BGE 122 III 338 vom 24. September 1996

Datum: 24. September 1996

Artikelreferenzen:  Art. 9 VZG, Art. 30 VZG, Art. 99 VZG, Art. 17 SchKG, Art. 97 SchKG, Art. 112 SchKG, Art. 116 SchKG, Art. 139 SchKG, Art. 140 SchKG , Art. 9 Abs. 2 VZG, Art. 97 Abs. 1 SchKG, Art. 140 Abs. 3 SchKG, Art. 9 Abs. 1 VZG, Art. 97 Abs. 2 SchKG, Art. 112 Abs. 1 SchKG, Art. 116 Abs. 1 SchKG, Art. 99 Abs. 2 VZG, Art. 140 BGE 122 III 338 S. 341, Art. 30 Abs. 1 VZG, Art. 17 Abs. 2 SchKG

BGE referenzen:  95 III 21, 114 III 29, 120 III 79, 135 I 102, 137 III 235 , 120 III 79, 114 III 29, 95 III 21

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

122 III 338


62. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 24. September 1996 i.S. M. (Rekurs)

Regeste

Verwertung eines gepfändeten Grundstücks; Schätzung ( Art. 140 Abs. 3 SchKG ).
Jeder Betroffene hat das Recht, die im Hinblick auf die Verwertung vorgenommene Schätzung in Frage zu stellen und (im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG ) eine neue Schätzung durch einen Sachverständigen zu verlangen; wie er sich seinerzeit zur Pfändungsschätzung ( Art. 97 Abs. 1 SchKG ) gestellt hatte, ist ohne Belang.

Sachverhalt ab Seite 338

BGE 122 III 338 S. 338
In verschiedenen gegen M. hängigen Betreibungen vollzog das Betreibungsamt am 26. April 1994 und am 25. Januar 1995 eine Grundstückpfändung. Als Schätzungswert vermerkte es den Betrag von 1,9 Mio. Franken.
Das Betreibungsamt setzte in der Folge auf den 26. Juli 1996 die Verwertung der gepfändeten Liegenschaft an, wobei es in den (vom 14. bis 24. Juni 1996) aufgelegten Steigerungsbedingungen den Schätzungswert wiederum mit 1,9 Mio. Franken angab.
Mit Eingabe vom 4. Juli 1996 erhob M. beim Gerichtspräsidium Y. als unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde mit den Rechtsbegehren, die auf den 26. Juli 1996 festgelegte Grundstücksteigerung sei abzusetzen und es sei "davon Vormerk zu nehmen, dass gar keine eigentliche Grundstückschätzung existent sei". Der Gerichtspräsident hielt in seinem Entscheid vom 18. Juli 1996 unter anderem fest, dass bezüglich des zu verwertenden Grundstücks eine letzte Schätzung vom 15. Juni 1994 vorliege.
Diesen Entscheid zog M. weiter, worauf die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 16. August 1996 feststellte, die von M. beim
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Gerichtspräsidium eingereichte Beschwerde sei, soweit die Schätzung betreffend, verspätet gewesen, so dass darauf gar nicht einzutreten gewesen wäre.
Den von M. gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde erhobenen Rekurs weist die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, hat der Betreibungsbeamte auch beim Vollzug der Pfändung eines Grundstücks im Sinne von Art. 97 Abs. 1 SchKG (dazu auch Art. 9 Abs. 1 VZG ) den Wert des Pfändungsgutes zu schätzen, damit nicht mehr als nötig mit Beschlag belegt ( Art. 97 Abs. 2 SchKG ), umgekehrt aber auch das Interesse der Gläubiger an einer ausreichenden Deckung gewahrt wird (vgl. BGE 120 III 79 E. 3 S. 82 f. mit Hinweisen; BGE 114 III 29 E. 3e S. 31; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. A., S. 173). Fehlen dem Betreibungsbeamten die erforderlichen Fachkenntnisse, ist dieser befugt, einen Sachverständigen beizuziehen ( Art. 97 Abs. 1 SchKG ). Der Schätzungswert ist in der Pfändungsurkunde zu vermerken ( Art. 112 Abs. 1 SchKG ).
b) In Befolgung dieser Grundsätze hat das Betreibungsamt die hier strittige Liegenschaft durch den Architekten H. schätzen lassen. Den von diesem im Bericht vom 15. Juni 1994 ermittelten (Verkehrs) Wert von 1,9 Mio. Franken hat es alsdann in die beiden Pfändungsurkunden eingetragen.

2. Gemäss Art. 9 Abs. 2 VZG (SR 281.42) ist jeder Beteiligte berechtigt, innerhalb der Frist zur Beschwerde über die Pfändung bei der Aufsichtsbehörde (gegen Vorschuss der Kosten) eine (neue) Schätzung durch Sachverständige zu verlangen. Der Rekurrent hat von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht. Wie im folgenden darzulegen sein wird, hat - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - dieser Verzicht jedoch nicht zur Folge, dass ihm von vornherein verwehrt wäre, den vom Betreibungsamt in den Steigerungsbedingungen eingesetzten Schätzungswert im Sinne der genannten Bestimmung in Frage zu stellen.

3. a) Bei Grundstücken können zwischen dem Pfändungsvollzug und der Verwertung mehr als zwei Jahre liegen (vgl. Art. 116 Abs. 1 SchKG , wonach das Verwertungsbegehren spätestens zwei Jahre nach der Pfändung einzureichen ist). Abgesehen davon, dass in der erwähnten Zeitspanne eine allfällige Lastenbereinigung durchgeführt worden ist, können die
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Verhältnisse sich auch sonst erheblich verändert haben. Das Gesetz sieht deshalb ausdrücklich vor, dass im Rahmen der Vorbereitung der Versteigerung das Grundstück durch das Betreibungsamt von neuem geschätzt wird ( Art. 140 Abs. 3 SchKG ; vgl. auch BGE 95 III 21 E. 4b S. 24; BGE 52 III 153 S. 156; ferner JAEGER, Kommentar zum SchKG, I. Bd., N. 13 zu Art. 140).
Auch dort, wo die Pfändungsschätzung - nach Überprüfung -allenfalls bestätigt wird (vgl. FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, I. Bd., § 31 Rz. 25; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A., § 28 Rz. 43), handelt es sich um eine selbständige, neue betreibungsamtliche Verfügung. Wie bei der Grundpfandbetreibung - wo eine Pfändungsschätzung naturgemäss fehlt - hat der Schuldner (und jede andere betroffene Person) das Recht, diese (Neu-)Schätzung des Betreibungsamtes in Frage zu stellen und (im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG ) die Überprüfung durch einen (andern) Sachverständigen zu verlangen (dazu JAEGER, a.a.O., N. 13 zu Art. 140; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 31 Rz. 25; vgl. auch die ausdrückliche Bestimmung in Art. 99 Abs. 2 VZG zur Grundpfandverwertung). Da die Verhältnisse bei der Schätzung im Verwertungsverfahren nicht die gleichen sind wie bei der Pfändungsschätzung, ist der Überprüfungsanspruch unabhängig davon gegeben, wie der betreffende Beschwerdeführer sich seinerzeit zu dieser gestellt hatte.
b) Die Vorinstanz geht in ihrer Eventualbegründung davon aus, die Frist zur Einreichung des Begehrens um neue Schätzung durch einen Sachverständigen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG sei am ersten Tag der Auflegung der Steigerungsbedingungen (dem 14. Juni 1996) ausgelöst worden. Indessen ist zu beachten, dass das Betreibungsamt (in Nachachtung von Art. 139 SchKG ) den Rekurrenten über die angeordnete Verwertung gesondert informiert hat. Neben dem vom 16. April 1996 datierten Formular VZG Nr. 7a ("Muster für die Steigerungspublikation im Betreibungsverfahren") hat es ein Exemplar des vom 1. Juni 1996 datierten Formulars VZG Nr. 13 Btr. ("Protokoll der Grundstücksteigerung") zugestellt, wobei der Rekurrent am 10. Juni 1996 den Empfang dieser zweiten Sendung bestätigt hat. In der Rubrik "Schätzung" des zweitgenannten Formulars fand sich der Vermerk "Betreibungsamtliche Schätzung Fr. 1'900'000". (Den gleichen Betrag hatte das Amt auch schon im Formular VZG Nr. 7a eingesetzt.)
c) Spätestens mit Empfang des Formulars VZG Nr. 13 Btr. erlangte der Rekurrent Kenntnis von der durch das Betreibungsamt aufgrund von Art. 140
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vorgenommenen Schätzung. Die Frist zu deren Bestreitung wurde deshalb auf jeden Fall in jenem Zeitpunkt ausgelöst (vgl. dazu Art. 30 Abs. 1 VZG ). Dass er damals von einem Expertenbericht noch nichts gewusst habe, ist entgegen der Ansicht des Rekurrenten ohne Belang, zumal nicht in jedem Fall ein Sachverständiger beigezogen wird.
Nach dem Gesagten war der erste Tag der massgebenden Frist von zehn Tagen ( Art. 17 Abs. 2 SchKG und Art. 9 Abs. 2 VZG ) der 11. Juni 1996, der letzte Tag der 20. Juni 1996. Die vom Rekurrenten am 4. Juli 1996 aufgegebene Beschwerdeschrift war mithin in der Tat verspätet, so dass der Entscheid der Vorinstanz im Ergebnis richtig ist. Der vorliegende Rekurs ist demnach abzuweisen, ohne dass auf die weiteren Vorbringen des Rekurrenten näher einzugehen wäre.

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