung von Fr. 916.--. Frau M. war damit einverstanden, obwohl sie - im Gegensatz zu ihrem Manne - wusste, dass Beat S. und Ursula P. diese Gegenstände vor der Brandlegung für sie in Sicherheit gebracht hatten. Die Auszahlung unterblieb nur, weil die Sache rechtzeitig auskam.
a) Die Schadensmeldung erfolgte mit Wissen und Zustimmung der Beschwerdeführerin. Da sie an den Sachen ebenfalls Eigentumsrechte hatte, galt der Vergütungsantrag wenigstens mittelbar auch für sie. Sie liess also ihren Mann auch für sich selber handeln. Das war mehr als eine blosse Unterlassung (Nichtaufklären). Auch sonst hat sie positiv zur Irreführung des Versicherers beigetragen. Sie stellte mit ihrem Mann das Fehlen des Zeltes und des Kronleuchters im abgebrannten Hof fest und tat so, wie wenn diese Gegenstände von Unbefugten weggenommen worden wären. Mindestens durch Unterzeichnung der Strafanzeige an die Polizei half sie mit, beim Ehemann und der Polizei und mittelbar auch beim Versicherer diesen Eindruck zu wecken und festigen. Spätestens als sich ihr Mann anschickte, den "Schaden" bei der Versicherung zu melden, wusste sie, die falsche Version über das Verschwinden der Gegenstände werde sich nach aller Voraussicht zum Schaden des Versicherers auswirken. Trotzdem stimmte sie ihrem Manne zu, als er diese Sachen, an denen auch sie Eigentum hatte, als gestohlen anmeldete. Daher muss sie gegen sich gelten lassen, durch ihr Tun und mittels ihres gutgläubigen Mannes die Versicherung irregeführt zu haben. Der wahre Sachverhalt war für die Versicherung nicht erkennbar, sodass auch Arglist gegeben ist.
b) Die Vorinstanz bejaht neben dem Vorsatz auch die Bereicherungsabsicht mit dem Satz: "Helene wollte sich resp. ihren Ehemann an der Versicherungssumme für die gestohlen gemeldeten Objekte, die die Eheleute während der Ehe angeschafft hatten, unrechtmässig bereichern." Die Beschwerde wendet dagegen u.a. ein: "Man kann sagen, dass die Beschwerdeführerin durch die Verhältnisse und insbesondere das rasche Handeln ihres Ehemannes überrollt wurde. Da sie aber nicht wollte, dass er von der ganzen Angelegenheit etwas erfuhr, musste sie ihn ungehindert mit der Versicherung verhandeln lassen."
Tatsächlich befand sich Frau M. in einer gewissen Zwangslage, da sie sich nicht durch Bekanntgabe ihrer leichtfertigen Unterhaltung vom 14. April 1976 in Lachen und ihrer Beziehungen zu Beat S. und Ursula P. bei Behörden und ihrem Manne dem Verdacht der Anstiftung zu Brandstiftung aussetzen wollte. Es erhebt sich damit ernsthaft die Frage, was das Verhalten von Helene M. motivierte; der Wunsch, das verdächtige Gespräch in Lachen und ihre Beziehungen zu Beat S. und Ursula P. zu verschweigen, oder die Aussicht auf die Fr. 916.-- oder beides zusammen.
c) Nach der neueren Rechtsprechung genügt es nicht, dass die Erlangung des Vermögensvorteils nur eine notwendige, dem Täter vielleicht sogar höchst unerwünschte Nebenfolge eines von ihm erstrebten anderen Erfolges ist (
BGE 101 IV 207
). Indessen muss das Erstreben der Bereicherung nicht ausschliessliches Motiv des Handelns sein; es genügt, dass es mitbestimmend war (
BGE 102 IV 83
f.).
Wie es sich im vorliegenden Falle verhält, ist aus dem Urteil nicht mit hinreichender Klarheit ersichtlich. Die Sache ist daher im Sinne von
Art. 277 BStP
an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Geschwornengerichts des I. Bezirks des Kantons Bern vom 23. Oktober 1978 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.