Urteilskopf
116 IV 319
61. Urteil des Kassationshofes vom 14. September 1990 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen M. und R. X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 148 Abs. 2 Gewerbsmässiger Betrug. Begriff der Gewerbsmässigkeit (Änderung der Rechtsprechung).
Gewerbsmässigkeit ist bei berufsmässigem Handeln gegeben. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt.
Diese abstrakte Umschreibung, die für alle Straftaten gegen das Vermögen gilt, hat nur Richtlinienfunktion. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich.
Eine quasi nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Auch in diesem Fall kann die erforderliche soziale Gefährlichkeit gegeben sein.
Wesentlich ist, dass der Täter sich darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Ob dies der Fall sei, ist aufgrund der gesamten Umstände zu entscheiden. Dazu gehören die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob in einem konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe mitzuberücksichtigen.
A.-
In der Zeit von Anfang 1987 bis April 1988 begingen die Eheleute M. und R. X. insgesamt 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil des Möbelgeschäfts Interio AG in einem Deliktsbetrag von total ca. Fr. 5'500.--. Diese Betrüge verübten sie dadurch, dass sie in der Filiale Pratteln die Preisschilder an den Waren, die sie zu kaufen beabsichtigten, gegen Preisschilder mit einem niedrigeren Preis auswechselten, beim Kauf diesen niedrigeren Preis zahlten, einige Tage später die Waren, die sie wieder mit den Original-Preisetiketten versehen hatten, unter irgendeinem Vorwand zu einer Interio-Filiale in Pratteln, Dietlikon ZH, Emmenbrücke LU, Abtwil SG, Morges VD oder in Genf zurückbrachten und sich dafür den höheren Preis gemäss dem Original-Preisschild auszahlen liessen. Zweimal brachten die Eheleute X. die Möbel nicht selber zurück, sondern liessen sie, im Sommer 1987 und im April 1988, durch Bekannte zurückbringen, denen sie für diese Dienste jeweils ca. Fr. 200.-- übergaben. Die Eheleute X. verübten sodann am 2. Mai 1987 und am 1. März 1988 je einen Betrug zum Nachteil der Secura Versicherung und der Europäischen Reise-Versicherungs AG mit einer Deliktssumme von total Fr. 2'786.50. Sie meldeten diesen Versicherungsgesellschaften wahrheitswidrig den angeblichen Diebstahl von Waren, den sie zuvor der Polizei wider besseres Wissen angezeigt hatten. Von der Secura Versicherung erhielten sie den ganzen angeblichen Schaden von Fr. 230.-- ersetzt; von der Europäischen Reise-Versicherung AG, der sie eine Schadenssumme von Fr. 6'805.50 angegeben hatten, erhielten sie den Betrag von Fr. 2'556.50.
BGE 116 IV 319 S. 322
B.-
Am 13. Januar 1989 verurteilte das Strafgericht Basel-Land M. und R. X. wegen wiederholten und fortgesetzten vollendeten sowie wegen versuchten Betrugs, wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung und wegen wiederholter Irreführung der Rechtspflege zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von sechs Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf Appellation der Staatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft am 22. August 1989 den erstinstanzlichen Entscheid.
C.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung der Angeklagten wegen gewerbsmässigen Betrugs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.-
M. und R. X. beantragen Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Die 1. Instanz verneinte die Gewerbsmässigkeit im wesentlichen mit der Begründung, dass die Bereitschaft, um des Verdienstes willen unbestimmt viele Opfer zu schädigen, nicht erstellt sei; die Beschwerdegegner hätten nur die drei Firmen Interio AG (wobei sie allerdings sechs Filialen heimsuchten), Secura Versicherung und Europäische Reise-Versicherungs AG geschädigt und es könne ihnen auch nicht unterstellt werden, dass sie ohne die am 2. Mai 1988 erfolgte Anhaltung ihr deliktisches Tätigkeitsfeld ausgeweitet hätten. Die 1. Instanz vertrat im weiteren die Auffassung, dass auch die Deliktssumme von total rund Fr. 8'300.-- und der angesichts der Spesen für die Autofahrten erheblich geringere Reingewinn eher gegen eine gewerbsmässige Aktivität sprächen. Nach Meinung der 1. Instanz legt das in
Art. 148 Abs. 2 StGB
statuierte hohe Strafminimum von einem Jahr Zuchthaus eine enge Fassung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit nahe.
b) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil lässt sich "das im Vergleich zum Grundtatbestand sehr hohe Mindeststrafmass von 1 Jahr Zuchthaus für den gewerbsmässigen Betrug ... nur dadurch erklären, dass der Gesetzgeber der aus einer asozialen Grundhaltung entspringenden sozialen Gefährlichkeit des Täters begegnen wollte". Das Obergericht verweist in diesem
BGE 116 IV 319 S. 323
Zusammenhang unter anderem auf
BGE 88 IV 61
(betreffend qualifizierten Diebstahl), in dem ebenfalls davon ausgegangen werde, dass die besondere Gefährlichkeit des gewerbsmässigen Vorgehens in einer "asozialen Grundhaltung und sittlichen Hemmungslosigkeit" des Täters begründet sei, aufgrund welcher befürchtet werden müsse, "er werde auch bei andern Gelegenheiten vor gleichen oder ähnlichen Handlungen nicht zurückschrecken". Entscheidend für die Antwort auf die Frage nach der Gewerbsmässigkeit ist nach Meinung des Obergerichts daher, ob beim Täter "eben diese asoziale Grundhaltung und sittliche Hemmungslosigkeit" vorliege. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid darf diese asoziale Grundhaltung, die auch in verschiedenen Bundesgerichtsentscheiden erwähnt werde, nicht einfach der Bereitschaft des Täters, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, gleichgestellt werden; diese Bereitschaft könne zwar eine asoziale Grundhaltung anzeigen, lasse aber nicht den zwingenden Schluss auf eine solche zu. Die erforderliche asoziale Grundhaltung bedarf nach Meinung des Obergerichts einer besonderen Begründung in Würdigung der in der Person des Täters liegenden Umstände. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid begründet die nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Bejahung der Gewerbsmässigkeit unter anderem erforderliche Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, mithin nur dann die Gewerbsmässigkeit, wenn diese Bereitschaft auf einer asozialen Grundhaltung des Täters beruht, nicht aber dann, wenn die Bereitschaft durch andere Umstände, etwa jugendliches Alter und Unüberlegtheit, finanzielle Notlage usw. hervorgerufen oder begünstigt wird und sich daher eine Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht rechtfertige. Das Obergericht führt zudem aus, dass die Bereitschaft des Täters, gegen unbestimmt viele zu handeln, als solche kein taugliches Kriterium für die Abgrenzung des gewerbsmässigen Handelns vom wiederholten oder fortgesetzten Handeln bilde; denn bei einem Täter, der die Tat bereits wiederholt begangen hat, werde in den meisten Fällen faktisch allein schon daraus auf die Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, geschlossen, und werde ein solcher Schluss nur bei Vorliegen ungewöhnlicher Umstände ausnahmsweise nicht gezogen. Auch aus diesem Grunde kann nach Meinung der Vorinstanz nur die einer asozialen Grundhaltung entspringende Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, Gewerbsmässigkeit begründen.
BGE 116 IV 319 S. 324
Das Obergericht hält fest, dass die Beschwerdegegner durch die Aufnahme eines Kleinkredits und den Wegfall des Einkommens der Beschwerdegegnerin 2 zufolge Schwangerschaft unter einen erheblichen finanziellen Druck geraten seien und dass sie sich vor allem angesichts dieser finanziellen Notlage, aber auch aufgrund ihres jugendlichen Alters (sie sind in den Jahren 1964 bzw. 1965 geboren) und ihrer Unüberlegtheit zu den Delikten entschlossen hätten. Es kommt in Würdigung dieser Umstände zum Schluss, dass bei den Beschwerdegegnern keine die hohe Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus rechtfertigende asoziale Grundhaltung vorliege und ihr Vorgehen daher nicht als gewerbsmässig im Sinne von
Art. 148 Abs. 2 StGB
qualifiziert werden könne.
c) Die Staatsanwaltschaft macht unter Berufung auf die auch im angefochtenen Urteil zitierten
BGE 71 IV 115
,
BGE 72 IV 110
und
BGE 86 IV 10
geltend, dass die Gewerbsmässigkeit entgegen der Meinung des Obergerichts nicht eine (subjektive) asoziale Grundhaltung, sondern eine (objektive) soziale Gefährlichkeit voraussetze. Sie beruft sich auf
BGE 74 IV 142
(betreffend Inverkehrbringen gefälschter Waren), wonach es nicht darauf ankommt, "ob der Täter aus Not oder aus Gewinnsucht das Vergehen zum Gewerbe mache". Sie verweist auf TRECHSEL, der festhält (Kurzkommentar,
Art. 148 StGB
N 30), dass nach der bundesgerichtlichen Praxis "nicht so sehr die besonders verwerfliche Gesinnung des Täters ... als vielmehr die besondere soziale Gefährlichkeit des Täters, von dem eine unbestimmte Vielzahl von Delikten droht", den Qualifikationsgrund ausmacht.
Die Staatsanwaltschaft legt dar, dass vorliegend sämtliche Elemente der Gewerbsmässigkeit nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfüllt seien. Sie hält fest, dass die Beschwerdegegner innerhalb von 16 Monaten 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil der Interio AG und je einen Betrug zum Nachteil von zwei Versicherungsgesellschaften verübt und damit eindeutig wiederholt gehandelt hätten. Sie weist darauf hin, die Beschwerdegegner hätten sich durch diese quasi "nebenberuflich" verübten Taten während des genannten Zeitraums einen monatlichen Zusatzverdienst von mindestens Fr. 300.--, im Durchschnitt von über Fr. 500.-- verschafft und damit in der Absicht gehandelt, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen. Die Staatsanwaltschaft führt weiter aus, dass auch die Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, gegeben sei. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf
BGE 94 IV 21
,
BGE 116 IV 319 S. 325
wonach diese Bereitschaft auch bestehen kann, "wenn der Täter sich ausschliesslich gegen die gleiche Person vergangen hat", vorausgesetzt nur, "dass nicht aus besonderen Gründen geschlossen werden muss, der Täter habe sich nur gerade gegen diese eine Person vergehen wollen und er wäre gegenüber andern Personen, selbst wenn sich ihm eine passende Gelegenheit geboten hätte, untätig geblieben". Die Staatsanwaltschaft hält dazu fest, dass die Beschwerdegegner zwar zur Hauptsache gegenüber der Interio AG aktiv geworden seien, weil dort ihr System einwandfrei funktioniert habe, dass sie aber die Bereitschaft, auch gegen andere vorzugehen, durch die beiden Versicherungsbetrüge zum Nachteil von zwei Versicherungsgesellschaften eindrücklich demonstriert hätten. Die Staatsanwaltschaft zieht sinngemäss aus der Dauer der deliktischen Tätigkeit, der Zahl der Einzeltaten und ihrer Regelmässigkeit den Schluss, dass die Beschwerdegegner ihre Deliktsserie in der Zukunft fortgesetzt hätten, wenn sie nicht am 2. Mai 1988 angehalten worden wären, nachdem sie die letzte Tat zum Nachteil der Interio AG im April 1988 verübt hatten. Die Staatsanwaltschaft hält fest, dass Gewerbsmässigkeit auch dann gegeben sei, wenn man davon ausgehe, dass die Beschwerdegegner in der Zukunft lediglich gegen die Interio AG nach bewährtem System weiter delinquiert hätten; sie verweist auf
BGE 115 IV 34
, wo das Bundesgericht in Präzisierung seiner Praxis die bisher geforderte "Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln", der "Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen zu handeln", gleichgesetzt habe.
2.
Betrug wird gemäss
Art. 148 Abs. 1 StGB
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis (von mindestens drei Tagen,
Art. 36 StGB
) bestraft. Nach
Art. 148 Abs. 2 StGB
wird der Betrüger mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig betreibt. Die Mindeststrafe beträgt in diesem Fall mithin ein Jahr Zuchthaus (
Art. 35 StGB
).
Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt gewerbsmässig, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen (oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit) zu handeln, die Tat wiederholt verübt (
BGE 110 IV 31
E. 2,
BGE 107 IV 82
E. 3a, 174 E. 2,
BGE 99 IV 88
E. 7,
BGE 94 IV 21
E. 1 und andere mehr). Das Bundesgericht hat in
BGE 115 IV 34
, der Kreditkartenbetrüge betraf, in Präzisierung dieser Rechtsprechung erkannt, dass nicht auf die Anzahl der Geschädigten oder Getäuschten abzustellen, sondern
BGE 116 IV 319 S. 326
vielmehr die Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen zu handeln, entscheidend sei.
a) Die bundesgerichtliche Definition der Gewerbsmässigkeit gemäss der ständigen Rechtsprechung stösst in der herrschenden Lehre seit langer Zeit auf Kritik (HALTER, ZStrR 62/1947, S. 350 ff.; MOPPERT, SJZ 65/1969, S. 172; SCHULTZ, ZStrR 78/1962, S. 10 ff.; derselbe, ZBJV 105/1969, S. 402; derselbe, ZStrR 88/1972, S. 11 f.; STRATENWERTH, Festgabe Schultz, ZStrR 94/1977, S. 88 ff.; REHBERG, Strafrecht III, 5. Auflage, S. 75; NOLL, Strafrecht Besonderer Teil, S. 140 und 206 f.; CHRISTIAN-NILS ROBERT, SJK Nr. 77 (1981); PHILIPPE GRAVEN, SJK Nr. 822 (1974), S. 4; SCHUBARTH, Kommentar zum Strafgesetzbuch,
Art. 119 N 26
ff.; neuerdings eingehend BEAT ANDREAS SCHNELL, Der gewerbsmässige Betrug (
Art. 148 Abs. 2 StGB
), Diss. Bern 1989, insbes. S. 63 ff.). Sie ist auch in der kantonalen Praxis immer wieder auf Widerstand gestossen und nicht befolgt worden (vgl. die Nachweise bei STRATENWERTH, op.cit., S. 88; TRECHSEL, Kurzkommentar,
Art. 148 StGB
N 34; STAUB, ZStrR 103/1986, S. 322 Fn. 5). Diese Kritik wird unter anderem mit dem Hinweis darauf begründet, dass das StGB bei verschiedenen Straftaten für den durch die Gewerbsmässigkeit qualifizierten Tatbestand eine vergleichsweise hohe Mindeststrafe von beispielsweise einem Jahr Zuchthaus (so etwa in Art. 144 Abs. 3 und 148 Abs. 2 StGB) oder gar von drei Jahren Zuchthaus (so in
Art. 119 Ziff. 3 StGB
) androht, die zudem wesentlich höher ist als die für die entsprechenden Grundtatbestände angedrohte Mindeststrafe von drei Tagen Gefängnis (Art. 144 Abs. 1, 148 Abs. 1, 119 Ziff. 1 StGB).
b) Das Bundesgericht hat in einem nicht publizierten Urteil vom 27. März 1990 in Sachen G. c. ZH eingeräumt, dass es wohl Fälle geben mag, die bei formaler Betrachtungsweise von der bundesgerichtlichen Definition der Gewerbsmässigkeit erfasst werden, bei denen aber eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wie sie das StGB etwa für gewerbsmässigen Betrug androht, als stossend erscheint. Schon im nicht publizierten Urteil vom 4. Juni 1984 in Sachen G. c. ZH hat es unter Hinweis auf verschiedene Autoren anerkannt, dass die weit gefasste Umschreibung der Gewerbsmässigkeit, wie sie in der Praxis entwickelt worden ist, bei den Strafnormen, welche für gewerbsmässige Begehung eine Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus androhen, zu Härtefällen führen kann. Es hat offengelassen, ob der durch solche Härtefälle ausgelösten Kritik durch eine andere Definition des Begriffs der
BGE 116 IV 319 S. 327
Gewerbsmässigkeit oder eher durch eine vom Gesetzgeber vorzunehmende Reduktion der betreffenden Strafdrohungen Rechnung zu tragen sei.
c) Der Gesetzgeber hat schon verschiedentlich der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Gewerbsmässigkeit Rechnung getragen. Die Erhöhung der noch bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen von maximal einem Jahr (Gefängnis) auf höchstens 18 Monate (Gefängnis oder Zuchthaus) durch Bundesgesetz vom 18. März 1971 wurde nicht zuletzt auch damit begründet, dass auch die sogenannten "kleinen Fische", die wegen gewerbsmässigen Betrugs zu einer Zuchthausstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden müssen, noch in den Genuss des bedingten Strafvollzugs kommen können sollen (Amtl.Bull. NR 1969 S. 106 f., Voten Gerwig und Schmid, 1970 S. 523, Votum Gerwig; SR 1970 S. 431 f., Votum Hofmann), wobei die Votanten den von ihnen kritisierten Missstand allerdings nicht ausdrücklich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Gewerbsmässigkeit zurückführten. Durch Bundesgesetz vom 9. Oktober 1981 (betreffend Gewaltverbrechen) hat der Gesetzgeber unter anderem die Regelung bezüglich des qualifizierten Diebstahls dergestalt geändert, dass das gewerbsmässige Stehlen nicht mehr als ein Beispiel der Offenbarung von besonderer Gefährlichkeit des Täters aufgeführt, sondern in einem selbständigen Absatz (1bis) geordnet wird, wobei die Mindeststrafe für gewerbsmässigen Diebstahl bei drei Monaten Gefängnis belassen, während sie für die übrigen Fälle des qualifizierten Diebstahls von drei Monaten auf sechs Monate Gefängnis erhöht worden ist. In den Eidgenössischen Räten wurde dazu unter anderem festgehalten, dass nach der Bundesgerichtspraxis sehr rasch Gewerbsmässigkeit angenommen werde und dass man den kleinen gewerbsmässigen Dieb nicht stärker anpacken möchte, als dies schon heute der Fall sei (Amtl.Bull. NR 1980, Votum Frau Blunschy; SR 1981, Votum Binder). Gemäss
Art. 19 Ziff. 2 BetmG
liegt ein schwerer Fall des Betäubungsmittelhandels unter anderem dann vor, wenn der Täter "durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt". Diese Erfordernisse der Erzielung eines grossen Umsatzes oder eines erheblichen Gewinns sind aufgestellt worden, damit nicht "kleine Fische" als gewerbsmässige Täter der qualifizierten Bestrafung unterliegen (
BGE 106 IV 234
E. 7c mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien). Ebenso liegt nach
Art. 305bis Ziff. 2 StGB
betreffend Geldwäscherei ein schwerer
BGE 116 IV 319 S. 328
Fall unter anderem dann vor, wenn der Täter "durch gewerbsmässige Geldwäscherei einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt".
Im Bericht des EJPD zum Vorentwurf über die Änderung des StGB und des Militärstrafgesetzes betreffend die strafbaren Handlungen gegen das Vermögen und die Urkundenfälschung wird festgehalten, dass die bundesgerichtliche Umschreibung der Gewerbsmässigkeit bei der Expertenkommission Bedenken erweckt. Dabei ist der Kommission laut Bericht nicht entgangen, dass die Auslegung dieses Begriffs, insbesondere als Voraussetzung der hohen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus für qualifizierten Betrug im Sinne von
Art. 148 Abs. 2 StGB
, nicht einfach ist. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht es in
BGE 99 IV 88
abgelehnt habe, den Begriff der Gewerbsmässigkeit auf planmässiges oder organisiertes, einem wirklichen Gewerbe ähnliches, berufsmässiges Verhalten zu begrenzen. Die Expertenkommission hat dennoch davon abgesehen, eine gesetzliche Definition der Gewerbsmässigkeit vorzuschlagen oder diesen Qualifikationsgrund zu streichen. Sie ist der Auffassung, dass das Problem der Auseinandersetzung von Wissenschaft und Praxis zu überlassen sei. Die Kommission schlägt zwecks Milderung der heute bestehenden Härten vor, die Mindeststrafe für gewerbsmässigen Betrug (Art. 146 Abs. 2 VE) auf drei Monate Gefängnis herabzusetzen und die Busse fallenzulassen (vgl. zum ganzen Bericht des EJPD S. 19). Im Bericht und Vorentwurf zur Revision des Allgemeinen Teils und des Dritten Buches des Schweizerischen Strafgesetzbuchs verweist SCHULTZ auf die von STRATENWERTH (op.cit., S. 105) vorgeschlagene Umschreibung, wonach gewerbsmässig handelt, wer das strafbare Verhalten "zum Gewerbe macht" und "durch eben diesen Umstand in der Delinquenz festgehalten" wird. Diese Umschreibung würde gemäss SCHULTZ zur Formel führen, dass gewerbsmässig handelt, wer die strafbare Tätigkeit zu seinem Gewerbe macht und dadurch veranlasst wird, weiter zu delinquieren (Bericht und Vorentwurf S. 241). SCHULTZ hält fest, dass die von STRATENWERTH gefundene Formulierung sachlich volle Zustimmung verdient, "doch scheint sie sich ... nicht zur Aufnahme in das Gesetz zu eignen, weil sie scheinbar tautologisch klingt und der Auslegung bedarf" (Bericht und Vorentwurf S. 241). Im Vorentwurf SCHULTZ wird daher auf eine Definition der Gewerbsmässigkeit im Allgemeinen Teil des StGB verzichtet.
BGE 116 IV 319 S. 329
3.
a) Die Definition der Gewerbsmässigkeit gemäss der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann nicht aufrechterhalten werden. Sie ist vor allem deshalb aufzugeben, weil darunter auch Handlungen fallen können, für welche die in verschiedenen Bestimmungen des StGB für gewerbsmässiges Handeln angedrohte Mindeststrafe - etwa von einem Jahr Zuchthaus gemäss Art. 144 Abs. 3, 148 Abs. 2, 156 Ziff. 2, 157 Ziff. 2 StGB - unverhältnismässig ist. Es kommt hinzu, dass die neu in
Art. 19 Ziff. 2 BetmG
und
Art. 305bis Ziff. 2 StGB
durch den Gesetzgeber aufgenommenen Qualifizierungsgründe (vgl. dazu oben E. 2c) auf eine Absage an die Gewerbsmässigkeitsdefinition des Bundesgerichts hinauslaufen. Durch eine restriktive Auslegung dieser Definition - etwa der Merkmale der "wiederholten" Verübung der Tat, des "Erwerbseinkommens", der "Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen bzw. in unbestimmt vielen Fällen zu handeln" - könnten zwar Härten teilweise vermieden werden. Zweckmässiger ist die Aufgabe der bisherigen Definition.
b) Die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit in einer vergleichsweise knappen, abstrakten Formel ist schwierig. Sie kann letztlich nur eine Richtlinienfunktion haben. Gewerbsmässigkeit kann, wie bis anhin (vgl. schon
BGE 70 IV 16
), nur dann gegeben sein, wenn erstens der Täter die Tat bereits mehrfach begangen hat; dieses Erfordernis dürfte sich schon aus dem Wortlaut von
Art. 148 Abs. 2 StGB
ergeben, in dem vom Täter die Rede ist, der den Betrug gewerbsmässig "betreibt". Sodann ist nach wie vor erforderlich, dass der Täter zweitens in der Absicht handelt, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, und dass drittens aufgrund seiner Taten geschlossen werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter den fraglichen Tatbestand fallenden Handlungen bereit gewesen. Entscheidend und schwierig sind aber die Antworten auf die Fragen, welches Ausmass und welchen Umfang die bereits verübten und die künftigen Taten sowie das bereits erzielte und das angestrebte Einkommen haben müssen und aus welchen Umständen auf die Bereitschaft zu weiteren gleichartigen Delikten geschlossen werden darf. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob im konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, stets auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe zu berücksichtigen. Denn bei der Auslegung von Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen (vgl. GERMANN, ZStrR 54/1940, S. 345 ff., derselbe, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch,
Art. 1 N 9.2
;
BGE 106 IV 25
). Dafür spricht bereits der Grundsatz
BGE 116 IV 319 S. 330
der Verhältnismässigkeit, dem gerade auch im Strafrecht eine grosse Bedeutung zukommt, und das Schuldprinzip. Gewerbsmässigkeit darf daher nur bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, zu denen insbesondere auch der Deliktsbetrag gehört, die Ausfällung der im Gesetz angedrohten Mindeststrafe - bei gewerbsmässigem Betrug ein Jahr Zuchthaus - gerechtfertigt erscheint. Zu beachten ist überdies, dass der Richter auch im Rahmen des Grundtatbestandes eine Strafe von beispielsweise über einem Jahr aussprechen kann, wenn Unrechts- und Schuldgehalt der Tat dies erfordern.
c) Es fällt auf, dass sich das Problem der Gewerbsmässigkeit bis heute kaum je bei Fällen aus der französischen und aus der italienischen Schweiz gestellt hat. Der Grund hiefür liegt offenbar darin, dass die entsprechenden Formulierungen in den romanischen Gesetzestexten "fait métier" bzw. "fa mestiere" wesentlich plastischer zum Ausdruck bringen, was mit Gewerbsmässigkeit gemeint ist. Die Qualifikation liegt im "berufsmässigen" Handeln. So werden im Kanton Genf beispielsweise wegen gewerbsmässigen Betrugs Täter verfolgt, die unter falschen Angaben gegenüber vielen Personen in grossem Stil Sammlungen organisieren, und werden wegen gewerbsmässigen Diebstahls Einbrecher verfolgt, die, gut organisiert, ganze Quartiere systematisch heimsuchen, oder Taschendiebe, die mit grossem Geschick ihrem Metier nachgehen und von den dabei erzielten Einkünften leben.
4.
Im Begriff des berufsmässigen Handelns liegt der Ansatzpunkt für die neue Umschreibung der Gewerbsmässigkeit.
Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt.
a) Diese abstrakte Umschreibung gilt für das gesamte Vermögensstrafrecht. Sie kann aber, wie gesagt (siehe vorn E. 3b), insoweit nur Richtlinienfunktion haben. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten - z.B. ein Jahr Zuchthaus für gewerbsmässigen Betrug, drei Monate Gefängnis für gewerbsmässigen Diebstahl - nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Es liegt nämlich auf der Hand,
BGE 116 IV 319 S. 331
dass je nach dem konkreten Tatvorgehen ein mehr oder weniger grosser Aufwand an Zeit und Mitteln zur Erzielung der angestrebten Einkünfte erforderlich ist. Kriterien wie "Planmässigkeit", "Organisation" etc., die in der Literatur als Definitionsmerkmale vorgeschlagen werden, können im Einzelfall ein Indiz für Gewerbsmässigkeit sein. Das Kriterium der "Organisation" weist allerdings, soweit damit das sogenannte "organisierte Verbrechen" unter Einbeziehung mehrerer Täter gemeint ist, eher auf Bandenmässigkeit hin. Zwar ist das sogenannte "organisierte Verbrechen" in der Regel ein typischer Fall des gewerbsmässigen bzw. berufsmässigen Verbrechens; doch kann auch der Einzeltäter gewerbsmässig handeln. Entscheidend ist, ob die deliktische Tätigkeit aufgrund der gesamten Umstände als berufsmässige erscheint.
b) Es ist sodann entgegen der von verschiedenen Autoren vertretenen Auffassung nicht erforderlich, dass der Täter die deliktische Tätigkeit gewissermassen "hauptberuflich" oder etwa im Rahmen seines legalen Berufes oder Gewerbes betreibt; eine quasi "nebenberufliche" deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Zwar ist nicht zu übersehen, dass die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des gewerbsmässigen vom nicht gewerbsmässigen Handeln gerade auch durch den Einbezug der "nebenberuflichen" deliktischen Tätigkeit unter den Begriff der Gewerbsmässigkeit entstehen, da es in diesem Fall zu bestimmen gilt, in welchem Verhältnis die deliktische zur nicht deliktischen Tätigkeit etwa in bezug auf den Zeitaufwand und insbesondere den Umfang des Einkommens stehen muss, damit noch von Gewerbsmässigkeit gesprochen werden kann. Es könnte sodann an sich genügen, die bloss, aber immerhin "nebenberufliche" deliktische Tätigkeit innerhalb des für den Grundtatbestand festgelegten Strafrahmens (bei Art. 144, 148, 156, 157 StGB: drei Tage Gefängnis bis fünf Jahre Zuchthaus), der bei Annahme wiederholter Tatverübung sich gemäss
Art. 68 StGB
um die Hälfte (auf 7 1/2 Jahre Zuchthaus) erweitert, straferhöhend zu berücksichtigen. Entscheidend ist aber, dass die besondere soziale Gefährlichkeit des Täters, welche dessen Unterstellung unter den Strafrahmen für den qualifizierten Tatbestand rechtfertigt, weniger davon abhängt, ob der Täter hauptberuflich oder nebenberuflich delinquiert, als vielmehr davon, aus welchen Gründen bzw. mit welcher Zielsetzung er die Straftaten verübt. So kann ein nebenberuflich delinquierender Täter bei hoher Zielsetzung mehr kriminelle Energie entwickeln und daher sozial gefährlicher sein als ein hauptberuflich
BGE 116 IV 319 S. 332
delinquierender Täter mit vergleichsweise bescheidenen Ansprüchen. Wesentlich ist nach der insoweit zutreffenden Auffassung von STRATENWERTH (op.cit., S. 105), dass der Täter "in der Delinquenz festgehalten" wird. Dies kann aber, je nach den Zielen des Täters und weiteren Umständen, auch bei nebenberuflicher deliktischer Tätigkeit der Fall sein. Der Verzicht auf eine nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann, je nach den Umständen, schwerer fallen als die Aufgabe einer hauptberuflichen deliktischen Tätigkeit.
c) Wesentlich für die Annahme von Gewerbsmässigkeit ist, dass der Täter durch die deliktischen Handlungen relativ regelmässige Einnahmen erzielt und anstrebt, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Gerade wenn der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden muss, "sich darauf eingerichtet hat", durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen, ist die soziale Gefährlichkeit gegeben. Dabei kann Gewerbsmässigkeit aber auch vorliegen, wenn sich der Täter vorgenommen hat, nur beispielsweise bis zur Erreichung eines bestimmten, aber doch relativ hochgesteckten finanziellen Ziels und somit lediglich für eine gewisse, aber immerhin längere Zeit gleichartige Straftaten zu verüben.
Ob sich der Täter auf deliktische Tätigkeit eingerichtet hat, ist aufgrund der Umstände zu entscheiden. Auf die Bereitschaft zu deliktischer Tätigkeit in der Zukunft darf indessen nicht allein aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Täter die unter den fraglichen Tatbestand fallende Tat schon wiederholt bzw. mehrfach verübt hat; denn in diesem Fall wäre die Unterscheidung zwischen gewerbsmässigem Handeln einerseits und fortgesetztem oder wiederholtem Handeln anderseits faktisch aufgehoben. Hingegen sind aber die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, teilweise auch die Dauer der deliktischen Tätigkeit, relevante Umstände im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob sich der Täter darauf eingerichtet hat, durch Einkünfte aus deliktischer Tätigkeit einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung zu erzielen. Zu den insoweit relevanten Umständen können auch die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. gehören. Bei diesen Umständen handelt es sich
BGE 116 IV 319 S. 333
indessen nicht um notwendige Voraussetzungen für die Annahme von Gewerbsmässigkeit, sondern lediglich um Kriterien, die als Entscheidungshilfen dienen können im Rahmen der Beantwortung der wesentlichen Frage, ob der Täter sich auf deliktische Tätigkeit eingerichtet hat.
Nicht erforderlich ist, hinsichtlich der bereits verübten Taten etwa in bezug auf deren Häufigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder in bezug auf den Deliktsbetrag oder bezüglich des Anteils der durch die Delikte erzielten Einnahmen am Gesamteinkommen Zahlen und Ziffern festzulegen. Die Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums hängt ja unter anderem auch von der Höhe der durch die einzelnen Taten erzielten Einkünfte sowie etwa davon ab, ob für die einzelne Tat eine mehr oder weniger umfangreiche Planung und Vorbereitung erforderlich ist. Der Sachrichter wird bei der Entscheidung der Frage, ob gewerbsmässiges Handeln gegeben sei oder nicht, stets die im zu würdigenden Tatbestand für gewerbsmässiges Handeln angedrohte Mindeststrafe beachten (vgl. oben E. 3b). Da die Umschreibung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit zwangsläufig vage ist und daher, wie erwähnt, nur eine Richtlinienfunktion haben kann, wird der Sachrichter die Gewerbsmässigkeit verneinen, wenn die eingeklagten Taten unter den gegebenen Umständen zwar bei formaler Betrachtungsweise unter die Umschreibung des Begriffs fallen, die angedrohte Strafe aber im konkreten Fall, insbesondere angesichts des Deliktsbetrages, unter Berücksichtigung der für den Grundtatbestand angedrohten Mindeststrafe als zu hoch erscheint, weil der Fall nicht schwer genug wiegt. Daher können etwa beim gewerbsmässigen Diebstahl angesichts der im Vergleich zu andern gewerbsmässigen Straftaten gegen das Eigentum und das Vermögen vergleichsweise niedrigen Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis weniger hohe Anforderungen an die Gewerbsmässigkeit gestellt werden als etwa bei Hehlerei, Betrug, Erpressung und Wucher.
d) Die asoziale Grundhaltung des Täters ist nicht eine selbständige Voraussetzung der Gewerbsmässigkeit. Die asoziale Grundhaltung bzw. die soziale Entfremdung kann allenfalls für die Frage von Bedeutung sein, ob an Stelle des Strafvollzugs eine Massnahme anzuordnen sei. Auch der Täter, der sich in einer Notlage, etwa weil er (teil)arbeitslos geworden ist, darauf einrichtet, fortan bis zum ungewissen bzw. unbestimmten Ende dieser Notlage durch Einkünfte aus deliktischer Tätigkeit einen namhaften Beitrag an
BGE 116 IV 319 S. 334
die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung zu erzielen, kann gewerbsmässig handeln.
5.
Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist im vorliegenden Fall die Gewerbsmässigkeit im Sinne von
Art. 148 Abs. 2 StGB
nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen zu verneinen.
Die Beschwerdegegner begingen innerhalb von 16 Monaten 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil der Interio AG und je einen Versicherungsbetrug zum Nachteil der Secura Versicherung und der Europäischen Reise-Versicherungs AG. Die Häufigkeit der gleichartigen Straftaten innerhalb eines bestimmten Zeitraums spricht für die Annahme von Gewerbsmässigkeit. Die Beschwerdegegner begannen mit diesen Straftaten, weil die Beschwerdegegnerin 2 wegen Schwangerschaft ihre Erwerbstätigkeit aufgeben musste und das Einkommen des Beschwerdegegners 1 allein zur Tilgung der Kleinkreditschulden und zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichte. Das spricht nicht gegen Gewerbsmässigkeit. Der Umstand, dass die Beschwerdegegner im wesentlichen stets gegen die gleiche Unternehmung, die Interio AG, vorgingen, spricht ebenfalls nicht notwendigerweise gegen die Annahme von Gewerbsmässigkeit. Gewerbsmässig kann auch der Täter handeln, der stets gegen die gleiche, grosse Unternehmung vorgeht, etwa weil er mit deren Strukturen vertraut ist und sich das von ihm angewandte System insoweit bewährt hat (vgl. etwa den
BGE 115 IV 34
ff. zugrunde liegenden Sachverhalt: organisierter Missbrauch von Kreditkarten). Das Vorgehen der Beschwerdegegner gegen die Interio AG beruhte auf einem gewissen System, erforderte eine gewisse Organisation, die Aufwendung von Zeit (Reisen in verschiedene Filialen der Interio AG) und den Einsatz von Mitteln (Kauf der Waren, die dann wieder zurückgebracht werden sollten). Das Tatvorgehen war insoweit aber ziemlich umständlich, auch wenn in zwei Fällen zur Rückgabe der gekauften Möbel Drittpersonen eingesetzt werden konnten, und es war wenig ergiebig, erst recht, wenn die eingesetzten Drittpersonen für ihre Dienste belohnt werden mussten. Es ist zweifelhaft, ob diese Umstände den Schluss zulassen, dass sich die Beschwerdegegner für längere Zeit auf eine betrügerische Tätigkeit eingerichtet hatten; wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass unter Mitberücksichtigung der beiden Versicherungsbetrüge der Deliktsbetrag total lediglich rund Fr. 8'300.-- ausmacht und dass die beiden Beschwerdegegner somit im Verlauf von
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16 Monaten lediglich Bruttoeinnahmen von durchschnittlich etwas über Fr. 250.-- pro Kopf und Monat erzielten. Diese Beträge sind sowohl absolut als auch relativ, d.h. als Beitrag an die Kosten zur Finanzierung der Lebensgestaltung, derart niedrig, dass angesichts der in
Art. 148 Abs. 2 StGB
angedrohten Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht Gewerbsmässigkeit im Sinne dieser Bestimmung angenommen werden darf. Die Beschwerdegegner manifestierten durch die ihnen zur Last gelegten Taten nicht jenes Mass an krimineller Energie einerseits und sozialer Gefährlichkeit anderseits, wie sie einem gewerbsmässigen Betrüger eigen sind.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen.