BGE 109 III 90 vom 21. Juli 1983

Datum: 21. Juli 1983

Artikelreferenzen:  Art. 2 VVAG, Art. 49 SchKG, Art. 271 SchKG, Art. 272 SchKG , Art. 9 und Art. 10 der Verordnung des Bundesgerichtes über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen vom 17. Januar 1923 (SR 281.41; VVAG), Art. 271 Ziff. 1 und 4 SchKG

BGE referenzen:  91 III 19, 118 III 62, 124 III 505 , 91 III 19, 91 III 22, 91 III 23, 103 III 88

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

109 III 90


25. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 21. Juli 1983 i.S. Achermann (Rekurs)

Regeste

Arrestierung eines Erbanteils - Arrestort.
Wohnt der Schuldner nicht in der Schweiz oder hat er keinen festen Wohnsitz, so ist sein Anspruch auf den Liquidationsanteil an einer unverteilten Erbschaft am Betreibungsort der Erbengemeinschaft gemäss Art. 49 SchKG zu arrestieren, und zwar unabhängig davon, wo sich die einzelnen zur Erbschaft gehörenden Vermögensstücke befinden.

Sachverhalt ab Seite 91

BGE 109 III 90 S. 91
Am 30. Juli 1982 erwirkte Dr. Franz Achermann beim Arrestrichter des Bezirks Affoltern einen Arrestbefehl gegen Frank Hanselmann. Der Arrestbefehl stützte sich auf Art. 271 Ziff. 1 und 4 SchKG und erging an das Betreibungsamt Stallikon. Als Arrestgegenstand wurde der Liquidationsanteil des Schuldners an der Erbengemeinschaft Hanselmann-Pfister, namentlich der Verwertungserlös aus verschiedenen Liegenschaften in der Gemeinde Stallikon, aufgeführt. Diese Liegenschaften gehören zu je hälftigem Miteigentum der genannten Erbengemeinschaft und Georg Schmidt. Der Arrest wurde fristgerecht durch Betreibung prosequiert und der genannte Liquidationsanteil am 2. Februar 1983 bis zum Betrage von Fr. 13'000.-- gepfändet. Nachdem der Gläubiger am 16. März 1983 beim Betreibungsamt Stallikon das Verwertungsbegehren gestellt hatte, ersuchte dieses das Bezirksgericht Affoltern am 21. April 1983, gemäss Art. 9 und Art. 10 der Verordnung des Bundesgerichtes über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen vom 17. Januar 1923 (SR 281.41; VVAG) Einigungsverhandlungen durchzuführen. Das Bezirksgericht Affoltern klärte in der Folge die erbrechtlichen Verhältnisse des 1960 verstorbenen Walter Oskar Hanselmann ab. Dabei ergab sich unter anderem, dass der letzte Wohnsitz des Erblassers in Stäfa gewesen war und dass die Erbschaft unverteilt geblieben ist. Daraufhin trat das Bezirksgericht Affoltern als untere Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs mit Beschluss vom 16. Mai 1983 auf das Begehren um Durchführung der Einigungsverhandlungen nicht ein und hob Arrestvollzug und Pfändung wegen Unzuständigkeit des Betreibungsamtes Stallikon von Amtes wegen als nichtig auf. Eine gegen diesen Beschluss eingereichte Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit Beschluss vom 17. Juni 1983 ab. Dagegen rekurriert Achermann an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
BGE 109 III 90 S. 92

Erwägungen

Auszug aus den Erwägungen:

1. Der Rekurrent macht zur Hauptsache eine Verletzung von Art. 272 SchKG geltend. Nach dieser Bestimmung wird der Arrest von der zuständigen Behörde des Ortes, wo sich das Vermögensstück befindet, bewilligt. Im vorliegenden Fall ist der Anspruch des Schuldners auf den Liquidationsanteil an der unverteilten Erbschaft von Walter Oskar Hanselmann der einzige Arrestgegenstand. Wie die beiden kantonalen Aufsichtsbehörden unter Hinweis auf BGE 91 III 19 zu Recht ausführten, gehört ein solcher Anspruch zu den Forderungen und anderen Rechten. Diese sind am Wohnsitz des Schuldners zu pfänden, beziehungsweise zu arrestieren, selbst wenn sich das Erbschaftvermögen anderswo befindet ( BGE 91 III 22 E. 1 mit Verweisen). Wohnt der Arrestschuldner und Titular der Forderung oder des Rechts nicht in der Schweiz, so ist der Arrest nach ständiger Praxis am Wohnort des Drittschuldners zulässig ( BGE 91 III 23 , BGE 76 III 19 , BGE 75 III 27 , BGE 63 III 44 ). Drittschuldner ist hier die Erbengemeinschaft des Walter Oskar Hanselmann. Betreibungsort ist daher gemäss Art. 49 SchKG Stäfa, wo der Erblasser zur Zeit seines Todes hätte betrieben werden können. Zuständig für die Bewilligung und den Vollzug des Arrests war demnach die nach kantonalem Recht zuständige Arrestbewilligungsbehörde von Stäfa beziehungsweise das Betreibungsamt Stäfa.
Entgegen der Meinung des Rekurrenten handelt es sich dabei nicht bloss um einen möglichen Arrestort. Gegenstand des Arrestes und der Prosequierung sind nicht konkrete Vermögenswerte der Erbschaft, wie etwa Liegenschaften, sondern einzig und allein der Anspruch eines Miterben auf seinem Liquidationsanteil. Zuständig zur Pfändung und Arrestierung dieses Anteilsrechts ist gemäss Art. 2 VVAG stets das gleiche Betreibungsamt, unabhängig davon, wo sich die einzelnen zur Erbschaft gehörenden Vermögenswerte befinden. Der vom örtlich unzuständigen Betreibungsamt Stallikon vollzogene Arrest war demnach nichtig ( BGE 103 III 88 mit Verweisen), was von der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde zu Recht von Amtes wegen festgestellt wurde.

2. Was der Rekurrent ausserdem vorbringt, geht an der Sache vorbei.
So ist die Frage belanglos, ob die Erbengemeinschaft sich gegenüber jedem einzelnen Erben auf eine Bringschuld berufen könne. Denn im vorliegenden Fall sind Wohnsitz und Aufenthalt des
BGE 109 III 90 S. 93
Schuldners unbekannt und können deshalb die Zuständigkeit des Betreibungsamtes Stallikon sicher nicht begründen.
Auch die praktischen Schwierigkeiten, die der Rekurrent hervorhebt, vermögen die dargestellte Lösung, wie sie sich aus Art. 272 SchKG ergibt, nicht umzustossen. Im übrigen übertreibt der Rekurrent diese Schwierigkeiten. Wer einen Erbanteil verarrestieren lassen will, braucht bloss glaubhaft zu machen, dass sein Schuldner an einer unverteilten Erbschaft beteiligt ist. Es ist nicht seine Aufgabe, die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft anzugeben, noch braucht er sich zu kümmern, ob ein Testament vorhanden ist oder gar ob die Erben miteinander im Streit liegen. Alle diese Fragen können nötigenfalls später, anlässlich des in den Art. 9 ff. VVAG vorgesehenen Einigungsverfahrens, geprüft werden.

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