Urteilskopf
108 III 26
11. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 2. März 1982 i.S. Konkursmasse W. Fuchs & Co. (Rekurs)
Regeste
Rekurslegitimation des Konkursamtes (
Art. 19 SchKG
); Verteilung von Zinsen auf dem Erlös der Verwertung von Pfandgegenständen.
1. Gegen die Weisung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, das Konkursamt habe bei der unteren Aufsichtsbehörde ein neues Gesuch um Erhöhung der zu einem früheren Zeitpunkt bewilligten ausserordentlichen Gebühr im Sinne von Art. 11 Abs. 2 GebTSchKG zu stellen, kann das Konkursamt nicht an das Bundesgericht rekurrieren (E. 2).
2. Wird der Erlös aus der Verwertung von Pfandgegenständen wegen hängiger Prozesse oder aus andern Gründen nicht sogleich ausbezahlt, sondern zinstragend angelegt, stehen die Zinsen in erster Linie denjenigen Gläubigern zu, die Anspruch auf den Verwertungserlös haben (E. 3).
Im Konkurs über die W. Fuchs & Co. wurde als wesentliches Aktivum am 25. März 1969 die Liegenschaft "Hôtel Continental" in Lausanne versteigert. In der Folge ergaben sich Differenzen darüber, ob der Erlös des Hotelmobiliars den Pfandgläubigern oder der allgemeinen Konkursmasse zukomme. Diese Frage wurde mit Urteil vom 12. April 1978 letztinstanzlich durch das Bundesgericht in dem Sinne entschieden, dass das Mobiliar Zugehör zur Hotelliegenschaft darstelle, dass es damit von der Pfandhaft umfasst werde und der aus der Versteigerung resultierende Erlös deshalb den Pfandgläubigern zustehe.
Am 14. Juni 1979 legte das Konkursamt Altstetten-Zürich einen zweiten Nachtrag zur provisorischen Verteilungsliste auf. Dabei teilte es den Ertrag auf den Erlösen für Hotelliegenschaft und -mobiliar der allgemeinen Konkursmasse zu. Ausserdem verlegte es von der durch die untere Aufsichtsbehörde bewilligten ausserordentlichen Gebühr von insgesamt 400'000 Franken deren 70'000 auf den Erlös der Pfandobjekte.
Gegen die neu aufgelegte Verteilungsliste führten verschiedene Pfandgläubiger Beschwerde an das Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Sie machten unter anderem geltend, dass die Erträge auf dem Erlös der Pfandgegenstände ihnen ebenso vorrangig zustünden wie der Erlös selbst. Weiter beanstandeten sie die Belastung des Pfandverwertungserlöses mit zusätzlichen 70'000 Franken Konkurskosten.
In seinem Beschluss vom 20. Dezember 1979 hielt das Bezirksgericht Zürich (6. Abteilung) dafür, dass die Zinsen auf dem Verwertungserlös der Pfandgegenstände als Teil der allgemeinen Konkursmasse zu gelten hätten, weshalb die Pfandgläubiger kein diesbezügliches Vorrecht in Anspruch nehmen könnten.
Das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde hob den bezirksgerichtlichen Beschluss sowie die Verteilungsliste vom 14. Juni 1979 durch Entscheid vom 14. Januar 1982 auf und wies die Sache zur Neuauflage eines zweiten Nachtrages zur provisorischen Verteilungsliste an
BGE 108 III 26 S. 28
das Konkursamt zurück. Von Amtes wegen hob die obere kantonale Aufsichtsbehörde ferner den Beschluss des Bezirksgerichtes Zürich (2. Abteilung) als untere Aufsichtsbehörde vom 29. Juni 1979 auf, worin die der Konkursverwaltung zugebilligte ausserordentliche Gebühr von Fr. 250'000.-- auf Fr. 400'000.-- erhöht worden war; das Konkursamt wurde im Sinne der Erwägungen angewiesen, bei der unteren Aufsichtsbehörde ein neues Gesuch um Erhöhung der erwähnten Gebühr einzureichen.
Gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde hat die Konkursmasse bzw. das Konkursamt an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.
Die Pfandgläubiger schliessen auf Abweisung des Rekurses.
Aus den Erwägungen:
2.
Die Vorinstanz hat das Konkursamt angewiesen, bei der unteren Aufsichtsbehörde ein neues Gesuch um Erhöhung der früher bewilligten ausserordentlichen Gebühr im Sinne von Art. 11 Abs. 2 GebTSchKG zu stellen. Sie hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass gemäss
Art. 85 KOV
im Rahmen der Erstellung der Verteilungsliste die Kosten der Verwaltung und Verwertung von Pfandgegenständen im Sinne von
Art. 262 Abs. 2 SchKG
im einzelnen und genau anzugeben seien. An die erwähnte Weisung der ihm übergeordneten kantonalen Aufsichtsbehörde ist das Konkursamt gebunden. Mit dem vorinstanzlichen Entscheid ist über die Frage der Berechtigung und der Höhe einer ausserordentlichen Gebühr nichts entschieden, so dass nicht etwa gesagt werden kann, das Konkursamt mache in diesem Punkt fiskalische Interessen des Kantons geltend (vgl.
BGE 105 III 36
E. 1 mit Hinweisen). Dass die Vorinstanz von Amtes wegen eingegriffen hat, ist nicht zu beanstanden. Stellt eine kantonale Aufsichtsbehörde fest, dass die Konkursverwaltung den gesetzlichen Vorschriften und Pflichten nicht oder nur ungenügend nachgekommen ist, ist sie kraft ihres Aufsichtsrechts gehalten, das Erforderliche zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes vorzukehren (vgl.
BGE 101 III 45
mit Hinweisen), jedenfalls dort, wo dies ohne weiteres und vor Abschluss des Zwangsvollstreckungsverfahrens, vor allem ohne Eingriff in rechtlich schützenswerte Interessen der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten oder Dritter, möglich ist. Das trifft vorliegend zu. Soweit das Konkursamt die Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses beantragt, ist nach dem Gesagten auf den Rekurs nicht einzutreten.
BGE 108 III 26 S. 29
3.
Liegenschaft und Mobiliar des Hotels Continental wurden im Jahre 1969 verwertet. Die Verwertungserlöse gingen am 20. und 22. Mai 1969 sowie kurz vor dem 15. Juni 1971 beim Konkursamt ein. Sie konnten jedoch erst nach Abschluss von Bauhandwerkerprozessen im Sinne von
Art. 841 ZGB
bzw. nach Erledigung der Rechtsstreite zwischen der Konkursverwaltung und verschiedenen Gläubigern über die Frage der Zugehöreigenschaft des Hotelmobiliars ausbezahlt werden. Nach ihrem Eingang beim Konkursamt waren die Erlöse jedoch sogleich zinstragend angelegt worden. Während die rekurrierende Konkursmasse der Ansicht ist, diese Zinserträge kämen - zuhanden aller Gläubiger - der Masse zugute, beanspruchen sie die Pfandgläubiger ausschliesslich für sich.
a) In
BGE 35 I 850
ff., wo es darum ging, wem die Zinsen zustehen, die der Ersteigerer bei Gewährung eines Zahlungstermins im Sinne der
Art. 136 und 137 SchKG
zu zahlen hat, hielt das Bundesgericht fest, dass solche Zinsen nicht der Konkursmasse, sondern - entsprechend der Höhe der jeweiligen pfandgesicherten Forderungen - den Grundpfandgläubigern zukämen, und zwar auch denjenigen, die aus dem Erlös voll befriedigt worden seien. Es führte weiter aus, dass die gegenteilige Lösung gegen
Art. 198 SchKG
verstossen würde, wonach Vermögensstücke, an denen Pfandrechte haften, nur unter Vorbehalt der Vorzugsrechte der Pfandgläubiger zur Masse gezogen werden können; der Masse könne vom Verwertungserlös nur etwas zufallen, wenn dieser selbst den Betrag der pfandgesicherten Forderungen übersteige. Das Bundesgericht verglich den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt mit dem Fall, da der Konkursbeamte den Verwertungserlös nicht sofort auszahle, sondern hinterlege (
BGE 35 I 852
f. E. 2). Die genannten Grundsätze wurden in
BGE 37 I 610
f. E. 2 bestätigt.
Der Sachverhalt, der
BGE 105 III 88
ff. zugrunde lag, betraf die Verzinsung von Abschlagszahlungen im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, die wegen eines hängigen Kollokationsprozesses zurückbehalten worden waren. Das Bundesgericht gelangte in jenem Fall zum gleichen Ergebnis wie in den beiden Urteilen aus den Jahren 1909 und 1911, wobei es ausführte, dass es dem Gebot der Gleichbehandlung der gleichrangigen Gläubiger entspreche, einen auf den Erlös entfallenden Zins denjenigen Gläubigern zugute kommen zu lassen, die ohne jedes Verschulden länger als die andern Gläubiger im gleichen Rang auf die (teilweise oder ganze) Tilgung ihrer Forderungen hätten warten müssen. Käme der
BGE 108 III 26 S. 30
Zinsertrag, der nur deswegen in die Masse geflossen sei, weil einzelne Forderungen zu Unrecht bestritten und die entsprechenden Abschlagszahlungen deshalb zurückbehalten worden seien, den Gläubigern in einem nachfolgenden Rang zugute, so würden diese ohne jeden Grund besser gestellt, als es der Fall gewesen wäre, wenn die Zahlungen von Anfang an gleichmässig an alle berechtigten Gläubiger ausgerichtet worden wären (
BGE 105 III 90
).
Freilich hatte das Bundesgericht in
BGE 89 III 41
f. ohne nähere Begründung und ohne Bezugnahme auf die beiden erwähnten älteren Entscheide aus den Jahren 1909 und 1911 erklärt, dass ein Anspruch der Grundpfandgläubiger auf Verzinsung ihrer Forderungen über den Steigerungstag hinaus weder gesetzlich vorgesehen noch durch die Rechtsprechung je anerkannt worden sei. Verzugszinsen seien Ertrag des unverteilten Verwertungserlöses und würden damit Bestandteil des letzteren bilden. Sie stünden deshalb der Gesamtheit der Gläubiger zu und seien nach
Art. 112 VZG
gemäss dem Ergebnis des Lastenbereinigungsverfahrens zu verteilen. In
BGE 94 III 54
E. 6 hat das Bundesgericht ohne weitere Stellungnahme auf dieses Urteil verwiesen.
Die beiden zuletzt genannten Entscheide, die sich mit den älteren Urteilen nicht auseinandersetzen, sind indessen kein Grund, die in
BGE 105 III 88
ff. wieder aufgenommene frühere Rechtsprechung erneut zu ändern. Vielmehr ist daran festzuhalten, dass in einem Fall, da infolge von Prozessen über den Anteil gewisser Gläubiger am Verwertungserlös oder aus andern Gründen keine Auszahlungen möglich sind, sondern die eingegangenen Beträge hinterlegt werden müssen, allfällige Zinserträge als Akzessorium des Erlöses in erster Linie denjenigen Gläubigern zugute kommen sollen, die Anspruch auf den Verwertungserlös haben. Darin liegt eine Entschädigung dafür, dass diese Gläubiger nicht sofort über ihren Anteil am Erlös haben verfügen können. Zinserträge der erwähnten Art ohne Vorzugsstellung der Pfandgläubiger auch solchen Gläubigern zukommen zu lassen, die ohne Hinterlegung nie in den Genuss zusätzlicher Massaerträgnisse gelangt wären, liesse sich durch nichts rechtfertigen.
b) Ob die Vorinstanz zu Recht den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt mit dem in
Art. 168 Abs. 1 OR
geregelten Fall der gerichtlichen Hinterlegung verglichen habe, mag nach dem Gesagten offen bleiben. Da das oben Ausgeführte nicht nur für den Erlös der Hotelliegenschaft gilt, sondern ebenso für den Erlös des Mobiliars, braucht sodann auch nicht näher auf die vorinstanzliche
BGE 108 III 26 S. 31
Auffassung eingegangen zu werden, wonach die vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden hinsichtlich des Mobiliarerlöses an die rechtskräftigen Kollokationsurteile gebunden seien. Allerdings muss es insofern beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden haben, als die Vorinstanz festgestellt hat, die Pfandgläubiger hätten sich die Zinsen aus dem Mobiliarerlös an ihre Pfandforderungen anrechnen zu lassen. Beschwert ist dadurch nämlich nicht die rekurrierende Konkursmasse, sondern sind die Pfandgläubiger, die jedoch den vorinstanzlichen Entscheid nicht angefochten haben. Deren diesbezügliche Ausführungen in ihrer Rekursantwort können nicht zu einer Abänderung des angefochtenen Entscheides führen.