BGE 95 I 155 vom 14. Mai 1969

Datum: 14. Mai 1969

Artikelreferenzen:  Art. 4 BV, Art. 31 BV

BGE referenzen:  95 I 149, 95 I 154

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

95 I 155


22. Auszug aus dem Urteil vom 14. Mai 1969 i.S. Schiesser gegen Gemeinde Schwanden und Regierungsrat des Kantons Glarus.

Regeste

Elektrische Hausinstallationen; Art. 4 BV .
Abklärung des Sachverhalts bei der Prüfung der Frage, ob das Monopol zum Ausführen elektrischer Hausinstallationen zulässig sei.

Sachverhalt ab Seite 155

BGE 95 I 155 S. 155
Aus dem Tatbestand:

A.- Das Elektrizitätswerk Schwanden (EWS) ist eine Anstalt der Gemeinde Schwanden/GL. Am 3. August 1960 erliess der Gemeinderat ein Reglement über die Abgabe von elektrischer Energie durch das EWS. Art. 36 dieses Reglements lautet:
Ausführung von Hausinstallationen: Hausinstallationen werden durch das EWS erstellt, unterhalten, verändert oder erweitert. Das EWS kann ausserdem in Berücksichtigung des Bedarfs Bewilligungen zur Ausführung von Hausinstallationen erteilen.

B.- Die Firma F. Schiesser & Co., Elektrische Installationen, Ennenda, ersuchte am 1. März 1967 das EWS um die Bewilligung zur Ausführung von Hausinstallationen. Die Verwaltungskommission des EWS wies dieses Gesuch am 30. März 1967 ab. Die Firma Schiesser beschwerte sich dagegen beim Regierungsrat des Kantons Glarus. Dieser wies den Rekurs ab. Zur Begründung führte er u.a. aus, das Bundesgericht habe bisher das Installationsmonopol der Gemeinde-Elektrizitätswerke als zulässig anerkannt. Übrigens räumten auch die Gegner des Installationsmonopols ein, dieses sei in kleineren Verhältnissen denkbar, insbesondere in Berggegenden, wo wegen der erhöhten Gefahr von Versorgungsunterbrüchen durch Naturereignisse mit einem verhältnismässig grossen Bestand an Pikettleuten zu rechnen sei. Das Monopol rechtfertige sich dann, wenn ohne es das Werk nicht in der Lage wäre, seinen Betrieb in technisch und wirtschaftlich verantwortbarer Weise zu organisieren. Nun habe das EWS über 100 km Freileitung instandzuhalten. Es
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versorge die Gemeinden Schwanden, Hätzingen, Leuggelbach, Nidfurn, Haslen, Schwändi, Sool, Engi, Matt und Elm; diese Leitungen reichten vom Talboden (500 m über Meer) bis auf 1600 m Höhe hinauf. Abgesehen von den Anlagen, die sich im Talgrund befinden, liege das ganze Netz in einem durch steile Berghänge begrenzten, niederschlagsreichen voralpinen bis alpinen Gelände. Überschwemmungen, Runsen- und Lawinenniedergänge, Schneeverwehungen, Verkehrsunterbrüche, Föhnstürme u. dgl. bewirkten viele Störungen. In den acht Jahren vom Februar 1959 bis Februar 1967 sei an insgesamt 17 Tagen die ganze Freileitungs- und Installationsequipe des EWS zur Störungsbehebung im Einsatz gewesen. Insbesondere die nach Warth und ins Sernftal führenden Leitungen würden regelmässig von Lawinen heimgesucht, wobei jeweilen auch der Strassen- und Bahnverkehr unterbrochen werde. Das EWS nehme unter den Elektrizitätswerken des Kantons eine Sonderstellung ein. In Schwanden sei die Bautätigkeit gering und damit die Beschäftigung der Installationsabteilung des EWS nicht ohne weiteres gesichert. Um die Schaffung einer privilegierten Unternehmerschaft zu vermeiden, müssten bei Zulassung der Konkurrenz alle privaten Bewerber in gleicher Weise berücksichtigt werden.

C.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates führte die Firma F. Schiesser & Co. staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und verlangt, "der Regierungsrat des Kantons Glarus bzw. der Gemeinderat Schwanden und das Elektrizitätswerk Schwanden" seien anzuweisen, ihr "die Bewilligung (Konzession) im Versorgungsgebiet des Elektrizitätswerkes Schwanden zum Erstellen, Ändern und Ausbessern elektrischer Hausinstallationen zu erteilen."
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Annahme des Regierungsrates, dass die Verhältnisse beim EWS anders seien als bei allen andern Elektrizitätswerken im Kanton, sei willkürlich. Der Regierungsrat habe Rentabilitätsberechnungen allgemeiner Natur angestellt, es aber entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin unterlassen, die Jahresrechnungen der Installationsabteilung und die Gemeinderechnungen beizuziehen. Mit fiskalischen Interessen könne das Installationsmonopol nicht begründet werden, weil damit Art. 31 BV verletzt würde. Die Behauptung, wegen der Bergverhältnisse sei das Installationsmonopol unumgänglich, entbehre der zwingenden
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Begründung. Der Umstand, dass die Installationsabteilung während acht Jahren nur an 17 Tagen zur Behebung von Störungen beigezogen wurde, spreche gegen die Annahme des Regierungsrates. Dass sie unhaltbar sei, ergebe sich übrigens schon daraus, dass das Reglement des EWS selber die Erteilung von Konzessionen an Dritte vorsehe. Die Installationsabteilung des EWS sei auch ohne Monopol noch privilegiert, weil sie keine Steuern zu entrichten habe. Bezüglich der Mitwirkung bei der Netzkontrolle und beim Störungsdienst könnten den privaten Installateuren entsprechende Auflagen gemacht werden.

D.- Der Regierungsrat des Kantons Glarus und das EWS beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Das EWS führt aus, das Reglement verpflichte es nicht zur Erteilung von Konzessionen. Eine solche könnte erst in Betracht fallen, "wenn sich das Arbeitsvolumen für elektrische Hausinstallationen im Versorgungsgebiet derart vergrössern sollte, dass die Hausinstallationsabteilung personell stärker dotiert werden müsste, als dies im Hinblick auf den minimalen Personalbestand für einen einwandfrei funktionierenden Leitungs- und Störungsdienst erforderlich" wäre. Gegenüber Näfels sei lediglich das Rekursverfahren, nicht aber der Sachverhalt ähnlich. Der Umstand, dass während acht Jahren an 17 Tagen das gesamte Personal des EWS zur Störungsbehebung im Einsatz war, zeige, dass im Jahresdurchschnitt zwei grosse Störungen zu beheben seien. Das Berggebiet dürfe nicht zweitrangig bedient werden. Auch in Engi und Elm gebe es noch Industrien, für die Stromunterbrüche unliebsame und kostspielige Folgen hätten. Die Verwendung von werkfremdem Personal bei der Störungsbehebung sei undurchführbar. Solche Leute seien mit dem Leitungsnetz nicht vertraut, auch verfügten sie nicht über die Ortskenntnis, um in weglosem und verschneitem Gelände die Störungen zu finden und zu beheben; es sei auch nicht damit zu rechnen, dass sie die mit solcher Arbeit verbundenen Strapazen auf sich nehmen würden. Mindestens im Berggebiet sollte die bisherige Praxis des Bundesgerichts beibehalten werden.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. (Eintretensfragen.)

2. (Darstellung der in BGE 95 I 149 ff. wiedergegebenen neuen Praxis hinsichtlich der Zulässigkeit des Monopols zum Ausführen elektrischer Hausinstallationen: Das Monopol lässt
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sich weder aus fiskalischen noch aus sicherheitspolizeilichen Gründen mit Art. 31 BV vereinbaren. Hingegen kann es sich nach wie vor aus anderen Gründen des öffentlichen Wohles rechtfertigen. Einen solchen Grund bildet u.a. das öffentliche Interesse an rascher Behebung von Störungen am Freileitungsnetz und anderen Werksanlagen. Dieses Interesse lässt sich u.U. auch dadurch wahren, dass den zugelassenen privaten Installationsfirmen geeignete Bedingungen und Auflagen gemacht werden.)

3. Der Regierungsrat des Kantons Glarus führt aus, dass beim EWS - im Unterschied zu anderen Elektrizitätswerken glarnerischer Gemeinden - besondere Verhältnisse vorlägen, die die Aufrechterhaltung des Installationsmonopols rechtfertigten, ja erheischten.
a) Die erste Überlegung der kantonalen Instanz bezieht sich auf die Ausdehnung des Absatzgebietes (zehn Gemeinden), auf die besonderen geographischen und klimatischen Verhältnisse in diesem Gebiet sowie auf Zahl und Umfang der Anlagen, die das EWS in Stand zu halten hat: Über 100 km Freileitungen, 30 eigene und 25 andere Transformatorenstationen, alles in einem Gelände mit 1100 m Höhendifferenz.
Es ist glaubhaft, dass hier die Instandhaltung der Anlagen, und erst recht die Behebung von Schäden, die durch Naturereignisse im Winter angerichtet werden, die Überwindung grösserer Hindernisse und mehr Arbeitsaufwand erheischen als die Behebung gleichartiger Schäden im Hügel- oder Flachland. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob dafür eine Installationsabteilung mit Monopolbetrieb nötig sei.
Wie sich aus einer Aufstellung über den Personalbestand des EWS ergibt, sind dort drei Arbeitsgruppen mit verschiedenen Aufgaben beschäftigt. Eine erste befasst sich mit der Leitung und Verwaltung des ganzen Unternehmens, eine zweite mit dem Bau, Betrieb und Unterhalt der Freileitungen und Transformatorenstationen und eine dritte mit den Installationen in den Häusern. Nur um diese letztgenannte Gruppe geht es hier. Sie installiert alles, was zur Verwendung des elektrischen Stroms im Innern der Gebäude erforderlich ist. Sie besorgt auch alle Änderungen und Reparaturen an diesen Einrichtungen. Die Zahl der hier beschäftigten Leute entspricht dem Arbeitsanfall. Ausnahmsweise, d.h. bei katastrophenartigen Störungen, wenn die Bau- und Betriebsgruppe wegen des Zusammenfalls von
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Störungen an verschiedenen Orten die angefallene Arbeit nicht oder nicht rasch genug zu bewältigen vermag, wird auch die Installationsgruppe zur Reparatur von Freileitungen und Transformatorenstationen beigezogen. Sie ist also nebenbei Reservemannschaft für solche Störungsfälle. Die Erfüllung dieser zweiten Aufgabe rechtfertigt nach Ansicht des Regierungsrates die Beibehaltung des Installationsmonopols. Die kantonale Instanz nimmt an, die in Katastrophenfällen einsetzbaren Hilfskräfte würden vermindert, wenn beim Dahinfallen des Monopols der Bestand der Installationsequipe herabgesetzt werden müsste. Indessen ist nicht sicher, dass ein Abbau des Installationspersonalbestandes drohe. In sämtlichen Jahresberichten des EWS wird dessen Beschäftigung "namentlich infolge der regen Bautätigkeit" als gut hervorgehoben.
b) Der Regierungsrat hat bei seinem Entscheid auf ein Gutachten abgestellt, das dem EWS erstattet worden war. In diesem Gutachten wird erklärt, dass es falsch wäre, "zu sagen, dass bei einer Reduktion der Installationsabteilung ein Beheben der Störungen unmöglich sei". Es frage sich lediglich, "ob dabei die Unterbruchszeiten nicht soweit verlängert werden, dass der Schaden, der dadurch bei den Abonnenten eintritt, eine Grösse erreicht, die für diese Abonnenten als untragbar gilt". Die technische Frage, wie gross die Verzögerungen bei einem Abbau der Installationsgruppe um einen, zwei oder drei Mann würden, wirft der Experte zwar auf, beantwortet sie aber nicht. Dafür stellt er im Anschluss an das oben Ausgeführte fest, es liege "wohl im öffentlichen Interesse", dass das EWS seine "recht bescheidene Installationsabteilung voll aufrecht erhalten" könne. Diesen Entscheid des Experten über eine Rechtsfrage hat der Regierungsrat in seinem Beschluss übernommen, obschon nach dem Gesagten die technischen Angaben zur Beurteilung dieser Frage unvollständig waren. Die kantonale Instanz hat damit den Art. 4 BV verletzt. Ob auch Art. 31 BV verletzt sei, lässt sich nicht beurteilen, bevor die technischen Angaben im Sinne der vorstehenden Ausführungen ergänzt sind.
c) Nach den Feststellungen des Experten musste das gesamte Personal der Installationsgruppe in einem Zeitraum von etwas über 2900 Tagen 17 Mal zur Mithilfe bei der Behebung von Freileitungsschäden aufgeboten werden. Der Regierungsrat hat daraus abgeleitet, das Monopol der Installationsabteilung des EWS sei beizubehalten. Indessen wurde die Frage nicht erörtert,
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ob die Inanspruchnahme der Installationsabteilung in weniger als 6‰ aller Betriebstage proportional sei zum Zweck der Verkürzung von Stromunterbrüchen von vielleicht einigen Stunden. Der Regierungsrat hätte dazu umso mehr Anlass gehabt, als die Beschwerdeführerin schon in ihrer Eingabe an das EWS vom 1. März 1967 Mitwirkung bei der Behebung von Störungen zu Konkurrenzpreisen angeboten und in ihrem Rekurs an den Regierungsrat eine "neutrale Expertise" darüber verlangt hatte, ob das EWS nur zur Aufrechterhaltung einer genügenden Bereitschaftsequipe für Störungsfälle des Installationsmonopols bedürfe. Der Regierungsrat ist über diesen Fragenkreis hinweggegangen, obwohl ihm unmöglich entgangen sein konnte, dass der Bericht, den der Experte dem EWS auf dessen Anforderung erstattet hatte, ein Parteigutachten darstellt. Die kantonale Instanz hat damit ebenfalls Art. 4 BV verletzt.
d) Ob sich die Verwendung von werkfremdem Personal beim Störungsdienst an Freileitungen wirklich nicht durchführenlasse, wie das EWS in seiner Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde behauptet, hat der Regierungsrat zu prüfen. Wie aus BGE 95 I 154 erhellt, haben die Freileitungsmonteure keine bessere berufliche Ausbildung genossen als die Elektromonteure, deren Ausbildung durch ein Reglement des EVD vom 6. Juni 1967 (BBl 1967 II 181) geordnet ist. Jedenfalls versteht sich nach dem Gesagten nicht von selbst, dass sich die Elektromonteure der Beschwerdeführerin die für die Reparaturen an Freileitungen nötigen Kenntnisse nicht in gleicher Weise aneignen können wie die Elektromonteure des EWS. Es versteht sich erst recht nicht von selbst, dass nur werkeigene Leute ortskundig, berggewandt und zur Übernahme von Strapazen in Notfällen bereit seien. Das Angebot der Beschwerdeführerin muss daher ernsthaft geprüft werden. Erst wenn das geschehen sein wird, kann beurteilt werden, ob überhaupt und - wenn ja - ob eine erhebliche Schwächung der Pikettmannschaft bei Preisgabe des Installationsmonopols zu befürchten wäre, und ob ein vernünftiges Verhältnis besteht zwischen dem durch das Monopol angeblich zu wahrenden öffentlichen Interesse und dem Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit, den die Verweigerung der Bewilligung der Beschwerdeführerin gegenüber darstellt.

4. Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates ist daher anfzuheben. Der Regierungsrat wird sich nochmals mit der Sache befassen und vorerst den Sachverhalt weiter abklären
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müssen. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Regierungsrat - wie die Beschwerdeführerin behauptet - Art. 4 BV schon dadurch verletzt habe, dass er es unterliess, die Rechnungen des EWS beizuziehen.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Glarus vom 30. September 1968 aufgehoben.

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