Urteilskopf
121 I 65
9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. März 1995 i.S. A.N. und Geschwister N. gegen Ehegatten S., Einwohnergemeinde Gempen, Bau-Departement und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Art. 22ter BV
;
Art. 19 und 20 RPG
;
Art. 4 ff. WEG
; Sicherstellung einer hinreichenden Zufahrt; Pflicht des Grundeigentümers, einem Nachbarn dienende Erschliessungsanlagen auf seinem Land zu dulden ("öffentlichrechtliches Notwegrecht",
§ 104 PBG
SO).
Hinreichende Zufahrt gemäss
Art. 19 Abs. 1 RPG
; Land entlang einer öffentlichen Strasse, welches ausserhalb einer Hausbaulinie liegt und im Zonenplan gleich wie das Strassenareal behandelt wird (keine Nutzungszone), kann für die Errichtung von Hauszufahrten beansprucht werden (E. 3).
Flächen für Erschliessungsanlagen sind primär mit planerischen Mitteln sicherzustellen (E. 4). Können die für eine hinreichende Zufahrt notwendigen Wegrechte nicht auf vertraglicher Basis erworben werden, ist nach
Art. 20 RPG
und
Art. 4 ff. WEG
(SR 843) vorzugehen; eine "Wegnot" (im Sinne von
§ 104 PBG
SO) liegt erst vor, wenn die Voraussetzungen für die Einleitung von Parzellarordnungsmassnahmen nicht gegeben sind (E. 5a und b).
Mit der Anordnung, ein öffentlichrechtliches Notwegrecht zu dulden, sind alle weiteren damit verbundenen Rechte und Pflichten (z.B. der Wegunterhalt) zu regeln (E. 5c).
Die Geschwister N. sind Eigentümer der mit einem älteren Wohnhaus und einem Stall überbauten, an der Hauptstrasse liegenden Parzelle Nr. 1495 in der Gemeinde Gempen; A.N. hat an der Liegenschaft ein Wohnrecht. An den Stall angebaut ist ein Wohnhaus, welches auf der benachbarten Parzelle Nr. 1496 liegt. Dieses Grundstück stösst nicht direkt an die Hauptstrasse an. Dazwischen liegt ein kleiner Ausläufer der Parzelle Nr. 1495 sowie ein weiteres, hier nicht interessierendes Grundstück. Die Zufahrt zu beiden Wohnhäusern erfolgt ab der Hauptstrasse (Kantonsstrasse 3. Klasse) über einen in den Katasterplänen eingezeichneten Weg, der zunächst auf der Parzelle Nr. 1495 und alsdann je hälftig auf den beiden benachbarten Grundstücken zum Stallgebäude hin verläuft. Ein Wegrecht zu Gunsten der Parzelle Nr. 1496 und zu Lasten des Grundstückes Nr. 1495 ist im Grundbuch jedoch nicht eingetragen.
BGE 121 I 65 S. 67
Das Grundstück Nr. 1496 ist nach der geltenden Zonenplanung der Gemeinde der Kernzone 1 zugeteilt. Demgegenüber liegt von der Liegenschaft Nr. 1495 im wesentlichen nur das Areal des Wohnhauses und des Stallteiles in der Kernzone 1. Das gesamte Vorgelände zwischen Wohnhaus und Hauptstrasse wird im Zonenplan wie das Strassenareal weiss bezeichnet (keine Nutzungszone). In der Zonenplanung wurde zudem eine Hausbaulinie festgesetzt. Sie fällt im Bereiche der Parzelle Nr. 1496 mit der strassenseitigen Parzellengrenze zusammen. Auf dem Grundstück Nr. 1495 verläuft sie entlang der beiden nach der Strasse hin orientierten Hausfassaden. Das Vorgelände zur Strasse einschliesslich jenes Teiles, auf dem der bestehende Zufahrtsweg liegt, befindet sich ausserhalb der Hausbaulinie. X.S. und Y.S. beabsichtigen, die Parzelle Nr. 1496 mit zwei Mehrfamilienhäusern zu überbauen (unter Abbruch des bestehenden Hauses). Weil die Liegenschaft über keinen direkten Anschluss an die Hauptstrasse verfügt, versuchten sie, von ihren Nachbarn ein Wegrecht zu erwerben. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Auch einem Flächenabtausch zwischen den beiden Parzellen stimmten die Nachbarn nicht zu. Am 18. Dezember 1992 reichten die Ehegatten S. ein Baugesuch für zwei Mehrfamilienhäuser und eine unterirdische Autoeinstellhalle ein. Nach dem Bauprojekt beansprucht die Zufahrt zur Autoeinstellhalle und zum Vorhof der beiden Häuser, wo zwei Besucherparkplätze geplant sind, rund 35-40 m2 Land ab der Parzelle Nr. 1495.
Gegen das Projekt erhoben die Nachbarn Einsprache. Die Baukommission der Einwohnergemeinde Gempen lehnte diese ab und erteilte die Baubewilligung. Sie erwog, für die Erschliessung der Bauparzelle müsse, falls keine Einigung zu erzielen sei, § 104 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 3. Dezember 1978 (PBG; Titel gemäss Revision vom 17. Mai 1992) betreffend die Mitbenützung privater Erschliessungsanlagen bzw. Duldung von fremden Erschliessungsanlagen zur Anwendung kommen. Weiter wurde festgehalten, die Erschliessung des Baugrundstücks solle entsprechend den Bauplänen direkt von der Hauptstrasse her erfolgen; sie müsse noch vor Baubeginn im Grundbuch eingetragen werden. Für die Errichtung der Ein- und Ausfahrt in die Hauptstrasse erteilte das Bau-Departement des Kantons Solothurn die erforderliche strassenrechtliche Bewilligung.
Die Nachbarn fochten die Baubewilligung und den Einspracheentscheid ohne Erfolg beim Bau-Departement an. Es erteilte in Ziffer 3 des Dispositives
BGE 121 I 65 S. 68
den Eigentümern der Bauparzelle gestützt auf
§ 104 PBG
das Recht, eine im Bauplan bezeichnete Fläche auf dem Grundstück Nr. 1495 als Zu- und Wegfahrt zu benützen und die hierzu erforderlichen Vorkehren und Anpassungen (insbesondere Beläge) vorzunehmen. Der Eigentümer des Grundstückes Nr. 1495 wurde verpflichtet, die Mitbenützung zu dulden. Die jeweiligen Rechtsnachfolger sollen in die genannten Rechte und Pflichten eintreten. Eine gegen diesen Entscheid geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn ab. A.N. und die Geschwister N. führen gegen dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat.
Aus den Erwägungen:
3.
a) Die Erteilung einer Baubewilligung setzt voraus, dass das Land erschlossen ist (Art. 22 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700];
§ 139 Abs. 1 lit. c PBG
). Land ist erschlossen, wenn unter anderem eine für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht (
Art. 19 Abs. 1 RPG
;
§ 28 PBG
). Die Grob- und Feinerschliessung muss durchgeführt und die Zufahrt muss spätestens auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der fraglichen Baute rechtlich gesichert sein (
§ 28,
§ 39 Abs. 3 lit. d und
§ 139 Abs. 1 lit. c PBG
). Im übrigen gilt, dass sich die Zufahrt nach den zonengerechten Baumöglichkeiten jener Fläche zu richten hat, die sie erschliessen soll (
BGE 117 Ib 308
E. 4a S. 314;
BGE 116 Ib 159
E. 6b S. 166). Bei der Beurteilung dieser Frage steht den kantonalen und kommunalen Behörden ein erhebliches Ermessen zu.
b) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes ergibt sich aus der geltenden Zonen- und Erschliessungsplanung, dass die in der Kernzone 1 liegenden Grundstücke der ersten Bautiefe, so auch die hier interessierende Bauparzelle, durch die Hauptstrasse (Kantonsstrasse 3. Klasse) erschlossen werden. Diese Feststellung ist nicht willkürlich. Sie beruht einerseits auf der Tatsache, dass die relativ kurzen Zufahrten zu den entlang der Hauptstrasse errichteten Bauten bereits heute direkt auf die Kantonsstrasse führen. Anderseits lässt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichtes auch mit den Festlegungen in der Zonen- und Erschliessungsplanung begründen. Darin wird die Bodenfläche zwischen der strassenseitigen Begrenzung der Kernzone bzw. der Hausbaulinie und dem eigentlichen Strassenareal keiner Nutzungszone zugewiesen, sondern wie das Strassenareal weiss bezeichnet.
BGE 121 I 65 S. 69
Daraus lässt sich ableiten, dass diese nicht für eine Überbauung vorgesehenen Flächen grundsätzlich für die Errichtung von Hausanschlüssen ab der Kantonsstrasse in Anspruch genommen werden können und sollen. Davon geht auch das Bau-Departement in seiner strassenrechtlichen Bewilligung aus. Diese Bewilligung setzt voraus, dass die zweckmässige Erschliessung eines Grundstükkes anders als durch eine direkte Zufahrt auf eine Kantonsstrasse 2. oder 3. Klasse nicht möglich ist (vgl. § 20 Abs. 1 der kantonalen Verordnung über den Strassenverkehr).
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes gehört zu einer hinreichenden Zufahrt nach
Art. 19 Abs. 1 RPG
auch das Verbindungsstück von der öffentlich zugänglichen Strasse zum Baugrundstück (
BGE 116 Ib 159
E. 6b S. 166). Diese Praxis stimmt mit Art. 4 Abs. 2 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) überein, wonach zur Feinerschliessung ebenfalls der Anschluss der einzelnen Liegenschaften an die Hauptstränge der Erschliessungsanlagen gehört. Das Solothurner Recht bezeichnet solche Einrichtungen der Feinerschliessung wie Zufahrtswege oder Hausanschlüsse als private Erschliessungsanlagen (
§ 103 Abs. 1 PBG
). Sie sind nach den Weisungen der Baubehörde durch die Grundeigentümer und Interessenten zu erstellen und zu unterhalten (
§ 103 Abs. 2 PBG
). Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wie vorzugehen ist, wenn für einen Hausanschluss Boden eines Nachbargrundstückes in Anspruch genommen werden muss und der Nachbar nicht bereit ist, die notwendigen Wegrechte einzuräumen.
4.
a) Land für Erschliessungsanlagen ist in erster Linie mit planerischen Mitteln sicherzustellen. Dazu dienen Überbauungsordnungen, Erschliessungs-, Quartier- oder Gestaltungspläne (vgl. die §§ 39 ff. sowie die
§
§ 44 ff. PBG
; Art. 106 ff. des bernischen Baugesetzes vom 9. Juni 1985; §§ 90 ff. und §§ 123 ff. des Zürcher Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975). Soweit notwendig ist dabei der für Erschliessungsanlagen benötigte Boden durch Landumlegungen und Grenzregulierungen bzw. -bereinigungen auszuscheiden (
Art. 7 ff. WEG
;
§
§ 83 ff. und
§ 97 PBG
;
BGE 118 Ib 497
E. 4c S. 502). Solche Parzellarordnungsmassnahmen stehen im Dienste des verfassungsmässigen Auftrages, eine der zweckmässigen Bodennutzung und der geordneten Besiedlung des Landes dienende Raumplanung zu schaffen (ALFRED KUTTLER, Parzellarordnungsmassnahmen im Dienste der Raumplanung, in: Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 523 ff.). Dementsprechend sieht
Art. 20 RPG
vor,
BGE 121 I 65 S. 70
dass Landumlegungen und Grenzregulierungen von Amtes wegen anzuordnen sind, wenn Nutzungspläne dies erfordern (EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, N. 5 f. zu Art. 20). Geht es um Bauland, können diese Verfahren für die Neuordnung sowohl noch unüberbauten als auch bereits überbauten Landes eingeleitet werden (
Art. 8 WEG
und
Art. 10 Abs. 3 WEG
;
BGE 118 Ib 417
E. 3b S. 425; im gleichen Sinne
§ 83 Abs. 2 lit. b und
§ 97 PBG
[Gebietssanierungen]). Andere Erschliessungsmassnahmen wie zum Beispiel solche, die auf privater Vereinbarung der betroffenen Grundeigentümer beruhen, werden damit freilich nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. ALFRED KUTTLER, Erschliessungsrecht und Erschliessungshilfe im Dienste der Raumordnung, ZBl. 75/1974 S. 71 ff.).
b) In Beachtung dieser gesetzlichen Ordnung ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum privatrechtlichen Notweg (
Art. 694 ZGB
) zum Schluss gekommen, einer Wegnot sei primär mit planerischen Instrumenten zu begegnen (
BGE 120 II 185
E. 2c S. 187 f.;
BGE 117 II 35
E. 4b S. 39 f.; vgl. auch
BGE 110 II 17
). Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, in bezug auf öffentlichrechtliche Notwege müsse gleich entschieden werden. Das Verwaltungsgericht bezeichnete die in
§ 104 Abs. 2 PBG
verankerte, von der Baubehörde im Einzelfall angeordnete Pflicht des Grundeigentümers, die einem Dritten dienende und von diesem zu erstellende private Erschliessungsanlage zu dulden, als solchen öffentlichrechtlichen Notweg.
5.
a) aa) Vorab ist festzustellen, dass das Zivilrecht des Bundes den Kantonen nicht verbietet, in ihrer Planungs- und Baugesetzgebung öffentlichrechtliche Notwege vorzusehen (
Art. 702 ZGB
; MEIER-HAYOZ, N. 100 zu
Art. 694 ZGB
; HAAB, N. 26 zu Art. 694/ 695/696 ZGB). Gegenteiliges wird von den Verfahrensbeteiligten auch nicht behauptet.
bb) Es kann auch nicht gesagt werden, für die Einräumung eines öffentlichrechtlichen Notweges bestehe überhaupt kein öffentliches Interesse. Für die in den
§
§ 103 und 104 PBG
vorgesehene Möglichkeit, private Erschliessungsanlagen wie Hausanschlüsse und dergleichen mitbenützen zu können oder solche Anlagen auf seiner eigenen Parzelle dulden zu müssen, gibt es gute Gründe. So kann namentlich die Zahl der Hausanschlüsse vermindert werden, womit in aller Regel die Erschliessungskosten sinken. Dies dient nicht nur der Wohnbauförderung, sondern liegt auch im Interesse der Grundeigentümer (PETER LUDWIG, Die
BGE 121 I 65 S. 71
Baulanderschliessung nach bernischem Recht, BVR 1982 S. 417). Nicht zuletzt deshalb kennen andere Kantone ebenfalls entsprechende Regelungen, auch wenn sie eine eigentliche Duldungspflicht im Sinne des
§ 104 Abs. 2 PBG
für fremde Hausanschlüsse usw. nicht vorsehen (vgl. § 41 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987; Art. 58 des Gesetzes über die Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung des Kantons Appenzell A.Rh. vom 28. April 1985; § 38 des Aargauer Gesetzes über Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen vom 19. Januar 1993).
cc) Im Lichte der allgemeinen Regeln, welche für die Beschränkung von Grundrechten gelten, darf die Baubewilligungsbehörde einem Grundeigentümer die Pflicht zur Duldung eines öffentlichrechtlichen Notweges allerdings nur auferlegen, wenn es sich um eine noch verhältnismässige Eigentumsbelastung handelt.
b) aa) Können jedoch die für eine genügende Zufahrt notwendigen Weg- und Zufahrtsrechte nicht auf privatem Wege erworben werden, so haben die zuständigen Behörden nach
Art. 20 RPG
sowie
Art. 4 ff. WEG
vorzugehen. Sie müssen zunächst prüfen, ob die Baureife (hinreichende Zufahrt) durch planerische Mittel wie Baulandumlegungen oder Grenzbereinigungen herbeigeführt werden kann (in diesem Sinne auch
§ 83 Abs. 2 lit. a und
§ 97 Abs. 1 PBG
). Landumlegung und Grenzbereinigung sind diejenigen Instrumente, welche in erster Linie für die Erschliessung von Bauland geeignet sind (LEO SCHÜRMANN/PETER HÄNNI, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 3. Aufl., Bern 1995, S. 197). Mit Hilfe dieser Massnahmen können klare Boden- und Eigentumsverhältnisse geschaffen werden. Sie stellen zudem in bestmöglicher Weise eine rechtsgleiche Behandlung aller Betroffenen sicher; auch kann in aller Regel der aus der Eigentumsgarantie fliessende Anspruch auf vollen Realersatz gewahrt werden (
BGE 105 Ia 324
E. 2b und E. 2c S. 326 f.; vgl. zum Anspruch auf Realersatz auch das Urteil des Bundesgerichtes vom 20. Oktober 1982, E. 3, in ZBl. 84/1983 S. 186). Die Anordnung von Parzellarordnungsmassnahmen zur Schaffung von baureifem Land liegt daher normalerweise im Interesse aller beteiligten Grundeigentümer.
bb) Hieraus folgt, dass die Baubehörden in Fällen, in welchen das Baugrundstück über keinen direkten Anschluss an das öffentliche Strassennetz verfügt, als erstes zu prüfen haben, ob die Einleitung einer Parzellarordnungsmassnahme in Frage kommt. Ist - wie hier - eine andere Behörde für die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens zuständig, so ist dieser ein entsprechendes Gesuch zu unterbreiten. Im vorliegenden Fall
BGE 121 I 65 S. 72
erscheint es bei den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen als grundsätzlich möglich, jedenfalls eine Grenzregulierung nach
Art. 10 WEG
und
§ 97 PBG
durchzuführen. Einen dahingehenden Vorschlag, welcher (lediglich) auf privater Basis einen gegenseitigen Flächenabtausch unter Wahrung des Besitzstandes vorsah, haben die Beschwerdegegner den Beschwerdeführern zu Beginn des Jahres 1993 unterbreitet. Erst wenn rechtskräftig festgestellt ist, dass die Voraussetzungen für die Einleitung einer Parzellarordnungsmassnahme nicht gegeben sind oder dass eine solche aufgrund der bestehenden Verhältnisse nicht in Frage kommt, zum Beispiel bei dichter Überbauung in Dorfkernen und fehlender Möglichkeit für einen Flächenabtausch, kann von einer eigentlichen Wegnot im Sinne von
§ 104 PBG
gesprochen werden und darf einem Grundeigentümer die Pflicht zur Duldung eines öffentlichrechtlichen Notwegrechtes auferlegt werden.
c) Die Pflicht, einen solchen Notweg zu dulden, muss für den betroffenen Grundeigentümer wie gesagt noch verhältnismässig sein (vorne E. 5a/cc). Vorliegend machen die Beschwerdeführer geltend, dies sei nicht der Fall. Sie bringen vor, als Werkeigentümer im Sinne von
Art. 58 OR
hätten sie unzumutbare Haftungsrisiken zu tragen, obwohl sie an der fraglichen Anlage kein Interesse hätten. Sie befürchten, die Zufahrt könnte mangelhaft unterhalten werden, weil sie nicht auf dem Boden des interessierten Grundstückes verlaufe. Auch weisen sie darauf hin, dass die Belastung durch die geplante Hauszufahrt über das Mass hinausgeht, welches sie heute auf der bestehenden, auch den Nachbarn dienenden Zufahrt dulden würden.
aa) Die Frage der Haftung nach
Art. 58 OR
ist nicht Verfahrensgegenstand. Festzuhalten ist allerdings, dass nach bisheriger Rechtsprechung der Wegrechtsberechtigte als Werkeigentümer lediglich haftet, wenn es sich um einen öffentlichen Fussweg handelt, das Wegrecht also - anders als hier - dem Gemeinwesen zusteht (
BGE 91 II 281
). In einem neueren Entscheid hat das Bundesgericht dazu festgehalten, diese für öffentliche Wege und Strassen geltende Praxis lasse sich nicht als allgemein gültige Rechtsprechung zu
Art. 58 OR
ausgeben (in
BGE 106 II 201
nicht publizierte E. 2).
bb) Im Lichte dieser hier nicht zu überprüfenden Praxis muss im Interesse des belasteten Eigentümers und zur Vermeidung unverhältnismässiger Eigentumsbeschränkungen verlangt werden, dass die Baubehörden, wenn sie gestützt auf
§ 104 Abs. 2 PBG
einen öffentlichrechtlichen Notweg anordnen, gleichzeitig auch die mit der fraglichen Belastung verbundenen weiteren
BGE 121 I 65 S. 73
Rechte und Pflichten in sachgerechter Weise regeln. So kann namentlich die von den Behörden nicht beantwortete Frage, wer für den Wegunterhalt verantwortlich ist, im Zusammenhang mit einer möglichen Werkeigentümerhaftung oder allenfalls mit der Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen durch den Haftenden Bedeutung erlangen. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass die Baubehörde verfügte, das umstrittene Notwegrecht sei im Grundbuch einzutragen (vgl.
Art. 962 ZGB
und § 299 des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 4. April 1954, wonach öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen auf Antrag der Behörde im Grundbuch angemerkt werden können). Eine Verfügung, mit welcher ein Eigentümer verpflichtet wird, ein öffentlichrechtliches Notwegrecht zu dulden, dient als Grundbuchbeleg. Dritte, welche Einsicht in das Grundbuch nehmen wollen, um ihre Rechte zu wahren, haben ein Interesse daran, diesem Beleg die wesentlichen Informationen über das Notwegrecht zu entnehmen.
cc) Entgegen der Auffassung der privaten Beschwerdegegner ist für das öffentlichrechtliche Notwegrecht nicht bereits von Gesetzes wegen vorgesehen, dass der Wegrechtsberechtigte den Unterhalt trägt (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 9 zu
Art. 694 ZGB
, wonach bei einem privatrechtlichen Notweg der Berechtigte gemäss Art. 741 den Unterhalt tragen soll). In
§ 103 Abs. 2 PBG
wird lediglich festgehalten, dass die Grundeigentümer und Interessenten private Erschliessungsanlagen nach den Weisungen der Baubehörde zu unterhalten haben. Solche Weisungen wurden weder von der Gemeinde noch vom Kanton erlassen. Sie können nicht auf später, etwa auf den Zeitpunkt der Bemessung der dem Belasteten zu bezahlenden Entschädigung (
§ 104 Abs. 3 PBG
), verschoben werden, muss doch der Eigentümer bereits im Zeitpunkt der Anordnung einer Eigentumsbeschränkung absehen können, welche Folgen diese für ihn zeitigen wird (
BGE 118 Ia 372
E. 5e S. 380 am Ende). Dies gilt um so mehr, als die umstrittene Zufahrt in einem weit grösseren Ausmass von Fahrzeugen benützt werden wird, als dies für den heute bestehenden Zufahrtsweg zutrifft. Im gleichen Sinne hat das Bundesgericht neuerdings in einem ein Meliorationsverfahren betreffenden Urteil entschieden. Es hat festgehalten, die nähere Bestimmung der mit Servituten verbundenen Unterhaltspflichten könne nicht auf ein allfälliges späteres Verfahren zwischen den beteiligten Grundeigentümern verschoben werden; darüber sei im Rahmen der Festsetzung der Erschliessung zu entscheiden (nicht
BGE 121 I 65 S. 74
veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 15. September 1994 i.S. Bodenverbesserungsgenossenschaft Wohlenschwil-Büblikon, E. 5b).
d) Zusammenfassend ergibt sich, dass die umstrittene Verfügung der Gemeinde zu einer unverhältnismässigen Eigentumsbeschränkung führt. Einerseits wurde nicht abgeklärt, ob zur Sicherstellung einer genügenden strassenmässigen Erschliessung eine Landumlegung bzw. Grenzbereinigung durchzuführen ist. Anderseits sind die mit dem öffentlichrechtlichen Notwegrecht zusammenhängenden Folgen der Eigentumsbeschränkung für die Beschwerdeführer nicht in der ganzen Tragweite absehbar. Dementsprechend wird die staatsrechtliche Beschwerde gutgeheissen, soweit das Bundesgericht darauf eintritt, und der angefochtene Entscheid wird aufzuheben.