Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft


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Art. 4 Landessprachen

Die Lan­des­s­pra­chen sind Deutsch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch und Rä­to­ro­ma­nisch.

BGE

81 I 119 () from 17. Mai 1955
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit, Gewaltentrennung, Unverletzlichkeit des Hausrechts, Eigentumsgarantie. Zürcherische Verordnung über den Verkehr mit Heilmitteln vom 2. September 1954. 1. Zulässigkeit des Verbots, eine Drogerie als "Drugstore" zu bezeichnen (§ 46 VO). 2. Zulässigkeit von Bestimmungen über die Kontrolle der Arzneimittelbetriebe (Recht der Kontrollorgane, Auskünfte zu verlangen, Geschäftspapiere einzusehen und die Geschäftsräume zu betreten, § 51 VO). 3. Unzulässigkeit einer Bestimmung über die Beschlagnahme und Verwertung gewisser Einrichtungsgegenstände (§ 56 VO). Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit des polizeilichen Eingriffs.

81 I 177 () from 8. Juni 1955
Regeste: Parkingmeter. Kantonale Vorschriften, wonach das Aufstellen von Fahrzeugen auf öffentlichem Boden an gewissen Stellen nur während einer bestimmten Zeit und nur gegen Einwurf eines Geldstücks in den der Kontrolle der zeitlichen Beschränkung dienenden Parkingmeter gestattet ist. Anfechtung wegen Verletzung der Art. 4, 30 Abs. 2, 46 Abs. 2 BV und 71 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 MFG. 1. Verhältnis des Art. 71 Abs. 6 MFG zu Art. 46 Abs. 2 BV und des Art. 71 Abs. 1 Satz 2 MFG zu Art. 30 Abs. 2 BV. Zuständigkeit des Bundesgerichts oder des Bundesrates zur Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung dieser Vorschriften? (Erw. 5 a und 6 a). 2. Die Schaffung von Parkflächen mit Parkingmeter - ist mit Art. 4 BV vereinbar (Erw. 3 und 4); - stellt keine nach Art. 71 Abs. 6 MFG oder 46 Abs. 2 BV unzulässige Doppelbesteuerung dar (Erw. 5 b); - verstösst jedenfalls dann nicht gegen Art. 30 Abs. 2 oder 71 Abs. 1 Satz 2 (Verbot kantonaler Weggelder bzw. Durchgangsgebühren), wenn in angemessenem Abstand davonParkplätze vorhanden sind, auf denen unentgeltlich parkiert werden kann (Erw. 6 b).

81 I 321 () from 7. Dezember 1955
Regeste: Art. 4, 58, 61 BV. Rechtsöffnung auf Grund eines Schiedsgerichtsurteils, das in einem andern Kanton als dem des Betreibungsortes gefällt ist. 1. Art. 61 BV kann durch Gewährung der Rechtsöffnung nicht verletzt werden. Kann das Bundesgericht auf Beschwerde wegen Verletzung der Art. 4 und 58 BV hin frei prüfen, ob der Rechtsöffnungsrichter den Schiedsspruch als gerichtliches Urteil habe anerkennen dürfen? (Erw. 1). 2. Das in der Kollektiv-Konvention der schweizerischen Uhrenindustrie vorgesehene Schiedsgericht bietet hinreichende Gewähr für eine unabhängige Rechtsprechung (Erw. 3).

81 IV 128 () from 10. Februar 1955
Regeste: 1. Art. 249, 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP. Der Kassationshof hat die Beweiswürdigung, die den tatsächlichen Feststellun. gen der kantonalen Behörde zugrunde liegt, auch nicht auf Ermessensüberschreitung hin zu überprüfen (Erw. 1). 2. Art. 25 Abs. 1, 27 Abs. 1 MFG. Unzulässige Geschwindigkeit innerorts und an Strassenkreuzung (Erw. 2).

82 I 157 () from 20. Juni 1956
Regeste: Eigentumsgarantie. Gegenüber einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung ist die Berufung auf die Eigentumsgarantie zulässig, wenn damit die Aufhebung der Beschränkung verlangt, nicht dagegen, wenn bloss Anspruch auf Entschädigung erhoben wird und hiefür der Rechtsweg zur Verfügung steht (Erw. 2). Wann stellt das für einen Teil eines Grundstücks aufgestellte Bauverbot eine materielle Enteignung dar? (Erw. 3).

82 I 167 () from 21. November 1956
Regeste: Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG). Wenn ein in der Schweiz zu einer Gesamtstrafe Verurteilter vom Ausland unter Vorbehalt gewisser Nichtauslieferungsdelikte zum Strafvollzug ausgeliefert wird und deshalb die Gesamtstrafe nachträglich durch Ausscheidung der auf diese Delikte entfallenden Quote aufgeteilt wird, so kann dieser Entscheid wegen Verletzung des Grundsatzes der Spezialität der Auslieferung (und wegen Ermessensüberschreitung) bei der Bestimmung jener Quote mit Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff. BStP und daher nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.

82 I 223 () from 7. November 1956
Regeste: Verkauf elektrischer Apparate. Art. 31 und 4 BV. 1. Ist es mit Art. 31 BV vereinbar, im Absatzgebiet eines öffentlichen Elektrizitätswerkes nicht nur die Ausführung von Hausinstallationen, sondern auch den Verkauf elektrischer Apparate dem Werk und den dafür konzessionierten privaten Geschäften vorzubehalten? (Erw. 2). 2. Die Auffassung, die Verkaufsbewilligung brauche nur an Installationsgeschäfte erteilt und könne andern Verkaufsgeschäften generell verweigert werden, verstösst im vorliegenden Falle gegen Art. 4 BV, da diese Beschränkung mit den massgebenden Bestimmungen unvereinbar ist und sich auf keine sachlichen Gründe stützen kann (Erw. 3).

82 I 234 () from 5. Dezember 1956
Regeste: Persönliche Freiheit. Die Verfügung, durch die der Zeuge im Vaterschaftsprozess verpflichtet wird, sich einer Blutuntersuchung zu unterziehen, stellt einen Eingriff in seine persönliche Freiheit dar und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage. Die zivilprozessualen Vorschriften über die Zeugnispflicht genügen nicht als gesetzliche Grundlage.

82 I 242 () from 5. Dezember 1956
Regeste: Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz. Die Vollstreckung eines ausländischen Zivilurteils in der Schweiz setzt voraus, dass es nach dem Rechte des Staates, in dem es ergangen ist, nicht nur in Rechtskraft erwachsen, sondern auch vollstreckbar ist. Ein rechtskräftiges deutsches Urteil, dessen Vollstreckbarkeit nachträglich von einem deutschen Gericht in Anwendung von § 769 deutscher ZPO einstweilen eingestellt worden ist, darf daher während der Dauer dieser Massnahme nicht in der Schweiz gemäss Art. 6 des deutsch-schweizerischen Vollstreckungsabkommens für vollstreckbar erklärt werden.

82 II 186 () from 5. Juli 1956
Regeste: Anerkennung einer Vaterschaftsklage; Anfechtung wegen Willensmangels (Art. 23 ff. OR, Art. 7 ZGB). Frist. Absichtliche Täuschung? Grundlagenirrtum?

83 I 16 () from 27. März 1957
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. c O G, Art. 90 Abs. 1 lit. b OG. Das Bundesgericht prüft die Anwendung von Staatsverträgen mit dem Ausland frei (Erw. 1); es berücksichtigt dabei auch neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen (Erw. 2). Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951. Wer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens? (Erw. 3). Wann sind Flüchtlinge von der cautio judicatum solvi befreit? (Erw. 4).

83 I 92 () from 13. Februar 1957
Regeste: Doppelbesteuerung. Welchem Kanton steht die Besteuerung der Gratifikation zu, die einem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz während des Steuerjahres in einen andern Kanton verlegt, vor dem Wegzug vom Arbeitgeber ausgerichtet worden ist?

83 I 100 () from 13. März 1957
Regeste: Doppelbesteuerung. 1. Verhältnis der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Doppelbesteuerung zu einer damit verbundenen Beschwerde wegen Willkür und zu einem gleichzeitig gegen die Besteuerung im einen Kanton ergriffenen kantonalen Rechtsmittel (Erw. 1). 2. In welchem Kanton hat ein Steuerpflichtiger, dessen Vermögen und Vermögensertrag infolge Wohnsitzwechsels oder Erbgangs im Laufe des Steuerjahres der Steuerhoheit zweier Kantone untersteht, die auf seinen Aktien bezogenen Jahresdividenden zu versteuern? (Erw. 3-5).

83 I 111 () from 13. März 1957
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit, Gewaltentrennung. 1. Die Verwaltung darf in der Regel nicht ohne materielle gesetzliche Grundlage in die Freiheitsrechte eingreifen. 2. Gemäss Art. 39 lit. b aarg. KV kann der Regierungsrat Vollziehungs- und Notverordnungen, nicht aber selbständige Rechtsverordnungen erlassen. Verfassungswidrigkeit der aarg. Verordnung über die Vorführung von Filmen vom 11. Juli 1953.

83 I 152 () from 8. Mai 1957
Regeste: Einsicht in Verwaltungsakten. Kann ein Privater Einsichtnahme in Akten einer Verwaltungsbehörde (Vormundschaftsbehörde) verlangen - unmittelbar auf Grund von Art. 4 BV? (Erw. 5). - auf Grund einer kantonalen Vorschrift, nach welcher das Recht auf Einsicht in "öffentliche Urkunden" ein "rechtliches Interesse" voraussetzt (§ 231 zürch. EG zum ZGB)? (Erw. 6).

83 I 237 () from 18. September 1957
Regeste: Namensänderung, rechtliches Gehör. Dem Gesuch um Änderung des Namens eines bei der Ehescheidung der Mutter zugesprochenen Kindes darf nicht entsprochen werden, ohne dass dem Vater Gelegenheit gegeben wird, dazu Stellung zu nehmen.

83 I 242 () from 25. September 1957
Regeste: 1. Art. 32 quater Abs. 1 BV räumt dem Bürger kein verfassungsmässiges Recht ein, dessentwegen er staatsrechtliche Beschwerde führen könnte (Erw. 1). 2. Können die Kantone auf Grund von Gewohnheitsrecht die Bedürfnisklausel auf den Kleinhandel mit geistigen Getränken anwenden? (Erw. 3).

83 I 250 () from 23. Oktober 1957
Regeste: Art. 4 und 31 BV. 1. Personen, die eine wissenschaftliche Berufsart im Sinne des Art. 33 BV ausüben, geniessen die Handels- und Gewerbefreiheit. Sie dürfen von den Kantonen nur den Beschränkungen unterworfen werden, die sich aus Art. 31 Abs. 2 und Art. 33 BV ergeben. 2. Darf die Bewilligung zur Ausübung des Berufs eines Zahnarztes von der Niederlassung im Kanton abhängig gemacht werden?

83 III 92 () from 5. Dezember 1957
Regeste: Rekurs an das Bundesgericht. Beginn der Rekursfrist (Art. 19 SchKG, Art. 77 Abs. 2 OG) bei Zustellung des angefochtenen Entscheides an einen Postfachinhaber, der aus wichtigen Gründen verhindert ist, der Einladung zur Abholung der Sendung am Postschalter sogleich Folge zu leisten. Grundpfandversteigerung. Der Titular einer ins Lastenverzeichnis aufgenommenen, von einem andern Gläubiger durch noch hängige Klage bestrittenen fälligen Pfandforderung kann (wenigstens für sich allein) nicht wirksam auf die Barzahlung verzichten (Art. 47 VZG).

84 I 7 () from 29. Januar 1958
Regeste: Schätzung landwirtschaftlicher Heimwesen und Liegenschaften. Art. 5 ff. LEG. Unter welchen Voraussetzungen können die Schätzungsbehörden auf eine formell rechtskräftig gewordene Schätzung zurückkommen?

84 I 77 () from 2. Mai 1958
Regeste: Wehrsteuer; Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Die Einkünfte eines in der Schweiz wohnenden Hochschulprofessors aus der Lehrtätigkeit an einer deutschen Universität unterliegen der Wehrsteuer für Einkommen nicht, werden aber für die Bestimmung des Satzes dieser Steuer berücksichtigt.

84 I 89 () from 14. Mai 1958
Regeste: Kantonale Abgaben. 1. Nach einem feststehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz dürfen öffentliche Abgaben nur erhoben werden, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür besteht (Erw. 2). 2. Vorschriften über die Erhebung einer Gebühr für die Bewilligung zum Hausieren gestatten nicht, eine solche Abgabe auch für den Betrieb von Warenverkaufsautomaten zu erheben (Erw. 3). 3. Gewohnheitsrecht als Grundlage für die Erhebung einer öffentlichen Abgabe? (Erw. 4).

84 I 98 () from 2. April 1958
Regeste: Besteuerung des Ertrags der Selbsthilfegenossenschaften. Art. 4 und 31 BV. Bestimmung eines kantonalen Steuergesetzes, wonach ein Teil der Rückvergütungen, Rabatte und ähnlichen Leistungen, welche eine Selbsthilfegenossenschaft ihren Mitgliedern auf deren Bezügen gewährt, zum steuerbaren Ertrag zu rechnen ist. Anwendung dieser Bestimmung im Falle, wo die Genossenschaft den Mitgliedern und Nichtmitgliedern die gleichen Vergünstigungen gewährt.

84 I 161 () from 2. Juli 1958
Regeste: 1. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV. Neue, im kantonalen Verfahren zulässige, aber nicht geltend gemachte Vorbringen sind vor Bundesgericht grundsätzlich ausgeschlossen (Erw. 1). 2. Art. 954 Abs. 1 ZGB; Gebühren für die Grundbuchvermessung und deren Nachführung. Abgrenzung von Gebühr und Gemengsteuer; Grundsätze für die Bemessung von Gebühren (Erw. 3, 4).

84 I 217 () from 26. November 1958
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde wegen Art. 4 BV. Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Beweisbeschluss in einer Zivilrechtsstreitigkeit, die der Berufung an das Bundesgericht unterliegt? Kantonales Zivilprozessrecht; Willkür. Kann der Beklagte im Vaterschaftsprozess verpflichtet werden, sich einer anthropologisch-erbbiologischen Expertise zu unterziehen?

84 I 232 () from 12. November 1958
Regeste: Art. 86 Abs. 2, Art. 87 OG. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs; Verhältnis der staatsrechtlichen Beschwerde zu den ausserordentlichen kantonalen Rechtsmitteln. Rügen, die mit einem ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel erhoben werden können, können nicht auch mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen das Sachurteil geltend gemacht werden. Ausnahme, wenn die Ergreifung des ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels eine leere Formalität bliebe.

84 II 91 () from 20. März 1958
Regeste: Art. 836 ZGB, Gesetzliche Pfandrechte des kantonalen Rechts. Das gesetzliche, im Range allen übrigen Pfandrechten vorgehende, Grundpfandrecht für die Grundstückgewinnsteuer des Kantons Zürich gemäss § 157 des zürch. Gesetzes über die direkten Steuern und § 194 lit. e EG/ZGB verstösst nicht gegen Bundesrecht (Art. 836 ZGB). Bedeutung dieser Bestimmung.

84 II 469 () from 22. Juli 1958
Regeste: 1. Gerichtsstand des Heimatortes für die Scheidungsklage. Art. 7 g Abs. 1 NAG. Diesen Gerichtsstand kann ein im Ausland wohnender schweizerischer Ehegatte in Anspruch nehmen, auch wenn er Doppelbürger ist, und zwar auch bei Wohnsitz in seinem andern Heimatstaat; - insbesondere die gebürtige Schweizerin, die durch Heirat mit einem Ausländer dessen Staatsangehörigkeit erworben und daneben ihr Schweizerbürgerrecht gemäss Art. 9 des Bürgerrechtsgesetzes von 1952 beibehalten hat. Unanwendbarkeit von Art. 22 Abs. 3 ZGB (Erw. 1). 2. Einrede des ausschliesslichen einheitlichen Scheidungsgerichtsstandes mit Berufung auf die Klage, die der in der Schweiz beklagte Ehegatte selbst an seinem Wohnsitz im Ausland erhoben hat. Einrede verworfen, weil die in der Schweiz angehobene Klage als erste rechtshängig geworden war (Erw. 2). 3. Einrede der abgeurteilten Sache gestützt auf das inzwischen ergangene Urteil über die im Ausland angehobene Klage. Voraussetzungen dieser Einrede nicht erfüllt (Erw. 3).

85 I 17 () from 21. Januar 1959
Regeste: Derogatorische Kraft des Bundesrechts. Eine kantonale Regelung des Spar- oder Vorzahlungsvertrages, wonach der Vertragsschluss einer behördlichen Bewilligung bedarf und diese nur erteilt wird, wenn der Vertrag in schriftlicher Form abgeschlossen ist und inhaltlich einer Reihe von die Vertragsfreiheit beschränkenden und in das Zivilrecht eingreifenden Vorschriften entspricht, ist bundesrechtswidrig.

85 I 73 () from 13. Mai 1959
Regeste: Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Entscheid, durch den eine vormundschaftliche Behörde die von einem Ehegatten nachgesuchte Zustimmung zu einem während der Ehe abgeschlossenen Ehevertrag erteilt hat, darf von der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde nicht ohne Anhörung dieses Ehegatten aufgehoben werden.

85 I 81 () from 29. April 1959
Regeste: Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung dürfen Steuern und Abgaben nur beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und lediglich in dem vom Gesetz festgelegten Umfang erhoben werden. § 43 der Vollziehungsverordnung vom 25. Oktober 1939 zum solothurnischen Gesetz betreffend die direkten Staats- und Gemeindesteuern vom 24. September 1939 ist gesetzwidrig.

85 I 91 () from 18. Februar 1959
Regeste: Doppelbesteuerung. 1. Die Einrede, ein Kanton habe sein Besteuerungsrecht durch verspätete Geltendmachung verwirkt, kann nur von den am Doppelbesteuerungsstreit beteiligten Kantonen, nicht vom Steuerpflichtigen selbst erhoben werden (Erw. 1). 2. Behandlung der Einmann-Immobiliengesellschaft, des Verkaufs ihrer sämtlichen Aktien und des dabei erzielten Gewinns imkantonalen und interkantonalen Steuerrecht. Anwendungsbereich der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Erw. 2). 3. Der beim Verkauf sämtlicher Aktien einer reinen Immobiliengesellschaft erzielte Gewinn untersteht der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons (Erw. 3).

85 I 137 () from 21. Oktober 1959
Regeste: Armenrecht. Art. 4 BV. Für das Rechtsöffnungsverfahren kann die unentgeltliche Prozessführung weder unmittelbar auf Grund von Art. 4 BV noch, wie ohne Willkür angenommen werden darf, auf Grund der Bestimmungen der ZPO über das Armenrecht beansprucht werden.

85 I 140 () from 17. Juni 1959
Regeste: Kantonaler Zivilprozess, Sicherstellung für Gerichtskosten und Parteientschädigung. Kantonale Bestimmung, wonach die Klagpartei kautionspflichtig ist, wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt, die sich in Liquidation befindet (§ 59 Ziff. 5 zürch. ZPO). Beschwerde wegen Willkür, rechtsungleicher Behandlung und Verletzung des Bundesrechts gegen den Entscheid, der auf Grund dieser Bestimmung auch die Konkursmasse einer Aktiengesellschaft kautionspflichtig erklärt.

85 I 191 () from 2. September 1959
Regeste: 1. a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann mit einer ergänzenden oder eventuellen staatsrechtlichen Beschwerde in gemeinsamer Eingabe vereinigt werden. b) Verletzungen der Bundesverfassung können gegenüber einem der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegenden kantonalen Entscheid zugleich mit diesem Rechtsmittel gerügt werden. Art. 104 Abs. 1 und Art. 107 OG (Erw. 1). 2. Wann ist ein blosser Zwischenentscheid oder eine prozessleitende Verfügung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar? Wann mit staatsrechtlicher Beschwerde? Art. 97 ff. und Art. 87 OG (Erw. 2).

85 I 204 () from 7. Oktober 1959
Regeste: Art. 4 BV. Rechtliches Gehör im Steuerverfahren. Auslegung kantonaler Verfahrensvorschriften. Anwendung der unmittelbar aus Art. 4 BV herzuleitenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs (Erw. 1). Grenzen der freien Rechtsfindung der Verwaltung und der Gerichte. Formelle Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus, der die Durchführung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert (Erw. 3). Das bündnerische Steuerverfahren schliesst die kumulative Einsprache nicht aus (Erw. 2-5).

85 I 225 () from 11. November 1959
Regeste: Eigentumsgarantie; Erfordernis der gesetzlichen Grundlage für die Auflage, dass beim Bau eines neuen Gebäudes genügend Einstellplätze für Motorfahrzeuge errichtet werden. Vorschriften, die dem Gemeinwesen die Strassenpolizei übertragen und die Sicherheit des Verkehrs gefährdende Vorrichtungen verbieten, stellen keine genügende gesetzliche Grundlage dar.

85 I 276 () from 25. März 1959
Regeste: Kantonale Handänderungsabgabe, Willkür. Kantonale Vorschrift, wonach beim "Übergang von Grundstücken auf einen neuen Eigentümer" eine Handänderungsgebühr zu entrichten ist. Anwendung auf die Begründung eines selbständigen und dauernden Baurechts.

85 I 282 () from 2. Dezember 1959
Regeste: Art. 89 OG. Beschwerdefrist bei Zulassung zum Eid. Das "bedingte Urteil" im Sinne des § 160 der baselstädtischen ZPO umfasst einen Beweisbescheid auf Abnahme eines Beweismittels (Eid, Handgelübde) einerseits, ein alternatives Sachurteil auf Gutheissung oder Abweisung der Klage anderseits. Mit Bezug auf den Beweisbescheid läuft die Beschwerdefrist von der Eröffnung des "bedingten Urteils" an, mit Bezug auf das Sachurteil von dem Zeitpunkt an, da der vorbehaltene Beweis geleistet bzw. nicht erbracht worden ist.

86 I 4 () from 30. März 1960
Regeste: Art. 4 BV. Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus im Zivilprozess. Ist die von emem Vertreter abgegebene Appellationserklärung ungültig, weil er nicht spätestens gleichzeitig eine schriftliche Vollmacht eingereicht hat?

86 I 10 () from 20. Januar 1960
Regeste: Kantonales Steuerrecht. Willkür. Wohnsitz und allgemeines Steuerdomizil des (von seiner Ehefrau seit Jahren völlig getrennt lebenden) Schweizers, der Angestellter einer schweizerischen Maschinenfabrik ist, für diese seit zehn Jahren im Ausland an verschiedenen Orten Montagearbeiten leistet und gelegentlich für Ferienaufenthalte und zu Instruktionszwecken in die Schweiz zurückkehrt.

86 I 18 () from 2. März 1960
Regeste: Kantonale Handänderungsabgabe, Willkür. Kantonale Bestimmung, wonach beim "Übergang von Grundstücken auf einen neuen Eigentümer" eine Handänderungsgebühr zu entrichten ist. Anwendung auf den durch Kaufvertrag erfolgten Übergang einer Liegenschaft von einer aufgelösten G.m.b.H. an eine neu gegründete A.-G. Anwendungsbereich der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Handänderungsabgaberecht.

86 I 38 () from 7. April 1960
Regeste: Art. 86 Abs. 2, Art. 87 OG. Ausnahme vom Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs, wenn die Ergreifung des kantonalen Rechtsmittels eine reine Formalität bliebe. Mit der Beschwerde gegen den Endentscheid kann auch ein ihm vorausgegangener Zwischenentscheid angefochten werden, soweit er noch Bedeutung hat.

86 I 86 () from 16. März 1960
Regeste: Kantonaler Zivilprozess; Zeugnisverweigerungsrecht. 1. Ist die Vorschrift, wonach der Richter die Zeugen über das Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren hat, eine Ordnungs- oder eine Gültigkeitsvorschrift? (Erw. 2). 2. Auslegung einer Vorschrift, wonach die Partei und die mit ihr nahe verwandten Zeugen die Antwort auf Fragen über solche Tatsachen verweigern können, welche die Ehre der Partei berühren. Die Annahme, ausserehelicher Geschlechtsverkehr sei für eine ledige Frau auf keinen Fall ehrenrührig, ist unhaltbar und willkürlich (Erw. 3).

86 I 101 () from 25. Mai 1960
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Verweigerung einer Baubewilligung.

86 I 137 () from 1. Juni 1960
Regeste: Art. 4 BV; Art. 322 ZGB. Die von den Erben des ausserehelichen Vaters geschuldeten Unterhaltsbeiträge an das aussereheliche Kind werden durch die Waisenrenten der Sozialversicherung (SUVA, AHV) nicht getilgt.

86 I 146 () from 16. Juni 1960
Regeste: Art. 88 OG. Inwieweit ist ein Grundeigentümer zur Anfechtung einer der Eröffnung oder Durchführung einer Güterzusammenlegung oder Baulandumlegung dienenden Anordnung legitimiert?

86 I 187 () from 3. Juni 1960
Regeste: Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung, BG vom 16. März 1955. 1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Gründe. Bleibt neben diesem Rechtsmittel Raum für eine staatsrechtliche Beschwerde? (Erw. 2, 3). 2. Zuständigkeit des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft (Erw. 4). 3. Bedingte Bewilligung des Betriebes einer Kiesgrube im Einzugsgebiet von Grundwasserfassungen (Erw. 5-13). 4. Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Erw. 14).

86 I 272 () from 23. November 1960
Regeste: Art. 4 und 31 BV. Handels- und Gewerbefreiheit; Grundsatz der Verhältnismässigkeit polizeilicher Eingriffe und der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. 1. Vorschriften. welche die Schliessung der Ladengeschäfte an einem Werktag anordnen, um dem Personal die nötige Freizeit zu sichern, halten vor Art. 31 BV stand (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 1). 2. In entsprechender Weise können die Gastwirtschaften zur Schliessung an einem Tag der Woche verpflichtet werden (Erw. 2). Wie weit kann dieses Gebot auf Hotelbetriebe Anwendung finden? (Erw. 3).

86 I 281 () from 21. Dezember 1960
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen rechtswidriger Begünstigung Dritter durch einen kantonalen Erlass. Präzisierung der Rechtsprechung (Erw. 1). Rechtsgleichheit. Handels- und Gewerbefreiheit. Kantonales Gesetz, das den Zahntechnikern, die eine besondere Prüfung bestehen, die Abdrucknahme für die Herstellung von Gebissen und die Einpassung derselben gestattet. Die Übergangsbestimmung, welche diese Prüfung denjenigen Zahntechnikern erlässt, die bisher jahrelang verbotenerweise solche Arbeiten im Munde der Patienten vorgenommen haben, verstösst gegen Art. 4 und 31 BV (Erw. 2).

86 II 235 () from 30. Juni 1960
Regeste: Notwegrecht (Art. 694 ZGB). Entstehung. Benützung des Weges vor Eintragung des gemäss Entscheid der zuständigen Behörde einzuräumenden Notwegrechts. Inhalt des gesetzlichen Anspruchs auf einen Notweg. Wahl zwischen mehrern Wegen, die dem Kläger einen genügenden Zugang zur öffentlichen Strasse vermitteln; Vorrang der Interessen des Beklagten. Kann der Kläger auf einen Weg verwiesen werden, der nicht unmittelbar über das Land des Beklagten zur öffentlichen Strasse führt, sondern auch noch das Land eines Dritten beansprucht, dem gegenüber der Kläger kein Wegrecht besitzt, der aber gezwungen ist, dem Kläger den Durchgang zu gestatten, damit dieser ihm Gegenrecht gewährt? Neuregelung des Notwegrechts im Fall einer Veränderung der Verhältnisse.

87 I 3 () from 25. Januar 1961
Regeste: Art. 4 BV. Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus im Zivilprozess. Auslegung von § 283 Abs. 1 thurg. ZPO, wonach die Berufungserklärung gegen Urteile der Bezirksgerichte bei deren Kanzlei abzugeben ist. Unhaltbarrkeit der Annahme, dass eine am letzten Tag der Berufungsfrist der Post übergebene Berufungserklärung deshalb, weil sie an das Bezirksgericht und nicht an die Bezirksgerichtskanzlei adressiert war, nicht rechtzeitig bei der zu ihrer Entgegennahme zuständigen Behörde eingegangen und auf sie daher nicht einzutreten sei.

87 I 10 () from 1. März 1961
Regeste: Art. 4 BV und Art. 81 Lit. A Ziff. 1 solothurn. KV. Die rechtsanwendende Behörde darf nur dann vom klaren Wortlaut eines Rechtssatzes abweichen, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Anwendung dieses Grundsatzes auf die Auslegung einer zunächst in einem Gesetz aufgestellten und dann in die Kantonsverfassung aufgenommenen Bestimmung betreffend die Befreiung von der Erbschaftssteuer.

87 I 61 () from 1. Februar 1961
Regeste: 1. Art. 86 Abs. 2 und 3 OG. Muss die staatsrechtliche Beschwerde auch dann in erster Linie gegen den Entscheid über das ausserordentliche kantonale Rechtsmittel und nicht gegen das ihm zugrunde liegende Sachurteil gerichtet werden, wenn der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft zu werden braucht, der Beschwerdeführer aber gleichwohl vom kantonalen Rechtsmittel Gebrauch gemacht hat? Frage offen gelassen (Erw. 2). 2. Art. 61 BV hat nicht nur die Vollstreckung, sondern auch die Anerkennung von Urteilen anderer Kantone zum Gegenstand; den Urteilen sind der Vergleich, die Klageanerkennung, der Klagerückzug und die Klageverwirkung gleichzusetzen (Erw. 3). 3. Die Gerichte eines Kantons haben das Recht eines andern Kantons dort, wo es Platz greift, von Amtes wegen anzuwenden (Erw. 4 a). 4. Einwendungen gegen die Vollstreckung und Anerkennung von Urteilen anderer Kantone (Erw. 5). Die Vereinbarung eines Gerichtsstands schliesst im Zweifel die Klage am Wohnsitz der beklagten Partei nicht aus (Erw. 5 a).

87 I 73 () from 29. März 1961
Regeste: Schweiz./deutsches Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929. Art. 6: Ob ein auf Geldzahlung lautendes Urteil in der Schweiz zu vollstrecken sei, ist von Bundesrechts wegen (Art. 81 Abs. 3 SchKG) im Rechtsöffnungsverfahren zu entscheiden (Erw. 1). Art. 2 Ziff. 2: Wirkungsdauer der in einem zivilrechtlichen Vertrag enthaltenen Gerichtsstandsklausel (Erw. 5). Art. 4 Abs. 1: Der für das Verfahren vor Landgerichten und höheren deutschen Gerichten geltende Anwaltszwang verstösst nicht gegen den schweizerischen ordre public (Erw. 6 b). Art. 7 Ziff. 1: Die Ausfertigung eines deutschen Versäumnisurteils gilt auch dann, wenn sie keine Entscheidungsgründe enthält, als "vollständig" (Erw. 6 c).

87 I 97 () from 8. März 1961
Regeste: Art. 4 BV; Art. 80 und 131 SchKG; Art. 60 VVG. Das Urteil, das den Versicherungsnehmer zu Schadenersatzleistungen an den Geschädigten verpflichtet, stellt für den Geschädigten, der sich die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer hat abtreten lassen und diesen nun dafür betreibt, keinen Rechtsöffnungstitel dar.

87 I 100 () from 3. Mai 1961
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV. Voraussetzungen nach Art. 87 OG. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Erw. 1 und 3). Anspruch auf rechtliches Gehör. Glarnerisches Rechtbot. Verhältnis des bundesrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör zu den kantonalen Verfahrensvorschriften (Erw. 4). Rechtsnatur und Wirkungen des glarnerischen Rechtbots (Erw. 5). Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (und des kantonalen Zivilprozessrechts?) durch Erlass eines Spezialrechtbots (Verbot gegen bestimmte Personen, § 288 Abs. 2 glar. ZPO) auf einseitiges Begehren einer Partei ohne Anhörung der Gegenpartei (Erw. 6 und 7). Formelle Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Erw. 8).

87 I 153 () from 21. Juni 1961
Regeste: Art. 4 BV. Rechtliches Gehör in Verwaltungssachen. Der Enteignete hat einen Anspruch darauf, angehört zu werden, bevor die zuständige Behörde dem Enteigner die vorzeitige Besitzeinweisung bewilligt.

87 I 157 () from 8. März 1961
Regeste: Kantonales Steuerrecht, Willkür Handänderungssteuer mit progressivem Satz. Nach solothurnischem Recht bildet das einzelne übertragene Grundstück die Berechnungsgrundlage für den Steuersatz. Die Abgabewerte mehrerer gleichzeitig (oder annähernd gleichzeitig) erworbener Grundstücke dürfen nur dann zusammengerechnet werden, wenn diese zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengewachsen sind und sie als einheitliches Wirtschaftsgut in den Handel gebracht werden.

87 I 163 () from 12. Juli 1961
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Steuerentscheid wegen Verletzung des in einem Niederlassungsvertrag mit dem Ausland enthaltenen Gundsatzes der Gleichbehandlung. Zuständigkeit und Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1 und 3). Kantonales Steuerrecht. Willkür. Kantonale Bestimmung, wonach die Erbschaftssteuer für die nach ZGB mit Standesfolge anerkannten Kinder 1% und für Adoptivkinder 4% beträgt. Welcher Satz gilt für aussereheliche Kinder, welche ein deutscher Staatsangehöriger nach deutschem Recht adoptiert hat, weil die Legitimation durch Heirat mit der Mutter sowie die Anerkennung mit Standesfolge nach Art. 303 ZGB unmöglich waren und die Ehelichkeitserklärung nach deutschem Recht ausgeschlossen schien? (Erw. 4 und 5.)

87 I 172 () from 10. Mai 1961
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde aus Art. 4 BV gegen Zwischentscheide (Art. 87 OG). Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Entscheid, mit dem eine Steuerrekursbehörde eine Sache in Gutheissung eines Wiedererwägungsgesuchs des Fiskus an die untere Instanz zurückweist, soweit mit der Beschwerde die Zulässigkeit des Wiedererwägungsgesuchs angefochten wird (Erw. 2). Revision von kantonalen Steuerentscheiden. Art. 4 BV. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Steuerrekursbehörden ohne gesetzliche Grundlage auf Wiedererwägungsgesuche des Fiskus gegen ihre Entscheide eintreten und diese zum Nachteil des Steuerpflichtigen abändern? (Erw. 3).

87 I 213 () from 5. Juli 1961
Regeste: Art. 88 OG. Die Neufestsetzung der Gemeindegrenzen kann von der Gemeinde nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.

87 I 241 () from 3. Mai 1961
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses an der Beschwerdeführung; Ausnahmen (Erw. 2). Formelle Rechtsverweigerung. Liegt eine solche vor, wenn eine Behörde über ein Feststellungsbegehren nicht im Dispositiv entscheidet und zu den damit aufgeworfenen Fragen nur in den Motiven ihres Entscheids Stellung nimmt (Erw. 3)? Fremdenpolizeirecht, Willkür. Gesuch eines Arbeitsgebers um Erteilung der Bewilligung zur Anstellung ausländischer Arbeitskräfte. Für die Beurteilung dieses Gesuchs massgebende Gesichtspunkte Erw. 6).

87 I 268 () from 4. Oktober 1961
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit, Reklame. Befugnis des Gewerbetreibenden zur Reklame, insbesondere zum Hinweis auf besondere Vorzüge der angebotenen Waren und Dienste. Grenzen der Reklame. Anwendung auf die Vermietung von Zimmern an Passanten und Feriengäste.

87 I 275 () from 12. Juli 1961
Regeste: Filmzensur; Vereins- und Pressfreiheit, Willkür, rechtsungleiche Behandlung. 1. Das Bundesgericht kann die kantonalen Behörden anweisen, eine zu Unrecht verweigerte Polizeierlaubnis zu erteilen (Erw. 1). 2. Zulässigkeit und Tragweite einer Vereinbarung zwischen den Behörden und einem Filmklub über die Handhabung der Filmzensur? (Erw. 2). 3. Anwendung der für öffentliche Filmvorführungen vorgeschriebenen Vorzensur auf die von einem Filmklub ausschliesslich für seine Mitglieder veranstalteten Vorführungen. Verletzung des kantonalen Rechts und des allgemeinen Grundsatzes, dass die Privatsphäre der polizeilichen Kontrolle entzogen ist? (Erw. 3 a.) Verletzung der Vereinsfreiheit oder der Pressfreiheit? (Erw. 3 b und 4.) 4. Unterstehen die Vorführungen des Filmklubs der Zensur, so gebietet die Rechtsgleichheit, dass ihm auch die den Kinobesitzern eingeräumten kantonalen Rechtsmittel gegen Zensurmassnahmen zur Verfügung stehen müssen (Erw. 5).

87 I 326 () from 15. September 1961
Regeste: Einspruch gegen Liegenschaftskäufe. Die Kantone können das Einspracherecht in einem engeren Umfang einführen, als es nach Art. 19 und 21 EGG möglich wäre (Erw. 1 und 2). Kantonale Ordnung, welche die in Art. 19 Abs. 1 lit. a und b EGG vorgesehenen Einspruchsgründe der Spekulation und des Güteraufkaufs nur beschränkt zulässt, insbesondere den Einspruch allgemein dann ausschliesst, wenn der Käufer des landwirtschaftlichen Heimwesens oder Grundstücks es selber bewirtschaften kann und will. Anwendung im Falle eines Bauern, der bereits Eigentümer eines Heimwesens ist und ein weiteres hinzukauft (Erw. 2-4).

87 I 337 () from 8. November 1961
Regeste: Disziplinarische Entlassung von Schülern aus der öffentlichen Sekundarschule. Art. 4 BV. Anspruch der Eltern auf rechtliches Gehör im Entlassungsverfahren. Darf die Entlassung ohne vorherige Verwarnung verfügt werden?

87 I 349 () from 29. Juni 1961
Regeste: Art. 31 BV. Reklame an Tankstellen. Die Anordnung, dass Tankstellen nur zwei von der Strasse aus sichtbare Markenkennzeichen führen dürfen, von denen das eine auf eine Benzinmarke und das andere auf die vom Betriebsinhaber vertretene Automarke entfällt, verfügt über eine gesetzliche Grundlage; sie ist trotz gewisser Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb polizeilicher Natur.

87 I 362 () from 17. Mai 1961
Regeste: Eigentumsgarantie, Art. 4 BV. Die Abwehr übermässiger Immissionen ist auch Sache des öffentlichen Rechts. Polizeilicher Schutz vor Ruhestörung und Geruchsbelästigung.

87 I 371 () from 25. Oktober 1961
Regeste: Art. 87 OG: Nichtanfechtbarkeit des Zwischenentscheides, mit dem im Sinne von § 272 luz. ZPO die Revision bewilligt wird.

87 I 441 () from 22. November 1961
Regeste: fzArt. 4 BV; Verordnung über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. Der Mieter, der die Mietsache dauernd untervermietet, hat keinen Anspruch auf Kündigungsschutz; der Untermieter seinerseits ist dem Eigentümer gegenüber mietnotrechtlich nicht geschützt.

87 I 515 () from 13. Dezember 1961
Regeste: Eigentumsgarantie, Art. 4 BV. Wann liegt ein "schönes Landschaftsbild" im Sinne kantonaler Natur- und Heimatschutzvorschriften vor?

87 II 364 () from 12. Dezember 1961
Regeste: Haftung des (Armen-)Anwalts (Art. 398 OR) für die Folgen der Versäumung der Frist für die Vaterschaftsklage (Art. 308 ZGB). Pflichten des Anwalts im Falle, dass Zweifel darüber bestehen können, ob die Frist durch ein vor seiner Beauftragung gestelltes Gesuch um Ladung zu einem Aussöhnungsversuch gewahrt sei. Schaden infolge Verletzung dieser Pflichten. Nachweis, dass die Vaterschaftsklage bei Einhaltung der Frist geschützt worden wäre. Ist die Ersatzpflicht wegen nur leichter Fahrlässigkeit des Anwalts (Art. 43 Abs. 1 OR) oder wegen Mitverschuldens seiner Klienten (Art. 44 Abs. 1 OR) zu ermässigen?

88 I 1 () from 31. Januar 1962
Regeste: Sperrfrist für die Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke (Art. 218 OR). Begriff des von der Sperrfrist ausgenommenen "Baulandes" im Sinne von Art. 218 Abs. 2 OR.

88 I 11 () from 11. April 1962
Regeste: Art. 4 BV. Rechtliches Gehör. Bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen braucht den Parteien nicht der volle Rechtsschutz eines ordentlichen Prozessverfahrens gewährt zu werden. Anforderungen an die Glaubhaftmachungdes Anspruchs des Gesuchstellers (Erw. 5 a). Beweislastverteilung (Erw. 5 b). Fristansetzung zur Anhebung des ordentlichen Prozesses (Erw. 6).

88 I 18 () from 24. Januar 1962
Regeste: Art. 4 BV. Benutzung der öffentlichen Gewässer im Gemeingebrauch. Wenn das vom Staat auf Grund seines Regals verliehene Recht des Fischfangs auf einer bestimmten Flussstrecke während des übungs- und wettkampfmässigen Befahrens dieser Strecke mit bestimmten Booten nicht ausgeübt werden kann, darf die mit der Oberaufsicht über die öffentlichen Gewässer betraute kantonale Behörde diese Übungs- und Wettfahrten zeitlich beschränken, gleichgültig ob es sich dabei um einfachen oder gesteigerten Gemeingebrauch handelt.

88 I 57 () from 23. Mai 1962
Regeste: Monopol für Hausinstallationen. Art. 31 BV. 1. Ist es mit Art. 31 BV vereinbar, dass eine Gemeinde das tatsächliche Monopol der Belieferung mit Wasser, Gas oder Elektrizität auf die Ausführung von Hausinstallationen ausdehnt? (Erw. 3). 2. Wenn eine Gemeinde sich mit Hausinstallationen überhaupt nicht befasst, diese ganz dem privaten Gewerbe überlässt und sich darauf beschränkt, Installationsvorschriften zu erlassen, deren Einhaltung zu kontrollieren und die Ausführung von Installationen der Bewilligungspflicht zu unterwerfen, kann von einem Monopol nicht die Rede sein und geniesst das Installationsgewerbe den Schutz des Art. 31 BV (Erw. 4, 5). 3. Eine solche Gemeinde darf die Erteilung der Bewilligung für Wasserinstallationen an einen in einer Nachbargemeinde ansässigen Installateur nicht davon abhängig machen, dass er in der Gemeinde einen im Handelsregister eingetragenen Geschäftssitz (Hauptsitz oder Zweigniederlassung) aufweise und eine Werkstätte besitze (Erw. 6).

88 I 71 () from 16. Mai 1962
Regeste: Beschränkung des Kündigungsrechts. Art. 2 Üb.-Best. der BV und Art. 4 BV. Die Kantone dürfen bei der Einführung der bundesrechtlichen Beschränkungen des Kündigungsrechts nicht nurderen örtlichen, sondern, auch den sachlichen Geltungsbereich beschränken. Eine kantonale Bestimmung, nach welcher diese Beschränkungen nur für Mietverträge über Wohnungen mit einem Jahreszins bis zu einem bestimmten Betrag gelten, ist daher nicht bundesrechtswidrig (Erw. 2). Verstösst eine solche Bestimmung gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit? (Erw. 3).

88 I 141 () from 24. Oktober 1962
Regeste: Art. 4 BV; Art. 35 lit. c VMK. Die Kündigung einer für einen Arbeitnehmer benötigten Wohnung ist gerechtfertigt, wenn die Betriebsführung erheblich erschwert würde, falls der Arbeitnehmer nicht in der betreffenden Wohnung untergebracht werden könnte.

88 I 144 () from 24. Oktober 1962
Regeste: Art. 4 BV, Armenrecht. Der Entscheid darüber, ob eine Partei im Vaterschaftsprozess Anspruch auf Anordnung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung habe, ist dem Sachrichter vorbehalten und darf nicht vom Richter vorweggenommen werden, der über das Armenrecht zu befinden hat.

88 I 145 () from 10. Juli 1962
Regeste: Zonenplan. Rechtsungleiche Behandlung. Darf ein Zonenplan eine grössere als für das übrige Gebiet einer Zone geltende Bodenausnützung vorsehen für ein Grundstück, dessen Eigentümer auf die Verwirklichung eines nach den bisherigen Zonenvorschriften zulässigen Bauprojektes verzichtet hat im Hinblick auf die daraufhin in Angriff genommene Revision des Zonenplans und im Vertrauen auf die in der Folge nicht eingehaltene behördliche Zusicherung über die nach dem revidierten Zonenplan zulässige Ausnützung.

88 I 149 () from 23. Mai 1962
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde, Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Dass das fakultative Referendum gegen ein Gesetz nicht ergriffen wurde, schliesst die staatsrechtliche Beschwerde gegen das Gesetz nicht aus (Erw. 2). Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Gesetzes; Zulässigkeit der Gesetzesdelegation. Art. 45, 59 und 60 luzern. K V. Art. 4 BV. Kantonale Verfassungsbestimmung, wonach die Mitglieder des Grossen Rates für ihre Teilnahme an den Rats- und Kommissionssitzungen ein Taggeld nebst Reiseentschädigung beziehen und "ein Gesetz das Nähere bestimmt". Kann dieses Gesetz a) den Grossen Rat ermächtigen, die Höhe des Taggeldes und der Reiseentschädigung in einem (dem fakultativen Referendum nicht unterstehenden) Dekret festzusetzen? (Erw. 4). b) dem Rats- und den Kommissionspräsidenten sowie den Mitgliedern gewisser Kommissionen Zulagen zum ordentlichen Taggeld gewähren? (Erw. 5).

88 I 202 () from 26. September 1962
Regeste: Art. 4 BV; Art. 218 OR. Die Annahme, die Sperrfrist für die Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke beginne auch mit dem Eigentumswechsel infolge Erbgangs zu laufen, ist nicht willkürlich.

88 I 207 () from 21. November 1962
Regeste: Art. 4 BV. Willkür. Beschränkung des Kündigungsrechts im Geltungsbereich der Mietzinsüberwachung. Verhältnis von Art. 63 Abs. 1 zu Art. 64 VMK.

88 I 217 () from 10. Oktober 1962
Regeste: Kantonale Handänderungssteuer; Willkür. Verkauf von Bauland in Verbindung mit einem Werkvertrag, durch den sich der Verkäufer verpflichtet, auf dem verkauften Land ein Gebäude zu erstellen. Berechnung der Handänderungssteuernur auf dem Kaufpreis für das Land oder auf dem Gesamtpreis für das Land und das Gebäude?

88 I 224 () from 31. Oktober 1962
Regeste: Art. 4 BV. Voraussetzungen für den Widerruf oder die Abänderung einer Baubewilligung nach Beginn der Bauarbeiten.

88 I 260 () from 14. November 1962
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. 1. Die Beschwerde gegen Vollzugs- und Bestätigungsakte ist grundsätzlich nur insoweit, als diese selbständig ein verfassungsmässiges Recht verletzen, nicht auch wegen Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Verfügungen zulässig. Eine Ausnahme gilt nur für Beschwerden wegen Verletzung unverzichtbarer und unverjährbarer Rechte, zu denen nicht nur die Niederlassungsfreiheit, sondern noch weitere fundamentale Rechte gehören (Erw. 1). 2. Selbständige Verfügung oder blosser Vollzugsakt? (Erw. 2). Persönliche Freiheit. Bedeutung ihrer Gewährleistung in den Kantonsverfassungen (Erw. 3).

88 I 303 () from 7. Dezember 1962
Regeste: Rindviehzucht: Zuchtstierschau, Herdebuchwesen (Landwirtschaftsgesetz vom 3. Oktober 1951 und Verordnung des Bundesrates vom 29. August 1958). 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Beschwerdegründe und Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1-3). 2. Ausschluss eines Stiers von der Verwendung zur Zucht. Gesetzmässigkeit der Verordnungsvorschriften über die Organisation des Herdebuchwesens und die gebietsweise Beschränkung der staatlichen Förderung der Viehrassen (Erw. 4-11).

88 II 252 () from 10. Mai 1962
Regeste: 1. Sinn und Tragweite der Artikel 686, 695, 696 und 702 ZGB (Erw. 1 und 2). 2. Der Eigentümer, und ebenso der Inhaber eines Baurechts, ist grundsätzlich im Rahmen der geltenden Bauvorschriften in der baulichen Gestaltung des Grundstücks frei. Das blosse Vorhandensein einer Baute oder baulichen Anlage erzeugt keine Einwirkungen auf andere Grundstücke im Sinne des Art. 684 ZGB. Voraussetzungen der Anwendung des Art. 679 ZGB gegenüber einem Eigentümer oder Bauberechtigten. (Erw. 3). 3. Grund und Gegenstand eines Anspruchs auf Beseitigung nach Art. 641 Abs. 2 ZGB (Erw. 4). 4. Pflicht zur Einfriedigung, kantonales Recht, Art. 697 Abs. 2 ZGB (Erw. 5). 5. Altrechtliche Dienstbarkeit. Inwieweit fällt neben dem Grundbucheintrag der Dienstbarkeitsvertrag in Betracht? Inwieweit ist eidgenössisches, inwieweit kantonales Recht anwendbar? Ausfüllung von Vertragslücken bei einer "ungemessenen" Dienstbarkeit. (Erw. 6, a bis d). Mehrbelastung im Sinne des Art. 739 ZGB, Kriterien (Erw. 6, e).

88 II 386 () from 18. September 1962
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege, Art. 152 OG, kann von juristischen Personen nicht beansprucht werden.

89 I 1 () from 27. Februar 1963
Regeste: Armenrecht. Art. 4 BV. Wird ein Kind von seinem Vater auf Anfechtung der Ehelichkeit belangt und ist ihm daher zur Wahrung seiner Interessen im Prozess gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB ein Beistand zu ernennen, so ist dieses Amt einer Person zu übertragen, die den Prozess selber führen kann. Nur wenn eine solche im Vormundschaftskreise nicht zu finden ist, hat das Kind Anspruch auf Beigabe eines Armenanwaltes.

89 I 8 () from 13. Februar 1963
Regeste: Sperrfrist für die Weiterveräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke. Voraussetzungen der Ausnahmebewilligung nach Art. 22.18bis OR. Umfang des Ermessens der Bewilligungsbehörde. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts.

89 I 11 () from 13. Februar 1963
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde (Art. 87 und 88 OG). Voraussetzungen der Willkürbeschwerde gegen einen Zwischenentscheid (Erw. 1). Legitimation des Inhabers eines Baurechts zur 8cschwerde wegen Verweigerung der Baubewilligung (Erw. 2). Rechtliches Gehör in Verwaltungssachen. Wer um eine Ausnahmebewilligung (hier: für ein Bauvorhaben) nachsucht und dabei seine Auffassung darlegen kann, hat keinen Anspruch, sich zu den daraufhin von der Bewilligungsbehörde eingeholten internen Berichten zu äussern (Erw. 3). Willkür, rechtsungleiche Behandlung. Verweigerung der Bewilligung zur Umwandlung der für landwirtschaftliche Zwecke benutzten Ein- und Ausfahrt an einer öffentlichen Strasse in eine solche für eine Tankstelle und Service-Station (Erw. 4-6).

89 I 20 () from 13. März 1963
Regeste: Art. 4 BV. Baubewilligungsverfahren. Es ist nicht willkürlich, wenn der Regierungsrat als Rekursinstanz ein Baugesuch auf Grund des zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Gemeindebaureglementes beurteilt und ein von der Gemeinde erlassenes, ihm zur Genehmigung unterbreitetes, aber von ihm (noch) nicht genehmigtes neues Baureglement nicht berücksichtigt, gleichgültig aus welchen Gründen er es (noch) nicht genehmigt hat.

89 I 27 () from 23. Januar 1963
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit. Rechtsgleichheit. Ladenschluss. Allgemein verbindlicher Erlass. Art. 4 und 31 BV, 84 OG 1. Der Beschluss eines Berufsverbandes über die Schliessung gewisser Ladengeschäfte stellt nach seiner Genehmigung durch die kantonale Behörde einen allgemein verbindlichen Erlassdar, der mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann (Erw. 1). 2. Polizeiliche Massnahmen im Sinne von Art. 31 Abs. 2 BV dürfen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzen und müssen die unmittelbar miteinander konkurrierenden Gewerbegenossen gleich behandeln. Diesen Grundsätzen entspricht eine Massnahme, welche - die Schliessung der Apotheken an einem halben Werktag pro Woche anordnet, um dem Personal die gesetzlich vorgeschriebene Freizeit zu verschaffen, auch wenn für die Drogerien keine entsprechende Anordnung getroffen wird; - die Festsetzung des Schliessungshalbtags und seine Verlegung von einer polizeilichen Bewilligung abhängig macht; - jede Warenlieferung während des Schliessungshalbtages verbietet (Erw. 2-4). 3. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit ist nicht verletzt, wenn die wöchentliche Schliessung an einem halben Werktag den Apotheken vorgeschrieben wird, gegenüber anderen freien Berufen aber keine entsprechenden Massnahmen getroffen werden.

89 I 65 () from 30. Januar 1963
Regeste: Gerichtsstandsklausel. Die Annahme, die Vereinbarung eines Gerichtsstandes schliesse die Klage am ordentlichen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten nicht aus - verstösst nicht gegen die Art. 58 und 59 BV (Erw. 1). - ist in casu mit dem Wortlaut und Sinn der Klausel vereinbar und nicht willkürlich (Erw. 2).

89 I 71 () from 18. April 1963
Regeste: Ka ntonales Zivilprozessrecht, Willkür, rechtsungleiche Behandlung. Kantonale Bestimmung, wonach die während der Gerichtsferien ablaufenden Fristen bis zum siebenten Tage nach dem Ende der Ferien verlängert werden. Wann endigen die in den ersten Tagen nach den Gerichtsferien ablaufenden Fristen?

89 I 80 () from 20. März 1963
Regeste: Wahlbeschwerde. 1. Zu den "kantonalen Wahlen" im Sinne von Art. 85 lit. a OG gehören auch die Gemeindewahlen (Erw. 1). 2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Wahlbeschwerden (Erw. 3). 3. Wann hat die Unterlassung des Einspruchs gegen das Wahl- und Abstimmungsverfahren die Verwirkung des Rechts zur Anfechtung des Wahl- oder Abstimmungsergebnisses wegen Verfahrensmängeln zur Folge? (Erw. 4). 4. Gemeinsamer Gemeinderat zweier für die Verwaltung vereinigter Gemeinden des Kantons Freiburg. Sind, beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung, die Mitglieder des Gemeinderates durch beide Gemeinden gemeinsam zu wählen, oder hat jede Gemeinde nur die auf sie entfallenden Mitglieder zu wählen? (Erw. 5).

89 I 92 () from 20. März 1963
Regeste: Persönliche Freiheit. Blutuntersuchung im Ehelichkeitsanfechtungs- und im Vaterschaftsprozess. 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Beweisbeschluss, durch den die Blutuntersuchung angeordnet wird (Erw. 1). 2. Legitimation des dem Kind im Ehelichkeitsanfechtungsprozess bestellten Beistands, sich der Blutentnahme beim Kind zu widersetzen (Erw. 2). Rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Beistands? (Erw.5). 3. Die persönliche Freiheit wird durch das ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes gewährleistet (Erw. 3). 4. Die Blutentnahme für eine Untersuchung stellt einen Eingriff in die durch die persönliche Freiheit geschützte körperliche Unversehrtheit dar. Die Pflicht zur Hergabe von Blut in einem Zivilprozess darf daher nur beim Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage, nicht in Ausfüllung einer Gesetzeslücke angenommen werden (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 4).

89 I 125 () from 2. Februar 1963
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG). Urteile der Kammern des Obergerichts des Kantons Luzern können wegen willkürlicher Beweiswürdigung, Aktenwidrigkeitoder Willkür in der Anwendung oder Auslegung kantonaler Prozessvorschriften mit staatsrechtlicher Beschwerde erst angefochten werden, nachdem beim Gesamtobergericht Kassationsbeschwerde geführt worden ist.

89 I 153 () from 10. Juli 1963
Regeste: Art. 4 BV. Namensänderung, rechtliches Gehör. Der Vater, dem bei der Scheidung die elterliche Gewalt entzogen worden ist, hat grundsätzlich Anspruch darauf, von der Begründung des für seine Kinder gestellten Namensänderungsgesuches Kenntnis zu erhalten und dazu im einzelnen Stellung zu nehmen; er ist nicht bloss nach seiner Zustimmung zu befragen.

89 I 158 () from 12. Juni 1963
Regeste: Armenrecht. Art. 4 BV. Voraussetzungen des bundesrechtlichen Armenrechtsanspruchs (Erw. 2). Aussichtslosigkeit eines Verantwortlichkeitsprozesses gegen einen Anwalt, der es im Vaterschaftsprozess als Vertreter von Mutter und Kind unterlassen hat, einen Antrag auf Durchführung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung zu stellen? (Erw. 3).

89 I 170 () from 12. Juni 1963
Regeste: Kantonales Enteignungsrecht, Art. 4 BV. Rückforderungsrecht des Enteigneten mangels Verwendung der enteigneten Sache für den bei der Enteignung vorgesehenen Zweck. Eine Verlängerung der Verwendungsfrist ist nach basellandschaftlichem Recht auch noch nach Ablauf der Frist möglich (Erw. 2). Unverschuldete Unmöglichkeit der Werkvollendung innert Frist (Erw. 3).

89 I 188 () from 5. Juni 1963
Regeste: Eigentumsgarantie. Baubeschränkungen in der Landwirtschaftszone: Die gesetzliche Grundlage ist vorhanden, wenn sich das kantonale Gesetzesrecht ohne Willkür so auslegen lässt, dass darauf die im Baureglementder Gemeinde vorgesehenen Eigentumsbeschränkungen gestützt werden können (Erw. 1). - Öffentliches Interesse; Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes (Erw. 2). Zoneneinteilung: Ermessen der Gemeinden bei der Abgrenzung der Zonen (Erw. 3).

89 I 201 () from 20. März 1963
Regeste: Legitimation der Gemeinde zur staatsrechtlichen Beschwerde. Gemeindeautonomie. 1. Als Trägerin öffentlicher Gewalt ist die Gemeinde zur staatsrechtlichen Beschwerde nur legitimiert, wenn sie ihre Autonomieverteidigt oder wenn sie Entscheidungen anficht, durch welche ihre Existenz oder der Bestand ihres Gebietes in Frage gestellt werden. Wann ist letzteres der Fall? (Erw. 1). 2. Den Entscheid, durch welchen eine kantonale Behörde den bisher bestrittenen Verlauf der Grenze zwischen zwei Gemeinden festlegt, wegen Verletzung von Art. 4 BV (Willkür und Verweigerung des rechtlichen Gehörs) anzufechten, ist die Gemeinde nicht legitimiert, während die Rüge, dass der Entscheid von einer unzuständigen kantonalen Behörde gefällt worden sei und daher die Gemeindeautonomie verletze, unbegründet ist (Erw. 2 und 4).

89 I 233 () from 10. Juli 1963
Regeste: Art. 88 OG, Art. 4 BV. 1. Der Private, dem eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung zur entgeltlichen Besorgung übertragen worden ist, kann sich gegen den Entzug dieser Funktion mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV zur Wehr setzen (Erw. 2). 2. Rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren: Der Dritte, dessen rechtlich geschützte Interessen durch die im Verfahren zu treffende Verfügung unmittelbar berührt werden, hat Anspruch darauf, im Verfahren gehört zu werden (Erw. 3). 3. Willkürliche Umteilung von Tierbeständen, die einem Tierarzt im Tuberkulose- und Bangbekämpfungsverfahren zur Kontrolle zugewiesen worden sind? (Erw. 4).

89 I 253 () from 5. Juni 1963
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Begriff der anfechtbaren Verfügung. Abgrenzung zwischen Hoheitsakten und privatrechtlichen Willenserklärungen der Verwaltungsbehörden (Erw. 4). Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung im allgemeinen und zur Beschwerde dagegen, dass das fakultative Referendum durch einen Erlass oder Verwaltungsakt des Regierungsrates umgangen wird (Erw. 5). Grundsatz der Gewaltentrennung. Fakultatives Referendum. Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt, durch welchen einer privaten Firma eine Baurechtsdienstbarkeit eingeräumt wird an einem staatlichen Grundstück, auf dem sich bereits ein Gebäude befindet. Anfechtung dieses Beschlusses durch Stimmberechtigte, weil der Baurechtsvertrag nach § 39 lit. e und f KV der Genehmigung durch den Grossen Rat und der Genehmigungsbeschluss des Grossen Rates gemäss § 29 KV dem fakultativen Referendum unterliege. Schutz der Beschwerde, weil der Baurechtsvertrag a) die "Veräusserung einer Liegenschaft" im Sinne von § 39 lit. e KV in sich schliesst (Erw. 10-12), b) als "wichtiger Vertrag" im Sinne von § 39 lit. f KV zu betrachten ist (Erw. 13-16), und c) im Widerspruch zu einem mangels Ergreifung des Referendums rechtskräftig gewordenen Grossratsbeschluss über die Verwendung des betreffenden Grundstücks und Gebäudes steht (Erw. 17).

89 I 278 () from 18. September 1963
Regeste: Art. 88 OG: Dem in einem Submissionsverfahren nicht berücksichtigten Bewerber fehlt die Legitimation zur Beschwerde.

89 I 298 () from 18. September 1963
Regeste: Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware. Madrider Abkommen Art. 5. Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958) Art. 6 Abs. 1. MSchG Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2. Frage der Zulässigkeit geographischer Angaben. Verwendung der Firma als Marke.

89 I 324 () from 31. Mai 1963
Regeste: Milchstatut: Aufhebung einer Milchsammelstelle. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Legitimation zur Beschwerde. 2. Zusammenlegung von Milchsammelstellen (Errichtung einer Zentrale); Voraussetzungen.

89 I 353 () from 30. Oktober 1963
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör in Verwaltungssachen. Willkürliche Missachtung der im kantonalen Wirtschaftsgesetz enthaltenen Vorschrift, dass die auf die Ausschreibung des Patentgesuchs hin eingegangenen Einsprachen dem Patentbewerber zur Kenntnis zu bringen sind und dieser das Recht hat, sich dazu vernehmen zu lassen. Aufhebung des die Patenterteilung verweigernden Entscheids ohne Rücksicht darauf, ob Aussicht besteht, dass die Vernehmlassung des Patentbewerbers zu einem andern Entscheid führen wird.

89 I 358 () from 13. November 1963
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Art. 86 Abs. 2, Art. 87 OG. Der Entscheid einer Steuerrekursbehörde, mit dem die Streitfrage grundsätzlich beurteilt und die Veranlagung aufgehoben, die Sache jedoch zur Neufestsetzung der Steuer an die Veranlagungsbehördezurückgewiesen wird, ist ein Zwischenentscheid, gegen den nicht unmittelbar, sondern erst im Anschluss an die daraufhin ergangene neue Veranlagung staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV erhoben werden kann (wobei diese Veranlagung nicht nochmals bei der Rekursbehörde angefochten zu werden braucht). Kantonales Steuerrecht. Willkür. Die basel-städtische Kapitalgewinnsteuer (§§ 55 ff. des StG vom 22. Dezember 1949) ist, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht eine Gewinnsteuer, sondern eine Mehrwertsteuer und darf auch auf dem bei einer Schenkung in Erscheinung tretenden Mehrwert erhoben werden.

89 I 389 () from 9. Oktober 1963
Regeste: Art. 84, 85 OG: Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale Verfassungsvorschriften. Unzulässigkeit der Abstimmungsbeschwerde a) wenn eine Anordnung in Frage steht, welche vor der Abstimmung hätte angefochten werden können, b) wenn es an einer der Beschwerde vorausgegangenen kantonalen Entscheidung über das Abstimmungsverfahren fehlt.

89 I 402 () from 23. Oktober 1963
Regeste: Art. 88 OG: Dem Grundeigentümer fehlt die Legitimation, um die Nichtgenehmigung eines Gestaltungsplanes mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, mit dem die sonst anwendbaren Bauvorschriften den Bedürfnissen einer beschränkten Zahl von Parzellen angepasst werden.

89 I 425 () from 27. November 1963
Regeste: Art. 4 BV, Art. 34 VMK. Es ist nicht willkürlich, der getrennt lebenden Ehefrau, die den Mietvertrag nicht als Mieterin unterzeichnet hat, selbst dann das Recht abzusprechen, in eigenem Namen gegen die Kündigung des Vertrages Einsprache zu erheben, wenn sie auf Grund einer richterlichen Anordnung die eheliche Wohnung allein benutzt und der Ehemann von einer Einsprache Abstand nimmt (Erw. 2). Wann hat die Mieterschutzbehörde vorfrageweise die obligationenrechtliche Gültigkeit der Kündigung zu prüfen? (Erw. 4).

89 I 464 () from 20. November 1963
Regeste: Eigentumsgarantie; Natur- und Heimatschutz. 1. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts mit Bezug auf die gesetzliche Grundlage von Massnahmen des Natur- und Heimatschutzes (Erw. 2). 2. Inwiefern kann Gemeinderecht die gesetzliche Grundlage für Eigentumsbeschränkungen bilden? (Erw. 3b). 3. Bedeutung der Genehmigung von Gemeinderecht durch eine kantonale Behörde (Erw. 3a, b). 4. Auslegung und Anwendung von Art. 96 des schaffhausischen EG ZGB. Frage des öffentlichen Interesses (Erw. 4).

89 I 478 () from 6. November 1963
Regeste: Kantonales Baupolizeirecht. Eigentumsgarantie. Willkür. Ist eine Gemeinde, die sich zur Aufstellung eines Zonenplans veranlasst sieht, auf Grund ihrer allgemeinen Befugnis zum Erlass baupolizeilicher Vorschriften berechtigt, ihr Gemeindebaureglement in dem Sinne abzuändern, dass die Bestimmung, wonach Wohngebäude drei Geschosse aufweisen dürfen, ersetzt wird durch die Bestimmung, dass bis zum Inkrafttreten eines Zonenplans (im ganzen Gemeindegebiet) nur Ein- und Zweifamilienhäuser mit nicht mehr als 2 Geschossen erstellt werden dürfen?

89 I 513 () from 11. Dezember 1963
Regeste: Art. 4 BV, Art. 88 und 90 OG. 1. Beschwerdeführungsbefugnis des Nachbars. Eine Beschränkung der eigenen Baumöglichkeit, derentwegen dem Nachbar die staatsrechtliche Beschwerde offen steht, kann sich u.U. auch aus der einem andern Grundeigentümer erteilten Höherbaubewilligung ergeben (Erw. 2). 2. Willkürliche Anwendung einer allgemeinen Bestimmung an Stelle der einschlägigen Sondervorschrift. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaues bildet keinen Grund, um Abweichungen von zwingenden baupolizeilichen Vorschriften zu gestatten (Erw. 3). 3. Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde; Ausnahme bei Beschwerden wegen Verweigerung einer Polizeibewilligung (Erw. 5).

89 I 533 () from 4. Dezember 1963
Regeste: Strassenfreiheit. Parkingmetergebühren. Tragweite von Art. 37 Abs. 2 BV, wonach für den Verkehr auf Strassen, die im Rahmen ihrer Zweckbestimmung der Öffentlichkeit zugänglich sind, keine Gebühren erhoben werden dürfen (Erw. 4 a, b). Inwieweit gilt die Gebührenfreiheit auch für den sog. ruhenden Verkehr? (Erw. 4 c). Art. 37 Abs. 2 BV hindert die Gemeinwesen nicht, Teile des bisher unentgeltlich benützbaren öffentlichen Bodens als Parkfelder zu bezeichnen und darauf das Aufstellen von Fahrzeugen nur während einer bestimten Zeit und nur gegen eine durch Einwurf einer Münze in eine Parkuhr (Parkingmeter) zu entrichtende Gebühr zu gestatten, sofern in angemessenem Abstand davon genügend Parkplätze vorhanden sind, auf denen Fahrzeuge unentgeltlich aufgestellt werden können (Erw. 4 d).

89 IV 195 () from 3. Dezember 1963
Regeste: Art. 204 StGB. Unzüchtige Veröffentlichungen. Ob illustrierte Druckschriften erotischen Inhalts nach dem gesunden Volksempfinden als unzüchtig zu gelten haben, bestimmt sich weniger nach Einzelheiten als nach dem Gesamteindruck, den sie beim Leser oder Betrachter hinterlassen; Umstände, welche die Wirkung solcher Schriften beeinflussen können.

90 I 1 () from 19. Februar 1964
Regeste: Art. 4 BV. Verbot eines Kiosks an Strassenkreuzung. Begriff des Störers im Verkehrspolizeirecht (Erw. 1a). Inwiefern dürfen verkehrspolizeiliche Anordnungen in tatsächlicher Hinsicht auf Erfahrungssätze gestützt werden? (Erw. 1b).

90 I 8 () from 5. Februar 1964
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Voraussetzungen der Replik (Art. 93 Abs. 3 OG). Begriff der Gegenpartei (Art. 93 Abs. 1 OG) und Folgen einer unrichtigen Bezeichnung derselben in der Beschwerdeschrift (Erw. 1 und 2). Widerruf einer Baubewilligung. Beurteilung der Voraussetzungen des Widerrufs nach der Rechtslage zur Zeit des Widerrufs oder zur Zeit des letzten kantonalen Entscheids? (Erw. 5 a). Strassenprojekt und auf Grund desselben verhängte Bausperre als Gründe des Widerrufs (Erw. 5 b, c). Auslegung einer Bestimmung, wonach der Widerruf nur zulässig ist, solange mit den "Bauarbeiten" noch nicht begonnen worden ist; Berücksichtigung von Abbrucharbeiten und von Arbeiten, die schon vor Erteilung der Baubewilligung in Angriff genommen worden sind? (Erw. 6).

90 I 18 () from 22. April 1964
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Verhältnis zu kantonalen Rechtsmitteln, die nur zu beschränkter Überprüfung eines Entscheids führen (Erw. 1). Kantonales Steuerrecht. Willkür. Rechtsungleiche Behandlung. Kantonale Vorschrift, wonach Einkommen und Vermögen alle zwei Jahre einzuschätzen sind. Die Vorschrift lässt sich nicht als blosse Ordnungsvorschrift auffassen, sondern ist zwingend (Erw. 2 a). Folgt aus ihr, dass die Einschätzung im Laufe der zwei Jahre vorzunehmen oder doch einzuleiten ist, ansonst das Recht dazu verwirkt ist? (Erw. 2 b). Rechtsungleiche Behandlung? (Erw. 3).

90 I 41 () from 25. März 1964
Regeste: Stiftungen. Wann ist die Aufsichtsbehörde zur Prozessführung namens der Stiftung befugt? (Erw. 1). Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit. Willkür. Verletzung eines interkantonalen Konkordates. Anwendung der kantonalen Bestimmungen über Steuerbefreiung nur auf Institutionen, die sich im Kanton gemeinnützig betätigen, oder auch auf ausserkantonale Institutionen? (Erw. 2). Auslegung einer interkantonalen Gegenrechtsvereinbarung über die Steuerfreiheit von Vermögenszuwendungen an Gemeinwesen und private Institutionen des andern Kantons (Erw. 3).

90 I 51 () from 27. Januar 1964
Regeste: Wiedereinsetzung in den früheren Stand, Art. 47 PatG. Ein Verschulden des vom Patentbewerber beigezogenen Patentanwalts und seiner Hilfspersonen ist in analoger Anwendung von Art. 101 Abs. 1 OR dem Patentbewerber anzurechnen (Erw. 1, 2 a). Art. 101 Abs. 2 OR ist auf das Verhältnis des Patentbewerbers zum Amt nicht analog anwendbar (Erw. 2 b). Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Patentanwalts bei der Überwachung seines Personals (Erw. 4). Verstoss gegen die Rechtsgleichheit? (Erw. 5).

90 I 77 () from 29. April 1964
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Mit einer erst im Anschluss an eine Anwendungsverfügung erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde kann die Verfassungswidrigkeit eines allgemein verbindlichen Erlasses nur insoweit geltend gemacht werden, als seine Bestimmungen auf den Beschwerdeführer angewendet worden sind (Erw. 1). Doppelbesteuerung. Bündnerische "Staatstaxe", die der Finanzierung des Kantonsstrassennetzes dient und von gewissen, im Kanton weilenden Personen nach Massgabe der Zahl der Übernachtungen erhoben wird. Rechtliche Natur der Abgabe (Erw. 3). Anwendbarkeit von Art. 46 Abs. 2 BV auf sie (Erw. 4). Unzulässigkeit der Erhebung von den Eigentümern von Ferienhäusern, ihren Angehörigen und nichtzahlenden Gästen, sofern diese Personen ihr ordentliches Steuerdomizil in einem andern Kanton als Graubünden haben (Erw. 5).

90 I 86 () from 29. April 1964
Regeste: Kurtaxen. Doppelbesteuerung. Rechtsungleiche Behandlung. Willkür. Rechtsnatur der Kurtaxe; Steuer, Gebühr oder Vorzugslast? (Erw. 3). Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Doppelbesteuerungsverbotes auf Kurtaxen (Erw. 4). Verletzung der Rechtsgleichheit durch Erhebung der Kurtaxen - auch von den Eigentümern von Ferienhäusern? - nur von Personen ohne Wohnsitz am Kurort? - von den Dienstboten der Feriengäste? (Erw. 5). Willkürliche Bemessung der einem Ferienhauseigentümer auferlegten Pauschaltaxe? (Erw. 6).

90 I 137 () from 18. März 1964
Regeste: Art. 4 BV, Art. 9 BAU. Haftung für Schaden aus Aufschub von Umzugsterminen. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung des Art. 4 BV (Erw. 2). Art. 1 Abs. 2 ZGB ist nur beim Vorliegen echter Lücken des Gesetzes anwendbar (Erw. 3). Die Annahme, der Vermieter hafte dem neuen Mieter für den Schaden, der diesem aus dem (dem früheren Mieter bewilligten) Aufschub des Umzugstermins erwächst, lässt sich nicht auf Art. 9 BAU, dagegen ohne Willkür auf Art. 258 OR stützen (Erw. 3, 4).

90 I 145 () from 8. Juli 1964
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Zulässigkeit neuer Vorbringen? (Erw. 1 Abs. 2). Kantonales Steuerrecht. Willkür. Bedeutung des in Art. 19 Abs. 1 der Zürcher KV aufgestellten Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Erw. 1 Abs. 3 und 4). Besteuerung des Einkommens nach Massgabe des im Vorjahr erzielten Ergebnisses. Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine Zwischeneinschätzung im Falle einer im Veranlagungsjahr eintretenden Änderung des Einkommens infolge "dauernder Änderung der Erwerbsgrundlagen" (§ 59 lit. e des Zürcher Steuergesetzes vom 8. Juli 1951); wann liegt eine solche Änderung vor? (Erw. 2).

90 I 153 () from 16. September 1964
Regeste: Kantonales Steuerrecht, Willkür. Stellt das "Pflichtanteilkapital", zu dessen Einzahlung jeder Mieter einer Wohnung einer Baugenossenschaft verpflichtet ist, Darlehen und damit Fremdkapital der Genossenschaft dar oder gehört es zum steuerbaren Eigenkapital?

90 I 159 () from 18. März 1964
Regeste: Art. 4 BV. Rechtsgleichheit, Allgemeinheit der Steuer. Es verstösst gegen die Rechtsgleichheit, die Billetsteuer nur auf dem Minigolfspiel und nicht auch auf dem Kegelschub zu erheben (Erw. 2). Der Umstand, dass das Gesetz in anderen Fällen nicht, oder nicht richtig, angewendet worden ist, gibt dem Einzelnen grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden (Erw. 3).

90 I 169 () from 23. September 1964
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde von Stimmberechtigten gegen die Genehmigung der Staatsrechnung durch den solothurnischen Kantonsrat. Ist der Stimmberechtigte legitimiert, mit der Beschwerde geltend zu machen, dass eine vom Volke bewilligte Ausgabe nicht aus allgemeinen Staatsmitteln gedeckt werden dürfe, die Staatsrechnung im Sinne der Festsetzung eines höheren Rechnungsüberschusses zu berichtigen sei und der Kantonsrat über diesen Überschuss erneut Beschluss zu fassen habe? (Erw. 2). Der Kantonsrat hat, da der Beschluss keine neue Ausgabe zur Folge hat, damit seine Ausgabenkompetenz (Art. 31 Ziff. 6 KV) nicht überschritten, noch hat er gesetzliche Bestimmungen willkürlich missachtet (Erw. 3).

90 I 177 () from 23. September 1964
Regeste: Wirtschaftsgewerbe. Eigentumsgarantie. Handels- und Gewerbefreiheit. Willkür. Bestimmung des kantonalen Wirtschaftsgesetzes, wonach die Vergrösserung eines der Bedürfnisklausel unterstellten Wirtschaftsbetriebes einer behördlichen Bewilligung bedarf, welche nur erteilt wird, wenn die Vergrösserung einem Bedürfnis entspricht und dem öffentlichen Wohl nicht zuwiderläuft. - Die Anwendung der Bestimmung auf Betriebe mit "ehehaften Tavernenrechten" im Kanton Zürich verstösst weder gegen die Eigentumsgarantie (Erw. 3, 4) noch gegen die Handels- und Gewerbefreiheit (Erw. 6). - Als Vergrösserung des Betriebs gilt, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht nur die Erweiterung der Bodenfläche der Wirtschaftsräume, sondern auch ein Umbau, der zu einem vermehrten Alkoholausschank führt, wie z.B. die Einrichtung einer ständig geöffneten Bar in einem bisher nur gelegentlich zum Wirten benutzten Raum (Erw. 5).

90 I 206 () from 14. Oktober 1964
Regeste: Art. 4 BV; Art. 680, 686 und 702 ZGB. Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Bauvorschriften der Kantone und Gemeinden. Die Annahme, die schwyzerischen Gemeinden seien nur zum Erlass öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften befugt und die Abstandsvorschriften der Bauverordnung der Gemeinde Lachen seien öffentlich-rechtlicher Natur, ist nicht willkürlich.

90 I 217 () from 8. Juli 1964
Regeste: Kantonales Steuerrecht. Wirtschaftliche Betrachtungsweise, Willkür. Im Falle der Steuerumgehung dürfen die Steuerbehörden ohne Willkür auf den wirtschaftlichen Sachverhalt statt auf die zivilrechtliche Form abstellen. Ein Darlehen, das eine A.-G. bei der Gründung von dem sie beherrschenden Aktionär erhält, darf daher dem steuerbaren Kapital zugerechnet werden, wenn die A.-G. zum Zwecke der Steuerumgehung mit einem unzureichenden Grundkapital ausgestattet worden ist (Erw. 2). Anwendung dieser Grundsätze auf eine Immobiliengesellschaft (Erw. 3). Rechtsungleiche Behandlung? (Erw. 4).

90 I 227 () from 7. Oktober 1964
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde, Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Kantonale Rechtsmittel im Sinne von Art. 86 Abs. 2 OG sind nur solche, bei deren Ergreifung Anspruch auf einen Bescheid besteht, was bei der Petition oder bei der nach der aargauischen Verwaltungspraxis zulässigen "Aufsichtsbeschwerde" nicht zutrifft (Erw. 2). Güterzusammenlegung, Willkür. Neuzuteilungen und insbesondere die Zerstückelung eines Grundstücks sind willkürlich, wenn damit ein dem Güterzusammenlegungsverfahren fremder Zweck verfolgt wird (Erw. 4).

90 I 233 () from 8. Juli 1964
Regeste: 1. Das Bundesgericht weicht nur dann nicht ohne Not von der Auslegung einer kantonalen Verfassungsbestimmung durch ein kantonales Organ ab, wenn die Bestimmung nicht selber ein Grundrecht gewährleistet, und wenn die Auslegung vom kantonalen Parlament (oder vom Volk) ausgegangen ist (Erw. 3). 2. Dass der Steuerpflichtige gemäss § § 36 und 37 des solothurnischenSteuergesetzes bei der Veräusserung eines ererbten oder ihm geschenkten Gegenstandes des Privatvermögens auch den Mehrwert zu versteuern hat, der während der Besitzesdauer des Rechtsvorgängers angewachsen ist, verstösst nicht gegen Art. 62 der Kantonsverfassung (Erw. 4, 5).

90 I 249 () from 28. Oktober 1964
Regeste: Art. 88 OG. Aktuelles Interesse an der Beschwerdeführung. Verwirkung des Beschwerderechts durch vorbehaltlose Erfüllung des angefochtenen Entscheides.

90 I 283 () from 2. Dezember 1964
Regeste: Güterzusammenlegung. Willkür. 1. Die Bewertung der in eine Güterzusammenlegung einbezogenen Grundstücke wird nach Erledigung allfälliger dagegen erhobener kantonaler Rechtsmittel grundsätzlich für alle Beteiligten verbindlich und kann bei der Neuzuteilung nicht mehr in Frage gestellt werden. Kann die Bewertung, nach Abweisung der kantonalen Rechtsmittel, selbständig oder erst in Verbindung mit der Neuzuteilung mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV angefochten werden? (Erw. 5). 2. Auslegung und Anwendung des Grundsatzes, dass jedem Grundeigentümer für die eingeworfenen Grundstücke "nach Möglichkeit Ersatz in Land von ähnlicher Beschaffenheit und Lage zuzuweisen" ist. Umfang des dabei den zuständigen kantonalen Behörden zustehenden Ermessens. Behandlung von Land, das in einer Bauzone liegt oder für das doch Baulandpreise bezahlt werden (Erw. 6).

90 I 307 () from 3. Dezember 1964
Regeste: Grundstückkauf. Ausübung eines Vorkaufsrechtes. Legitimation des Käufers zur Beschwerde gegen die bevorstehende Eintragung des Dritten. 1. Legitimation des Käufers zur allgemeinen Aufsichtsbeschwerde nach Art. 104 GBV. (Erw. 1). 2. Zweck einer solchen Beschwerde; was für Begehren sind zuläszig? (Erw. 2). 3. Erlöschen des Vorkaufsrechtes nach Art. 14 Abs. 2 EGG: Die Frist von drei Monaten wird nur durch eine vollständige Anmeldung des Kaufvertrages in Lauf gesetzt. (Erw. 3 a). 4. Weder die Grundbuchbeschwerde noch die damit verbundene staatsrechtliche Beschwerde lässt sich auf materiellrechtliche Gründe stützen, die das Grundbuchamt mit Recht der gerichtlichen Beurteilung vorbehielt. (Erw. 3 b und 4).

90 I 328 () from 16. Dezember 1964
Regeste: Eigentumsgarantie; Enteignung. Offentliches Interesse als Voraussetzung der Enteignung. Erschliessung von Bauland als Aufgabe im öffentlichen Interesse. Das öffentliche Interesse wird durch gleichlaufende private Interessen nicht ausgeschlossen, solange diese nicht offensichtlich die Oberhand haben. Abänderbarkeit von Strassen- und Baulinienplänen.

90 I 334 () from 16. Dezember 1964
Regeste: Eigentumsgarantie; Natur- und Heimatschutz; rechtliches Gehör. 1. Beschwerderecht der Gemeinde gegen einen Erlass, der zu ihrem Finanzvermögen gehörende Grundstücke betrifft (Erw. 1b). 2. Sind die betroffenen Grundeigentümer vor Erlass eines Landschaftsschutzplanes anzuhören? (Frage offen gelassen; Erw. 2). 3. Freie Prüfung der gesetzlichen Grundlagen weitreichender Landschaftsschutzmassnahmen (Erw. 3). Begriff der schützenswerten "Landschaft" (Erw. 3 a) und der "Verunstaltung" (Erw. 3 b). Verhältnismässigkeit von Landschaftsschutzmassnahmen (Erw. 3 c).

90 II 34 () from 24. März 1964
Regeste: 1. Grundstückkauf. Subjektiv wesentliche Vertragsbestimmung, die zur Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 657 ZGB, 216 OR) bedarf, sofern ihr Gegenstand seiner Natur nach in den Rahmen eines Kaufvertrages fällt (Erw. 2). 2. Gänzliche Nichtigkeit eines Vertrages wegen Formmangels (Art. 20 Abs. 2 OR); Feststellung von Amtes wegen; Fehlen eines Rechtsmissbrauches (Erw. 3 und 4). 3. Berufungsverfahren. Zulässigkeit einer Aenderung des Klagegrundes (Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung statt Schadenersatz). a) Das Verbot neuer Begehren steht einer solchen Änderung nicht entgegen (Art. 55 Abs. 1 lit. b i.f. OG); b) Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 43, 63 Abs. 1 und 3 OG) (Erw. 6). 4. Das Bundesgericht hat seinem Entscheid die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz zugrunde zu legen (Art. 63 Abs. 2 OG). Ist ihm dies beim gegebenen Aktenstand nicht möglich, so hat es die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG); diese kann jedoch die Akten nur ergänzen, soweit das kantonale Prozessrecht dies zulässt (Erw. 7 und 8).

90 II 467 () from 2. Oktober 1964
Regeste: Editionspflicht des in Güterverbindung lebenden Ehemannes bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsprozess: a) Er hat kraft Bundesrechtes Auskunft über das von ihm verwaltete eheliche Vermögen zu geben und die gemachten Angaben zu belegen. b) Die Auskunftspflicht trifft in casu auch die von ihm beherrschte Aktiengesellschaft. c) Werden gegen ihn gerichtete Editionsbegehren der Ehefrau, die formell und inhaltlich dem kantonalen Prozessrecht entsprechen, abgewiesen, so ist Art. 8 ZGB verletzt.

91 I 1 () from 31. März 1965
Regeste: Art. 4 BV, Art. 174 SchKG. Es ist nicht willkürlich, eine erst nach der erstinstanzlichen Konkurseröffnung erfolgte Tilgung der Betreibungsforderung im Rechtsmittelverfahren überhaupt nicht oder nur dann zu berücksichtigen, wenn die verspätete Zahlung entschuldbar ist und ernsthaft damit zu rechnen ist, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen in der Folge wieder aus eigenen Mitteln wird nachkommen können. Voraussetzungen einer Praxisänderung.

91 I 23 () from 20. Januar 1965
Regeste: Bäuerliches Vorkaufsrecht. Art. 6 ff. EGG. Die Kantone sind nicht befugt, den Entscheid darüber, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechts sei, einer Verwaltungsbehörde zuzuweisen; hierüber hat im Streitfall der ordentliche Richter vorfrageweise zu entscheiden.

91 I 46 () from 3. März 1965
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Art. 84 Abs. 2 und Art. 88 OG. 1. Wenn eine bundesrechtliche Bestimmung (hier: Art. 18 Abs. 1 des BG über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 = ANAG) einen kantonalen Entscheid als "endgültig" bezeichnet, so schliesst dies die staatsrechtliche Beschwerde nicht aus. 2. Auf die staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher ein Ausländer die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung in einem Kanton wegen Verletzung des Internationalen Abkommens von Genf über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 sowie wegen willkürlicher Anwendung des ANAG anficht, kann nicht eingetreten werden, weil - die Verletzung des Genfer Abkommens gemäss Art. 125 Abs. 1 lit. c OG durch Beschwerde beim Bundesrat gerügt werden kann - der Ausländer zur Beschwerdewegen Willkür bei der Anwendung des ANAG nicht legitimiert ist.

91 I 81 () from 12. Mai 1965
Regeste: Quellensteuer, Verfassungsmässigkeit gesetzlicher Erlasse, Rechtsgleichheit. Art. 4 BV. 1. Art. 4 BV bindet nicht nur den Richter und die Verwaltung, sondern auch den Gesetzgeber. Dessen Erlasse müssen sich deshalb auf ernsthafte Gründe stützen lassen und dürfen weder sinn- und zwecklos sein noch rechtliche Unterscheidungen treffen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist (Erw. 2). 2. Darin, dass nach § 116 bis Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über die ordentlichen Staats- und Gemeindesteuern vom 5. Februar 1945 /6. Dezember 1964 ausländische Arbeitnehmer, welche keine fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung besitzen, der Quellensteuer unterstellt werden können, liegt keine rechtsungleiche Behandlung (Erw. 3).

91 I 90 () from 5. Mai 1965
Regeste: Art. 4 BV, Art. 88 OG. Die Parteien haben im Verwaltungsstreitverfahren schon unmittelbar auf Grund des Art. 4 BV ein Recht auf Teilnahme an einem Augenschein. Die Rüge der Verletzung dieses Anspruchs und des Rechts auf prozessuale Gleichbehandlung steht auch einer Partei zu, die nicht zur Anfechtung des Sachurteils befugt ist.

91 I 94 () from 12. Mai 1965
Regeste: Abänderung von Verwaltungsakten, Abbruch eines nicht bewilligten Bauteiles. Art. 4 BV. Die Baubewilligung ist eine Verwaltungsverfügung und wird als solche zwar formell, aber nicht materiell rechtskräftig. Ob eine materiell rechtswidrige Verfügung zurückgenommen oder abgeändert werden darf, hängt - soweit darüber nicht positive Vorschriften bestehen - von einer Abwägung der Interessen ab, die einerseits an der Verwirklichung des objektiven Rechtes und anderseits an der Vermeidung von Rechtsunsicherheit bestehen. Abwägung dieser Interessen, wenn nicht der Baubewilligung entsprechend gebaut wurde.

91 I 98 () from 12. Mai 1965
Regeste: Ladenschluss, Willkür, Handels- und Gewerbefreiheit. Art. 4 und 31 BV. 1. Die Annahme, § 2 des aargauischen Gesetzes über den Ladenschluss vom 14. Februar 1940 ermächtige die Gemeinden zur Anordnung eines ganztägigen Ladenschlusses unter der Woche, ist nicht willkürlich (Erw. 1). 2. Gewerbepolizeiliche Massnahmen sind gestützt auf Art. 31 Abs. 2 BV zulässig, dürfen aber den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzen und müssen alle Gewerbegenossen gleich behandeln (Erw. 2 a und b). 3. Vorschriften, welche die Schliessung der Ladengeschäfte während einer bestimmten Zeitspanne an Werktagen anordnen, um den Ladeninhabern und dem Personal die nötige Freizeit zu verschaffen, sind gewerbepolizeiliche Vorschriften zum Schutze der öffentlichen Gesundheit und als solche mit Art. 31 BV vereinbar. Dies gilt beim heutigen Stand der Dinge grundsätzlich auch dann, wenn angeordnet wird, die Ladengeschäfte während eines ganzen Werktages geschlossen zu halten (Erw. 2 c-g).

91 I 110 () from 17. Februar 1965
Regeste: Art. 84 OG. Die in einer Kantonsverfassung enthaltene Bestimmung, wonach alle Gesetze vom Grossen Rat einer doppelten Beratung unterworfen werden müssen, begründet kein Individualrecht, dessen Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann (Erw. 2). Organisation der Kirchgemeinden im Kanton Luzern. Kantonale Gesetzesbestimmung, welche die Kirchgemeinden ermächtigt, in ihrer Organisation zu bestimmen, dass die Pfarrer von Amtes wegen der "Vertretung der Bürgerschaft" angehören, welcher gewisse Befugnisse der Gemeindeversammlung übertragen werden können. Diese Gesetzesbestimmung verletzt weder den Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV) noch § 95 luzern. KV (Erw. 4 und 5). Verstösst sie gegen eine ungeschriebene Verfassungsnorm, dass ein Parlament nur aus gewählten Mitgliedern bestehen kann? (Erw. 6).

91 I 144 () from 29. Januar 1965
Regeste: 1. Begriff des Störers auf dem Gebiet des Gewässerschutzes (Erw. 2). 2. Angemessenheit einer Verfügung zum Schutz von Grundwasser (Erw. 3). 3. Ist die dem Pächter auferlegte Pflicht, einen Grundwasserteich einzuzäunen, zulässig? (Erw. 5).

91 I 173 () from 16. Juni 1965
Regeste: Handänderungssteuer, Art. 4 BV. 1. Die luzernische Handänderungsgebühr ist eine Steuer, nicht eine Gebühr im Rechtssinn (Erw. 2). 2. Es ist in der Regel nicht willkürlich, wenn bei der Besteuerung auf den wirtschaftlichen Gehalt eines Tatbestandes abgestellt wird. Die Annahme, § 1 des luzernischen Gesetzes über die Handänderungsgebühr vom 30. Juni 1897 erfasse neben der rechtlichen auch die wirtschaftliche Handänderung, verstösst deshalb nicht gegen Art. 4 BV (Erw. 3). 3. Anzunehmen, es werde ein fertiges Haus von einer Vertragspartei auf die andere übertragen, ist nicht willkürlich, wenn ein Haus im Rohbau verkauft wird, der Verkäufer für die Vollendung des Baues zu sorgen hat und Kauf- und Werkvertrag so voneinander abhängig sind, dass es ohne den einen nicht zum Abschluss des andern gekommen wäre (Erw. 4). Dies gilt selbst dann, wenn die Parteien des Kauf- und Werkvertrages nicht dieselben sind (Erw. 5 und 6).

91 I 200 () from 7. Juli 1965
Regeste: Art. 2 Ueb. Best. BV; Art. 321 StGB; Art. 4 BV. 1. Die Verletzung der derogatorischen Kraft eidgenössischer strafrechtlicher Bestimmungen ist in der Regel mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichtes geltend zu machen; die staatsrechtliche Beschwerde ist dafür nur in Ausnahmefällen gegeben. Kantonale Bestimmungen über die Zeugnispflicht der Anwälte verstossen nicht gegen Art. 321 StGB. 2. Bevor die Aufsichtsbehörde einen Anwalt vom Berufsgeheimnis entbindet, hat sie ihn anzuhören. 3. Darf der Anwalt verpflichtet werden, als Zeuge über die Mitteilungen auszusagen, welche ein Klient ihm im Rahmen des Anwaltsverhältnisses machte, sofern der Klient selber das Zeugnis über die betreffenden Tatsachen verweigern kann?

91 I 241 () from 15. September 1965
Regeste: Feriengesetz, Willkür und rechtsungleiche Behandlung, Handels- und Gewerbefreiheit, Eintreten auf Beschwerde, Art. 4, 31 und 64 BV, sowie Art. 2 Ueb. Best. BV. 1. Die in § 3 Abs. 2 des solothurnischen Gesetzes über die Gewährung von Ferien vom 8. Dezember 1946/25. Oktober 1964 enthaltene Regelung, wonach allgemeine Feiertage, die in die Ferien fallen, nicht als Ferientage gelten, verstösst nicht gegen Art. 4 und 31 BV (Erw. 4 und 5). 2. Kantonales Recht wegen eines Widerspruches zu noch nicht in Kraft gesetztem Bundesrecht aufzuheben, ist nicht möglich; sowenig eine staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Erlass zulässig ist, für den die erforderliche bundesrätliche Genehmigung verweigert worden ist, sowenig kann das Bundesgericht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren einem derartigen Entscheid des Bundesrates vorgreifen (Erw. 6).

91 I 249 () from 24. Juni 1965
Regeste: Gemeindesteuern, Art. 4 BV. 1. Auslegung und Anwendung kantonalen Gesetzesrechtes überprüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV (Erw. 1). 2. Steuern dürfen nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und lediglich in dem vom Gesetz festgelegten Umfange erhoben werden (Erw. 3). 3. § 141 Abs. 6 des basellandschaftlichen Gesetzes über die kantonalen Steuern vom 7. Juli 1952, wonach die Gemeinden "berechtigt sind, die Staatssteuereinschätzung allgemein auch für die Gemeindesteuer als gültig zu erklären", ermächtigt die Gemeinden nur, für die Gemeindesteuern entweder das bisherige System der Besteuerung nach Gemeindegesetz beizubehalten, oder als Ganzes das System der Staatssteuer gemäss kantonalem Steuergesetz zu zu übernehmen (Erw. 4 und 5).

91 I 266 () from 15. September 1965
Regeste: Politisches Stimmrecht, Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes, Gültigkeit eines Wahlzettels, Verweigerung des rechtlichen Gehörs, Ausstand bei Erwahrungsbeschluss, Art. 85 lit a OG, Art. 4 BV. 1. Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften aber, sofern sie nicht das schon von Bundesrechts wegen gewährleistete Stimmrecht nach Umfang und Inhalt betreffen, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel von Art. 4 BV (Erw. 2). 2. Willkürlichkeit der Annahme, ein mit Klebspuren versehener Wahlzettel sei bei der Auszählung nicht mit der für die Gültigkeit des Zettels erforderlichen Kontrollmarke versehen gewesen? AufGrund von § 13 Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über die Verhältniswahl des Grossen Rates vom 10. Januar 1921 kann ohne Willkür angenommen werden, es sei Sache des Wählers, dafür zu sorgen, dass sein Wahlzettel als gültig gekennzeichnet sei. (Erw. 3). 3. Das vom Bundesrecht gewährleistete Stimmrecht gibt dem Bürger einen Anspruch darauf, dass kein Wahlergebnis anerkannt wird, das den freien Willen der Wählerschaft nicht zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (Erw. 4). 4. Im Verfahren betreffend Erwahrung eines Wahlergebnisses ist der sich unmittelbar aus Art. 4 BV ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör schon dann gewahrt, wenn die Argumente, die für oder gegen die Erwahrung sprechen, als solche den entscheidenden Instanzen zur Kenntnis gebracht werden (Erw. 6). 5. Behörden, die Rechtssätze aufstellen, binden damit auch sich selber (Erw. 7).

91 I 312 () from 10. November 1965
Regeste: Verkaufswagengebühr, Überprüfung der Verfassungsmässigkeit kantonalen Rechtes, Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit. Art. 4 und 31 BV. 1. Wird im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens geltend gemacht, eine Bestimmung des kantonalen Rechtes sei bundesverfassungswidrig, so können sich die Verwaltungsbehörden der Prüfung dieser Frage nicht entschlagen (Erw. 3 lit. a). 2. Die Belastung von Kantonseinwohnern und Kantonsfremden mit unterschiedlichen Hausiergebühren (hier Verkaufswagengebühren) verstösst grundsätzlich gegen die Rechtsgleichheit und gegen die Handels- und Gewerbefreiheit (Erw. 3 lit. b).

91 I 340 () from 29. September 1965
Regeste: Eigentumsgarantie, Heimatschutz, gesetzliche Grundlage. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts in bezug auf die gesetzliche Grundlage der Unterstellung von Gebäuden unter Denkmalschutz. Begriff der "Altertümer" und der "Denkmäler" im Sinne kantonaler Heimatschutzvorschriften.

91 I 399 () from 27. Oktober 1965
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV gewährleistet dem Einzelnen die Freiheit, nur von dem zuständigen Richter Recht nehmen zu müssen, und gibt ihm Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts, insbesondere hinsichtlich der Frage der Unabhängigkeit des urteilenden Gerichts.

91 I 409 () from 26. Mai 1965
Regeste: Art. 88, 90 OG; Art. 4 BV, Eigentumsgarantie. 1. Ausnahmen vom Grundsatz der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Erw. I 1). 2. Der einzelne Bürger ist berechtigt, vorfrageweise eine Verletzung der Gemeindeautonomie geltend zu machen (Erw. I 2). 3. Der Nachbar ist befugt, gegen die Erteilung der Baubewilligung an einen Dritten staatsrechtliche Beschwerde zu erheben, sofern die Anwendung von kantonalen und gemeindlichen Bauvorschriften auf dem Spiele steht, die neben dem Gemeinwohl auch dem Schutze des Nachbars dienen (Änderung der Rechtsprechung). Zu diesen Vorschriften können auch Immissionsbeschränkungen gehören (Erw. I 3). 4. Die kantonale Verwaltung ist bei der Erstellung von Bauten für Verwaltungszwecke grundsätzlich an das Gemeindebaurecht gebunden. Ausnahmen hiervon (Erw. II).

91 I 480 () from 31. März 1965
Regeste: Art. 90 OG; Art. 4 und 116 BV, Sprachenfreiheit; Privatschulwesen. 1. Staatsrechtliche Beschwerden gegen die Verweigerung, den Entzug und die Einschränkung einer Polizeierlaubnis haben nicht bloss kassatorische Funktion. Rechtsnatur der Bewilligung zum Betrieb einer Privatschule nach Zürcher Recht (Erw. I). 2. Die Sprachenfreiheit ist ein ungeschriebenes Grundrecht des Bundes (Erw. II/1). Sie steht unter dem Vorbehalt des Art. 116 BV. Die Massnahmen, welche die Kantone gestützt darauf zur Erhaltungder vier überlieferten Sprachgebiete der Schweiz treffen, haben den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren (Erw. II/2); sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts mit Bezug auf die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts (Erw. II/3). 3. Die Kantone können gestützt auf Art. 116 BV die Unterrichtssprache auch für die Privatschulen festlegen (Erw. II/2). Zulässigkeit der Vorschrift, dass die Schüler nach Ablauf einer bestimmten Frist dem Unterricht in der Landessprache folgen können müssen und dass sie hernach in eine Schule überzutreten haben, die den Unterricht in der Landessprache erteilt (Erw. II/3 b). 4. Voraussetzungen für den Entzug und die Einschränkung der Bewilligung zum Betrieb einer Privatschule nach Zürcher Recht (Erw. III).

91 III 27 () from 18. März 1965
Regeste: Anfechtung des Arrestbefehls. Art. 279 Abs. 1 SchKG. Von Bundes wegen ist gegen die Verweigerung eines Arrestgesuches kein Rechtsmittel gegeben; es steht aber den Kantonen frei, für diesen Fall Rechtsmittel einzuräumen.

91 IV 117 () from 8. Juni 1965
Regeste: Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung, dadurch begangen, dass die Opfer in ein wegen Lawinengefahr gesperrtes Gebiet zu einer Zeit erhöhter, von massgeblicher Seite öffentlich bekanntgegebener Schneebrettgefahr geführt wurden. Natürliche Ursächlichkeit (Erw. 2), adaequater Kausalzusammenhang (Erw. 3), Verschulden (Erw. 4).

92 I 5 () from 9. März 1966
Regeste: Grundbuchgebühren. Rechtsungleiche Behandlung. Art. 4 BV. Eine Ordnung, wonach die Grundbuchgebühr für die Vormerkung der Miete und Pacht 1 bis 2,5‰ der Summe der während der Vormerkungsdauer zu bezahlenden Miet- oder Pachtzinse beträgt, während die Gebühr für die Vormerkung aller übrigen persönlichen Rechte Fr. 3.- bis Fr. 50.- ausmacht, ist mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit unvereinbar.

92 I 18 () from 15. April 1966
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Prozessrecht. Berechnung der Rechtsmittelfrist, wenn der angefochtene Entscheid dem Inhaber eines Postfachs mit eingeschriebener Sendung zugestellt und die Eingangsanzeige an einem Samstag in das Postfach gelegt wird.

92 I 73 () from 25. Mai 1966
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. 1. Eine irrtümliche Rechtsmittelbelehrung gibt keinen Anspruch darauf, dass auf ein vom kantonalen Prozessrecht nicht vorgesehenes Rechtsmittel eingetreten werde (Erw. 2a). 2. Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch eine entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut erfolgende Einschränkung der Überprüfungsbefugnis (Erw. 3c).

92 I 88 () from 27. April 1966
Regeste: Kantonale Handänderungssteuer, Willkür. Bemessung der Handänderungssteuer im Falle der Erhebung dieser Abgabe bei der Abtretung eines frei übertragbaren Kaufrechts. Ist es willkürlich, die Abgabe nicht nur auf dem Entgelt für die Abtretung des Kaufrechts, sondern auch auf dem im Kaufrechtsvertrag vereinbarten Kaufpreis für das Grundstück zu berechnen?

92 I 100 () from 9. März 1966
Regeste: Art. 31 und 4 BV; Taxigewerbe. 1. Die Vorschrift, den Ein- und Austritt seiner Chauffeure der Gewerbepolizei zu melden, stellt eine nach Art. 31 BV zulässige Massnahme gegenüber dem Taxihalter dar. Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Hinblick auf diese Meldepflicht. 2. Die polizeiliche Aufsicht über die Taxichauffeure, die weiter geht als die über andere Berufe, hält wegen der besonderen Gefahren des Gewerbes vor Art. 4 BV stand.

92 I 104 () from 27. April 1966
Regeste: Art. 4 BV. Willkürliche Verweigerung einer Baubewilligung? Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung von der Zonenordnung, wenn ein Baugrundstück in verschiedenen Bauzonen liegt. Ausnahmen hinsichtlich der Ausnützungziffer sind zurückhaltend zu bewilligen.

92 I 185 () from 26. Oktober 1966
Regeste: Anspruch auf rechtliches Gehör im Zivil- und Strafprozess. Die Prozessparteien haben schon unmittelbar auf Grund von Art. 4 BV Anspruch auf Einsicht in ein vom Richter eingeholtes Gutachten. Anwendung dieses Grundsatzes auf das psychiatrische Gutachten über den Geisteszustand des Beschuldigten, das die zweite Instanz in einem im Zivilprozess durchgeführten Ehrverletzungsprozess von Amtes wegen einholte und auf Grund dessen sie an Stelle der von der ersten Instanz ausgefällten Strafe die Versorgung nach Art. 15 StGB anordnete.

92 I 189 () from 3. Oktober 1966
Regeste: Art. 4 BV, Art. 174 SchKG. Die Frage, ob der Berufungsrichter Tatsachen, die erst nach dem erstinstanzlichen Konkurserkenntnis eingetreten sind, berücksichtigen dürfe, wird in der Rechtsprechung der Kantone teils verneint, teils (unter Einschränkungen) bejaht. Weder die eine noch die andere Lösung ist willkürlich.

92 I 201 () from 28. September 1966
Regeste: Art. 59 BV. Die Forderungsklage, mit welcher Ansprüche aus einem Mietvertrag geltend gemacht werden, ist auch dann eine persönliche Ansprache, wenn es sich um die Miete an einem Grundstück handelt.

92 I 205 () from 13. Juli 1966
Regeste: Eigentumsgarantie; Art. 4 BV, rechtliches Gehör. 1. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung an einen Dritten (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 2). 2. Das Bundesgericht prüft die Rüge, die kantonale Instanz habe statt des massgebenden kantonalen Rechts Bundesrecht angewandt, dann frei, wenn ausserdem geltend gemacht wurde, es sei durch die unrichtige Grenzziehung in verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden (Erw. 3). 3. Die PTT unterstehen für ihre Bauten dem Grundsatze nach sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht dem kantonalen und dem kommunalen Baupolizeirecht (Erw. 5 und 6). 4. Verweigerung des rechtlichen Gehörs dadurch, dass die kantonale Instanz dem Einsprecher, der im Baubewilligungsverfahren der Gemeinde obgesiegt hat, keine Gelegenheit gibt, sich zu den Vorbringen der Gegenpartei zu äussern (Erw. 8).

92 I 213 () from 13. Juli 1966
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Zulässigkeit der Beschwerde gegenüber einem vom Bundesrecht als "endgültig" bezeichneten kantonalen Entscheid (Erw. 1). Beginn der Frist zur Beschwerde gegen einen Entscheid, der als eingeschriebene Sendung zugestellt und von der Post dem erwachsenen Sohn des in den Ferien weilenden Adressaten ausgehändigt wird (Erw. 2 a). Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist (Art. 35 OG). Irrtum über das zutreffende Rechtsmittel als unverschuldetes Hindernis, innert der Frist zu handeln? Das Wiederherstellungsgesuch ist innert 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses nicht nur einzureichen, sondern auch zu begründen (Erw. 2 b).

92 I 253 () from 5. Oktober 1966
Regeste: Art. 4 BV; Beweislast im Steuerverfahren. Die Frage der Beweislastverteilung stellt sich auch in einem von der Untersuchungsmaxime beherrschten Verfahren. Beweislastverteilung im Steuerverfahren (Erw. 2). Wer trägt die Beweislast für die Wahrung von Fristen, insbesondere bei uneingeschriebener Zustellung behördlicher Akte? (Erw. 3)

92 I 259 () from 21. Dezember 1966
Regeste: Art. 4 BV; Beweisabnahme im Verwaltungsverfahren. Wann können beweisbildende Auskünfte nach Bündner Recht auf dem Wege der "amtlichen Erhebung" eingeholt werden? Ausschluss der telephonischen Vernehmung von Zeugen. In einem Verfahren, das einen Eingriff in die persönliche Freiheit zum Gegenstand hat, hat der Betroffene grundsätzlich Anspruch darauf, vom Ergebnis des Beweisverfahrens Kenntnis zu nehmen und dazu Stellung zu beziehen.

92 I 271 () from 26. Oktober 1966
Regeste: Art. 4 und 58 BV 1. Art 58 Abs. 1 BV gibt dem Einzelnen auch einen Anspruch auf richtige Besetzung eines Gerichts (und eines Schiedsgerichts). Ob dieser Anspruch gewahrt sei, prüft das Bundesgericht frei (Erw. 4). 2. Ein Schiedsrichter ist befangen, wenn seine Ehefrau als Anwältin beim Rechtsvertreter derjenigen Partei arbeitet, die ihn zum Schiedsrichter ernannt hat (Erw. 5).

92 I 298 () from 18. Oktober 1966
Regeste: Handelsregister, nationale Bezeichnung in einer Firma; Art. 944 Abs. 2 OR, Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV. Art. 46 Abs. 3 HRegV betr. die Zulässigkeit territorialer Bezeichnungen in substantivischer Form ist auf nationale Bezeichnungen nicht anwendbar (Erw. 3). Tragweite des Begriffs "besondere Umstände" in Art. 45 HRegV (Erw. 4). Frage der Zulässigkeit des Zusatzes "(Schweiz)" für die schweizerische Niederlassung eines ausländischen Konzerns (Erw. 5, 6).

92 I 331 () from 22. September 1966
Regeste: Sperrfrist für die Weiterveräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke; Ausnahmen (Art. 218, 218 bis OR). 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1). 2. Besetzung der kantonalen Rekurskommission: Die Auffassung, dass die Beschwerdeführer rechtsgültig auf die Mitwirkung eines von fünf Kommissionsmitgliedern verzichten konnten, ist nicht willkürlich (Erw. 2). 3. Unter die Sperrfrist fällt auch die Ausübung eines Kaufsrechts (Erw. 3). 4. Begriff des Baulandes (Art. 218 Abs. 2 OR): Massgebend ist, ob das Grundstück nach den objektiven Verhältnissen sofort überbaut werden kann. Auf Verlangen der Beteiligten hat die für die Erteilung von Baubewilligungen zuständige kantonale Behörde einen förmlichen, weiterziehbaren Vorentscheid über diese Frage zu treffen (Erw. 4, 5). 5. Wichtige Gründe für eine Ausnahme von der Sperre (Art. 218 bis OR) können sich auch aus den persönlichen Verhältnissen der Vertragspartner ergeben, insbesondere aus finanziellen Schwierigkeiten des Veräusserers (Erw. 6).

92 I 369 () from 7. Dezember 1966
Regeste: Gemeindeautonomie. Art. 40 Abs. 2 bünd. KV. Legitimation der Gemeinde (als Trägerin öffentlicher Gewalt) zur staatsrechtlichen Beschwerde (Erw. 1). Gegenstand und Umfang der bundesgerichtlichen Prüfung (Erw. 3). Eine Bestimmung, die dem Gemeinderat verbietet, ausserhalb des eigentlichen Bauzonengebietes Wasser- und Stromanschlüsse zu bewilligen, verletzt weder die Eigentumsgarantie noch Art. 4 des bünd. Bau- und Planungsgesetzes (Erw. 4 und 5a).

92 I 427 () from 28. November 1966
Regeste: Fiskalische Belastung des Tabaks, Preisschutz, Ordnungsbusse (Art. 127 Abs. 1 lit. d, Art. 146 AHVG; Art. 94 der Verordnung des Bundesrates betreffend die fiskalische Belastung des Tabaks vom 30. Dezember 1947 /4. Juni 1962). 1. Begriff der Konsumenten-Selbsthilfeorganisation im Sinne von Art. 94 Abs. 4 lit. a der Tabaksteuerverordnung (Erw. 2). 2. Überprüfung der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der auf gesetzlicher Delegation beruhenden Verordnungen des Bundesrates; Klarstellung der Rechtsprechung (Erw. 3, 4). 3. Die in Art. 94 Abs. 4 lit. a der Tabaksteuerverordnung enthaltene Bestimmung, welche nur den Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen und nicht auch den übrigen Kleinhändlern erlaubt, aus eigener Initiative über 8 % hinausgehende Rabatte zu gewähren, verstösst gegen Art. 4 BV. Sie wird in casu nicht angewendet, und die angefochtenen Ordnungsbussen werden aufgehoben (Erw. 5, 6).

92 I 450 () from 7. Dezember 1966
Regeste: Art. 4 BV; Willkür 1. Beiträge und Gebühren; Begriff und Arten (A, Erw. 2). 2. Die Vorschrift eines Gemeindereglements, die dem Eigentümer sog. Altbauten eine Kausalabgabe zur Finanzierung der zu erstellendenKläranlage auferlegt, ist mit Art. 4 BV vereinbar (A, Erw. 3 und 4). Dasselbe gilt für eine Bestimmung, nach welcher der Gemeinderat für gewisse Arten von Liegenschaften die öffentlichen Entgeltsabgaben von Fall zu Fall festsetzen darf (B, Erw. 1 und 2).

92 I 475 () from 21. Dezember 1966
Regeste: Kantonales Enteignungsrecht. Art. 4 BV und Eigentumsgarantie. Bemessung der Entschädigung für eine Liegenschaft, die der Enteignete in Kenntnis der bevorstehenden Enteignung kurz vorher zu einem übersetzten Preis gekauft hat.

92 I 503 () from 11. Mai 1966
Regeste: Art. 4 BV, Eigentumsgarantie; Kanalisationsanschluss. 1. Ist die Rechtsmittelinstanz, welche die Sache zur Neubeurteilung zurückgewiesen hat, bei Anfechtung des neuen Urteils der Unterbehörde an ihren eigenen Rückweisungsentscheid gebunden? (Frage für das basellandschaftliche Verwaltungsverfahren offen gelassen.) 2. a) Die Eigentumsgarantie hat die Bedeutung einer Instituts- und einer Bestandesgarantie. Sie gibt keinen Anspruch auf Leistungen des Staates, insbesondere nicht auf Anschluss eines Grundstücks an eine öffentliche Kanalisation. b) Bedeutung des Art. 4 BV für die Beziehungen zwischen einer öffentlichen Anstalt und deren Benutzern. Mit Rücksicht auf die begrenzte Leistungsfähigkeit eines Kanalisationsnetzes kann der Anschluss von ausserhalb des Kanalisationsperimeters gelegenen Grundstücken an dasselbe verweigert werden. c) Voraussetzungen für den Anschluss an das Kanalisationsnetz nach basellandschaftlichem Recht. 3. Ausnahmen von der Anschlusspflicht. Diese setzen voraus, dass der Grundeigentümer selber in der Lage ist, die Abwasser soweit unschädlich zu machen, als der Gewässerschutz erfordert. 4. Lösung der Abwasserfrage als Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung.

93 I 1 () from 15. März 1967
Regeste: Art. 88 OG; Art. 4 BV; Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG. 1. Der Ausländer kann gegen bestimmte fremdenpolizeiliche Verfügungen, namentlich gegen den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung, staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV führen (Erw. 1; Änderung der Rechtsprechung). 2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei der Anfechtung fremdenpolizeilicher Verfügungen (Erw. 3). 3. Begriff des Verhaltens, das im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG "Anlass zu schweren Klagen" gibt (Erw. 3 a). Inwiefern fallen ehebrecherische Beziehungen hierunter? (Erw. 3 b). Eine Aufenthaltsbewilligung ist beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nur zu widerrufen, wenn diese Massnahme nach den Umständen als angemessen erscheint (Erw. 4). 4. Fremdenpolizeirecht und Rechtsgleichheit (Erw. 1a, 5).

93 I 17 () from 8. März 1967
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV; wann ist die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG) ausnahmsweise nicht erforderlich? (Erw. 2). Kurtaxe. Niederlassungsfreiheit. Doppelbesteuerung. Eine Ordnung, welche die Eigentümer von Ferienhäusern (und deren Gäste) nicht gleich den am Orte Niedergelassenen von der Kurtaxe befreit, verstösst nicht gegen Art. 45 Abs. 6 BV (Erw. 4). Voraussetzungen der Anwendbarkeit von Art. 46 Abs. 2 BV auf die von den Ferienhauseigentümern erhobene Kurtaxe. Bedeutung der Höhe der Kurtaxe und der Verwendung ihres Ertrages (Erw. 5).

93 I 83 () from 17. März 1967
Regeste: 1. Art. 1 Abs. 1 lit. d, 15 Abs. 1 VG. Die Strafverfolgung von Mitgliedern der Eidg. Bankenkommission bedarf einer Ermächtigung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes (Erw. 1). 2. Art. 15 VG, Art. 32 und 303 StGB. Sinn und Zweck des Vorverfahrens, in dem über die Ermächtigung entschieden wird. Die Eidg. Bankenkommission ist verpflichtet, strafbare Handlungen, die ihren Aufgabenkreis betreffen, den Strafbehörden anzuzeigen. Inhalt und Grenzen dieser Pflicht (Erw. 2). 3. Art. 4 BV, Art. 15 Abs. 3 VG. Darf die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Amtspersonen ohne Anhörung des Anzeigers verweigert werden (Erw. 3)?

93 I 106 () from 3. Mai 1967
Regeste: Finanzierung der Erstellung und des Betriebs einer Abwasserreinigungsanlage einer Gemeinde. Mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit vereinbar ist eine Ordnung, nach welcher für die nicht durch eine kantonale Subvention und durch Gemeindesteuern gedeckten Baukosten von den Hauseigentümern ein Beitrag erhoben wird, der nach der Brandversicherungssumme ihrer Gebäude bemessen ist, während die Wasserverbraucher nur eine Gebühr zur Deckung der Betriebskosten zu entrichten haben (Erw. 4 und 5). Form und Bekanntmachung der vom Gemeindeparlament und vom Gemeinderat gefassten Beschlüsse (Erw. 3 und 4 a).

93 I 125 () from 3. Februar 1967
Regeste: Art. 88 OG: Legitimation von Berufsverbänden zur staatsrechtlichen Beschwerde; Voraussetzungen. Art. 4 BV: Befugnis der kantonalen Behörden, die Anfechtung der Patenterteilung für eine Wirtschaft an einen Dritten durch den Berufsverband nicht zuzulassen, wenn der Kanton von der ihm durch Art. 31ter Abs. 1 BV erteilten Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat.

93 I 130 () from 22. Februar 1967
Regeste: Eigentumsgarantie. Art. 4 BV. Materielle Enteignung. Zeitpunkt für die Bemessung der Entschädigung. Bundesrechtliche Eigentumsgarantie; Bedeutung, Verhältnis zu entsprechenden Garantien in den Kantonsverfassungen (Erw. 3). Umfang der Überprüfung des Bundesgerichts bei staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Erw. 4). Sind die Vorschriften über die formelle Enteignung direkt oder analog auf die materielle Enteignung anwendbar? (Erw. 6). Zeitpunkt für die Bemessung der Entschädigung bei enteignungsähnlichen Eigentumsbeschränkungen. Die Annahme, mangels gesetzlicher Vorschrift sei der Tag des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung massgebend, - verstösst jedenfalls dann nicht gegen die Eigentumsgarantie, wenn die enteignungsähnliche Wirkung für den Betroffenen erkennbar ist und er seine Entschädigungsansprüche sofort geltend machen kann (Erw. 7 b und 9); - ist angesichts der Unterschiede zwischen formeller und materieller Enteignung (Erw. 7 a) auch mit Art. 4 BV vereinbar (Erw. 7 c). Haftung des Enteigners für verspätete Beurteilung und Auszahlung der Entschädigung? (Erw. 8).

93 I 209 () from 5. Juli 1967
Regeste: Kantonales Prozessrecht. Willkür. Ueberspitzter Formalismus. Auslegung einer Bestimmung der StPO, wonach ein Irrtum in der Bezeichnung eines Rechtsmittels unschädlich ist. Die Annahme, in der Erhebung einer "Einsprache" gegen ein nur der Appellation unterliegendes Strafurteil liege keine gültige Appellation, verstösst gegen Art. 4 BV, da sie mit dem Sinn und Zweck der genannten Bestimmung unvereinbar ist und einen überspitzten Formalismus darstellt.

93 I 228 () from 17. Mai 1967
Regeste: Art. 31, 4 und 58 BV; 26 ElG 1. Das Aufsichtsrecht der Verleihungsbehörde über den Beliehenen erstreckt sich nicht auf Gebiete, die ausserhalb des Konzessionsbereiches liegen. (Erw. 2). 2. Gehören die Beziehungen eines privaten Elektrizitätswerks zu den einzelnen Installateuren und zu den Stromverbrauchern dem öffentlichen oder dem privaten Recht an? (Erw. 3 und 4).

93 I 247 () from 3. Mai 1967
Regeste: Zuweisung eines unüberbauten Grundstücks zu einer der Trennung von Gemeinden dienenden Freihaltezone (Bauverbotszone). Erfordernis des öffentlichen Interesses. Gewichtiges öffentliches Interesse an einem breiten Trenngürtel am Stadtrand von Zürich (Erw. 3 a). Bedeutung des Umstands, dass die Stadt Zürich beabsichtigt, in dem dazu bestimmten Gebiet einen Friedhof mit den dazu gehörigen Hochbauten anzulegen (Erw. 3 b, c).

93 I 254 () from 17. Mai 1967
Regeste: Ausbeutung von Kiesgruben. Abstand von der öffentlichen Strasse. Naturschutz. Die einer Polizeierlaubnis beigefügte Auflage bedarf einer gesetzlichen Grundlage (Erw. 2). Abstand der Kiesgruben von der öffentlichen Strasse; gesetzliche Grundlage, rechtsgleiche Behandlung, Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Erw. 2 a-c). Wiederauffüllung der Kiesgruben nach der Ausbeutung. Inwiefern besteht im Kanton Zürich eine gesetzliche Grundlage, um die Wiederauffüllung auch in Landschaften ohne "bedeutenden Schönheitswert" vorzuschreiben? (Erw. 3).

93 I 278 () from 31. Mai 1967
Regeste: Arrestkaution (Art. 273 Abs. 1 SchKG). Art. 17 der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht (IÜ). Art. 4 BV. Art. 17 IUe bezieht sich nur auf eigentliche Prozesskautionen und ist daher nicht anwendbar auf die Sicherheitsleistung, zu welcher der Arrestgläubiger (ohne Rücksicht auf seinen Wohnsitz und seine Staatsangehörigkeit) gemäss Art. 273 Abs. 1 SchKG verhalten werden kann (Erw. 4). Begriff des Schadens, für den der Arrestgläubiger bei ungerechtfertigtem Arrest haftet. Die Annahme, dass dazu auch die dem Arrestschuldner im Arrestprosequierungsprozess erwachsenden Kosten gehören, ist nicht willkürlich (Erw. 5).

93 I 313 () from 28. Juni 1967
Regeste: Ausgabenreferendum 1. Überlässt es eine kantonale Verfassung ausdrücklich dem Gesetzgeber zu bestimmen, ob und welche Beschlüsse des Grossen Rates von finanzieller Tragweite dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind, dann tritt das Bundesgericht auf die Rüge der Verletzung entsprechender Gesetzesvorschriften ein (Erw. 3b). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 4). 2. Begriff der "Ausgabe" und der "Anlage" (Erw. 5). Die Beteiligung des Staates mit bis zu Fr. 2,5 Mio an einer Zentralstelle für elektronische Datenverarbeitung ist eine Ausgabe im Sinne des st. gallischen Ausgabenreferendums (Erw. 6 und 7).

93 I 338 () from 20. September 1967
Regeste: Bauverbot für die Zeit zwischen der öffentlichen Auflegung eines kommunalen Bau- und Strassenlinienplans und der Genehmigung desselben durch die kantonale Behörde. Voraussetzungen, unter denen ein solches Bauverbot mit der Eigentumsgarantie vereinbar ist und ohne Entschädigung hingenommen werden muss. Änderung der Rechtslage, wenn das an sich vorübergehende Bauverbot schon verhältnismässig lange (hier: seit über 5 Jahre) besteht?

93 I 354 () from 17. März 1967
Regeste: Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB: Steuerpflicht von Liegenschaftsgewinnen. 1. Buchführungspflicht einer ländlichen Gastwirtschaft (Erw. 2). 2. Gehört bei einem Gasthof mit Landwirtschaftsbetrieb der - landwirtschaftlich genutzte - Boden zum Geschäfts- oder Privatvermögen? Zuteilung, wenn die landwirtschaftlichen Grundstücke mit Einschluss der verkauften hypothekarisch belastet worden sind, um den Umbau des Gasthofes zu finanzieren (Erw. 3). 3. Eine Wertzerlegung in Privat- und Geschäftsvermögen kommt nicht in Frage, wenn der Landwirtschaftsbetrieb als Teil des Gastwirtschaftsbetriebes zu betrachten ist (Erw. 5).

93 I 390 () from 23. Juni 1967
Regeste: Übernahme von Brotgetreide des Bundes. 1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der Eidg. Getreidekommission: Streitwert (Erw. 1). 2. Eine formell rechtskräftige Zuteilung inländischen Getreides für eine bestimmte Periode darf zu Ungunsten des Müllers abgeändert werden, wenn er die Verwaltung durch unrichtige Meldungen irregeführt hat (Erw. 2). 3. Verjährung des Anspruchs des Bundes auf Zuteilung: Art. 57 des Getreidegesetzes ist analog anwendbar (Erw. 3). 4. Verweigerung des rechtlichen Gehörs im Verfahren vor der Eidg. Getreidekommission? (Erw. 5).

93 I 401 () from 9. November 1967
Regeste: Vaterschaftsklage. Sicherstellung von Unterhaltsansprüchen. Art. 87 OG; Art. 321 ZGB. 1. Die richterliche Verfügung, durch welche der Vaterschaftsbeklagte verpflichtet wird, i.S. von Art. 321 ZGB Unterhaltsbeiträge zu hinterlegen, kann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV angefochten werden (Erw. 2). 2. Die Sicherstellungspflicht des Vaterschaftsbeklagten für mutmassliche Kosten des Unterhalts des Kindes ist auf drei Monate beschränkt (Erw. 4 und 5).

93 I 406 () from 20. September 1967
Regeste: Elektrische Hausinstallationen. Art. 31 und 4 BV. Rechtsnatur der Bewilligung zur Ausführung solcher Installationen (Erw. 1). Sofern die Ausführung der Installationen nicht Gegenstand eines Gemeindemonopols, sondern lediglich von einer Bewilligung (Polizeierlaubnis) abhängig ist, darf diese einem auswärtigen Installateur verweigert werden, wenn die rasche Behebung von Störungen und Ausführung von Reparaturen durch den Installateur infolge der Entfernung zwischen seinem Geschäftssitz und dem Ort der Installation nicht mehr sichergestellt ist (Erw. 3). Die Annahme, dass dies bei einer Entfernung von 26 km nicht mehr zutreffe, verstösst weder gegen Art. 31 noch gegen Art. 4 BV (Erw. 4 und 5).

93 I 427 () from 4. Oktober 1967
Regeste: Gemeindeautonomie; Art. 54 solothurn. KV und 4 BV. Wann liegt Gemeindeautonomie vor und wann betrachtet das Bundesgericht sie als verletzt? Eine Verletzung ist auch dann anzunehmen, wenn die kantonale Instanz eine ihr zustehende Rechtskontrolle willkürlich ausgeübt hat (Erw. 3c a.E.) (Ergänzung der Rechtsprechung). Die analoge Anwendung von § 30 des solothurnischen Normalbaureglements auf spezielle Bebauungspläne und die damit verbundene Zweckmässigkeitsprüfung verletzt die Gemeindeautonomie nicht (Erw. 4).

93 I 437 () from 17. Mai 1967
Regeste: Finanzausgleich zwischen Gemeinden. Art. 4 BV, 19, 48, 51 und 55 zürch. KV, 85 lit. a OG. 1. Bedeutung des in § 59 des Zürcher Wahlgesetzes vorgesehenen "Beleuchtenden Berichts" (Erw. 2). 2. Ziele des kantonalen Finanzausgleichs (Erw. 4). 3. Dass ein kantonales Gesetz besonders gut stehende Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke des Finanzausgleichs zu Beiträgen an den Staat verhält, verletzt die oben genannten Verfassungsbestimmungen nicht (Erw. 5-9).

93 I 450 () from 11. Oktober 1967
Regeste: Art. 86 und 87 OG; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs, Zwischenentscheid. Der Entscheid der Steuerrekursbehörde, der die Kapitalgewinnsteuer aufeinen bestimmten Betrag herabsetzt, die Berechnung des geschuldeten Steuerbetrages aber der Steuerbehörde überlässt, ist ein Zwischenentscheid, der keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteilzur Folge hat. Will der Beschwerdeführer die Veranlagung nur mit Bezug auf die von der Rekurskommission bereits festgestellten Steuerfaktoren anfechten, so braucht er die kantonalen Rechtsmittel nicht noch einmal zu erschöpfen. (Bestätigung der Rechtsprechung).

93 I 525 () from 13. Dezember 1967
Regeste: Stimmrecht. Grossratswahlen. Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Anfechtung der Grossratswahlen im Bezirk Luzern-Stadt wegen Missachtung der Vorschrift, wonach die von den Parteien zur Verfügung gestellten Kandidatenlisten (neben der amtlichen Blanko-Liste) im Urnenlokal aufzulegen sind. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 4 und 5). Einfluss der behaupteten Unregelmässigkeit auf das Wahlergebnis? (Erw. 4). Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde und Aufhebung des Validierungsbeschlusses des Grossen Rates wegen ungenügender Untersuchung der im kantonalen Wahlrekurs aufgestellten Behauptungen - dass die Stadtkanzlei die ihr gelieferten Listen der beschwerdeführenden Partei an die Urnenlokale hätte verteilen sollen (Erw. 6); - dass den Vertretern der beschwerdeführenden Partei verweigert worden sei, ihre Listen in den Urnenlokalen aufzulegen (Erw. 7).

93 I 554 () from 18. Oktober 1967
Regeste: Kantonales Enteignungsrecht. Art. 4 BV und Eigentumsgarantie. Berechnung der Enteignungsentschädigung bei Teilenteignung auf Grund der Differenz zwischen dem Wert des Gesamtgrundstücks vor und dem Wert des Restgrundstücks nach der Enteignung. Zulässigkeit dieser Berechnungsmethode (Erw. 3 und 4). Anwendung der Methode auf die Enteignung für die Anlage einer Strasse. Wenn der Überbauungsplan, der die Strasse erstmals vorsah, gleichzeitig mit einem Zonenplan erlassen wurde, durch den das betreffende Gebiet in eine Zone mit höherer Ausnützung versetzt wurde, ist es willkürlich, bei der Ermittlung der Enteignungsentschädigung den Wert des Gesamtgrundstücks vor der Umzonung dem Wert des Restgrundstücks nach der Umzonung gegenüberzustellen (Erw. 5).

93 I 597 () from 29. September 1967
Regeste: Art. 105 OG. Das Bundesgericht kann Erhebungen über den Sachverhalt durchführen oder anordnen, wenn es nach pflichtgemässem Ermessen findet, dass dazu Anlass besteht (Erw. 7). Sperrfrist für die Weiterveräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke. Art. 218 ff. OR. Mit einer früher gemäss Art. 218bis OR erteilten Bewilligung, ein landwirtschaftliches Grundstück vor Ablauf der Sperrfrist zum Zwecke der Überbauung zu veräussern, ist der Entscheidung darüber, ob das Grundstück nunmehr Bauland im Sinne des Art. 218 Abs. 2 OR sei und daher der Sperre nicht mehr unterstehe, nicht vorgegriffen (Erw. 5). Begriff des Baulandes. Bestätigung der in BGE 92 I 338/9 begründeten Rechtsprechnung (Erw. 6). Ein Grundstück, dessen Überbauung zur Zeit von der zuständigen kantonalen Behörde mangels einer genügenden Möglichkeit der Abwasserbeseitigung nicht bewilligt wird, ist noch kein Bauland (Erw. 7). Unter die Sperrfrist fällt auch die Einräumung eines Kaufsrechtes, das vor Ablauf der Frist ausgeübt werden kann (Erw. 8). Wichtige Gründe für eine Abkürzung der Sperrfrist (Art. 218bis OR)? (Erw. 9).

93 I 609 () from 13. Dezember 1967
Regeste: Gemeindesteuern. Willkür. Verhältnis des im basellandschaftlichen Gemeindegesetz vom 14. März 1881 auch für Aktiengesellschaften vorgesehenen Systems der Einkommens- und Vermögensbesteuerung zum System der Gewinnund Kapitalbesteuerung gemäss kantonalem Steuergesetz vom 7. Juli 1952. Auslegung von § 141 Abs. 6 des kantonalen Steuergesetzes, wonach die Gemeinden "berechtigt sind, die Staatssteuereinschätzung allgemein auch für die Gemeindesteuer als gültig zu erklären". Änderung der Rechtsprechung von BGE 91 I 249 ff.

93 I 632 () from 14. November 1967
Regeste: Gewaltentrennung. Gebühr. Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage gilt nicht für blosse Kanzleigebühren; Begriff derselben (Erw. 2 und 3). Das Filmgesetz des Kantons Wallis vom 12. November 1915 stellt für die Erhebung einer andern als einer Kanzleigebühr keine gesetzliche Grundlage dar (Erw. 4 und 5).

93 I 648 () from 8. Dezember 1967
Regeste: Bundesgesetz über die Anlagefonds. Auflösung eines Fonds durch Beschluss der Aufsichtsbehörde. 1. Der Sachwalter braucht die Jahresfrist für den Antrag an die Aufsichtsbehörde nicht unter allen Umständen voll auszunützen. Er muss die erforderlichen Erhebungen beförderlich vornehmen. Sobald er zum Schluss gelangt ist, dass die Auflösung des Fonds unvermeidlich und dringlich sei, muss er sie beantragen. Die Aufsichtsbehörde muss ihrerseits raschestens diesem Antrag Folge geben, wenn ihre eigene Prüfung ergibt, dass er begründet ist (Erw. 4). 2. Die Aufsichtsbehörde ist nicht verpflichtet, vor dem Enstcheid den Anlegern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihnen insbesondere zu ermöglichen, zu diesem Zweck eine Versammlung abzuhalten (Erw. 5).

93 I 703 () from 20. September 1967
Regeste: Eigentumsgarantie Öffentliches Interesse an der Schaffung von Freihaltezonen (Grünzonen). Grundsatz der Verhältnismässigkeit und Notwendigkeit der Eigentumsbeschränkungen.

93 II 204 () from 27. April 1967
Regeste: Vorkaufsrecht der Nachkommen gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG). Das Gemeinwesen erwirbt ein ganzes landwirtschaftliches Heimwesen, benötigt aber davon nur einen Teil zur Erfüllung öffentlicher (oder andrer in Art. 10 lit. b EGG genannter) Aufgaben: a) Das Vorkaufsrecht kann sich nur auf das ganze Rechtsgeschäft beziehen, nicht auf einzelne Teile des Heimwesens beschränkt werden (Erw. 5). b) Das Rechtsgeschäft als Ganzes ist dann dem Vorkaufsrecht entzogen, wenn es in überwiegendem Masse der Erfüllung einer der genannten Aufgaben dient (Erw. 6).

93 II 230 () from 12. Mai 1967
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG). Erfordernis eines aktuellen und praktischen Interesses. Prüfung einer zivilrechtlichen Vorfrage, von deren Lösung abhängt, ob ein solches Interesse bestehe (Erw. 3 a). Verantwortlichkeit des Grundeigentümers. Begriff der Überschreitung des Eigentumsrechts im Sinne von Art. 679 ZGB. Eine solche liegt nicht schon im Bestehenlassen eines für die Nachbarn gefährlichen Zustands des Grundstücks, wenn dieser Zustand nicht infolge der gegenwärtigen oder frühern Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks, sondern ausschliesslich infolge von Naturereignissen eingetreten ist. Fall eines Grundstücks, von dem verwittertes Gestein abzustürzen droht (Erw. 3 b). Ist der Grundeigentümer kraft eines ungeschriebenen Rechtssatzes verpflichtet, einen ausschliesslich durch Naturereignisse geschaffenen Gefahrzustand zu beseitigen? (Erw. 3 c).

94 I 1 () from 6. März 1968
Regeste: Kantonales Feriengesetz; Rückwirkungsklausel. Ein kantonales Gesetz, nach welchem den Arbeitnehmern mindestens drei Wochen Ferien zu gewähren sind, ist privatrechtlicher Natur. Soll die in einem solchen Erlass enthaltene Rückwirkungsklausel nicht gegen Art. 4 BV verstossen, muss sie sich auf beachtenswerte (triftige) Gründe stützen lassen.

94 I 18 () from 7. Februar 1968
Regeste: Sanitäre Hausinstallationen. Art. 31 und 4 BV. Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung beim Ausführen von Hausinstallationen. Unterscheidung des sog. gemischten Systems vom Fall, wo sich die gemeindeeigene Installationswerkstätte mit privaten Firmen in freier Konkurrenz misst (Erw. 3). Frage des Festhaltens an der bisherigen Rechtsprechung betreffend die Monopolisierung von Hausinstallationen durch die Gemeinde offengelassen, da in Grenchen auf dem Gebiete der sanitären Hausinstallationen freie Konkurrenz herrscht (Erw. 4). Es verletzt Art. 31 BV, einer in Biel ansässigen Firma, welche über 10 mit Funkruf ausgestattete Servicewagen verfügt, die Bewilligung zum Ausführen sanitärer Hausinstallationen in Grenchen zu verweigern (Erw. 5 und 6).

94 I 37 () from 24. Januar 1968
Regeste: Kantonale Minimalsteuer auf Liegenschaften juristischer Personen. Eine Minimalsteuer von 2‰ des Verkehrswertes, die von allen juristischen Personen ohne Rücksicht auf ihren Sitz zu bezahlen Ist und nur erhoben wird, wenn und soweit sie die ordentlichenSteuern der betreffenden Steuerpflichtigen übersteigt, verstösst nicht gegen das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung.

94 I 52 () from 24. Januar 1968
Regeste: Natur- und Heimatschutz. 1. Erfordernis der gesetzlichen Grundlage. a) Wann stellt das Verbot anderer als landwirtschaftlicher Bauten einen besonders schweren Eingriff in das Eigentum dar und prüft deshalb das Bundesgericht frei, ob die gesetzliche Grundlage genüge? (Erw. 2 a). b) Begriff der (schutzwürdigen) Landschaft im Sinne von § 182 Abs. 1 zürch. EG zum ZGB (Erw. 2 b). 2. Erfordernis des öffentlichen Interesses. Erhaltung der noch unberührten Umgebung eines Naturschutzreservates im Kanton Zürich als im öffentlichen Interesse liegend. Abwägung dieses öffentlichen Interesses mit den entgegenstehenden privaten Interessen der betroffenen Grundeigentümer (Erw. 3). 3. Tragweite und Bedeutung des Verbots anderer Bauten als solcher, die für die Ausübung der "herkömmlichen" Land- und Waldwirtschaft notwendig sind (Erw. 4).

94 I 63 () from 24. Januar 1968
Regeste: Gemeindeautonomie. Ist die in BGE 93 I 154 ff. und 427 ff. erfolgte Änderung der Rechtsprechung darüber, wann eine Gemeinde in bezug auf die Rechtsetzung autonom sei und wann diese Autonomie verletzt sei, auf die Rechtsanwendung (Anwendung von Gemeinderecht durch die Gemeindebehörden) auszudehnen? Frage offen gelassen.

94 I 82 () from 15. März 1968
Regeste: Fiskalische Belastung des Tabaks, Preisschutz, Ordnungsbusse (Art. 127 Abs. 1 lit. d, Art. 146 AHVG; Art. 94 der Verordnung des Bundesrates betreffend die fiskalische Belastung des Tabaks vom 30. Dezember 1947/4. Juni 1962/6. Oktober 1967). 1. Art. 94 Abs. 1 der Tabaksteuerverordnung, welcher die auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebenen Kleinhandelspreise grundsätzlich als verbindlich erklärt, ist durch Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG gedeckt und daher gültig (Erw. 2). 2. Ordnungsbusse (Art. 146 AHVG) wegen Überschreitung der in Art. 94 Abs. 4 lit. a der Tabaksteuerverordnung festgelegten Höchstgrenze des Rabatts. Hat der Täter die Ordnung an mehreren aufeinander folgenden Tagen verletzt, so darf ihm für jeden Tag eine Busse auferlegt werden. Bemessung der Bussen (Erw. 3).

94 I 111 () from 6. März 1968
Regeste: Wertzuwachssteuer, Enteignung Umfang der bundesgerichtlichen Prüfungsbefugnis (Erw. 3). Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung; Frage offen gelassen, da die Voraussetzungen für die Annahme einer sog. konfiskatorischen Besteuerung hier ohnehin fehlen (Erw. 4a). Art. 92 EntG hindert nicht, auf der Expropriationsentschädigung eine Wertzuwachssteuer zu erheben (Erw. 4b). Auslegung der einschlägigen Vorschriften eines Gemeindesteuerreglements ist mit Art. 4 BV vereinbar (Erw. 5).

94 I 127 () from 21. Februar 1968
Regeste: Eigentumsgarantie. Art. 88 und 90 OG. 1. Staatsrechtliche Beschwerde. Legitimation des Bürgers, vorfrageweise eine Verletzung der Gemeindeautonomie geltend zu machen (Erw. 3). Zulässigkeit neuer rechtlicher Vorbringen? (Erw. 5). 2. Eigentumsgarantie. a) Gesetzliche Grundlage für die Einteilung eines Grundstücks in eine Zone für öffentliche Werke und Anlagen im Kt. BaselLandschaft (Erw. 6). b) Öffentliches Interesse. Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob das öffentliche Interesse einen Eingriff in das Privateigentum rechtfertigt und schwerer wiegt als das Interesse des betroffenen Grundeigentümers(Änderung der Rechtsprechung); dabei übt es aber Zurückhaltung, soweit örtliche Verhältnisse zu würdigen sind oder sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (Erw. 7 a). Abwägung des in einem zukünftigen, unsichern Bedürfnis nach Inanspruchnahme eines Grundstücks für die Erweiterung einer öffentlichen Anstalt bestehenden öffentlichen Interesses mit dem entgegenstehenden privaten Interesse (Erw. 7 b).

94 I 138 () from 24. Januar 1968
Regeste: 1. Art. 88 OG. Der Baugesuchsteller, der nicht Eigentümer des Baugrundstücks ist und keine anderweitigen Rechte daran hat, kann gegen die Abweisung seines Baugesuches staatsrechtliche Beschwerde führen (Anderung der Rechtsprechung). 2. Eigentumsgarantie; Verweigerung der Baubewilligung für eine Tankstelle. Gewohnheitsrecht als gesetzliche Grundlage öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen; die Normblätter der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner beinhalten kein Gewohnheitsrecht. Bedeutung von Art. 3 Abs. 4 SVG. Voraussetzungen für den Erlass einer Polizeinotverfügung.

94 I 143 () from 6. März 1968
Regeste: Art. 86 Abs. 2, Art. 87 und 90 lit. b OG. Inwieweit sind neue Vorbringen zulässig zur Begründung staatsrechtlicher Beschwerden, welche die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges voraussetzen?

94 I 199 () from 31. Januar 1968
Regeste: Verteilung der Parteirollen im Patentnichtigkeitsprozess; Art. 86 Abs. 1 2. Halbsatz PatG. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen sich äusserlich als Zwischenentscheid darstellenden letztinstanzlichen kantonalen Entscheid. Hat der Angeschuldigte die Einrede der Nichtigkeit des Patentes des Strafanzeigers erhoben, dann verletzt die zuständige Behörde in keinem Fall Art. 4 BV, wenn sie ihm die Klägerrolle im Nichtigkeitsprozess zuteilt. Hingegen ist es willkürlich, dem Angeschuldigten Frist zur Feststellungsklage betreffend die Rechtsbeständigkeit seines eigenen Patentes anzusetzen.

94 I 205 () from 26. Juni 1968
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Begriff des Zwischenentscheids und des nicht wiedergutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 87 OG. Kantonaler Zivilprozess. Verbotsverfahren. Auslegung des § 263 aarg. ZPO, wonach "allgemeine Verbote durch Anbringen von Warnungstafeln oder auf andere angemessene Weise genügend bekanntzumachen" sind. Mit Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung unvereinbar ist die Annahme, dass bei Erlass des Verbots des Befahrens eines Privatwegs mit Motorfahrzeugen die Warnungstafel die ganze Verbotsverfügung enthalten müsse, das Signal Nr. 201 gemäss Art. 16 SSV keine genügende Bekanntmachung darstelle und das im Anschluss an das Aufstellen dieses Signals eingelegte Rechtsmittel gegen das Verbot daher verfrüht und unzulässig sei.

94 I 305 () from 15. Mai 1968
Regeste: Art. 4 BV (Gewohnheitsrecht im Steuerrecht); Art. 87 OG (Substitution von Motiven); Die Staatsverfassung des Kantons St. Gallen (Art. 54,55) steht der Bildung von Gewohnheitsrecht nicht im Wege (Erw. 1); Voraussetzungen für die Bildung von Gewohnheitsrecht (Erw. 2); wenn das Steuergesetz keinen Tatbestand enthält, der zur Besteuerung Anlass geben könnte, liegt keine echte Gesetzeslücke vor (Erw. 3); Bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV ist die Substitution von Motiven, die die oberste kantonale Instanz ausdrücklich abgelehnt hat, nicht zulässig (Erw. 4).

94 I 312 () from 7. Mai 1968
Regeste: Zivilprozessrecht, Art. 4 BV. Nicht willkürlich ist die Auslegung von § 31 der thurgauischen ZPO, wonach die Legitimation zur Sache üblicherweise dem Veräusserer erhalten bleibt, der Prozess also zwischen den bisherigen Parteien fortzusetzen ist. Begriff der Prozesstandschaft, bzw. der Befugnis zur Prozessführung (Erw. b).

94 I 336 () from 3. Juli 1968
Regeste: Abänderung eines Zonenplans. Zur Frage der Rechtsnatur der baulichen Planungsmassnahmen. Die Festlegung der baulichen Ausnützung eines einzelnen Grundstücks und die Genehmigung des hierauf vom Grundeigentümer ausgearbeiteten Überbauungsplans sind Einzelverfügungen. Für deren Abänderung zum Nachteil des Grundeigentümers gelten daher die Grundsätze für die Abänderung nicht von allgemein verbindlichen Erlassen, sondern von Verwaltungsakten (Erw. 3). Anwendung dieser Grundsätze. Wann gehen die Anforderungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dem öffentlichen Interesse an der Abänderung der Ordnung vor? (Erw. 4).

94 I 347 () from 10. Juli 1968
Regeste: Abänderung von Zonenplänen. Voraussetzungen, unter denen die ein grösseres Gebiet betreffende Festlegung der baulichen Ausnützung zum Nachteil der Grundeigentümer abgeändert werden darf. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts.

94 I 358 () from 18. September 1968
Regeste: Vollstreckbarerklärung einer in Deutschland ergangenen Kostenentscheidung. Handelt es sich um die dem unterlegenen Kläger auferlegten Prozesskosten, so gehen die Bestimmungen der Internationalen Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 1. März 1954 (IUe) denjenigen des schweiz.-deutschen Vollstreckungsabkommens vom 2. November 1929 vor (Erw. 2, 3). Nach Art. 19 IUe ist im Exequaturverfahren nicht zu prüfen, ob die Kostenentscheidung oder der ihr zugrunde liegende Hauptentscheid gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates verstosse (Erw. 4).

94 I 365 () from 2. Oktober 1968
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Zwischenentscheid. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Der Entscheid, durch den die letzte kantonale Instanz in Rechtsöffnungssachen die provisorische Rechtsöffnung bewilligt oder verweigert, kann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV angefochten werden, da - der Entscheid kein Zwischenentscheid, sondern ein Endentscheid im Sinne des Art. 87 OG ist (Erw. 3; Änderung der Rechtsprechung); - weder die dem Schuldner bei Bewilligung der Rechtsöffnung offen stehende Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) noch die vom Gläubiger im Falle der Verweigerung zu erhebende Forderungsklage (Art. 79 SchKG) ein "kantonales Rechtsmittel" im Sinne des Art. 86 Abs. 2 OG darstellt (Erw. 4). Provisorische Rechtsöffnung. Willkür. Unter welchen Voraussetzungen darf in der Betreibung gegen die nicht existierende Firma "X & Co." provisorische Rechtsöffnung gegen X. erteilt werden? (Erw. 6).

94 I 392 () from 28. Juni 1968
Regeste: Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der auf gesetzlicher Delegation beruhenden Verordnungen des Bundesrates. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts; weitere Klarstellung der Rechtsprechung (Erw. 3). Ausländische Anlagefonds; Bewilligung der öffentlichen Werbung in der Schweiz. Art. 6 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zumBundesgesetz über die Anlagefonds, wonach die Bewilligung nur erteilt wird, wenn die ausländische Fondsleitung als ihren ständigen Vertreter in der Schweiz eine hier niedergelassene grosse Bank bestellt, ist weder gesetz- noch verfassungswidrig (Erw. 4-6).

94 I 412 () from 7. Mai 1968
Regeste: Verwaltungsgerichtliche Beschwerde, Zulässigkeit. Mit der in Art. 218 quater OR vorgesehenen verwaltungsgerichtlichen Beschwerde können nur Entscheide kantonaler Verwaltungsbehörden angefochten werden.

94 I 435 () from 2. Oktober 1968
Regeste: Steuerliche Behandlung des versicherungstechnischen Deckungskapitals beim verhältnismässigen Schulden- und Schuldzinsenabzugs. Wie bei der Lebensversicherung mit bestimmter Leistungspflicht im Einzelfall, ist auch bei der Rentenversicherung das versicherungstechnische Deckungskapital unter dem Gesichtspunkt von Art. 46 Abs. 2 BV als Schuld zu betrachten. Das gilt auch im Falle einer genossenschaftlich organisierten Pensionskasse, sofern diese das Deckungskapital für die auszuzahlenden Renten nach den Regeln der Versicherungsmathematik ermitteln kann. Der verhältnismässige Schuldzinsenabzug ist bei solchen Pensionskassen ebenfalls nach dem mittleren Hypothekarzinsfuss zu berechnen.

94 I 501 () from 27. September 1968
Regeste: Alkoholgesetz: Konzessionen für die gewerbsmässige Herstellung von Spezialitätenbranntwein dürfen nur erneuert werden, wenn die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Landes es rechtfertigen.

94 I 513 () from 18. Dezember 1968
Regeste: Veranlagungsverjährung bei periodischen Steuern. Aus den Vorschriften über die Veranlagungsperiode ist, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht abzuleiten, dass die Veranlagung im Laufe der Veranlagungsperiode vorzunehmen oder doch einzuleiten sei, ansonst sie verwirke (Erw. 1, 2). Analoge Anwendung der Vorschriften über die Bezugsverjährung auf die Veranlagungsverjährung (Erw. 3). Treu und Glauben im öffentlichen Recht. Unmittelbar aus Art. 4 BV folgender Anspruch des Bürgers auf vertrauenswürdiges, gewissenhaftes Verhalten der Verwaltungsbehörden und auf Schutz des berechtigten Vertrauens auf behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Freie Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts inbezug auf die Frage, ob dieser Anspruch verletzt sei. (Erw. 4 a). Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf die Geltendmachung von Steueransprüchen nach Ablauf der Veranlagungsperiode (Erw. 4 b).

94 I 551 () from 6. November 1968
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Zur Frage der Legitimation des Geschädigten im Strafprozess (Erw. 1). Inwieweit ist derjenige, der in der Sache selbst nicht legitimiert ist, zur Rüge von Verfahrensmängeln legitimiert? (Erweiterung der Rechtsprechung; Erw. 2). Rechtliches Gehör. Eine Rechtsmittelinstanz ist zum Eintreten auf Rügen und Anträge nur insoweit verpflichtet, als sie zu deren Beurteilung zuständig ist (Erw. 3). Strafverfahren im Kanton Basel-Landschaft: - Zuständigkeit des Obergerichts als Beschwerdeinstanz gegenüber Einstellungsbeschlüssen der Überweisungsbehörde (Erw. 3). - Stellung des Geschädigten im Untersuchungsverfahren (Erw. 4).

94 I 649 () from 18. Dezember 1968
Regeste: Entzug des Wirtschaftspatentes und Schliessung der Wirtschaft. Kantonale Vorschrift, wonach in allen Fällen, in denen das (persönliche) Wirtschaftspatent "erlischt", die Schliessung der Wirtschaft zu verfügen ist. Darf gestützt auf diese Vorschrift eine Wirtschaft auch dann geschlossen werden, wenn sie verpachtet ist und dem Pächter das Patent wegen Verlusts des guten Leumunds entzogen wird? Legitimation des Eigentümers der Wirtschaft zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Schliessung (Erw. 1). Willkürliche Auslegung der erwähnten Vorschrift? (Erw. 4). Vereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 4 und 31 BV? (Erw. 5 und 6).

94 II 151 () from 5. November 1968
Regeste: Der Abschluss eines Werkvertrages führt nicht zur (stillschweigenden) Haftungsbefreiung des Eigentümers gegenüber Hilfspersonen des Unternehmers (Erw. 2). Haftung des Eigentümers nach Art. 58 OR gegenüber Hilfspersonen eines Unternehmers, der mit der Instandstellung eines Werkes (Auswechseln von Holzmasten) betraut ist (Erw. 3-6)

95 I 1 () from 29. Januar 1969
Regeste: Kantonales Prozessrecht, überspitzter Formalismus. Art. 4 BV. Kantonale Vorschrift, wonach die gegen ein Strafurteil appellierende Partei innert der Appellationsfrist von 10 Tagen bei der Strafgerichtskanzlei einen Betrag (Vorschuss) von Fr. 20.- bzw. 10.- zu hinterlegen hat. - Willkürliche Auslegung der Vorschrift? (Erw. 1). - Wann ist ein prozessualer Formalismus überspitzt und mit Art. 4 BV unvereinbar? (Erw. 2 a). - Die erwähnte Vorschrift hält vor Art. 4 BV nur stand, wenn der appellierenden Partei, die den Vorschuss nicht fristgemäss leistet, eine kurze Nachfrist angesetzt wird (Erw. 2 b).

95 I 6 () from 29. Januar 1969
Regeste: Kantonales Steuerrecht; Rückwirkung. Wann lässt sich die Rückwirkung eines Steuererlasses durch beachtenswerte triftige Gründe rechtfertigen und daher mit Art. 4 BV vereinbaren?

95 I 12 () from 19. März 1969
Regeste: Ausübung der Heiltätigkeit im Kanton Appenzell A. Rh. Bei Beschwerden wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gewerbepolizeirechts frei, wenn ein besonders schwerer Eingriff in die freie Erwerbstätigkeit in Frage steht (Erw. 3). Neue kantonale Bestimmung, wonach die wie bisher grundsätzlich freie Heiltätigkeit inskünftig nur "vertrauenswürdigen" Personen gestattet ist. - Vereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 4 und 31 BV (Erw. 4 und 5). - Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit; Bedeutung von Vorstrafen, zu denen der Heiltätige in andern Kantonen insbesondere wegen der dort unzulässigen Reklame verurteilt wurde (Erw. 6). - Das wegen dieser Vorstrafen ohne vorherige Warnung ausgesprochene Verbot der vom Betroffenen im Kanton seit über 20 Jahren unbeanstandet ausgeübten Heiltätigkeit verstösst gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Erw. 7).

95 I 33 () from 22. Januar 1969
Regeste: Gemeindeautonomie. Sie ist auch verletzt, wenn die zuständige kantonale Behörde eine autonome Satzung der Gemeinde willkürlich anwendet (Änderung der Rechtsprechung) (Erw. 2). Die angefochtene Auslegung von Art. 32 der St. Moritzer Bauordnung durch den bündnerischen Grossen Rat hält dem Vorwurf der Willkür stand (Erw. 4).

95 I 49 () from 5. Februar 1969
Regeste: Gemeindeverbände. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Legitimation der öffentlich-rechtlichen Körperschaften im allgemeinen (Erw. 1). Beschwerde des zur gemeinsamen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gegründeten Verbands von Gemeinden (Zweckverband) gegen einen von der kantonalen Aufsichtsbehörde über die Gemeinden gefällten Entscheid. - Legitimation des Zweckverbands zur Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV? (Erw. 2). - Legitimation zur Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie nur dann, wenn dem Zweckverband nach der KV oder nach der kantonalen Gemeindegesetzgebung Autonomie zukommt, was im Kanton Solothurn nicht der Fall ist (Erw. 3).

95 I 97 () from 30. April 1969
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Der Entscheid, durch den die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts verweigert wird, ist ein Endentscheid im Sinne des Art. 87 OG (Erw. 2). Bauhandwerkerpfandrecht an Grundeigentum einer Gemeinde. Die Art. 9 und 10 des BG vom 4. Dezember 1947 über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts schliessen, wie ohne Willkür angenommen werden kann, ein Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 837 Ziff. 3 ZGB) an einem zum Verwaltungsvermögen einer Gemeinde gehörenden Grundstück aus (Erw. 4 a). Widmung als Voraussetzung der Überführung einer Sache vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen (Erw. 4 b).

95 I 103 () from 29. Januar 1969
Regeste: Recht auf Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens; Art. 4 BV. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit verlangt nicht nur die Einsicht in Akten eines laufenden Verfahrens. Vielmehr gebietet er auch, dass jeder Bürger seine Rechte stetsfort mit allen von der Rechtsordnung zugelassenen Mitteln wahren könne. Eine solche umfassende Rechtswahrung setzt u.U. die Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens voraus (Änderung der Rechtsprechung). Dieser Anspruch ist aber nur gegeben, wenn der Rechtsuchende ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht.

95 I 111 () from 12. März 1969
Regeste: Kantonales Verwaltungsverfahren. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Der Eigentümer einer Liegenschaft, der durch eine Verwaltungsverfügung verpflichtet wird, sie durch Sachverständige schätzen zu lassen, wird durch diese Verfügung in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt. Er ist daher legitimiert - gegen die Anordnung der Schätzung ein kantonales Rechtsmittel, das dem von einer Verfügung "Betroffenen" zusteht, zu ergreifen und damit die Zulässigkeit der Schätzung und die Zuständigkeit der sie anordnenden Behörde zu bestreiten (Erw. 3) - gegen die Weigerung der kantonalen Rechtsmittelinstanz, auf das Rechtsmittel einzutreten, staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (Erw. 2). Anwendungslereich des in Art. 618 ZGB vorgesehenen Schatzungsverfahrens (Erw. 5).

95 I 130 () from 12. März 1969
Regeste: Art. 4 BV. Vermögensgewinnsteuer. Eine (kommunale) Ordnung, nach welcher auch dann, wenn die Anlagekosten bekannt sind, die Differenz zwischen dem Veräusserungserlös und dem bisherigen Vermögenssteuerwert (mit gewissen Zuschlägen bei Grundstücken) den steuerbaren Vermögensgewinn darstellt, lässt sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen, führt zu rechtsungleicher Behandlung der Steuerpflichtigen und verstösst daher gegen Art. 4 BV (Erw. 6). Dagegen ist es nicht erforderlich, dass die Geldentwertung bei der Berechnung des steuerbaren Gewinns auf Grundstücken berücksichtigt wird (Erw. 7).

95 I 144 () from 2. April 1969
Regeste: Monopol für das Ausführen elektrischer Hausinstallationen 1. Die Verwaltungsjustizbehörde, die in ihrem Entscheid auf ein sog. Parteigutachten abstellt, ohne der andern Partei Gelegenheit zur Vernehmlassung zu diesem Gutachten gegeben zu haben, verletzt dadurch Art. 4 BV (Erw. 2). 2. Das Monopol eines Gemeindewerks betreffend Ausführen elektrischer Hausinstallationen ist unzulässig, a) wenn es mit fiskalischen Interessen begründet wird (Begriff des fiskalischen Interesses); b) wenn es mit sicherheitspolizeilichen Überlegungen begründet wird (Änderung der Rechtsprechung). Dagegen kann sich das Monopol aus andern Gründen des öffentlichen Wohls rechtfertigen (Erw. 4). Dem öffentlichen Interesse der Strombezüger an rascher Behebung von Störungen am Freileitungsnetz und andern Werkanlagen kann u.U. durch geeignete Bedingungen und Auflagen an die zugelassenen privaten Installateure genügt werden. (Erw. 7).

95 I 155 () from 14. Mai 1969
Regeste: Elektrische Hausinstallationen; Art. 4 BV. Abklärung des Sachverhalts bei der Prüfung der Frage, ob das Monopol zum Ausführen elektrischer Hausinstallationen zulässig sei.

95 I 193 () from 7. Mai 1969
Regeste: Öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Immissionenschutz. Legitimation der Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde bei Verweigerung des öffentlichrechtlichen Schutzes (Erw. 1). Verhältnis zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Immissionenschutz (Erw. 3). Auslegung des § 1 des solothurn. Gesetzes vom 6. Mai 1882 über öffentliche Gesundheitspflege, der den Staat und die Gemeinden berechtigt und verpflichtet, "zum Zweck der möglichsten Abhaltung und Beseitigung gesundheitsschädlicher Einflüsse die nötigen Massnahmen zu treffen". Begriff der Gesundheitsschädlichkeit. Anwendung auf die von einer Geflügelmastfarm ausgehenden Staub- und Geruchsimmissionen (Erw. 4 und 5).

95 I 202 () from 9. Juli 1969
Regeste: Sicherheitsleistung wegen Flucht- und Kollusionsgefahr. Art. 4 BV. Die Sicherheit kann nur solange aufrechterhalten werden, als ein Haftgrund besteht. Sie kann aber auch dann mit Fluchtgefahr begründet werden, wenn der Beschuldigte die zu erwartende Freiheitsstrafe voraussichtlich nicht zu erstehen vermag.

95 I 206 () from 7. Mai 1969
Regeste: Kleinhandel mit geistigen Getränken. Bedürfnisklausel. Anwendung der Bedürfnisklausel auf die Übertragung eines Kleinhandelspatentes auf einen andern Inhaber und auf eine andere Liegenschaft. Ermessen der kantonalen Behörde und Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Bedeutung des Umstandes, dass das Patent von einem kleinen Ladengeschäft auf ein bedeutendes Warenhaus übertragen werden soll.

95 I 243 () from 19. März 1969
Regeste: Nutzung öffentlicher Gewässer. Ist ein Gewässer nach dem kantonalen Recht öffentlich und steht es im Gemeingebrauch, obwohl der Boden, den es bedeckt (Strandboden, Flussbett), Privateigentum der Anstösser ist, so ist, wenn ein Anstösser durch Ausbaggerung eines Hafenbeckens weitere Teile seines Grundstücks unter Wasser setzt, anzunehmen, dass dieses Wasser ebenfalls Teil des öffentlichen Gewässers ist und im Gemeingebrauch steht (Erw. 2). Das ständige Stationieren von Booten in diesem Wasser kann dann als konzessionspflichtige Sondernutzung betrachtet werden (Erw. 3). Gewaltentrennung. Gebühren. Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage gilt nicht nur für Verwaltungsgebühren, sondern auch für Konzessions- oder Nutzungsgebühren (Erw. 4).

95 I 253 () from 9. Juli 1969
Regeste: Art. 86, 87 OG. Der Entscheid, mit dem in der Wechselrechtsbetreibung der Rechtsvorschlag bewilligt wird, stellt einen mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbaren Endentscheid dar (Erw. 1-3). Bezahlung des Checks unter einer auflösenden Bedingung? Erw.4).

95 I 313 () from 8. Oktober 1969
Regeste: Art. 82 SchKG. Unzuständigkeit des Rechtsöffnungsrichters zur Prüfung der Rechtzeitigkeit des Rechtsvorschlages.

95 I 322 () from 8. Oktober 1969
Regeste: Kantonale Handänderungssteuer; gesetzliche Grundlage. Ergänzt die rechtsanwendende Behörde den klaren Wortlaut einer Steuerbefreiungsvorschrift, indem sie auf Voraussetzungen abstellt, die im Gesetzestext nicht enthalten sind, dann ist dieses Vorgehen unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV von vornherein nicht zulässig, wenn es der Behörde darum geht, eine Gesetzeslücke zu füllen. Im Rahmen der blossen Gesetzesauslegung ist ein solches Abweichen vom klaren Wortlaut nur dann frei von Willkür, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzestext nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Anwendung dieser Grundsätze im Falle von § 4 lit. c des luzernischen Gesetzes betreffend die Handänderungsgebühren.

95 I 356 () from 17. September 1969
Regeste: Kantonaler Strafprozess, notwendige Verteidigung, Öffentlichkeit der Verhandlung. § 33 Abs. 3 Ziff. 1 luzern. StPO, wonach der Angeklagte in Kriminalfällen vor Kriminalgericht und Obergericht durch einen gewählten oder amtlichen Verteidiger verteidigt werden muss, - verstösst nicht gegen die persönliche Freiheit (Erw. I 1 und 2); - ist vereinbar mit § 20 Abs. 1 KV, wonach es jedem Bürger freigestellt ist, seine Rechtssachen persönlich zu verfechten (Erw. I 3). Aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung (§ 168 StPO) folgt, wie ohne Willkür angenommen werden kann, kein Recht der Zuhörer, an der Verhandlung Bild- oder Tonaufnahmen zu machen (Erw. II).

95 I 366 () from 13. Juni 1969
Regeste: Güterzusammenlegung, Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers. 1. Bei Güterzusammenlegungen haben die Betroffenen aufgrund der Eigentumsgarantie Anspruch auf wertgleichen Realersatz (Erw. 4). 2. Beteiligung des früheren Eigentümers am Gewinn im Falle der Veräusserung von Land durch den neuen Eigentümer. a) Das Gewinnbeteiligungsrecht - ist eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung (Erw. 5) - liegt im öffentlichen Interesse (Erw. 6 a). b) Gegen die Eigentumsgarantie und gegen Art. 4 BV verstösst eine kantonale Ordnung des Gewinnbeteiligungsrechts, welche - vorschreibt, dass bei der Berechnung des Gewinns der "landwirtschaftliche" und nicht der wirkliche Verkehrswert dem Verkaufserlös gegenüberzustellen ist (Erw. 6 c); - unberücksichtigt lässt, dass auch das dem Anspruchsberechtigten neu zugeteilte Land im Werte gestiegen ist (Erw. 6 d).

95 I 414 () from 8. Oktober 1969
Regeste: Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege für die Klage aufgrund von Art. 271 Ziff. 5 SchKG. Die unentgeltliche Rechtspflege darf dem Kläger nicht verweigert werden, wenn die Betreibung, in welcher der provisorische Verlustschein ausgestellt wurde, im Zeitpunkt der Arrestnahme bereits erloschen war.

95 I 422 () from 29. Oktober 1969
Regeste: Grosshandel mit Heilmitteln. Art. 31 und 4 BV. Kantonale Ordnung, wonach der Grosshandel mit Heilmitteln einer Bewilligung unterliegt und diese nur an vertrauenswürdige Personen erteilt werden darf. Anwendbarkeit dieser Ordnung - auf Heilmittel, die von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel als für den Verkauf in Apotheken und Drogerien geeignet befunden worden sind; - auf ausserkantonale Firmen, welche die Apotheken und Drogerien im Kanton beliefern (Erw. 6). Begriff der Vertrauenswürdigkeit. Naturarzt, dem im Kanton Appenzell A.Rh. bei Inkrafttreten des neuen Gesundheitsgesetzes jede weitere Heiltätigkeit und Ausübung eines pharmazeutischen Berufes wegen Zuwiderhandlung gegen Gesundheitsgesetze anderer Kantone verboten wurde und der nun in einem andern Kanton Grosshandel mit Heilmitteln betreibt. Darf ihm aufgrund des genannten Berufsverbotes die Belieferung der Apotheken und Drogerien im Kanton Appenzell A.Rh. mit zwei ungefährlichen Heilmitteln mangels Vertrauenswürdigkeit verweigert werden? (Erw. 7).

95 I 439 () from 1. Oktober 1969
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Die in Art. 87 OG enthaltene Beschränkung gilt nicht für Beschwerden, mit denen neben der Verletzung des Art. 4 BV noch andere Rügen erhoben werden (Erw. 1). Bankgeheimnis und kantonales Strafprozessrecht. Derogatorische Kraft des Bundesrechts. Verhältnis des kantonalen Strafprozessrechts zum Bankgeheimnis - inbezug auf die Zeugenpflicht und die Pflicht zur Herausgabe von Akten (Erw. 2 b Abs. 1). - inbezug auf das Akteneinsichtsrecht des Geschädigten. Abwägung der sich einander entgegenstehenden Interessen. Bedeutung des Umstands, dass der Geschädigte ein ausländischer Staat ist. Tragweite von Art. 321 Ziff. 3 und Art. 273 Abs. 2 StGB (Erw. 2 b-d).

95 I 451 () from 1. Oktober 1969
Regeste: Akteneinsichtsrecht des Geschädigten im Strafverfahren. Art. 4 BV. Rechtliches Interesse als Voraussetzung des Akteneinsichtsrechts (Erw. 3 b). Verhältnis des Akteneinsichtsrechts zum Bankgeheimnis (Erw. 3 c).

95 I 453 () from 17. September 1969
Regeste: Volle Entschädigung bei Enteignung nach bernischem Recht; Methoden der Ermittlung (Erw. 2); Entschädigung für die Abtretung einer privaten Strasse, an welcher Wegedienstbarkeiten bestanden und der Enteignete auch inskünflig den Gemeingebrauch ausüben kann; Bestimmung nach der Differenzmethode (Erw. 4); Kontrolle der Berechnung nach der statistischen und Ertragswertmethode (Erw. 5 und 6); Wann wirkt sich eine Baulinie als materielle Enteignung aus? (Erw. 7).

95 I 512 () from 19. November 1969
Regeste: Verjährung öffentlichrechtlicher Ansprüche, insbesondere des Anspruchs auf Aufnahme in eine Beamtenversicherungskasse (hier: Sparversicherung). Es kann ohne Willkür angenommen werden, - dass öffentlichrechtliche Ansprüche des Privaten gegenüber dem Gemeinwesen auch ohne ausdrückliche Vorschrift verjähren (Erw. 3); - dass nicht nur Geldforderungen, sondern auch andere öffentlichrechtliche Ansprüche der Verjährung unterliegen (Erw. 4). Wann beginnt der Anspruch auf Aufnahme in die Versicherungskasse für das Personal des Kantons Zürich zu verjähren? Unhaltbarkeit der Annahme, dass der Beamte (schon vor der Aufnahme in die Kasse) monatlich fällig werdende Ansprüche auf Staatsbeiträge an die Kasse habe und sein Aufnahmeanspruch mit diesen Ansprüchen verjähre (Erw. 5).

95 I 546 () from 12. November 1969
Regeste: Art. 4 BV (Rechtsgleichheit) und Eigentumsgarantie. Das Ziehen einer Arkadenbaulinie stellt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung dar und kommt der Planung eines neuen Verkehrsweges gleich. Bestehen für den betreffenden Strassenzug noch keine derartigen Bauvorschriften, so verstösst ein Bebauungsplan, der sich lediglich auf zwei Grundstücke bezieht und den Eigentümern die Pflicht zum Einbau einer Fussgängerarkade auferlegt, gegen Art. 4 BV (Erw. 2) und gegen die Eigentumsgarantie (Erw. 3 b), wenn auch für die Planung einer solchen Arkade grundsätzlich ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht.

95 I 556 () from 12. Dezember 1969
Regeste: Art. 86, 96 Abs. 2 OG. Der Beschwerdeentscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen gegen einen Beschluss eines Gemeindeparlamentes ist, wenn die Verletzung von Volksrechten geltend gemacht wird, nicht letztinstanzlich (Erw. 3); Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde der zuständigen letztinstanzlichen kantonalen Behörde überweisen kann (Erw. 4).

95 II 204 () from 14. März 1969
Regeste: Berufung gegen Vorentscheid über die örtliche Zuständigkeit, Art. 49 OG. Art. 278 Abs. 2 SchKG enthält keine bundesrechtliche Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit für die Arrestprosequierungsklage.

95 II 639 () from 4. Dezember 1969
Regeste: Einrede der abgeurteilten Sache. In Prozessen über Ansprüche aus dem Bundeszivilrecht kann mit der Berufung an das Bundesgericht nicht bloss geltend gemacht werden, die Vorinstanz habe die auf ein rechtskräftiges kantonales Urteil gestützte Einrede der abgeurteilten Sache zu Unrecht geschützt, sondern auch, sie habe diese Einrede zu Unrecht verworfen (Änderung der Rechtsprechung).

96 I 11 () from 4. Februar 1970
Regeste: Art. 4 BV; Grundsatz von Treu und Glauben. Eine unrichtige behördliche Auskunft oder Zusicherung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen bindend (Bestätigung der Rechtsprechung).

96 I 19 () from 6. März 1970
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch aufrechtliches Gehör im Strafprozess. Die Prozesspartei hat schon unmittelbar auf Grund von Art. 4 BV Anspruch darauf, vom Ergebnis des Beweisverfahrens Kenntnis zu nehmen und dazu Stellung zu beziehen.

96 I 24 () from 18. März 1970
Regeste: Kantonales Strafrecht und Strafprozessrecht. Art. 4 BV. Bedeutung der Bestimmung, wonach niemand gerichtlich verfolgt werden darf "ausser in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen" (Erw. 2). Nulla poena sine lege: - Strafnormen als zulässiger Inhalt von Verordnungen (Erw. 4a). - Zuständigkeit der luzernischen Gemeinden zum Erlass von Strafbestimmungen, insbesondere auf dem Gebiete der Lärmbekämpfung, mit der sich auch § 46 des luzern. EGzStGB befasst (Erw. 4b-d). Ein kantonales Strafgesetz, das für seinen Bereich die allgemeinen Bestimmungen des eidg. StGB als anwendbar erklärt, verweist damit, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht auf die beim Erlass des kantonalen Gesetzes bestehenden, sondern auf die jeweils geltenden Bestimmungen des StGB (Erw. 6).

96 I 34 () from 18. März 1970
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Anforderungen an die Begründung (Erw. 1-3). Rechtsanwälte, Verbot aufdringlicher Empfehlung (§ 7 Abs. 2 zürch. Anwaltsgesetz). Gegen dieses Verbot verstösst, wie ohne Willkür angenommen werden kann, ein Anwalt, der in einem Branchenregister - seinen Namen und akademischen Titel fett drucken lässt (Erw. 5) - sich als "Alt-Nationalrat" bezeichnet (Erw. 6).

96 I 39 () from 4. Februar 1970
Regeste: Güterzusammenlegung; Willkür. Umfang der bundesgerichtlichen Prüfungsbefugnis. Der Grundsatz, wonach das neuzugeteilte Land auch hinsichtlich der Fläche dem früheren Besitzstand zu entsprechen hat, gilt nur in der Regel und unter dem Vorbehalt, dass seiner Verwirklichung keine technischen Schwierigkeiten entgegenstehen. Lassen sich sachliche Gründe dafür anführen, einem Grundeigentümer eine erheblich geringere Fläche zuzuteilen, dann liegt eine Verletzung von Art. 4 BV nicht vor.

96 I 45 () from 28. Januar 1970
Regeste: Gewaltentrennung, Gesetzesdelegation. Umfang der dem Regierungsrat des Kantons Zürich zustehenden Rechtsetzungsbefugnis auf dem Gebiete der Quellensteuer (Erw. 2). Rechtsgleichheit bei der Rechtsetzung. Überprüfung des Quellensteuertarifs für verheiratete Ehegatten, die beide hauptberuflich erwerbstätig sind. Vergleich dieses Tarifs mit demjenigen für Steuerpflichtige, deren Ehefrauen nicht hauptberuflich erwerbstätig sind, sowie mit dem Tarif, der für die der ordentlichen Steuer unterworfenen Steuerpflichtigen gilt (Erw. 3 und 4).

96 I 53 () from 11. Februar 1970
Regeste: Erbschaftssteuer für Adoptivkinder. Art. 4 BV und 2 Üb.-Best. BV. Abstufung der Erbschaftssteuer nach dem Verwandtschaftsgrad. Behandlung der Adoptivkinder. Ein kantonales Gesetz, das für Adoptivkinder einen viermal höheren Steuersatz als für leibliche Kinder vorsieht und bei ihnen einen wesentlich kleineren Betrag steuerfrei lässt, verstösst weder gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit noch gegen denjenigen der derogatorischen Kraft des Bundesrechts.

96 I 88 () from 13. April 1970
Regeste: Art. 49 Ziff. 3 StGB; 100 lit. f OG. Der Entscheid auf Umwandlung einer nichtbezahlten Busse in Haft kann nicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

96 I 97 () from 29. April 1970
Regeste: Art. 4 BV und Eigentumsgarantie; Art. 699 ZGB. Art. 699 ZGB stellt eine sog. Doppelnorm dar, d.h. einen Rechtssatz, der zugleich öffentlichrechtliche und privatrechtliche Vorschriften enthält (Erw. 2). Zuständigkeit des Bundesgerichts als Staatsgerichtshof; Überprüfungsbefugnis (Erw. 3). Freier Zutritt zum Wald i.S. von Art. 699 ZGB; Anwendungsfall aus dem Kanton Zürich (Erw. 3 b).

96 I 104 () from 18. März 1970
Regeste: Ungeschriebene verfassungsmässige Rechte. Voraussetzungen ihrer Anerkennung (Erw. 1). Friedhöfe. Gestaltung der Grabmäler. Zulässigkeit einer Vorschrift, welche die Bewilligung zur Aufstellung eines Grabmals von der Erfüllung ästhetischer Voraussetzungen abhängig macht (Erw. 2). Willkürliche oder rechtsungleiche Anwendung dieser Vorschrift auf eine für ein Familiengrab bestimmte Rehplastik? (Erw. 3).

96 I 123 () from 28. Januar 1970
Regeste: Entschädigung wegen materieller Enteignung. Begriff der materiellen Enteignung. Anwendung bei öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen, die unmittelbar durch den Gesetzgeber angeordnet werden. Die Entschädigungspflicht des Gemeinwesens entfällt jedenfalls für Eingriffe und Beschränkungen, die ausschliesslich oder vorwiegend der Abwehr konkreter Gefahren dienen, die der öffentlichen Sicherheit oder den Rechtsgütern Einzelner drohen. Dies trifft zu für die Bestimmung, die gegenüber Waldrändern einen Gebäudeabstand von 20 m vorschreibt, und für den Entscheid, mit dem die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für Land an einem Steilhang verweigert wird.

96 I 130 () from 25. März 1970
Regeste: Baulandumlegung, Landabtretung für Erschliessungsstrassen, gesetzliche Grundlage. Die Einbeziehung eines Grundstücks in eine Baulandumlegung ist in der Regel auch dann kein "besonders schwerer Eingriff" in das Eigentum, wenn die Betroffenen dabei Land für die Erstellung von Erschliessungsstrassen abzugeben haben. Ob eine genügende gesetzliche Grundlage für diese Abtretung vorhanden sei, prüft daher das Bundesgericht nur aus dem Gesichtspunkt der Willkür (Erw. 3). Aufgrund der Bestimmungen, welche die Baulandumlegung regeln, dürfen auch Landabtretungen für Erschliessungsstrassen vorgenommen und im Umlegungsverfahren durchgeführt werden, sofern dafür nicht ausdrücklich das Enteignungsverfahren vorgeschrieben ist (Erw. 4 und 6).

96 I 138 () from 25. Februar 1970
Regeste: Chiropraktorenberuf; zulässiger Inhalt einer kantonalen Verordnung. Art. 4 und 31 BV, Grundsatz der Gewaltentrennung. Es ist mit den genannten Verfassungsgrundsätzen vereinbar, von den beim Inkrafttreten der neuen Verordnung schon im Kanton Bern tätigen Chiropraktoren eine vorwiegend praktische Prüfung zu verlangen.

96 I 193 () from 3. Juni 1970
Regeste: Berufung. Offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellung einer Tatsache (Art. 55 lit. d und Art. 63 Abs. 2 OG). Die Rüge, der kantonale Richter habe die Behauptung einer für die Anwendung des Bundesrechts erheblichen Tatsache versehentlich als unbestritten betrachtet, kann mit der Berufung an das Bundesgericht erhoben werden (und daher gemäss § 345 zürch. ZPO nicht Gegenstand der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde sein).

96 I 219 () from 24. Juni 1970
Regeste: Bestrafung wegen Teilnahme an einer nicht bewilligten Demonstration. 1. Die Versammlungsfreiheit und die Meinungsäusserungsfreiheit sind durch ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete Freiheitsrechte. Stellt auch die "Demonstrationsfreiheit" ein solches Recht dar? (Erw. 4). 2. Auslegung und gesetzliche Grundlage der vom Stadtrat von Zürich erlassenen Vorschrift, wonach die Veranstaltung von Versammlungen und Umzügen auf dem öffentlichen Grunde der vorgängigen Bewilligung der Polizeibehörde bedarf (Erw. 6). 3. Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes und mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Erw. 7).

96 I 234 () from 29. April 1970
Regeste: Gemeindeautonomie Ist der Kanton zum Erlass von Vorschriften befugt, welche in den Autonomiebereich der Gemeinde eingreifen, so steht dieser grundsätzlich das Recht zu, sich dazu vernehmen zu lassen; dieser Anspruch auf rechtliches Gehör ist in der Gemeindeautonomie selbst enthalten (Erw. 2). Verhältnis von § 182 zürch. EG/ZGB (Kompetenz des Regierungsrats zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiete des Heimat- und Naturschutzes) zu § 68 a zürch. Baugesetz (Befugnis der Gemeinde zum Erlass einer Bauordnung mit Zonenplan) (Erw. 3). Das Bachsertal stellt eine schützenswerte Landschaft i.S. von § 182 EG/ZGB dar; die bezügliche Schutzverordnung vom 3. Juli 1969 verletzt die Gemeindeautonomie nicht (Erw. 4-6).

96 I 297 () from 16. September 1970
Regeste: Kartellgesetz, Preisbindung der zweiten Hand, vorsorgliche Massnahme, Willkür. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV gegen den Entscheid, mit dem der Richter vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 10 KG anordnet (Erw. 1). Kognition des Bundesgerichts (Erw. 2). Beweislastverteilung im kantonalen Verfahren (Erw. 3). Verfügung, welche die Bierbrauereien für die Dauer des ordentlichen Prozesses zur Belieferung eines Discountgeschäfts, dieses aber zur Einhaltung eines bestimmten (unter dem bisher vom Bierkartell festgesetzten Ansatzliegenden) Detailverkaufspreises von Flaschenbier verpflichtet. Voraussetzungen solcher Preisbindung der zweiten Hand nach Art. 5 lit. e KG. Überprüfung unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV.

96 I 314 () from 23. September 1970
Regeste: Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus im Zivilprozess. Kantonale Bestimmung, wonach der Appellant innert 10 Tagen seit Eröffnung des motivierten Urteils bei der ersten Instanz die Berufung zu erklären und innert 30 Tagen bei der zweiten Instanz die doppelte erstinstanzliche Gerichtsgebühr nebst einer Einschreibgebühr einzuzahlen sowie unter Angabe der Anträge die "Durchführung" der Appellation zu erklären hat. Stellt es einen überspitzten Formalismus dar, wenn auf die Appellation deshalb nicht eingetreten wird, weil - die zu leistenden Beträge an die erste statt an die zweite Instanz überwiesen wurden? (Erw. 1). - bei der zweiten Instanz keine Durchführungserklärung eingereicht wurde? (Erw. 2).

96 I 324 () from 1. Juli 1970
Regeste: Entschädigung für die Lieferung von Trinkwasser; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde; Verweigerung des rechtlichen Gehörs, Willkür. Legitimation der öffentlich-rechtlichen Körperschaften im allgemeinen (Erw. 1). Ist eine Genossenschaft, die im Kanton Wallis eine Quelle gefasst hat und eine Ortschaft mit Trinkwasser versorgt, eine juristische Person des Privatrechts (Art. 828 ff. OR) oder eine öffentlichrechtliche Körperschaft? (Erw. 3). Ist die Munizipalgemeinde zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV legitimiert, wenn Gegenstand des angefochtenen Entscheids nicht das Verwaltungsvermögen als solches, sondern die Entschädigung für dessen Benutzung ist? (Erw. 4). Eigentumsverhältnisse an Quellen, die vor der Schaffung der Munizipalgemeinde den Walliser Burgergemeinden gehörten (Erw. 5).

96 I 334 () from 1. Juli 1970
Regeste: Schiedsvertrag; kantonales Beschwerdeverfahren. Die Gültigkeit des Schiedsvertrages ist Voraussetzung der Zuständigkeit des Schiedsrichters und wie diese von Amts wegen zu prüfen. Die Gültigkeit des Schiedsvertrages berührende Tatsachen, von denen das Gericht Kenntnis hat, sind in jedem Prozesstadium zu berücksichtigen. Eine erst im Beschwerdeverfahren nach § 278 ZPO-BL erhobene Einrede, mit der eine solche Tatsache geltend gemacht wird, ist zu hören.

96 I 350 () from 8. Juli 1970
Regeste: Eigentumsgarantie; Entschädigung wegen materieller Enteignung; Gewässerschutz. Begriff der materiellen Enteignung; gegen den Störer gerichtete polizeiliche Massnahmen zur konkreten Gefahrenabwehr stellen jedenfalls dann entschädigungslos zulässige Eigentumsbeschränkungen dar, wenn die zuständige Behörde zu diesem Zweck ein von Gesetzes wegen bestehendes Verbot konkretisiert und in bezug auf eine beabsichtigte Grundstücksnutzung bloss die stets zu beachtenden polizeilichen Schranken der Eigentumsfreiheit festsetzt. Ein solcher Fall liegt vor, wenn dem Eigentümer eines in der Nähe einer bestehenden Grundwasserfassung gelegenen und bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücks gestützt auf Art. 4 Abs. 2 GSchG untersagt wird, darauf eine Kiesgrube zu betreiben.

96 I 369 () from 9. Juni 1970
Regeste: Gemeindeautonomie; unbestimmter Rechtsbegriff, Ermessen. Hat die Gemeinde im Einzelfall einen dem autonomen Gemeinderecht angehörenden unbestimmten Rechtsbegriff anzuwenden, so steht ihr ein Beurteilungsspielraum offen, wenn ein Grenzfall vorliegt und vorwiegend örtliche Verhältnisse zu würdigen sind. Greift die zuständige kantonale Behörde in diesen Beurteilungsspielraum ein und hebt sie eine vertretbare Entscheidung der Gemeinde auf, so verletzt sie die Gemeindeautonomie, denn sie masst sich damit eine Überprüfungsbefugnis an, die im wesentlichen einer Ermessenskontrolle gleichkommt und dem Wesen der Gemeindeautonomie widerspricht.

96 I 433 () from 7. Oktober 1970
Regeste: Art. 4 BV; Missachtung von Vorschriften eines Gesamtarbeitsvertrags. Eine gesamtarbeitsvertragliche Bestimmung, wonach bei der Berechnung der vereinbarten periodischen Lohnerhöhungen vom tatsächlich bezahlten Gehalt auszugehen ist, hat normative Wirkung; ihre Missachtung stellt eine Verletzung von klarem Recht und damit einen Verstoss gegen Art. 4 BV dar.

96 I 442 () from 18. November 1970
Regeste: Kantonaler Strafprozess, Beweiswürdigung, Willkür. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts inbezug auf die Beweiswürdigung. Bedeutung des Grundsatzes in dubio pro reo (Erw. 2). Hinreichende Indizien für die Annahme - dass ein von Polizisten angehaltener Automobilist, der sich einer Blutprobe entzieht, sein Fahrzeug in angetrunkenem Zustand geführt habe (Erw. 2); - dass er sich der Blutprobe vorsätzlich entzogen habe (Erw. 3); - dass er die Wegnahme des Führerausweises durch die Polizisten als vorläufigen Entzug des Ausweises habe verstehen müssen (Erw. 5).

96 I 453 () from 7. Oktober 1970
Regeste: Vermögenssteuer für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke; Art. 4 BV. Ein kantonales Gesetz, das in Zonen mit andauernder Baulandnachfrage landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, insbesondere diejenigen, die eigentumsrechtlich nicht zu einem Landwirtschafts- oder Gärtnereibetrieb gehören, höher als zum Ertragswert besteuert, verstösst nicht gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit.

96 I 521 () from 16. Dezember 1970
Regeste: Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus im Strafprozess Enthält eine Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich des im Zusammenhang mit der Berufungserklärung zu leistenden Kostenvorschusses lediglich einen Hinweis auf entsprechende gesetzliche Bestimmungen, und setzt die obere Instanz dem Rechtssuchenden, der den erforderlichen Vorschuss nicht rechtzeitig geleistet hat, keine Nachfrist an, so macht sie sich einer Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus schuldig, wenn sie auf das Rechtsmittel nicht eintritt mit der Begründung, der Kostenvorschuss sei nicht vorschriftsgemäss geleistet worden.

96 I 525 () from 18. November 1970
Regeste: Gerichtspolizei im Strafprozess. Art. 4 BV. Grundlagen und Tragweite des Rechts des Angeschuldigten und seines Anwalts, Mängel der Strafuntersuchung vor dem Strafrichter zu rügen (Erw. 2). Wann sind die Grenzen zulässiger Kritik überschritten und darf der Anwalt wegen "unanständigen Benehmens" gegenüber den Behörden der Strafrechtspflege und gegenüber einem Experten mit einer Ordnungsbusse bestraft werden? (Erw. 3).

96 I 531 () from 16. Dezember 1970
Regeste: Willkür; kantonales Strafprozessrecht, Kostenauflage. Fall von Überbindung der Kosten einer eingestellten Strafuntersuchung an den Anzeiger wegen leichtfertiger und mutwilliger Anzeigeerstattung.

96 I 557 () from 25. November 1970
Regeste: Eigentumsgarantie. Begriff der Eigentumsgarantie; Verhältnis der Institutsgarantie zur Bestandesgarantie. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen. Sieht ein kantonales Forstgesetz einen Waldabstand von 20 m vor, so ist für diese Eigentumsbeschränkung ein hinreichendes öffentliches Interesse vorhanden (Bestätigung der Rechtsprechung).

96 I 560 () from 16. September 1970
Regeste: Kantonale Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen der juristischen Personen. Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit, Doppelbesteuerung, Verhältnis zur eidg. Warenumsatzsteuer. 1. Eine Minimalsteuer, die auf den Bruttoeinnahmen oder dem Umsatz berechnet und von den sog. "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen erhoben wird, ist im Rahmen eines auf dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beruhenden Steuergesetzes zulässig und verstösst an sich weder gegen Art. 4 noch 31 BV (Erw. 3). 2. Mit Art. 4 (und 31) BV vereinbar ist es, - dass die Minimalsteuer nur von den juristischen Personen zu entrichten ist (Erw. 4 a), - dass die Steuer nur auf den einen gewissen Betrag übersteigenden Bruttoeinnahmen berechnet wird (Erw. 4 c), - dass der Steuersatz für alle Branchen des Detailhandels gleich und überdies höher als derjenige für Engroshandels- und Fabrikationsunternehmungen ist (Erw. 4 f), - dass der Steuersatz 0,75 Promille beträgt (Erw. 4 e), - nicht dagegen, dass der Steuersatz progressiv. d.h. auf den einen bestimmten Betrag übersteigenden Bruttoeinnahmen höher ist (Erw. 4 d). 3. Die Minimalsteuer verletzt die Steuerhoheit des Bundes (Art. 41ter Abs. 2 lit. a BV) nicht (Erw. 5) und verstösst dann nicht gegen Art. 46 Abs. 2 BV, wenn sie bei einer Betriebsstätte nicht auf dem ganzen im Kanton erzielten, sondern nur auf dem um den Vorausanteil des Sitzkantons gekürzten Umsatz berechnet wird (Erw. 6).

96 I 598 () from 18. November 1970
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Art. 88 OG. Der durch eine strafbare Handlung Geschädigte kann mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Einstellung der Strafuntersuchung geltend machen, die ihm durch das kantonale Recht eingeräumten Parteirechte seien verletzt worden, nicht dagegen, die Einstellungsverfügung beruhe auf willkürlicher Beweiswürdigung oder Rechtsanwendung (Bestätigung der Rechtsprechung).

96 I 606 () from 17. November 1970
Regeste: Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Art. 26, 27, 29, 30 Abs. 1, und 35 Abs. 1 und 2. 1. Form und Inhalt der verwaltungsrechtlichen Entscheide (Erw. 1 und 2). 2. Der Beschwerdeführer muss die Möglichkeit haben, von der vorläufigen Verfügung Kenntnis zu nehmen, damit er sich über ihren Inhalt äussern kann; es handelt sich hier um eine der Voraussetzungen zur Ausübung des Rechts auf Äusserung, das einenwesentlichen Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör bildet (Erw. 3). Art. 944 Abs. 1 und 2 OR, Art. 38, 44, 45 und 46 HRegV. 3. Zulässigkeit der Bezeichnungen "centre" und "leasing" als Bestandteil einer Firma (Erw. 4 a). 4. Bestehen eines schutzwürdigen Interesses für die Verwendung einer nationalen oder territorialen Bezeichnung in einer Firma (Erw. 4 b).

96 I 617 () from 16. Dezember 1970
Regeste: Art. 4 BV; Treu und Glauben im öffentlichen Recht; Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Zuwiderhandlung gegen das Gewässerschutzgesetz. Die Aufhebung eines von der Verwaltungsbehörde erlassenen Verbotes muss weder in gleicher Form noch ausdrücklich erfolgen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben können behördliche Zusicherungen oder sonstiges Verhalten der Behörden genügen. Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch Nichtabnahme von Beweisen für solche behördliche Zusicherungen.

96 I 718 () from 25. November 1970
Regeste: Verweigerung des rechtlichen Gehörs, Gemeindeautonomie, Eigentumsgarantie. Gehörsverweigerung: Inwieweit ist eine Behörde unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV verpflichtet, eine Verfügung zu begründen? (Erw. I/5). Gemeindeautonomie: Das Kriterium der "relativ erheblichen Entscheidungsfreiheit" gilt sinngemäss auch beim Entscheid darüber,ob der Gemeinde im konkreten Fall ein Anspruch auf autonome Rechtsanwendung zusteht. Das den zürcherischen Gemeinden nach dem kantonalen Jagdgesetz vorbehaltene Recht zur freien Gestaltung ihres Jagdreviers steht grundsätzlich unter dem Schutz der Gemeindeautonomie. Dieser Schutz reicht indessen nur soweit, als dieses Recht nicht durch die Vorschriften des Jagdgesetzes (z.B. § 2bis JG) selbst eingeschränkt wird (Erw. II). Eigentumsgarantie: Die Rechte des Jagdpächters aus dem öffentlichrechtlichen Jagdpachtvertrag stellen wohlerworbene Rechte dar und stehen unter dem Schutz der Eigentumsgarantie (Erw. IV/2).

96 II 15 () from 5. März 1970
Regeste: Tragweite des Anspruchs auf Anhörung nach Art. 374 Abs. 1 ZGB. Die zu entmündigende Person ist nicht nur zum Entmündigungsgrund als solchem zu befragen, sondern es ist ihr Gelegenheit zu geben, zu allen wesentlichen Einzeltatsachen Stellung zu nehmen, welche zur Entmündigung führen sollen. Der Anspruch auf Anhörung deckt sich nicht mit dem aus Art. 4 BV folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör. Hat sich die zu entmündigende Person in einem Entmündigungsverfahren zu allen Einzeltatsachen äussern können, so ist Art. 374 Abs. 1 ZGB auch dann Genüge getan, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde.

96 II 262 () from 3. August 1970
Regeste: Art. 35 OG. Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn zwei Abteilungen des Bundesgerichts zu einer bestimmten Frage eine abweichende Rechtsprechung entwickeln, aber nur eine Abteilung die einschlägigen Entscheide veröffentlicht und eine Partei im Vertrauen auf die publizierte Rechtsprechung ein Rechtsmittel ergreift, das sich nachträglich als unrichtig erweist (Erw. 1). Beginn der zehntätigen Frist des Art. 35 OG (Erw. 2).

97 I 1 () from 10. Februar 1971
Regeste: Art. 87 OG. Ablehnung eines Experten im Patentprozess wegen Befangenheit; der Beschluss, mit dem die Abberufung abgelehnt wird, ist mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar (Erw. 1). Ablehnung des Experten; Verfahren; Willkür der Annahme von Befangenheit? (Erw. 2).

97 I 7 () from 3. Februar 1971
Regeste: Kantonales Verwaltungsrecht, Aufsichtsgewalt der obern über die untern Verwaltungsbehörden, Willkür. Unter welchen Voraussetzungen kann eine obere Verwaltungsbehörde einen formell rechtskräftigen Rekursentscheid einer unteren Verwaltungsbehörde aufheben? (Erw. 1 und 2). Anwendung auf die durch den Regierungsrat des Kantons Zürich erfolgte Aufhebung des Entscheids eines Bezirksrates, der einer Gemeinde die Befugnis zur Festsetzung von Gewässerabständen abspricht (Erw. 3 und 4).

97 I 14 () from 27. Januar 1971
Regeste: Kantonale Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuer. Willkür. Wenn die Witwe und die Kinder eines Bauunternehmers zur Fortführung des Geschäftsbetriebs eine Kommanditgesellschaft mit der Witwe als unbeschränkt haftender Teilhaberin und den Kindern als Kommanditären gegründet haben, so kann ohne Willkür angenommen werden, dass dadurch die Erbengemeinschaft aufgelöst worden sei und dass daher die später mit der Liquidation der Kommanditgesellschaft erfolgte Übertragung der Liegenschaften auf die einzelnen Erben keine handänderungs- und grundstückgewinnsteuerfreie "Handänderung infolge Erbteilung" im Sinne von § 161 Abs. 3 und 180 lit. a zürch. StG darstelle (Erw. 1). Ist die Erhebung der Grundstückgewinnsteuer deshalb unzulässig, weil es sich dabei um eine Realteilung handelt, bei der kein Gewinn im Sinne von § 161 StG realisiert wird? Rechtsnatur der zürcherischen Grundstückgewinnsteuer (Erw. 2).

97 I 97 () from 29. März 1971
Regeste: Art. 4 BV, Fristenlauf. Berechnung der Berufungsfrist nach Art. 185 SchKG, wenn der anfechtbare Entscheid dem Inhaber eines Postfachs zugestellt und die Eingangsanzeige an einem Samstag in das Postfach gelegt wird (Bestätigung der Rechtsprechung).

97 I 100 () from 12. Mai 1971
Regeste: Kantonales Prozessrecht, Rechtsmittelfristen, Treu und Glauben. Ist die gesetzliche Ordnung der Rechtsmittelfristen unklar oder zweideutig, so verstösst es gegen Treu und Glauben und damit gegen Art. 4 BV, sie anders auszulegen, als sie vom Rechtsuchenden in guten Treuen verstanden werden.

97 I 107 () from 5. Mai 1971
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Art. 4 BV. Kantonales Strafprozessrecht. Der Privatkläger kann, obwohl in der Sache selbst nicht legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde rügen, die Klage sei aus einer Erwägung, die offensichtlich der kantonalen StPO widerspricht, von der Hand gewiesen worden. Es ist nicht willkürlich, die Strafklage von der Hand zu weisen, wenn die geltend gemachte Tat zwar unter Strafe gestellt ist, es aber offensichtlich an einem hinreichenden Verdacht fehlt.

97 I 112 () from 3. März 1971
Regeste: Entschädigung für materielle Enteignung. Der Umstand, dass Bauerwartungsland, das in ein Naturschutzgebiet einbezogen wird, an den Wald grenzt und Bauten auf diesem Land einen Waldabstand einzuhalten hätten, darf bei der Bestimmung des Verkehrswerts des Landes als wertvermindernder Faktor berücksichtigt werden.

97 I 116 () from 3. März 1971
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 1). Legitimation juristischer Personen zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 49 BV? (Erw. 3 a). Bezeichnung von Privatschulen. Kantonale Vorschrift, wonach Privatschulen sich so zu bezeichnen haben, dass über ihren nichtstaatlichen Charakter kein Zweifel besteht. Verbot, eine private Schule zur Ausbildung von Pfarrern auf Hochschulstufe als "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule" zu bezeichnen. Vereinbarkeit dieses Verbots mit Art. 49 BV (Erw. 3 b), 56 und 31 BV (Erw. 4) und.Art. 4 BV (Erw. 5)?

97 I 125 () from 27. Januar 1971
Regeste: Kantonales Steuerrecht. Treu und Glauben. Willkür. Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des daraus folgenden Verbots widersprüchlichen Verhaltens im Steuerrecht. Verhältnis dieses Grundsatzes zum Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Besteuerung (Erw. 3). Voraussetzungen, unter denen der Erbe sich unrichtige Angaben, die der Erblasser in früheren Steuerverfahren gemacht hat, im Hinblick auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen muss (Erw. 4).

97 I 193 () from 17. Februar 1971
Regeste: Art. 4 BV und Art. 2 Ueb. Best. BV; Grundbuchvermessungsgebühren. 1. Moderation von Vermessungsgebühren nach bernischem Recht. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (Erw. 1-3). 2. Die bernischen Gemeinden, die einen eigenen Vermessungsdienst unterhalten, sind berechtigt, die als Entgelt für die Nachführungsarbeiten zu erhebende Gebühr in einem Gemeindeerlass zu ordnen (Erw. 5 a). 3. Bedarf die Gebühr einer gesetzlichen Grundlage im formellen Sinn? (Erw. 5 b). 4. Bei der Bemessung einer Gebühr hat das bezugsberechtigte Gemeinwesen dem sog. Kostendeckungsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen und das Gebot der rechtsgleichen Behandlung zu beachten. Der stadtbernische Tarif über die Nachführungsarbeiten vom 7. Dezember 1960 genügt diesen Anforderungen nicht (Erw. 6-8).

97 I 221 () from 2. Juni 1971
Regeste: Glaubens- und Kultusfreiheit (Art. 49 und 50 BV). Gestaltung der Bestattungsfeier. Staatsrechtliche Beschwerde. 1. Unzuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung von Art. 53 Abs. 2 BV (Erw. 1a). 2. Ausnahme vom Grundsatz der kassatorischen Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde (Erw. 1b) 3. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 3a). 4. Legitimation einer kirchliche Zwecke verfolgenden Körperschaft zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 50 BV. Wieweit kann sich eine solche Körperschaft auch auf Art. 49 BV berufen? (Erw. 3c). 5. Aus Art. 49 und 50 BV ergibt sich keine Pflicht der staatlichen Behörden, dafür zu sorgen, dass die Gestaltung der Bestattungsfeier dem letzten Willen des Verstorbenen entspricht (Erw. 4).

97 I 262 () from 7. Juli 1971
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation der ausserehelichen Mutter zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte gegenüber einem Entscheid über die Stellung des Kindes unter Vormundschaft oder elterliche Gewalt (Art. 311 Abs. 2 ZGB). (Änderung der Rechtsprechung.)

97 I 320 () from 9. Juni 1971
Regeste: Kantonales Strafverfahren. Ausschluss eines Sachverständigen. Willkür. Der Sachverständige, der mit einem andern, im gleichen Prozess wegen Befangenheitsanschein ausgeschlossenen Experten enge Kontakte unterhalten und dabei auch die im Prozess zu beantwortende Gutachterfrage erörtert hat, erweckt den Anschein der Befangenheit, welcher für den Experten nach bernischem Strafprozessrecht einen von Amtes wegen zu beachtenden Unfähigkeitsgrund darstellt.

97 I 329 () from 12. Mai 1971
Regeste: Art. 89 OG, Massgeblichkeit der tatsächlichen Zustellung des kantonalen Entscheides bei Benützung der Post. Solothurnischer Gebührentarif für die Nachführung der Vermessungswerke vom 25. November 1938. Charakter der Gebühr als Entgelt für eine staatliche Leistung; massgebende Gesichtspunkte für die Bemessung. Eine Gebühr von 7‰ des Verkehrswertes der abgetrennten Parzelle verstösst, wenn sie zum objektiven Wert der staatlichen Leistung in einem offensichtlichen Missverhältnis steht, gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und wird zur Gemengsteuer.

97 I 337 () from 7. Juli 1971
Regeste: Gebühr für Anschluss an eine neue Kanalisation. Liegt in der Anwendung des im Hinblick auf die neue Kanalisation aufgestellten Tarifs auf bereits vor seinem Erlass angeschlossene Liegenschaften eine (unzulässige) Rückwirkung? (Erw. 2). Kantonales Verwaltungsverfahren. Rechtsverweigerung. Ist eine Rekursinstanz, die in Gutheissung eines Rekurses einen neuen Sachentscheid fällt, verpflichtet, sich mit den vor der Vorinstanz erhobenen, von dieser nicht beurteilten Einwendungen des Rekursgegners auseinanderzusetzen? (Erw. 3).

97 I 349 () from 25. Juni 1971
Regeste: Verzinsung von Entschädigungen wegen materieller Enteignung nach zürcherischem Recht; Art. 4 BV (Willkür). Es ist nicht willkürlich, auf altrechtliche Fälle die Bestimmung von § 183bis EG/ZGB analog anzuwenden, welche einen gleitenden Zinssatz vorsieht.

97 I 481 () from 15. September 1971
Regeste: Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen der Aktiengesellschaft (Art. 706 OR); vorsorgliche Verfügung gemäss Art. 32 Abs. 2 HRegV; kantonales Zivilprozessrecht; derogatorische Kraft des Bundesrechts; Willkür (Art. 4 BV). 1. Behauptet der Beschwerdeführer, der angefochtene Entscheid verstosse gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Ueb. Best. BV), so kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden, wenn diese Rüge mit zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 Abs. 1 lit. a OG erhoben werden kann (Erw. 1a). 2. Der letztinstanzliche kantonale Entscheid über ein Gesuch um Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäss Art. 326 Ziff. 3 bern. ZPO in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 HRegV ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG (Erw. 1 b). 3. Die Voraussetzungen einer vorsorglichen Massnahme gemäss Art. 32 Abs. 2 HRegV werden durch das kantonale Prozessrecht umschrieben; der kantonale Richter handelt nicht willkürlich, wenn er gestützt auf Art. 326 Ziff. 3 bern. ZPO annimmt, eine derartige Massnahme rechtfertige sich nur in denjenigen Fällen, in denen der anzuhebende Hauptprozess nach den glaubhaften Vorbringen des Gesuchstellers als aussichtsreich erscheine (Erw. 3).

97 I 488 () from 10. August 1971
Regeste: Art. 84, 86 OG, Vollstreckung von Schiedssprüchen. Anfechtbarkeit des Urteils über eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Schiedsurteil. Beschränkung der Kognition. Der Schiedsspruch ist einem in der ganzen Schweiz vollstreckbaren Zivilurteil gleichzustellen, sofern das Schiedsgericht Gewähr für unabhängige Rechtsprechung bietet. Fehlen dieser Voraussetzung, wenn es Verbandsorgan ist. Anwendung auf einen Sportverband?

97 I 573 () from 12. Juli 1971
Regeste: Einsprache und Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nationalstrassenprojekte. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über Pläne, aufgrund deren Land enteignet werden kann (Erw. 1 b). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts als Verwaltungsgericht im allgemeinen (Erw. 3). Einsprache und Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nationalstrassenprojekte (Art. 27 NSG). - Anspruch des Grundeigentümers auf Stellungnahme zur generellen Projektierung? (Erw. 2 c). - Mit der gegen das Ausführungsprojekt gerichteten Einsprache (Art. 27 NSG) kann auch die im generellen Projekt (Art. 19, 20 NSG) festgelegte Linienführung angefochten werden (Erw. 1a). - Interessen, die bei der von Art. 5 NSG geforderten Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Umfang der Überprüfung dieser Interessenabwägung und der ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen durch das Bundesgericht, insbesondere soweit sich technische Fragen stellen, die durch fachkundige Instanzen des Kantons und des Bundes abgeklärt worden sind. Anwendung auf die Linienführung einer Expressstrasse durch die Stadt Zürich (Erw. 4 und 5).

97 I 609 () from 22. Dezember 1971
Regeste: Konkurseröffnung; Kostenvorschuss; Willkür. Der Kostenvorschuss im Sinne von Art. 169 Abs. 2 SchKG muss vor der Konkurseröffnung eingefordert werden. Der Konkursrichter, der den Gläubiger erst nach der Konkurseröffnung zur Vorschussleistung auffordert und mit der Mitteilung des Konkursdekrets zuwartet, bis der verlangte Betrag eingetroffen ist, verstösst gegen das Willkürverbot.

97 I 619 () from 13. Oktober 1971
Regeste: Namensänderung, rechtliches Gehör. Der unmittelbar aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch des Vaters, zu einem Gesuch um Änderung des Namens seines bei der Ehescheidung der Mutter zugeteilten Kindes Stellung nehmen zu können (BGE 83 I 239, 89 I 155), besteht nur bis zur Mündigkeit des Kindes.

97 I 624 () from 22. September 1971
Regeste: Verjährung von Entschädigungsansprüchen aus materieller Enteignung. Der Entschädigungsanspruch für ein Bauverbot, das im Kanton Freiburg in einem 1945 erlassenen und vom Staatsrat 1948 genehmigten Gemeindebaureglement aufgestellt wurde, veraährte, wie ohne Willkür angenommen werden kann, auch mangels einer ausdrücklichen Vorschrift nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Inkrafttreten des Baureglements.

97 I 643 () from 22. September 1971
Regeste: Eigentumsgarantie, Landschaftsschutz; Anhörung der betroffenen Gemeinden nach solothurnischem Recht. 1. In welcher Form sind die solothurnischen Gemeinden beim Erlass von Landschaftsschutzmassnahmen anzuhören? (Erw. 2). 2. Voraussetzungen des Schutzes von stadtnahen Erholungs- und Ausflugsgebieten, insbesondere von Anhöhen und Hängen, die für das Landschaftsbild charakteristisch sind; Interessenabwägung (Erw. 5). 3. Schutzbereich der Eigentumsgarantie; ob Landschaftsschutzmassnahmen mit der Eigentumsgarantie vereinbar sind, hängt nicht davon ab, ob die kantonalen Behörden allfällige finanzielle Auswirkungen derartiger Eigentumsbeschränkungen gebührend berücksichtigt haben (Erw. 6).

97 I 651 () from 6. Oktober 1971
Regeste: Berichtigung eines fehlerhaften Strassenlinienplans. Natur und Voraussetzungen der Berichtigung im Gegensatz zur Änderung von Plänen. Stellung des von der Berichtigung betroffenen Grundeigentümers. Grundsatz von Treu und Glauben.

97 I 653 () from 17. November 1971
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit, gesteigerter Gemeingebrauch, Taxigewerbe. Handels- und Gewerbefreiheit und Benützung des öffentlichen Bodens im allgemeinen (Erw. 5 a). Bewilligung zum Führen eines Taxibetriebes. Unterscheidung von Bewilligungen, deren Inhaber die auf öffentlichem Boden zur Verfügung stehenden Standplätze benützen dürfen, und Bewilligungen, deren Inhaber hievon ausgeschlossen sind. Voraussetzungen, unter denen diese Unterscheidung mit Art. 4 und 31 BV vereinbar ist (Erw. 5 b).

97 I 680 () from 13. Oktober 1971
Regeste: Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG. Die Bewilligung des Arrests (Arrestbefehl, Art. 272 SchKG) ist ein Endentscheid im Sinne des Art. 87 OG (Erw. 2). Ein kantonales Rechtsmittel, vor dessen Durchführung die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV gegen den Arrestbefehl nach Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG unzulässig ist, bildet - die Arrestaufhebungsklage (Art. 279 Abs. 2 SchKG), mit der der Schuldner den Arrestgrund bestreiten kann (Erw. 3 a); - nicht die Arrestprosequierung (Art. 278 SchKG), in der der Schuldner Bestand, Fälligkeit und Höhe der Arrestforderung bestreiten kann; er kann daher mit einer unmittelbar gegen den Arrestbefehl gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde geltend machen, die diesem zugrunde liegende Annahme, der Gläubiger habe eine verfallene Forderung glaubhaft gemacht, sei willkürlich und verletze Art. 4 BV (Änderung der Rechtsprechung; Erw. 3 b).

97 I 769 () from 22. Dezember 1971
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Beweis der Rechtzeitigkeit des Strafantrags. Der Privatkläger ist legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen, dass die Untersuchungsbehörde das Strafverfahren offensichtlich zu Unrecht wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung eingestellt habe (Erw. 1). Frist zum Strafantrag; Beginn, Beweislast (Erw. 2, 3). Eine Untersuchungsbehörde, die ein Ehrverletzungsverfahren mangels rechtzeitigen Strafantrags einstellt, ohne die vom Kläger für die Rechtzeitigkeit angebotenen Beweise abzunehmen, verweigert dem Kläger das rechtliche Gehör (Erw. 4).

97 I 778 () from 15. September 1971
Regeste: Art. 4 BV; bernische Vermögenssteuer, amtlicher Wert Der amtliche Wert von baurechtsbelasteten Grundstücken darf ohne Verletzung von Art. 4 BV aufgrund des kapitalisierten Ertragswerts ermittelt werden. Die gegenwärtig gültige bernische Ordnung ist nicht verfassungswidrig.

97 I 784 () from 15. September 1971
Regeste: Art. 4 BV; zürcherisches Steuerrecht; Ertragssteuer juristischer Personen, Grundstückgewinnsteuer. Es verstösst nicht gegen Art. 4 BV, die von einer Aktiengesellschaft bezahlten oder in der Bilanz zurückgestellten Grundstückgewinnsteuern als steuerbaren Ertrag im Sinne von § 45 Abs. 1 StG zu behandeln.

97 I 792 () from 20. Oktober 1971
Regeste: Eigentumsgarantie und Art. 4 BV; Pflicht zur Erstellung privater Parkflächen, Festsetzung einer Ersatzabgabe. 1. Die im Baurecht der Stadt Zug vorgesehene Pflicht, bei Neu- und Umbauten auf privatem Grund Parkgelegenheiten zu schaffen, verstösst nicht gegen die Eigentumsgarantie (Erw. 2-4). 2. Es ist mit dem Gebot der Rechtsgleichheit vereinbar, eine solche Pflicht nur den Erstellern von Neu- und Umbauten, nicht aber auch den Eigentümern bestehender Bauten aufzuerlegen (Erw. 5a). 3. Für den Fall, dass die Erstellung privater Parkflächen unmöglich oder mit unverhältnismässigen Kosten verbunden ist, kann die Bezahlung einer Ersatzabgabe vorgesehen werden; Rechtsnatur dieser Abgabe (Erw. 6). 4. Wieweit kann der kantonale Gesetzgeber die Befugnis zur Festsetzung der Ersatzabgabe dem kommunalen Gesetzgeber übertragen? (Erw. 7). 5. Bemessung der Ersatzabgabe (Erw. 8).

97 I 809 () from 15. Dezember 1971
Regeste: Eigentumsgarantie, Art. 4 BV; materielle Enteignung. 1. Verhältnis zwischen formeller und materieller Enteignung; Bemessungszeitpunkt für die Entschädigung bei materieller Enteignung (Erw. 1). 2. Wird die Enteignungsentschädigung nicht im Zeitpunkt der Bemessung ausbezahlt, so kann das Gemeinwesen verpflichtet werden, diese Leistung von dem Tage an zu verzinsen, an dem der Entschädigungsanspruch erstmals in unverkennbarer Weise geltend gemacht wird (Erw. 3 a). Willkürliche Anwendung dieser Regel im vorliegenden Falle (Erw. 3 b).

97 I 831 () from 22. Dezember 1971
Regeste: Disziplinarrecht der Anwälte. Verletzung des Berufsgeheimnisses. Der Entscheid, mit dem ein Anwalt disziplinarisch bestraft wird, ist kein Straferkenntnis im Sinne von Art. 268 Ziff. 3 BStP (Erw. 1). Verhältnis des kantonalen Disziplinarrechts zum eidgenössischen Strafrecht. Art. 321 StGB schliesst die disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses der Anwälte nicht aus (Erw. 2). Zum Begriff des Berufsgeheimnisses und der unzulässigen Offenbarung desselben (Erw. 4).

97 I 839 () from 22. September 1971
Regeste: Persönliche Freiheit; Untersuchungshaft. 1. Begriff der persönlichen Freiheit (Erw. 3). 2. Grundsätzliches über die Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen der Untersuchungsgefangenen (Erw. 4 und 5). 3. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 6). 4. Das den Untersuchungsgefangenen des Bezirksgefängnisses Zürich auferlegte Verbot des direkten Bezugs einer beliebigen Zeitung und des Gebrauchs eines eigenen Transistorradios verstösst nicht gegen das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Erw. 8).

97 I 890 () from 2. November 1971
Regeste: Art. 4 BV; zürcherische Fähigkeitsprüfung für Rechtsanwälte, Anforderungen an die praktische Tätigkeit als Zulassungsbedingung.

97 IV 210 () from 9. Juli 1971
Regeste: Art. 110 Ziff. 5 und 253 StGB, Art. 52 ff. BG über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948. Erschleichung einer falschen Eintragung in das schweizerische Luftfahrzeugregister.

97 IV 229 () from 20. Juli 1971
Regeste: 1. Art. 272 Abs. 6 BStP. Diese Bestimmung gibt den Parteien keinen Anspruch auf eine weitergehende Akteneinsicht, als sie ihnen im kantonalen Verfahren zustand. 2. Art. 249 BStP. Dieser Grundsatz betrifft nicht Beweisbeschränkungen, die sich daraus ergeben, dass das kantonale Recht aus anderen Gründen als der Beweiswürdigung gewisse Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt.

98 IA 1 () from 8. März 1972
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör in Verwaltungssachen. Der Bürger ist vor dem Erlass einer ihn belastenden Verwaltungsverfügung von Bundesrechts wegen jedenfalls dann anzuhören, wenn das öffentliche Interesse keine sofortige Entscheidung verlangt und die einmal getroffene Massnahme weder mit einem ordentlichen, eine freie Überprüfung gestattenden Rechtsmittel angefochten noch von der verfügenden Behörde selber uneingeschränkt in Wiedererwägung gezogen werden kann. Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Übertragung eines Kleinhandelspatentes für geistige Getränke ohne Anhörung des bisherigen Patentinhabers.

98 IA 10 () from 26. Januar 1972
Regeste: Art. 4 BV; Akteneinsicht. Wieweit darf dem Sachwalter eines Anlagefonds in einem gegen die frühere Fondsleitung eröffneten Strafverfahren Akteneinsicht gewährt werden?

98 IA 14 () from 22. März 1972
Regeste: Entschädigung für die Untersuchungshaft. Hat der freigesprochene Angeklagte nach dem massgebenden kantonalen Recht einen Anspruch auf Entschädigung für ausgestandene, nicht durch schuldhaftes Verhalten verursachte oder verlängerte Untersuchungshaft, so darf ihm eine solche Entschädigung selbst dann nicht verweigert werden, wenn weiterhin ein Verdacht auf ihm lastet und er nur nach dem Grundsatz in dubio pro reo freigesprochen wurde.

98 IA 35 () from 1. März 1972
Regeste: Eigentumsgarantie, gesetzliche Grundlage. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 2). Zulässigkeit analoger Anwendung von Eigentumsbeschränkungen aus dem Gesichtspunkt der Willkür (Erw. 3 a). Analoge Anwendung des Verbots von "Dachaufbauten" auf "Dacheinschnitte" (Erw. 3 b).

98 IA 43 () from 1. März 1972
Regeste: Bau privater Quartierstrassen, Eigentumsgarantie, derogatorische Kraft des Bundesrechts Kantonale Ordnung, wonach private Strassen zur Erschliessung von Bauland mangels Einigung der beteiligten Grundeigentümer auf deren Kosten von der Gemeinde erstellt werden können und dieser dafür das Enteignungsrecht erteilt werden kann. - Diese Ordnung verstösst nicht gegen Bundesrecht (Erw. 2 c). - Die zweckmässige Erschliessung von Bauland kann auch dann im öffentlichen Interesse liegen, wenn sie den privaten Interessenten überlassen wird (Erw. 3). - Zulässigkeit der Erteilung des Enteignungsrechts an Private (Erw. 4).

98 IA 73 () from 2. Februar 1972
Regeste: Art. 4 BV, Art. 85 lit. a OG; rechtliches Gehör; politische Stimmberechtigung, Pressefreiheit, Beeinflussung einer kantonalen Volksabstimmung durch Presse und Fernsehen. 1. Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren über eine Einsprache gegen eine kantonale Volksabstimmung (Erw. 2). 2. Grundsätzliches zum Entscheid darüber, ob im Vorfeld einer Volksabstimmung die Presse oder Radio und Fernsehen in unzulässiger Weise auf die freie Willensbildung der Stimmbürger eingewirkt haben (Erw. 3). 3. Unter welchen Voraussetzungen besteht von Bundesrechts wegen ein Anspruch auf Nachzählung eines Abstimmungsergebnisses? (Erw. 4).

98 IA 86 () from 2. Februar 1972
Regeste: Art. 46 Abs. 2 BV. Der beim Verkauf sämtlicher oder der überwiegenden Mehrheit der Aktien einer reinen Immobiliengesellschaft erzielte Gewinn untersteht der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons (Bestätigung der Rechtsprechung). Dies schliesst eine vorgängige Besteuerung des auf den Aktien entstandenen, noch nicht realisierten Wertzuwachses durch den Wohnsitzkanton des Aktionärs aus.

98 IA 129 () from 10. Mai 1972
Regeste: Anspruch auf rechtliches Gehör unmittelbar aufgrund des Art. 4 BV. Auf welche Weise ist dem Schüler, der aus einer öffentlichen Schule disziplinarisch entlassen werden soll, vorher Gelegenheit zu geben, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen?

98 IA 135 () from 23. Februar 1972
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Strafprozessrecht, Fristenlauf. Massgebend für den Beginn der Berufungsfrist nach Art. 142 StPO ist die tatsächliche Inempfangnahme des durch eingeschriebene Sendung zugestellten Urteils.

98 IA 151 () from 22. März 1972
Regeste: Kantonale Vermögenssteuer, Bewertung von Liegenschaften, rechtsgleiche Behandlung. Kantonale Ordnung, nach welcher bei Wohn- und Geschäftsliegenschaften das Mittel des Ertrags- und Verkehrswertes zu Beginn der zweijährigen Veranlagungsperiode den Steuerwert bildet. Mit dieser Ordnung unvereinbar ist die Praxis der Steuerverwaltung, nach welcher der beim Erwerb einer Liegenschaft ermittelte Steuerwert bis zur nächsten Handänderung (Veräusserung oder Erbgang) beibehalten werden kann (Erw. 6). Unter welchen Voraussetzungen kann derjenige, dessen Liegenschaft gesetzmässig bewertet worden ist, verlangen, gleich behandelt zu werden wie diejenigen, deren Liegenschaften gesetzwidrig zu niedrig eingeschätzt worden sind? (Erw. 7).

98 IA 163 () from 29. März 1972
Regeste: Art. 4 BV; Art. 2 Üb. Best. BV; Handänderungsabgabe. Art. 7 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Handänderungs- und Pfandrechtsabgaben vom 15. November 1970 (Besteuerung der anlässlich eines Grundstückerwerbs mitveräusserten Zugehör) verstösst weder gegen Art. 4 BV noch gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts.

98 IA 169 () from 9. Februar 1972
Regeste: Art. 4 BV; Mehrwertbeiträge; Ausbau einer Gemeindestrasse. 1. Rechtsnatur (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 2). 2. Berechnungsart (Erw. 3 und 4).

98 IA 179 () from 22. März 1972
Regeste: Beamtenrecht. Willkür. Werden die Besoldungen des Staatspersonals vom Gesetzgeber allgemein erhöht, so sind die Verwaltungsbehörden, sofern weder das Gesetz noch eine Übergangsbestimmung dies vorsieht, nicht befugt, einzelne Beamte oder Beamtenkategorien in frühere Jahresstufen ihrer Besoldungsklasse zurückzuversetzen.

98 IA 185 () from 21. April 1972
Regeste: Art. 4 BV; Grundbuch. Ein vollzogener Grundbucheintrag kann nicht auf dem Beschwerdeweg angefochten werden.

98 IA 326 () from 26. Mai 1972
Regeste: Art. 87 OG. Gegen Überweisungsbeschlüsse in Strafsachen kann, da es an den in Art. 87 OG genannten Voraussetzungen fehlt, nicht wegen Verletzung von Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde geführt werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

98 IA 329 () from 31. Mai 1972
Regeste: Verfahren; Meinungsaustausch zwischen Bundesrat und Bundesgericht, Art. 96 Abs. 2 OG. Hat der Bundesrat gestützt auf die in einem Meinungsaustausch erfolgte Einigung über die Zuständigkeit eine Beschwerde in ihrer Gesamtheit beurteilt, so kann sein Entscheid vom Bundesgericht nicht überprüft werden. Der Vorwurf, der Bundesrat habe dabei nicht über sämtliche Rügen entschieden, ist mit Revisionsgesuch bei diesem selbst zu erheben (Erw. 2). Grundsatz der Kompetenzattraktion (Erw. 3).

98 IA 340 () from 27. September 1972
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege im Scheidungsprozess. Ein im kantonalen Rechtsmittelverfahren gestelltes Begehren um Erhöhung der vom erstinstanzlichen Gericht zugesprochenen Unterhaltsbeiträge (Art. 156 Abs. 2 ZGB) ist nicht schon deshalb aussichtslos, weil im Falle der Gutheissung dieses Antrags unter Umständen in den betreibungsrechtlichen Notbedarf des Unterhaltspflichtigen eingegriffen werden müsste.

98 IA 348 () from 21. Juni 1972
Regeste: 1. Prozessuales. a) Art. 87 OG. Ein letztinstanzlicher, die provisorische Rechtsöffnung verweigernder Entscheid ist ein Endentscheid (Erw. 1). b) Art. 90 OG. Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (Erw. 1). c) Art. 87 OG. Substitution von Motiven (Erw. 3 a.A.). 2. Art. 4 BV; Art. 227 a ff. OR. Möbelkauf. Es ist nicht willkürlich, als Umgehung der Bestimmungen über den Vorauszahlungs- bzw. Abzahlungskauf zu betrachten - einen Barkauf, der wirtschaftlich die Wirkung eines solchen Vertrags hat (Erw. 3); - eine Vereinbarung über die Aufhebung eines Kaufvertrags, wonach eine in monatlichen Raten abzuzahlende relativ hohe Konventionalstrafe bei einem künftigen Kauf angerechnet wird (Erw. 2).

98 IA 356 () from 4. Oktober 1972
Regeste: Art. 4 und 58 BV, Art. 5 Üb. Best. BV; Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwalt. 1. Keine Verletzung von Art. 5 Üb. Best. BV, wenn Basler Anwalt in Bern diszipliniert wird (Erw. 1). 2. Zuständigkeit der Berner Anwaltskammer gegenüber Basler Rechtsanwalt, der im Kanton Bern Prozesse führt und sich auf einem dort gelegenen Grundstück Grundpfandtitel ausstellen lässt (Erw. 2). 3. Die Berner Anwaltskammer durfte ohne Willkür die Standesregeln des bernischen Anwaltsverbandes nebst dem Advokatengesetz als Grundlage für den Disziplinarentscheid heranziehen (Erw. 3 a). 4. Wann verletzt der Rechtsanwalt durch finanzielle Bindungen zu seinem Klienten seine Pflicht zur Unabhängigkeit (Erw. 3 b)?

98 IA 362 () from 12. Juli 1972
Regeste: Verordnung über die Benützung der Räume der Universität. 1. Der Anspruch auf Benützung der Universitätsräume ergibt sich aus dem Zweck der öffentlichen Anstalt und nicht aus den Freiheitsrechten (Presse-, Vereins-, Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit). 2. Die Gestaltung der Beziehungen zwischen der öffentlichen Anstalt und ihren Benützern unterliegt den für alle Verwaltungstätigkeit geltenden Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit. 3. Bewilligungspflicht für Veranstaltungen ausserhalb des eigentlichen Lehrbetriebs. - Verbot von Versammlungen agitatorisch-provokativen Charakters (Erw. 5). - Haftung des Bewilligungsinhabers für Schäden an Universitätsgut. Verstoss gegen Bundesrecht? (Erw. 8). - Kautionspflicht des Bewilligungsinhabers (Erw. 9). Verbot von Geldsammeln und Beschränkung des Drucksachenverkaufs (Erw. 6 u. 7).

98 IA 374 () from 28. Juni 1972
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Revision von Zonenplänen. Voraussetzungen emer Zuweisung von bisher im Baugebiet gelegenen Grundstücken zum sog. Übrigen Gemeindegebiet (Erw. 4 und 5). Interessenabwägung im konkreten Fall (Erw. 6).

98 IA 381 () from 5. Juli 1972
Regeste: Eigentumsgarantie (materielle Enteignung) und Art. 4 BV (Willkür); Landschaftsschutz. 1. Rechtszustand vor Inkrafttreten des Art. 22ter Abs. 3 BV (Erw. 1a). Verhältnis der Willkürrüge zur Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie mit Bezug auf die Kognition des Bundesgerichts (Erw. 1b). 2. In der Beschränkung einer künftig möglichen Nutzung liegt nur dann eine materielle Enteignung, wenn sich im massgebenden Zeitpunkt nach den Umständen annehmen liess, diese Nutzung lasse sich sehr wahrscheinlich in naher Zukunft verwirklichen (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2). Umstände, die bei der Prognose zu berücksichtigen sind (Erw. 3).

98 IA 388 () from 20. September 1972
Regeste: Baulinienplan mit Sonderbauvorschriften. Besondere Natur des Bebauungs- oder Gestaltungsplans. Zeitliche Rechtsanwendung; Fall, in welchem die sinngemässe Anwendung der für die Baubewilligung geltenden Regeln nicht willkürlich ist (Erw. 2). Ausnützungsziffer: Begriff. Verlagerung des gesamten Bauvolumens auf einen Teil des Grundstücks (Erw. 5a).

98 IA 409 () from 17. Mai 1972
Regeste: Gestaltung der amtlichen Publikation in den Gemeinden; Art. 4 BV, Meinungsfreiheit, Vereinsfreiheit, persönliche Freiheit. 1. Wird der angefochtene Entscheid von der beschwerdebeklagten Verwaltungsbehörde nachträglich ergänzt oder abgeändert, so prüft das Bundesgericht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich nur noch die Rechtslage, wie sie sich nach Erlass der zusätzlichen Verfügung darbietet (E. 1). 2. Eine Gemeindevorschrift, welche zwei am Orte verbreitete politische Tageszeitungen als amtliche Publikationsorgane bezeichnet, verstösst nicht gegen Art. 4 BV, wenn sämtliche in den Zeitungen erscheinenden öffentlichen Mitteilungen auch im Anschlagkasten der Gemeinde veröffentlicht werden. Eine derartige Publikationsordnung ist auch mit den Grundrechten der Meinungsfreiheit, der Vereinsfreiheit und der persönlichen Freiheit vereinbar (E. 2-5).

98 IA 460 () from 22. November 1972
Regeste: Art. 4 BV; Grundsatz von Treu und Glauben, rechtliches Gehör. Treu und Glauben: Die Auskunft eines Sachbearbeiters ohne Entscheidungsbefugnis über den Stand eines Gesuchs bindet die Behörde nicht. Rechtliches Gehör: Anforderungen an die Begründungspflicht im Verwaltungsverfahren unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV.

98 IA 484 () from 20. September 1972
Regeste: Art. 57 BV. Petitionsrecht, Natur und Umfang.

98 IA 508 () from 28. Juni 1972
Regeste: Persönliche Freiheit; Art. 4 BV; Todesfeststellung, Obduktionen und Organverpflanzungen. 1. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch gegen Verwaltungsverordnungen (Dienstanweisungen) staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 1). 2. Das Recht auf Leben ist im Grundrecht der persönlichen Freiheit mitenthalten und gilt uneingeschränkt. § 44 der zürcherischen Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser vom 25. März 1971, wonach der Tod nach den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften festzustellen ist, verstösst nicht gegen die Verfassung (Erw. 3-6). 3. Eine kantonale Vorschrift, wonach Obduktionen und Organverpflanzungen nur dann ausgeführt werden dürfen, wenn der Betroffene oder seine nächsten Angehörigen keinen Einspruch erhoben haben, hält vor der Verfassung stand; das Grundrecht der persönlichen Freiheit erheischt keine ausdrückliche Zustimmung zur Vornahme solcher Eingriffe in den toten Körper (Erw. 8-10).

98 IA 568 () from 29. November 1972
Regeste: Art. 4 BV. Kantonales Steuerrecht. Voraussetzungen für die Nichtigkeit einer Verwaltungsverfügung (Erw. 4). Voraussetzungen für die Revision eines rechtskräftigen Steuerentscheides; kein Revisionsgrund liegt vor, wenn der Entscheid auf einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage beruhte (Erw. 5).

98 IA 574 () from 20. Dezember 1972
Regeste: Art. 4 BV (Willkür); interkommunale Doppelbesteuerung (Wallis). Art. 46 Abs. 2 BV ist auf die Doppelbesteuerung durch mehrere Gemeinden desselben Kantons nicht anwendbar. Verweist aber das kantonale Recht für die interkommunale Steuerausscheidung ausdrücklich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur interkantonalen Doppelbesteuerung, so werden die von dieser Rechtsprechung aufgestellten Regeln zum Inhalt kantonalen Rechts,dessen Anwendung das Bundesgericht auf eine Verletzung von Art. 4 BV hin überprüfen kann. Fall der Steuerausscheidung zwischen zwei Walliser Gemeinden.

98 IA 596 () from 20. Dezember 1972
Regeste: Art. 31 und 33 BV, Art. 5 Üb. Best. BV; Ausübung des Anwaltsberufs (Kt. Thurgau). 1. Ist in einem Kanton für Anwälte eine verfassungsmässig zulässige Bewilligungspflicht durch Gesetz eingeführt, so besteht damit auch die gesetzliche Grundlage für das sich aus der Natur der Sache ergebende, selbstverständliche Erfordernis der persönlichen Vertrauenswürdigkeit, auch wenn das Gesetz diese Voraussetzung nicht ausdrücklich nennt. Gesetzliche Grundlage auch aufgrund von Gewohnheitsrecht? (Erw. 1 a). 2. Ist die Ausübung des Anwaltsberufs bewilligungspflichtig und einer besondern Aufsicht unterstellt, so bedarf der dauernde Entzug der Bewilligung wegen nachträglichen Wegfalls einer wesentlichen Voraussetzung nicht noch einer besondern gesetzlichen Grundlage (Erw. 1c).

98 IA 602 () from 29. November 1972
Regeste: Stimmrecht. Ständeratswahl im Kanton Basel-Stadt. Behördliche Informationspflicht und Stimmgeheimnis. 1. Wird eine Wahlbeschwerde statt vom Grossen Rat vom Regierungsrat erledigt, so kann dadurch nicht die von Gesetzes wegen ausgeschlossene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Rechtsmittelinstanz begründet werden (Erw. 1). 2. Unrichtige Rechtsmittelbelehrung als unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 35 OG (Erw. 4). 3. Umfang der Informationspflicht der Behörde über die eingegangenen Wahlvorschläge (Erw. 9). 4. Verletzung des Stimmgeheimnisses durch unzulänglich eingerichtete Wahllokale (Erw. 10 a und b).

98 IA 627 () from 13. Dezember 1972
Regeste: Art. 85 lit. a OG, kantonale Wahlen. Anfechtung eines Validierungsbeschlusses des Grossen Rates von Basel-Stadt betreffend Grossratswahlen. Auslegung von § 33 Abs. 2 KV über die Amtszeitbeschränkung (Erw. 3 und 4). Rechtsgleichheit (Erw. 4 d). Ist der Grundsatz von Treu und Glauben gegenüber dem Wähler verletzt, wenn die Wahl einer Person nachträglich wegen Nichtwählbarkeit nicht validiert wird (Erw. 6)?

98 IA 649 () from 22. November 1972
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Fremdenpolizeirecht. Der Ausländer, der keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung hat, ist zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen deren Verweigerung nicht legitimiert. (Bestätigung der Rechtsprechung).

98 IA 653 () from 22. Juni 1972
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Art. 88 OG. Das Vorgehen der Behörde bei der Besetzung einer Stelle kann vom unberücksichtigt gebliebenen Bewerber nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. (Bestätigung der Rechtsprechung).

98 IA 659 () from 29. November 1972
Regeste: Eigentumsgarantie, Art. 22ter BV. Ehehaftes Tavernenrecht im Kanton Luzern. 1. Das auf einem Haus ruhende Tavernenrecht ist notwendig mit dem Grundstück verbunden und kann nicht losgelöst von diesem allein mit dem Haus verknüpft sein (Erw. 4). 2. Das ehehafte Tavernenrecht ist nach der luzernischen Gesetzgebung ein wohlerworbenes Privatrecht und steht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie. Voraussetzungen für dessen Aufhebung (Erw. 5).

98 IB 21 () from 28. Januar 1972
Regeste: Warenumsatzsteuer: Steuerpflicht eines Bildhauers. Rechtsungleiche Behandlung?

98 IB 85 () from 28. April 1972
Regeste: Fremdenpolizeirecht; Widerruf der Aufenthaltsbewilligung (Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG). - Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Kognitionsbefugnis des Bundesgerichtes. - Ob die Voraussetzungen für den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung gegeben sind, ist Rechts- und Tatfrage; der Fremdenpolizeibehörde, die den Begriff des "zu schweren Klagen" Anlass gebenden Ausländers auf den Einzelfall anzuwenden hat, ist jedoch ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ermessensfrage ist, ob, bei erfüllten Voraussetzungen, die Aufenthaltsbewilligung auch wirklich widerrufen werden soll. - Die das Massnahmerecht handhabende Behörde hat die Frage, ob ein Fall schwer wiegt, nach fremdenpolizeilichen Gesichtspunkten zu beantworten; sie braucht sich deshalb mit der strafrechtlichen Würdigung des Sachverhaltes nicht zu befassen.

98 IB 120 () from 24. März 1972
Regeste: Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei und Vollziehungsverordnung dazu (FPolG; FPolV); Bundesgesetz über den Natur-und Heimatschutz (NHG); Rodung in einer Schutzwaldung. 1. Kreis der nach Art. 12 NHG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimierten Vereinigungen (Erw. 1). 2. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 2). 3. Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen nach Art. 26 FPolV und Art. 3 NHG beim Entscheid über die Bewilligung der Rodung (Erw. 4 a und b). 4. Wo innerhalb des Regulierungsperimeters zum Ersatz für eine Rodung aufgeforstet werden soll, ist Ermessensfrage (Erw. 4 c).

98 IB 156 () from 29. März 1972
Regeste: Warenmustertaxe; BG vom 2. Oktober 1924 betreffend den Postverkehr (PVG) und Vollziehungsverordnung I zum PVG vom 1. September 1967/12. Mai 1971 (VV I). 1. Musterkataloge, die kleine Warenproben enthalten, sind Warenmuster und nicht Drucksachen (Erw. 2). 2. Art. 46 Abs. 1 der VV I zum PVG, wonach die Warenmustertaxe des Art. 15 Abs. 1 PVG auf die Rücksendungen von Warenmustern vom Kunden an den Verkäufer nicht zur Anwendung kommt, widerspricht dem PVG (Erw. 3).

98 IB 167 () from 10. März 1972
Regeste: Bedingte Entlassung, Art. 38 StGB, 26 ff. VwG. 1. Die Einsichtnahme in die Akten über die bedingte Entlassung darf dem Verurteilten, der darum nachsucht, grundsätzlich nicht verweigert werden, soweit nicht die Bedingungen des Art. 27 VwG für einzelne Aktenstücke erfüllt sind (Erw. 1). 2. Hat der Verurteilte die Akteneinsicht erst nach Erlass des Entscheids über die bedingte Entlassung verlangt, so wird bei Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dieser Entscheid aufgehoben, sondern einzig derjenige über die Verweigerung der Akteneinsicht (Erw. 2). 3. Da das Bundesgericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der untern Behörde setzt, ist es nicht Rekursinstanz mit voller Kognition; Gehörsverweigerung kann daher nicht von ihm wiedergutgemacht werden (Erw. 3).

98 IB 241 () from 29. September 1972
Regeste: Gewässerschutz; Ableitung von Abwässern aus einem Wohnhaus. 1. Anwendbares Recht (Erw. 1). 2. Es ist sowohl nach dem alten wie auch nach dem neuen Gewässerschutzgesetz zulässig, eine für den Umbau eines Wohnhauses erteilte Abwasserableitungsbewilligung, die lediglich eine Verbesserungnicht aber die vollständige Sanierung der bisherigen Verhältnisse vorsieht, zu widerrufen, wenn sich herausstellt, dass in Wirklichkeit nicht ein Umbau sondern ein Neubau geplant ist (Erw. 2 und 3). 3. Der Widerruf der Abwasserableitungsbewilligung widerspricht hier auch nicht den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Erw. 4).

98 IB 333 () from 29. September 1972
Regeste: Art. 97 ff. OG: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen auf kantonales Verfahrensrecht sich stützenden Nichteintretensentscheid (Erw. 1a)? Rechtsmittelbelehrung: Ein ungeschriebener bundesrechtlicher Grundsatz, wonach die Kantone auch ohne ausdrückliche Vorschrift des kantonalen oder Bundesrechts zur Rechtsmittelbelehrung verpflichtet sind, besteht nicht (Erw. 2 a). Schreibt das Verfahrensrecht die Rechtsmittelbelehrung nicht vor, so ist es nicht der Willkür der Behörden überlassen, Verfügungen und Entscheide mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen oder nicht; sie haben eine einheitliche Praxis einzuhalten (Erw. 2 c). Art. 53 Abs. 1 NSG. Art. 6 SVG und Art. 80 Abs. 6 SSV.: Zulässigkeit von Reklamen und Ankündigungen im Bereich der Rastplätze von Autobahnen (Erw. 3 a und b)? Die Auflage, dass die Lichtreklame an einer Autobahnraststätte nur aus der Anfahrtsrichtung her sichtbar sein darf, verletzt Bundesrecht nicht (Erw. 3 c).

98 IB 489 () from 1. Dezember 1972
Regeste: Rodungsbewilligung. 1. Beschwerdelegitimation gesamtschweizerischer Vereinigungen nach Art. 12 NHG (Erw. 1). 2. Zulässigkeit der Erneuerung eines früher bereits einmal abgewiesenen Rodungsgesuchs bei der zuständigen Behörde? Verschiebung der Zuständigkeit zur Erteilung der Rodungsbewilligung zwischen dem ersten und dem zweiten Gesuch; Nichtanwendbarkeit der Grundsätze über den Widerruf von Verwaltungsakten (Erw. 2). 3. Vorzeitiges Abholzen des in Frage stehenden Waldes (Erw. 3). 4. Voraussetzungen für die Erteilung einer Rodungsbewilligung; Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein gewichtiges, das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis für die Rodung nachweisen lässt (Erw. 4). 5. Bedeutung des Erfordernisses der Standortgebundenheit; unter Umständen kann eine relative Standortgebundenheit genügen (Erw. 6). 6. Öffentliches Interesse an touristischer Entwicklung einer Gemeinde fällt bei Abwägung der für und gegen eine Rodung sprechenden Momente schwer ins Gewicht; Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 7). 7. Im Zusammenhang mit der Prüfung eines Rodungsgesuchs ist gegebenenfalls auch das an der Stelle des zu rodenden Waldes geplante Bauwerk unter dem Gesichtspunkt von Natur- und Heimatschutz zu prüfen; rechtliche Tragweite der Aufnahme eines Gebietes in das sogenannte KLN-Inventar; Interessenabwägung (Erw. 8).

98 II 272 () from 9. November 1972
Regeste: Anordnung der Erbschaftsverwaltung; Weigerung der zuständigen Behörde, den Willensvollstrecker gemäss Art. 554 Abs. 2 ZGB zum Erbschaftsverwalter zu ernennen. Berufung an das Bundesgericht? Ein Verfahren, das die Anordnung einer Erbschaftsverwaltung und die Frage betrifft, ob der Willensvollstrecker oder jemand anders zum Erbschaftsverwalter zu ernennen sei, ist grundsätzlich keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44/46 OG, so dass der letztinstanzliche kantonale Entscheid in einem solchen Verfahren nicht der Berufung an das Bundesgericht unterliegt. Eine Ausnahme gilt höchstens dann, wenn geltend gemacht wird, der Willensvollstrecker dürfe wegen einer vom Erblasser geschaffenen oder ihm doch bekannt gewesenen Doppelstellung und einer daraus sich ergebenden schweren Interessenkollision nicht zum Erbschaftsverwalter ernannt werden.

98 II 276 () from 9. November 1972
Regeste: Willkürliche Weigerung, dem Willensvollstrecker die Erbschaftsverwaltung zu übertragen (Art. 554 Abs. 2 ZGB, Art. 4 BV). 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2, 86 Abs. 2 und 87 OG; Erw. 1-3). 2. Die Übertragung der Erbschaftsverwaltung an den Willensvollstrecker darf nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil zwischen ihm und den Erben Spannungen bestehen und die Erben erklären, dass er ihr Vertrauen nicht geniesse. Das Misstrauen der Erben gegen den Willensvollstrecker kann seine Ernennung zum Erbschaftsverwalter nur dann hindern, wenn Tatsachen dargetan sind, die ernstliche Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit rechtfertigen (Erw. 4).

98 II 365 () from 28. November 1972
Regeste: Art. 43 Abs. 1 OG. Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte kann mit der Berufung nicht gerügt werden (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2). Kartellgesetz. Art. 8 KG. Zulässigkeit der Berufung (Erw. 1). Art. 4 KG. Vorkehr: Liefersperre und Marktausschluss (Verdeutlichung der Rechtsprechung; Erw. 3 b und c). Erheblichkeit der Behinderung (Verdeutlichung der Rechtsprechung; Erw. 3 d). Art. 5 Abs. 2 KG. Rechtfertigung der Kartellvorkehr. Überwiegende schutzwürdige Interessen (Verdeutlichung der Rechtsprechung; Erw. 4 a). Art. 5 Abs. 2 lit. e KG. Angemessene Preisbindung: Kundendienst. Zulässigkeit der Preisspaltung. Frage offen gelassen (Erw. 4 b-e).

98 IV 212 () from 15. Juni 1972
Regeste: Art. 307, 24 StGB. Falsches Zeugnis; Anstiftung dazu. 1. Zeugnisfähigkeit Tatverdächtiger (Erw. 1). 2. Anstiftung zu falscher Aussage als Zeuge oder als Angeschuldigter? (Erw. 2 c).

99 IA 1 () from 28. Februar 1973
Regeste: Art. 4 BV; Wechselbetreibung. Art. 991 Ziffer 8 OR: Unterschrift des Ausstellers als Bestandteil des gezogenen Wechsels. Fehlen einer Kollektivunterschrift beim Handeln im Namen einer juristischen Person. Analoge Anwendung von Art. 998 OR? (Erw. 1 und 2). Einreden aus Art. 1007 OR: Bedeutung der Eintragung der Kollektivunterschrift im Handelsregister (Erw. 3 a).

99 IA 22 () from 28. März 1973
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör im Disziplinarverfahren. Sofortige vorläufige Einstellung eines Chefarztes am Kantonsspital in seinem Amt, nachdem ein Gutachten zum Schluss gekommen ist, der Arzt habe einen schweren Kunstfehler begangen und dadurch den Tod eines Patienten mitverursacht. Kein Verstoss gegen Art. 4 BV, dass die Aufsichtsbehörde dem Arzt vor der vorläufigen Einstellung im Amt keine Gelegenheit gegeben hat, zum Gutachten Stellung zu nehmen.

99 IA 42 () from 6. April 1973
Regeste: Verbot einer Reklametafel; rechtliches Gehör, Eigentumsgarantie, Verfahren. 1. Die in Art. 87 OG vorgesehene Beschränkung gilt nicht für Beschwerden, mit denen neben der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV noch selbständige andere Verfassungsrügen erhoben werden, auf die eingetreten werden muss (Erw. 1). 2. Umfang des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren (Erw. 3). 3. Gegenüber baupolizeilichen Beschränkungen des Grundeigentums kann nicht Art. 31 BV angerufen werden (Erw. 4). 4. Verbot einer das Orts- und Landschaftsbild verunstaltenden Reklametafel. Eigentumsgarantie; gesetzliche Grundlage, Interessenabwägung (Erw. 5).

99 IA 52 () from 24. Januar 1973
Regeste: Art. 85 lit. a OG. Verletzung des politischen Stimmrechtes durch unrichtige Ermittlung des Abstimmungsergebnisses. Auslegung von Art. 79 des freiburgischen Gesetzes über die Gemeinden und Pfarreien vom 19. Mai 1894, wonach ein Gemeindeversammlungsbeschluss die "absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder" auf sich zu vereinen hat.

99 IA 60 () from 7. Februar 1973
Regeste: Gemeindeautonomie, Treu und Glauben; Wasser- und Kanalisationsanschluss; Gewässerschutz. Die Vorschrift in Art. 55 Abs. 1 des neuen bernischen Baugesetzes vom 7. Juni 1970 über das anwendbare Recht kann ohne Willkür auch für den Übergang vom alten Gesetz über die Bauvorschriften vom 26. Januar 1958 zum neuen Recht für massgebend erklärt werden (Erw. 2). Soweit das übergeordnete kantonale oder eidgenössische Recht keine zwingenden Vorschriften enthält, sind die bernischen Gemeinden zur autonomen Rcchtsetzung auf dem Gebiet des Baurechts befugt (Erw. 3). Diese Autonomie ist verletzt, wenn eine kantonale Behörde willkürlich annimmt, eine gestützt auf das autonome kommunale Recht getroffene Verfügung der Gemeinde, wonach einem Bauwilligen der Anschluss an die Wasserversorgung und an die Gemeindekanalisation verweigert wird, verstosse gegen den bundesrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben (Erw. 4 und 5). Die Gemeindeautonomie wird jedoch nicht verletzt, wenn im konkreten Fall ohne Willkür davon ausgegangen werden darf, dass das kantonale Gesetzesrecht eine Verweigerung der erwähnten Anschlüsse nicht zulässt (Erw. 6). Vorbehalt des BG über den Gewässerschutz vom 8. Oktober 1971 (Erw. 7).

99 IA 71 () from 4. April 1973
Regeste: Gemeindeautonomie; Parkplatz-Ersatzabgabe. Auslegung von Art. 2 Ziff. 10 des Schaffhauserischen Baugesetzes, der die Gemeinden ermächtigt, bei Neu- und Umbauten den Bau privater Abstellplätze oder den Einkauf in bereits bestehende öffentliche Abstellplätze vorzuschreiben. Die Gemeinde ist in ihrer Autonomie nicht verletzt, wenn ihr die kantonale Behörde aufgrund dieser Vorschrift das Recht verwehrt, anstelle des Baues von Parkplätzen die Entrichtung einer Ersatzabgabe vorzusehen.

99 IA 104 () from 31. Januar 1973
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde; Art. 88 OG. Strafprozess; Legitimation des Geschädigten und des Anzeigers (Präzisierung der Rechtsprechung).

99 IA 113 () from 6. April 1973
Regeste: Zürcherische Gesetzgebung über das Bauwesen und die Gewässer. Eidg. Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971. Befehl der kantonalen Behörde, einen Wohnwagen, den der Eigentümer ständig auf seinem Grundstück stehen lässt, samt Nebeneinrichtungen zu entfernen. 1. Die ausdrücklich bloss auf kantonales Recht gestützte Anordnung unterliegt insoweit, als sie der Sache nach in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften über den Gewässerschutz ergangen ist, nicht der staatsrechtlichen Beschwerde, sondern der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1). 2. Neue Einwendungen, die in einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Willkür erhoben werden, sind in der Regel unzulässig (Erw. 4 a). 3. Übergangsrecht: Anwendbarkeit neuer Vorschriften auf ein im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits hängiges Verfahren (Erw. 4 b betr. das kantonale Recht; Erw. 9 betr. das eidg. Gewässerschutzgesetz). 4. Der Beseitigungsbefehl lässt sich ohne Willkür auf die kantonalen Vorschriften für Gebäude gründen, soweit er den Wohnwagen und die funktionell eng mit ihm verbundenen Nebeneinrichtungen betrifft, dagegen nicht in bezug auf eine Abwassergrube, die nach der Entfernung des Wohnwagens noch als Wasserspeicher für die Pflege eines Gartens verwendbar ist (Erw. 3 und 6). 5. Der Befehl, die Grube zu beseitigen, kann auch nicht auf die bundesrechtliche Ordnung des Gewässerschutzes gestützt werden (Erw. 10).

99 IA 143 () from 11. Juli 1973
Regeste: Art. 4 BV; Willkürliche Auslegung von Bauvorschriften. Es ist willkürlich, eine kantonale Vorschrift, wonach der Bau von Hochhäusern nur bewilligt werden darf, wenn sie die Umgebung nicht wesentlich benachteiligen, so auszulegen, dass übermässiger Schattenwurf zwar als wesentliche Benachteiligung angesehen, bei der Prüfung eines konkreten Hochhausprojektes aber nur darauf abgestellt wird, ob dessen Schattenwurf allein, d.h. ohne Rücksicht auf die Schattenwirkungen bereits bestehender Bauten, ein Nachbargrundstück wesentlich benachteiligt. Dies gilt um so mehr, wenn eine kommunale Vorschrift den Bau von Hochhäusern, die ausdrücklich kein Nachbargrundstück durch Schattenwurf unzumutbar beeinträchtigen dürfen, nur im Rahmen von Gesamtüberbauungen zulässt.

99 IA 154 () from 11. Juli 1973
Regeste: Art. 4 BV, Rechtsgleichheit; Beiträge der Grundeigentümer an die Strassenbaukosten. Das Reglement der Gemeinde Hallau, das die Eigentümer von Grundstücken im Baugebiet grundsätzlich zu Beitragsleistungen verpflichtet, die Eigentümer von Grundstücken der Kernzone jedoch davon befreit, verstösst gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit.

99 IA 164 () from 27. Juni 1973
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. Besteuerung landwirtschaftlich genutzten Baulandes. Willkürliche Abweichung vom Gesetzeswortlaut.

99 IA 247 () from 13. August 1973
Regeste: Bewilligung eines Kernkraftwerkes; Art. 4 BV, Art. 22ter BV, Gemeindeautonomie. 1. Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden; Verhältnis zwischen Art. 86 und 87 OG (Erw. 1). 2. Kognition bei Beschwerden wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Erw. 2). 3. Umfang und Schutz der Autonomie der aargauischen Gemeinden im Bereiche der Rechtsanwendung (Erw. 3). 4. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung der Baubewilligung an einen Dritten (Erw. 4 u. 6). 5. Kompetenzen von Bund und Kanton bei der Bewilligung von Kernkraftwerken. Ob die Umgebung eines Kernkraftwerkes vor den meteorologischen Auswirkungen und Lärmimmissionen der Kühltürme genügend geschützt ist, wird im bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren nach Atomenergiegesetz abschliessend geprüft (Erw. 5).

99 IA 262 () from 4. April 1973
Regeste: Persönliche Freiheit; Strafvollzug und Untersuchungshaft. 1. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse (hier: einer kantonalen Verordnung über die Bezirksgefängnisse) (Erw. I). 2. Allgemeine Voraussetzungen für Eingriffe in die persönliche Freiheit (Erw. II). 3. Untersuchungshaft und Strafvollzug als besondere Rechtsverhältnisse; gesetzliche Grundlage der damit verbundenen Freiheitsbeschränkungen (Erw. III). 4. Grundsätzliches über Zweck und Grenzen freiheitsbeschränkender Massnahmen in Untersuchungshaft und Strafvollzug. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes (Erw. IV). 5. Verfassungsrechtliche Prüfung einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisverordnung (Erw. V, Ziff. 1-20): - Mitnahme persönlicher Effekten in die Zelle (Ziff. 1), - Lichterlöschen (Ziff. 2), - Selbstbeschäftigung und Gemeinschaftsarbeit (Ziff. 3 u. 20), - Verdienstanteil (Ziff. 4), - Freizeitarbeit (Ziff. 5), - Selbstverpflegung (Ziff. 6), - Gaben Dritter (Ziff. 7), - Spaziergänge (Ziff. 8), - Bibliotheksbenützung (Ziff. 9), - Zeitungen, Zeitschriften und Lehrbücher (Ziff. 10 u. 18), - Radioempfang (Ziff.11), - Besuche (Ziff. 12), - Korrespondenzen (Ziff. 13), - Disziplinarstrafen (Ziff. 14-16), - Einzelhaft für Untersuchungsgefangene (Ziff. 17), - Einzelhaft zu Beginn des Strafvollzuges (Ziff. 18).

99 IA 305 () from 27. Juni 1973
Regeste: Art. 4 BV; Art. 181 Abs. 2 ZGB; Willkür; behördliche Genehmigung von Eheverträgen, die während der Ehe abgeschlossen werden. Unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV ist nicht zu beanstanden, wenn die Vormundschaftsbehörde im Rahmen ihrer Prüfung auch die Kinderinteressen berücksichtigt (Bestätigung der Rechtsprechung). Die Vormundschaftsbehörde handelt jedoch willkürlich, wenn sie den Kindern der vertragschliessenden Ehegatten vom Inhalt des Ehevertrags Kenntnis gibt. Ebenso verstösst es gegen Art. 4 BV, den Kindern ein Beschwerderecht zur Anfechtung des Genehmigungsbeschlusses einzuräumen.

99 IA 312 () from 3. Juli 1973
Regeste: Erstreckung des Mietverhältnisses. Art. 267 c lit. c OR. Ist Eigenbedarf nach den Umständen ernsthaft begründet, so sind die Interessen des Eigentümers und des Mieters nicht gegeneinander abzuwägen.

99 IA 331 () from 13. Juni 1973
Regeste: Art. 4 BV; Baupolizeirecht. 1. Die Auslegung kantonalen Gesetzes- und Verordnungsrechtes durch die zuständige kantonale Behörde prüft das Bundesgericht auch im Rahmen einer Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (Erw. 1). 2. Befugnisse des schaffhauserischen Regierungsrates als Aufsichtsbehörde in Bausachen (Erw. 2). 3. Die Erstellung von Ferien- und Wochenendhäusern ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes verstösst gegen Art. 20 des eidg. Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971 (Erw. 3).

99 IA 344 () from 20. Juli 1973
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht. Besteuerung des Mietwertes eines vom Eigentümer selbstbenutzten Ferienhauses.

99 IA 389 () from 10. Oktober 1973
Regeste: Taxihalterbewilligung; Voraussetzungen. 1. Die Kompetenz zum Erlass gewerbepolizeilicher Vorschriften über das Taxiwesen steht grundsätzlich den Kantonen zu (Erw. 2). 2. Auch die Führung eines Taxibetriebes ohne besondere Beanspruchung öffentlichen Bodens darf der Bewilligungspflicht unterstellt werden (Erw. 3 a). 3. Zulässigkeit einer gesetzlichen Tarifordnung (Erw. 3 b). 4. Die Vorschrift, wonach der Taxihalter über ausreichende Abstellmöglichkeiten auf privatem Grund verfügen muss, verstösst nicht gegen das Gebot der Rechtsgleichheit (Erw. 3 e).

99 IA 394 () from 10. Oktober 1973
Regeste: Taxihalterbewilligung; Handels- und Gewerbefreiheit bei Benützung öffentlichen Bodens. 1. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse; Beschwerdelegitimation von Verbänden (Erw. 1). 2. Wirkungsbereich des Art. 31 BV bei Benützung öffentlichen Bodens zu gewerblichen Zwecken. Zulässigkeit einer Vorschrift, wonach der Taxihalter im Kanton seinen Geschäftssitz oder eine Zweigniederlassung haben muss (Erw. 2). 3. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, die Bewilligung zur Benützung öffentlicher Standplätze (A-Bewilligung) nur solchen Taxiunternehmen zu erteilen, welche für einen 24-stündigen Bestell- und Fahrdienst während des ganzen Jahres Gewähr bieten (Erw. 3).

99 IA 407 () from 24. Mai 1973
Regeste: Persönliche Freiheit. Anthropologisch-erbbiologisches Gutachten im Vaterschaftsprozess. Das Bundesrecht gesteht dem Vaterschaftsbeklagten grundsätzlich das Recht zu, die Anordnung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens zu verlangen. Es ist jedoch eine Frage des kantonalen Rechts, ob und wie die Erhebung eines solchen Beweises erzwungen werden kann. Stellt die Anordnung, wonach sich eine Partei einer anthropologischerbbiologischen Begutachtung zu unterziehen hat, einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar? Anforderungen an die gesetzlicheGrundlage, auf die eine solche Anordnung gestützt werden könnte, falls die Frage bejaht würde.

99 IA 417 () from 27. November 1973
Regeste: Art. 20 Abs. 1 und Art. 66 OR. 1. Die Überweisung von Geld, das für Bestechungszwecke bestimmt ist, von einer Gesellschaft auf eine andere mit der Weisung, es einem Dritten zur Verfügung zu halten, macht den Auftrag weder rechtswidrig noch unsittlich. 2. Verstösst der Beauftragte gegen die Weisung, so kann er sich nicht auf Art. 66 OR berufen, um der Schadenersatzforderung des Auftraggebers aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung zu entgehen.

99 IA 430 () from 11. Juli 1973
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege im Vaterschaftsprozess. Der Umstand, dass das Kind einen von der Vormundschaftsbehörde bestellten Beistand hat, ist kein Grund, ihm einen Rechtsbeistand im Armenrecht zu verweigern (Präzisierung der Rechtsprechung).

99 IA 437 () from 17. Oktober 1973
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege im Vaterschaftsprozess. Weder der Mutter noch dem Kind kann die unentgeltliche Rechtspflege wegen eines schuldhaften Verhaltens der Mutter (insbesondere wegen selbstverschuldeter Armut) verweigert werden. Wo die Klageeinreichung an eine Frist gebunden ist, kann dies auch nicht mit der Begründung geschehen, die Mutter sei imstande, die notwendigen Mittel für den Prozess selber zu verdienen.

99 IA 444 () from 24. Januar 1973
Regeste: Art. 4 BV. Gemeinderecht; Wahlen in Gemeindekommissionen; Minderheitenschutz. 1. Zulässiger Rechtsbehelf für die Anfechtung kantonal letztinstanzlicher Entscheide über indirekte Kommissionswahlen ist die staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG (Erw. 1); 2. Voraussetzungen für die Beschwerdelegitimation einer politischen Partei (Erw. 2); 3. Gemeindebeschwerde wegen angeblicher Missachtung des im kantonalen und kommunalen Recht vorgesehenen Minderheitenschutzes bei Kommissionswahlen. Umfang der regierungsrätlichen Kognition im Weiterziehungsverfahren (Erw. 3); 4. Dürfen Listenverbindungen, die für die Wahlen ins Gemeindeparlament vereinbart worden sind, auch bei den Kommissionswahlen berücksichtigt werden? Beurteilung eines Falles aus der Gemeinde Zollikofen (Erw. 4).

99 IA 459 () from 17. Oktober 1973
Regeste: Art. 4 BV. Handänderungssteuer; Verkauf von Aktien; wirtschaftliche Betrachtungsweise. Der Verkauf der Gesamtheit oder überwiegenden Mehrheit der Aktien einer Immobiliengesellschaft kann ohne Verletzung von Art. 4 BV in wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Verkauf der der AG gehörenden Grundstücke gleichgestellt und damit der Handänderungssteuer unterworfen werden. Hingegen ist es, jedenfalls aufgrund der luzernischen Gesetzgebung, mit Art. 4 BV nicht vereinbar, auch den Übergang der Mehrheitsbeteiligung an Betriebsgesellschaften in bezug auf die im Eigentum der Gesellschaft befindlichen Grundstücke der Handänderungssteuer zu unterstellen.

99 IA 473 () from 7. März 1973
Regeste: Art. 22ter BV; Enteignung, Verhältnismässigkeit des Eingriffs. Zulässig ist derjenige Eingriff ins Eigentum, der zur zweckmässigen Realisierung des öffentlichen Werkes erforderlich ist. Für die Erstellung eines Schulhauses muss sich das Gemeinwesen nicht mit einer Baurechtsdienstbarkeit begnügen. Es ist das volle Eigentum abzutreten.

99 IA 504 () from 13. Juni 1973
Regeste: Derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb. Best. BV), persönliche Freiheit, Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV); Vorschriften über die Strassenprostitution. 1. Eine Bestimmung, welche die Übertretung von polizeilichen Vorschriften über die Strassenprostitution unter Strafe stellt, verstösst nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, Erw. 2; 2. Verhältnis des Grundrechts der persönlichen Freiheit zu den anderen Freiheitsrechten (hier: Handels- und Gewerbefreiheit), Erw. 3; 3. Die stadtzürcherischen Vorschriften über die Strassenprostitution verstossen bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen die Verfassung, Erw. 4.

99 IA 535 () from 20. Juni 1973
Regeste: Art. 85 lit. a OG, Art. 4 BV; Landratsbeschluss über die Erhöhung der kantonalen Motorfahrzeugabgaben; Gewaltentrennung, Willkür. 1. Im Kanton Basel-Landschaft ist eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Verkehrssteuern vorhanden (Erw. 3). 2. Für die Zulässigkeit einer Gesetzesdelegation an das kantonale Parlament sind nicht die gleichen Kriterien massgebend wie für die Delegation an die Exekutive. § 1 des kantonalen Gesetzes aus dem Jahre 1910, der den Landrat ermächtigt, die Verkehrsabgaben festzusetzen, verstösst nicht gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung (Erw. 4). 3. Die Erhöhung der basellandschaftlichen Verkehrsabgaben um 40% ist angesichts der vom Kanton zu tragenden Kosten für das Strassenwesen vertretbar (Erw. 5).

99 IA 561 () from 19. Dezember 1973
Regeste: Art. 4 BV; Namensänderung (Art. 30 ZGB). Kindern aus geschiedener Ehe, die der Mutter zugeteilt und nach deren Wiederverheiratung in die Familie des Stiefvaters aufgenommen wurden, kann, wenn wichtige Gründe dies im konkreten Fall rechtfertigen, die Annahme des Familiennamens des Stiefvaters gestattet werden; die Zustimmung des leiblichen Vaters, der immerhin angehört werden muss und dessen Interessen ebenfalls zu berücksichtigen sind, ist keine rechtlich notwendige Voraussetzung.

99 IA 571 () from 31. Oktober 1973
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht. Haushaltungsabzug für Alleinstehende; willkürliche Abweichung vom Gesetzeswortlaut.

99 IA 630 () from 24. Oktober 1973
Regeste: Art. 43 Abs. 4 und Art. 60 BV Das baselstädtische Gesetz betr. die kantonale Altershilfe verstösst insoweit gegen Art. 43 Abs. 4 und Art. 60 BV, als es für Nichtkantonsbürger längere Karenzfristen vorsieht als für Kantonsbürger.

99 IA 638 () from 20. Juni 1973
Regeste: Art. 4, 22ter, 31 Abs. 1 BV; Art. 2 Üb. Best. BV; Art. 85 lit. a OG. Verfassungsmässigkeit der basel-landschaftlichen Reichtumsteuer; Anforderungen an die Einheit der Materie bei Gesetzesinitiativen. 1. Frist zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen Erlasse (Erw. 2). 2. Legitimation (Erw. 4). 3. Bei Gesetzesinitiativen sind an die Einheit der Materie weniger hohe Anforderungen zu stellen als bei Verfassungsinitiativen und beim Finanzreferendum (Verdeutlichung der Rechtsprechung). Die Verbindung einer Vorlage zur Einführung der Reichtumsteuer mit einer Revision des Steuergesetzes (hier: teilweise Steuerbefreiung für AHV- und IV-Renten) in einer einzigen formulierten Gesetzesinitiative verstösst nicht gegen das Stimmrecht der Bürger (Erw. 5). 4. Die basel-landschaftliche Reichtumsteuer gehört als Einkommens- und Gewinnsteuer zu den allgemeinen Steuern (Hauptsteuern) und ist deshalb unter dem Gesichtswinkel der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 Abs. 1 BV) nicht zu beanstanden (Erw. 6). 5. Bietet die Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) Schutz vor einer sog. konfiskatorischen Besteuerung? Frage offengelassen, da im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle nicht gesagt werden kann, die basel-landschaftliche Reichtumsteuer wirke konfiskatorisch (Erw. 7). 6. Die basel-landschaftliche Reichtumsteuer verstösst nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Erw. 8). 7. Bedeutung der unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Grundsätze der Allgemeinheit, Gleichmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Überprüfungsbefugnis des Verfassungsrichters im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle (Erw. 9). 8. Mit der Einführung der basel-landschaftlichen Reichtumsteuer auf den 1. Januar 1973 ist keine unzulässige Rückwirkung verbunden (Erw.11).

99 IA 697 () from 7. November 1973
Regeste: Art. 4 BV und Art. 62 KV/SO (Gewaltentrennung). Rechtsnatur der solothurnischen Fleischschaugebühr (Erw. 2). Frage der gesetzlichen Grundlage (Erw. 3; teilweise Änderung der Rechtsprechung).

99 IA 712 () from 19. Dezember 1973
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Zonenplanung. Rechtsschutz des Grundeigentümers bei der Revision von Zonenplänen und Zonenvorschriften. Herabsetzung der Ausnützungsziffer.

99 IB 159 () from 13. Juli 1973
Regeste: Verfahren (OG/VwG). - Prüfung der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit einer Verordnungsvorschrift im bundesgerichtlichen Verfahren (Erw. 1 a). - Zulässigkeit von Feststellungsbegehren bei schutzwürdigem Interesse (Erw. 1 b). Schlachtviehordnung (SVO): Einfuhrkontingentierung für Rindsnierstücke. - Grundsätze der mengenmässigen Beschränkung der Einfuhr (Erw. 3). - Rechtmässigkeit der Umschreibung der Einfuhrberechtigung (Erw. 4 a), der Festsetzung der Gruppenkontingente (Erw. 4 b), der Bestimmung der Kontingentsberechnungsgrundlagen (Erw. 4 c) sowie des Überschussverwertungssystems (Erw. 4 d).

99 IB 185 () from 13. Juli 1973
Regeste: Schlachtviehordnung (SVO): Einfuhrberechtigung für Rindsnierstücke. - Begriff des Grossisten und des Lieferers in Grossverteilermengen nach Art. 12 lit. c SVO (Erw. 1). - Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der durch Art. 12 SVO getroffenen Ordnung (Erw. 2).

99 IB 321 () from 2. Februar 1973
Regeste: Bodenverbesserungen; Art. 703 ZGB. 1. st a) Art. 703 Abs. 1 ZGB ist eine öffentlichrechtliche Vorschrift des Bundes. Ihre Auslegung und Anwendung ist Gegenstand der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1 a). b) Rügen im Zusammenhang mit der Durchführung einer Bodenverbesserung sind mit der staatsrechtlichen Beschwerde geltend zu machen (Erw. 1 b, c). 2. Begriff der Bodenverbesserung i.S. von Art. 703 Abs. 1 ZGB. - Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts; Bedeutung des Entscheids des Bundesrates über die Gewährung von Bundesbeiträgen (Erw. 5). - Wasserversorgungen sind Bodenverbesserungswerke (Erw. 6). - Begriff und Umfang des landwirtschaftlichen Interesses (Erw. 7). 3. Erfordernis des öffentlichen Interesses (Erw. 8). 4. Rügen im Zusammenhang mit der Gründungsversammlung werden nach den für die Stimmrechtsbeschwerde geltenden Grundsätzen beurteilt (Erw. 2). - Verwirkung des Rechts auf Beanstandung des Verfahrens. - Anforderungen an die Einladung zur Gründungsversammlung.

99 IB 351 () from 9. November 1973
Regeste: Art. 43 StGB; Massnahmen an geistig Abnormen. 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen einen Entscheid des Staatsrates des Kantons Freiburg, der eine Verfügung des Strafvollzuges sein will (Erw. 1). 2. Der Vollzug einer Verwahrung gemäss Art. 43 StGB muss sich auf eine gültige richterliche Anordnung dieser Massnahme stützen (Erw. 3). 3. Anspruch auf rechtliches Gehör beim Vollzug einer Massnahme, deren Anordnung längere Zeit zurückliegt (Erw. 4).

99 IB 392 () from 21. Dezember 1973
Regeste: Verfahren: Art. 97 ff. OG. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen auf kantonales Verfahrensrecht sich stützenden Nichteintretensentscheid (Erw. 1). Entfernung widerrechtlich angepflanzter Reben: Art. 1 und 7 BB über vorübergehende Massnahmen zugunsten des Rebbaues: Auslegung der Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB (Erw. 2a). Die Pflicht, widerrechtlich angepflanzte Reben auszureuten (Art. 7 BB), trifft den Eigentümer der Parzelle schlechthin und kann nicht auf dem Wege der Veräusserung oder der Verpachtung des Grundstückes beseitigt werden (Erw. 2b).

99 IB 472 () from 29. Juni 1973
Regeste: Steueramnestie gemäss BG vom 15. März 1968. Der Einwand des Steuerpflichtigen, die Erfassung eines von ihm im Geschäftsjahr 1968 verbuchten Mehrwerts bei der ordentlichen Veranlagung für die kantonalen Einkommenssteuern 1969/70 laufe auf eine Nachforderung früher hinterzogener Steuern und damit auf eine Umgehung der Amnestie hinaus, ist vom Bundesgericht im direkten verwaltungsrechtlichen Prozess zu beurteilen (entgegen BGE 71 I 178/179). Inwieweit kann das Gericht dabei die Anwendung des kantonalen Steuerrechts überprüfen?

99 III 18 () from 10. August 1973
Regeste: Arrestierung von Dividendencoupons. 1. Die Forderung auf Auszahlung von Dividenden aus Namenaktien kann nur mit den entsprechenden Coupons, in denen sie verbrieft ist, arrestiert werden (Erw. 3). 2. Dividendencoupons können nur am Orte ihrer Lage arrestiert werden. Befinden sie sich nicht an dem im Arrestbefehl angegebenen Ort, so fällt der Arrest ins Leere (Erw. 4). 3. Art. 4 BV schreibt den kantonalen Aufsichtsbehörden nicht vor, dem Beschwerdeführer die Vernehmlassung des Betreibungsamtes zur Einsichtnahme zuzustellen, wenn die angefochtene Verfügung bestätigt wird (Erw. 6).

100 IA 1 () from 23. Januar 1974
Regeste: Art. 87 OG, Letztinstanzlicher Endentscheid. Der Entscheid des Grossen Rats über die Aufhebung der parlamentarischen Immunität ist ein letztinstanzlicher Endentscheid (Erw. 1). Bedingte parlamentarische Immunität. Die Ermächtigung zur Strafverfolgung ist Prozessvoraussetzung (Erw. 2). In ihrer Erteilung liegt keine (unzulässige) Rückwirkung (Erw. 3).

100 IA 28 () from 3. April 1974
Regeste: Art. 4 BV; Kostenvorschuss. 1. Die Motive der staatsrechtlichen Urteile als verbindliche Weisungen an den kantonalen Richter (Erw. 2). 2. Die Prüfung eines Ausstands- oder Ablehnungsbegehrens darf der Richter nicht von einer Sicherstellung der diesbezüglichen Kosten abhängig machen (Erw. 3).

100 IA 41 () from 13. März 1974
Regeste: Art. 4 BV; Verordnung über die Schiffahrt auf dem Sempachersee. 1. Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1a). 2. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse (E. 1b). 3. Das Verbot, Kajütboote mit über 5,5 m Länge oder Wasserfahrzeuge mit Wohn- und Schlafeinrichtungen auf dem Sempachersee in Verkehr zu bringen oder zu stationieren, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 2 und 3).

100 IA 89 () from 27. März 1974
Regeste: Art. 4 BV; Gemeindeautonomie; Art. 48 KV Zürich. Gemeindereglemente sind als ungebührliche Verletzung der Rücksichten der Billigkeit aufzuheben, wenn die getroffene Ordnung Art. 4 BV und den daraus abgeleiteten Prinzipien nicht entspricht. Netzausbau eines kommunalen Elektrizitätswerkes: Eine sachlich nicht begründete Beschränkung der Beitragspflicht der Benützer auf grosse Bauvorhaben verstösst gegen Art. 4 BV (Erw. 4 und 6).

100 IA 119 () from 23. Januar 1974
Regeste: Forderung aus Dienstvertrag. Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess. Einseitige Berücksichtigung eines Briefwechsels und Ausserachtlassung weiterer Korrespondenz in der gleichen Sache. Staatsrechtliche Beschwerde. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 1). Mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils erübrigt sich die auf Willkür beschränkte Prüfung der gegen das letztinstanzliche kantonale Urteil gerichteten Rügen (Erw. 6). Sieht das kantonale Recht für die in Anwendung von Art. 343 Abs. 4 OR ergangenen Urteile ein Rechtsmittel vor, so braucht dieses kein ordentliches zu sein (Erw. 6). Die Kostenbefreiung gemäss Art. 343 Abs. 3 OR schliesst die Auferlegung einer Parteientschädigung nicht aus (Erw. 7).

100 IA 180 () from 13. Februar 1974
Regeste: Art. 4 BV und persönliche Freiheit. Gesuch um Ernennung eines Offizialverteidigers. Aktuelles Interesse an der Beschwerdeführung nach der Hauptverhandlung (Erw. 1). Neben dem auf Art. 4 BV abgestützten Verteidigungsanspruch gi bt es keinen direkt aus der persönlichen Freiheit ableitbaren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Beigabe eines Offizialverteidigers (Erw. 4 a). Die Untersuchungshaft an sich vermag kein gemäss Art. 4 BV zu schützendes Bedürfnis nach Beigabe eines Offizialverteidigers zu verschaffen. § 10 Abs. 3 lit. c der Basler StPO, welcher auch beilänger dauernder Haft die Beigabe vom konkreten Schutzbedürfnis abhängig macht, verstösst nicht gegen das von der Verfassung geforderte Mindestmass an Rechtsschutz (Erw. 4 b).

100 IA 223 () from 5. Juni 1974
Regeste: Kommunaler Gestaltungsplan, der eine Landumlegung vorsieht; Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie? 1. Erfordernis des öffentlichen Interesses, Grundsatz der Verhältnismässigkeit und des wertgleichen Realersatzes (E. 3a). 2. Voraussetzungen und zulässiger Umfang von Landabzügen für Verkehrs- und andere öffentliche Anlagen (E. 3b, c).

100 IA 255 () from 13. Februar 1974
Regeste: Kirchensteuer; Art. 49 Abs. 6 BV. Besteuerung konfessionell gemischter Familien. 1. Die Haushaltbesteuerung ist zulässig, sofern nur ein der Kirchenzugehörigkeit der einzelnen Familienglieder entsprechender Bruchteil der vollen Steuer erhoben wird. (Bestätigung der Rechtsprechung.) 2. Die Haftung des konfessionsfremden Ehemannes für die Kirchensteuer seiner Ehefrau ergibt sich schon aus der familienrechtlichen Unterhaltspflicht. (Bestätigung der Rechtsprechung.)

100 IA 263 () from 3. Juli 1974
Regeste: Art. 67 und 90 KV Schaffhausen, Art. 4 BV; Aufsicht über das Finanzgebaren der Gemeinden. 1. Legitimation (Erw. 1). 2. Keine Verletzung der politischen Rechte der Gemeindebürger durch die regierungsrätliche Festsetzung eines dem Willen der Mehrheit der Stimmberechtigten nicht entsprechenden Steuerfusses; Voraussetzung einer solchen Massnahme (Erw. 3 b und c). 3. Ein ungeschriebenes Verfassungsrecht, das die demokratische Grundordnung garantieren soll, besteht weder im Bund noch im Kanton Schaffhausen (Erw. 4b).

100 IA 272 () from 22. Februar 1974
Regeste: Gemeindeautonomie auf dem Gebiete des Gewässerschutzes: Die Gesetzgebung des Bundes lässt nicht Raum für eine Autonomie der Gemeinden bei der Anwendung des in Art. 28 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung des Bundesrates verwendeten Begriffes des "engeren Baugebietes".

100 IA 287 () from 18. September 1974
Regeste: Gemeindeautonomie; Zulassung zu einem Kleinhallenbad. Umfang der Autonomie der Gemeinde, wo sie aus eigener Initiative Einrichtungen erstellt und betreibt. Dürfen die kantonalen Behörden einen Gemeindeerlass lediglich auf seine Rechtmässigkeit überprüfen, so ist die Gemeindeautonomie verletzt, wenn sie zu Unrecht eine Rechtsverletzung annehmen (Erw. 2). Die Benützung einer Anstalt setzt regelmässig eine Zulassung voraus (Erw. 3 a). Der sachlich begründete, einer vernünftigen Begrenzung des Benützerkreises dienende Ausschluss Auswärtiger von der Benützung kommunaler Anstalten, die nach ihrer Aufnahmekapazität auf die Bedürfnisse der Einwohnerschaft zugeschnitten sind, ist nicht verfassungswidrig (Erw. 3 b).

100 IA 312 () from 11. Dezember 1974
Regeste: Beamtenrecht; Abgabe eines Anteils der Einnahmen aus privater Erwerbstätigkeit an den Staat Die Abgabe eines Anteils der Einnahmen aus der privatärztlichen Tätigkeit der Chefärzte des Kantonsspitals Zürich stellt eine Sonderleistung im Rahmen des Dienstverhältnisses dar (E. 3 und 4). In bezug auf die Ausübung der privatärztlichen Tätigkeit können sich die Chefärzte nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 4). Frage der wohlerworbenen Rechte an den Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit (E. 5). Willkürliche Erhöhung der Abgabe? (E. 6). Das Arztgeheimnis wird nicht verletzt, wenn für die Behandlung ambulanter Privatpatienten über die Spitalverwaltung Rechnung gestellt wird (E. 7).

100 IA 322 () from 11. Dezember 1974
Regeste: Beamtenrecht; Gewaltentrennung, Rechtsgleichheit. Überschreitung der Verordnungsbefugnis durch den Landrat? (E. 3) Kein Anspruch auf absolute Rechtsgleichheit (E.4b). Teuerungsanpassung durch monatliche Ausgleichung verbunden mit jährlich einmaliger Nachzahlung; der Anspruch auf Nachzahlung kann jedenfalls davon abhängig gemacht werden, dass der Beamte am Ende des für die Berechnung derselben massgeblichen Zeitabschnitts noch im Dienst steht (E. 4d). Die Treueprämie weist die gleichen Merkmale auf wie die Gratifikation, weshalb sie an die Voraussetzung geknüpft werden kann, dass der Beamte am Jahresende noch im Staatsdienst steht (E. 5).

100 IA 348 () from 18. Dezember 1974
Regeste: Art. 4 und 22ter BV. Abbruch einer widerrechtlich erstellten Baute; staatliche Ersatzvornahme; Deckung der Kosten. 1. Legitimation (Erw. 1b). 2. Zuständigkeit zur Anordnung der Ersatzvornahme (Erw. 2). 3. Zu den Abbrucharbeiten gehört auch die Herstellung eines ordnungsgemässen Terramzustandes (Erw. 3). 4. Sicherstellung der Kosten der Ersatzvornahme. Umfang von gesetzlichen Grundpfandrechten. Unzulässige Geltendmachung eines staatlichen Pfandrechtes am Abbruchmaterial (Erw. 4).

100 IA 357 () from 30. Oktober 1974
Regeste: Art. 4 und 31 BV; Disziplinarrecht des Anwaltes. Disziplinarmassnahmen haben dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu entsprechen; Missachtung dieses Grundsatzes, wenn gegenüber einem Anwalt, der wegen Urkundenfälschung zu vier Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt wurde, allein auf Grund dieses Strafurteils die schwerste Disziplinarmassnahme der dauernden Einstellung in der Berufsausübung angeordnet wird (E. 3 u. 4).

100 IA 386 () from 11. Dezember 1974
Regeste: Art. 85 lit. a OG, Art. 4 BV; Ungültigerklärung einer kantonalen Volksinitiative wegen Verletzung einer Formvorschrift. 1. Ein gesetzliches Formerfordernis, wonach auf jedem Unterschriftenbogen die Namen und Wohnadressen der Mitglieder des Initiativkomitees anzugeben sind, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 2 a, b). 2. Verletzt eine Behörde den Art. 4 BV, wenn sie eine diesem Formerfordernis nicht entsprechende Initiative für ungültig erklärt, nachdem sie den gleichen Formmangel gegenüber den gleichen Initianten bei einem früheren Volksbegehren irrtümlich nicht beanstandet hat? (E. 2 c).

100 IA 418 () from 30. Oktober 1974
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. b OG 1. Ein Konkordat kommt gegenüber dem Kantonseinwohner nicht als internes kantonales Recht, sondern als Konkordatsrecht zur Anwendung, weshalb auch dieser Bürger sich wegen Verletzung von Konkordaten beschweren kann (Präzisierung der Rechtsprechung) (Erw. 2 b). 2. Die Anwendung von Konkordaten, die allgemein verbindliches Recht enthalten, überprüft das Bundesgericht frei (Erw. 3). 3. Vorrang des Konkordatsrechtes über das kantonale Recht, das nicht auf Verfassungsstufe steht (Erw. 4). 4. Auslegung von Konkordatsrecht (Präzisierung der Rechtsprechung) (Erw. 5 a.). Art. 21 und 22 des Konkordates über das Interkantonale Technikum Rapperswil. Diese Konkordatsbestimmungen verbieten es dem Kanton Schwyz nicht, von den in seinem Gebiet wohnhaften, das Technikum Rapperswil besuchenden Schülern einen Beitrag an diejenigen Leistungen zu verlangen, die er jährlich für den Technikumsbetrieb zu erbringen hat (Erw. 5 b).

100 IA 427 () from 18. September 1974
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Gemeindeautonomie. Der Private kann die Rüge der Autonomieverletzung nicht als selbständigen Beschwerdegrund vorbringen, sondern nur zur Unterstützung anderweitiger Verfassungsrügen, zu denen er legitimiert ist. Voraussetzungen, unter denen eine Autonomieverletzung mittels Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG gerügt werden kann.

100 IA 462 () from 30. Oktober 1974
Regeste: Art. 116 Abs. 1 und 2 BV. 1. Sprachenfreiheit als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung; kantonale Kompetenz zur Ordnung der Unterrichtssprache in den öffentlichen Schulen; Territorialitätsprinzip (Erw. 2 a und b). 2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes (Erw. 3 a); keine willkürliche Auslegung des kantonalen Rechtes durch die Kantonsbehörden (Erw. 3 c). 3. Fehlende Verletzung der Sprachenfreiheit (Erw. 4).

100 IB 1 () from 5. April 1974
Regeste: Initiativengesetz. - Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Feststellungsentscheid der Schweiz. Bundeskanzlei, dass eine Volksinitiative nicht zustande gekommen ist (Erw. 1). - Rechtliches Gehör: Bei einer Ungültigkeitserklärung hat die Schweiz. Bundeskanzlei den Initianten Gelegenheit zu geben, sich vorgängig der Verfügung zu den angeblichen Ungültigkeitsgründen zu äussern (Erw. 2). - Inhalt und Zweck von Art. 4 Abs. 2 Initiativengesetz: Diese Bestimmung setzt nicht voraus, dass sich die Initianten bereits zu Beginn der Unterschriftensammlung schlüssig werden, ob sie den Initiativtext in einer oder in mehreren Amtssprachen zur Unterschrift auflegen wollen; sie bezweckt, dass die unterzeichnenden Bürger erkennen können, welches der massgebliche Text der Initiative ist, und soll den Eidg. Räten Klarheit und Sicherheit darüber geben, welche Fassung einer in mehreren Sprachen unterbreiteten Initiative die massgebende ist (Erw. 3).

100 IB 208 () from 5. Juli 1974
Regeste: Gewässerschutz; Art. 18 und 19 GSchG. Bauten sind innerhalb des Kanalisationsperimeters nur zu bewilligen, soweit das Bauvorhaben den Berechnungsgrundlagen der Kanalisation entspricht und die erforderliche Leitung besteht oder in absehbare Zeit gebaut wird.

100 II 8 () from 14. Februar 1974
Regeste: Schatzfund (Art. 723 ZGB); gutgläubiger Eigentumserwerb (Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB). - Begriff des Schatzes (Erw. 2a), der Fahrnisbaute (Erw. 2b), der anvertrauten Sache im Sinne von Art. 933 ZGB (Erw. 3). - Anforderungen an die Aufmerksamkeit einer Bank beim Kauf von alten Goldmünzen (Erw. 4).

100 IV 98 () from 19. April 1974
Regeste: 1. Voraussetzungen, unter denen die gemäss Art. 35 Abs. 3 SSV durch Signal Nr. 321 (Parkplatz mit Parkuhr) angezeigte Beschränkung der Parkzeit vor Art. 37 Abs. 2 BV standhält (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2). 2. Der Strafrichter ist unter gewissen Voraussetzungen zur Ü berprüfung der Rechtsbeständigkeit - unter Ausschluss der Angemessenheit - einer Verwaltungsverfügung (hier: Parksignalisation) befugt (Erw. 3).

100 V 126 () from 18. Juli 1974
Regeste: Art 45 VwG. Eine Zwischenverfügung, wonach die Akteneinsicht nicht dem Versicherten selber, sondern für ihn nur seinem Vertreter gewährt wird, ist nicht selbständig anfechtbar.

101 IA 1 () from 29. Januar 1975
Regeste: Art. 4 BV. Grundstückgewinnsteuer. Wieweit ist das Honorar des Generalunternehmers bei der Ermittlung der Grundstückgewinnsteuer als wertvermehrende Aufwendung anzurechnen? Auf die Besteuerung eines künstlichen, fiktiven Gewinnes darf die Praxis der Steuerbehörden nicht hinauslaufen (E. 3). Der Steuerpflichtige kann grundsätzlich auch ohne strikten Nachweis beanspruchen, dass zumindest ein wesentlicher Teil des üblichen Generalunternehmerhonorars als wertvermehrende Aufwendung angerechnet wird (E. 4).

101 IA 17 () from 13. Februar 1975
Regeste: Art. 4 BV; Akteneinsicht im Strafverfahren. Eine kantonale Bestimmung, wonach dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger volle Akteneinsicht erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens gewährt wird, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 3).

101 IA 19 () from 26. Februar 1975
Regeste: Verjährung öffentlichrechtlicher Geldforderungen. Sind öffentlichrechtliche Geldforderungen stets als verjährbar anzusehen? (Frage offengelassen, E. 4a). Im Tessiner Steuersystem kann die Verjährung der Steuerschuld auch während des Veranlagungsverfahrens eintreten (E. 4b).

101 IA 26 () from 26. Februar 1975
Regeste: Veranlagung einer Immobiliengesellschaft: Art und Weise der Berücksichtigung der Passivzinsen eines Baukredites. Aktivierung der Zinsen eines Baukredites auf dem Liegenschaftskonto. Falls eine solche Aktivierung als zulässig betrachtet wird, darf der entsprechende Betrag nicht in der ihm wesensfremden Erfolgsrechnung aufgeführt werden. Unterschied zwischen der Aktivierung solcher Zinsen und der Aufwertung der Liegenschaften (E. 4). Die Zahlung eines Zinses an einen Aktionär für einen von ihm gewährten Baukredit kann der Ausschüttung einer Dividende nur in dem Masse gleichgestellt werden, als der Baukredit der Gesellschaft von einem Dritten - Nichtaktionär - unter üblichen Bedingungen nicht gewährt worden wäre (E. 5).

101 IA 34 () from 12. März 1975
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. Ob der Prozess genügende Erfolgsaussichten hat, beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einreichung des Armenrechtsgesuches. Fallen die Voraussetzungen für das erteilte Armenrecht nachträglich dahin, kann es für die künftige Prozessführung entzogen werden. Es ist unzulässig, den Entscheid über das Armenrechtsgesuch für einen zunächst nicht aussichtslos erscheinenden Prozess bis zu den gerichtlichen Beweiserhebungen hinauszuschieben und bei nachträglich zu Tage tretender Aussichtslosigkeit das Armenrecht für das gesamte Verfahren zu verweigern (Erw. 2).

101 IA 67 () from 19. März 1975
Regeste: Europäische Menschenrechtskonvention; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Das Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges gilt auch für alle Fälle, wo die Verletzung von solchen Rechten der Konvention gerügt wird, die den verfassungsmässigen Rechten der Bürger im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG entsprechen (E. 2).

101 IA 73 () from 28. Mai 1975
Regeste: Art. 4 BV; Fahr- und Reitverbot entlang der Töss. Rechtsnatur der örtlichen Verkehrsanordnungen.

101 IA 82 () from 4. Juni 1975
Regeste: Rückwirkungsverbot; Art. 4 BV, Art. 5 Nidwald. KV Anwendung eines Steuergesetzes, wonach Schenkungen, die fünf Jahre vor dem Tod des Schenkers erfolgten, besteuert werden, auf Schenkungen, die zur Zeit der alten Steuernorm, welche nur eine Zweijahresfrist vorsah, vollzogen waren: unzulässige Rückwirkung, wenn der Schenker erst nach der nach Ablauf der Zweijahresfrist erfolgten Inkraftsetzung der neuen Steuerbestimmung stirbt; massgeblicher Beziehungspunkt ist die Schenkung, nicht der Tod des Schenkers.

101 IA 88 () from 6. Juni 1975
Regeste: 1. Keine Verletzung des aus Art. 4 BV fliessenden Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn ein Angeklagter in seinem mündlichen Vortrag vor Gericht deshalb unterbrochen oder zeitlich beschränkt wird, weil seine Ausführungen unnötig weitschweifig sind oder nicht zur Sache gehören (Erw. 2). 2. Ob der Beizug eines amtlichen Verteidigers erforderlich ist, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei die Schwierigkeiten, die die Strafsache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bietet, an den Fähigkeiten, den prozessualen Erfahrungen des Angeklagten und den gerichtlichen Vorkehren zu messen sind (Erw. 3e).

101 IA 92 () from 25. Juni 1975
Regeste: Art. 4 BV, Treu und Glauben; Steuerveranlagung, Kapitalgewinnsteuer. Auslegung von Art. 37 Abs. 3 des solothurnischen Steuergesetzes; Behandlung von Obligationen wie Beteiligungsrechte aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (E. 1). Qualifizierung eines Schreibens einer kantonalen Behörde als Steuerabkommen oder lediglich als Auskunft über die für einen bestimmten Sachverhalt massgebliche Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung (E. 2). Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördlich erteilten, nicht ungesetzlichen Bescheid; Voraussetzungen (E. 3).

101 IA 102 () from 25. Juni 1975
Regeste: Art. 4 BV Willkür, Rechtsverweigerung. Bundesrechtlicher Anspruch auf Beweisabnahme im Zivilprozess. Beweis muss im kantonalen Verfahren nach den massgeblichen Prozessvorschriften formrichtig und rechtzeitig angeboten worden sein (E. 3). Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtabnahme einer Expertise, welche als taugliches Beweismittel erscheint (E. 4).

101 IA 116 () from 9. Juli 1975
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht, Treu und Glauben. 1. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag in der Regel nur eine individuell-konkrete Zusicherung der Verwaltung an den Bürger eine Abweichung vom Gesetz zu rechtfertigen. Wer sich auf eine dem Steuergesetz widersprechende Vollziehungsvorschrift der Verwaltung verlassen und entsprechende Dispositionen getroffen hat, besitzt daher keinen Anspruch, abweichend vom Gesetz besteuert zu werden (E. 2a). 2. Ausnahmsweise kann aber auch in Fällen dieser Art der Vertrauensschutz dem Legalitätsprinzip vorgehen, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind (E. 2b).

101 IA 148 () from 21. Mai 1975
Regeste: Meinungsäusserungsfreiheit; Untersuchungshaft, Briefkontrolle. 1. Begriff der "Meinung", deren freie Äusserung durch das ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes gewährleistet ist (E. 2). 2. Das in Art. 53 Abs. 3 der zürcherischen Verordnung über die Bezirksgefängnisse enthaltene Verbot der Weiterleitung von Briefen mit "ungebührlichem Inhalt" verstösst an sich nicht gegen die Verfassung (E. 3; Bestätigung von BGE 99 Ia 288/9). 3. Die auf Grund dieser Bestimmung vorgenommene Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit ist nur dann verhältnismässig, wenn der Begriff "ungebührlich" in einem bestimmten, engen Sinne ausgelegt wird (E. 4). 4. Zurückhaltende Anwendung des Art. 53 Abs. 3 VO geboten, wenn der Brief an die Ehefrau gerichtet ist (E. 4 u. 5).

101 IA 161 () from 12. Mai 1975
Regeste: Art. 87 OG. Nicht wiedergutzumachender Nachteil als Folge eines Zwischenentscheides im Strafverfahren. Ein Zwischenentscheid, mit dem ein Gesuch des Angeschuldigten um Durchführung einer formellen oder einer zusätzlichen Untersuchung abgewiesen wird, hat in der Regel keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil i.S. von Art. 87 OG zur Folge (Bestätigung der Rechtsprechung).

101 IA 169 () from 7. Mai 1975
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör im Strafprozess. Verweigerung des rechtlichen Gehörs dadurch, dass dem Angeklagten nicht ermöglicht wird, den Entlastungsbeweis zu führen.

101 IA 172 () from 17. Juni 1975
Regeste: Art. 4 BV und Meinungsäusserungsfreiheit; Entzug der Wahlfähigkeit eines Lehrers. 1. Verhältnis von strafrechtlicher Verurteilung und besonderer Verwaltungsmassnahme (E. 2). 2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei disziplinarischen Massnahmen gegenüber kantonalen Beamten (E. 3). 3. Eine strafrechtliche Verurteilung kann die Funktion einer verwaltungsinternen Verwarnung erfüllen (E. 4). 4. Verhältnismässigkeit der disziplinarischen Massnahme (E. 5). 5. Strafrechtliche Schranken der Meinungsäusserungsfreiheit (E. 6).

101 IA 182 () from 17. Juni 1975
Regeste: Art. 4 BV; Freiburger Gesetz vom 25. September 1974 über die Besteuerung der Schiffe. Rechtliche Natur der Schiffssteuer (E. 1). Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes, der die Steuer für ausserhalb des Kantons ansässige Schiffshalter auf das Doppelte erhöht, verstösst gegen den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung (E. 2). Eingeschränkte Befugnis des Verfassungsrichters zur Überprüfung des Steuertarifs an sich (E. 3).

101 IA 188 () from 17. September 1975
Regeste: Art. 4 BV; Strassenzufahrtsbeschränkungen. Bewilligung der Einfahrt von einer Hauptstrasse und Verbot der entsprechenden Ausfahrt: gesetzliche Grundlage (E. 2a); Angemessenheit (E. 2b); rechtsungleiche Behandlung (E. 3); Widerrufsvorbehalt (E. 4); Reversanmerkung im Grundbuch (E. 5); Begründungspflicht (E. 6a); Kostenauflage für die Zufahrtserstellung (E. 6b).

101 IA 193 () from 17. September 1975
Regeste: Art. 4 BV; Kanalisationsanschlussgebühr; rechtsungleiche Behandlung. 1. Rechtsnatur der Anschlussgebühr (E. 2 und 3). 2. Zulässigkeit der unterschiedlichen Belastung mit Abgaben je nach dem Wohnsitz des Pflichtigen (E. 4); Kriterien: Steueraufkommen (E. 5a) und Erhöhung der Baukosten (E. 5b). 3. Voraussetzung eines Eingreifens des Bundesgerichts bei rechtsungleicher Behandlung (E. 6).

101 IA 205 () from 1. Oktober 1975
Regeste: Art. 4 BV, Rechtsungleichheit und Willkür, Baubewilligung. Willkürliche Auslegung des Betriebsbegriffs im kantonalen Baugesetz.

101 IA 231 () from 9. Juli 1975
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Art. 4 BV. Ungültigerklärung einer kantonalen Volksinitiative wegen inhaltlicher Unvereinbarkeit mit dem Bundesrecht. Rückwirkung von Gesetzen. 1. Kognition des Bundesgerichtes (E. 1). 2. Inwieweit ist der mit der zürcherischen Volksinitiative "Rettet Regensberg" vorgeschlagene Gesetzesentwurf, der durch ein rückwirkendes Bauverbot die Beseitigung bestehender Bauten vorsieht, bundesrechtlich zulässig? Schranke der Rechtsgleichheit (E. 3).

101 IA 298 () from 17. September 1975
Regeste: Art. 4 BV; Disziplinarrecht des Beamten. 1. Voraussetzung der Beschwerdeergänzung (E. 2). 2. Verfolgungsverjährung von Disziplinarfehlern (E. 3). 3. Rechtliches Gehör: Zustellung der Vernehmlassung der Gegenpartei und Anzeige des Akteneingangs (E. 4a); Begründungspflicht (E. 4c). 4. Willkürliche Beweiswürdigung: widersprechende Aussagen (E. 5a); Verhältnis von Straf- und Disziplinarverfahren (E. 5b). 5. Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Disziplinarmassnahmen; Kriterium der besonderen Anforderungen an das bekleidete Amt (E. 6).

101 IA 309 () from 24. September 1975
Regeste: Art. 4 BV. Rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren. 1. Wird in einem Bewilligungsverfahren das Gutachten einer verwaltungsexternen Expertenkommission eingeholt, so ist dieses dem betroffenen Gesuchsteller zur Stellungnahme zu unterbreiten (E. 1b). 2. Der Äusserungsberechtigte hat Anspruch auf unmittelbare Einsicht in das Gutachten; eine bloss indirekte Kenntnisnahme durch mündliche Auskunft genügt nicht (E. 2a). 3. Voraussetzungen, unter denen ein Verzicht auf Ausübung des Gehörsanspruches angenommen werden darf (E. 2b und c).

101 IA 314 () from 24. September 1975
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; nachträgliche Baubewilligung. Für Bauten, die aufgrund einer besonderen bundesrechtlichen Ermächtigung (Art. 164 Abs. 3 MO) ohne Baubewilligung errichtet worden sind, kann nach Wegfall der ursprünglichen Zwecksetzung ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden.

101 IA 317 () from 1. Oktober 1975
Regeste: Art. 4 BV, Willkür, Treu und Glauben im öffentlichen Recht; Baubewilligung, Fristenlauf bei privatrechtlichen Einsprachen. Auslegung: Sinn einer Bestimmung im Zusammenhang mit anderen Vorschriften massgeblich (E. 2). Vertrauen in behördliche Rechtsauskunft (E. 3).

101 IA 332 () from 26. November 1975
Regeste: Art. 4 BV, rechtliches Gehör. Wer in einer Eingabe an ein Gericht verschiedene Adressen angibt, hat nicht Anspruch darauf, dass die Zustellung der Gerichtsurkunden an alle aufgeführten Adressen erfolgen muss, sondern nur, dass sie an eine derselben vorzunehmen ist.

101 IA 392 () from 5. November 1975
Regeste: Gemeindeautonomie, Art. 4 und 49 BV; Friedhofreglement. 1. Befugnis der Gemeindeexekutive zur Beschwerdeführung (E. 1). 2. Zu Unrecht verweigerte Genehmigung des autonomen Gemeinderechts? Kognition des Bundesgerichts (E. 2a). 3. Die Regelung, dass auf einem Friedhof als Grabmäler nur Kreuze zulässig sind, verletzt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Eine solche Regelung hält vor diesem Grundrecht auch dann nicht stand, wenn durch eine Ausnahmebewilligung die Verwendung eines anderen Grabzeichens gestattet werden kann (E. 3b). 4. Verbot von Grabmälern aus Stein; Vereinbarkeit mit Art. 4 BV (E. 4).

101 IA 443 () from 19. November 1975
Regeste: Beamtenrecht; Änderung der Ausrichtung von Teuerungszulagen Schutz der Besoldungsansprüche der Beamten gegenüber Massnahmen des Gesetzgebers (E. 2a und b) (Bestätigung der Rechtsprechung). Bedeutung der Eigentumsgarantie (E. 2c). Begründung wohlerworbener Rechte durch gesetzliche oder individuelle Zusicherungen (E. 3). Schutz durch Grundsätze aus Art. 4 BV (E. 4).

101 IA 463 () from 17. Dezember 1975
Regeste: Art. 4 BV; Gesamtarbeitsvertrag, Verweigerung einer Lohnerhöhung. Es ist willkürlich, allein aus dem Umstand, dass ein Gastarbeiter im Dezember in seine Heimat zurückfährt und seine Arbeit beim gleichen Arbeitgeber im Januar oder anfangs Februar wieder aufnimmt, zu schliessen, es sei ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden. Unhaltbare Auslegung einer gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmung.

101 IA 484 () from 5. November 1975
Regeste: Art. 31 BV. Kantonale Ladenschlussvorschriften; Wahl des wöchentlichen Schliessungshalbtages. Die Ladenschlussordnung der Stadt Olten, welche sämtliche Verkaufsgeschäfte am Montagnachmittag zur Schliessung verpflichtet, verstösst gegen Art. 31 BV. Den Ladeninhabern ist bei der Festsetzung des wöchentlichen Schliessungshalbtages eine gewisse Wahlmöglichkeit einzuräumen (im konkreten Fall jedenfalls zwischen Montagvormittag und Montagnachmittag).

101 IA 542 () from 17. Dezember 1975
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Genehmigung eines kommunalen Gestaltungsplanes.

101 IB 143 () from 27. Juni 1975
Regeste: Ausverkaufsordnung (AO): Unterstellung eines Sonderverkaufes unter die Bewilligungspflicht Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von Art. 3 und Art. 9 AO; Anwendbarkeit auf Sonderverkäufe der Bekleidungsindustrie; Abgrenzung gegenüber den sog. Wanderlagern.

101 IB 270 () from 28. November 1975
Regeste: Entzug des Führerausweises wegen Verletzung von Verkehrsregeln. 1. Verhältnis zwischen strafrechtlicher Sanktion einer Verkehrsregelverletzung und Führerausweisentzug (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 1). 2. Unter welchen Voraussetzungen berechtigen zusätzliche Beweismassnahmen die Verwaltungsbehörden, vom Erkenntnis des Strafrichters abzuweichen? (Erw. 2).

101 IB 351 () from 16. Oktober 1975
Regeste: Art. 35 VwG, Art. 103 lit. b OG: In Strafvollzugssachen ist das eidg. Justiz- und Polizeidepartement berechtigt, wegen ungenügender Begründung des kantonalen Entscheides beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen.

101 IB 361 () from 25. November 1975
Regeste: Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Handelsregister. Art. 103 lit. a OG. Legitimation zur Beschwerde der Gründer einer noch nicht eingetragenen Aktiengesellschaft (Erw. 1). Art. 944 Abs. 1 OR, 44 Abs. 1 HRegV. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Sachbegriffe ohne Kennzeichnungskraft dürfen nicht als alleiniger Inhalt einer Firma anerkannt werden. Unzulässigkeit der Firma "Inkasso AG" (Erw. 5). Voraussetzungen, unter denen eine Verwaltungsbehörde ihre Praxis ändern darf (Erw. 6).

101 IV 129 () from 17. April 1975
Regeste: Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB. Es ist ein Verstoss gegen Art. 4 BV gegeben, wenn das Gericht in Fragen, deren Beantwortung besondere Fachkenntnisse voraussetzt, von den Folgerungen einer Expertise gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB abweicht, ohne dass begründete Tatsachen deren Überzeugungskraft ernstlich erschüttern.

101 IV 247 () from 4. Juli 1975
Regeste: 1. Art. 269 BStP. Die Vereinigung von Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist nur zulässig, wenn die beiden Rechtsmittel auseinandergehalten und getrennt behandelt werden (Erw. 1). 2. Art. 397 StGB. Die Wiederaufnahme kann auf ein neues Gutachten gestützt werden, wenn es geeignet ist, eine neue Tatsache zu beweisen (Erw. 2). 3. Art. 13 StGB. Von einer weitern psychiatrischen Begutachtung darf abgesehen werden, wenn voraussichtlich keine wesentlich neuen Tatsachen mehr festgestellt werden können (Erw. 2).

101 IV 371 () from 12. September 1975
Regeste: I. Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951. Die Verletzung des Art. 32 des genannten Vertrages kann mit Beschwerde beim Bundesrat im Sinne von Art. 73 Abs. 1 lit. b VwG gerügt werden (Erw. I). II. Strafprozessuale Beschlagnahme. Verhältnis zum Bundesrecht. 1. Eine aufgrund kantonalen Rechts in einer vom Strafgesetzbuch beherrschten Rechtssache erlassene Verfügung stellt eine der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 BStP unterliegende Bundesstrafsache dar (Erw. 1). 2. Die in Anwendung kantonalen Rechts verfügte Beschlagnahme von Vermögenswerten des Angeschuldigten zur Deckung der Gefangenschaftskosten ist öffentlichrechtlicher Art und kann deshalb nicht mit eidg. Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Erw. 3a). 3. Die in einer kantonalen Strafprozessordnung vorgesehene Beschlagnahme von (mit der Straftat in keinem Zusammenhang stehenden) Vermögensstücken des Angeschuldigten zur Sicherstellung privatrechtlicher Schadenersatzansprüche ist bundesrechtswidrig (Erw. 3b). 4. Die strafprozessuale Beschlagnahme von Vermögensstücken des Angeschuldigten widerspricht Art. 59 Abs. 2 StGB nur dann nicht, wenn ausschliesslich solche Gegenstände mit Beschlag belegt werden, welche bei rechtswidriger Aneignung nicht in das Eigentum des Angeschuldigten übergegangen sind (Erw. 4).

101 V 220 () from 4. September 1975
Regeste: Verfügungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, die zu Streitigkeiten gemäss Art. 120 Abs. 1 lit. a KUVG Anlass geben können, unterliegen der Beschwerde. Bundesrechtswidrig ist die Auffassung, wonach solche Streitigkeiten keine Rechtsmittel-, sondern Klagefälle seien, in denen der kantonale Richter nicht über die Parteibegehren hinausgehen dürfe (Änderung der Rechtsprechung). Art. 121 Abs. 1 KUVG. Es erschwert die Durchsetzung des materiellen Bundesrechts in ungebührlicher Weise, vom Beschwerdeführer die Angabe des Invaliditätsgrades zu verlangen, der seines Erachtens für die Rentenbemessung den Ausschlag geben sollte.

102 IA 7 () from 4. Februar 1976
Regeste: Art. 4 BV; Feuerwehrabgabe. 1. Delegation rechtsetzender Befugnisse vom kantonalen an den kommunalen Gesetzgeber; Voraussetzungen (E. 3b). 2. Willkürlich breite Festsetzung der abgabepflichtigen Altersklassen in einem Fall, wo das Feuerwehrkorps aus einer beschränkten Zahl besonders ausgebildeter Freiwilligen besteht? (E. 5) 3. Bemessung der Ersatzabgabe; Verhältnismässigkeitsprinzip (E. 6b).

102 IA 23 () from 18. Februar 1976
Regeste: Art. 4 BV; Postulationsfähigkeit des amtlich verteidigten Angeklagten. Die Rückweisung einer Eingabe des Angeklagten mit der Begründung, dieser werde amtlich verteidigt, verletzt den bundesrechtlichen Gehörsanspruch jedenfalls dann, wenn es sich um ein förmliches Rechtsmittel handelt und der amtliche Verteidiger selber nicht innert Frist gehandelt hat.

102 IA 28 () from 3. März 1976
Regeste: Art. 4 BV; Disziplinarrecht des Anwaltes. Disziplinarische Sanktionen mit überwiegendem Strafcharakter, wie Verweis und Busse, fallen unter den Grundsatz ne bis in idem.

102 IA 31 () from 3. März 1976
Regeste: Art. 4 BV; Rückwirkungsverbot. Vor dem Inkrafttreten neuer Steuervorschriften eingetretene Tatsachen dürfen als Elemente der Bemessung verwendet werden, wenn es um die Bestimmung des Steuerobjektes geht; das gilt nicht, wenn es sich um die nachträgliche, spezielle Besteuerung des abgeschlossenen Tatbestandes eines Kapitalgewinnes handelt (Präzisierung der Rechtsprechung).

102 IA 38 () from 5. Mai 1976
Regeste: Art. 4 BV und Art. 2 Übergangsbestimmungen zur BV; Grundstückgewinnsteuer bei Übertragung eines Grundstückes auf die Ehefrau zum Ausgleich ihrer güterrechtlichen Ansprüche bei Scheidung. 1. Es ist nicht willkürlich, eine Ausnahmebestimmung in bezug auf die Grundstückgewinnsteuer bei Handänderungen infolge Aufhebung der ehelichen Gütergemeinschaft nicht auch auf die Auflösung einer der Güterverbindung unterstehenden Ehe anzuwenden (E. 2b). 2. Eine Gesetzesbestimmung, die in bezug auf die Erhebung der Grundstückgewinnsteuer bei Auflösung einer Ehe durch Scheidung einen Unterschied macht zwischen Ehen, die der Güterverbindung unterstehen und solchen, die der Gütergemeinschaft unterstellt sind, ist nicht rechtsungleich (E. 3d) und verstösst auch nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (E. 4).

102 IA 46 () from 12. Mai 1976
Regeste: Anstösserbeiträge, Art. 4 BV. Die Auferlegung von Anstösserbeiträgen an den Ausbau einer öffentlichen Strasse ist willkürlich, wenn die gesetzlichen Bestimmungen über die Planauflage und die Benachrichtigung der beitragspflichtigen Grundeigentümer vor der Erstellung des Werkes nicht eingehalten werden (E. 2).

102 IA 50 () from 4. Februar 1976
Regeste: Benützung öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken; Art. 85 lit. a OG, Meinungsäusserungsfreiheit, Versammlungsfreiheit. 1. Für die Zulassung einer den Gemeingebrauch übersteigenden Benützung öffentlichen Grundes können, selbst wenn es um die Ausübung ideeller Freiheitsrechte geht, neben rein polizeilichen Gesichtspunkten auch andere öffentliche Interessen massgebend sein; doch hat die Behörde bei der Interessenabwägung dem besonderen Gehalt der berührten Freiheitsrechte Rechnung zu tragen. Kognition des Bundesgerichtes. Verhältnis der Meinungsäusserungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit zu den durch Art. 85 lit. a OG geschützten Befugnissen politischer Betätigung (E. 3). 2. Überprüfung der Verfassungsmässigkeit einzelner Bestimmungen der vom Stadtrat von Zürich am 5. Juli 1972 erlassenen "Vorschriften über die Benützung öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken": a) Es ist zulässig, an öffentlichen Ruhetagen sowie an den übrigen Tagen in der Zeit zwischen 22.00 und 07.00 Uhr politische Veranstaltungen auf öffentlichem Grund allgemein auszuschliessen; hingegen ist es verfassungswidrig, das für die öffentlichen Ruhetage vorgesehene Verbot auf die Vortage hoher Feiertage auszudehnen (E. 4). b) Es ist zulässig, die Errichtung von Zeichnungsstellen für Initiativ- und Referendumsbegehren sowie für Petitionen auf öffentlichem Grund auf die Dauer von längstens sechs Monaten zu beschränken (E. 5). c) Es ist verfassungswidrig, Veranstaltungen zu Wahlen und Abstimmungen auf öffentlichem Grund generell erst in den letzten beiden Wochen vor dem Wahl- oder Abstimmungswochenende zuzulassen (E. 6).

102 IA 69 () from 21. Januar 1976
Regeste: Gemeindeautonomie (Graubünden). Rückwirkung von Erlassen. 1. Autonomie der Bündner Gemeinden im Bereiche der kommunalen Elektrizitätsversorgung. Kognition des Bundesgerichtes in bezug auf die Handhabung allgemeiner ungeschriebener Verfassungsgrundsätze (E. 2). 2. Rückwirkende Erhebung von Stromanschlussgebühren. Fehlendes Vorliegen "triftiger Gründe" für die Rückwirkung (E. 3).

102 IA 92 () from 7. April 1976
Regeste: Kantonales Baurecht. Verfahren. 1. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung (E. 1). 2. Abfassung der Anträge in einer kantonalen Verwaltungsbeschwerde. Überspitzter Formalismus (E. 2).

102 IA 153 () from 5. Mai 1976
Regeste: Art. 4 BV, Art. 2 ÜbBest. BV; Konkurseröffnung. 1. Die Frage der Zulassung, Beschränkung oder des Ausschlusses echter Nova im Berufungsverfahren nach Art. 174 SchKG ist im Sinne von Art. 25 Ziff. 2 SchKG eine solche des kantonalen Rechts (E. 2a). 2. Der grundsätzliche Ausschluss echter Nova im Berufungsverfahren nach Art. 174 SchKG ist mit den allgemeinen Grundsätzen des Konkursrechts, insbesondere der Untersuchungsmaxime, vereinbar (E. 2b). 3. Im Berufungsverfahren nach Art. 174 SchKG ist weder der allgemeine Ausschluss von Noven noch die Zulassung bestimmter Noven willkürlich. Die Berufungsinstanz muss jedoch die Berücksichtigung von erst nach dem Konkurserkenntnis eingetretenen Tatsachen an objektive Voraussetzungen knüpfen und bei der Überprüfung dieser Voraussetzungen den Grundsatz der Gleichbehandlung befolgen (E. 3).

102 IA 185 () from 4. Februar 1976
Regeste: Art. 84 Abs. 1 OG, Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde. Begriff der "kantonalen Erlasse oder Verfügungen" im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG. Eine an die Gemeinden gerichtete Weisung der kantonalen Behörde, über eine bestimmte baurechtliche Frage Rechtsnormen zu erlassen, greift nicht in die Rechtsstellung des Bürgers ein und ist daher nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auch derartige interne Anordnungen Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde bilden können.

102 IA 196 () from 16. Juli 1976
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde; Art. 88 OG. Legitimation zur Anfechtung der Abweisung einer Aufsichtsbeschwerde nach § 132 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 29. Januar 1911? Frage offengelassen (E. 1). Europäische Menschenrechtskonvention; Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden. Verhältnis zwischen Art. 86 und 87 OG (E. 3).

102 IA 211 () from 23. Juni 1976
Regeste: Art. 4 BV; Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren. Ist die geschlossene Durchführung der Hauptverhandlung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geboten, so verletzt der Ausschluss der Öffentlichkeit Art. 4 BV auch dann nicht, wenn ein derartiger Ausschlussgrund im kantonalen Prozessrecht nicht vorgesehen ist. Die öffentliche Durchführung eines Strafverfahrens, in welchem dem Angeklagten zur Last gelegt wird, er habe Geschäftsgeheimnisse verraten, kann mit triftigen Gründen als widersprüchlich und mit dem Bundesrecht nicht vereinbar bezeichnet werden.

102 IA 220 () from 30. Juni 1976
Regeste: Art. 4 und 22ter BV, Steuerveranlagung 1. Hat die Steuerpflicht während der Berechnungsperiode begonnen, so ist es nicht willkürlich, bei der Veranlagung für die folgende Steuerperiode auf das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres abzustellen, auch wenn dies im kantonalen Recht nicht ausdrücklich vorgesehen ist (E. 1). 2. Konjunkturbedingt hohe Gewinne sind keine ausserordentlichen Gewinne in dem Sinne, dass sie nicht mehr als einmal Grundlage der steuerrechtlichen Veranlagung bilden könnten (E. 2). 3. Bei der Beurteilung, ob eine Steuer allgemein oder im Einzelfall konfiskatorisch wirkt, ist die Belastung des Steuerpflichtigen über einen längeren Zeitraum zu überprüfen. Es genügt nicht, dass sich die verpönte Wirkung durch die Verkettung ausserordentlicher Umstände einmal zufällig ergibt, sondern sie muss nach Sinn und Zweck der Regelung generell und dauernd beabsichtigt oder jedenfalls in Kauf genommen sein (E. 3).

102 IA 238 () from 9. September 1976
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht. § 19 des zürcherischen Steuergesetzes; Begriff der Erwerbstätigkeit, Abgrenzung gegenüber der privaten Vermögensverwaltung. Auch eine mit privaten Mitteln und auf privates Risiko durchgeführte Spekulation kann Teil der Erwerbstätigkeit bilden, wenn sie mit dem gewerbsmässigen Betrieb eines Unternehmens, das dem betreffenden Privaten gehört oder an dem er massgeblich beteiligt ist, in engem Zusammenhang steht. Besteuerung des Gewinnes, den der Geschäftsführer und praktische Alleininhaber einer mit Vermittlungsgeschäften sich befassenden AG beim Kauf und Wiederverkauf von Aktien erzielt.

102 IA 243 () from 15. Juni 1976
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Denkmalschutz, Entschädigung 1. Zulässigkeit von neuen rechtlichen und tatsächlichen Vorbringen im bundesgerichtlichen Verfahren (E. 2). 2. Die Unterschutzstellung eines Gebäudes kann eine materielle Enteignung bewirken; ob eine solche vorliegt, beurteilt sich nach dem Mass, in welchem dem Eigentümer die gegenwärtige oder in naher Zukunft mögliche Nutzung untersagt oder ihm ein Sonderopfer auferlegt wird (E. 6). 3. Mit Art. 22ter BV ist nicht vereinbar, wenn der Eigentümer im Falle einer materiellen Enteignung nur die Wahl hat, das Grundstück dem Staat gegen volle Entschädigung heimzuschlagen oder aber auf jede Entschädigung für den eingetretenen Minderwert zu verzichten (Änderung der Rechtsprechung; E. 6). 4. Verweigerung der Baubewilligung; hat ein Baugesuch im Zeitpunkt der Einreichung dem geltenden Recht entsprochen, so kann eine Entschädigung für die nutzlos gewordenen Aufwendungen ohne Verletzung von Art. 4 BV nicht verweigert werden, wenn gerade die Einreichung des Baugesuches Anlass zur Änderung der Bauordnung gegeben hat und die Absicht der Behörden, die Realisierung des Projekts auf diese Weise zu verhindern, für den Eigentümer nicht voraussehbar war (E. 7).

102 IA 254 () from 3. März 1976
Regeste: Kantonale Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen der juristischen Personen. Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit. Doppelbesteuerung. 1. Ein progressiver Minimalsteuer-Tarif verstösst dann nicht gegen Art. 4 und 31 BV, wenn der ihm entsprechende "Sollertragssatz" eine bestimmte, geringe Höhe nicht übersteigt und er sich grundsätzlich proportional zum Umsatz verhält (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 2). 2. Es ist mit Art. 4, 31 und 46 Abs. 2 BV vereinbar, vom Gesamtumsatz der interkantonalen Unternehmungen auszugehen - für die Festlegung des Minimalsteuersatzes (E. 4b); - für den Abzug des steuerfreien Betrages (E. 4c); - für die Berechnung des Vorausanteils für den Sitzkanton (E. 4d).

102 IA 321 () from 21. September 1976
Regeste: Zulassung zur Universität; Erfordernis des guten Leumundes. Persönliche Freiheit; Art. 4 BV; Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Überprüfung einer Anordnung, durch die einem Maturanden wegen in der Rekrutenschule begangener militärischer Delikte (Aufforderung zur Verletzung militärischer Dienstpflichten, Untergrabung der militärischen Disziplin usw.) die Immatrikulation an der Universität Bern für die Dauer eines Jahres verweigert wird. 1. Die Massnahme berührt weder den Schutzbereich der persönlichen Freiheit (E. 3a) noch jenen der Meinungsäusserungsfreiheit (E. 3b). Ihre Zulässigkeit beurteilt sich einzig nach Art. 4 BV (E. 3c). 2. Prüfung der Verfassungsmässigkeit der angewendeten Reglementsbestimmung, wonach an der Universität nur zugelassen wird, wer sich über einen "guten Leumund" ausweist: a) Mit der Aufstellung dieses Erfordernisses hat der Regierungsrat die ihm durch das kantonale Universitätsgesetz übertragenen Kompetenzen nicht willkürlich überschritten (E. 4a). b) Pflicht zur vorherigen Anhörung des Senates (E. 4b). c) Frage der materiellen Verfassungsmässigkeit der Vorschrift, Funktion der konkreten Normenkontrolle (E. 4c). 3. Es ist mit Art. 4 BV grundsätzlich vereinbar, den Eintritt in die Universität nicht nur von einer genügenden Vorbildung abhängig zu machen, sondern zur Sicherung eines ungestörten Hochschulbetriebes auch an die charakterliche Eignung des Bewerbers gewisse Anforderungen zu stellen; doch muss dabei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt bleiben (E. 5).

102 IA 331 () from 21. September 1976
Regeste: Art. 4 und 22ter BV. Revision von Zonenplänen; Rechtssicherheit, Treu und Glauben. Zusicherungen über die Fortdauer eines Zonenplanes oder einer bestimmten Zoneneinteilung sind unter dem Gesichtswinkel von Treu und Glauben nur bindend, wenn sie von dem zur Planänderung zuständigen Organ ausgehen. Liegt diese Kompetenz beim Gemeindegesetzgeber, so kann sich der Grundeigentümer im Falle einer Zonenplanrevision nicht unter Hinweis auf die Erklärungen oder auf das Verhalten der kommunalen Verwaltungsorgane über eine Verletzung von Treu und Glauben beschweren. Der Gemeindegesetzgeber hat aber auch ohne Vorliegen einer ihn selber bindenden Garantie dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen.

102 IA 339 () from 13. Oktober 1976
Regeste: Art. 4 BV; Grundstückgewinnsteuer. Unzulässigkeit der "aufgespaltenen" Haltezeitberechnung für Bestandteile desselben Grundstückes wegen Fehlens der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.

102 IA 342 () from 13. Oktober 1976
Regeste: Art. 4 BV. Grundstückgewinnsteuer. Wirtschaftliche Betrachtungsweise. Es ist willkürlich, bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Gewinnrealisierung zwar anzunehmen, jemand habe die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein Gebäude, nicht aber über den dazu gehörenden Boden.

102 IA 352 () from 25. Oktober 1976
Regeste: Art. 4 BV. Kantonales Steuerrecht; Zwischenveranlagung. Es ist willkürlich, eine Zwischenveranlagung vorzunehmen: - auf einen Zeitpunkt, an dem sich kein Zwischentaxationsgrund verwirklicht hat; - auf den Beginn einer Veranlagungsperiode.

102 IA 363 () from 7. Dezember 1976
Regeste: Art. 4 BV, Art. 85 SchKG; Verlustschein als Beweismittel für den Bestand einer Forderung, welche der Betreibungsforderung zur Verrechnung gegenübergestellt wird? Ein vom Betreibungsschuldner vorgelegter, gegen den Betreibungsgläubiger ausgestellter Verlustschein kann in den Verfahren gemäss Art. 81 und 85 SchKG nicht als zum Beweis für den Bestand einer Gegenforderung taugliche Urkunde anerkannt werden, auch dann nicht, wenn der Schuldner keine andere Möglichkeit hat, diesen Bestand zu beweisen (E. 2b, c).

102 IA 387 () from 19. Mai 1976
Regeste: Subventionsrecht; Regelung der privatärztlichen Tätigkeit der Chefärzte der subventionierten Krankenhäuser. Anfechtbarkeit eines an die subventionierten Krankenhäuser gerichteten Kreisschreibens. Es verstösst weder gegen das Legalitäts- und das Gewaltentrennungsprinzip, noch gegen die Handels- und Gewerbefreiheit, wenn die Zürcher Gesundheitsdirektion den subventionierten Krankenhäusern Weisungen erteilt zur Regelung der Abgaben, die die Chefärzte für die Ausübung privatärztlicher Tätigkeit zu entrichten haben, und den Spitälern bei Nichtbefolgung dieser Empfehlungen entsprechende Subventionskürzungen androht.

102 IA 397 () from 14. Juli 1976
Regeste: Gemeindeautonomie; Benützungsgebühren. 1. Vertretung der Gemeinde in Verwaltungsstreitigkeiten (E. 1). 2. Gemeindeautonomie: Autonomie der Tessiner Gemeinden hinsichtlich der Errichtung, der Organisation und der Verwaltung von Trinkwasserversorgungsbetrieben; direktes rechtliches Monopol solcher Betriebe (E. 3). 3. Ist ein von der Gemeindeexekutive - statt vom Gemeindegesetzgeber - erlassener Tarif eine genügende gesetzliche Grundlage? Frage offengelassen (E. 3). 4. Verwaltungsgebühren und Benützungsgebühren: a) Wie die Verbrauchstaxe stellt auch die Gebühr für den Anschluss ans Trinkwasserversorgungsnetz eine Benützungsgebühr dar (E. 5a); b) Anwendung des Kostendeckungsprinzips auf Verwaltungsgebühren, des Äquivalenz- oder Adäquanzprinzips auf Benützungsgebühren; Unterscheidungskriterien (E. 5b). 5. Benützungsgebühr und Beitrag. Unterscheidungskriterien im allgemeinen und für den besonderen Fall des Anschlusses an ein Versorgungsnetz (E. 6). 6. Kantonaler Entscheid, der den kommunalen Versorgungsbetrieb hindert, die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen; Verletzung der Gemeindeautonomie im konkreten Fall. Kann die Gemeinde auf die Erhebung von Vorzugslasten verwiesen werden? Frage offengelassen (E. 7).

102 IA 418 () from 24. November 1976
Regeste: Schenkungssteuer; Art. 4 BV. 1. Auslegung eines Ehe- und Erbvertrags; Nacherbeneinsetzung? (E. 3.) 2. Im Kanton Zürich kann ein Erbauskauf ohne Verletzung von Art. 4 BV der Schenkungssteuer unterworfen werden (E. 4).

102 IA 426 () from 22. Dezember 1976
Regeste: Art. 4 BV; Wirtschaftspatentpflicht. Unterstellung eines sogenannten Privatclubs, in dem gegen Entgelt Getränke durch einen Automaten bezogen werden können, unter das zürcherische Wirtschaftsgesetz.

102 IA 430 () from 17. November 1976
Regeste: Art. 22ter BV, Gemeindeautonomie; Nichtgenehmigung eines Zonenplans. 1. Beschwerdebefugnis einzelner Mitglieder einer Erbengemeinschaft? (E. 3.) 2. Die hilfsweise Anrufung der Gemeindeautonomie ist immer dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer legitimiert ist, eine Verletzung anderweitiger verfassungsmässiger Rechte zu rügen (E. 8a.) 3. Öffentliches Interesse an der Kleinhaltung der Bauzone (E. 4b); Überprüfung der Zonenplanung der Gemeinde Lostorf (E. 5). 4. Die Nichtgenehmigung einer kommunalen Zonenplanung, in welcher eine bereits zu grosse Bauzone zusätzlich erweitert wird, verletzt die Gemeindeautonomie nicht, auch wenn der Genehmigungsbehörde nur eine beschränkte Zweckmässigkeitskontrolle zusteht (E. 8d).

102 IA 438 () from 17. November 1976
Regeste: Art. 4 und 31 BV; Bewilligung für Taxibetrieb. 1. Bei der Verteilung der städtischen Taxistandplätze verletzt die strikte Anwendung des Anciennitätsprinzips verbunden mit der grundsätzlichen Beschränkung auf eine Bewilligung pro Taxihalter Art. 4 und 31 BV nicht (E. 3-6). 2. Die abweichende Behandlung von Taxiunternehmern, die schon vor Erlass der anwendbaren Taxiverordnung über mehrere Bewilligungen verfügten, verstösst nicht gegen das Gebot rechtsgleicher Behandlung (E. 8). 3. Vertrauensschutz bei der Erneuerung einer befristeten Bewilligung (E. 7).

102 IA 468 () from 6. Oktober 1976
Regeste: Kirchensteuerpflicht juristischer Personen; Art. 49 Abs. 6 BV, Art. 4 BV, Art. 9 EMRK. Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist mit Art. 49 Abs. 6 BV und Art. 4 BV grundsätzlich vereinbar (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung). Sie verstösst auch nicht gegen Art. 9 EMRK.

102 IA 483 () from 1. Dezember 1976
Regeste: Art. 4 BV und 2 ÜbBest. BV; definitive Rechtsöffnung für Steuerforderung. 1. Es ist nicht willkürlich anzunehmen, Art. 168 Abs. 2 des bernischen Steuergesetzes, wonach Steuerforderungen in öffentliche Inventare oder auf Rechnungsrufe einzugeben sind, sei eine blosse Ordnungsvorschrift, von deren Einhaltung die Haftung der Erben für diese Forderungen nicht abhänge (E. 4). 2. Die Art. 589/590 ZGB sind auf öffentlichrechtliche Forderungen nicht anwendbar, wenn nicht das öffentliche Recht deren Geltung ausdrücklich vorbehält. Eine abweichende kantonale Regelung oder Praxis verletzt somit den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht und verstösst auch nicht gegen Sinn und Geist des Bundesprivatrechts (E. 5 und 6).

102 IA 493 () from 17. März 1976
Regeste: Schiedsgerichtsbarkeit des Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer (IHK); Interkantonales Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. März 1969; Art. 58 BV, Art. 1 UWG. 1. Bestellung eines einzigen Schiedsrichters durch das Schiedsgericht der IHK gemäss Art. 7 (2) Abs. 3 der Vergleichs- und Schiedsordnung der IHK (VSO). Art. 58 BV (E. 2). 2. Legitimation zur Geltendmachung einer Verletzung des Konkordats. Die Bestimmungen der VSO über Zahl und Bestellung der Schiedsrichter durch die Parteien gehen denjenigen des Konkordats (Art. 10 und 11) vor (E. 4). 3. Überprüfung der Anwendung von Art. 7 (2) Abs. 3 VSO durch das Bundesgericht (E. 5). 4. Art. 1 UWG. Abmachung über die Befugnis gewisse Maschinen herzustellen. Vertragsbruch. Schiedsurteil, das die Herstellung und den Verkauf von Maschinen verbietet, solange diese gewisse Merkmale aufweisen, die von der Abmachung erfasst werden (E. 12). 5. Wirkungen der Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Entscheid einer kant. Behörde, die die Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Schiedsurteil abgewiesen hat (E. 13).

102 IA 513 () from 11. Februar 1976
Regeste: Kantonales Steuerverfahren. 1. Kantonale Beschwerde gegen eine Einschätzung, die der Steuererklärung des Steuerpflichtigen entspricht (E. 1). 2. Beginn des Fristenlaufes für die Beschwerde (E. 2).

102 IA 516 () from 5. Mai 1976
Regeste: Wahrung des Berufsgeheimnisses im Rahmen eines Strafverfahrens - Durchsuchung und Beschlagnahme von Dokumenten. 1. Die Durchsuchung von Akten beim Träger eines Berufsgeheimnisses, der selbst Beschuldigter in einem Strafverfahren ist, setzt die Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen voraus. 2. Zu einer unterschiedslosen Durchsuchung und Beschlagnahme aller in einer Notariatskanzlei verwahrten Dokumente kann die Strafverfolgungsbehörde selbst dann nicht schreiten, wenn dringender Verdacht dafür besteht, dass der Notar eine strafbare Handlung begangen hat. 3. Die Organe der Strafjustiz sind an das Amtsgeheimnis gebunden und zur Zurückerstattung von Dokumenten, die für das betreffende Strafverfahren unerheblich sind, verpflichtet. 4. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts.

102 IB 64 () from 30. Januar 1976
Regeste: Gewässerschutz: BG vom 8. Oktober 1971 (GSchG); Allgemeine Gewässerschutzverordnung des Bundesrates vom 19. Juni 1972 (AGSchV). - GSchG als Rechtsgrundlage für eine kantonale Abbruchverfügung. - Bewilligung für den Bau von Hütten, die der Alpwirtschaft dienen: Auslegung des revidierten Art. 27 AGSchV; sachliches Bedürfnis und Notwendigkeit des Bauens ausserhalb der Bauzone; Zweckentfremdungsverbot.

102 IB 245 () from 5. November 1976
Regeste: Eintragung des Namens in die Zivilstandsregister Die Partikel "Freiherr von" kann in die schweizerischen Zivilstandsregister nicht eingetragen werden, auch wenn sie im Ausland als Bestandteil des Namens gilt.

102 IB 249 () from 26. November 1976
Regeste: Art. 45 Ziff. 3 StGB, Art. 4 BV. Rückversetzung in den Massnahmevollzug. Bedingt Entlassenen ist vor der Rückversetzung in den Vollzug einer Massnahme nach Art. 42-44 StGB das rechtliche Gehör zu gewähren. Schriftliche Anhörung genügt.

102 II 427 () from 7. Dezember 1976
Regeste: Kartellgesetz. Kartellähnliche Organisation, Begriff der stillschweigenden Abstimmung des Verhaltens (Art. 3 lit. b KG; E. 3 und 4a). Massnahme, die darauf abzielt, eine im Gesamtinteresse erwünschte Struktur des Verkaufs von Zeitungen und Zeitschriften zu fördern (Art. 5 Abs. 2 lit. c KG; E. 5).

103 IA 1 () from 25. Januar 1977
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltlicher Rechtsbeistand im Strafverfahren. Unhaltbare Auslegung einer kantonalrechtlichen Bestimmung betreffend die Beiordnung eines Offizialverteidigers (E. 1). Unmittelbar aus Art. 4 BV ergibt sich - unbekümmert um die Frage der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Straffalles - im allgemeinen schon dann ein Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung, wenn der Angeklagte mit einer Strafe zu rechnen hat, für welche wegen ihrer Höhe die Gewährung des bedingten Vollzuges ausgeschlossen ist (E. 2).

103 IA 8 () from 9. Februar 1977
Regeste: Art. 4 BV; strafprozessuale Beschlagnahme. 1. Zweck und Bedeutung der strafprozessualen Beschlagnahme. Es ist nicht verfassungswidrig, in Anwendung von § 83 der Zürcher Strafprozessordnung einen vom Angeschuldigten verpfändeten Vermögenswert mit Beschlag zu belegen (Erw. II/5 und Erw. III/1b). 2. Der Pfandgläubiger wird durch die strafprozessuale Beschlagnahme nicht in seiner Rechtslage beeinträchtigt und ist daher nicht zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Erw. III/1).

103 IA 20 () from 16. März 1977
Regeste: Art. 4 BV. Grundstückgewinnsteuer; widersprüchliches Verhalten der Behörde. Lässt sich die kantonale Steuerbehörde in der gleichen Sache einmal von der Rücksicht auf die äussere rechtliche Form eines Unternehmens und ein anderes Mal von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise leiten, so verletzt sie Art. 4 BV.

103 IA 26 () from 30. März 1977
Regeste: Art. 4 BV; Kanalisationsanschlussgebühr. Die Pflicht zur Leistung einer Kanalisationsanschlussgebühr trifft grundsätzlich den Grundeigentümer im Zeitpunkt des Anschlusses; die Belastung des Eigentümers im Zeitpunkt der Veranlagung und Rechnungstellung bedarf einer klaren gesetzlichen Grundlage.

103 IA 31 () from 30. März 1977
Regeste: Art. 4 und 22ter BV: Kanalisationsanschlussgebühr. 1. Legitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft zur staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1c). 2. Das Bundesgericht nimmt keine Substitution der Begründung vor, wenn der dafür erhebliche Sachverhalt im kantonalen Verfahren nicht beweismässig festgestellt wurde (E. 3a). 3. Stehen dem unentgeltlichen Kanalisationsanschlussrecht gleichwertige Leistungen des Pflichtigen gegenüber, liegt kein Abgabevergünstigungsvertrag vor. Verhältnis des Vertrages zu einem später erlassenen Kanalisationsreglement (E. 2). 4. Welche Auswirkungen haben veränderte tatsächliche Verhältnisse auf den Bestand öffentlich-rechtlicher Verträge? (E. 3b).

103 IA 47 () from 27. April 1977
Regeste: Art. 31 BV und Art. 2 ÜbBest. BV; gewerbsmässige Parteivertretung im Rechtsöffnungsverfahren. Die Kantone sind berechtigt, die gewerbsmässige Vertretung der Parteien in gerichtlichen Zwischenverfahren der Schuldbetreibung den patentierten Anwälten vorzubehalten; Art. 27 SchKG findet hier keine Anwendung (Bestätigung der Rechtsprechung).

103 IA 55 () from 22. März 1977
Regeste: Art. 84 OG; Rechtsmittel bei Begutachtung in Strafsachen. 1. Unterlässt oder verweigert der Richter die Anordnung einer vom Bundesstrafrecht vorgeschriebenen Begutachtung des Angeklagten, so steht diesem die Nichtigkeitsbeschwerde offen, was die staatsrechtliche Beschwerde ausschliesst (Bestätigung der Rechtsprechung, Erw. 1a). 2. Wird das Gutachten selbst oder werden die von der kantonalen Behörde daraus gezogenen Schlüsse angefochten, so steht deren Beweiswürdigung in Frage. Dagegen ist nicht Nichtigkeits-, sondern staatsrechtliche Beschwerde zu führen (Praxisänderung, Erw. 1b).

103 IA 58 () from 16. Februar 1977
Regeste: Art. 88 OG; Beschwerdelegitimation öffentlichrechtlicher Korporationen. Eine öffentlichrechtliche Anstalt des Kantons (hier: eine Beamtenpensionskasse) kann, auch wenn sie über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, gegen einen Entscheid der ihr in ihrem hoheitlichen Funktionsbereich übergeordneten staatlichen Rechtsmittelinstanz nicht staatsrechtliche Beschwerde führen.

103 IA 76 () from 2. März 1977
Regeste: Art. 4 BV; Beschwerde gegen die Ernennung des Sachwalters. Wo eine obere kantonale Nachlassbehörde besteht (Art. 294 Abs. 2 SchKG), können sowohl der Schuldner als auch die Gläubiger gegen die Ernennung des Sachwalters Beschwerde führen. Der Entscheid der oberen kantonalen Nachlassbehörde ist mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar.

103 IA 85 () from 2. März 1977
Regeste: Art. 4 BV; Gebühr für öffentliche Beurkundung. Anwendung der verfassungsrechtlichen Grundsätze über die Bemessung einer Verwaltungsgebühr auf das Honorar für die öffentliche Beurkundung durch ein freies Berufsnotariat.

103 IA 95 () from 30. März 1977
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Strafrecht. Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege durch eine ausdehnende Auslegung des Begriffes Waffentragen auf den blossen Waffenbesitz.

103 IA 107 () from 29. Juni 1977
Regeste: Art. 4 BV. Steuerrecht; Schätzung des Mietwertes von Eigentumswohnungen. Es verstösst nicht gegen Art. 4 BV, gestützt auf das zürcherische Steuerrecht bei der Schätzung des Mietwertes von Eigentumswohnungen abweichend von der für Einfamilienhäuser geltenden Praxis nicht die sog. Basiswert-Methode, sondern die Vergleichsmethode anzuwenden. Tragweite des Vertrauensschutzprinzipes (Bestätigung der Rechtsprechung).

103 IA 115 () from 29. Juni 1977
Regeste: Art. 4 BV; Vermögensgewinnsteuer; Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf von Gratisaktien. 1. Bei Gratisaktien erfolgt der Erwerb im Sinne von Art. 77 Abs. 2 des bernischen Steuergesetzes im Zeitpunkt der Ausgabe (Erw. 3 und Erw. 4). 2. Als Erwerbspreis der Gratisaktien gilt ihr Verkehrswert im Zeitpunkt der Ausgabe (Erw. 5).

103 IA 130 () from 13. Juli 1977
Regeste: Art. 4 BV; eidgenössische Genehmigung kantonaler Erlasse, abstrakte Normenkontrolle. Die eidgenössische Genehmigung eines kantonalen Erlasses schliesst dessen nochmalige Überprüfung in einem abstrakten Normenkontrollverfahren vor den zuständigen kantonalen und eidgenössischen Rechtsmittelinstanzen nicht aus.

103 IA 137 () from 13. Juli 1977
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör im Strafprozess. In welchen Fällen muss dem Angeschuldigten nach der Aufhebung eines kantonalen Strafurteils durch das Bundesgericht vor der Neubeurteilung Gelegenheit zur Äusserung gegeben werden?

103 IA 182 () from 25. Mai 1977
Regeste: Gemeindeautonomie; Genehmigung von Zonenplänen (Graubünden). 1. Autonomie der Bündner Gemeinden bei der Festlegung von Zonenplänen (E. 2). 2. Voraussetzungen, unter denen die kommunale Zonenplanung auf kantonale Strassenbauprojekte keine Rücksicht zu nehmen braucht: - wenn dem Kanton eigene adäquate Planungsmittel zur Verfügung stehen (Frage offen gelassen; E. 3a); - wenn die Verwirklichung des kantonalen Bauvorhabens zu ungewiss ist (E. 3b). 3. Unklarheiten des kantonalen Genehmigungsbeschlusses (E. 3c).

103 IA 191 () from 8. Juni 1977
Regeste: Gemeindeautonomie; Rechtsetzungsbefugnisse der bernischen Gemeinden auf dem Gebiete des Ladenschlusses (Abendverkauf). 1. Beginn der Beschwerdefrist bei Anfechtung eines dem fakultativen Referendum unterstehenden Erlasses; verfrühte Einreichung der Beschwerde (E. 1). 2. Engt der kantonale Gesetzgeber den von ihm einmal festgelegten Umfang der kommunalen Rechtsetzungsbefugnis nachträglich durch Gesetzesänderung ein, so liegt hierin keine Verletzung der Gemeindeautonomie, solange nicht in unmittelbar durch die Verfassung gewährleistete Rechtsetzungsbefugnisse eingegriffen wird (E. 3). 3. Eine Gemeinde kann im Rahmen einer Autonomiebeschwerde nicht die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte rügen (E. 4a). Hingegen kann sie sich auf gewisse allgemeine Verfassungsgrundsätze berufen (E. 4b).

103 IA 199 () from 9. Februar 1977
Regeste: Schweiz.-deutsches Vollstreckungsabkommen vom 2. Nov. 1929. Die Vollstreckung eines deutschen Versäumnisurteils, das in Übereinstimmung mit der deutschen Zivilprozessordnung weder eine Sachverhaltsdarstellung noch Entscheidungsgründe enthält, verletzt den schweizerischen ordre public nicht (Bestätigung der Rechtsprechung).

103 IA 233 () from 22. Juni 1977
Regeste: Art. 4 BV; Steuerausscheidung gegen über dem Ausland aufgrund des kantonalen Rechts. 1. Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). 2. Ist für die Steuerausscheidung gegenüber dem Ausland ausschliesslich das kantonale Recht massgebend, so erfolgt die Überprüfung durch das Bundesgericht auch dann nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür, wenn das kantonale Recht die bundesrechtlichen Grundsätze zur Vermeidung der interkantonalen Doppelbesteuerung als anwendbar erklärt (E. 2). 3. Es ist nicht willkürlich, wenn die Steuerausscheidung hinsichtlich des Ertrags einer international tätigen Versicherungsgesellschaft nach Quoten geschieht und die Quoten aufgrund der Prämieneinnahmen ermittelt werden, sofern auf diese Weise die Bedeutung der Betriebsstätten für die Erzielung des Gesamtertrags richtig zum Ausdruck gebracht wird (E. 3, E. 4a); diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle nicht erfüllt (E. 4b).

103 IA 242 () from 13. Juli 1977
Regeste: Art. 4 BV; gesetzliche Grundlage im Abgaberecht; Rechtsgleichheit; Willkürverbot. 1. Ausnahmen von der allgemeinen Steuerpflicht bedürfen der Grundlage in einem formellen Gesetz (E. 2). 2. Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung bei gesetzwidriger Praxis (E. 3). 3. Wenden kantonale Behörden eine gesetzwidrige Verordnung während langer Zeit in Kenntnis des genannten Mangels an und wollen sie diese auch in Zukunft zur Anwendung bringen, kann der Bürger verlangen, dass die gesetzwidrige Begünstigung, die der Erlass gewährt, auch ihm zuteil werde (E. 4).

103 IA 310 () from 21. September 1977
Regeste: Versammlungsfreiheit, polizeiliche Generalklausel; Art. 5 BV. Erlass eines Verbots für jegliche politische Versammlung auf dem Gebiet einer jurassischen Gemeinde durch die bernische Regierung aufgrund der polizeilichen Generalklausel. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Verhältnismässigkeitsprinzip. Rechtsgleiche Behandlung.

103 IA 329 () from 23. März 1977
Regeste: Kompetenzkonflikt zwischen eidgenössischen und kantonalen Behörden, Art. 83 lit. a OG; Art. 24bis, quater und quinquies BV; Art. 4 und Art. 7 AtG; Bau eines Atomkraftwerkes. Kompetenzkonflikt gemäss Art. 83 lit. a OG (E. 2). Die von der zuständigen Bundesbehörde erteilte Bewilligung betreffend Standort eines Atomkraftwerkes erlaubt dem Bewilligungsempfänger nicht, die Atomanlage an dem für den Bau bestimmten Ort zu erstellen, ohne Rücksicht zu nehmen auf die kantonale und kommunale Zoneneinteilung. Im Hinblick auf das Kernkraftwerk Verbois muss der Kanton Genf eine Umzonung (von Landwirtschafts- in Industriezone) vornehmen (E. 3 bis E. 6). Ist die Kompetenz des Kantons in dieser Hinsicht beschränkt? Frage offen gelassen (E. 7). Der Kanton hat sich auch über die Konzession oder Bewilligung für die Benützung der öffentlichen Gewässer zur Kühlung des Kernkraftwerkes auszusprechen (E. 8).

103 IA 356 () from 28. September 1977
Regeste: Schiedsgerichtsbarkeit. 1. Schiedsgerichtsurteile sind keine kantonalen Entscheide im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG und können weder unmittelbar noch im Anschluss an einen kantonalen Rechtsmittelentscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (E. 1b). 2. Kognition des Bundesgerichts bei Überprüfung des kantonalen Rechtsmittelentscheids (E. 2). 3. Umfang der Begründungspflicht der kantonalen Rechtsmittelinstanz, die eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 36 lit. f des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit zu beurteilen hat (E. 3).

103 IA 360 () from 8. November 1977
Regeste: Verfahren (Anfechtung von Erlassen, Erschöpfung des Instanzenzuges); Lotteriewesen. 1. Das in Art. 86 Abs. 2 OG niedergelegte Erfordernis der Erschöpfung des Instanzenzuges gilt auch für die Anfechtung von Erlassen. Kann ein Erlass in einem kantonalen Normenkontrollverfahren - wie es z.B. in §§ 68 ff. des aargauischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vorgesehen ist - angefochten werden, so ist von diesem kantonalen Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, bevor staatsrechtliche Beschwerde erhoben wird (E. 1a). 2. Verfassungsrechtliche Überprüfung eines auf bundesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden kantonalen Erlasses. Die Kantone können verbieten, dass Lotterieveranstaltungen im Sinne von Art. 2 des eidg. Lotteriegesetzes (Tombola bei Unterhaltungsanlässen) durch Personen durchgeführt oder organisiert werden, welche diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben (E. 2).

103 IA 394 () from 5. Oktober 1977
Regeste: Art. 4 BV, Art. 85 lit. a OG, § 35 Abs. 3 KV; Numerus-clausus bei der Zulassung zu einem staatlichen Lehrerseminar. 1. Ein soziales Grundrecht auf Bildung bzw. Mittelschulbildung ist weder aus dem Verfassungsrecht des Bundes noch des Kantons Basel-Landschaft abzuleiten (E. 2a). Dagegen hat der Einzelne aufgrund von Art. 4 BV Anspruch auf rechtsgleiche und willkürfreie Behandlung beim Zugang zu den staatlichen Bildungseinrichtungen. 2. Zulässigkeit des Numerus-clausus: a) Ein Numerus-clausus bei der Zulassung zu einer staatlichen Bildungseinrichtung ist mit Art. 4 BV vereinbar, wenn die Gründe für seine Einführung und die Vollzugsregelung im einzelnen vor dem Verfassungsrecht standhalten (E. 2b). - Ein Numerus-clausus zum Zwecke der Ausbildungslenkung nach dem zukünftigen Lehrerbedarf hält grundsätzlich vor Art. 4 BV stand (E. 2b/aa). - Es ist mit Art. 4 BV vereinbar, bei der Durchführung des Numerus-clausus auf die Eignung des Bewerbers abzustellen (E. 2b/bb). b) Wer Zutritt zu einer staatlichen Bildungseinrichtung verlangt, deren Ausbildung zur Ausübung eines öffentlichen Amtes (z.B. des Lehrerberufes an einer öffentlichen Schule) befähigt, kann sich nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen. Das genannte Grundrecht gewährleistet die Berufswahlfreiheit nur für die privatwirtschaftlichen Berufe (E. 2c). 3. Zulässigkeit der Gesetzesdelegation: a) Der Gesetzesvorbehalt und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation gelten grundsätzlich auch in der Leistungsverwaltung (E. 3a). b) Eine gesetzliche Ermächtigung an die Exekutive, bei der Zulassung zu einem staatlichen Lehrerseminar einen Numerus-clausus zum Zwecke der Ausbildungslenkung nach dem zukünftigen Lehrerbedarf einzuführen, muss zumindest Art und Zweck der Massnahme in der Delegationsnorm nennen. § 8 Abs. 3 des Maturitätsschulgesetzes des Kantons Basel-Landschaft erfüllt diese Anforderungen nicht (E. 3b).

103 IA 407 () from 21. Oktober 1977
Regeste: Art. 4 BV. Strafprozess. 1. Gerichtsbesetzung. Fall eines Appellationsrichters, der bei der Hauptverhandlung und der Urteilsberatung mitgewirkt hat, aber der Urteilsverkündung nicht beiwohnt. - Das Verfassungsrecht des Bundes enthält keine Vorschrift über das Quorum bei mündlicher Urteilseröffnung. Der Angeklagte ist auch nicht beschwert durch die Abwesenheit eines Richters bloss bei der Urteilsverkündung (Erw. 2b). 2. Pflicht zur Urteilsbegründung. Ein Appellationsgericht kann, soweit es das angefochtene Urteil bestätigt und auch mit der Begründung einig geht, auf die Begründung im Urteil der ersten Instanz verweisen. Anders ist es, wenn der Appellant vor der zweiten Instanz beachtliche Gründe vorbringt, zu denen die erste Instanz noch nicht Stellung bezogen hat (Erw. 3a).

103 IA 410 () from 26. Oktober 1977
Regeste: Art. 4 BV; Schiedsgericht. Abgrenzung von rechtlich erfassten und ausserrechtlichen Vorgängen beim Vereinswechsel eines Eishockeyspielers der Nationalliga.

103 IA 414 () from 18. November 1977
Regeste: Art. 4 BV; Zahlung von Auslagen aus dem Verdienstanteil. Die Verfügung, während des Freiheitsentzuges aus dem Sperrkonto eines Gefangenen eine Auslage zu bezahlen, bedarf gemäss Art. 377 Abs. 2 StGB einer entsprechenden Vorschrift in der Anstaltsverordnung.

103 IA 426 () from 19. Oktober 1977
Regeste: Art. 4 und Art. 31 BV; Standesrecht der Rechtsanwälte. 1. Beschwerdebefugnis; die Verwarnung oder Ermahnung eines Rechtsanwalts beeinträchtigt dessen rechtlich geschützte Interessen (E. 1b). 2. Abgrenzung zwischen beruflicher und ausserberuflicher Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinne von § 10 des baselstädtischen Anwaltsgesetzes (E. 3). 3. Dem Rechtsanwalt steht im Gerichtsverfahren ein Recht auf freie Kritik zu. Pflichtwidrig handelt er nur, wenn er eine Rüge wider besseres Wissen oder in ehrverletzender Form erhebt (E. 4). 4. Dieselben Grundsätze gelten für das Begnadigungsverfahren des Kantons Basel-Stadt (E. 5); sie sind in concreto nicht verletzt (E. 6).

103 IA 455 () from 5. Oktober 1977
Regeste: Wohnsitzpflicht der Beamten. Die Wohnsitzpflicht der Beamten verstösst weder gegen Art. 45 BV noch gegen Art. 8 EMRK (E. 4). Eine auf sachlichen Gründen beruhende Änderung der Bewilligungspraxis (Bewilligung des auswärtigen Wohnsitzes) lässt sich mit Art. 4 BV vereinbaren (E. 6a). Verletzung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Rechtsgleichheit? Frage im vorliegenden Fall verneint (E. 6b-d).

103 IA 490 () from 2. September 1977
Regeste: Art. 4 BV; keine willkürliche Anwendung kantonalen Strafprozessrechts. Der Angeklagte hat kein unbeschränktes Recht auf Zeugenladung. Der Richter kann das Beweisverfahren schliessen, wenn er aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und er ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, diese Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert. Bezüglich erheblicher Aktenstücke besteht kein absolutes Einsichtsrecht. Dieses ist Beschränkungen unterworfen, wie sie durch öffentliche Interessen des Staates oder berechtigte Geheimhaltungsinteressen privater Drittpersonen bedingt sein können.

103 IA 494 () from 6. Dezember 1977
Regeste: Bundesrechtsmässigkeit eines ausserordentlichen kant. Rechtsmittels gegen die Bewilligung des Arrestes. Art. 279 Abs. 1 SchKG schliesst nicht aus, dass die Kantone gegen die Bewilligung des Arrestes ein ausserordentliches Rechtsmittel vorsehen, das sich hinsichtlich der Beschwerdegründe und der sonstigen prozessualen Ausgestaltung im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde hält. Die zürcherische Nichtigkeitsbeschwerde nach § 344 aZPO erfüllt diese Voraussetzung.

103 IA 501 () from 4. Mai 1977
Regeste: Art. 4 BV; Baurecht (Fälligkeit von Perimeterbeiträgen). Auslegung und Anwendung einer Vorschrift, die einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält.

103 IA 505 () from 12. Oktober 1977
Regeste: Art. 4 BV (Treu und Glauben); Kanalisationsanschlussgebühr, öffentlichrechtlicher Vertrag. 1. Grundsatz von Treu und Glauben: Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1). 2. Auslegung öffentlichrechtlicher Verträge (E. 2). 3. Zulässigkeit öffentlichrechtlicher Verträge (E. 3a); Rechtmässigkeit eines Vertrags, der vorsieht, dass für den Anschluss eines Grundstücks an die Kanalisation bei Erstellung eines Fabrikneubaus Gebühren nach Massgabe des bei Vertragsschluss geltenden Reglements zu entrichten sind (E. 3b). 4. Nach den Regeln von Treu und Glauben kann nicht jeder rechtliche Mangel eines öffentlichrechtlichen Vertrags zu dessen Ungültigkeit führen. Die Rechtswirkungen des Vertrags sind - grundsätzlich gleich wie im Falle fehlerhafter Verwaltungsverfügungen - unter Abwägung des Interesses nach richtiger Durchführung des objektiven Rechts und des Vertrauensschutzinteresses des Bürgers zu bestimmen (E. 4).

103 IA 531 () from 26. Oktober 1977
Regeste: Art. 4 BV; Vollstreckung ausländischer Zivilurteile; ordre public. Verstoss gegen den schweizerischen ordre public, wenn im ausländischen Verfahren eine beim unzuständigen Gericht eingereichte Rechtsschrift weder von Amtes wegen an das zuständige Gericht weitergeleitet noch an den Absender retourniert wurde, obwohl sie noch innert Frist bei der richtigen Behörde hätte eingereicht werden können?

103 IA 544 () from 13. Dezember 1977
Regeste: Art. 4 und Art. 31 BV. Zulassung zum kantonalen Patentierungskurs für Bergführer. Übertragung hoheitlicher Befugnisse an eine private Organisation. 1. Der Entscheid über die Zulassung zum kantonalen Bergführerkurs ist hoheitlicher Natur (E. 5a). 2. Wird der Entscheid über die Zulassung einer bestimmten Kategorie von Bewerbern einer privaten Organisation (dem Schweizerischen Alpen-Club) übertragen, so ist der Kanton dafür verantwortlich, dass diese die ihr delegierten Verwaltungsbefugnisse in verfassungskonformer Weise ausübt (E. 5c). 3. Verfassungsrechtliche Überprüfung des Erfordernisses, wonach ein Bewerber militärdiensttauglich bzw. militärdienstpflichtig sein muss. Es ist verfassungswidrig, einem Bewerber die Absolvierung des Bergführerkurses allein deshalb zu verwehren, weil er wegen Dienstverweigerung bestraft und aus der Armee ausgeschlossen worden ist (E. 6).

103 IA 577 () from 9. November 1977
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde gegen einen von der zuständigen Behörde noch nicht genehmigten Erlass; Art. 89 OG. Die staatsrechtliche Beschwerde gegen einen kommunalen Erlass, der noch der Genehmigung durch die kantonale Behörde bedarf, ist zulässig, wenn diese vor der Urteilsfällung erfolgt. Bis zum Zeitpunkt der Genehmigung kann das Bundesgericht die Instruktion aussetzen (Erweiterung der Rechtsprechung) (E. 2). Benützungsgebühr, Trinkwassergebühr. Bei der Festlegung des Tarifs für die Benützung einer Sache (hier: Wasser), die von einem öffentlichen Betrieb geliefert wird, kann nicht nur der Menge sondern auch der Art und Weise des Verbrauchs Rechnung getragen werden. Unter diesem Gesichtspunkt sind die normale Spitzenbelastung und ausserordentliche Spitzenbelastung der Anlage, soweit sie ihre Ausmasse und ihre Kapazität (hier: die Wasserfassungen und -leitungen) beeinflussen, massgebend (E. 5-7).

103 IB 134 () from 1. April 1977
Regeste: Verfahren; Art. 97 ff. OG. Rüge der Verletzung kantonaler Ausstandsvorschriften. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde? (E. 2). Tierseuchenverordnung (TSV). 1. Die Anordnung der in Art 21 Ziff. 16 TSV vorgeschriebenen Massnahmen durch die kantonalen Behörden erfordert nicht die Zustimmung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes gemäss Art. 54 Abs. 2 Tierseuchengesetz (E. 3). 2. Gesetzmässigkeit von Art. 21 Ziff. 16 TSV (E. 4 u. E. 5).

103 IB 144 () from 18. März 1977
Regeste: Verfahren; Art. 97 ff. OG. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen auf kantonales Verfahrensrecht sich stützenden Nichteintretensentscheid (E. 2a). 2. Nichteintreten mangels Legitimation nach kantonalem Verfahrensrecht. Sieht ein Kanton für eine Streitigkeit des Bundesverwaltungsrechts, welche mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden kann, eine Beschwerdeinstanz vor, so darf er hinsichtlich der Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen stellen als sie Art. 103 lit. a OG für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht (E. 3). 3. Art. 103 lit. a OG. Anfechtung einer Baubewilligung durch die Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft. Schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Abänderung der Baubewilligung im konkreten Fall bejaht (E. 4).

103 IB 192 () from 6. Mai 1977
Regeste: Verrechnungssteuer; Auskunftspflicht gegenüber der Steuerbehörde. Pflicht des Steuerpflichtigen, der Steuerbehörde Belege und andere Urkunden vorzulegen (Art. 39 VStG). Berücksichtigung von Urkunden, die erst vor dem Bundesgericht eingereicht werden (Art. 105 OG). Begehren auf Einvernahme von Zeugen.

103 IB 313 () from 1. Juli 1977
Regeste: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Art. 97 Abs. 1 OG; Art. 5 VwVG. Wann können Verfügungen, die sich auf kantonales Recht stützen, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden?

103 II 69 () from 26. April 1977
Regeste: Vorsorgliche Massnahmen nach UWG. 1. Sieht der kantonale Richter bei vorsorglichen Massnahmen nach UWG gestützt auf kantonales Zivilprozessrecht davon ab, eine Klagefrist gemäss Art. 12 Abs. 1 UWG anzusetzen, so kann dies mit der Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden (Art. 68 Abs. 1 lit. a OG). Eine gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid eingereichte staatsrechtliche Beschwerde kann als Nichtigkeitsbeschwerde entgegengenommen werden (E. 2). 2. Bei vorsorglichen Massnahmen nach UWG muss eine Klagefrist im Sinne von Art. 12 Abs. 1 UWG angesetzt werden (E. 3 und E. 4).

103 II 120 () from 17. Mai 1977
Regeste: Vorsorgliches Arbeitsverbot. 1. Art. 87 OG. Staatsrechtliche Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen; Voraussetzungen (E. 1). 2. Art. 340c Abs. 2 OR. Kein Wegfall des Konkurrenzverbotes, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt (E. 2a). 3. Art. 340b Abs. 3 OR. Dass und unter welchen Voraussetzungen ein einstweiliger Rechtsschutz möglich ist, bestimmt das kantonale Recht (E. 2b). Rechtfertigung eines vorsorglichen Arbeitsverbotes nach Bundesrecht; willkürliche Anforderungen (E. 3 und E. 4)?

103 II 145 () from 17. Mai 1977
Regeste: Art. 4 BV, Art. 1096 Ziff. 7 OR. Ob eine Unterschrift, die der Aussteller eines Eigenwechsels am Rande der Urkunde quer zum übrigen Wechseltext anbringt, den Unterzeichner verpflichtet, ist umstritten. Es ist deshalb nicht willkürlich, die Frage zu verneinen.

103 II 170 () from 15. Juli 1977
Regeste: Art. 420 Abs. 2 ZGB; Beschwerderecht des Dritten. Die Verneinung des Beschwerderechts des Dritten gegen einen Beschluss der Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 177 Abs. 3 ZGB, womit die Genehmigung eines Interzessionsgeschäftes der Ehefrau des Schuldners mit dem Dritten verweigert wurde, ist nicht willkürlich.

103 II 190 () from 7. Juni 1977
Regeste: Art. 2 Abs. 1 OR ist auch dann anwendbar, wenn sich die Parteien über alle objektiv und subjektiv wesentlichen Punkte geeinigt, aber die Regelung von Nebenpunkten nicht vorbehalten haben. Fehlt es an einer Absprache über die Nebenpunkte, so hindert das das Zustandekommen des Vertrages nicht; vielmehr wird vermutet, dass der Vertrag insoweit zustandegekommen sei, als die Parteien eine Einigung erzielt haben.

103 II 287 () from 6. Dezember 1977
Regeste: Vorsorgliche Massnahmen nach Art. 77 ff. PatG. 1. Art. 77 Abs. 2 PatG. Vom Gesuchsgegner, der die aus Art. 67 Abs. 1 sich ergebende und gegen ihn wirkende Vermutung zu widerlegen hat, darf nicht mehr als ein Wahrscheinlichkeitsbeweis verlangt werden (E. 2). Wie kann dieser Wahrscheinlichkeitsbeweis erbracht werden (E. 2 und E. 3)? 2. Art. 79 Abs. 2 PatG. Von einer vorsorglichen Massnahme kann auf Grund dieser Bestimmung nur abgesehen werden, wenn die Sicherheit bereits geleistet worden ist (E. 5).

103 V 190 () from 19. Dezember 1977
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 Satz 1 EMRK. - Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die Verwaltungsgerichte? Frage offen gelassen (Erw. 2a). - Die darin enthaltene Garantie, dass gerichtliche Verfahren ohne unnötige Verzögerung durchzuführen sind, bringt für die schweizerische Rechtsordnung kein neues Recht (Erw. 2b). Art. 4 BV. Eine unrechtmässige Rechtsverzögerung liegt dann vor, wenn die Umstände, welche zur unangemessenen Verlängerung des Verfahrens führten, objektiv nicht gerechtfertigt sind.

104 IA 6 () from 15. Februar 1978
Regeste: Art. 4 BV. Parteientschädigung im Verwaltungsverfahren. Auslegung einer kantonalen Vorschrift, wonach dem obsiegenden Beschwerdeführer, dem im Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, eine Parteientschädigung zuzusprechen ist. Abweichung vom klaren Gesetzeswortlaut.

104 IA 9 () from 1. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; Parteientschädigung im Verwaltungsbeschwerdeverfahren. 1. Im Beschwerdeverfahren vor kantonalen Verwaltungsbehörden besteht ein Anspruch auf Parteientschädigung nur soweit, als das kantonale Recht dies vorsieht; unmittelbar aus Art. 4 BV lässt sich kein solcher Anspruch herleiten (E. 1). 2. Auslegung von § 5 Abs. 2 des thurgauischen Gesetzes über die Administrativstreitigkeiten vom 14. März 1866, wonach der obsiegenden Partei eine "angemessene Kostenentschädigung" zugesprochen werden "kann" (E. 2).

104 IA 14 () from 15. Februar 1978
Regeste: Art. 4 BV; definitive Rechtsöffnung. Zum urkundlichen Beweis der Tilgung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG genügt die Berufung auf die Vermutung von Art. 89 Abs. 1 OR nicht.

104 IA 17 () from 16. Februar 1978
Regeste: Art. 4 BV; Art. 6 Ziff. 3 EMRK; Strafuntersuchung. Eine Vorschrift, welche die Zulassung des Verteidigers zur Einvernahme des Angeschuldigten in das Ermessen des Untersuchungsbeamten stellt, ist verfassungsmässig (E. 4). Sie wird nicht willkürlich angewendet, wenn der Verteidiger von der ersten Befragung ohne Angabe besonderer Gründe ausgeschlossen wird (E. 3).

104 IA 22 () from 15. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; Grundstückgewinnsteuer. Angebliche, vom Bauherrn selber erbrachte generalunternehmerische Leistungen sind nur dann als wertvermehrende Aufwendungen anzurechnen, wenn sie soweit möglich nachgewiesen werden (Ergänzung der Rechtsprechung).

104 IA 26 () from 15. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; Begriff der Verfügung. Der Beschluss über die Nichtwiederwahl eines Lehrers ist nach basellandschaftlichem Verwaltungsprozessrecht eine anfechtbare Verfügung.

104 IA 31 () from 22. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. § 106 Abs. 1 der Solothurner Zivilprozessordnung verstösst gegen Art. 4 BV, soweit nach dieser Bestimmung regelmässig, nicht nur bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu berücksichtigen ist, ob der Gesuchsteller seine Mittellosigkeit selbst verschuldet hat. Rechtsmissbrauch ist nur anzunehmen, wenn der Gesuchsteller gerade im Hinblick auf den zu führenden Prozess auf einen Erwerb verzichtet (Bestätigung der Rechtsprechung).

104 IA 35 () from 8. Februar 1978
Regeste: Kantonales Strafprozessrecht. Art. 4 BV, persönliche Freiheit. 1. Auslegung von Art. 180 Abs. 3 der Schaffhauser StPO, wonach eine Anklageschrift keine "Verdachtsgründe" enthalten darf. Es verstösst nicht gegen das Willkürverbot, wenn in der Anklageschrift gegen einen Gefängnisarzt, dem fahrlässige Tötung eines Untersuchungsgefangenen durch ungenügende medizinische Betreuung vorgeworfen wird, bei der Darstellung des Sachverhaltes auch die Gründe für die Anordnung und Verlängerung der Untersuchungshaft - unter Angabe der dem Verstorbenen zur Last gelegten Delikte - erwähnt werden (E. 4). 2. Darin, dass durch die Verlesung der Anklageschrift in öffentlicher Verhandlung der gute Ruf des Opfers beeinträchtigt wird, liegt kein Eingriff in die persönliche Freiheit seiner Angehörigen; Abgrenzung des Schutzbereiches dieses Grundrechtes (E. 5a).

104 IA 65 () from 22. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; kommunale Zonenplanung, Gehörsanspruch des Grundeigentümers. Beim Erlass eines kommunalen Zonenplanes sind die betroffenen Grundeigentümer in geeigneter Form individuell anzuhören, bevor über die Zoneneinteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird. Dieser Gehörsanspruch besteht auch dann, wenn der neue Zonenplan die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstückes gegenüber der bisher geltenden Zonenordnung nicht einschränkt. Will die Kantonsregierung die im kommunalen Planfestsetzungsverfahren beschlossene Zoneneinteilung nicht genehmigen, so muss sie, bevor sie eine Änderung des Planes anordnet, die hievon betroffenen Grundeigentümer anhören. Eine nochmalige Anhörung ist nicht erforderlich, wenn die Betroffenen ihre Einwände gegen die von der Kantonsregierung beabsichtigte Zoneneinteilung schon im kommunalen Verfahren vorgebracht haben.

104 IA 69 () from 21. Juni 1978
Regeste: Art. 4 BV. Rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren. 1. Voraussetzungen, unter denen Berichte verwaltungsinterner Fachstellen dem am Verfahren beteiligten Privaten zur Stellungnahme unterbreitet werden müssen. 2. Der am Verwaltungsverfahren beteiligte Private hat grundsätzlich Anspruch darauf, an den Beweiserhebungen der Verwaltungsorgane teilzunehmen. Eine Ausnahme gilt für Beweiserhebungen, die ihren Zweck nur erfüllen können, wenn sie unangemeldet erfolgen. In derartigen Fällen ist der Gehörsanspruch gewahrt, wenn nachträglich das festgehaltene Beweisergebnis zur Stellungnahme unterbreitet wird.

104 IA 72 () from 3. Mai 1978
Regeste: Art. 4 BV; Voraussetzungen des Anspruchs auf Bestellung, eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes in Verfahren, die ganz oder vorwiegend von der Offizialmaxime beherrscht werden (hier: Verfahren betr. Abänderung des Scheidungsurteils in Bezug auf die Kinderzuteilung).

104 IA 88 () from 8. März 1978
Regeste: Art. 4, 31, 55 BV sowie Meinungsäusserungsfreiheit, Informationsfreiheit und Art. 10 EMRK; Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung. 1. Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten (E. 4). 2. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden indessen nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich über ihre Tätigkeit informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden (E. 5). 3. Die Bündner Richtlinien für die Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung vom 12. Juli 1976 verstossen nicht gegen die genannten Grundrechte (E. 6-12).

104 IA 105 () from 8. März 1978
Regeste: Art. 4 BV und Art. 2 ÜbBest. BV; Fristversäumnis im Zivilprozess. 1. Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden (E. 2b; Bestätigung der Rechtsprechung). 2. Eine kantonale zivilprozessuale Regelung, die bloss wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses eine erneute gerichtliche Geltendmachung des Klageanspruchs ausschliesst, verstösst gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (E. 4) und wegen Unverhältnismässigkeit und überspitztem Formalismus auch gegen Art. 4 BV (E. 5).

104 IA 113 () from 25. Januar 1978
Regeste: Art. 4 BV, Gewaltentrennung; Delegation der Befugnis an den Regierungsrat zur Erhebung von Kollegiengeldern an der Universität. Anforderungen an die gesetzliche Grundlage und die Gesetzesdelegation bei der Erhebung einer Benützungsgebühr.

104 IA 120 () from 8. Februar 1978
Regeste: Raumplanung; Art. 22ter BV, Gemeindeautonomie. 1. Rechtsmittelmöglichkeiten gegen kommunale Zonenpläne nach bündnerischem Verfahrensrecht; Aufspaltung des kantonalen Beschwerdeweges; Überprüfung der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit einer angefochtenen Zoneneinteilung durch zwei verschiedene, hierarchisch gleichgeordnete kantonale Beschwerdeinstanzen (Regierung und Verwaltungsgericht); Nachteile eines derartigen Vorgehens (E. 1). 2. Greift eine kantonale Beschwerdeinstanz in die kommunale Zonenplanung ein, weil sie im Vorgehen der Gemeinde einen Verstoss gegen die Eigentumsgarantie erblickt, so kann die Gemeinde mittels Autonomiebeschwerde rügen, dass die kantonale Instanz die Tragweite dieses Grundrechtes verkenne und die Eigentumsgarantie zu Unrecht als verletzt ansehe. Ob der Eingriff in die kommunale Autonomie auf einer richtigen Auslegung dieses verfassungsmässigen Individualrechtes beruht, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (E. 2b). 3. Verkleinerung des Baugebietes; Auszonung eines Grundstückes; Interessenabwägung (E. 3).

104 IA 131 () from 26. April 1978
Regeste: Gemeindeautonomie (Aargau); Etappierung von Bauzonen; Nichtgenehmigung einer kommunalen Bauvorschrift; Verfahren. 1. Verfahren: a) Zu den Rechtsbehelfen, von denen nach Art. 86 Abs. 2 OG zur Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges Gebrauch zu machen ist, gehört auch das in §§ 68 ff des aargauischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vorgesehene abstrakte Normenkontrollverfahren; Bestätigung der Rechtsprechung (E. 1). b) Bei der Anfechtung von Erlassen kann mit der im Anschluss an den kantonalen Rechtsmittelentscheid erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde, unabhängig von der Kognition der kantonalen Rechtsmittelinstanz, auch noch die Aufhebung der angefochtenen Vorschrift selber verlangt werden (E. 2a). c) Hat die kantonale Rechtsmittelinstanz das Vorliegen der gerügten Verfassungsverletzung zu Unrecht verneint, so verletzt ihr Entscheid seinerseits das betreffende Verfassungsrecht (E. 2b). 2. Autonomie der aargauischen Gemeinden im Bereiche des Bau- und Planungswesens. Sinn und Tragweite der dem aargauischen Grossen Rat nach § 147 des kantonalen Baugesetzes zustehenden Zweckmässigkeitskontrolle. Bundesgerichtliche Kognition bezüglich der Ausübung dieser Zweckmässigkeitskontrolle (E. 3). 3. Unterscheidung zwischen Erschliessungsetappierung und Baugebietsetappierung. Überprüfung eines Beschlusses des Grossen Rates, durch den die Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Tägerig abgeändert und anstelle der von den Gemeindebürgern beschlossenen Erschliessungsetappierung eine Baugebietsetappierung vorgeschrieben wird. Keine Verletzung der Gemeindeautonomie (E. 4).

104 IA 148 () from 1. März 1978
Regeste: Art. 84 und Art. 88 OG; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. 1. Anfechtbar i.S. von Art. 84 Abs. 1 OG sind Hoheitsakte, die eine kant. Behörde als Trägerin öffentlicher Gewalt erlässt und die eine oder mehrere Personen zu einem bestimmten Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichten. Diese Voraussetzungen erfüllt die Anordnung nicht, wonach die kant. Regierung die Durchführung der Feststellung der Angetrunkenheit gemäss SVG mittels öffentlicher Ausschreibung vergibt, und die insofern vom vorausgehenden Zirkular (Dienstanweisung) des kant. Polizeikommandos, das diese Untersuchungen einer bestimmten Person übertrug, abweicht (E. 1). 2. Gemäss Art. 88 OG ist nur derjenige legitimiert, der durch den angefochtenen Hoheitsakt in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt wird (E. 2a). Legitimation im vorliegenden Fall verneint (E. 2b).

104 IA 161 () from 1. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; administrative Entlassung eines Beamten. 1. Rechtsnatur der Verwaltungsverordnung. Die rechtliche Grundordnung eines Beamtenverhältnisses ist keine Verwaltungsverordnung, sondern hat Rechtssatzcharakter (E. 2). 2. Verhältnis administrativer und disziplinarischer Entlassung eines Beamten (E. 3a). Weiterbeschäftigung des Beamten während einer beschränkten Zeit trotz administrativer Entlassung (E. 3b).

104 IA 167 () from 22. März 1978
Regeste: Art. 4 BV; Veröffentlichung und Inkrafttreten kantonaler Erlasse. Es ist mit Art. 4 BV grundsätzlich nicht vereinbar, kantonale Erlasse vor ihrer Veröffentlichung anzuwenden.

104 IA 181 () from 20. September 1978
Regeste: Art. 4 BV; Ausgestaltung des kantonalen Rechtsmittelverfahrens gegen Zonenpläne. Die bündnerische Praxis, wonach kommunale Zonenpläne, je nach Art der erhobenen Rüge, entweder mit verfassungsrechtlicher Beschwerde bei der Regierung oder mit Rekurs beim Verwaltungsgericht anzufechten sind, wobei keine der beiden Beschwerdeinstanzen eine vollumfängliche Prüfung vornimmt, verstösst gegen Art. 4 BV. Zuständig ist nach der heutigen Rechtslage einzig die Regierung, welche auf verfassungsrechtliche Beschwerde hin die Rechtmässigkeit einer angefochtenen Zoneneinteilung vollumfänglich zu prüfen hat.

104 IA 187 () from 8. November 1978
Regeste: Art. 4 BV; Zulassung zur kantonalen Grundbuchverwalterprüfung. Es ist verfassungswidrig, einem Bewerber die Zulassung zur Grundbuchverwalterprüfung allein deshalb zu verwehren, weil er wegen Dienstverweigerung aus einer religiös-ethischen Überzeugung und in schwerer Gewissensnot bestraft und aus der Armee ausgeschlossen worden ist.

104 IA 196 () from 8. Februar 1978
Regeste: Art. 31 Abs. 2 BV; Ausübung der Coiffeurberufe. Kantonale Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 2). Genfer Reglement, das die Bewilligung zur Errichtung oder zum Betrieb eines Coiffeursalons von der Voraussetzung abhängig macht, dass dieser unter die Aufsicht eines Coiffeurs, der im Besitz des eidgenössischen oder eines gleichwertigen Fähigkeitsausweises ist, gestellt wird. Fehlende gesetzliche Grundlage dieser Beschränkung (E. 3).

104 IA 201 () from 7. Juni 1978
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde; anfechtbare Verfügung. Die Prüfungsbefugnis eines kantonalen Verwaltungsgerichts ist eine beschränkte, wenn es den Entscheid der untern Instanz nur auf Ermessensmissbrauch oder -überschreitung hin prüfen kann. In einem solchen Fall kann der Beschwerdeführer zusammen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich der Ermessensbetätigung auch jenen der untern Instanz anfechten, welcher unbeschränkte Kognition zustand (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 1). Art. 31ter und Art. 32quater BV; Bedürfnisklausel. 1. Voraussetzungen, unter denen nach Art. 31ter und Art. 32quater BV einschränkende Massnahmen zulässig sind; Rechtslage im Kanton Tessin gemäss dem Gesetz über die Gaststätten vom 11. Oktober 1967 (E. 5a-c). 2. Muss dann, wenn die Verweigerung eines Wirtschaftspatents aus wirtschaftspolitischen Gründen in Frage steht, zweierlei geprüft werden, nämlich einmal, ob die Eröffnung der neuen Gaststätte eine Gefahr für die Existenz der bestehenden Betriebe schafft und, bejahendenfalls, zweitens, ob die Eröffnung einem Bedürfnis, d.h. einem überwiegenden öffentlichen Interesse, entspricht? Frage offen gelassen (E. 5d), da eine Gesetzgebung wie jene des Kantons Tessin, die eine solche doppelte Prüfung vorsieht, auf jeden Fall nicht verfassungswidrig ist (E. 5e und f). Anforderungen an die Begründung eines Urteils, das weitgehend vom Ermessen der Behörde abhängt. Wenn bei Anwendung einer Norm das Ermessen ausgeübt wird, so sind unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV an die Begründung des Entscheids umso höhere Anforderungen zu stellen, je grösser der Spielraum des Ermessens ist und je zahlreicher die tatsächlichen Elemente sind, auf welche sich die Ermessensbetätigung bezieht (E. 5g).

104 IA 215 () from 21. Juni 1978
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Prinzip der Einheit der Materie. 1. Eine abstrakte Normkontrolle von kantonalen Verfassungsbestimmungen kann das Bundesgericht nicht durchführen (Bestätigung der Rechtsprechung). Die Bundesversammlung hat die Übereinstimmung kantonaler Verfassungsbestimmungen mit dem Bundesrecht, inkl. der von der EMRK gewährleisteten Rechte mit verfassungsrechtlichem Inhalt, zu prüfen (E. 1b und c). 2. Prinzip der Einheit der Materie. Anwendung desselben auf den Verfassungsentwurf des Kantons Bern in seinen neuen Grenzen (E. 2).

104 IA 284 () from 22. Februar 1978
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. a OG, Art. 62 Abs. 4 KV-SO und Art. 4 BV; Staatssteuer. 1. Begriff des verfassungsmässigen Rechts im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG (E. 2); Art. 62 Abs. 4 KV-SO, der bestimmt, dass von jedem Einkommen ein zum Leben unbedingt notwendiger Betrag steuerfrei ist, gewährleistet dem Bürger ein solches Recht (E. 3). 2. Möglichkeit des Verfassungswandels; Art. 62 Abs. 4 KV-SO kommt in der Gegenwart nur mehr die Bedeutung zu, dass bestimmte Abzüge (Sozialabzüge) gewährt werden müssen (E. 4). 3. Die gesetzliche Regelung, wonach einem Alleinstehenden, der einen eigenen Haushalt führt, ein grösserer Sozialabzug gewährt wird, als einem Alleinstehenden ohne eigenen Haushalt, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 5).

104 IA 297 () from 28. August 1978
Regeste: Art. 12 ff. KV-GE; Art. 240 GE/StPO; Art. 5 EMRK. Verlängerung der Haft, wenn gegen den die Person verurteilenden Entscheid Berufung eingereicht worden und das Urteil der Berufungsinstanz seinerseits Gegenstand einer Kassationsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Genf ist. Prüfung der Gesetzmässigkeit dieses Freiheitsentzugs mit Bezug auf die Bestimmungen der kantonalen Verfassung und der kantonalen Strafprozessordnung sowie des Art. 5 EMRK.

104 IA 305 () from 1. November 1978
Regeste: Art. 4 BV und Gewaltentrennung; Numerus-clausus bei der Zulassung zu einem staatlichen Lehrerseminar. 1. Legitimation zur Anfechtung von Erlassen; Voraussetzungen (E. 1). 2. Zulässigkeit der Gesetzesdelegation: die gesetzliche Ermächtigung an die Exekutive, quantitative Zulassungsbeschränkungen einzuführen, muss als "Grundzüge der Regelung" zumindest Art und Zweck der Massnahmen, die für deren Durchführung zuständige Behörde und die Auswahlkriterien in der Delegationsnorm nennen. Art. 66 des Unterrichtsgesetzes des Kantons Wallis erfüllt diese Anforderungen nicht (E. 3). 3. Gewohnheitsrecht als gesetzliche Grundlage: Erfordernis einer Lücke des geschriebenen Rechts und eines unabweislichen Bedürfnisses, sie zu füllen; in casu verneint (E. 4).

104 IA 321 () from 27. September 1978
Regeste: Art. 4 BV. Rechtliches Gehör. Verletzung des rechtlichen Gehörs bei ausgangsgemässer Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im Zivilprozess ohne Prüfung des begründeten Antrags der unterliegenden Partei auf Kostenteilung.

104 IA 323 () from 20. Dezember 1978
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Zivilprozess. 1. Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht; Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Armenrecht auf einen im Ausland wohnhaften Schweizer, der in der Schweiz einen Prozess führt? 2. Art. 4 BV; Nachweis der Bedürftigkeit; Glaubhaftmachung genügt, wenn der im Ausland wohnhafte Schweizer die zumutbaren Vorkehren zum Nachweis der Prozessarmut getroffen hat. In jedem Fall steht es der zuständigen Behörde frei, weitere Erkundungen von Amtes wegen einzuholen.

104 IA 328 () from 5. Juli 1978
Regeste: Eigentumsgarantie; Tessiner Baurecht; Ausnützungsziffer; Anwendung auf in verschiedenen Bauzonen gelegene Grundstücke. 1. Ausnützungsziffern stellen im allgemeinen keinen schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie dar. Die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts ist somit in solchen Fällen auf Willkür beschränkt (E. 4). 2. Begriff der Überbauungs- und Ausnützungsziffer. Das Tessiner Baurecht zieht beide in Rechnung (E. 5). 3. Liegen zwei benachbarte Grundstücke in verschiedenen Bauzonen, so ist es nicht willkürlich, bei der Ermittlung der anrechenbaren Landfläche des einen den nicht ausgeschöpften Teil der Ausnützungsziffer des andern Grundstücks nicht zu berücksichtigen (E. 5).

104 IA 336 () from 1. November 1978
Regeste: Güterzusammenlegung; gesetzliche Grundlage für eine Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers. 1. Das Institut der Gewinnbeteiligung ist nicht notwendiger Wesensbestandteil einer Güterzusammenlegung (E. 4a). 2. Einschränkende Auslegung einer Kompetenzabtretung vom kantonalen Gesetzgeber an eine kommunale öffentlichrechtliche Körperschaft (E. 4b und c). 3. Die Gewinnbeteiligungspflicht als schwerwiegende Eigentumsbeschränkung (E. 4d).

104 IA 343 () from 5. Juli 1978
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Ungültigerklärung einer Initiative. 1. Natur einer Initiative nach neuenburgischem Recht, die auf Erweiterung der Volksrechte gerichtet ist (Verfassungs- oder Gesetzesinitiative) (E. 2 und 3). 2. Grundsätze der Auslegung eines Initiativtextes; Anwendung derselben auf den konkreten Fall (E. 4).

104 IA 360 () from 13. Dezember 1978
Regeste: Kantonale Wahlen. Wahllistenverbindung. 1. a) Legitimation politischer Parteien zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen eine Wahl (E. 1a). b) Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1b). 2. Nach waadtländischem Recht zuständige Behörde für die Entgegennahme von Listenverbindungserklärungen (E. 2). 3. Eine Listenverbindungserklärung, die den Stimmbürgern nicht auf irgendeine Weise bekannt gemacht worden ist, ist unwirksam (E. 3).

104 IA 377 () from 4. Oktober 1978
Regeste: 1. Inhalt und Umfang der von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfassten Informationsfreiheit (E. 2). 2. Bedeutung des Rechtsgleichheitsgebots bei der Abgabe von Presseunterlagen durch die Behörden (E. 3).

104 IA 381 () from 1. November 1978
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde der Gemeinde zur Wahrung ihrer Existenz oder des Bestandes ihres Gebietes. 1. Im Rahmen einer solchen Beschwerde kann die Gemeinde die Willkürrüge nur erheben, wenn diese mit der Rüge wegen Verletzung der Existenz- oder Bestandesgarantie eng zusammenhängt (E. 1). 2. Die Gemeinde ist auch dann zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich darauf beschränkt, einer anderen Gemeinde ein bisher umstrittenes Gebiet zuzusprechen (Änderung der Rechtsprechung) (E. 3). 3. Auch bei Beschwerden der Gemeinden bezüglich ihrer Existenz oder des Bestandes ihres Gebietes prüft das Bundesgericht alle Fragen, die nicht die Auslegung und Anwendung besonderer Normen der Verfassungsstufe betreffen, bloss auf Willkür (E. 6b). Gebietshoheit über die Alp von Campo la Torba im Sambuco-Tal, Gegenstand eines jahrhundertealten Streites zwischen den Gemeinden Fusio im Maggiatal und Airolo im Livinental. Prüfung des Entscheides des Regierungsrates, der die Alp zum integrierenden Bestandteil des Gebietes von Fusio erklärt, im Lichte rechtsgeschichtlicher Gutachten, historischer Dokumente - insbesondere der Abschiede der Tagsatzung - und der geographischen Lage (E. 7 bis E. 9).

104 IA 408 () from 13. Dezember 1978
Regeste: Kantonales Zivilprozessrecht. Art. 4 BV, vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 31 MSchG. 1. Überprüfungsbefugnis des zürcherischen Kassationsgerichts hinsichtlich prozessualer und materiellrechtlicher Rügen (E. 3). 2. Ist in einem Streit um vorsorgliche Massnahmen nach MSchG die Frage, ob der Kläger "glaubhaft gemacht" hat, dass die Gegenpartei sein Markenrecht verletzt hat, materieller oder prozessualer Natur? Begriff des "Glaubhaftmachens" (E. 4 und 5).

104 IA 440 () from 13. Dezember 1978
Regeste: Art. 4 und 56 BV; Gewaltentrennung; Schaffung einer öffentlichrechtlichen studentischen Körperschaft. 1. Die Schaffung einer öffentlichrechtlichen Körperschaft ohne Zwangsmitgliedschaft verletzt die Vereinsfreiheit nicht (E. 3). 2. Die Schaffung einer öffentlichrechtlichen Körperschaft bedarf formeller gesetzlicher Grundlage (E. 4). Erfordernis im vorliegenden Fall nicht erfüllt (E. 5).

104 IA 448 () from 26. April 1978
Regeste: Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Spanien vom 31. August 1883. - Haftbefehl gegen einen spanischen Anwalt, provisorische Haftentlassung desselben gegen Kaution; dieser war zuerst Wahlverteidiger eines Beschuldigten, wurde dann von diesem als Zeuge angerufen und in dieser Eigenschaft wegen Teilnahme an den seinem Ex-Klienten zur Last gelegten Straftaten verhaftet. - "Salvus-conductus"-Klausel.

104 IA 465 () from 22. November 1978
Regeste: Art. 4 BV; Verweigerung des rechtlichen Gehörs im Rechtsöffnungsverfahren. Holt der Betriebene die Vorladung zur Rechtsöffnungsverhandlung zwar innert der ihm von der Post angesetzten Abholungsfrist von sieben Tagen, jedoch erst nach dem Verhandlungstermin ab, so ist - abgesehen von Fällen offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - der Rechtsöffnungsentscheid auf Beschwerde des Betriebenen wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (E. 3).

104 IB 28 () from 25. Januar 1978
Regeste: Enteignungsrecht für den Bezug der zur Erstellung eines Werkes erforderlichen Baustoffe; Art. 4 lit. c EntG. 1. Bei Ausübung des ihnen in Art. 39 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 NSG übertragenen Enteignungsrechtes können sich die Kantone unterschiedslos auf alle Bestimmungen des EntG stützen, welche die Voraussetzungen, den Umfang und den Gegenstand der Enteignung regeln, insbesondere auf die Art. 1, Art. 4 und Art. 5 EntG (E. 3). 2. Einzige im EntG gestellte Bedingung für die Inanspruchnahme des Enteignungsrechtes zum Abbau (Bezug) der in einem Grundstück liegenden Baustoffe ist, dass bei deren Beschaffung aus einem weiter entfernten Ort sehr schwere Unzukömmlichkeiten wegen übermässiger Kosten oder technischer Schwierigkeiten der Herbeischaffung entständen; hingegen ist nicht erforderlich, dass der fragliche Grundeigentümer eine übertriebene Entschädigung verlangt oder es rundweg ablehnt, die Ausbeutung gütlich einzuräumen. Auslegung von Art. 4 lit. c EntG aufgrund seiner Entstehungsgeschichte, aufgrund der unter Herrschaft des früheren EntG von 1850 vom Bundesrat entwickelten Praxis und aufgrund des Zweckes und des Wesens des Rechtsinstitutes der Enteignung selbst (E. 5). 3. Ist die genannte Bedingung im vorliegenden Fall erfüllt? (E. 7).

104 IB 119 () from 12. Juli 1978
Regeste: Verfahren; rechtliches Gehör. 1. Ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über die Verweigerung einer Bewilligung nach Art. 4 Abs. 3 BMR unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit dieser kann auch eine Verletzung des verfassungsmässigen Gehörsanspruchs gerügt werden. Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). 2. Tragweite des aus Art. 4 BV folgenden Anspruchs der Parteien auf Teilnahme an einem Augenschein. Voraussetzungen, unter denen die Verwaltungsorgane einen Augenschein unangemeldet oder ohne Beizug der Parteien vornehmen dürfen (E. 2).

104 IB 129 () from 29. September 1978
Regeste: Verfahren. Beamtenrecht; vorläufige Dienstenthebung gemäss Art. 52 BtG. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Auslegung des Art. 100 lit. a OG; Ausschlussgrund hier verneint (E. 1). 2. Die vorläufige Dienstenthebung gemäss Art. 52 BtG ist nicht als Zwischenverfügung, sondern als Endverfügung einzustufen (E. 2). 3. Die vorläufige Dienstenthebung gemäss Art. 52 BtG darf nicht ohne vorgängige Anhörung des Betroffenen erfolgen. Auslegung von Art. 30 Abs. 2 lit. e VwVG. (E. 3-7).

104 IB 205 () from 3. Februar 1978
Regeste: Schlachtviehordnung. Überprüfung einer bundesrätlichen Verordnung durch ein Departement (E. 2). Gesetz- und Verfassungsmässigkeit von Art. 17 Abs. 3 SV in der Fassung von 1976 (E. 3, 4). Vereinbarkeit der sofortigen Inkraftsetzung des revidierten Art. 17 Abs. 3 SV mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und mit Art. 4 BV (E. 5). Liegt in der sofortigen Anwendung des revidierten Art. 17 Abs. 3 SV auf neue Kontingentsberechnungen eine unzulässige Rückwirkung? Frage verneint (E. 6).

104 IB 385 () from 17. März 1978
Regeste: Besteuerung eines durch eine Erbengemeinschaft bei Veräusserung oder Verwertung von Geschäftsliegenschaften erzielten Kapitalgewinns (Art. 21 Abs. 1 lit. d und Art. 43 WStB; Art. 19 Abs. 2 lit. b und Art. 75 Steuergesetz des Kantons Tessin vom 11. April 1950). 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Veranlagung betreffend die Wehrsteuer bzw. der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Veranlagung betreffend die kantonalen Steuern. Ein Erbe, der nicht in dem gemäss Art. 77 ff. WStB für die angefochtene Veranlagung zuständigen Kanton Wohnsitz hat, ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht legitimiert; er kann indessen als Mitbeteiligter im Sinn von Art. 110 OG betrachtet werden (E. 2a/b). 2. Verhältnis zwischen der Einkommenssteuer und der Spezialsteuer betreffend Grundstückgewinne. Rechtslage in verschiedenen Kantonen und im besonderen im Kanton Tessin gemäss dem Steuergesetz von 1950 sowie dem Gesetz betreffend die Grundstückgewinnsteuer vom 17. Dezember 1964 (E. 5-7). 3. Entstehung der Steuerforderung gegenüber einer Erbengemeinschaft: Die Steuerforderung entsteht erst mit der Veräusserung oder einer auf die Dauer ausgerichteten und endgültigen Verwertung der vom Erbgang betroffenen Geschäftsliegenschaften, sofern nicht alle oder einzelne Erben durch eine ausdrückliche Erklärung die Überführung ihres Anteils aus dem Geschäftsvermögen in ihr Privatvermögen herbeiführen (E. 8-E. 14: Wehrsteuerrecht; E. 15: kant. Recht). 4. Wertzerlegung einer gemischt genutzten Liegenschaft. Vereinbarkeit des Merkblatts der Eidg. Steuerverwaltung vom 23. Juli 1969 über die Besteuerung von Gewinnen aus teils geschäftlich und teils privat genutzten Liegenschaften (s. ASA 38, 128 ff. u. 131 ff.; Rivista tributaria ticinese 1969, 108 ff.) mit dem WStB (E. 18a).

104 II 222 () from 31. Mai 1978
Regeste: Art. 4 BV; Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis: Unentgeltlichkeit des Verfahrens. Art. 343 Abs. 3 OR über die Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt auch in Streitigkeiten über prozessuale Nebenpunkte.

104 IV 68 () from 31. Mai 1978
Regeste: 1. Art. 269 BStP. Die Vereinigung von Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist nur zulässig, wenn beide Rechtsmittel hinsichtlich Antrag und Begründung klar auseinandergehalten werden (Erw. 2). 2. Art. 271 Abs. 1 BStP, Art. 58 und Art. 60 StGB. a) Eine auf den Zivilweg verwiesene adhäsionsweise geltend gemachte Schadenersatzforderung ist nicht mit der Strafklage "beurteilt" (Erw. 3b). b) Die Einziehung von Verbrechensgut zuhanden des Staates gemäss Art. 58 StGB wird nicht zur Befriedigung eines Zivilanspruchs verhängt (Erw. 3c). c) Ein auf Art. 60 StGB gestütztes Begehren des Geschädigten betrifft keinen Zivilanspruch (Erw. 3d).

104 V 19 () from 19. Januar 1978
Regeste: Art. 67 Abs. 3 KUVG. Deltasegeln an sich ist kein Wagnis, kann es aber umständehalber sein.

104 V 174 () from 28. August 1978
Regeste: Art. 45 VwVG, 101 lit. a OG und 30ter KUVG. Eine Zwischenverfügung des Schiedsgerichts gemäss Art. 25 KUVG, welche das Ausstandsbegehren gegen einen mitwirkenden Schiedsrichter abweist, ist selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (Erw. 1). Art. 25 Abs. 4 KUVG. Ein Schiedsrichter kann nicht deswegen als befangen abgelehnt werden, weil er bereits am vorangegangenen Vermittlungsverfahren vor der Schlichtungsinstanz mitgewirkt hat (Erw. 2 und 3).

104 V 209 () from 4. Dezember 1978
Regeste: Art. 71 und 121 Abs. 1 KUVG, Art. 12 und 13 VwVG. - Umfang der Pflicht zur Beweisabnahme. - Bedeutung der von der SUVA während des Administrativverfahrens eingeholten Gutachten für den Sozialversicherungsprozess.

105 IA 2 () from 17. Januar 1979
Regeste: Art. 4 BV, Grundsatz der Gewaltentrennung. Gesetzliche Grundlage zur Erhebung einer Gemengsteuer. 1. § 371 des solothurnischen EGzZGB stellt keine genügende Grundlage zur Erhebung der Promillegebühr dar (E. 1). 2. Gewohnheitsrechtliche Grundlage der solothurnischen Promillegebühr? Gewohnheitsrecht vermag eine formell-gesetzliche Grundlage im Prinzip auch dann nicht zu ersetzen, wenn die zu erhebende Steuer einst eine den heutigen Anforderungen entsprechende gesetzliche Grundlage besass und ihr nachträglich verlustig ging (E. 2a). Im konkreten Fall fehlen zudem die Voraussetzungen für die Bildung von Gewohnheitsrecht (E. 2b).

105 IA 15 () from 28. März 1979
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde. Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit. 1. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Gleichzeitige Anfechtung eines kantonalen Entscheides mit staatsrechtlicher Beschwerde und mit einem kantonalen Rechtsmittel (E. 2). 2. Wer wegen Missachtung einer mit einer Bewilligung verbundenen Auflage bestraft wird, kann im Rahmen einer erst an den Strafentscheid anschliessenden staatsrechtlichen Beschwerde, vorbehältlich gewisser Ausnahmen, die Frage der Verfassungsmässigkeit der Bewilligungsverfügung nicht mehr aufwerfen (E. 3). 3. Das Aufstellen eines Informationsstandes auf öffentlichem Grund zur Verteilung von Flugblättern darf als gesteigerter Gemeingebrauch auch dann bewilligungspflichtig erklärt werden, wenn die Ausübung ideeller Freiheitsrechte in Frage steht. Beim Entscheid über die Zurverfügungstellung eines öffentlichen Standplatzes darf die Behörde, innerhalb gewisser Schranken, auch den Inhalt der zur Verteilung bestimmten Flugblätter berücksichtigen bzw. die Bewilligung in dieser Hinsicht an gewisse Auflagen knüpfen (E. 4).

105 IA 26 () from 31. Januar 1979
Regeste: Untersuchungshaft; persönliche Freiheit, Art. 5 Ziff. 1 und 3 EMRK. 1. Ausnahme vom Grundsatz der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde; Zulässigkeit des Antrages auf Anordnung der Haftentlassung (E. 1). 2. Haftgrund der Wiederholungsgefahr (E. 3c). Vereinbarkeit dieses Haftgrundes mit Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK (E. 4a). 3. Zulässige Dauer der Untersuchungshaft; Art. 5 Ziff. 3 EMRK (E. 4b). 4. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf der Fortgang der Untersuchung nicht gehindert werden; von den Untersuchungsbehörden wird erwartet, dass sie die wesentlichen Akten im Doppel haben (E. 4b). 5. Die Erfüllung des verfassungsmässigen Anspruches auf eine minimale körperliche Bewegungsmöglichkeit (täglich ein halbstündiger Spaziergang an der frischen Luft) darf nicht von der Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt abhängig gemacht werden (E. 5a).

105 IA 36 () from 10. Mai 1979
Regeste: Staats- und Beamtenhaftung. Zeitlicher Geltungsbereich der durch den revidierten Art. 21 der Walliser Kantonsverfassung neu eingeführten direkten Staatshaftung.

105 IA 43 () from 9. März 1979
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation. 1. Die Zulässigkeit und Höhe einer Gebühr überprüft das Bundesgericht grundsätzlich nach Massgabe von Art. 4 BV. Ist die Rechtmässigkeit der Gebühr indessen abhängig von der Zulässigkeit einer Eigentumsbeschränkung, so kann auch die Eigentumsgarantie angerufen werden (E. 1b). 2. Der Mieter ist befugt, sich gegen Eingriffe in das Eigentum zu wehren, wenn er dadurch in seinen Rechten als Mieter betroffen wird (E. 1c).

105 IA 47 () from 5. April 1979
Regeste: Beschwerde privater wegen Verletzung des Art. 4 BV und der Gemeindeautonomie. Ein Privater kann im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte nur dann vorfrageweise eine Verletzung der Gemeindeautonomie rügen, wenn an sich auf die Beschwerde wegen Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte eingetreten werden kann.

105 IA 49 () from 16. Mai 1979
Regeste: Verwaltungsverfahren; rechtliches Gehör. Haben die Verwaltungsorgane einen Augenschein, dem für die rechtserhebliche Abklärung des umstrittenen Sachverhaltes wesentliche Bedeutung zukam, nicht in Anwesenheit des beteiligten Privaten oder seines Vertreters durchgeführt, so wurde jener in seinem aus Art. 4 BV abgeleiteten Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

105 IA 54 () from 4. Mai 1979
Regeste: Art. 88 OG, Art. 4 BV; Erbschaftssteuer. 1. Drittpersonen steht die Beschwerdebefugnis nicht zu, wenn sie in einem Verfahren nur dadurch betroffen sind, dass sie sich einem Steuerpflichtigen gegenüber verpflichtet haben, eine geschuldete Steuer zu übernehmen (E. 1b). 2. Im Erbschaftssteuerrecht ist grundsätzlich ein Vergleich zwischen den Erben zu berücksichtigen, wenn durch diesen ernsthafte Zweifel an der erbrechtlichen Lage beseitigt werden und wenn sich die getroffene Vereinbarung nicht offensichtlich gegen den Fiskus richtet (E. 2 und 3a).

105 IA 67 () from 11. Mai 1979
Regeste: Art. 4, 31 und 33 BV; Anwaltsmonopol in Steuersachen. 1. Legitimation der Partei zur staatsrechtlichen Beschwerde, wenn eine von ihr bevollmächtigte Person nicht als Parteivertreter zugelassen wurde (E. 1b). 2. Anwaltsmonopol und Handels- und Gewerbefreiheit: a) Inwiefern hat eine gesetzliche Ordnung der gewillkürten Parteivertretung die Handels- und Gewerbefreiheit zu beachten (E. 4)? b) Öffentliche Interessen, welche Einschränkungen der gewillkürten Parteivertretung rechtfertigen können (E. 5). c) Ist es mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar, die gewillkürte Parteivertretung vor der obersten kantonalen Steuerjustizbehörde allein den Rechtsanwälten vorzubehalten? (Frage offen gelassen). Überblick über den Rechtszustand in den Kantonen (E. 7).

105 IA 91 () from 27. Juni 1979
Regeste: Art. 4 BV, Meinungsäusserungsfreiheit; Standaktion auf öffentlichem Grund. 1. Das Aufstellen von Ständen auf öffentlichem Grund darf bewilligungspflichtig erklärt werden; Bestätigung der Rechtsprechung (E. 2). 2. Ermessen der Behörde; zu berücksichtigende Interessen (E. 3). 3. Interessenabwägung in einem Fall, in welchem die Gesuchsteller die Bewilligung von fünf Standaktionen innerhalb eines Zeitraumes von rund eineinhalb Monaten auf demselben öffentlichen Platz anbegehrt haben (E. 4).

105 IA 104 () from 21. März 1979
Regeste: Art. 13 EMRK; die Tatsache, dass Verfügungen des Staatsanwalts nicht bei einer kantonalen Rekursinstanz angefochten werden können, stellt keine Verletzung der EMRK dar, wenn sie das Bundesgericht unmittelbar aufgrund einer staatsrechtlichen Beschwerde prüfen kann.

105 IA 107 () from 29. März 1979
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde, Subsidiarität (Art. 84 Abs. 2 OG). Die staatsrechtliche Beschwerde ist unzulässig, wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Verfügung steht, sie ist es, selbst wenn die Frist für die Einreichung der letztgenannten nur zehn Tage beträgt, weil der angefochtene Entscheid eine Zwischenverfügung ist (Art. 106 OG).

105 IA 108 () from 9. Mai 1979
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen Pläne. Anfechtung einer Planungszone wegen Nichteinbezug eines Drittgrundstückes.

105 IA 113 () from 21. Mai 1979
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. Begriff der Aussichtslosigkeit eines Zivilprozesses.

105 IA 115 () from 19. Juli 1979
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. Die Auffassung, eine gerichtliche Abschreibungsverfügung, welche gestützt auf die Erklärung des Gesuchstellers betreffend den Rückzug seines Begehrens um unentgeltliche Prozessführung getroffen wurde, könne wegen behaupteter Willensmängel nicht mit einem Rechtsmittel, sondern nur durch Klage in einem neuen, selbständigen Prozess angefochten werden, ist unhaltbar (E. 1). Eine Fehleinschätzung der Prozesschancen kann keinen wesentlichen, d.h. rechtlich beachtlichen Irrtum darstellen (E. 2).

105 IA 120 () from 1. Juni 1979
Regeste: Art. 4 BV; Prinzip der gleichen Besoldung der Geschlechter. Unabhängig von finanziellen Schwierigkeiten eines Kantons steht Lehrerinnen der Anspruch auf gleiche Besoldung mit Wirkung vom Datum der angefochtenen Anstellungsverfügung zu.

105 IA 122 () from 10. Juli 1979
Regeste: Art. 4 BV. Eine Behörde handelt willkürlich, wenn sie ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis nachträglich in eine zivilrechtliche Anstellung umdeutet, weil es angeblich gewissen Vorschriften des Beamtenrechts nicht entspricht.

105 IA 127 () from 15. August 1979
Regeste: Anspruch auf angemessene Parteientschädigung desjenigen, dessen Rechtsmittel in einer Strafsache vollumfänglich oder teilweise gutgeheissen wird. 1. Die schweizerische Rechtsordnung kennt keinen allgemeinen und unbestrittenen Grundsatz, wonach die kantonalen Behörden dem in einem Strafverfahren obsiegenden Beschwerdeführer auch bei Fehlen entsprechender Gesetzesbestimmungen eine Parteientschädigung zusprechen müssen (E. 2b). 2. Weder Art. 5 noch Art. 6 EMRK gewährleisten einen solchen Anspruch (E. 3).

105 IA 134 () from 2. März 1979
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Gewaltentrennung; Verfassungsmässigkeit der Abschöpfung von Planungsmehrwerten. 1. Begriff der Mehrwertabschöpfung (E. 2). 2. Die Eigentumsgarantie gewährt in ihrer Form als Institutsgarantie einen Schutz vor konfiskatorischer Besteuerung (E. 3a). Eine Abschöpfung von bis zu 60 Prozent des durch Planungsmassnahmen verursachten Mehrwerts verletzt die Eigentumsgarantie nicht (E. 3b). 3. Die Erhebung von Mehrwertabgaben verstösst nicht gegen die Rechtsgleichheit (E. 4a). 4. Mehrwertabgaben unterliegen grundsätzlich den gleichen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage wie Steuern (E. 5b). Unzulänglichkeit der gesetzlichen Regelung im vorliegenden Fall (E. 5c).

105 IA 157 () from 10. Juli 1979
Regeste: Art. 4 und 58 BV; Ausstand eines Gerichts in seiner Gesamtheit. 1. Tragweite von Art. 58 Abs. 1 BV im allgemeinen; Verhältnis zum kantonalen Prozessrecht; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3-5). 2. Aus Art. 58 Abs. 1 BV ergibt sich, dass der Ausstand eines Gerichts in seiner Gesamtheit nur aus erheblichen Gründen bewilligt werden soll (E. 6a und b). 3. Abwägung im konkreten Fall (E. 6c).

105 IA 172 () from 3. Oktober 1979
Regeste: Art. 4 und 58 BV; Besetzung des urteilenden Gerichts. 1. Tragweite von Art. 58 Abs. 1 BV im allgemeinen: Verhältnis zu Art. 4 BV und zum kantonalen Gerichtsverfassungsrecht; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2 und 3). 2. Verletzung von Art. 58 Abs. 1 BV durch willkürliche Auslegung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts? (E. 4). 3. Anderweitige Verletzung von Art. 58 Abs. 1 und Art. 6 EMRK? (E. 5 und 6).

105 IA 190 () from 24. Juli 1979
Regeste: Art. 4 BV; kantonale Prüfung. Kognition des Bundesgerichts bei staatsrechtlichen Beschwerden gegen kantonale Examensentscheide.

105 IA 193 () from 10. Juli 1979
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. Allgemeine Voraussetzungen des aus Art. 4 BV folgenden Minimalanspruches auf rechtliches Gehör.

105 IA 205 () from 3. Oktober 1979
Regeste: Hafterstreckung; rechtliches Gehör. Art. 4 BV, Art. 5 EMRK. Aus Art. 4 BV ergibt sich kein Rechtsanspruch des Untersuchungsgefangenen auf Anhörung vor jeder Hafterstreckung. Hingegen muss ihm - auch nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK - eine Beschwerdemöglichkeit gegen die Haftverlängerung eingeräumt werden. Das Recht, ein Haftentlassungsgesuch stellen zu können, kann dieser Beschwerdemöglichkeit gleichgestellt werden.

105 IA 207 () from 11. Mai 1979
Regeste: Art. 4 BV; Kanalisationsbaubeitrag, öffentlichrechtlicher Vertrag. 1. Zulässigkeit öffentlichrechtlicher Verträge (E. 2a). 2. Durchsetzung öffentlichrechtlicher Verträge; Erhebung von Einwendungen, mit denen die Gültigkeit des Vertrags bestritten wird (E. 2b). 3. Wann bewirkt ein inhaltlicher Mangel die Ungültigkeit eines den Bürger belastenden öffentlichrechtlichen Vertrags (E. 2b)? Geltendmachung von Willensmängeln (E. 2c).

105 IA 214 () from 12. Oktober 1979
Regeste: Art. 4 BV; Rückerstattung von Gebühren. Es verstösst gegen Art. 4 BV, die Rückerstattung von Bewilligungsgebühren für das Aufstellen von Geldspielautomaten zu verweigern, wenn infolge einer Gesetzesänderung der Betrieb dieser Automaten während der Bewilligungsdauer verboten wird.

105 IA 219 () from 26. September 1979
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Strandwegprojekt, Interessen der Seeanstösser. Der Anstoss eines Grundstückes an ein öffentliches Gewässer bildet - abweichende kantonale Vorschriften vorbehalten - lediglich einen für den Eigentümer günstigen tatsächlichen Zustand, der im öffentlichen Interesse geändert werden kann. Die tatsächliche Vorzugsstellung verschafft dem Anstösser kein unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehendes Recht auf Fortbestand des Seeanstosses (E. 2). Das Strandwegprojekt verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht (E. 3).

105 IA 223 () from 24. Oktober 1979
Regeste: Planungszonen gemäss § 346 des zürcherischen Planungs- und Baugesetzes. - Öffentliches Interesse an einer Planungszone; Sinn und Zweck der Planungszonen, welche die Durchführung einer Richtplanung (des kantonalen Gesamtplanes) sichern (E. 2 a-d). - Inwiefern können die durch die Planungszonen bewirkten Eingriffe angefochten werden, inwiefern ist zuzuwarten bis die Nutzungsplanung vorliegt? Rechtsschutz unter dem neuen RPG (E. 2 d, e).

105 IA 271 () from 4. Mai 1979
Regeste: Nichtwiederwahl eines kantonalen Beamten 1. a) Sofern das kantonale Recht den Beamten keinen Anspruch auf Wiederwahl gewährt, greift die Wahlbehörde durch die Nichterneuerung des Beamtenverhältnisses nicht in rechtlich geschützte Interessen des Beamten ein, so dass diesem aufgrund von Art. 88 OG die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde fehlt (E. 2 a-c). b) Hingegen kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen (E. 2d). 2. Vor der bloss antragstellenden Behörde besteht unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV kein Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 3b).

105 IA 307 () from 4. Mai 1979
Regeste: Vollstreckung eines kanadischen Zivilurteils gemäss § 323 der solothurnischen ZPO. Erfordernis der gesetzlichen Vorladung zur Urteilsverhandlung gemäss § 323 Abs. 2 lit. c ZPO; willkürliche Anwendung dieser Bestimmung verneint (E. 3). Völkerrechtliche Zulässigkeit der Postzustellung von ausländischen Gerichtsakten? (E. 3.) Verstoss gegen Treu und Glauben durch Geltendmachen eines Fehlers in der Zustellung der Vorladung? (E. 4.)

105 IA 349 () from 13. Juli 1979
Regeste: Anfechtung der Weisungen der Finanzdirektion an die Steuerbehörden über die Neueinschätzung der Liegenschaften. 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (E. 2 und 3). a) Anfechtung von Verwaltungsverordnungen (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 2a). b) Legitimation zur Anfechtung von Verfügungen und Erlassen wegen Privilegierung Dritter (E. 3). 2. Zulässigkeit der Stimmrechtsbeschwerde (E. 4). Erlasse der Verwaltung, die nach der verfassungsrechtlichen Ordnung zum vorneherein nicht der Volksabstimmung unterliegen, sind nicht mit Stimmrechtsbeschwerde anfechtbar. Zulässig ist einzig die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gewaltentrennung. Die Stimmrechtsbeschwerde kann auch nicht gegen Einzelverfügungen der Verwaltung ergriffen werden, mit der Begründung, dass die Verfügung im Ergebnis einer Gesetzesänderung gleichkomme.

105 IA 379 () from 31. Oktober 1979
Regeste: Persönliche Freiheit; Art. 6 EMRK. Es bedeutet weder eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit noch der Europäischen Menschenrechtskonvention, wenn das Recht des unbeaufsichtigten Verkehrs mit den Untersuchungs- und Sicherheitsgefangenen nur dem Verteidiger selbst, nicht aber seinen Hilfspersonen gewährt wird.

105 IA 396 () from 12. Dezember 1979
Regeste: Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK. Aufgrund dieser Vorschrift ist dem Angeklagten - von gewissen Ausnahmefällen abgesehen - wenigstens einmal während des Strafverfahrens Gelegenheit zu geben, der Einvernahme von Belastungszeugen beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen oder aber nach Einsicht in das Einvernahmeprotokoll schriftlich Ergänzungsfragen an diese Zeugen zu stellen.

105 IB 49 () from 29. Juni 1979
Regeste: Erwerb des Schweizer Bürgerrechts (Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG). 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide, welche sich auf das BüG stützen (E. 1a). 2. Diejenige Mutter ist "von Abstammung Schweizer Bürgerin" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a und 57 Abs. 6 BüG, die das Bürgerrecht von Gesetzes wegen von ihrem Vater oder ihrer Mutter erworben hat oder die durch behördlichen Beschluss aufgrund des Kindesverhältnisses zu ihrem Vater oder ihrer Mutter Schweizer Bürgerin geworden ist (E. 2c-5a). 3. Nicht von Abstammung Schweizer Bürgerin ist die Mutter, die das Bürgerrecht unabhängig von der Beziehung zu schweizerischen Vorfahren erworben hat (E. 5b).

105 IB 72 () from 1. Juni 1979
Regeste: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Liste der Ausweise, die zur prüfungsfreien Zulassung oder zur Zulassung mit reduzierter bzw. umfassender Aufnahmeprüfung in das erste Semester der ETH berechtigen. 1. Art. 100 lit. k OG ist im Fall der Anerkennung eines ausländischen Maturitätszeugnisses nicht anwendbar (E. 1c). 2. Der Schweizerische Schulrat darf mit einem dem Bundesrat nicht zur Genehmigung unterbreiteten Reglement nicht eines seiner Reglemente abändern, die vom Bundesrat genehmigt worden sind (Grundsatz des Parallelismus der Rechtssetzungsformen).

105 IB 84 () from 7. März 1979
Regeste: Wehrsteuer, kantonale Ertragssteuer; verdeckte Gewinnausschüttung. Es ist mit dem WStB nicht vereinbar, wenn sich die Veranlagungsbehörde beim Entscheid darüber, ob durch den Verkauf einer Liegenschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung getätigt worden sei, an den im Rahmen der Vermögenssteuer ermittelten Schätzungswert der Liegenschaft gebunden erachtet (E. 2). Hinsichtlich der kantonalen Ertragssteuer verstösst diese Auffassung gegen Art. 4 BV (E. 3).

105 IB 154 () from 13. Juli 1979
Regeste: Schweizerbürgerrecht, Wiedereinbürgerung. Art. 21 BüG. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet des Schweizerbürgerrechts (E. 1). 2. Materielle Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 21 BüG (E. 2). 3. Frist zur Einreichung eines Gesuchs nach Art. 21 BüG. Wiederherstellung der Frist gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben? Frage offen gelassen (E. 3-5).

105 IB 265 () from 27. Juni 1979
Regeste: Art. 26bis Abs. 1 FPolV; Untergang der Wieder- und Ersatzaufforstungspflicht durch Zeitablauf. 1. Auch nicht vermögensrechtliche Ansprüche des öffentlichen Rechts können der Verjährung unterliegen (E. 3a). Ausnahme bei Polizeigütern (E. 3b). 2. Übertragung der Unterscheidung von Veranlagungs- und Bezugsverjährung im Abgaberecht auf die Frage der Verjährbarkeit der Wieder- oder Ersatzaufforstungspflicht (E. 4). 3. Die Befugnis der Behörden, nach einer wiederrechtlichen Rodung eine Ersatz- oder Wiederaufforstung anzuordnen, ist auf 30 Jahre befristet (Verwirkungsfrist), analoger Beizug der Regel von Art. 662 ZGB (E. 6a und b). Vorbehalt des Schutzes von Treu und Glauben und des gutgläubigen Erwerbs (E. 6c). 4. Verjährbarkeit der konkret angeordneten Ersatz- oder Wiederaufforstungspflicht; Frage offen gelassen (E. 5).

105 IB 416 () from 11. September 1979
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959. Entsiegelung von im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens beschlagnahmten Akten. Verhältnis zwischen Entsiegelungsverfahren und Rechtshilfeverfahren im Kanton Zürich.

105 II 35 () from 6. März 1979
Regeste: Weisseln der Decken einer Wohnung beim Auszug des Mieters. Art. 4 BV; Art. 271 Abs. 2 OR und Art. 5 BMM. Unter der Herrschaft des BMM ist es selbst bei entsprechenden vertraglichen Abreden willkürlich, den Mieter zu verpflichten, bei seinem Auszug die Kosten für das Weisseln der Decken der gemieteten Wohnung zu übernehmen.

105 II 273 () from 6. November 1979
Regeste: Art. 168 OR. Gerichtliche Hinterlegung einer streitigen Forderung. 1. Schutzwürdiges Interesse als Voraussetzung zur staatsrechtlichen Beschwerde. Verstösse gegen Art. 4 BV und andere Verfassungsbestimmungen (E. 1). 2. Der Schuldner hat die Identität der streitigen Ansprüche zumindest glaubhaft zu machen, wenn die Voraussetzungen der Hinterlegung nach kantonalem Recht vom Richter vorfrageweise zu prüfen sind (E. 2). 3. Erwächst ein Prozessvergleich über gegenseitige Forderungen in Rechtskraft, so kann der Schuldner die Vergleichssumme nicht mit der Begründung hinterlegen, dass ein Dritter sie ebenfalls beansprucht (E. 3). 4. Der Richter handelt willkürlich, wenn er die Hinterlegung gleichwohl bewilligt (E. 4).

105 III 33 () from 10. Mai 1979
Regeste: Beschwerdeverfahren; rechtliches Gehör. Wird die Rechtsstellung eines Beteiligten im Beschwerdeverfahren zu seinem Nachteil abgeändert, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden wäre, sich zur Beschwerde zu äussern, so verletzt dies den durch Art. 4 BV gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör. Eine Gehörsverweigerung kann jedoch nicht mit dem Rekurs im Sinne von Art. 19 SchKG, sondern nur mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden.

105 IV 161 () from 1. Juni 1979
Regeste: Art. 13 StGB. Rechtsmittel gegen die Ablehnung einer Begutachtung. Ob die Begutachtung eines Angeklagten in Verkennung der in Art. 13 StGB genannten Voraussetzungen abgelehnt wurde, ist eine Frage des Bundesrechts, die mit Nichtigkeitsbeschwerde dem Bundesgericht unterbreitet werden kann. Wird dagegen zur Begründung eines Begehrens um ergänzende neue Begutachtung die Beweiskraft oder Schlüssigkeit eines vorhandenen älteren Gutachtens oder dessen richterliche Würdigung angefochten, so geht es um Fragen der Beweiswürdigung, die allenfalls mit kantonaler Kassationsbeschwerde oder mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Entscheidung zu stellen sind.

105 IV 172 () from 31. Juli 1979
Regeste: Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mitglieds des Verwaltungsrates einer AG für strafbare Handlungen Dritter im Geschäftsbetrieb. Einem Verwaltungsratsmitglied kommt nicht schon Kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Funktion Garantenstellung zu; entscheidend ist vielmehr seine tatsächliche Position im Unternehmen. Der Garant ist als Vorsatztäter strafbar, wenn er die Tatbestandsverwirklichung erkennt oder als möglich voraussieht und sie dennoch nicht nach seinen Möglichkeiten in ihrer Wirkung aufhebt oder verhindert, weil er sie will oder zumindest in Kauf nimmt.

105 IV 264 () from 29. August 1979
Regeste: Art. 121, 121bis und 121quater der eidgenössischen Starkstromverordnung. Gesetzmässigkeit der Vorschriften, in denen Materialien und elektrische Apparate für Haushaltinstallationen der Prüfungspflicht unterstellt und die Kontrollaufgaben des Eidgenössischen Starkstrominspektorats dem Inspektorat des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins (SEV) übertragen werden mit der Ermächtigung, ein Reglement über die Durchführung der Prüfungen und ein Verzeichnis der prüfpflichtigen Materialien und Apparate aufzustellen.

105 V 1 () from 15. Januar 1979
Regeste: Ende der Beitragspflicht und Beginn des Anspruchs auf die Altersrente. - Das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK gilt nur in bezug auf die in der Konvention ausdrücklich genannten Rechte und Freiheiten. Es enthält kein über die Konvention hinausgehendes allgemeines Rechtsgleichheitsgebot. - Die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau in Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 AHVG ist nicht konventionswidrig.

105 V 186 () from 10. September 1979
Regeste: Art. 110 OG. Parteien im Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht, wenn die erste Verwaltungsverfügung Gegenstand einer Beschwerde an eine Verwaltungsbehörde - hier das Eidgenössische Departement des Innem - gewesen ist (Erw. 1). Art. 104 OG. Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts in Fällen, in denen es um die Aufnahme eines Arzneimittels in die Spezialitätenliste geht, wobei die Wirtschaftlichkeit streitig ist. Art. 12 Abs. 6 KUVG, Art. 4 Vo VIII und Art. 6 Vf 10. Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels: Begriff; Fall des Flussema.

105 V 248 () from 30. November 1979
Regeste: Art. 128 Abs. 1 AHVV. - Übersicht über Lehre und Praxis zur Frage der Unterschrift auf Verfügungen. - Für Beitragsverfügungen ist die Unterschrift kein Gültigkeitserfordernis.

106 IA 1 () from 18. Januar 1980
Regeste: Art. 4 BV; kantonales Beschwerdeverfahren. Eine kantonale Rechtsmittelbehörde, die nach der gesetzlichen Ordnung freie Überprüfungsbefugnis hat, kann ihre Kognition ohne Verstoss gegen Art. 4 BV auf das Vorliegen von Willkür beschränken, wenn sie über die Bewertung von Examensleistungen zu entscheiden hat. Anders verhält es sich, wenn die Auslegung und Anwendung von Rechtssätzen streitig ist oder Verfahrensmängel gerügt worden sind.

106 IA 4 () from 21. Mai 1980
Regeste: Art. 4 BV; Vollstreckung eines Scheidungsurteils, rechtliches Gehör. Wann hat der Gesuchsteller im Vollstreckungsverfahren Anspruch darauf, zu den Einwendungen der Gegenpartei Stellung zu nehmen?

106 IA 7 () from 18. Juni 1980
Regeste: Art. 4 BV; Strafverfahren. Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist nicht zu Aussagen verpflichtet und darf deshalb nicht mit Sanktionen belegt werden, wenn er die Aussage verweigert. Dies gilt auch dann, wenn die Strafuntersuchung gegen den Betroffenen noch nicht formell eröffnet ist, aber unmittelbar bevorsteht. Anstaltsrechtlich begründete Aussagepflicht eines Strafgefangenen, der eines Offizialdelikts verdächtigt wird?

106 IA 9 () from 12. März 1980
Regeste: Verwirkung von Perimeterbeiträgen. Auslegung einer Bestimmung, nach der der Perimeterentscheid spätestens im Zeitpunkt der Vollendung des Werkes öffentlich aufzulegen ist.

106 IA 13 () from 20. Februar 1980
Regeste: Art. 4 BV; unrichtige Rechtsmittelbelehrung, unklarer Gesetzeswortlaut. 1. Wann darf sich eine Partei oder ihr Rechtsvertreter auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung verlassen? (E. 3; Zusammenfassung der Rechtsprechung.) 2. Behandlung des Falles, in welchem der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zwar die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkennt, aber zusätzlich durch einen unklaren Gesetzeswortlaut irregeführt wird (E. 4).

106 IA 38 () from 30. Januar 1980
Regeste: Negativer Kompetenzkonflikt auf dem Gebiete der Lebensmittelpolizei. - Welches Recht ist im Kompetenzkonfliktsverfahren nach Art. 83 lit. a OG heranzuziehen (E. 2)? - Art. 69bis BV, Art. 28 Abs. 1 und Art. 56 Abs. 1 LMG. Auch bei importierten Waren sind die kantonalen Behörden für die Prüfung und für den Erlass der notwendigen Massnahmen zuständig (E. 3-8). Auslegung dieser Bestimmungen, namentlich nach der historischen (E. 5) und nach der teleologischen Methode (E. 7).

106 IA 52 () from 6. Februar 1980
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges; anfechtbare Verfügung. Die Revision im Sinne von § 67 lit. a und b des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes gehört zu den ausserordentlichen kantonalen Rechtsmitteln, die vor der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV zu ergreifen sind. Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn die streitige prozessuale Frage im angefochtenen Entscheid bereits behandelt wurde und die Revision daher auf eine Wiedererwägung hinausliefe (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 1b). Ist die Prüfungsbefugnis eines kantonalen Verwaltungsgerichts bezüglich Rechtsfragen frei, hinsichtlich der Ermessensbetätigung aber auf Ermessensüberschreitung oder -missbrauch beschränkt, so kann der Beschwerdeführer nur dann zusammen mit dem Entscheid des Verwaltungsgerichts auch denjenigen der unteren Instanz anfechten, wenn die Ermessenskontrolle überhaupt in Betracht fiel. War dagegen einzig eine Rechtsfrage streitig, kann sich die Beschwerde nur gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid richten (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 2).

106 IA 56 () from 26. März 1980
Regeste: Art. 86 Abs. 2 OG. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen Entscheide des aargauischen Regierungsrates über Einsprachen gegen Zonenpläne?

106 IA 58 () from 26. März 1980
Regeste: Art. 4 BV; Baubewilligungsverfahren. Polizeiliche Generalklausel als Grundlage öffentlichrechtlichen Immissionsschutzes (Abwehr befürchteter übermässiger Lärmimmissionen eines Bauprojekts). Legitimation der Nachbarn, eine Verletzung der polizeilichen Generalklausel mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen (E. 1). Kognition des Bundesgerichts (E. 2).

106 IA 62 () from 7. Mai 1980
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen willkürlicher Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die höchstzulässige Ausnützung von Bauparzellen.

106 IA 70 () from 9. Juli 1980
Regeste: Art. 4 BV; formelle Rechtsverweigerung. Kognition der Baudirektion und des Regierungsrates des Kantons Bern bei der Überprüfung der Zweckmässigkeit kommunaler Zonenpläne und Baureglemente.

106 IA 73 () from 2. Juli 1980
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf rechtliches Gehör. Umstände, unter denen in einem kantonalen Verwaltungsbeschwerdeverfahren die wesentlichen Ergebnisse eines Augenscheins in einem Protokoll, Aktenvermerk oder wenigstens in den Erwägungen des Entscheides klar festgehalten werden müssen.

106 IA 88 () from 15. September 1980
Regeste: Zulässigkeit neuer Beweismittel, die in einem Rechtsmittel wegen Gesetzesverletzung vorgebracht werden. Eine Rechtsmittelinstanz, deren Kognition auf die Gesetzesanwendung beschränkt ist, verfällt nicht in Willkür, wenn sie, ohne ausdrücklich dazu befugt zu sein, neue Beweismittel berücksichtigt, die vor der unteren Instanz nicht vorgebracht werden konnten (Erw. 1). Sie verstösst nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie in diesem Punkt ihre frühere Rechtsprechung aufgibt, wonach neue Beweismittel unzulässig waren (Erw. 2).

106 IA 131 () from 10. Juni 1980
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV; Frist zur Einreichung von Begnadigungsgesuchen. Beschränkte Anfechtbarkeit von Gnadenentscheiden. Zulässiges Rechtsmittel (E. 1). Die kantonalrechtliche Vorschrift, nach welcher Gnadengesuche innert einer Frist von dreissig Tagen nach der Verurteilung einzureichen sind, verstösst gegen Bundesrecht (E. 2).

106 IA 155 () from 19. Februar 1980
Regeste: Art 94 OG. Wird einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Steuerentscheid aufschiebende Wirkung zuerkannt, so ändert dies an der Rechtskraft dieses Entscheids nichts und die Veranlagungsverjährung läuft deswegen nicht weiter.

106 IA 161 () from 3. Oktober 1980
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. Die Nichtabnahme eines bereits zugelassenen Beweismittels (hier einer Expertise) verstösst nicht gegen Art. 4 BV, wenn das Beweismittel als nicht mehr erheblich oder tauglich erscheint.

106 IA 163 () from 22. Februar 1980
Regeste: Art. 4 und 22ter BV: Pensionsordnung, wohlerworbene Rechte. 1. Wann kommt den finanziellen Ansprüchen der Beamten der Charakter wohlerworbener Rechte zu? (E. 1a). 2. Welche verfassungsmässigen Rechten können zum Schutz wohlerworbener Rechte angerufen werden? Präzisierung der Rechtsprechung (E. 1b). 3. Inwieweit werden durch § 14 Abs. 3 des luzernischen Behördengesetzes wohlerworbene Rechte geschaffen? (E. 2-4).

106 IA 179 () from 5. Dezember 1980
Regeste: Art. 41 Ziff. 3 lit. c bern. StrV; Art. 4 BV. Notwendige Verteidigung im Hinblick auf die Anordnung einer Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

106 IA 201 () from 26. September 1980
Regeste: Gesetzliche Grundlage von Kausalabgaben. Rechtsnatur von Verordnungen, deren Erlass die Landsgemeinde des Kantons Appenzell I.Rh. an den Grossen Rat delegiert hat; Anforderungen an die gesetzliche Grundlage solcher Verordnungen im Hinblick auf die Erhebung von Abgaben (E. 2). Verteilung der Kosten eines Quartierplanes auf die Grundeigentümer (E. 3).

106 IA 206 () from 19. November 1980
Regeste: Gemeindeautonomie; zürcherisches Gesetz betreffend das Markt- und Hausierwesen vom 17. Juni 1894 (MHG): Bewilligungspflicht für den Betrieb einer "Peep-Show". Autonomie der Zürcher Gemeinden hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang sie die Ausübung der unter § 8 lit. e MHG fallenden Gewerbearten auf ihrem Gebiet gestatten wollen (E. 2). Verletzung dieser Autonomie, indem die kantonale Instanz in unhaltbarer Auslegung des MHG annahm, der Betrieb einer "Peep-Show" sei keine patentpflichtige Schaustellung im Sinne des § 8 lit. e MHG (E. 4, 5).

106 IA 214 () from 30. April 1980
Regeste: Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK: Recht auf unentgeltlichen Beizug eines Dolmetschers. Die auslegende Erklärung des Bundesrates zu Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK bedeutet einen formellen Vorbehalt; sie wurde unter Beachtung der Vorschriften des Art. 64 EMRK abgegeben und wirkt somit gleich wie ein Vorbehalt.

106 IA 219 () from 12. November 1980
Regeste: Art. 4 BV, persönliche Freiheit und Art. 6 Ziffern 1 und 3 lit. b EMRK; Beschränkung des schriftlichen Verkehrs zwischen Angeschuldigtem und Verteidiger. Besondere Gefährlichkeit und Verbindungen des Angeschuldigten zu terroristischen Gruppen als Gründe für eine stärkere Beschränkung des Verkehrs mit der Verteidigung (E. 3b). Sachlicher und zeitlicher Umfang einer Briefkontrolle (E. 3c).

106 IA 226 () from 8. Juli 1980
Regeste: Art. 87 OG; staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Rückweisungsentscheid. Voraussetzungen der Anwendung des Art. 87 OG (E. 1). Der Entscheid, mit dem die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die erste Instanz zurückgewiesen wird, ist ein Zwischenentscheid, auch wenn darin ein bestimmter strittiger Punkt endgültig beurteilt wird (E. 2).

106 IA 229 () from 15. Oktober 1980
Regeste: Art. 87 OG; Beschwerde gegen einen Rückweisungsentscheid. Anwendung von Art. 87 OG, wenn der neben einer Verletzung von Art. 4 BV vorgebrachte weitere Beschwerdegrund keine selbständige Bedeutung hat oder wenn er offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist (E. 2). Begriff des Endentscheids, des Zwischenentscheids und des nicht wiedergutzumachenden Nachteils (E. 3a-c); Bestätigung der bisherigen Praxis zu Art. 87 OG (E. 3d). Diese gilt auch dann, wenn die Sache mit dem angefochtenen Entscheid an ein Schiedsgericht zurückgewiesen wurde (E. 4).

106 IA 241 () from 2. Mai 1980
Regeste: Art. 4 BV; Kanalisationsanschlussgebühr. 1. Allgemeine Grundsätze der Gebührenerhebung (E. 3b). 2. Es verstösst nicht gegen Art. 4 BV, für Neubauten höhere Kanalisationsanschlussgebühren vorzusehen als für Altbauten (E. 4a-c). 3. Inwieweit darf bei der Bemessung der Kanalisationsanschlussgebühren auf den steueramtlichen Liegenschaftsschatzungswert abgestellt werden (E. 4d)?

106 IA 249 () from 17. Oktober 1980
Regeste: Gesetzliche Grundlage von Gerichtsgebühren. - Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 1). - Hinweise auf eidgenössische und kantonale Regelungen betreffend die gesetzliche Grundlage von Gerichtsgebühren (E. 2). - Haben Gerichtsgebühren, die nur dem Grundsatz nach, nicht aber hinsichtlich der Gebührenhöhe im Gesetz verankert sind, eine genügende gesetzliche Grundlage? (E. 3).

106 IA 254 () from 13. November 1980
Regeste: Art. 4 BV; Änderung der Gesetzgebung über die Lehrerbildung im Kanton Zürich. 1. Befugnis des Regierungsrates zum Erlass einer Übergangsordnung (E. 2). 2. Die angefochtene Übergangsordnung widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht, greift nicht in wohlerworbene Rechte ein und bedeutet keine unzulässige Rückwirkung (E. 3); sie verletzt auch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht (E. 4).

106 IA 267 () from 9. Mai 1980
Regeste: Art. 31 und 4 BV; Verbot einer "Peep-Show". 1. Art. 31 BV, Tragweite, Kognition des Bundesgerichtes (E. 1). 2. Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit (E. 3). 3. Das Verbot einer "Peep-Show" verstösst weder gegen Art. 31 BV noch gegen das verfassungsmässige Rechtsgleichheitsgebot (E. 5).

106 IA 277 () from 30. September 1980
Regeste: Persönliche Freiheit; Bindung der die Untersuchungshaft und Freiheitsstrafe vollziehenden Organe an einen Erlass der Exekutive, der die wichtigsten Freiheitsbeschränkungen regelt. 1. Tragweite: - der persönlichen Freiheit; - der Europäischen Menschenrechtskonvention; - der Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen; - des Grundsatzes der Bindung der Strafvollzugsbehörden an das von der Exekutive erlassene Reglement, im Rahmen der Überprüfung einer Gefängnisverordnung (E. 3). 2. Prüfung einiger Bestimmungen des angefochtenen Reglements: - Pflicht die Gefangenen über die Haftbedingungen zu informieren (E. 4); - Zeitungen, Briefverkehr; Gegenstände, die die Gefangenen in ihren Zellen bewahren dürfen (E. 5); - Abhebungen vom Konto Untersuchungs- und Strafgefangener; Entschädigung für im Gefängnis geleistete Arbeit; Verdienstanteil des Strafgefangenen (E. 6); - geistige und medizinische Betreuung (E. 7); - Recht auf Spaziergänge (E. 8); - Recht auf Besuch (E. 9); - Bestrafung von Disziplinarverstössen; Beschwerde- und Rekursrecht (E. 10).

106 IA 299 () from 25. April 1980
Regeste: Sprachenfreiheit; Art. 87 OG. 1. Art. 87 OG: Zwischenentscheid, nichtwiedergutzumachender Nachteil (E. 1). 2. Die Auslegung von Art. 10 der freiburgischen ZPO, wonach im Saanebezirk Französisch als einzige Gerichtssprache gilt, hält vor der Willkürrüge stand. Überprüfung dieser Auslegung im Hinblick auf das ungeschriebene Grundrecht der Sprachenfreiheit (E. 2).

106 IA 310 () from 25. März 1980
Regeste: Umzonung eines Grundstückes; Rechtsmittelverfahren. Eine Pflicht, die Grundeigentümer bei Gesamtrevision von Baugesetz und Zonenplan persönlich zu benachrichtigen, ergibt sich nicht aus Art. 4 BV (E. 1a). Das Bundesgericht kann die Motive des angefochtenen Entscheides sowohl bei Willkür- als auch bei freier Kognition substitutieren (E. 1b). Ist die Umzonung einer einzelnen Parzelle im Rahmen einer Gesamtrevision des Zonenplanes hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeiten einem Rechtssatz oder einer Verfügung gleichzustellen? Frage offengelassen (E. 3). Anschliessend an ein kantonales Normenkontrollverfahren kann eine selbständige Nachprüfung der Norm durch das Bundesgericht nur noch stattfinden, wenn das kantonale Verfahren innert der in der kantonalen Gesetzgebung vorgesehenen Frist oder, wo keine solche vorgeschrieben ist, innert der üblichen Rechtsmittelfrist angehoben worden ist (E. 5).

106 IA 323 () from 7. Mai 1980
Regeste: Submissionsverfahren zur Vergebung von Arbeiten oder zur Verpachtung von Grundstücken; staatsrechtliche Beschwerde des nicht berücksichtigten Bewerbers (Art. 84 und 88 OG). 1. Wer sich bei einer öffentlichen Ausschreibung bewirbt, kann den Akt, mit dem die Behörde sich zugunsten eines Konkurrenten entscheidet, grundsätzlich nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten: Dieser Akt stellt weder eine anfechtbare Verfügung i.S. von Art. 84 OG dar, noch verletzt er den Bewerber in seinen Rechten oder rechtlich geschützten Interessen i.S. von Art. 88 OG. Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn in einem Submissionsverfahren Bestimmungen verletzt werden, die nicht dazu dienen, der Submissionsbehörde die richtige durch das öffentliche Interesse gebotene Wahl zu ermöglichen, sondern den Schutz der entgegengesetzten, unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken: Einzig in dem Umfang, in dem die Behörde solche Vorschriften anwendet, besteht eine nach Art. 84 OG anfechtbare Verfügung und ist die Beschwerdelegitimation des Bewerbers nach Art. 88 OG gegeben (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 3a/b/c). 2. Im konkreten Fall ist die Beschwerde teilweise zulässig (E. 3d/e).

106 IA 337 () from 18. Dezember 1980
Regeste: Art. 4 BV; Moderationsverfahren im Kanton Graubünden. Ein Entscheid verstösst gegen Art. 4 BV, wenn er an einem inneren, nicht auflösbaren Widerspruch krankt. Natur des Moderationsverfahrens.

106 IA 342 () from 29. Februar 1980
Regeste: Art. 22ter und 4 BV (konfiskatorische Besteuerung). 1. Bewertung von Aktien nach ihrem Kurswert oder dem inneren Wert; willkürliche Auslegung des massgebenden kantonalen Rechts verneint (E. 3, 4). 2. Die Eigentumsgarantie verwehrt es dem Gemeinwesen, durch übermässige Besteuerung die Vermögenssubstanz auszuhöhlen oder die Neubildung von Vermögen zu verhindern (E. 6a). 3. Verletzung der Eigentumsgarantie durch die Besteuerung grosser Vermögen im Kanton Aargau: im vorliegenden Fall verneint (E. 6b und c).

106 IA 355 () from 30. September 1980
Regeste: 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Erlass (Gefängnisverordnung). Bedingungen, unter denen eine Vereinigung legitimiert ist: im konkreten Fall nicht erfüllt (E. 1a). Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (E. 1b). Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1c). Funktion der abstrakten Normkontrolle (E. 1d). 2. Persönliche Freiheit, Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) und Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV). Der Gefangene hat keinen Anspruch auf das Resultat seiner Arbeitsleistungen. Er hat das Recht auf eine gewisse Entschädigung (peculium); doch geniesst diese Forderung gegen den Staat keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz; sie kann insbesondere nicht als ein wohlerworbenes Recht, das von der Eigentumsgarantie erfasst wird, betrachtet werden (Art. 22ter BV). Aus der in Art. 31 BV garantierten Handels- und Gewerbefreiheit lässt sich kein Anspruch auf angemessene Entlöhnung ableiten (E. 4).

106 IA 369 () from 5. November 1980
Regeste: Eigentumsgarantie; materielle Enteignung. Auszonung von Parzellen aus dem zusätzlichen Baugebiet und Einweisung derselben in das Land- und Forstwirtschaftsgebiet. Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob eine materielle Enteignung vorliegt (E. 2). Verneinung einer materiellen Enteignung, da die Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Auszonung keinen Rechtsanspruch auf Durchführung einer Landumlegung und Erschliessung ihrer Parzellen besassen und auch nicht auf eine in absehbarer Zeit erfolgende Erschliessung des fraglichen Gebietes durch die Gemeinde vertrauen konnten (E. 3e).

106 IA 383 () from 9. Dezember 1980
Regeste: Überprüfung von Zonenplänen im Baubewilligungsverfahren. Zonenvorschriften sind Bestandteile des Zonenplanes; als solche unterstehen sie den gleichen Anfechtungsregeln wie der Plan (E. 3b). Die Rechtmässigkeit eines Zonenplanes kann grundsätzlich bloss im Anschluss an den Erlass bestritten werden. Eine nachträgliche Anfechtung auf einen Anwendungsakt hin ist nur dann zulässig, wenn der betroffene Eigentümer sich bei Planerlass über die ihm auferlegte Eigentumsbeschränkung nicht im klaren sein konnte oder ihm keine Verteidigungsmittel zur Verfügung standen oder wenn sich die Verhältnisse seit Planerlass derart geändert haben, dass das öffentliche Interesse an den bestehenden Beschränkungen dahingefallen sein könnte. Der Richter ist daher - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - nicht befugt, den Zonenplan vorfrageweise im Baubewilligungsverfahren auf seine Verfassungsmässigkeit zu prüfen (E. 3a-c).

106 IA 409 () from 9. Dezember 1980
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation des Mieters zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Entscheid, mit dem dem Eigentümer der Umbau seiner Liegenschaft bewilligt wird; Voraussetzung eines rechtlich geschützten Interesses (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3). Tragweite des waadtländischen Dekrets vom 5. Dezember 1962 (am 21. November 1973 geändert) betreffend den Abbruch und Umbau von Wohnhäusern und die Verwendung von Wohnungen zu anderen als Wohnzwecken: Dieses Dekret wurde im öffentlichen Interesse und zur Bekämpfung der Wohnungsnot erlassen; es bezweckt nicht den Eingriff in Vertragsverhältnisse zwischen Vermietern und Mietern (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 4).

106 IB 125 () from 3. Juli 1980
Regeste: BRV über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer vom 23. Oktober 1978. 1. Unter welchen Voraussetzungen sind der Ausländer und dessen Arbeitgeber befugt, gegen die auf die BRV gestützte Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2) oder staatsrechtliche Beschwerde (E. 3) zu führen? 2. Art. 21 Abs. 4 BRV: Die Festsetzung von Mindestlöhnen für Ausländer ist grundsätzlich zulässig (E. 4). Die Höhe des Minimallohnes ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden (E. 5 und 6).

106 IB 182 () from 8. Februar 1980
Regeste: Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse; ungleiches Pensionierungsalter für Beamte und Beamtinnen. 1. Eine bundesrätliche Verordnung, die von der Bundesversammlung durch einfachen Bundesbeschluss genehmigt wurde, darf vom Bundesgericht auf ihre Rechtmässigkeit überprüft werden (E. 2). 2. Das Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf enthält keine unmittelbar anwendbare ("self-executing") Regel, welche ein gleiches Pensionierungsalter für Beamte und Beamtinnen verlangt (E. 3). 3. Vereinbarkeit des ungleichen Pensionierungsalters mit Art. 4 BV; Frage offengelassen (E. 4). 4. Enge Konnexität des ungleichen Pensionierungsalters gemäss Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse mit der entsprechenden Regelung im AHV-Gesetz; Folgen für die Überprüfung der Verfassungsmässigkeit (E. 5).

106 IB 341 () from 3. Juli 1980
Regeste: Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, Art. 3. Sicherungs-Beschlagnahme. 1. Solange kein Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen besteht, obliegt es den Kantonen, ausländische Rechtshilfeersuchen auszuführen und die Modalitäten und das Ausmass der Rechtshilfe zu bestimmen. Sie tun dies unter - allenfalls analoger - Anwendung ihrer strafprozessualen Vorschriften und unter Beachtung der bundesrechtlichen Anforderungen (E. 2). 2. Die kantonalen Behörden verstossen nicht gegen Bundesrecht, wenn sie eine Sicherungsbeschlagnahme anordnen, obwohl eine solche vom Europäischen Übereinkommen nicht verlangt wird (E. 3).

106 IB 346 () from 13. Oktober 1980
Regeste: Europäisches Rechtshilfeübereinkommen. 1. Der Entscheid über die Herausgabe von Originalakten im Sinne von Art. 3 Ziff. 3 EUeR ist selbständig anfechtbar (E. 1b). 2. Der Vollzug eines Rechtshilfeersuchens richtet sich nach kantonalem Recht, soweit das Bundesrecht keine Vorschriften enthält. Zu den bundesrechtlichen Vorschriften, welche die zuständigen kantonalen Behörden beim Vollzug eines Rechtshilfebegehrens zu beachten haben, gehören auch die verfassungsmässigen Grundsätze über die Gewährung des rechtlichen Gehörs und das Gebot der Verhältnismässigkeit (E. 2, 3).

107 IA 1 () from 18. März 1981
Regeste: Art. 4 BV (Anspruch auf Begründung eines Entscheides); Art. 93 Abs. 2 OG. Der Mangel der ungenügenden Begründung des angefochtenen Entscheides ist im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren heilbar, wenn der Beschwerdeführer zu den in der Vernehmlassung der letzten kantonalen Instanz enthaltenen Motiven in einer Beschwerdeergänzung Stellung nehmen kann und ihm dadurch kein Nachteil erwächst.

107 IA 3 () from 9. Januar 1981
Regeste: 1. Verfahren. Die Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder staatsrechtlichen Beschwerde gegen ein Strafurteil hat nicht zur Folge, dass die Zuständigkeit insbesondere zur Anordnung einer Verhaftung oder Haftentlassung den kantonalen Behörden entzogen und auf das Bundesgericht übertragen wird (Erw. 2). 2. Begründung einer Haftverfügung. Der Hinweis auf die Fluchtgefahr wegen einer bevorstehenden langjährigen Zuchthausstrafe genügt als Begründung einer Haftverlängerung, wenn es sich nicht um die abstrakte gesetzliche Strafdrohung handelt, sondern um eine bereits konkret ausgefällte Strafe und nicht andere Umstände die Flucht unwahrscheinlich machen (Erw. 5).

107 IA 7 () from 24. Juni 1981
Regeste: Art. 4 BV; Voraussetzungen des Anspruchs auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. Zurückhaltung bei Gewährung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands in Streitigkeiten um finanzielle Interessen? - Präzisierung der Rechtsprechung.

107 IA 19 () from 27. Mai 1981
Regeste: Abbruch rechtswidrig erstellter Bauteile. Zur Beseitigung eines ordnungswidrigen Zustandes kann grundsätzlich alternativ oder kumulativ jeder Verhaltens- oder Zustandsstörer herangezogen werden (E. 2a und b). Es ist nicht willkürlich, eine Abbruchsverfügung allein an den Verhaltensstörer zu richten, auch wenn dieser nicht oder nicht allein über die abzubrechende Baute verfügen kann (E. 2b und c). Der Abbruchbefehl kann allerdings nur vollstreckt werden, wenn sich die Verfügungsberechtigten ihm unterziehen oder nachdem auch gegen diese eine Duldungs- oder Beseitigungsverfügung erlassen worden ist (E. 2c). Die Baubehörden haben von Amtes wegen zu prüfen, welches die unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit geeigneten Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes sind (E. 3).

107 IA 45 () from 1. Juli 1981
Regeste: Art. 4, 55 und 58 BV; Beschlagnahme von Pressephotos als Beweismittel in einem Strafverfahren; Entsiegelung. Zum Entscheid über die Entsiegelung ist im Zürcher Strafverfahren in allen Fällen der Richter zuständig (E. 2). Da die Zürcher StPO dem Journalisten kein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt, kann er die Herausgabe von Film- oder Photomaterial als Beweismittel in einem Strafverfahren nicht unter Berufung auf die Pressefreiheit verweigern (E. 3). Die hier in Frage stehende Beschlagnahme von Pressephotos war nicht verfassungswidrig (E. 4).

107 IA 64 () from 25. März 1981
Regeste: Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit; Verwendung von Lautsprechern bei politischen Kundgebungen auf öffentlichem Grund. Es bedeutet eine Verletzung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit, wenn eine kantonale Behörde anordnet, dass jeweils während vier Wochen vor Wahlen und Abstimmungen die Benützung von Lautsprechern bei politischen Veranstaltungen im Freien generell untersagt sei.

107 IA 72 () from 18. Februar 1981
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde. Legitimation verneint, soweit eine Verletzung der luzernischen Vorschriften über die Errichtung von privaten Parkplätzen geltend gemacht wird (E. 2). Art. 4 BV; Rechtliches Gehör, mangelhafte Eröffnung einer Baubewilligung. Der Beschwerdeführer, der infolge fehlender oder mangelhafter Eröffnung einer Baubewilligung auch nach Ablauf der ordentlichen Frist Beschwerde erheben kann, darf den Beginn des für ihn massgebenden Fristenlaufs nicht beliebig hinausschieben; er muss sich nach Treu und Glauben und den Umständen entsprechend nach Bestand und Inhalt der Verfügung erkundigen. Frist im vorliegenden Fall versäumt (E. 4a).

107 IA 77 () from 25. Februar 1981
Regeste: Art. 88 OG; Anfechtung eines kantonalen Richtplanes (Zürcher Gesamtplan). 1. Behördenverbindlichkeit des Zürcher Gesamtplanes (E. 1). 2. Keine hinreichenden Gründe, den Gesamtplan hinsichtlich der Anfechtbarkeit mit staatsrechtlicher Beschwerde einer Verwaltungsverordnung mit Aussenwirkungen gleichzustellen (E. 2a). Da der Gesamtplan seine Festlegungen weder in parzellenscharfer noch abschliessender Weise trifft, hätte seine Anfechtung vielfach hypothetischen Charakter (E. 2b). Vergleich der Richtplanung gemäss dem zürcherischen Planungs- und Baugesetz mit jener nach dem eidg. RPG (E. 2c). 3. Im Rechtsschutzverfahren, das den betroffenen Grundeigentümern gegenüber den nachfolgenden Nutzungsplänen sowie gegen die Anordnung von Planungszonen oder gegen Verfügungen über bewilligungspflichtige Bauten und Anlagen zur Verfügung steht, können auch die Anweisungen des Richtplanes überprüft werden, falls geltend gemacht wird, diese verletzten verfassungsmässige Rechte der Betroffenen (E. 3).

107 IA 97 () from 8. Juli 1981
Regeste: Formelle Rechtsverweigerung; res iudicata. Ein Gericht, das mit der Begründung, es handle sich um eine res iudicata, auf eine Beschwerde in einer andern Streitsache nicht eintritt, begeht eine formelle Rechtsverweigerung. Beim Entscheid über den Enteignungsbeschluss für den Landerwerb für eine Gewässerverbauung nach dem Wasserrechtsgesetz und dem Expropriationsgesetz des Kantons Schwyz geht es nicht um die gleiche Sache wie beim vorangegangenen Entscheid über die Anordnung der Ersatzvornahme.

107 IA 103 () from 23. September 1981
Regeste: Art. 4 BV; § 494 der zürcherischen Strafprozessordnung. Der Entscheid über ein Begnadigungsgesuch bedarf von Bundesrechts wegen keiner Begründung (Bestätigung der Rechtsprechung).

107 IA 107 () from 11. September 1981
Regeste: Art. 4 BV; Erbschafts- und Schenkungssteuer. Muss nach den Umständen angenommen werden, zwischen dem Erblasser und der Vermächtnisnehmerin habe ein Arbeitsverhältnis nach Art. 320 Abs. 2 OR bestanden, so unterliegt ein Vermächtnis, das in Erfüllung einer nachträglichen Lohnzahlungspflicht ausgerichtet wurde nach Walliser Steuerrecht nicht der Erbschafts- und Schenkungssteuer.

107 IA 112 () from 11. September 1981
Regeste: Art. 4 BV; St. Gallisches Gesetz über das Gastwirtschaftsgewerbe und den Klein- und Mittelverkauf von alkoholhaltigen Getränken vom 26. Februar 1945 (Wirtschaftsgesetz). 1. Es ist nicht willkürlich, einen in der Rechtsform des Vereins geführten "Club-Betrieb", in welchem die Besucher praktisch die Annehmlichkeiten eines bewilligten Nachtlokals geniessen, dem St. Gallischen Wirtschaftsgesetz zu unterstellen. 2. Die extensive Auslegung des Begriffes "beherbergen" oder ein entprechender Analogieschluss dient in solchen Fällen der Aufrechterhaltung und richtigen Weiterbildung der Rechtsordnung und verletzt deshalb das verfassungsmässige Legalitätsprinzip nicht.

107 IA 117 () from 2. Oktober 1981
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. Bei dem nach Art. 27 Abs. 1 der glarnerischen Zivilprozessordnung zu leistenden Vorschuss handelt es sich um einen Kostenvorschuss, nicht um eine Kaution. Es verstösst nicht gegen Art. 4 BV, wenn angenommen wird, ein solcher Kostenvorschuss könne nicht durch Hinterlegung eines Inhabersparheftes, sondern nur in bar geleistet werden.

107 IA 121 () from 7. Oktober 1981
Regeste: Art. 22ter BV; Abbruch rechtswidriger Gebäudeteile; Verwirkung. Die Befugnis der Behörden, den Abbruch eines baugesetzwidrigen Gebäudes oder Gebäudeteiles anzuordnen, ist grundsätzlich auf 30 Jahre befristet. Ausnahmen, wenn die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes aus baupolizeilichen Gründen im engeren Sinne erforderlich ist.

107 IA 126 () from 19. Juni 1981
Regeste: Kirchensteuer, Art. 49 Abs. 6 BV. Die Bestimmung des glarnerischen Steuergesetzes, wonach diejenigen Personen, die keiner staatlich anerkannten Kirchgemeinde angehören, der Kirchgemeinde, in der sie Wohnsitz haben, die halbe Kirchensteuer bezahlen müssen, verstösst gegen Art. 49 Abs. 6 BV, da die Steuer für eigentliche Kultuszwecke auferlegt wird.

107 IA 135 () from 23. Juli 1981
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV; Ausstandspflicht des Beamten und des Mitglieds einer Behörde. - Die Garantie von Art. 58 Abs. 1 BV bezieht sich nur auf das gerichtliche Verfahren. Die Ausstandspflicht von Mitgliedern einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem kantonalen Recht sowie Art. 4 BV (E. 2a) - Eine Ausstandspflicht aufgrund von Art. 4 BV besteht nur, wenn der Betreffende ein persönliches Interesse an dem zu behandelnden Geschäft hat (E. 2b)

107 IA 138 () from 3. Juni 1981
Regeste: Persönliche Freiheit, EMRK; polizeiliche Festnahme, erkennungsdienstliche Behandlung. Personen, die sich im Bereich einer unbewilligten, mit Ausschreitungen verbundenen Demonstration befinden, können ohne Verletzung der persönlichen Freiheit und der EMRK für kurze Zeit (hier: für 4-6 Stunden) in Polizeigewahrsam genommen werden (E. 4). Voraussetzungen, unter denen solche Personen einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen werden dürfen (E. 5).

107 IA 175 () from 7. Juli 1981
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation der Gemeinde, Legitimation von Litisdenunziaten. Legitimation der Gemeinde zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie (E. I 1a) und wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (E. I 1b). Legitimation von Litisdenunziaten: Litisdenunziaten werden dann durch ein Urteil im Prozess der Hauptparteien nicht beschwert und sind daher zur staatsrechtlichen Beschwerde dagegen nicht legitimiert, wenn sie im Rückgriffsprozess noch alle Einreden vorbringen können, z.B. deshalb, weil ihnen im Prozess der Hauptparteien der Streit nicht rechtzeitig verkündet worden war (E. II 6).

107 IA 182 () from 28. August 1981
Regeste: Art. 88 OG; Nichtwiederwahl eines Beamten. 1. Unter welchen Voraussetzungen greift die Nichtwiederwahl in die rechtlich geschützten Interessen des Beamten ein (E. 2)? 2. Dem Beamten steht der Anspruch auf rechtliches Gehör gestützt auf Art. 4 BV nur zu, wenn er durch den Ausgang des Nichtwiederwahlverfahrens in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen wird. Ist dies nicht der Fall, kann er die Verweigerung des rechtlichen Gehörs nur rügen, soweit ihm die kantonalen Vorschriften Rechte im Nichtwiederwahlverfahren einräumen (E. 3).

107 IA 186 () from 30. September 1981
Regeste: Formerfordernisse an staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG.

107 IA 187 () from 14. Oktober 1981
Regeste: Art. 137 lit. b OG; Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides 1. Wann ist die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides grundsätzlich zulässig (E. 1)? 2. Gegen einen bundesgerichtlichen Entscheid, welcher aufgrund einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ergangen ist, kommt eine Revision wegen Entdeckung neuer Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nicht in Frage (E. 2a). 3. Ausnahmen hievon (E. 2b).

107 IA 193 () from 12. März 1981
Regeste: Beamtenrecht; wohlerworbene Rechte gegenüber der Pensionskasse. Schutz der finanziellen Ansprüche von Beamten (E. 3a). Begründung wohlerworbener Rechte durch individuell abgegebene Zusicherungen (E. 3c und d). Widerruf von Verwaltungsakten (E. 3e).

107 IA 198 () from 20. Mai 1981
Regeste: Art. 4 BV, Willkür. Vollstreckung eines ausländischen Urteils. Das englische "Verfahren nach Order 14" verstösst nicht gegen den ordre public gemäss § 302 der Zürcher Zivilprozessordnung.

107 IA 202 () from 16. Oktober 1981
Regeste: Art. 4 BV; Parteientschädigung im Verwaltungsverfahren. Willkürliche Verweigerung einer Parteientschädigung im Verfahren vor den zürcherischen Stiftungsaufsichtsbehörden.

107 IA 212 () from 7. Dezember 1981
Regeste: Art. 4 BV. Beweiswürdigung, Rechtsverweigerung. Das aus einem anderen Verfahren beigezogene Gutachten, welches sich zu einer abstrakt-wissenschaftlichen Fachfrage äussert und nicht auf den Einzelfall zugeschnitten ist, kann prozessual einer Äusserung im wissenschaftlichen Schrifttum gleichgestellt werden; die Anwendung der für formelle Beweismittel geltenden Vorschriften ist nicht erforderlich. Gleiches gilt für den Beizug des Einvernahmeprotokolls der in einem anderen Verfahren gemachten Aussage eines Gutachters mit abstrakt-wissenschaftlichem Gehalt.

107 IA 214 () from 23. Dezember 1981
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. Baurecht, Ausnahmebewilligung. Die Ausnahmebewilligung dient in erster Linie der Vermeidung von Härten. Keinen Ausnahmegrund in diesem Sinne bilden wirtschaftliche Schwierigkeiten, die der Bauwillige selbst zu vertreten hat.

107 IA 246 () from 30. September 1981
Regeste: Schiedsgerichtsbarkeit. Tragweite der Pflicht zur Begründung schiedsrichterlicher Entscheide (Art. 33 lit. e, 36 lit. h Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit; E. 3). Gültigkeit des Klagerückzugs bei fehlender Zustimmung des freiwilligen Streitgenossen (Art. 27 Abs. 3 BZP; 24 Abs. 2 Konkordat; E. 5a bb). Substitution von Motiven durch das mit einer Nichtigkeitsbeschwerde befasste Gericht (E. 5b).

107 IA 265 () from 22. September 1981
Regeste: Zulässigkeit neuer rechtlicher Vorbringen in staatsrechtlichen Beschwerden, die die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges voraussetzen. Präzisierung der Rechtsprechung hinsichtlich der Beschwerden, in denen die erhobene Rüge neben jener der Willkür eine selbständige Bedeutung hat aber vom Bundesgericht nur mit beschränkter Kognition geprüft wird.

107 IA 273 () from 13. Mai 1981
Regeste: Art. 4 BV; kommunale Zonenplanung, Gehörsanspruch des Grundeigentümers. Bei Änderung eines kommunalen Zonenplanes sind die betroffenen Grundeigentümer individuell anzuhören, bevor über die Zoneneinteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird (Bestätigung der Rechtsprechung). Das heisst, dass sich entweder die kommunale oder die kantonale Behörde im Einsprache-, Beschwerde- oder Homologationsverfahren mit den formgerecht und innert Frist erhobenen Einwendungen materiell befassen muss.

107 IA 277 () from 27. Mai 1981
Regeste: Art. 55 BV, Pressefreiheit. Vorsorgliche Massnahmen des kantonalen Prozessrechts. 1. Der Autor eines Zeitungsartikels, der gestützt auf Art. 28 ZGB zivilrechtlich verurteilt worden ist, kann im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nicht eine unmittelbare Verletzung der Pressefreiheit geltend machen (E. 3a). Er kann hingegen die gemäss kantonalem Verfahrensrecht angeordneten vorsorglichen Massnahmen mit der Begründung anfechten, das kantonale Recht als solches oder seine Anwendung durch den Richter verstosse gegen die Pressefreiheit (E. 3b). 2. Die Anordnung der vorsorglichen Massnahmen des kantonalen Rechts kann dem unmittelbaren Schutz dessen dienen, der auf Beseitigung der Störung klagt (E. 4a). 3. Veröffentlichung einer Richtigstellung, welche gestützt auf Art. 345 ff. der walliser Zivilprozessordnung angeordnet worden ist.

107 IA 292 () from 22. Dezember 1981
Regeste: Meinungsäusserungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit; Reglement der Gemeinde Graben über die Benutzung des öffentlichen Grundes für Veranstaltungen. Massgebliche Gesichtspunkte bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines solchen Erlasses (E. 2b, c). Die angefochtenen Bestimmungen des erwähnten Reglementes halten von einer Ausnahme - abgesehen vor der Verfassung - stand (E. 3, 5-8). Die Vorschrift, wonach im Gesuch um Bewilligung einer Veranstaltung die Namen allfälliger Redner bekanntgegeben werden müssen, bedeutet einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit (E. 4).

107 IA 304 () from 8. Dezember 1981
Regeste: Art. 4 und 55 BV, Meinungsäusserungsfreiheit, Informationsfreiheit, Grundsatz der Gewaltentrennung; Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung. Bestätigung und Präzisierung der in der Literatur kritisierten Rechtsprechung (BGE 104 Ia 88 ff.), wonach kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Bürgers und der Presse auf Information über die gesamte Tätigkeit der Verwaltung besteht (E. 3 und 4). Überprüfung der Verfassungsmässigkeit der §§ 3 und 8 des Nidwaldner Reglementes über die Information der Öffentlichkeit durch den Regierungsrat und die Verwaltung vom 10. März 1980 (E. 5 und 6).

107 IA 343 () from 1. Oktober 1981
Regeste: Art. 88 OG und Art. 381 ZGB. Den Eltern des Mündels fehlt die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Ernennung des Vormundes (E. 2). Doch können sie insofern eine formelle Rechtsverweigerung mit staatsrechtlicher Beschwerde rügen, als ihnen verwehrt worden ist, einen Vormund vorzuschlagen oder die Wahl des Vormundes anzufechten und in diesem Zusammenhang Beweisanträge zu stellen (E. 3).

107 IB 68 () from 27. März 1981
Regeste: Auslieferung. Abwesenheitsurteil. Rechtliches Gehör. Todesstrafe. Art. 5, Art. 7, Art. 8, Art. 9, Art. 10, Art. 11 AuslG., Art. 3 EAUe, Art. 6 EMRK. 1. In der Beziehung zu einem Land, mit welchem die Schweiz nicht durch ein Auslieferungsabkommen gebunden ist, sind gegebenenfalls geeignete Massnahmen für die Einhaltung der aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und aus dem Europäischen Auslieferungsabkommen fliessenden Rechte zu ergreifen (E. 2a). 2. Voraussetzungen für die Auslieferungsbewilligung zum Vollzug eines Abwesenheitsurteils; Erfordernisse des rechtlichen Gehörs (E. 2b).

107 IB 80 () from 25. Juni 1981
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege: Voraussetzungen eines diesbezüglichen Anspruchs des Auslieferungshäftlings.

107 IB 112 () from 1. Juli 1981
Regeste: Art. 12 NHG und Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG; Legitimation zu kantonalem Rechtsmittel. Die Erfüllung der Planungspflicht nach den Anforderungen des RPG stellt nicht die Erfüllung einer Bundesaufgabe gemäss Art. 2 NHG dar, weshalb eine nach Art. 12 NHG zur eidg. Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugte Vereinigung nicht aufgrund von Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG zur kantonalrechtlichen Beschwerdeführung gegen auf das RPG gestützte Verfügungen und Nutzungspläne zugelassen werden muss. Der gemäss Art. 33 Abs. 3 RPG gewährleistete Rechtsschutz bezieht sich ferner nur auf Nutzungspläne, die unter der Herrschaft des RPG öffentlich aufgelegt wurden (Art. 33 Abs. 1 RPG).

107 IB 116 () from 7. Juli 1981
Regeste: Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG. Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Befreiung von der Anschlusspflicht aus wichtigen Gründen. Im Bereiche von Kanalisationen sind gemäss Art. 18 Abs. 1 Satz 1 GSchG grundsätzlich auch häusliche Abwässer aus landwirtschaftlichen Betrieben mit Nutztierhaltung an die Kanalisation anzuschliessen. Die in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG vorgesehene Ausnahmeregelung will im Einzelfall Härten und offensichtliche Unzweckmässigkeiten verhindern (E. 2). Selbst wenn aus technischer Sicht der Befreiung solcher häuslicher Abwässer von der Anschlusspflicht nichts entgegensteht, darf eine Ausnahmebewilligung nur dann erteilt werden, wenn das Beharren auf der Anschlusspflicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Härte führen würde oder offensichtlich unzweckmässig wäre. Im Blick auf das Gleichbehandlungsgebot kann von Bedeutung sein, ob die fragliche Liegenschaft in der Bauzone oder in der Landwirtschaftszone liegt (E. 4). Hier liegen keine besonderen Umstände vor, die ein Abweichen von der Regel nahelegen (E. 5).

107 IB 170 () from 9. Juli 1981
Regeste: Art. 97 Abs. 1 OG, Art. 5 VwVG; anfechtbare Verfügung. Ein Entscheid, der ausschliesslich auf kantonales Recht gestützt wird, im Ergebnis jedoch auf die Billigung einer Verletzung von Bundesrecht hinausläuft, ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, die mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann (E. 1). Art. 103 lit. c OG; Beschwerdelegitimation einer Gemeinde. Eine Verfügung, die unter dem Vorbehalt des Widerrufs den Fortbestand einer rechtswidrigen Baute ausserhalb der Bauzone zulässt, ist als Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 24 RPG aufzufassen. Die interessierte Gemeinde ist daher entsprechend Art. 34 Abs. 2 RPG in Verbindung mit Art. 103 lit. c OG zur Beschwerdeführung berechtigt (E. 2). Verletzung von Parteirechten der betroffenen Gemeinde, insbesondere Verweigerung des rechtlichen Gehörs (E. 3).

107 IB 177 () from 6. März 1981
Regeste: Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland. Ausnahme von der Bewilligungssperre. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung des Bundesrates vom 10. November 1976/18. Juni 1979 über den Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland (BewVF). Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b BewVF kann die dort vorgesehene Ausnahme von der Bewilligungssperre vom Verkäufer nur dann geltend gemacht werden, wenn das Grundstück von ihm als Zweitwohnung benutzt wird; diese Einschränkung ist ungerechtfertigt, sinn- und zwecklos und widerspricht somit Artikel 4 BV.

107 IB 261 () from 14. September 1981
Regeste: Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR). - Der ausländische Staat darf die von der Schweiz im Rechtshilfeverfahren übermittelten Erkenntnisse zur Abklärung von Delikten im Sinne von Art. 2 lit. a EueR nur dann verwenden, wenn die schweizerische Behörde das Rechtshilfegesuch unter einer entsprechenden, einschränkenden Bedingung bewilligt hat. - Begriff des Fiskaldelikts.

107 IB 289 () from 18. Februar 1981
Regeste: Befreiung von einer Vorzugslast, die eine Güterzusammenlegungskorporation gemäss den Art. 40 und 57 des Tessiner Gesetzes über die Güterzusammenlegung (GZG) vom Bund verlangt, der Mieter eines dem Zusammenlegungsgebiet benachbarten Schiessplatzes ist. 1. a) Die Vorzugslast, die eine vom Kanton mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraute Korporation auferlegt, ist eine kantonale Abgabe im Sinne von Art. 116 lit. f OG. Soweit der Bund sein Befreiungsbegehren auf Bundesverwaltungsrecht stützt, ist daher seine Eingabe als verwaltungsrechtliche Klage gemäss den Art. 116 ff. OG entgegenzunehmen (E. 1). b) Die Auflage einer Vorzugslast wird weder durch Art. 10 GarG (E. 3a), noch nur die Art. 31 Ziffer 4 und 164 Abs. 2 und 3 MO (E. 3b bis d), noch durch die Art. 33 MO und 87 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 30. März 1949 über die Verwaltung der schweizerischen Armee (VR) ausgeschlossen. Obschon die Vorzugslast für die Ausführung der mit der Güterzusammenlegung verbundenen Bodenverbesserungsarbeiten - zu denen auch der Bau der Korporationsstrassen gehört - auferlegt wird, kann der Bund die von ihm begehrte Befreiung nicht aus der besonderen Regelung der Art. 33 MO und 87 Abs. 2 lit. c VR herleiten, wonach er zu Beiträgen an den Unterhalt von Strassen nicht herangezogen werden darf; das ergibt sich aus der Systematik der die Abgabebefreiung betreffenden gesetzlichen Ordnung und dem besonderen Zweck der MO (E. 4). 2. a) Soweit der Bund sein Befreiungsbegehren aus dem kantonalen Recht (d.h. dem GZG) herleitet, steht ihm die staatsrechtliche Beschwerde nach den Art. 84 Abs. 1 lit. a und 87 OG zur Verfügung (E. 6). b) Die Grundstücke des Verwaltungsvermögens sind nicht zum vornherein von der Vorzugslast befreit; eine solche darf aber nur verlangt werden, wenn das Grundstück aus der Güterzusammenlegung als solcher oder aus einer einzelnen Massnahme einen besonderen wirtschaftlichen Nutzen zieht (E. 8a). c) Beitragspflicht aufgrund von besonderen, nicht mit dem Grundbesitz verbundenen Interessen, die der Bund ausserhalb des Zusammenlegungsgebietes hat und für die das Güterzusammenlegungsunternehmen eine besonderen Vorteil bringt (Art. 57 Abs. 2 GZG). Diese Interessen können die Auflage einer Vorzugslast rechtfertigen, wenn sie real vorliegen, wirtschaftliche Bedeutung haben, genügend erheblich sind und sich klar von jenen der Allgemeinheit unterscheiden. Im vorliegenden Fall lässt sich die Beitragspflicht des Bundes deshalb rechtfertigen, weil dieser als Mieter auf Grundstücken, die dem Zusammenlegungsgebiet benachbart sind, einen Schiessplatz betreibt (E. 8b).

107 II 10 () from 5. März 1981
Regeste: Genehmigung der Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung durch den Richter (Art. 158 Ziff. 5 ZGB). Der Richter hat bei der Festsetzung oder Abänderung des Unterhaltsbeitrages für die Kinder geschiedener Eltern mitzuwirken. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Erlass der während der Obhut des beitragspflichtigen Elternteils fällig werdenden Beiträge, der ohne richterliche Genehmigung vereinbart werden kann.

107 II 151 () from 26. März 1981
Regeste: Organhaftung, Verjährung (Art. 60 Abs. 2 OR). Wird vom Organ einer juristischen Person eine strafbare Handlung begangen, so gilt die längere Verjährungsfrist des Strafrechts nicht nur für den Zivilanspruch gegen den Täter selbst, sondern auch für den Anspruch gegen die juristische Person aus Organhaftung, sofern zwischen dem fehlbaren Organ und der juristischen Person wirtschaftliche Identität besteht (E. 4). Bindung des Zivilrichters an das Strafurteil (Art. 53 Abs. 2 OR). Der Zivilrichter ist bei der Beurteilung der Frage der Haftbarkeit von Bundesrechts wegen verpflichtet, über die Schuldfrage und die Schadensfeststellung ohne Rücksicht auf ein vorausgegangenes Strafurteil frei zu entscheiden. Im übrigen steht es dem kantonalen Recht frei, die Verbindlichkeit des Strafurteils für den Zivilrichter vorzusehen (E. 5).

107 II 222 () from 25. Juni 1981
Regeste: Alleinvertretungsvertrag; Schadensermittlung. 1. Austauschverhältnis beim Alleinvertretungsvertrag, Sinn von Art. 82 OR (E. I/2). 2. Kausalzusammenhang, Novenverbot (E. I/3). 3. Tat- und Rechtsfragen bei der Schadensberechnung (E. II/2).

107 II 233 () from 29. April 1981
Regeste: Verfahren bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten; Art. 343 Abs. 4 OR. 1. Entgegennahme einer staatsrechtlichen Beschwerde als Nichtigkeitsbeschwerde (E. 1). 2. Art. 343 Abs. 4 OR verpflichtet den Richter, alle rechtserheblichen Umstände zu berücksichtigen, die sich im Laufe des Verfahrens ergaben, auch wenn die Parteien nicht ausdrücklich darauf Bezug genommen haben (E. 2b). 3. Der Richter hat insbesondere durch Befragung der Parteien nachzuprüfen, ob ihre Vorbringen und Beweisangebote vollständig sind, sofern er sachliche Gründe hat, an deren Vollständigkeit zu zweifeln (E. 2c).

107 II 255 () from 12. Juli 1981
Regeste: Mietvertrag, Rückforderung der Instandstellungsentschädigung. Anspruch auf Rückerstattung der für das Weisseln der Wohnungsdecken bezahlten Instandstellungspauschale. Dieser Anspruch beruht nicht auf einer Änderung der Rechtsprechung, sondern auf der gesetzlichen Ordnung, wie sie seit dem Inkrafttreten des BMM besteht (E. 2-4). Voraussetzungen der Anrechnung eines sogenannten Rückforderungsschadens (E. 5).

107 II 301 () from 3. September 1981
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. Art. 8 EMRK; Recht auf Familienleben. Besuchsrecht des geschiedenen Ehegatten gegenüber seinen Kindern. Ablehnung eines Vollstreckungsbegehrens für die Ausübung des Besuchsrechts eines geschiedenen Vaters. Zulässigkeit der im Interesse der Kinder getroffenen Massnahme sowohl nach Art. 4 BV (E. 4, 5 u. 7) als auch nach Art. 8 EMRK (E. 6).

107 II 314 () from 10. November 1981
Regeste: Fürsorgerische Freiheitsentziehung. 1. Mit der Berufung gegen die fürsorgerische Freiheitsentziehung kann auch die Verletzung von Art. 397f Abs. 2 ZGB gerügt werden, wonach der betroffenen Person im gerichtlichen Verfahren wenn nötig ein Rechtsbeistand zu bestellen ist (E. 1). 2. Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsbeistandes. Der Umstand, dass die zu versorgende Person an einem geistigen Gebrechen leidet und dass die Versorgung tief in seine Rechte eingreift, macht für sich allein die Bestellung eines Rechtsbeistandes noch nicht erforderlich (E. 2, 3).

107 II 499 () from 15. Oktober 1981
Regeste: Art. 57 Abs. 5 OG. Ausnahme von der Regel (E. 1). Art. 274 Abs. 2 ZGB und Art. 44 OG. Wird dem Vater oder der Mutter das Recht auf persönlichen Verkehr mit ihrem unmündigen Kind von der Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 274 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 275 Abs. 1 ZGB entzogen, so können sie dagegen nicht Berufung beim Bundesgericht einlegen, weil keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 OG vorliegt (E. 2).

107 III 11 () from 25. Juni 1981
Regeste: Zustellung eines Zahlungsbefehls in der Bundesrepublik Deutschland. Die Anerkennung der Zustellung eines Zahlungsbefehls in der Bundesrepublik Deutschland durch Niederlegung beim zuständigen Amtsgericht im Sinne von § 182 der deutschen Zivilprozessordnung verstösst nicht gegen den schweizerischen ordre public.

107 III 40 () from 15. Januar 1981
Regeste: Nachlassvertrag; Art. 305 Abs. 2 SchKG. Bei der Schätzung des Pfandausfalls, um den sich der Gesamtbetrag der für die Berechnung des Summenmehrs in Betracht fallenden Forderungen erhöht, ist nicht auf den sogenannten Fortführungswert, sondern auf den Verkehrswert der Pfandgegenstände abzustellen, d.h. auf den Wert, der bei einer Veräusserung dieser Gegenstände mutmasslich erzielt werden kann.

107 III 53 () from 16. September 1981
Regeste: Art. 50, 52, 190 SchKG. Über eine Gesellschaft kann der Konkurs ohne vorgängige Betreibung nur am ordentlichen Betreibungsort eröffnet werden, über eine Aktiengesellschaft mithin an dem Ort, wo diese ihren Sitz hat und wo sie im Handelsregister eingetragen sein muss (E. 4-5).

107 IV 3 () from 20. Januar 1981
Regeste: Art. 10 f. StGB. Nicht jede durch den Konsum von Alkohol oder andern bewusstseins- und willensbeeinflussenden Drogen bewirkte kurzfristige Enthemmung oder Verdummung genügt, um die Zurechnungsfähigkeit herabzusetzen. Berücksichtigung des Verhaltens des Täters vor, während und nach seiner Tat.

107 IV 25 () from 9. Februar 1981
Regeste: Art. 46 Ziff. 3 StGB. Recht des in den Straf- oder Massnahmevollzug Eingewiesenen zum freien Verkehr mit seinem Rechtsanwalt oder nach kantonalem Recht anerkannten Rechtsbeistand. Umfang, insbesondere bei Gefangenen mit besonderen Sicherheitsrisiken.

107 IV 185 () from 27. November 1981
Regeste: Art. 293 StGB, Art. 22 GRN (Geschäftsreglement des Nationalrates). Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen. 1. Für die Geheimhaltungserklärung einer Verhandlung "durch Gesetz" braucht es kein Gesetz im formellen Sinn. Eine von der betreffenden Behörde im Rahmen ihrer Kompetenz erlassene Verordnung reicht aus, selbst wenn sich diese bloss an die Mitglieder der Behörde selbst oder allfällige weitere Sitzungsteilnehmer richtet, ohne zugleich einem aussenstehenden Bürger eine Geheimhaltungspflicht aufzuerlegen (Verwaltungsverordnung) (E. 1). 2. Art. 22 Abs. 2 GRN bildet eine rechtsgenügende Grundlage für eine Geheimhaltungserklärung im Sinne von Art. 293 StGB (E. 2b u. E. 3b). 3. Art. 293 StGB liegt ein formeller Geheimnisbegriff zugrunde (E. 3c).

107 V 203 () from 24. August 1981
Regeste: Art. 4 BV. Technische und praktische Gründe vermögen eine Ungleichbehandlung jedenfalls dann zu rechtfertigen, wenn diese nicht zu unbilligen Ergebnissen führt (Erw. 3). Art. 41bis AHVV. Abs. 1 dieser Bestimmung ist gesetzmässig und verstösst nicht gegen die Rechtsgleichheit (Erw. 3).

107 V 211 () from 15. Dezember 1981
Regeste: Art. 43 Abs. 3 IVG und Art. 20quater IVV. Die Regelung des Art. 20quater IVV hält sich im Rahmen der Delegationsnorm und ist weder verfassungs- noch gesetzwidrig.

108 IA 5 () from 31. März 1982
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör, Akteneinsicht; Rechtsgleichheit. 1. Umfang des Rechts auf Akteneinsicht. Art. 4 BV gewährt Privatpersonen weder einen Anspruch auf Herausgabe amtlicher Akten (E. 2b) noch auf Herstellung und Herausgabe von Kopien grossformatiger Pläne (E. 2c). 2. Rechtsgleichheit. Die Praxis der Zürcher Behörden, die Akten nur patentierten Rechtsanwälten, nicht aber privaten Beschwerdeführern herauszugeben, stellt keine gegen Art. 4 BV verstossende Ungleichbehandlung dar (E. 3).

108 IA 9 () from 19. März 1982
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. Erfordernis der Bedürftigkeit: Massgeblich sind grundsätzlich nur die eigenen Mittel eines Gesuchstellers sowie allenfalls jene von ihm gegenüber unterstützungspflichtigen Personen, nicht jedoch die Mittel eines Vereins, dem der Gesuchsteller als (wenn auch leitendes) Mitglied angehört.

108 IA 11 () from 23. April 1982
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege, Anwaltsrecht. 1. Der Armenanwalt ist nicht befugt, von der von ihm vertretenen Partei eine zusätzliche Entschädigung zu verlangen, auch wenn die ihm aus der Staatskasse ausgerichtete Entschädigung nicht einem vollen Honorar entspricht (E. 1). 2. Die Rechnungsstellung an die verbeiständete Partei stellt eine Standeswidrigkeit dar, die mit einem Verweis geahndet werden darf (E. 3). 3. Art. 4 BV verlangt nicht, dass der Anwalt, der sich zum Vorwurf der Verletzung der Standesregeln äussern konnte, vor dem Erlass einer solchen Disziplinarmassnahme noch besonders angehört wird (E. 4).

108 IA 22 () from 12. Februar 1982
Regeste: Zulassung zur Mittelschule im Kanton Waadt; Gleichheit der Geschlechter im Unterrichtswesen. Art. 88 OG: Die betroffenen Schülerinnen können einen Entscheid, durch den ihnen der Zugang zur Mittelschule verweigert wird, selbständig anfechten (E. 2). Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 2 BV (E. 4c). Ein die Mädchen im Verhältnis zu den Knaben benachteiligendes Bewertungssystem bei den Examen für die Zulassung zur Mittelschule verstösst gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau i.S. von Art. 4 Abs. 2 BV (E. 5). So wie die Examen gehandhabt werden, entbehren sie ausserdem der gesetzlichen Grundlage und beruhen auf einer willkürlichen Gesetzesanwendung (E. 6).

108 IA 41 () from 12. März 1982
Regeste: Kultusfreiheit; kirchlicher Umzug auf öffentlichem Grund. Art. 50 Abs. 1 und 2 BV; innerhalb der durch diese Bestimmung gesetzten Grenzen sind die Kantone verpflichtet die Abhaltung einer Prozession auf ihrem Gebiet zu gestatten (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2a). Art. 1 des Genfer Gesetzes über die öffentliche Religionsausübung, welcher jede Art von Prozessionen oder kirchlichen Kundgebungen auf öffentlichen Strassen untersagt, verstösst gegen Art. 50 BV (E. 2b und c). Die Kantone können kirchliche Kundgebungen auf öffentlichem Grund der Bewilligungspflicht unterstellen. Im konkreten Fall war die Verweigerung einer solchen Bewilligung ungerechtfertigt (E. 3).

108 IA 69 () from 26. Mai 1982
Regeste: Persönliche Freiheit; Aufschub des Strafvollzuges auf unbestimmte Zeit bei Straferstehungsunfähigkeit. Die Strafvollzugsbehörden haben nicht das Recht, auf den Vollzug einer rechtskräftig verhängten Strafe zu verzichten (Erw. 2a); hingegen ist ein Strafaufschub auf unbestimmte Zeit ausnahmsweise zulässig (Erw. 2b). Voraussetzungen hiefür (Erw. 2c), insbesondere bei Selbstmordgefahr (Erw. 2d). Gesundheitliche Störungen, die zur Entlassung aus der Sicherheitshaft geführt haben, brauchen nicht zu einem Aufschub des Strafvollzuges zu führen (Erw. 3).

108 IA 82 () from 17. Februar 1982
Regeste: Art. 88 OG, Legitimation; Gemeindeautonomie; Verfahren betreffend die Abberufung eines Pfarrers. Legitimation der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der Autonomie (E. 1b). Verletzung der Autonomie der Kantonalkirche und der Kirchgemeinde Straubenzell dadurch, dass der Regierungsrat im Rechtsmittelverfahren die ihm zustehende Prüfungsbefugnis überschritt: er nahm zu Unrecht an, es liege ein Missbrauch der Amtsgewalt durch den Kirchenrat der Kantonalkirche vor, weil dieser im Beschwerdeverfahren davon abgesehen habe, den von der Kirchgemeindeversammlung in geheimer Abstimmung gefassten Beschluss betreffend die Abberufung des Pfarrers aufzuheben (E. 3).

108 IA 97 () from 10. Mai 1982
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Die Kriterien der Legitimation des Geschädigten im Strafprozess zur staatsrechtlichen Beschwerde gelten auch in Ehrverletzungssachen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). Art. 4 BV. 1. Die Kantone dürfen die Vertretung bei der Strafantragsstellung bestimmten Formerfordernissen unterstellen, soweit diese die Durchsetzung des materiellen Bundesrechts nicht vereiteln (E. 3a). 2. Die Formvorschriften der Zivilprozessordnung des Kantons Schwyz über die Vertretung auf die Strafantragsstellung des Geschädigten analog anzuwenden, ist zulässig (E. 3a). Eine Verletzung von Art. 4 BV liegt aber vor, wenn nicht sämtliche entsprechenden Bestimmungen der ZPO angewendet werden, wie das Nachbesserungsrecht bei mangelhafter Klageeinleitung (§ 97 SZ/ZPO) und bei fehlender oder ungenügender Vollmacht (§ 35 SZ/ZPO; E. 3b).

108 IA 111 () from 3. Mai 1982
Regeste: Art. 4 BV; Erhebung einer Abgabe für nächtliches Dauerparkieren auf öffentlichem Grund. Das Gleichheitsgebot wird nicht verletzt, wenn von Dauerparkierern auf öffentlichem Grund lediglich Nachtparkiergebühren verlangt werden (E. 2).

108 IA 116 () from 26. Mai 1982
Regeste: Ausnützungsziffer; Anwendung auf Grundstücke, die in verschiedenen Zonen gelegen sind; Willkür. 1. Anwendung der Ausnützungsziffer bei einem Grundstück, das nachträglich in mehrere Parzellen aufgeteilt worden ist (E. 2). 2. Liegen zwei benachbarte Grundstücke in verschiedenen Zonen, so ist es jedenfalls nicht willkürlich, eine Anrechnung beider Landflächen, wodurch die Bebauungsmöglichkeiten auf der einen Parzelle vergrössert werden sollen, zu verbieten (E. 3).

108 IA 122 () from 17. Mai 1982
Regeste: Art. 4 BV (Treu und Glauben); Handänderungsgebühr, Praxisänderung. 1. Eine Praxisänderung muss nicht in der erstinstanzlichen Verfügung eingehend begründet werden. Es genügt, wenn dies im Einsprache- oder Beschwerdeverfahren nachgeholt wird (E. 2a). 2. Es ist gerechtfertigt und verstösst nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn eine Gemeinde in einem Einspracheverfahren bezüglich einer Handänderungsgebühr das Problem einer Praxisänderung der kantonalen Steuerverwaltung unterbreitet und deren Stellungnahme ihrem Entscheid zugrundelegt (E. 2b).

108 IA 126 () from 7. Mai 1982
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde gegen ein Gesetz, in dem bereits bisher geltende Prinzipien erneut aufgenommen wurden; Beschwerdebefugnis, Art. 4 Abs. 2 BV, Gleichheit der Geschlechter. 1. Eine vor Beginn der Frist eingereichte Beschwerde ist nicht unzulässig (E. 1a). 2. Wiederholt der Gesetzgeber in einem neuen Erlass einen Grundsatz, der schon im alten figurierte, und ändert er nicht den Inhalt sondern lediglich Elemente von untergeordneter Bedeutung, so ist das Bundesgericht befugt, die alten Elementen in ihrem neuen Rahmen wieder zu kontrollieren (E. 1b und c). 3. Festhalten an der Rechtsprechung, wonach eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 Abs. 1 BV unzulässig ist, wenn sie gegen eine Gesetzes- oder Reglementsbestimmung gerichtet ist, die Dritte begünstigt, und der Beschwerdeführer kein besonderes Interesse an der Aufhebung der Bestimmung geltend macht (E. 2). Gilt sie auch hinsichtlich gestützt auf Art. 4 Abs. 2 BV erhobener Beschwerden? (Frage offen gelassen, E. 3b). 4. Der Ehegatten gewährte Steuerabzug bei Erwerbstätigkeit der Ehefrau begründet keine Rechtsungleichheit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 BV sondern einen Vorteil, der dem Ehemann ebenso zu gute kommt wie der Ehefrau (E. 4).

108 IA 140 () from 25. Juni 1982
Regeste: Art. 89 OG; Art. 4 und 31 BV; Zürcher Unterhaltungsgewerbegesetz, Zulässigkeit des Verbots ideeller Immissionen. 1. Nach zürcherischem Recht läuft die Beschwerdefrist für die Anfechtung eines durch die Volksabstimmung angenommenen Erlasses von der Veröffentlichung des Erwahrungsbeschlusses des Kantonsrats im Amtsblatt an (E. 1). 2. Die Kantone und Gemeinden können baupolizeiliche und dem Schutz der Umgebung dienende Immissionsvorschriften auch bezüglich Betrieben aufstellen, die dem Arbeitsgesetz unterstehen (E. 5b). 3. Unbestimmte Rechtsbegriffe (wie "ideelle Immissionen") verstossen nicht gegen Art. 4 BV, sofern sie sich verfassungskonform auslegen lassen (E. 5c aa). 4. Dass Bewilligungen zum Betrieb von Unterhaltungsbetrieben nicht erteilt werden sollen, wenn von diesen übermässige Einwirkungen ideeller Art auf die Nachbarschaft ausgehen, liegt im öffentlichen Interesse und stellt eine zulässige, polizeilich motivierte Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit dar (E. 5c bb).

108 IA 178 () from 15. Juni 1982
Regeste: Grundsatz der Gewaltentrennung, Art. 5 Ziff. 4 EMRK; zürcherische Verordnung vom 29. Oktober 1980 über die Anpassung des kantonalen Rechtes an die Änderung des ZGB vom 6. Oktober 1978 betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung. Es bedeutet keine Verletzung des Gewaltentrennungsprinzips, wenn sich der Zürcher Regierungsrat aufgrund von Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB für berechtigt hielt, die notwendigen Ausführungsvorschriften zu den Bestimmungen des ZGB über die fürsorgerische Freiheitsentziehung auf dem Verordnungsweg in das zürcherische EG zum ZGB einzufügen (E. 2, 3). Die in § 117i der erwähnten Verordnung vorgesehene, vom Regierungsrat gewählte Psychiatrische Gerichtskommission ist ein "Gericht" im Sinne des Art. 5 Ziff. 4 EMRK (E. 4).

108 IA 197 () from 10. Mai 1982
Regeste: Schiedsgerichtliches Verfahren; Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit. 1. Ist das schiedsgerichtliche Verfahren einzustellen, wenn die Ernennung eines Schiedsrichters beim ordentlichen Richter angefochten wird? 2. Die Parteien haben alles zu unterlassen, was ohne zwingende Notwendigkeit den normalen Ablauf des schiedsgerichtlichen Verfahrens verzögern könnte.

108 IA 203 () from 20. April 1982
Regeste: Art. 87, 50 und 57 Abs. 5 OG. Ist gegen einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid mit der staatsrechtlichen Beschwerde zugleich eine nach Art. 50 OG zulässige Berufung erhoben worden, so ist auf die Beschwerde gemäss Art. 87 OG einzutreten.

108 IA 205 () from 28. Mai 1982
Regeste: Art. 89 OG. Weigert sich eine Behörde mit ausdrücklichem und begründetem Entscheid, ein Gesuch zu behandeln, so ist die staatsrechtliche Beschwerde innert 30 Tagen seit dessen Mitteilung einzureichen.

108 IA 209 () from 1. Dezember 1982
Regeste: Art. 4 BV, Willkür, überspitzter Formalismus; Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung der Rekursschrift gemäss § 23 Abs. 2 des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes. Reicht ein Anwalt für einen Rekurrenten bewusst eine mangelhafte Rekursschrift ein, um sich damit eine zusätzliche Begründungsfrist zu verschaffen, so kann die Einräumung einer Nachfrist im Sinne der erwähnten Vorschrift des zürcherischen Rechts ohne Verletzung von Art. 4 BV unterbleiben.

108 IA 212 () from 7. Dezember 1982
Regeste: Art. 4 BV; Gleichbehandlung im Unrecht; Interessen Dritter. Stehen dem aus dem Grundsatz der Rechtsgleichheit abgeleiteten Anspruch eines Privaten auf gesetzwidrige Begünstigung berechtigte Interessen Dritter entgegen, so sind die widersprechenden Rechte und Interessen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.

108 IA 252 () from 19. November 1982
Regeste: Art. 46 Abs. 2 BV (Erbschaftssteuer). Virtuelle Doppelbesteuerung (E. 2). Wohnsitz im Steuerrecht (E. 3-5). Die Erhebung von Erbschaftssteuern vom beweglichen Vermögen steht dem Wohnsitzkanton des Erblassers zu; dies gilt für Aktien einer reinen Immobiliengesellschaft, deren Liegenschaften nicht im Wohnsitzkanton des Erblassers liegen, auch wenn sämtliche Aktien oder deren überwiegende Mehrheit dem Erblasser gehörten (E. 6).

108 IA 264 () from 20. Oktober 1982
Regeste: Art. 88 OG, Legitimation; Art. 4 BV und Gemeindeautonomie, Nichtgenehmigung einer Pfarrwahl. Legitimation eines Geistlichen zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Verweigerung der Genehmigung seiner Wahl zum Pfarrer der Kirchgemeinde (E. 3a). Befugnis der Kirchgemeinde, gegen den Entscheid der kirchlichen Oberbehörde Beschwerde wegen Autonomieverletzung zu führen (E. 3b). Autonomie der thurgauischen Kirchgemeinden auf dem Gebiet der Pfarrwahl (E. 8). Wahl eines ausländischen Pfarrers durch eine Kirchgemeinde, die gestützt auf eine Vorschrift des Organisationsgesetzes der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau betreffend Gewährung des Stimm- und Wahlrechts an Ausländer in Gemeindeangelegenheiten die passive Wahlberechtigung für ausländische Pfarrer eingeführt hatte. Keine Verletzung der Autonomie der Kirchgemeinde, wenn der Evangelische Kirchenrat des Kantons Thurgau diese Wahl nicht genehmigte (E. 9).

108 IA 275 () from 17. September 1982
Regeste: Art. 10 EMRK; Veröffentlichung eines nach Art. 293 StGB geheimen amtlichen Berichtes. Das in Art. 22 GRN (SR 171.13) statuierte "Sitzungsgeheimnis" ist keine Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit im Sinne von Art. 10 Ziff. 2 EMRK, denn die in Art. 10 Ziff. 1 EMRK enthaltene Informationsfreiheit gewährleistet nur die aktive Erschliessung allgemein zugänglicher Quellen, zu denen die dem "Sitzungsgeheimnis" unterstellten Verhandlungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates sowie deren Gegenstand bildende "vertrauliche" Berichte nicht gehören.

108 IA 281 () from 28. Mai 1982
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. a, 85 lit. a und 88 OG. Gegen die angebliche Verletzung der Rechte einer Minderheit bei der Wahl der Mitglieder des Büros durch den grossen Gemeinderat ist nicht die Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG sondern jene gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG (Verletzung verfassungsmässiger Rechte) zu erheben; die Legitimation richtet sich entsprechend nach Art. 88 OG. Im konkreten Fall sind die Beschwerdeführer, die ausschliesslich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des grossen Gemeinderates von Moutier Beschwerde führen, zur Beschwerde gegen den Entscheid dieser Behörde nicht legitimiert.

108 IA 284 () from 21. Dezember 1982
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation eines Dritten. Legitimation des Unternehmers zur staatsrechtlichen Beschwerde verneint gegenüber einer an den Bauherrn und Eigentümer gerichteten Verfügung zur Vollstreckung der in der Baubewilligung gemachten Auflage in bezug auf die Hausbedachung.

108 IA 293 () from 8. Juli 1982
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. Art. 4 BV begründet keinen Anspruch der Parteien, sich zur rechtlichen Würdigung der in den Prozess eingeführten Tatsachen noch besonders auszusprechen. Ebensowenig folgt aus dem Gehörsanspruch, dass der Richter die Parteien auf den für die Urteilsfällung wesentlichen Sachverhalt hinzuweisen hätte.

108 IA 295 () from 22. Dezember 1982
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. Zone für öffentliche Bauten. 1. Abweichung vom klaren Wortlaut einer Gesetzesvorschrift. Willkür verneint bei der Schaffung einer Zone für öffentliche Bauten ausserhalb des Siedlungsgebiets, obwohl nach § 47 Abs. 1 des zürcherischen Bau- und Planungsgesetzes die Bauzonen innerhalb des Siedlungsgebiets auszuscheiden sind (E. 2). 2. Widerspruch zwischen kommunaler Nutzungszone und kantonalem Gesamtplan. Willkür verneint bei der Ausscheidung einer Zone für öffentliche Bauten im Landwirtschaftsgebiet (E. 3). 3. Es ist nicht willkürlich bzw. unverhältnismässig, für eine Sportanlage statt einer Freihaltezone eine Zone für öffentliche Bauten auszuscheiden (E. 4).

108 IA 308 () from 10. November 1982
Regeste: Interkantonale Schiedsgerichtsbarkeit: Ernennung eines Schiedsrichters, Gültigkeit der Schiedsabrede. 1. Örtliche Zuständigkeit der richterlichen Behörde zur Ernennung eines Schiedsrichters, wenn die Schiedsabrede den Sitz des Schiedsgerichts in einem Kanton festsetzt, der dem Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279) beigetreten ist, aber das Zürcher Prozessverfahren für anwendbar erklärt (E. 1). 2. Kognition der richterlichen Behörde im Rahmen von Art. 12 des Konkordates in bezug auf die Frage der Gültigkeit der Schiedsabrede (E. 2).

108 IA 316 () from 25. November 1982
Regeste: Anwaltsdisziplinarrecht; Meinungsäusserungsfreiheit; Öffentlichkeit der Verhandlungen. 1. Die in Art. 10 EMRK garantierte Meinungsäusserungsfreiheit ist nicht verletzt, wenn ein Anwalt diszipliniert wird, weil er unsachliche Kritik geübt und sich dabei im für den Verkehr mit den Behörden gebotenen Ton vergriffen hat (E. 1, 2). 2. Der schweizerische Vorbehalt zu Art. 6 EMRK schliesst die Anwendung dieser Bestimmung auf das Disziplinarverfahren vor der Aufsichtsbehörde aus (E. 5).

108 IA 323 () from 22. Oktober 1982
Regeste: Art. 88 OG; Beschwerdebefugnis. Die in Art. 14 des neuenburgischen Gesetzes vom 2. Juli 1962 über die Gastwirtschaftsbetriebe enthaltene Bedürfnisklausel stützt sich nur auf Art. 32quater BV; sie dient nur der Bekämpfung des Alkoholismus, einem allgemeinen öffentlichen Interessen also, und räumt dem Konkurrenten nicht das für die staatsrechtliche Beschwerde notwendige rechtlich geschützte Individualinteresse ein.

108 IB 71 () from 19. März 1982
Regeste: Überwälzung von Kosten für den Bau von Erschliessungsanlagen auf die Grundeigentümer. 1. Haben sich die Grundeigentümer gegen die Auferlegung von Kosten an Erschliessungsanlagen mit staatsrechtlicher Beschwerde oder mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Wehr zu setzen (E. 1)? 2. Das Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) sowie dessen Verordnung vom 20. August 1975 (VWEG; SR 843.1) legen den Rahmen fest, innert welchem den Grundeigentümern die Kosten der sogenannten Grob- und Feinerschliessung ihrer Grundstücke zu überbinden sind; dem kantonalen bzw. dem kommunalen Recht kann in diesem Bereich nur noch die Aufgabe der Feinregulierung der effektiv zu erhebenden Kosten zukommen (E. 2). 3. Das sog. Erschliessungskostenreglement der Gemeinde Alpnach vom 14. Dezember 1973 (ER) hält sich jedenfalls insofern an den vom Bundesrecht gegebenen Rahmen, als es die Kosten der Erschliessungs- und Sammelleitungen vollumfänglich auf die Grundeigentümer abwälzt (E. 3a).

108 IB 121 () from 3. Februar 1982
Regeste: Quartierplan. Kriterien für seine rechtliche Qualifikation.

108 IB 345 () from 19. Mai 1982
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung. 1. Umzonung einer Parzelle von einer lockeren Wohnzone 2. Etappe in eine Landwirtschafts- und Landschaftsschutzzone. Eine Bauzone 2. Etappe, die den Vorschriften des übrigen Gemeindegebietes untersteht, gilt nicht als Bauzone im Sinne der Art. 19 f. GSchG (E. 4b). Bedarf es für eine Überbauung nach der gegebenen Rechtslage erst noch eines Gemeindeversammlungsbeschlusses, so ist die Annahme auszuschliessen, die Überbauung sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich (E. 4c). Voraussetzungen, unter denen das mit der Schaffung einer Bauzone 2. Etappe begründete Vertrauen eine Einzonung in die definitive Bauzone gebietet (E. 4d). 2. Der Umstand, dass eine Liegenschaft zum Wert von Bauerwartungsland versteuert worden ist, kann nicht zur Annahme eines Sonderopfers führen (E. 5b). Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ersatz der Projektierungskosten (E. 5c).

108 IB 352 () from 10. November 1982
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung, Sonderopfer. 1. Begriff des Sonderopfers (E. 4a). 2. Auch die Annahme eines Sonderopfers setzt voraus, dass dem Grundeigentümer eine in naher Zukunft sehr wahrscheinlich realisierbare Nutzung entzogen wird (E. 4b). 3. Liegt weder eine Enteignung noch eine enteignungsähnliche Eigentumsbeschränkung vor, so kann ein allfälliger Anspruch auf Ersatz nutzlos gewordener Planungskosten nicht auf Art. 22ter Abs. 3 BV bzw. Art. 5 Abs. 2 RPG, sondern nur auf Art. 4 BV (Vertrauensschutz) gestützt werden (E. 4b aa ff.).

108 IB 377 () from 21. April 1982
Regeste: Baubewilligung und Rodungsbewilligung. Grundsatz von Treu und Glauben. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Verfügung i.S. von Art. 5 VwVG; End- oder Zwischenentscheid (E. 1a und b). Unzulässigkeit der Erteilung einer Baubewilligung in einem Verfahren, in dem die Verweigerung einer Rodungsbewilligung angefochten wird (E. 1d). 2. Begriff des Waldes. Qualifizierung der in Frage stehenden Parzelle als Wald (E. 2). 3. Baubewilligung, die stillschweigend an die Bedingung der nachfolgenden Erteilung einer Rodungsbewilligung geknüpft ist. Die Verweigerung der letztgenannten bedeutet keinen Widerruf der Baubewilligung. Wirkungen hinsichtlich der vom Inhaber der Baubewilligung erhobenen Rügen (E. 3a). 4. Voraussetzungen des Vertrauensschutzes im allgemeinen (E. 3b). Bejahung des Vertrauensschutzes im konkreten Fall in Anbetracht der gesamten Umstände (von der Gemeinde vor dem Grundstückkauf abgegebene Zusicherungen; mindestens zweimalige Bestätigung der Zuordnung der Parzelle zur Bauzone durch den Regierungsrat, der auch obere kantonale Aufsichtsbehörde über die Fortspolizei ist; Erteilung einer Rodungsbewilligung an den Eigentümer einer gleichartigen, angrenzenden Parzelle; Verhalten der Forstpolizeibehörden) (E. 3c).

108 IB 392 () from 28. Oktober 1982
Regeste: Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Frau im Falle von Heirat. 1. Aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts, von der er durch Erlass des ZGB Gebrauch gemacht hat, ist der Bund zum Erlass von Vorschriften über die Beibehaltung oder den Verlust des Kantons- und Gemeindebürgerrechts der Frau im Falle von Heirat ausschliesslich zuständig. Den Kantonen fehlt daher eine entsprechende Kompetenz (E. 2). 2. Eine kantonale Regelung, die es der Frau ermöglicht, bei der Heirat ihr bisheriges Kantons- und Gemeindebürgerrecht beizubehalten, steht zudem materiell mit dem Bundesrecht in Widerspruch (E. 3).

108 IB 465 () from 15. Juli 1982
Regeste: Art. 132 und 90 WStB; Befugnisse der kantonalen Wehrsteuerverwaltung im Steuerhinterziehungsverfahren. 1. Muss die kantonale Rekurskommission auf eine Beschwerde eintreten, die sich gegen die Mitteilung über die Einleitung eines Steuerhinterziehungsverfahrens richtet, wenn mit der Mitteilung eine Aufforderung zur Erteilung von Auskünften und zur Herausgabe von Unterlagen verbunden ist? (E. 2). 2. Voraussetzungen, unter welchen die kantonale Behörde, die Akten eines Strafverfahrens gegen die Verantwortlichen einer Bank sichtet und dabei auf Dokumente über Bankkunden stösst, die nicht Beteiligte des Strafverfahrens sind, solche Dokumente berücksichtigen darf, um ein Hinterziehungsverfahren gegen diese Kunden einzuleiten. (E. 3)

108 II 51 () from 26. Januar 1982
Regeste: Art. 47 Abs. 3 OG. Werkeigentümer- und Motorfahrzeughalterhaftung. 1. Voraussetzungen der Berufungsfähigkeit einer Widerklage, die den Streitwert von Art. 46 OG nicht erreicht (E. 1). 2. Die fehlende Signalisierung einer Tordurchfahrt stellt einen Werkmangel dar (E. 2). Adäquater Kausalzusammenhang mit dem Schaden an einem Lastwagen, der den Torbogen gerammt hat (E. 3). Verschulden des Fahrzeugführers und des Werkeigentümers (E. 4). 3. Kollision von Werkeigentümer- und Motorfahrzeughalterhaftung. Berücksichtigung der Betriebsgefahr des Lastwagens. Aufteilung des Schadens (E. 5 und 6).

108 II 69 () from 18. März 1982
Regeste: Vorsorgliche Massnahmen wegen unlauteren Wettbewerbs. 1. Art. 87 OG. Staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Entscheid über solche Massnahmen; Voraussetzungen. Neue Vorbringen (E. 1). 2. Art. 9 Abs. 2 UWG. Anforderungen an den Nachweis von Tatsachen und an deren Beurteilung im Massnahmenverfahren (E. 2a). 3. Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. Wann liegt eine Nachahmung vor, die im Sinne dieser Bestimmung gegen Treu und Glauben verstösst; wann nicht (E. 2b)? Umstände, unter denen ersteres offensichtlich zutrifft (E. 2c).

108 II 130 () from 20. April 1982
Regeste: Art. 944 Abs. 1 OR und 117 HRegV. Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Registerbezirk. Voraussetzungen, unter welchen ein örtlicher Hinweis in der Firma trotz Sitzverlegung beibehalten werden darf.

108 II 161 () from 19. März 1982
Regeste: Namensänderung (Art. 30 ZGB). Das Namensänderungsgesuch einer verheirateten Frau, es sei ihr zu gestatten, den vorehelichen Namen wieder anzunehmen (allenfalls unter Beifügung des ehelichen Namens), verstösst gegen Art. 161 Abs. 1 ZGB.

108 II 228 () from 20. Juli 1982
Regeste: Art. 9 Abs. 2 UWG. Umstände, unter welchen ein nicht leicht ersetzbarer Nachteil angenommen werden kann (Erw. 2b). Abwägung der Interessen beider Parteien, insbesondere wenn mit einer vorsorglichen Massnahme nicht allein der bisherige Zustand sichergestellt, sondern bereits die vorläufige Vollstreckung eines Anspruchs verlangt wird, über dessen Bestand der Zivilrichter im ordentlichen Verfahren erst in Zukunft wird befinden müssen (Erw. 2c).

108 II 375 () from 10. Juni 1982
Regeste: Tod des Inhabers der elterlichen Gewalt bei einem Kind geschiedener Eltern; Übertragung der elterlichen Gewalt auf den überlebenden Elternteil. 1. Zuständig, ein Kind geschiedener Eltern nach dem Tod des Inhabers der elterlichen Gewalt unter die elterliche Gewalt des überlebenden Elternteils zu stellen, ist nicht nur der Richter (Art. 157 ZGB), sondern auch die Vormundschaftsbehörde (Ergänzung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Hat jedoch die Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 368 Abs. 1 ZGB bereits eine Vormundschaft errichtet und ein allfälliges Gesuch des überlebenden Elternteils um Einsetzung in die elterliche Gewalt ein erstes Mal abgewiesen, bleibt nur noch der Weg der Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils offen (E. 3).

108 III 41 () from 8. Januar 1982
Regeste: Frist für die Arrestprosequierungsklage, Nachfrist bei Unzuständigkeit des Richters (Art. 278 Abs. 2 SchKG, 139 OR). Es ist nicht willkürlich, Art. 139 OR analog auf die Frist für die Einreichung der Arrestprosequierungsklage anzuwenden.

108 IV 3 () from 28. Mai 1982
Regeste: Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung in Form eines unechten Unterlassungsdelikts. 1. Ein medizinischer Laie, der für eine 10tägige totale Fastenkur (inkl. Flüssigkeitsentzug) aufgrund der konkreten Umstände die Verantwortung trägt, übernimmt dadurch eine Schutzfunktion, die seine Garantenstellung begründet. Von ihm ist objektiv zu erwarten, dass er bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Schutzbefohlenen einen Arzt beizieht (E. 1). 2. Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten, die durch eine Unterlassung begangen werden, ist der Erfolg dem Täter dann zuzurechnen, wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich entfällt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2).

108 IV 52 () from 15. Januar 1982
Regeste: Art. 32 Abs. 2, 106 Abs. 1 SVG, Art. 115 SSV. Die Anordnung des Versuchs "Tempo 50" und dessen Signalisierung sind gesetzmässig.

108 IV 120 () from 18. August 1982
Regeste: 1. Art. 20a ff. UWG; Art. 8 Abs. 2 der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen vom 11. Dezember 1978 (SR 942.211). Die Vorschrift, wonach die in den Schaufenstern ausgestellten Gegenstände mit von aussen gut lesbaren Preisanschriften an der Ware selbst oder unmittelbar daneben zu versehen sind (Art. 8 Abs. 2 der Verordnung), hält sich im Rahmen der dem Bundesrat in Art. 20a Abs. 2 UWG erteilten Kompetenz zur Regelung der Preisbekanntgabe und ist auch in bezug auf Luxusgüter geeignet, der Lauterkeit des Wettbewerbs und dem Schutz der Konsumenten zu dienen. Sie ist daher gesetzmässig (E. 2). 2. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen vom 11. Dezember 1978. Keine "technischen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung sind: - der Luxuscharakter eines Gegenstandes (E. 3); - der Umstand, dass von aussen gut lesbare Preisanschriften an den in den Schaufenstern ausgestellten Gegenständen den Dieben die Auswahl gerade der teuersten Objekte erleichtern (E. 3); - die Vielzahl der ausgestellten Waren (E. 4); - Umtriebe und praktische Schwierigkeiten zufolge Auflagen der Versicherung (E. 4). 3. Notstand (Art. 34 StGB) verneint (E. 5). 4. Gleichbehandlung aller Geschäftsinhaber (E. 6).

108 V 13 () from 4. März 1982
Regeste: Verzugszinsen. Im Bereich der Sozialversicherung werden grundsätzlich keine Verzugszinsen geschuldet, sofern sie nicht gesetzlich vorgesehen sind; Ausnahmen von diesem Grundsatz (Bestätigung der Rechtsprechung).

108 V 113 () from 20. September 1982
Regeste: Art. 33ter und 38 Abs. 3 AHVG, Art. 52 AHVV, lit. b Abs. 1-3 Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision. - Die ab 1. Januar 1979 gültige neue Teilrentenordnung ist bundesrechtskonform (Erw. 3b). - Sie ist auch auf jene Fälle anwendbar, in denen bei ihrem Inkrafttreten ein Rentenanspruch bereits bestand; die Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision bilden hierfür eine ausreichende gesetzliche Grundlage (Erw. 3c und 4). - Die Einstufung als Vollrentenberechtigter im Rahmen der früheren Teilrentenordnung begründet kein wohlerworbenes Recht in dem Sinne, dass sie unter der neuen Teilrentenordnung gewährleistet bleiben muss (Erw. 5). - Kein Widerspruch zu Art. 34quater Abs. 2 Satz 5 BV und Art. 33ter AHVG, wenn infolge Herabsetzung des Rentenbetrages aufgrund der neuen Teilrentenordnung bei der Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung auf den 1. Januar 1980 keine Rentenerhöhung erfolgen kann (Erw. 6).

109 IA 1 () from 22. März 1983
Regeste: Art. 33 RPG, Verfahren. Beschwerdebehörde im Sinne von Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG kann auch eine Einspracheinstanz sein, sofern sie den angefochtenen Entscheid frei überprüft. Dass der Regierungsrat die Instruktion des Einspracheverfahrens an das Baudepartement delegierte, das sich schon bei der Vorprüfung zu äussern hatte, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 2).

109 IA 3 () from 11. Mai 1983
Regeste: Art. 4 BV, rechtliches Gehör. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach der aus Art. 4 BV folgende Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist, wenn die durch einen Entscheid bestimmte Rechtsstellung einer Partei zu deren Nachteil abgeändert wird, ohne dass ihr von der Rechtsmittelinstanz Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den gegen den Entscheid vorgebrachten Argumenten zu äussern.

109 IA 5 () from 3. Mai 1983
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Zivilprozess. 1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts nach Art. 4 BV (E. 1). Anspruch des Gemeinschuldners auf unentgeltliche Prozessführung (E. 2); Umstände, unter denen seine Bedürftigkeit zu bejahen ist (E. 3) und seine Klage nicht als aussichtslos bezeichnet werden darf (E. 4). 2. Art. 31 Abs. 3 OR. Bedeutung des Vorbehalts (E. 4b). 3. Art. 159 Abs. 2 OG. Entschädigungspflicht der unterliegenden Behörde (E. 5).

109 IA 12 () from 4. Mai 1983
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Strafprozess. Räumt das kantonale Recht dem Geschädigten ein Rekursrecht ein, so hat dieser unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV Anspruch auf Befreiung von der Kautionspflicht, falls er unbemittelt ist und der Rekurs nicht als aussichtslos erscheint.

109 IA 72 () from 26. Mai 1983
Regeste: Art. 2 Üb.Best. BV, Art. 290 ZGB. Die in Art. 290 ZGB erwähnte kantonale Stelle ist unter anderem befugt, im Namen des unterhaltsberechtigten Kindes ein Rechtsöffnungsbegehren zu stellen. Tritt der Rechtsöffnungsrichter auf ein solches Begehren nicht ein mit der Begründung, nach kantonalem Prozessrecht seien nur Anwälte zur Prozessvertretung berechtigt, so verletzt er den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb.Best. BV).

109 IA 81 () from 18. Februar 1983
Regeste: Art. 38 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit, aufschiebende Wirkung. Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid im Sinne von Art. 38 des Konkordats (E. 1). Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Zwischenentscheid, der die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bejaht. Verweigerung der aufschiebenden Wirkung (E. 2).

109 IA 88 () from 24. März 1983
Regeste: Art. 86 Abs. 2 und 87 OG. Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nach der bernischen Zivilprozessordnung.

109 IA 90 () from 23. Februar 1983
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Der Entscheid der Aufsichtsbehörde, der Beschwerde gegen einen Anwalt keine Folge zu geben, greift nicht in die Rechtsstellung des Verzeigers ein. Werden dem Verzeiger Kosten auferlegt, ist er deswegen nur dann im Sinne von Art. 88 OG beschwert, wenn er geltend macht, die Kostenverlegung sei aus anderen Gründen als dem blossen Umstand, dass er in der Hauptsache unterlag, verfassungswidrig.

109 IA 91 () from 13. April 1983
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation. Ob die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegeben ist, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und frei, unabhängig davon, ob der Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren die Beschwerdebefugnis zuerkannt worden ist. Der Ehefrau des Eigentümers einer Liegenschaft, wo die beiden in Hausgemeinschaft wohnen, fehlt die Legitimation, gegen ein vom Nachbarn ausgeschriebenes Bauprojekt in eigenem Namen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV zu führen.

109 IA 97 () from 17. Juni 1983
Regeste: Art. 4 BV; das zur Bemessung der Ertrags- und Kapitalsteuer massgebliche Eigenkapital. 1. Die Rüge der Verletzung von Art. 4 BV durch § 71a des baselstädtischen Steuergesetzes kann bei Anwendung dieser Bestimmung gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid über die Steuerveranlagung erhoben werden (E. 1). 2. Die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher Betrachtungsweise bei der Interpretation einer Steuernorm, die mit wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten arbeitet, und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei Steuerumgehung, wo in Abweichung von einer Steuernorm, die mit zivilrechtlichen Kriterien operiert, auf das wirtschaftliche Verhältnis zurückgegriffen wird, ist u.a. wesentlich für die unterschiedliche Handhabe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Bereich der Unterkapitalisierung (E. 2). 3. Keinerlei Verfassungsrecht gebietet dem Gesetzgeber, bei der steuerlichen Behandlung des Eigenkapitals von Handelsgesellschaften ausschliesslich auf den obligationenrechtlichen Eigenkapitalbegriff abzustellen oder vom Risikokapital auszugehen. Der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum in der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und in der Wahl der Mittel zu deren steuerlicher Erfassung (E. 3).

109 IA 103 () from 18. Oktober 1983
Regeste: Art. 4 BV; Bewilligung des Wechselrechtsvorschlags, Revision. Die Regelung des Zivilprozessrechts des Kantons Graubünden, wonach gegen den Entscheid betreffend die Bewilligung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung die Revision nicht zulässig ist, verstösst nicht gegen Art. 4 BV.

109 IA 107 () from 10. August 1983
Regeste: Anwendbare Bestimmungen auf die Entschädigung eines Offizialverteidigers. 1. Die kantonal-genfer Behörde hat bei der Festlegung der Entschädigung an einen Offizialverteidiger einen weiten Ermessensraum. Die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts ist auf Willkür beschränkt (E. 2c). 2. Auslegung des anwendbaren Genfer Rechts (E. 3a-d). 3. Es rechtfertigt sich Anwaltspraktikant und Anwalt verschieden zu behandeln (E. 3e). 4. Rechtsgleiche Behandlung der Entschädigungsansprüche von Offizialverteidigern in Strafsachen vor dem gleichen Gericht (E. 3f).

109 IA 113 () from 18. Mai 1983
Regeste: Rechtssicherheit; Änderung von Zonenplänen. Bei Zonenplanänderungen ist dem Gebote der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Rechtssicherheit jenes an einer Änderung des Zonenplanes.

109 IA 116 () from 13. Juli 1983
Regeste: Beschluss über die Ursprungsbezeichnungen der Walliser Weine. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerden (E. 2). Art. 31 BV; Die in Art. 1 und 7 des Beschlusses vorgesehenen Beschränkungen beruhen auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage; da sie die Qualität der Walliser Weine zu schützen bezwecken, können sie als Massnahmen gewerbepolizeilicher Natur betrachtet werden (E. 4). Rechtsgleiche Behandlung. Dieses Prinzip wird weder durch die Vorschrift, wonach die Weinbereitung im Kanton durchzuführen ist, was eine Kontrolle durch das kantonale Laboratorium ermöglicht, verletzt, noch durch des Erfordernis, dass in der Mischung, die unter der Bezeichnung "appellation d'origine de dôle" zum Verkauf gelangt, wie bisher der Anteil an "pinot noir" im Verhältnis zum "gamay" dominiert (E. 5). Art. 2 UebBest. BV; die Genehmigung des kantonalen Beschlusses, durch den Bundesrat ist insofern für den Richter verbindlich, als diese Gesetzgebungsbefugnis auf einer in der Lebensmittelverordnung enthaltenen Delegation beruht (E. 6).

109 IA 128 () from 15. Juli 1983
Regeste: Gastwirtschaftswesen; Patenterteilung "auf Zusehen und Wohlverhalten hin" - Die Patenterteilung "auf Zusehen und Wohlverhalten hin" stellt eine resolutiv bedingte Verfügung dar (E. 5b, c). Voraussetzungen einer solchen Einschränkung (E. 5d, e, f). - Die Behörde darf in einem derartigen Fall auf ihren Entscheid zurückkommen, wenn sich neue Tatsachen ergeben, die gegen die Patenterteilung sprechen. Sie kann ohne Bindung an den früheren Entscheid die bei der Patenterteilung bereits bekannten zusammen mit den neu eingetretenen Tatsachen frei würdigen (E. 7a). Ein sofort wirksamer Patententzug muss aber dem öffentlichen Interesse entsprechen und darf nicht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu widerlaufen (E. 7b). Verhältnisse des vorliegenden Falles (E. 7c).

109 IA 166 () from 30. November 1983
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 EMRK; Kostenauflage bei Einstellung des Verfahrens. Da der Beschuldigte im Strafverfahren gemäss Rechtsprechung nicht zur Aussage verpflichtet ist, kann im blossen Umstand, dass er die Aussage verweigert hat, in der Regel kein schuldhaftes Erschweren des Verfahrens erblickt werden. Vorbehalten bleiben Fälle von Rechtsmissbrauch.

109 IA 173 () from 3. Oktober 1983
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation öffentlichrechtlicher Korporationen zur staatsrechtlichen Beschwerde. 1. Grundsatz (E. 1). 2. Ausnahmen (E. 2). 3. Den Schwellenbezirken des bernischen Rechts steht kein geschützter Autonomiebereich zu, weshalb sie nicht legitimiert sind, Eingriffe kantonaler Behörden in ihr hoheitliches Handeln mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten (E. 3).

109 IA 183 () from 2. November 1983
Regeste: Art. 4 BV. Kantonales Zivilprozessrecht, Postaufgabe zur Einhaltung einer Rekursfrist. Es ist willkürlich, den Einwurf in einen Briefkasten der Übergabe an eine Poststelle nicht gleichzusetzen.

109 IA 188 () from 5. Oktober 1983
Regeste: Ausnützungsziffer; anrechenbare Grundstückfläche; Baugesetz der Gemeinde Flims. Liegt ein Grundstück zwar vollständig in der Bauzone, ist es jedoch in zwei Flächen verschiedener Erschliessungsetappen unterteilt, so darf bei der Überbauung der Fläche in der Erschliessungsetappe I die in der Erschliessungsetappe II liegende Fläche nicht in die Berechnung der Ausnützungsziffer einbezogen werden, es sei denn, eine ausdrückliche Vorschrift lasse diese Ausnahme zu (E. 2-4).

109 IA 193 () from 22. Dezember 1983
Regeste: Kaminfegermonopol; Art. 31 Abs. 1 BV. 1. Das Kaminfegermonopol für Ölheizkessel lässt sich heute nicht mehr mit dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Feuersbrünsten rechtfertigen (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 2c). Dieses Monopol rechtfertigt sich indes gleich wie dasjenige der Kontrolle von Abgasen aus Heizungen unter gesundheitspolizeilichen Gesichtspunkten als Mittel gegen die Luftverschmutzung (Präzisierung der Rechtsprechung). Frage, ob das Energiesparen ein öffentliches Interesse zu begründen vermag, offen gelassen. Das Kaminfegermonopol für Ölheizkessel erfährt im Kanton Genf eine tatsächliche Beschränkung, insofern, als der Unterhalt der Ölheizkessel fachgerecht durchgeführt wird (E. 3a-b). 2. Das Monopol zugunsten entsprechend ausgebildeter offizieller Kaminfeger stellt einen zulässigen Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit dar, welcher das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht verletzt (E. 3c).

109 IA 208 () from 18. Mai 1983
Regeste: Art. 57 BV; Petitionsrecht, Unterschriftensammlung zugunsten von Räumen für intime Besuche in einem Gefängnis, Bewilligungspflicht. 1. Wie auch immer die Unterschriftensammlung auf öffentlichem Grund rechtlich qualifiziert wird (als Gemeingebrauch, gesteigerter Gemeingebrauch oder Sondernutzung), sie kann nicht irgendwo und irgendwie durchgeführt werden; sie untersteht nach einem allgemeinen Grundsatz der Bewilligungspflicht auch dort, wo eine gesetzliche Grundlage dazu fehlt (E. 4a); im übrigen ist im Genfer Recht eine solche gegeben (E. 4b). 2. Das Bewilligungsverfahren darf nicht zu einer politischen Zensurierung führen; der Entscheid muss zudem verhältnismässig sein (E. 5). In Anbetracht der emotionsgeladenen Situation im Kanton Genf im Zeitpunkt der Gesuchstellung hat der Staatsrat durch die Bewilligungsverweigerung weder sein Ermessen überschritten, noch das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt (E. 6 und 7).

109 IA 217 () from 2. Dezember 1983
Regeste: Art. 17 Abs. 1 OG. Öffentlichkeit von Verhandlungen und Disziplinarmassnahmen, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und schweizerischer Vorbehalt dazu. 1. Macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht lediglich Verfahrensfehler in einem gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahren geltend, so findet das in Art. 17 Abs. 1 OG aufgestellte Prinzip der Öffentlichkeit von Verhandlungen Anwendung, selbst wenn der Streit materiell eine Disziplinarmassnahme betrifft (E. 1). 2. Fragen der Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 2). 3. Die disziplinarische Einstellung eines Anwalts in der Berufsausübung stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einen Eingriff in die Ausübung eines liberalen Berufes dar und ist als Streit über Rechte und Pflichten zivilrechtlicher Natur i.S. von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu verstehen. Insofern ist der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen zu wahren. Gemäss dem von der Schweiz zu Art. 6 EMRK erklärten Vorbehalt ist dieses Prinzip jedoch nicht anwendbar auf solche Streitverfahren, die sich nach dem kantonalen Recht vor einer Verwaltungsbehörde abspielen. Unter Verwaltungsbehörden sind auch Gerichtsinstanzen zu verstehen, die wie das waadtländische Kantonsgericht in Disziplinarsachen Verwaltungsfunktionen ausüben (E. 4). 4. Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 5).

109 IA 235 () from 30. Dezember 1983
Regeste: Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Unschuldsvermutung; Verurteilung des Freigesprochenen zu den Untersuchungskosten. Dem Angeklagten, der freigesprochen oder gegen den das Strafverfahren eingestellt wurde, dürfen Gerichtskosten und Prozessentschädigung nur aus Gründen auferlegt werden, die nicht im Zusammenhang mit der Würdigung seines strafrechtlichen Verschuldens stehen. Verletzung des Art. 6 Ziff. 2 EMRK dadurch, dass die Urteilsmotive eindeutig zu Lasten des Beschuldigten eine Schuldvermutung widerspiegeln (E. 2a und b). Recht des Beschuldigten oder Angeklagten zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu schweigen (E. 2c).

109 IA 239 () from 2. November 1983
Regeste: § 229 StPO/BS, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK, Anspruch auf Verbeiständung im Strafverfahren. § 229 StPO/BS ist insoweit mit Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK nicht vereinbar, als das Recht des Angeschuldigten, sich im Verfahren auf Verzeigung, d.h. vor dem Polizeirichter, durch einen Anwalt verbeiständen zu lassen, von einschränkenden Voraussetzungen abhängig gemacht wird (E. 4-6).

109 IA 252 () from 13. April 1983
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation zur Beschwerde gegen die angeblich rechtswidrige Begünstigung Dritter durch einen Erlass. Ein Privater kann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen rechtsungleicher Behandlung einen Erlass anfechten, wenn er geltend macht, dieser privilegiere Dritte in objektiv nicht zu rechtfertigender Weise; dazu genügt es, dass sich der Betreffende in einer Lage befindet, die derjenigen der Dritten vergleichbar ist, und dass sich der den Dritten gewährte Vorteil gleichzeitig für ihn als Nachteil auswirkt (Änderung der Rechtsprechung).

109 IA 273 () from 9. November 1983
Regeste: Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs und Einsatz technischer Überwachungsgeräte; Änderung der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt. Art. 4 und Art. 36 Abs. 4 BV, persönliche Freiheit, Art. 8 und Art. 13 EMRK. 1. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber eine Materie für seinen Kompetenzbereich gleich oder ähnlich wie ein Kanton ordnet, schränkt die Befugnis des Bundesgerichts zur Überprüfung eines kantonalen Erlasses nicht ein (E. 2b). 2. Geltungsbereich von Art. 36 Abs. 4 BV, des verfassungsmässigen Rechts auf persönliche Freiheit und von Art. 8 EMRK; Einschränkungen dieser Freiheitsrechte (E. 4a). 3. Anforderungen an die Bestimmtheit von grundrechtsbeschränkenden Normen (E. 4d). 4. Voraussetzungen zur Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs (E. 6). 5. Einsatz von technischen Überwachungsgeräten (E. 7). 6. Überwachung von Drittpersonen (E. 8). 7. Überwachung zur Verhütung von Verbrechen und Vergehen (E. 9). 8. Verfahren zur Anordnung von Überwachungsmassnahmen; richterliche Genehmigung (E. 10). 9. Keine Verletzung der aus Art. 4 BV abgeleiteten Verteidigungsrechte von Angeschuldigten (E. 11). 10. Ein genereller Ausschluss der nachträglichen Benachrichtigung von Betroffenen verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und verstösst gegen Art. 13 EMRK; ausnahmsweise kann die Benachrichtigung unterbleiben, soweit eine solche den Zweck der Überwachung gefährdet (E. 12a und 12b). 11. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Vorschrift im abstrakten Normkontrollverfahren nur auf, sofern sie sich jeder verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht (E. 2a); Kriterien für die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung im vorliegenden Fall (E. 12c).

109 IA 320 () from 20. April 1983
Regeste: Garantie der persönlichen Freiheit. Untersuchungs- und Sicherheitshaft im Tessiner Strafverfahren; gesetzliche Grundlage, Haftdauer. Im Kanton Tessin wird die Haft während des Untersuchungsverfahrens von Art. 45 StPO geregelt und der Ablauf der in dieser Bestimmung vorgesehenen bzw. nach dieser Bestimmung verlängerten Fristen zieht automatisch die Beendigung der Haft nach sich. Nach Anklageerhebung wird die Haft jedoch von Art. 44 StPO geregelt, welche nur mit dem Wegfall der sie begründenden Voraussetzungen endet.

109 IA 325 () from 21. Dezember 1983
Regeste: Art. 4 BV und Gemeindeautonomie. Verlegung der Baukosten von Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen. Tragweite des Gleichbehandlungsgebotes bei der Setzung kommunalen Rechts und bei dessen Überprüfung (E. 4). Für die Verlegung der Baukosten muss ein Verteilungsschlüssel gefunden werden, der als gerecht erscheint, ohne dass der tatsächliche wirtschaftliche Vorteil für das einzelne Grundstück noch konkret zu bemessen wäre (E. 5). Der Brandversicherungswert der Gebäude ist eine geeignete Grundlage; die Höhe des Beitragsansatzes muss nicht unbedingt von der Art des Gebäudes abhangen. Der Versicherungsneuwert basiert auf dem Kubikmeter-Wert der Gebäude. Dieser ist aber im Mittel für Wohnbauten und Hotels höher als für Industriebauten (E. 6).

109 IA 335 () from 18. März 1983
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. b OG; staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Konkordaten. 1. Eine Gegenrechtsvereinbarung im Bereich der Erbschaftssteuer zwischen zwei Kantonen ist ein Konkordat i.S. von Art. 84 Abs. 1 lit. b OG (E. 1). 2. Beschwerdebefugnis (E. 2). 3. Das Bundesgericht hat im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Konkordatsrecht grundsätzlich freie Prüfungsbefugnis; erklärt das Konkordat indes lediglich internes Recht jedes Konkordatskantons anwendbar, ohne eigenständige Bestimmungen aufzustellen, so ist die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt (E. 5; Präzisierung der Rechtsprechung).

109 IB 81 () from 25. März 1983
Regeste: Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Recht auf Altesrente nach den Statuten der Eidgenössischen Versicherungskasse; Art. 11 Abs. 1 der Statuten (RS 172.222.1) und Art. 116 OG; Art. 23 der Statuten und Art. 4 Abs. 2 BV. 1. Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage; Erfordernis des schutzwürdigen Interesses, wenn die Klage auf die Feststellung eines Rechts gerichtet ist (E. 1). Prüfung des schutzwürdigen Interesses im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 2 BV (E. 2). 2. Zuständigkeit des Bundesgerichtes zur Prüfung von Gesetzmässigkeit und Verfassungsmässigkeit der Statuten der Eidgenössischen Versicherungskasse, die vom Bundesrat als Verordnung erlassen und von der Bundesversammlung in einem einfachen Bundesbeschluss genehmigt worden sind (E. 3). 3. Das gemäss Art. 23 der Statuten nur den weiblichen Versicherten zustehende Recht, sich nach 35 Beitragsjahren pensionieren zu lassen, verstösst gegen Art. 4 Abs. 2 BV. In Anbetracht der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten ist es nicht Sache des Bundesgerichtes, zu bestimmen, wie diese Ungleichheit zu beseitigen ist, bzw. dem Kläger die in den Statuten nicht vorgesehenen Leistungen zuzusprechen (E. 4). 4. Verletzt das in Art. 23 der Statuten vorgesehene unterschiedliche Pensionierungsalter Art. 4 Abs. 2 BV? Frage offen gelassen (E. 5).

109 IB 177 () from 2. August 1983
Regeste: Fremdenpolizei; Nichterneuerung bzw. Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung. 1. Die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug (Art. 38 StGB) verschafft dem Ausländer keinen Rechtsanspruch auf Erteilung bzw. Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung (E. 1). 2. Der in der Sache selbst nicht legitimierte Ausländer kann nur die Verletzung jener Parteirechte geltend machen, die ihm aufgrund des kantonalen Rechts zustehen (E. 2).

109 IB 246 () from 19. Oktober 1983
Regeste: Art. 99 lit. e und 101 lit. d OG; Art. 108 Abs. 2 und 3 OG; Wiedererwägungsverfahren. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid, mit dem es die Behörde ablehnte, auf ein Wiedererwägungsgesuch einzugehen, das sich auf eine früher erteilte Baubewilligung für technische Anlagen i.S. von Art. 99 lit. e OG bezog (E. 3a). 2. Neue Beweismittel (E. 3b und c). 3. Pflicht, auf ein Wiedererwägungsgesuch einzutreten, insbesondere, wenn es um den Widerruf einer erteilten Bewilligung geht (E. 4).

109 IB 257 () from 13. Juli 1983
Regeste: Raumplanung; Enteignung (Art. 22ter Abs. 3 BV, Art. 5 Abs. 2 und Art. 34 RPG, Tessiner Enteignungsgesetz vom 8. März 1971). Materielle Enteignung eines Baugrundstückes durch Zuweisung zur Zone für öffentliche Anlagen, gefolgt von einer formellen Enteignung für die Überbauung der Liegenschaft. a) Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid, mit dem die Gesamtentschädigung festgesetzt wird (E. 1). b) Der Anspruch auf Entschädigung für die vorausgegangene materielle Enteignung besteht selbständig neben jenem für die formelle Enteignung; er ist nach Art. 39 des Tessiner Enteignungsgesetzes innert Jahresfrist nach Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung geltend zu machen. Die Entschädigung ist spätestens vom Zeitpunkt an zu verzinsen, in dem sie in unverkennbarer Weise verlangt worden ist, und nicht erst vom Moment der Festsetzung der Gesamtentschädigung an (E. 2). c) Im formellen Enteignungsverfahren ist nur der Restwert des umgezonten Grundstückes zu vergüten. Die planerische Massnahme bzw. die in ihr liegende materielle Enteignung ist somit nicht als blosse Vorwirkung des Werkes zu betrachten, die bei der Verkehrswertbestimmung im formellen Enteignungsverfahren ausser acht zu lassen wäre (E. 2).

109 II 26 () from 17. Februar 1983
Regeste: Vollstreckung eines Wandelungsurteils; Zulässigkeit der Berufung. 1. Entscheide im Befehlsverfahren nach §§ 222 ff. ZPO/ZH als berufungsfähige Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von Art. 46 OG (E. 1). 2. Befehlsverfahren zur Vollstreckung eines Wandelungsurteils; Frage der Rechtskraft (E. 2a und b). 3. Wandelung Zug um Zug; Voraussetzungen der Haftung des Käufers für die sorgfältige Aufbewahrung der Sache zwischen Wandelung und Rückgabe (analoge Anwendung von Art. 890 ZGB; E. 3). 4. Holschuld und Rückgabeangebot des Käufers; Gläubigerverzug des Verkäufers (E. 4).

109 II 47 () from 4. Mai 1983
Regeste: Art. 697 Abs. 3 OR. Auskunftsrecht des Aktionärs. 1. Der Aktionär kann dieses Recht auch durchsetzen, wenn er auf eine Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen verzichtet. Zuständigkeit nach kantonalem Recht und deren Folgen (E. 2). 2. Inhalt und Umfang des Anspruchs auf Auskunfterteilung (E. 3).

109 II 95 () from 11. Februar 1983
Regeste: Wahl des Vornamens (Art. 301 Abs. 4 ZGB, Art. 69 Abs. 2 ZStV). Es ist nicht zulässig, einem Mädchen den Vornamen "Amel" zu geben, denn dieser Vorname lässt das Geschlecht des Kindes nicht eindeutig erkennen.

109 II 130 () from 10. Mai 1983
Regeste: Art. 686 Abs. 4, 685 Abs. 4, 652 OR. Eintragung ins Aktienbuch und Bezugsrecht bei vinkulierten Namenaktien. Erwirbt eine Gesellschaft infolge Fusion (aufgrund eines ausländischen Gesetzes) vinkulierte Namenaktien, so kann sie sich unter den Voraussetzungen von Art. 686 Abs. 4 OR als Aktionärin ins Aktienbuch eintragen lassen (E. 2a-e) und gestützt darauf ihr Bezugsrecht ausüben, sofern sie es nicht verwirkt hat (Art. 652, 685 Abs. 4 OR) (E. 2f). Kein Bezugsrecht steht ihr als blosse Eigentümerin vinkulierter Namenaktien zu; Begriff des Bezugsrechts; Ablehnung der Spaltungstheorie (E. 3).

109 II 165 () from 8. Juni 1983
Regeste: Art. 28 und 74 PatG. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit. 1. Das Interesse an der Nichtigkeitsklage muss im Zeitpunkt des Urteils noch vorhanden sein. Lässt der Inhaber das Streitpatent während des Prozesses erlöschen, so kann das Interesse insbesondere weiterbestehen, wenn noch Ansprüche aus dem Patent hängig sind oder geltend gemacht werden können (E. 2). 2. Die Möglichkeit einer unlauteren Verwendung des erloschenen Patentes zu Werbezwecken rechtfertigt dagegen keine Fortsetzung des Prozesses (E. 3).

109 II 170 () from 28. Januar 1983
Regeste: Prüfungsbefugnis der tessinischen Kassationskammer in Zivilsachen. Art. 327 lit. g der tessinischen Zivilprozessordnung beschränkt die Prüfungsbefugnis der Kassationskammer in Zivilsachen auf Willkür; die Ausdehnung dieser Befugnis ist willkürlich (E. 2). Art. 69 Abs. 1 u. 2 SVG. Unter dem Gesichtswinkel der Willkür schliesst der Wortlaut dieser Bestimmung nicht aus, dass auf die Haftung des Halters eines abschleppenden Motorfahrzeugs und seiner Haftpflichtversicherung gegenüber dem Halter des abgeschleppten Fahrzeugs die Bestimmungen des SVG angewendet werden (E. 3).

109 II 174 () from 18. Juli 1983
Regeste: Art. 67 Ziff. 1 OG, Ankündigung einer Praxisänderung. 1. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nach Art. 67 Ziff. 1 OG (E. 2). 2. Keine Pflicht der kantonalen Instanz, ihre Praxisänderung anzukündigen, wenn die Wiederherstellung der Berufungsfrist möglich ist (E. 3).

109 II 245 () from 22. September 1983
Regeste: Grundbuchberichtigungsklage einer nach Art. 6 Abs. 1 EGG vorkaufsberechtigten Person, die vom Verkauf des Grundstückes erst nachträglich erfahren hat. 1. Ermittlung des Streitwertes (E. 1). 2. Vollzug des Verkaufs einer zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörenden Parzelle trotz rechtsgültiger Geltendmachung des Vorkaufsrechtes durch einen nach EGG Berechtigten, und zwar offensichtlich mit dem Ziel, die Gesamtfläche des Gewerbes unter die für die Anwendbarkeit der EGG-Bestimmungen über das Vorkaufsrecht erforderliche Limite sinken zu lassen: In einem solchen Fall ist es bei der Beurteilung des Verkaufs einer zweiten Parzelle so zu halten, wie wenn die erste Parzelle noch auf den Namen des Eigentümers des landwirtschaftlichen Gewerbes im Grundbuch eingetragen wäre (E. 4). 3. Unter der "Mitteilung" im Sinne von Art. 14 Abs. 1 EGG ist diejenige zu verstehen, die der Grundbuchverwalter den Vorkaufsberechtigten gemäss Art. 13 Abs. 3 EGG zu machen hat (E. 6). 4. Voraussetzungen, unter denen der Einrede der Verwirkung des Vorkaufsrechtes (Art. 14 Abs. 2 EGG) entgegengehalten werden kann, sieverstosse gegen Art. 2 ZGB (E. 7).

109 II 400 () from 22. Dezember 1983
Regeste: Sicherstellung der Miterben durch einen nutzniessungsberechtigten Erben (Art. 464, 760 ff. ZGB). 1. Der Entscheid der letzten kantonalen Instanz, durch den ein nutzniessungsberechtigter Erbe zur Sicherstellung der Miterben verpflichtet wird, ist grundsätzlich mit Berufung anfechtbar (E. 1). 2. Das Sicherstellungsbegehren kann durch einen einzigen Erben eingereicht werden, doch müssen sich die Miterben dazu äussern können; soweit diese weder dem Begehren beitreten noch sich von vornherein einem darüber ergehenden Urteil unterziehen wollen, sind sie auf der Seite des Beklagten in den Prozess einzubeziehen (E. 2).

109 IV 12 () from 9. Februar 1983
Regeste: Art. 100ter Ziff. 1 Abs. 1 StGB: Bedingte Entlassung aus der Arbeitserziehungsanstalt. Vor ihrem Entscheid über die bedingte Entlassung aus der Arbeitserziehungsanstalt muss die zuständige Behörde den Betroffenen persönlich anhören.

109 V 52 () from 14. April 1983
Regeste: Art. 24 Abs. 2 lit. b AlVG, Art. 9 Abs. 2 AlVB, Art. 12 Abs. 1 AlVV. Die für den Nachweis einer beitragspflichtigen Beschäftigung während mindestens 150 vollen Arbeitstagen geltende Frist von 365 Tagen bestimmt sich rückwirkend vom Zeitpunkt an, in welchem der Versicherte erstmals Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung geltend macht und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, in der Regel somit vom ersten Stempeltag an (Erw. 1). Art. 4 BV, Grundsatz von Treu und Glauben. Voraussetzungen, unter welchen ein von der Verwaltung abgegebenes fehlerhaftes Merkblatt zu einer vom materiellen Recht abweichenden Entscheidung Anlass geben kann (Erw. 2, 3).

110 IA 1 () from 9. März 1984
Regeste: Steuerrechtliche Behandlung von börsenmässigen Komptant- und Termindifferenzgeschäften im Kanton Zürich. 1. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur rechtsgenügend erhobene Rügen; Anforderungen an die Substantiierung von Verfassungsrügen (E. 2a). 2. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von börsenmässigen Komptant- und Termindifferenzgeschäften (Gewinne aus ersteren als steuerfreie Kapitalgewinne und Gewinne aus den letzteren als steuerbares Einkommen einzustufen) ist rechtsungleich und verletzt damit Art. 4 BV (E. 4). Wie beim gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel können börsenmässige Kapitalgewinne unter Umständen auch dann der Einkommenssteuer unterworfen werden, wenn das anwendbare Steuerrecht keine Kapitalgewinnsteuer kennt (E. 5).

110 IA 7 () from 13. April 1984
Regeste: Art. 88 OG; Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 54 BV, rechtsgleiche Besteuerung von Ehegatten und Konkubinatspaaren. 1. Ehegatten sind zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Steuererlass legitimiert, der sie im Vergleich zu Konkubinatspaaren benachteiligt. Die Legitimation bezieht sich nicht auf den Grundsatz der Geschlechtergleichheit (Art. 4 Abs. 2 BV), da dieser nicht berührt ist (E. 1). 2. Allgemeine Bedeutung des Rechtsgleichheitsgebots im Steuerrecht (E. 2). 3. Konsequenzen für die Ehegattenbesteuerung aus dem Gebot der Rechtsgleichheit nach Art. 4 Abs. 1 BV (E. 3) und aus dem Recht zur Ehe nach Art. 54 BV (E. 5). 4. Das Steuergesetz des Kantons Zürich genügt den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 BV insofern nicht, als es in höheren Einkommensbereichen Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren ohne haltbaren Grund benachteiligt (E. 4). 5. Keine Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen, weil sich die Rechtsgleichheit weder durch ein Wiederaufleben des früheren Rechts, noch durch eine schlichte Individualbesteuerung der Partner einer ungetrennten Ehe, sondern nur durch eine positive Gesetzesänderung erreichen lässt (E. 6).

110 IA 27 () from 4. Mai 1984
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. Voraussetzungen des Anspruchs einer bedürftigen Partei auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Scheidungsprozess.

110 IA 36 () from 25. Januar 1984
Regeste: Art. 56 BV, öffentlichrechtliche Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft. Die Studentenschaft der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist als öffentlichrechtliche Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet (E. 3a). Weder die Mitgliedschaft noch der Beobachterstatus bei einer politischen Organisation von der Art des Verbandes Schweizerischer Liberaler Studentenorganisationen lassen sich bei einer Würdigung der gegebenen Umstände mit dieser Verpflichtung vereinbaren. Aus dem negativen Effekt der verfassungsmässigen Garantie der Vereinsfreiheit lässt sich der Anspruch darauf ableiten, dass die Organisation, der die Studierenden von Gesetzes wegen und ohne Austrittsmöglichkeit angehören, nicht als eine politische betrachtet wird (E. 3b, 4).

110 IA 50 () from 25. Januar 1984
Regeste: Gemeindeautonomie. Art. 4 BV. Eingriff des Kantons in die Steuerhoheit einer Gemeinde. Rechtsbehelfe der Gemeinde.

110 IA 71 () from 8. März 1984
Regeste: Erschöpfung des Instanzenzugs; Art. 86 Abs. 2 und 87 OG. Staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nach dem Gerichtsorganisationsgesetz und der Zivilprozessordnung des Kantons Obwalden.

110 IA 72 () from 9. März 1984
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Anspruches auf Akteneinsicht. 1. Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde beurteilt sich unabhängig von der Tatsache, dass die Beschwerdeführer im kantonalen Rekursverfahren als Partei behandelt wurden (E. 1). 2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Akteneinsicht kann mit staatsrechtlicher Beschwerde nur geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer in einem Verfahren rechtlich geschützte Interessen verfolgt oder - wenn es sich um lediglich tatsächliche Interessen handelt - soweit ihm kantonale Verfahrensvorschriften Rechte im Verfahren einräumen (E. 2).

110 IA 78 () from 4. Mai 1984
Regeste: Art. 88 OG, 310 Abs. 3 ZGB. Den Pflegeeltern eines Kindes fehlt die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde, mit der geltend gemacht wird, die von den vormundschaftlichen Behörden angeordnete Rückgabe des Kindes an die Eltern verstosse gegen Art. 310 Abs. 3 ZGB.

110 IA 81 () from 23. Mai 1984
Regeste: Art. 4 BV, rechtliches Gehör. 1. Zusammensetzung einer Augenscheinsdelegation im Beschwerdeverfahren vor der kantonalen Exekutive (E. 5c). 2. Voraussetzungen, unter welchen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geheilt wird (E. 5d).

110 IA 87 () from 24. Juli 1984
Regeste: Art. 4 BV (unentgeltlicher Rechtsbeistand). Ein Kind, dem die Vormundschaftsbehörde einen Rechtsanwalt als Beistand bestellt hat, mit dem Auftrag, es im Prozess zu vertreten, kann nicht unter Berufung auf Art. 4 BV die Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes verlangen.

110 IA 91 () from 29. Februar 1984
Regeste: Art. 4 BV. Ausnützungsziffer bei Bestehen von Wald, anrechenbare Grundstückfläche. 1. Der bundesrechtliche Waldbegriff gemäss Art. 1 FPolV ist auch für das kantonale Recht massgebend, insbesondere bei der Anwendung kantonaler oder kommunaler Bestimmungen über die Ausnützungsziffer (E. 2b). 2. Es ist willkürlich, bei der Berechnung der nach Baurecht zulässigen Ausnützung den mit Wald im Sinne von Art. 1 FPolV bedeckten Teil einer Parzelle auf die massgebende Grundstückfläche anzurechnen; der Einbezug des geschützten Waldareals in die Berechnung der Ausnützung ist auch unter dem Gesichtswinkel des Planungsrechts unhaltbar (E. 2d).

110 IA 95 () from 31. August 1984
Regeste: Art. 4 BV. Anwaltsrecht. Disziplinarische Verantwortlichkeit des Anwalts, der ein offensichtlich übersetztes Honorar verlangt. Die Disziplinierung setzt ein Verschulden, jedoch keine Absicht voraus (Präzisierung der Rechtsprechung).

110 IA 106 () from 3. Juli 1984
Regeste: Schiedsabrede beim Erwerb von Stockwerkeigentum; Art. 58 Abs. 1 BV. Überprüfungsbefugnis zu Art. 58 Abs. 1 BV und zum Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (E. 1) Eine Schiedsklausel in der Verwaltungsordnung einer Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft ist für den Rechtsnachfolger eines Stockwerkeigentümers nur verbindlich, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt, von denen das kantonale Prozessrecht ihre Gültigkeit abhängig macht; Verhältnis von Art. 649a ZGB zu Art. 6 Abs. 2 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit (E. 2-4).

110 IA 111 () from 3. Oktober 1984
Regeste: Art. 2 ÜbBest BV, 4 und 31 BV; kantonale Tarifordnung für die Vermittlung von Wohn- und Geschäftsräumen. 1. Ein kantonaler Erlass, der Höchstansätze für die gewerbsmässige Vermittlung von Wohn- und Geschäftsräumen vorschreibt, ist mit dem Bundesprivatrecht (Mäklervertrag, Art. 412 ff. OR) und mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar (E. 3 und 4). 2. Ist die Festsetzung eines Höchstansatzes von 75% des ersten monatlichen Nettomietzinses willkürlich? Im konkreten Fall verneint (E. 5).

110 IA 134 () from 15. Februar 1984
Regeste: Art. 87 OG; Endentscheid. Der Einleitungsbeschluss, mit welchem nach dem Perimetergesetz des Kantons Graubünden das Perimetergebiet abgegrenzt wird, ist als Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG zu betrachten.

110 IA 136 () from 25. Mai 1984
Regeste: Ausschöpfung des Instanzenzuges nach Art. 87 OG bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV. 1. Ein als "Revision" bezeichnetes kantonales Rechtsmittel, welches kassatorische Rügen zulässt, muss ergriffen werden, bevor eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV zulässig ist (E. 2). 2. Die "Besondere Revision" gemäss § 121bis des solothurnischen Gesetzes über die direkten Staats- und Gemeindesteuern vom 29. Januar 1961, mit der die unrichtige Tatsachenwürdigung und die Verletzung klaren Rechts gerügt werden können, bildet einen Bestandteil des Instanzenzuges im Sinne von Art. 87 OG (E. 3). 3. Keine Praxisänderung, obwohl viele Kantone in ihren Steuergesetzen kassatorische Revisionsgründe kennen (E. 4).

110 IA 155 () from 7. September 1984
Regeste: Art. 4 BV. Jagdausschluss. Art. 1, 39 ff., 58 JVG (SR 922.0). Jagdberechtigung: Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht.

110 IA 156 () from 14. November 1984
Regeste: Art. 4 BV, Art. 202 Abs. 1 StrV-BE; Anspruch auf Entschädigung bei Aufhebung eines Strafverfahrens. 1. Die Anwaltskosten sind nach dem bernischen Strafverfahren dann zu ersetzen, wenn der Angeschuldigte nach der Schwere des Tatvorwurfs und nach seinen persönlichen Verhältnissen sowie nach der Komplexität des Sachverhaltes objektiv begründeten Anlass hatte, einen Anwalt beizuziehen (E. 1). 2. Terminologische Klarstellung: notwendige und gebotene Verteidigung (E. 1b).

110 IA 176 () from 26. September 1984
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Fristwahrung, Teilungültigkeit einer Volksinitiative. 1. Soweit sich eine Stimmrechtsbeschwerde gegen Handlungen richtet, die der Vorbereitung von Abstimmungen und Wahlen dienen, ist sie grundsätzlich im Anschluss an deren Anordnung zu erheben (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 2a). 2. Das Stimmrecht wird im vorliegenden Fall nicht dadurch verletzt, dass eine formulierte Volksinitiative teilweise als ungültig erklärt und nur der gültige Teil der Volksabstimmung unterbreitet wird (E. 3).

110 IA 211 () from 28. November 1984
Regeste: Art. 86 Abs. 2 OG; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Entscheide des aargauischen Regierungsrates über Einsprachen gegen Zonenpläne kann das Bundesgericht - nachdem zweifelsfrei feststeht, dass diese Nutzungspläne der abstrakten Normenkontrolle durch das Aargauer Verwaltungsgericht unterzogen werden können - nicht mehr eintreten (Änderung der in BGE 106 Ia 56 ff. publizierten Rechtsprechung) (E. 1, 2). Einhaltung einer bestimmten Frist im kantonalen Verfahren als Voraussetzung zur Anfechtung des kantonalen Normenkontrollentscheids mit staatsrechtlicher Beschwerde (E. 3).

110 IB 29 () from 25. Januar 1984
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung. Begriff. Verfahren. 1. Unzulässigkeit der Anschlussbeschwerde im Verfahren vor Bundesgericht (E. 2). 2. Begriff der materiellen Enteignung. a) Unzulässigkeit abweichender Begriffsumschreibung durch die Kantone (E. 3). b) Tatbestände der materiellen Enteignung; Theorie des Sonderopfers (E. 4). c) Anwendungsfall, in dem die Auszonung eines in der Einfamilienhauszone gelegenen Grundstücks und dessen Zuweisung zum Übrigen Gemeindegebiet dem betroffenen Grundeigentümer weder eine wesentliche, aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzieht (E. 4a), noch ein Sonderopfer auferlegt (E. 4b).

110 IB 63 () from 12. April 1984
Regeste: Verordnung über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer vom 22. Oktober 1980. 1. Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG ist anwendbar bei Streitigkeiten über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, nicht jedoch, wo es ausschliesslich um die Frage der Anwendbarkeit der genannten Verordnung geht (E. 2a und b). 2. Abgesehen von den in Art. 2 und 3 der Verordnung genannten Fällen hat die kantonale Behörde darüber zu befinden, ob eine Person von der Begrenzungsmassnahme des Bundesrates erfasst wird; der diesbezügliche Entscheid ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (E. 2c). Frage, ob nicht nur der Arbeitgeber sondern auch der Arbeitnehmer beschwerdeberechtigt ist, offen gelassen (E. 2d). 3. Begriff der auf Erwerb gerichteten Tätigkeit i.S. von Art. 3 Abs. 1 ANAV (E. 4b). Die Funktionen, die im konkreten Fall zwei Nonnen in einem Mädchenpensionat zu erfüllen haben, sind objektiv nicht als auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu qualifizieren (E. 4c).

110 IB 99 () from 8. Juni 1984
Regeste: Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 OG. Lärmimmissionen aus Schiessbetrieb; Legitimation zur Einsprache. Vom Entscheid, eine Schiessanlage zu erstellen oder auszubauen und die nachbarlichen Abwehrrechte gegen die Lärmimmissionen aus dem Schiessbetrieb zu enteignen, werden nicht nur die Nachbarn berührt, auf deren Grundstücken der Schiesslärm die Alarmwerte erreicht. Berührt und einsprachelegitimiert sind vielmehr all jene, die in der Nähe der Schiessanlage wohnen, den Schiesslärm deutlich wahrnehmen und dadurch in ihrer Ruhe gestört werden.

110 IB 148 () from 5. Juli 1984
Regeste: Art. 99 lit. h und 103 lit. a OG; Art. 26 und 42 Abs. 1 lit. c FPolG; Rechtsanspruch auf Bundessubventionen an Parzellarzusammenlegungen. Art. 42 Abs. 1 lit. c FPolG räumt grundsätzlich einen Anspruch auf Bundessubventionen ein (E. 1b). Die Waldzusammenlegungsgenossenschaften sind zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (E. 1c). Die Weigerung, angesichts der angespannten Lage der Bundesfinanzen einem bestimmten Waldzusammenlegungsprojekt einen Bundesbeitrag zuzusprechen, verstösst gegen Bundesrecht. Die Verwaltung muss die vorhandenen Kredite nach dem Grundsatz der Rechtsgleichheit und willkürfrei auf die einzelnen Projekte aufteilen (E. 2).

110 IB 166 () from 2. Februar 1984
Regeste: Art. 3 Abs. 4 und Art. 4 BankG, Art. 13 Abs. 3 BankV. Rechtsstellung der Kantonalbanken, für deren Verbindlichkeiten der Kanton nicht haftet. 1. Soweit Art. 13 Abs. 3 BankV den Kantonalbanken, für deren Verbindlichkeiten der Kanton nicht haftet, die gleiche Rechtsstellung verleiht wie den übrigen Banken, hält er sich im Rahmen der Delegationsnorm von Art. 4 Abs. 2 BankG und verletzt das Prinzip der Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit nicht (E. 2a-c). 2. Aus Art. 31quater Abs. 2 BV oder Art. 3 Abs. 4 BankG folgt nicht, dass die Kantonalbanken ungeachtet der Haftung des Kantons für ihre Verbindlichkeiten in jeder Hinsicht die gleiche Rechtsstellung haben müssen. Die unterschiedliche Regelung der Konkursvorrechte der Bankgläubiger (Art. 15 Abs. 3 BankG, Art. 219 SchKG) sprechen gegen eine solche allgemeine Regel (E. 2d).

110 IB 255 () from 4. April 1984
Regeste: Art. 5 Abs. 2, Art. 34 RPG; Entschädigung für Heimschlag. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gegeben, wenn der Heimschlag im Anschluss an eine Planungsmassnahme im Sinne des RPG erfolgt und umstritten ist, ob in dieser Massnahme eine materielle Enteignung liege und welche Entschädigung hiefür geschuldet sei (E. 1). Für die Festsetzung der Heimschlagsentschädigung sind - soweit die materielle Enteignung in Frage steht - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Planungsmassnahme massgebend (E. 2).

110 IB 332 () from 19. Dezember 1984
Regeste: Raumplanung. Rechtsmissbrauchsverbot (Treu und Glauben). Es ist mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, einen Privaten die Nachteile einer neuen Ordnung tragen zu lassen, wenn die von der Behörde zu verantwortende ungebührlich lange Verfahrensdauer zur Folge hatte, dass das neue Recht (in casu: Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22.6.1979) noch vor dem Entscheid in Kraft treten konnte. In einem solchen Fall ist das für den Privaten günstigere alte formelle (E. 2-3) bzw. materielle (E. 4) Recht anzuwenden.

110 IB 387 () from 28. November 1984
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Voraussetzungen, unter denen der Beschuldigte zur Akteneinsicht (E. 2) und zur Ergreifung eines Rechtsmittels (E. 3) legitimiert ist.

110 II 70 () from 2. Mai 1984
Regeste: Rückweisung eines Patentgesuchs. Gesetz- und Verfassungsmässigkeit des Art. 35 Abs. 3 PatV. 1. Kann das Bundesamt für geistiges Eigentum die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der PatV überprüfen? (Frage offengelassen) (E. 1). 2. Die Rückweisung eines Patentgesuchs wegen fehlender und bis zum Ablauf von 16 Monaten seit dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum nicht nachgereichter Erfindernennung gemäss Art. 35 Abs. 3 PatV hält sich im Rahmen der dem Bundesrat im PatG delegierten Kompetenzen und ist verfassungsmässig (E. 2).

110 II 113 () from 16. März 1984
Regeste: Verletzung von Art. 4 BV durch Missachtung prozessualer Grundsätze (Verbot der reformatio in peius; Dispositionsmaxime) im kantonalen Appellationsverfahren: Abänderung einer von der ersten Instanz gestützt auf Art. 152 ZGB zugesprochenen scheidungsrechtlichen Unterhaltsrente in eine solche gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB ohne entsprechenden Parteiantrag.

110 II 168 () from 18. Juni 1984
Regeste: Arbeitsvertrag; Kündigungsschutz bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (Art. 336e Abs. 1 lit. b, 341 Abs. 1 OR). Der Arbeitnehmer kann nicht einseitig auf den Kündigungsschutz gemäss Art. 336e OR und die damit verbundene Lohnfortzahlung während der verlängerten Kündigungszeit verzichten. Im Rahmen eines Vergleichs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist ein Verzicht nur in eindeutigen Fällen beiderseitigen Entgegenkommens zulässig (E. 3 und 4).

110 II 209 () from 6. Juli 1984
Regeste: Art. 218 OR; Sperrfrist für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken. Der Eigentumswechsel kraft Erbrechts setzt die Sperrfrist des Art. 218 OR nicht neu in Gang.

110 II 213 () from 21. März 1984
Regeste: Art. 218 und 218bis OR. 1. Art. 218 OR bezweckt keine Bodenpreiskontrolle. Fehlt eine Spekulationsabsicht, so stehen ein beträchtlicher Gewinn und das Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Ertrags- sowie amtlichen Verkehrswert einer Ausnahmebewilligung nicht entgegen. 2. Ein Arrondierungskauf im Sinne von Art. 218bis OR braucht nicht notwendigerweise ein Kauf zum Zwecke der örtlichen Abrundung eines Heimwesens zu sein. Auch ein Kauf zum Zwecke der Selbstbewirtschaftung ist ein solcher Arrondierungskauf, sofern für die Existenzsicherung des Landwirtschaftsbetriebes auf weite Sicht eine Aufstockung mit eigenem Land als erforderlich erscheint und das dazugekaufte Land in wirtschaftlich vertretbarer Weise vom Betriebszentrum entfernt liegt.

110 II 249 () from 26. Juni 1984
Regeste: Erstreckung des Mietverhältnisses (Art. 267a OR). 1. Unzulässigkeit der Berufung gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, der aufgrund eines kassatorischen Rechtsmittels ergangen ist, das nicht aufschiebende Wirkung hat und der Behörde mit Bezug auf die Anwendung des Bundesrechts nur eine beschränkte Überprüfungsbefugnis einräumt (E. 1a). 2. Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde, mit der die Aufhebung des letztinstanzlichen und des unterinstanzlichen kantonalen Entscheids verlangt wird; angebliche Ausnahme von der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1b u. 1c). 3. Gültigkeit einer "Aufschiebung" der Kündigung: Frage offengelassen, da die von den Parteien vereinbarte Aufschiebung im konkreten Fall der stillschweigenden Vereinbarung identischer neuer Verträge gleichgesetzt werden kann (E. 3). 4. Das Interesse des Eigentümers, die Mietsache vorteilhafter und für eine längere Zeit zu vermieten, überwiegt nicht das berechtigte Interesse des Mieters an einer Erstreckung des Mietverhältnisses (E. 4).

110 II 273 () from 11. September 1984
Regeste: Arbeitsvertrag; Geltendmachung von Lohnansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aus dem blossen Zeitablauf innerhalb der Verjährungsfrist kann weder ein Verzicht auf die Ansprüche noch deren rechtsmissbräuchliche Geltendmachung abgeleitet werden.

110 III 32 () from 25. Mai 1984
Regeste: Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung; Hinterlegung der Forderungssumme (Art. 182 Ziff. 4 SchKG). Es ist nicht willkürlich, wenn der Richter nicht kotierte Obligationen ohne festen Kurswert nicht als genügende Hinterlage im Sinne von Art. 182 Ziff. 4 SchKG anerkannt und wenn er dem Schuldner, der bereits im Genuss einer kurzen Hinterlegungsfrist war, nicht noch eine Nachfrist zur Beibringung einer solchen Hinterlage ansetzt.

110 III 115 () from 15. Oktober 1984
Regeste: Abtretung von Lohnforderungen (Art. 325 OR); Notbedarf (Art. 93 SchKG). 1. Die Frage der Rechtsgültigkeit einer Lohnzession ist eine solche des materiellen Rechts. Sie ist daher vom Zivilrichter zu beantworten; das Betreibungsamt und damit auch die Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs sind hiefür nicht zuständig (E. 1). 2. Im Rahmen von Art. 93 SchKG ist ein Anteil des Frauenverdienstes mit in die Berechnung des Existenzminimums einzubeziehen. Hierbei wird der von der erwerbstätigen Ehefrau nach Massgabe ihrer gesetzlichen Beistandspflicht an die gemeinsamen ehelichen Lasten zu erbringende Beitrag festgestellt; um diesen Beitrag ermässigt sich die Unterhaltspflicht des Ehemannes und erhöht sich entsprechend der pfändbare Betrag seines Einkommens (E. 3).

110 V 54 () from 6. Februar 1984
Regeste: Art. 97 Abs. 1, 104, 128 OG, Art. 5 Abs. 1 VwVG. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gegenüber einer auf kantonales Recht gestützten Verfügung geltend gemacht werden, es hätte richtigerweise Bundesrecht angewendet werden müssen (Erw. 1). Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein grundsätzlicher Anspruch auf Parteientschädigung besteht, ist eine Frage des Bundesrechts; kantonalrechtlich ist dagegen die Bemessung der Parteientschädigung (Erw. 3a). Art. 85 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 lit. a AHVG. Art. 85 AHVG erlaubt nur eine einzige kantonale Rekursinstanz (Erw. 3b und 4).

110 V 109 () from 11. April 1984
Regeste: Art. 12 Abs. 6 KUVG, Art. 4 und 6 Vo VIII, Art. 12 und 13 VwVG; Streichung von Arzneimitteln aus der Spezialitätenliste. - Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes und der Mitwirkungspflichten der Parteien (Erw. 3). - Voraussetzungen, unter welchen die für die Ablehnung eines Aufnahmegesuches ausschlaggebende Begründung (in casu Unwirksamkeit des Präparates) auf andere, in der Spezialitätenliste enthaltene Präparate übertragen werden kann (Erw. 4b). - Verfahrensgrundsätze, wenn Präparate mehrerer Arzneimittelhersteller gleichzeitig aus der Spezialitätenliste gestrichen werden (Erw. 5). Art. 4 BV, Art. 29, 33 und 35 VwVG. Verletzung des rechtlichen Gehörs durch fehlende bzw. ungenügende Begründung des Entscheides und durch Nichtberücksichtigung eingereichter Beweismittel (Erw. 4).

110 V 252 () from 25. September 1984
Regeste: Art. 41ter AHVV: Ausrichtung von Vergütungszinsen. - Die Vergütungszinsregelung ist auf allen Rückerstattungen anwendbar, die ab 1. Januar 1979 fällig werden (Erw. 3). - Art. 41ter Abs. 3 AHVV ist gesetzes- und verfassungswidrig, insoweit er die Beiträge Selbständigerwerbender betrifft (Erw. 4).

110 V 360 () from 23. Oktober 1984
Regeste: Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG: Unentgeltliche Verbeiständung. - Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung besteht, beurteilt sich nach Bundesrecht; die Bemessung der Armenrechtsentschädigung dagegen richtet sich nach kantonalem Recht (Erw. 1b). - Verhältnis von staatsrechtlicher Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1c). - Der unentgeltliche Rechtsbeistand ist legitimiert, gegen die Festsetzung seines Armenrechtshonorars durch die kantonale Rekursbehörde Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen (Erw. 2). - Kriterien, welche der Sozialversicherungsrichter bei der ermessensweisen Festsetzung der Entschädigung zu berücksichtigen hat; in casu erweist sich die vorinstanzliche Festsetzung des Armenrechtshonorars als ermessensmissbräuchlich und damit willkürlich (Erw. 3).

111 IA 2 () from 6. März 1985
Regeste: Art. 4 BV, Anspruch auf rechtliches Gehör: Recht auf Replik. Aus Art. 4 BV lässt sich keine generelle Pflicht der Rekursbehörde ableiten, dem Beschwerdeführer die Vernehmlassung der Behörde zuzustellen, deren Entscheid angefochten ist. Hat diese Behörde jedoch ihren Entscheid nicht oder nicht hinreichend begründet und erst in der Vernehmlassung die Entscheidgründe ausführlich dargelegt, verletzt die Weigerung der Rekursbehörde, dem Beschwerdeführer die Vernehmlassung zur Replik zuzustellen, dessen verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör.

111 IA 5 () from 28. März 1985
Regeste: Art. 4 BV, Art. 152 OG; unentgeltliche Rechtspflege. Umittelbar aus Art. 4 BV abgeleiteter Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Verwaltungsverfahren (E. 2)? Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes vor einem Bezirksamt des Kantons Aargau verneint, da dessen Entscheid (betreffend den Entzug der elterlichen Gewalt) an das Obergericht weitergezogen werden kann, welches mit voller Prüfungsbefugnis entscheidet und vor welchem Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung besteht (E. 4).

111 IA 11 () from 25. Februar 1985
Regeste: Art. 4 BV, Willkür. Beschlagnahme von Vermögenswerten im Berner Strafprozess. Es ist nicht willkürlich, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, obschon Art. 171a lit. b StrV nur von Gegenständen spricht.

111 IA 17 () from 15. Mai 1985
Regeste: Art. 4 BV, Zonenplanänderung. Die Reduktion zu gross bemessener Bauzonen (Art. 15 RPG) muss innert der vom Bundesrecht gesetzten Frist vorgenommen werden (Art. 35 Abs. 1 lit. b RPG). Die Erschliessungsverhältnisse sind dabei zu berücksichtigen (Art. 15 lit. b RPG). Stehen für die Reduktion mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, kann es einer Gemeinde nicht verwehrt werden, eine Auszonung baureifen Landes, für welche sie gemäss einem formell rechtskräftigen, vom Bundesgericht nicht zu überprüfenden Entscheid Entschädigung leisten müsste, rückgängig zu machen. Liegt kein eindeutiger Verstoss gegen Planungsgrundsätze vor, so ist hiefür nicht erforderlich, dass die Gemeinde in finanzieller Hinsicht in eine notstandsähnliche Situation geraten müsste (Präzisierung der Rechtsprechung).

111 IA 44 () from 19. April 1985
Regeste: Art. 46 Abs. 2 BV; doppelbesteuerungsrechtliche Abgrenzung zwischen Kapitalgewinn- und Mehrwertbesteuerung auf beweglichem Privatvermögen. 1. Keine Prüfung von Amtes wegen, ob die vom Beschwerdeführer nicht angefochtene konkurrierende Steuerveranlagung eines andern Kantons das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung verletzt (E. 1b). 2. Der Wohnsitzkanton ist zur Besteuerung der Veräusserungsgewinne auf beweglichem Privatvermögen zuständig (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 3a). Er ist doppelbesteuerungsrechtlich nicht gehalten, der Gewinnermittlung einen Einstandswert zugrunde zu legen, der in einem anderen Kanton anlässlich der Besteuerung eines nicht geldwert realisierten Mehrwertes für die Mehrwertermittlung herangezogen wurde (E. 3b und c).

111 IA 67 () from 6. Februar 1985
Regeste: Gemeindeautonomie. Kanton Solothurn; Genehmigung eines Gestaltungsplanes durch den Regierungsrat. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn verletzt die Gemeindeautonomie, wenn er anstelle des für die Beschlussfassung zuständigen Gemeinderates einen Gestaltungsplan festsetzt, ohne dass die Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme gegeben sind (E. 3).

111 IA 72 () from 14. März 1985
Regeste: Ablehnung eines Schiedsrichters nach Fällung des Schiedsspruchs. Nichtigkeitsgrund (Art. 36 lit. a des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit). 1. Anschein von Befangenheit als Ablehnungsgrund (E. 2a). 2. Verwirkung des Rechts auf Ablehnung (E. 2b). 3. Ein Schiedsrichter hat die Pflicht, die Parteien über Tatsachen zu informieren, die ein Ablehnungsbegehren zu begründen vermögen (E. 2c). 4. Nach Fällung des Schiedsspruchs kann die Ablehnung nicht verlangt werden; hingegen kann die Partei, die infolge des Schweigens des Schiedsrichters erst während der Beschwerdefrist von einem Ablehnungsgrund Kenntnis erhalten hat, sich im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde wegen ordnungswidriger Zusammensetzung des Schiedsgerichts darauf berufen (E. 2d-e). 5. Die Unzulässigkeit eines nach Fällung des Schiedsspruchs gestellten Ablehnungsbegehrens entbindet die Behörde nicht von der Prüfung, ob das Begehren als Nichtigkeitsbeschwerde entgegengenommen werden kann (E. 3).

111 IA 81 () from 19. Juni 1985
Regeste: Art. 4 BV, amtliche Verteidigung im Jugendstrafverfahren. In schweren oder komplizierten Fällen ergibt sich aus Art. 4 BV ein Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung schon im Untersuchungsverfahren.

111 IA 93 () from 21. März 1985
Regeste: Art. 4, 22ter und 31 BV; Wohnanteilplan der Stadt Zürich. Verfahren (Art. 84 ff. OG). Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. Rüge der Verfassungswidrigkeit des Wohnanteilplans als Ganzen (E. 1). Art. 4, 22ter und 31 BV. Der Wohnanteilplan der Stadt Zürich scheidet in den Wohnzonen und in der Kernzone Gebiete aus, worin ein Mindestanteil der Bruttogeschossfläche Wohnzwecken dienen muss. Der Plan a) ist mit Art. 22ter BV vereinbar; er beruht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (E. 2a) und liegt im öffentlichen Interesse (E. 2b); b) hält vor Art. 31 BV stand (E. 3); c) verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht (E. 3).

111 IA 115 () from 29. Mai 1985
Regeste: Art. 85 lit. a OG, Ungültigerklärung einer Initiative zum Schutze einer Brücke, Kanton Basel-Stadt. Der Verein Basler Heimatschutz ist nicht eine politische Partei oder politische Vereinigung und deshalb nicht legitimiert, Stimmrechtsbeschwerde zu führen (E. 1a). Anforderungen an die Klarheit einer "unformulierten" Initiative (E. 3). Initiativen bezüglich von Verwaltungsakten, die in der Zuständigkeit der Exekutive liegen, sind im Kanton Basel-Stadt ausgeschlossen (E. 4a).

111 IA 120 () from 1. März 1985
Regeste: Art. 46 Abs. 2 BV; Buchgewinne auf Kapitalanlageliegenschaften. Fall einer Unternehmung, die in einem Kanton, in dem sie keine Betriebsstätte unterhält, Liegenschaften besitzt. Wertet die Unternehmung die Liegenschaften auf ihren ursprünglichen Anlagewert auf, indem sie früher getätigte Abschreibungen reaktiviert, so unterliegt der ganze Buchgewinn der Besteuerung im Liegenschaftskanton; und zwar auch dann, wenn die Abschreibungen mangels genügenden Liegenschaftsertrags seinerzeit (zum Teil) zu Lasten des Unternehmenserfolgs vorgenommen wurden.

111 IA 134 () from 13. Juni 1985
Regeste: Gemeindeautonomie, Teilrevision des Baugesetzes der Gemeinde Landschaft Davos; Ausnützungsziffer, Bedeutung des Nutzungsmasses für die Ortsplanung. Ob die Regierung Vorschriften oder Planungsmassnahmen der baurechtlichen Grundordnung einer Gemeinde nicht oder nur unter Vorbehalt genehmigen darf, ist nicht eine Frage der Verletzung des Stimmrechts oder des Grundsatzes der Gewaltentrennung, sondern einzig eine solche der Gemeindeautonomie (E. 3). Die Regierung darf Bestimmungen, die ein zu hohes Nutzungsmass vorsehen, die Genehmigung verweigern. Voraussetzung ist, dass sie mit Grund annehmen darf, die Gemeinde habe die bei der Ortsplanung zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen des Orts- und Landschaftsschutzes, der Infrastrukturbelastung, der Wohnhygiene usw. bei der Festsetzung des Nutzungsmasses im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens ungenügend berücksichtigt (E. 6 und 7).

111 IA 148 () from 9. Juli 1985
Regeste: Art. 88 OG; rechtsmissbräuchlich erhobene staatsrechtliche Beschwerde. Auf eine rechtsmissbräuchlich erhobene staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs bei fortgesetzt mutwilliger Prozessführung.

111 IA 150 () from 1. Februar 1985
Regeste: Frist zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 89 OG): kantonalrechtliche Mitteilung des Entscheides betreffend Entschädigung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Die Postalische Überweisung des dem Anwalt im Moderationsentscheid zugesprochenen Geldbetrages stellt keine Mitteilung im Sinne von Art. 89 Abs. 1 OG dar. Die Frist zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Moderationsentscheid beginnt somit nicht an dem Tag zu laufen, da der Anwalt die Entschädigung überwiesen erhält.

111 IA 164 () from 1. Mai 1985
Regeste: Art. 4 BV, Art. 4 und 33 RPG; kommunale Zonenplanung; Gehörsanspruch des Grundeigentümers. 1. Wird der Antrag auf Umzonung einer Parzelle erstmals in der Gemeindeversammlung gestellt, kann im Verfahren gemäss Art. 37 des bündnerischen Raumplanungsgesetzes ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf eine nochmalige Planauflage verzichtet werden, wenn sich der betroffene Grundeigentümer vor der Beschlussfassung an der Versammlung äussern konnte und davon ausgegangen werden kann, dass er sich nicht unvorbereitet mit dem betreffenden Antrag auseinandersetzen musste (E. 2a-c). 2. Die Bestimmungen von Art. 4 Abs. 1 und 2 RPG stehen in erster Linie im Dienste der Sachaufklärung und der Mitwirkung der Bevölkerung an der Planung als politischem Prozess; ein über den Rechtsschutz gemäss Art. 33 und 34 RPG und die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Minimalgarantien hinausgehender Anspruch lässt sich aus diesen Bestimmungen nicht ableiten (E. 2d).

111 IA 169 () from 16. Oktober 1985
Regeste: Art. 4 BV, überspitzter Formalismus; Art. 221 Abs. 2 StrV/BE, fehlende Unterschrift beim Einspruch gegen ein Strafmandat. Wenn der Mangel der Unterschrift so rechtzeitig erkannt worden ist, dass die betreffende Partei den Fehler bei entsprechendem Hinweis innert Frist hätte verbessern können, verletzt das Stillschweigen der Behörden Art. 4 BV.

111 IA 176 () from 4. Oktober 1985
Regeste: Unfallversicherung; Willkür (Art. 4 BV). 1. Es verstösst gegen das Willkürverbot (Art. 4 BV), eine kantonale Gesetzesbestimmung mit der - unzutreffenden - Begründung, diese widerspreche Bundesrecht (in concreto Art. 116 Abs. 2 und 91 Abs. 2 Satz 2 UVG), nicht in Kraft zu setzen (E. 3c). 2. Der Vorbehalt abweichender Abreden gemäss Art. 91 Abs. 2 UVG betreffend Prämienzahlungspflicht für die obligatorische Versicherung gegen Nichtberufsunfälle gilt auch für generell-abstrakte Normen des kantonalen Rechts (E. 3c/aa).

111 IA 231 () from 18. September 1985
Regeste: Abstrakte Normkontrolle. Persönliche Freiheit. Gesetzliche Grundlage. 1. Die persönliche Freiheit schützt auch die besonderen Gefühlsbeziehungen der Angehörigen zu einem Verstorbenen. Diese können sich somit gegen einen ungerechtfertigten Eingriff am Leichnam zur Wehr setzen (E. 3) (Präzisierung der Rechtsprechung). 2. Soweit Art. 8 Abs. 3 des Reglements des Genfer Staatsrats vom 17. September 1984 betreffend die Feststellung des Todes und die Eingriffe an Leichen die Autopsie aus anderen als polizeilichen Gründen vorsieht und zu einer Beschränkung des Rechts der Angehörigen führt, über den Leichnam zu bestimmen, fehlt ihm die nötige gesetzliche Grundlage; insoweit verletzt die Bestimmung die persönliche Freiheit (E. 4 und 5a). 3. Die Beschränkung des Rechts, über den Leichnam einer Person zu bestimmen, setzt auch dann ein Gesetz im formellen Sinn voraus, wenn die Person in einem öffentlichen Spital gestorben ist, d. h. wenn zwischen dem Verstorbenen und dem Staat ein besonderes Rechtsverhältnis bestand (E. 5b).

111 IA 239 () from 27. November 1985
Regeste: Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Art. 85 Ziff. 7 und Art. 113 BV. Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen durch das Bundesgericht? Die akzessorische Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit den von der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleisteten Rechten verfassungsrechtlichen Inhalts und mit dem übrigen Bundesrecht kann jedenfalls dann mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt werden, wenn das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung der Norm durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten und deshalb bei der vorgängigen Prüfung nicht zu berücksichtigen war (E. 3; Präzisierung der Rechtsprechung). Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist auf ein erstinstanzliches Strafverfahren grundsätzlich anwendbar (E. 6). Der Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung im Strafverfahren ohne gewichtigen Grund ist mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK unvereinbar (E. 7).

111 IA 251 () from 8. März 1985
Regeste: Gemeindeautonomie im Bereich der Wohnsitzbestimmung? (Art. 64 BV, Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und Art. 23 ZGB). 1. Legitimation der Gemeinden und öffentlichrechtlichen Körperschaften zur staatsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 88 OG im allgemeinen (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Begriff der Gemeindeautonomie und Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Autonomieverletzung; im Bereich der Wohnsitzbestimmung räumt das Tessiner Recht so wenig wie im übrigen das Bundesrecht den Gemeinden Autonomie ein (E. 3).

111 IA 273 () from 29. November 1985
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. Ordnungsbusse wegen Nichterscheinen eines Anwalts zu einem Gerichtstermin; Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

111 IA 276 () from 17. Oktober 1985
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege. Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Verwaltungsgerichtsverfahren. 1. Der Entscheid über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist ein Zwischenentscheid (E. 2). 2. Auch im Verwaltungsgerichtsverfahren ergibt sich für die bedürftige Partei unmittelbar aus Art. 4 BV unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (E. 3).

111 IA 280 () from 25. Juli 1985
Regeste: Zulässigkeit eines kantonalen Rechtsmittels: Willkür (Art. 153bis und 156 des Tessiner Gemeindeorganisationsgesetzes). 1. Eine anders lautende kantonale Vorschrift vorbehalten, ist es willkürlich, einen Privaten ohne vertretbaren Grund zur Beschwerde zuzulassen gegen einen Entscheid der Aufsichtsbehörde über die Gemeinden, wenn diese die vor der Anzeige bestehende Rechtslage nicht zu seinem Nachteil geändert hat (E. 2a). 2. Die fehlende Rechtsmittelbelehrung darf nicht zu einem Rechtsnachteil für den Adressaten der Entscheidung führen, doch ihn aufgrund dieses Mangels jederzeit zur Beschwerde zuzulassen, verstösst gegen Art. 4 BV (E. 2b).

111 IA 341 () from 4. Dezember 1985
Regeste: Art. 4 BV, persönliche Freiheit, Art. 6 Ziff. 3 EMRK; Beaufsichtigung des Kontakts zwischen Untersuchungsgefangenem und Verteidiger. 1. Tragweite von Resolutionen und Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates (E. 3a). 2. Die Beaufsichtigung des Kontaktes zwischen Untersuchungsgfangenem und seinem Verteidiger berührt nicht die persönliche Freiheit, sondern die aus Art. 4 BV abgeleiteten Verteidigungsrechte (E. 3b). 3. Anspruch auf freien unbeaufsichtigten Kontakt zwischen Untersuchungsgefangenem und seinem Verteidiger aufgrund von Art. 4 BV (E. 3c) und nach Art. 6 Ziff. 3 EMRK (E. 3d). 4. Einschränkungen des freien und unbeaufsichtigten Kontaktes zwischen Untersuchungsgefangenem und seinem Verteidiger (E. 3e). 5. Im vorliegenden Fall stellt die Beaufsichtigung weder eine Verfassungs- noch eine Konventionsverletzung dar (E. 3f, 3g und 4).

111 IA 353 () from 13. Dezember 1985
Regeste: Art. 86/87 OG; Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde bei beschränkter Kognition der kantonalen Rechtsmittelinstanz. Wenn die Überprüfungsbefugnis der obern kantonalen Behörde nicht enger ist als diejenige des Bundesgerichts im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, kann auf das Begehren, auch das Urteil der untern Instanz aufzuheben, nicht eingetreten werden (Änderung der Rechtsprechung).

111 IB 1 () from 15. März 1985
Regeste: Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer, dessen Frau in der Schweiz Niederlassungsbewilligung hat; Art. 100 Bst. b Ziff. 3 OG, 17 Abs. 2 ANAG, 3 V EJPD über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vom 26. Oktober 1983, Art. 8 EMRK. Für den Nachzug des Ehemannes einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin besteht kein Anspruch aus schweizerischem Recht. Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergibt sich daher höchstens aus Art. 8 EMRK (in Verbindung mit Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG). Nicht erheblich ist für das Eintreten, ob die Beschwerde gegen die Verweigerung der Erneuerung oder der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gerichtet ist (E. 1). Art. 8 Ziff. 1 EMRK schliesst die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an den Ehemann nicht aus, wenn es der in der Schweiz niedergelassenen Ehefrau zumutbar ist, ihrem Mann in die gemeinsame Heimat zu folgen (E. 2).

111 IB 73 () from 9. August 1985
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 2 OG. Soweit im Bereiche des Asylrechts die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Sachentscheide ausgeschlossen ist, ist sie dies auch gegen prozessuale, namentlich Nichteintretensentscheide (Grundsatz der Einheit des Prozesses).

111 IB 116 () from 30. Januar 1985
Regeste: Art. 4 BV, Verfahrensregeln bei der Abstimmung des Gerichts. Art. 85 LwG, Zweckentfremdung meliorierter landwirtschaftlicher Grundstücke. Verletzung des allgemeinen Grundsatzes, wonach der Entscheid des Gerichts eine Mehrheitsbegründung zu enthalten hat (E. 2). Verweigerung der Bewilligung, mit öffentlichen Mitteln verbesserte Grundstücke - und zwar eine bedeutende Fläche ausgezeichneten Kulturlandes - nicht mehr landwirtschaftlich, sondern im Hinblick auf die Förderung des Fremdenverkehrs in der betreffenden Region als Golfgelände zu nutzen. Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne von Art. 85 Abs. 3 LwG, da das Interesse an der Erhaltung dieses Areals für die Landwirtschaft dem Interesse an der Anlage eines Golfplatzes vorgeht (E. 3). Ablehnung der Bewilligung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (E. 4).

111 IB 147 () from 30. August 1985
Regeste: Auslieferungshaft; Art. 47 IRSG. 1. Das BAP hat zumindest in wenigen Worten schon im Auslieferungshaftbefehl sämtliche Anschuldigungen zu erwähnen, die der ausländische Staat seinem Ersuchen um Festnahme zwecks Auslieferung zugrunde legt (E. 1). 2. Die Anklagekammer des Bundesgerichts überprüft die Rechtmässigkeit der Auslieferungshaft aufgrund der zur Zeit des Entscheides des BAP gegebenen Umstände; nachträgliche Änderungen können nicht berücksichtigt werden (E. 2, 6).

111 IB 161 () from 22. November 1985
Regeste: Fremdenpolizei: Umwandlung einer Saisonbewilligung in eine Jahresaufenthaltsbewilligung. - Zulässigheit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, da Art. 12 des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien vom 10. August 1964 den italienischen Saisonarbeitern einen Rechtsanspruch verschafft (E. 1a). - Zur Beantwortung der Frage, ob die Beschränkungsmassnahmen auf den Beschwerdeführer anwendbar sind, erweisen sich die in Art. 12 Abs. 1 Italienerabkommen enthaltenen Regelungen als unmittelbar anwendbar (E. 2). - Weder das Italienerabkommen selbst noch das Schlussprotokoll oder die Materialien zum Abkommen stellen auf den Begriff des Kalenderjahrs ab. Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer in der Schweiz kann dieser Begriff nicht herangezogen werden; denn er würde den Inhalt von Art. 12 Abs. 1 in dem Sinne verändern, als dadurch eine Diskriminierung zwischen Saisonarbeitern entstehen kann je nach dem Zeitraum, in den der Beginn ihrer Saison fällt (E. 3).

111 IB 201 () from 27. September 1985
Regeste: Art. 106 ff. WStB/BdBSt; kantonale Prozessvorschriften im Wehrsteuerbeschwerdeverfahren. 1. Das Verfahren vor den kantonalen Veranlagungs- und Rekursbehörden wird im Wehrsteuerbeschluss nicht abschliessend geregelt. Die Kantone dürfen ergänzende Verfahrensvorschriften erlassen und anwenden (Änderung der Rechtsprechung, E. 3). 2. Ein im kantonalen Prozessrecht vorgesehenes Anwaltsmonopol für Wehrsteuerbeschwerden verstösst nicht gegen das Wehrsteuerrecht (E. 4).

111 IB 213 () from 8. Mai 1985
Regeste: Verweigerung einer nachträglichen Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG für ausserhalb der Bauzone errichtete Bauten; Anordnung des Abbruchs der Gebäulichkeiten. Verneinung der Standortgebundenheit im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG für Bauten (Einfamilienhaus mit Pferdestall und Pferdevolte), deren Hauptzweck das Wohnen und die hobbymässige Tierhaltung bildet (E. 3). Nichtigkeit einer vom Gemeinderat erteilten Ausnahmebewilligung, wenn die nach Art. 25 Abs. 2 RPG erforderliche Zustimmung einer kantonalen Behörde fehlt (E. 5). Zulässigkeit der Anordnung, die ohne rechtsgültige Bewilligung ausgeführten und materiell gesetzwidrigen Bauten abzubrechen, da der Bauherr nicht gutgläubig war und die öffentlichen Interessen an der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes die Vermögensinteressen des Bauherrn überwiegen (E. 6).

111 IB 257 () from 10. Juli 1985
Regeste: Art. 34 Abs. 1 RPG, Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Art. 5 Abs. 2 RPG, materielle Enteignung; Denkmalschutz. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über die Entschädigung wegen der Unterschutzstellung von Liegenschaften (E. 1a). Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob der Eingriff den Entzug einer wesentlichen Eigentümerbefugnis zur Folge hat und daher einer Enteignung gleichkommt (E. 4a). Verneinung dieser Frage im zu beurteilenden Fall (E. 4b). In der Regel bedeutet die Unterstellung einer Liegenschaft unter Denkmalschutz, sofern sich die Massnahme zur Hauptsache auf einen Fassadenschutz beschränkt, keine materielle Enteignung (E. 4c).

111 IB 269 () from 10. Dezember 1985
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG; Verjährung einer Forderung aus materieller Enteignung. 1. Für die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist einer Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung ist beim Schweigen des Gesetzes nicht darauf abzustellen, wann der Betroffene die Eigentumsbeschränkung und die möglicherweise darin liegende materielle Enteignung erkennen konnte oder hätte erkennen können. Die zehnjährige Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung zu laufen (E. 3a/aa). 2. Ist im öffentlichen Recht die Unterbrechung einer Verjährungsfrist, welche zugunsten des Bürgers wirkt, von Amtes wegen zu berücksichtigen? (Frage offengelassen - E. 3a/bb). 3. Auch das Prinzip von Treu und Glauben (Art. 4 BV) vermag im vorliegenden Fall an der Tatsache nichts zu ändern, dass die Forderung aus materieller Enteignung im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung verjährt war (E. 3a/cc).

111 II 94 () from 23. April 1985
Regeste: Art. 66 Abs. 1 OG. Nach Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde kann der neue kantonale Entscheid nicht mehr mit Rügen angefochten werden, die vorzubringen schon im früheren Beschwerdeverfahren Anlass bestanden hätte.

111 II 103 () from 17. Januar 1985
Regeste: Art. 145 und 160 Abs. 2 ZGB. 1. Der Anspruch der Ehefrau auf Unterhalt durch den Ehemann gemäss Art. 160 Abs. 2 ZGB besteht auch während des Scheidungsprozesses. Er ist grundsätzlich unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Ehefrau. Doch hat diese mit ihrem eigenen Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen an ihren Lebensunterhalt beizutragen. Dieser Beitrag ist im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse des Ehemannes zu bemessen. Sind diese gut, braucht die Ehefrau nicht ihr gesamtes Einkommen für ihren Unterhalt zu verwenden (E. 3). 2. Bleibt nach Abzug des Zwangsbedarfs der beiden Ehegatten von ihrem Gesamteinkommen noch ein Überschuss, so soll an diesem jeder Gatte zur Hälfte beteiligt sein (E. 3c). 3. Zuviel bezahlte Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 145 ZGB kann der pflichtige Ehegatte nur bei Vorliegen ganz besonderer Gründe rückwirkend über das Datum seines Abänderungsbegehrens hinaus zurückverlangen (E. 4).

111 II 308 () from 27. August 1985
Regeste: Entscheid des Eheschutzrichters betreffend Unterhaltsbeiträge; Wirkung über den Zeitpunkt hinaus, da das in der Folge ergangene Scheidungsurteil im Scheidungspunkt in Rechtskraft erwachsen ist? Es ist nicht willkürlich, die unter Berufung auf den eheschutzrichterlichen Entscheid für Unterhaltsbeiträge verlangte Rechtsöffnung zu verweigern mit der Begründung, im Scheidungspunkt sei das inzwischen ergangene Scheidungsurteil in Rechtskraft erwachsen.

111 II 313 () from 5. Dezember 1985
Regeste: Art. 4 BV; Kindeszuteilung und Herausgabebefehl. Der Vollstreckungsrichter ist nicht befugt, unter genereller Berufung auf das Kindeswohl die Elternrechte neu und abweichend vom Scheidungsurteil zu ordnen. Der Vollstreckungsrichter kann aber die Herausgabe des Kindes an den Elternteil, unter dessen elterliche Gewalt und Obhut es durch das Scheidungsurteil gestellt wurde, verweigern und ein psychiatrisches Gutachten einholen, welches Antwort darauf gibt, ob der vom Scheidungsrichter angeordneten Kindeszuteilung durch Zwangsvollzug Geltung verschafft werden soll, wenn der herausgabeverpflichtete Elternteil das Kind während längerer Zeit betreut hat.

111 II 358 () from 17. Dezember 1985
Regeste: Gesamtarbeitsvertrag; Feststellungsklage der Arbeitnehmerverbände. 1. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG. Ob der Richter von den Begehren der Parteien abweichen darf, ist eine Frage des kantonalen Rechts, dessen Verletzung nicht mit der Berufung gerügt werden kann, auch nicht wegen Willkür (E. 1). 2. Art. 357b Abs. 1 lit. a OR. Die Klage der Verbände gegen einen Arbeitgeber auf Feststellung eines streitigen Anspruchs kann sich nur auf diese Bestimmung stützen; sie setzt aber kein zusätzliches Interesse voraus (E. 2). 3. Art. 321c OR. Überzeitarbeit kann auch aus Nebenbeschäftigungen im Interesse des Arbeitgebers bestehen; Berechnung der Entschädigung (E. 3). 4. Art. 135 Ziff. 2 OR. Die Verjährung des streitigen Anspruchs wird durch die Klage der Verbände nicht unterbrochen (E. 4).

111 II 388 () from 7. November 1985
Regeste: Art. 8 Ziff. 3 und 4 VVG; Aufrechterhaltung eines Versicherungsvertrags trotz Verletzung der Anzeigepflicht. 1. Die Berufung ist zulässig gegen einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 50 OG, der die Verletzung der Anzeigepflicht zum Gegenstand hat (E. 2). 2. Bei Beurteilung der Frage, ob der Versicherer vom Vertrag nicht zurücktreten könne, weil er die verschwiegene Tatsache gekannt hat oder gekannt haben muss oder weil er die unrichtig angezeigte Tatsache richtig gekannt hat oder gekannt haben muss, ist von objektiven Kriterien auszugehen und den Umständen des konkreten Falles Rechnung zu tragen. Von einem Versicherer, der einem "Zentralen Informationssystem" der Versicherungsgesellschaften angeschlossen ist, wird angenommen, dass er durch dieses von der verschwiegenen oder unrichtig angezeigten Tatsache in Kenntnis gesetzt worden ist (E. 3c, bb). Indessen kann eine Versicherungsgesellschaft nicht verpflichtet werden, sich einer Informationszentrale anzuschliessen (E. 3c, cc).

111 II 398 () from 23. Oktober 1985
Regeste: Unzulässige Berufung. 1. Art. 57 Abs. 5 OG. Umstände, die es rechtfertigen, über die Zulässigkeit einer Berufung und einer staatsrechtlichen Beschwerde gleichzeitig zu entscheiden (E. 1). 2. Art. 55 Abs. 1 und 90 Abs. 1 OG. Beruht der angefochtene Entscheid auf zwei selbständigen Begründungen, so müssen beide angefochten werden, gegebenenfalls die eine mit Berufung und die andere mit staatsrechtlicher Beschwerde (E. 2b).

111 III 8 () from 18. Juli 1985
Regeste: Art. 82 Abs. 1 SchKG: Bauhandwerkerpfandrecht als Schuldanerkennung? Die Einigung des Bauhandwerkers als Subunternehmer mit dem Eigentümer der Liegenschaft über die Eintragung und summenmässige Begrenzung des Grundpfandes bildet in aller Regel keine Schuldanerkennung des Eigentümers betreffend die pfandgesicherte Forderung. Diese Einigung betrifft nur das Pfandrecht als solches (E. 3).

111 III 66 () from 14. Oktober 1985
Regeste: Insolvenzerklärung (Art. 191 SchKG). Die Annahme, die Gläubiger seien zur Anfechtung der aufgrund einer Insolvenzerklärung erfolgten Konkurseröffnung nicht legitimiert, ist nicht willkürlich.

111 III 81 () from 5. Juni 1985
Regeste: Zwangsverwertung von Pfändern auf Grundstücken, die ins Verwaltungsvermögen überführt wurden (Art. 11 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts, SR 282.11). Die Gläubiger, denen ein Pfandrecht an Vermögenswerten zusteht, die ursprünglich zum Finanzvermögen gehört hatten und in der Folge ins Verwaltungsvermögen überführt wurden, verlieren ihren Anspruch auf Verwertung ihrer Hypotheken nicht, es sei denn, sie hätten - trotz entsprechender Gelegenheit - unterlassen, die Zahlung der Schuld bzw. eine Sicherstellung zu verlangen, oder sie hätten mit der Geltendmachung ihrer Rechte bösgläubig zugewartet.

111 V 51 () from 14. Februar 1985
Regeste: Art. 85 Abs. 2 AHVG. Das Bundesrecht schreibt den Kantonen in Art. 85 Abs. 2 lit. h AHVG nur den Grundsatz der Revisionsmöglichkeit bei Vorliegen der beiden klassischen Revisionsgründe (neue Tatsachen oder Beweismittel, Einwirken durch Verbrechen oder Vergehen) vor. Im übrigen ist die Regelung des kantonalen Revisionsverfahrens ausschliesslich Sache der Kantone. Die Verfahrensvorschriften in Art. 85 Abs. 2 lit. a bis g AHVG betreffen allein das Beschwerdeverfahren und sind auf das kantonale Revisionsverfahren nicht anwendbar.

111 V 81 () from 1. Mai 1985
Regeste: Art. 9 Abs. 1 AHVG, Art. 17 AHVV. Beitragsrechtliche Qualifikation von Einkommen aus der Vermietung möblierter und unmöblierter Wohnungen (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2-5). Art. 4 BV: Vertrauensschutz. Kein Verstoss gegen den Vertrauensgrundsatz: - wenn zwei verschiedene Behörden widersprüchliche Verfügungen treffen (Erw. 6); - wenn die Behörde aufgrund geänderten Rechts anders entscheidet, als sie dies früher bezüglich desselben Verfügungsobjekts nach altem Recht getan hatte (Erw. 7).

111 V 266 () from 3. September 1985
Regeste: Art. 42 Abs. 1, Art. 43 Abs. 1 AVIG: Schlechtwetterentschädigung. - Unter "Arbeitnehmer" sind nicht nur die durch einen Arbeitsvertrag an einen Arbeitgeber gebundenen Personen im Sinne des Art. 319 ff. OR zu verstehen, sondern auch das Personal der öffentlichen Dienste (Erw. 2). - In casu Unterbruch der Arbeit des Personals der Dienststelle für öffentliche Arbeiten einer Berggemeinde infolge schlechten Wetters. Wenn abzuklären ist, ob der Arbeitsausfall berücksichtigt werden kann, so ist die Lage der Arbeitnehmer im Dienste einer öffentlichen Gemeinschaft nicht ganz und gar mit jener des Personals eines Privatunternehmens zu vergleichen (Erw. 3).

111 V 279 () from 19. August 1985
Regeste: Art. 68 Abs. 1 AVIG, Art. 129 Abs. 1 lit. c OG. Art. 68 Abs. 1 AVIG räumt einen Anspruch auf Beiträge ein, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausgeschlossen ist (Erw. 2). Art. 71 Abs. 2 AVIG, Art. 94 AVIV: Finanzielle Einbusse bei Aufnahme einer Arbeit ausserhalb der Wohnortsregion. - Die Regelung in Art. 71 Abs. 2 AVIG ist nicht lückenhaft (Erw. 4). - Art. 94 AVIV ist gesetzmässig; ob dem Versicherten durch Aufnahme einer auswärtigen Arbeit im Vergleich zu seiner bisherigen Tätigkeit eine finanzielle Einbusse entsteht, bemisst sich aufgrund einer Gegenüberstellung der tatsächlich erzielten Verdienste (Erw. 5).

111 V 390 () from 20. November 1985
Regeste: Art. 42 Abs. 2 AVIG, Art. 65 Abs. 1 AVIV: Schlechtwetterentschädigung. - Ein auf die Fabrikation und die Montage von Metall- und Holzzäunen spezialisierter Betrieb kann unter keinen der in Art. 65 Abs. 1 AVIV aufgezählten Erwerbszweige subsumiert werden. - Der Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung beurteilt sich gemäss Art. 65 Abs. 1 AVIV nicht nach der Art der ausgeübten einzelnen Tätigkeit, sondern nach dem Charakter des Betriebes bzw. der Betriebsgruppe. - Die Aufzählung der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung in Art. 65 Abs. 1 AVIV ist grundsätzlich abschliessend. Der Ausschluss der auf die Fabrikation und die Montage von Metall- und Holzzäunen spezialisierten Betriebe von der Liste gemäss Art. 65 Abs. 1 AVIV ist gesetzes- und verfassungskonform.

112 IA 1 () from 20. Januar 1986
Regeste: Art. 4 BV, rechtliches Gehör. Ist aufgrund der Rechtsmitteleingabe noch mit einer rechtzeitigen Ergänzung zu rechnen, dann läuft eine vorweggenommene Erledigung auf eine unzulässige Verkürzung der gesetzlich zwingend geregelten Rechtsmittelfrist hinaus und verletzt damit das rechtliche Gehör. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Rechtsmittelinstanz nicht bereit ist, ihren Entscheid ohne weiteres in Wiedererwägung zu ziehen, falls der Einleger des Rechtsmittels noch frist- und formgerecht eine Ergänzung nachliefert.

112 IA 5 () from 30. April 1986
Regeste: Art. 4 BV; Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch verspätete Einladung zu einem Augenschein. Lädt ein Gericht eine Partei erst am Morgen des Vortags zu einem Augenschein ein mit der Folge, dass sich diese nicht ordnungsgemäss vertreten lassen kann, so verweigert es ihr das rechtliche Gehör (E. 2).

112 IA 7 () from 8. Januar 1986
Regeste: Pflichten des Vormundes (Art. 405 ff. ZGB); unentgeltliche Rechtspflege (Art. 4 BV). Von einem als Juristen ausgebildeten Vormund kann nicht erwartet werden, dass er über die Wahrung der persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen des Mündels hinaus in einem Scheidungsverfahren als Rechtsanwalt des Mündels tätig werde, wenn er diesen Beruf nicht praktiziert. Sofern die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, hat sein Mündel Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, welche die Bestellung eines Rechtsanwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand mitumfasst.

112 IA 14 () from 17. Januar 1986
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsverfahren. Es besteht im Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsverfahren der Kantone ein unmittelbar aus Art. 4 BV fliessender Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, der nicht nur die ganze oder teilweise Befreiung von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sondern auch, soweit dies zur Wahrung der Interessen des unbemittelten Bürgers erforderlich ist, die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes umfasst (E. 3c).

112 IA 25 () from 15. April 1986
Regeste: Moderation einer Anwaltsrechnung. Wesen des Moderationsverfahrens im allgemeinen (E. 1aa). Art. 50 Abs. 2 der Glarner Zivilprozessordnung gibt dem Richter nur die Kompetenz, die Höhe der Kostennote zu überprüfen; über den Bestand der Forderung wird im Moderationsentscheid nicht befunden (E. 1bb).

112 IA 30 () from 31. Januar 1986
Regeste: Art. 88 OG, Beschwerdebefugnis eines Berufsverbandes. Ein Berufsverband ist insofern zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale Bestimmungen, die eine grosse Zahl seiner Mitglieder berühren, legitimiert, als die Statuten die Verteidigung der Berufsinteressen als Verbandszweck nennen (E. 2). Art. 4 und 31 BV, Architektenberuf. Eine Bestimmung, die wohl den HTL-Architekten nicht aber den ETH-Architekten nach ihrer Ausbildung eine praktische Tätigkeit von drei Jahren auferlegt, bevor sie als Architekten anerkannt werden, verstösst gegen Art. 4 und 31 BV; eine solch unterschiedliche Behandlung ist unter dem Gesichtspunkt der zu schützenden Polizeigüter durch keine objektiven Kriterien gerechtfertigt (E. 3).

112 IA 65 () from 5. März 1986
Regeste: Gemeindeautonomie; Hauptwohnungsanteilregelung im kommunalen Baugesetz. Eine Regelung, welche für Zweitwohnungen die Ausnützungsziffer beschränkt, ohne gleichzeitig zum Bau von Hauptwohnungen zu verpflichten, ist in der Regel mit dem Gebot der haushälterischen Bodennutzung gemäss Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG nicht vereinbar (E. 3b-5).

112 IA 85 () from 17. Mai 1986
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV, Art. 86 Abs. 2 und 3 OG; Zeitpunkt der Einreichung einer Beschwerde wegen Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters. Die Regelung gemäss Art. 86 Abs. 2 und 3 OG bedeutet nicht, dass in jedem beliebigen Zeitpunkt des Verfahrens Beschwerde wegen Verletzung von Art. 58 BV geführt werden kann.

112 IA 93 () from 2. Mai 1986
Regeste: Art. 88 OG: Beschwerdelegitimation. Werden die Voraussetzungen der Gewährung eines Steuererlasses durch das kantonale Gesetz nicht genau umschrieben, so besitzt der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf einen solchen Erlass und damit auch kein rechtlich geschütztes Interesse, das ihn nach Art. 88 OG zur Beschwerde legitimieren würde.

112 IA 97 () from 5. Februar 1986
Regeste: Art. 4 BV (Akteneinsicht), persönliche Freiheit, Art. 8 EMRK. 1. Der Anspruch, die abgeschlossenen Vormundschaftsakten hinsichtlich der ausserehelichen Vaterschaft und der Jugendzeit einzusehen, beurteilt sich nach dem kantonalen Verfahrensrecht und nach dem aus Art. 4 BV abgeleiteten Akteneinsichtsrecht. 2. Interessenabwägung im vorliegenden Fall; Verneinung eines Anspruchs auf vollständige Akteneinsicht.

112 IA 107 () from 16. April 1986
Regeste: Art. 4 BV, Begründungspflicht; Grundsatz "nulla poena sine lege". 1. Aus Art. 4 BV folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründungsdichte lässt sich aber nicht einheitlich festlegen. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie der Interessen des Betroffenen im Blick auf die in der Rechtsprechung des Bundesgerichts entwickelten Grundsätze festzulegen (E. 2). 2. Das Prinzip "nulla poena sine lege" ist verletzt, wenn die Exekutive ein Verhalten untersagt und unter Strafe stellt, das der Gesetzgeber nicht verbieten wollte (E. 3).

112 IA 119 () from 24. Juli 1986
Regeste: Art. 4 BV; Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung einer Baubewilligung. 1. Kantonale Vorschriften, welche das Erfordernis der Zugangsmöglichkeiten zu Bauten näher umschreiben, stellen kein Ausführungsrecht zum RPG dar. Dementsprechend richtet sich die Legitimation zur Anfechtung einer Baubewilligung ausschliesslich nach kantonalem Recht. 2. Die Zürcher Praxis, wonach die Rechtsmittelbefugnis des Nachbarn in Bausachen davon abhängt, ob für ihn einerseits eine hinreichend enge nachbarliche Raumbeziehung zum Baugrundstück bestehe und ob er anderseits durch die Erteilung der Baubewilligung mehr als irgend jemand oder die Allgemeinheit in eigenen Interessen berührt sei, ist nicht verfassungswidrig; sie deckt sich mit der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 103 lit. a OG.

112 IA 124 () from 30. April 1986
Regeste: Art. 22ter, Art. 4 BV. Volle Entschädigung bei Enteignung; Anspruch auf Rückerstattung der Grundstückgewinnsteuer? Die Besteuerung der Enteignungsentschädigung als Grundstückgewinn im Ausmass von 20% der Entschädigung ist mit Art. 22ter BV vereinbar, weshalb sich aus dieser Verfassungsnorm kein Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Grundstückgewinnsteuer ableiten lässt (E. 3). Die Verneinung der Rückerstattungspflicht ist auch im Vergleich mit Fällen der tauschweisen Leistung von Realersatz nicht rechtsungleich, da das luzernische Recht keine Befreiung von der Steuerpflicht, sondern lediglich einen Steueraufschub gewährt (E. 4).

112 IA 136 () from 27. August 1986
Regeste: Art. 85 lit. a und Art. 88 OG; Legitimation zur Anfechtung einer kantonalen Delegationsvorschrift. Die Legitimation zur Anfechtung einer kantonalen Delegationsvorschrift richtet sich nach Art. 85 lit. a OG, soweit eine Verletzung des politischen Stimmrechts gerügt (E. 2a), und nach Art. 88 OG, soweit eine Verletzung von Art. 4 BV, Art. 2 Üb.Best. BV sowie des Grundsatzes der Gewaltentrennung geltend gemacht wird (E. 2b). Politisches Stimmrecht; Verletzung durch eine Delegationsnorm? Die in Art. 44 des Schaffhauser Gesetzes über die Organisation der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit vom 18. Februar 1985 enthaltene Ermächtigung an den Regierungsrat, in Gesetzen oder Dekreten enthaltene Organisations- und Zuständigkeitsvorschriften für die kantonale Verwaltung auf dem Verordnungsweg anzupassen, verletzt das politische Stimmrecht der Bürger nicht (E. 3).

112 IA 142 () from 16. April 1986
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV; Geltungsbereich. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters gilt auch für Strafuntersuchungs- und Anklagebehörden, sofern diese in richterlicher Funktion tätig sind (E. 2a; Änderung der Rechtsprechung). Voraussetzungen, unter denen Art. 58 Abs. 1 BV auf die zürcherischen Bezirks- und Staatsanwälte anwendbar ist (E. 2b und 2c).

112 IA 174 () from 28. Mai 1986
Regeste: Art. 4 BV, Art. 84 Abs. 1 lit. a, 85 lit. a und 88 OG. Wahlen in den Erziehungsrat; Minderheitenschutz. 1. Wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte bei indirekten Wahlen - hier der Wahl des Erziehungsrates des Kantons Solothurn durch den Kantonsrat - ist nicht die staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 85 lit. a OG, sondern jene gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG zu erheben. Die Legitimation richtet sich dementsprechend nach Art. 88 OG (E. 2). 2. Beschwerdelegitimation - eines Kantonsrates in seiner Eigenschaft als Kantonsrat und als Bürger des Kantons (E. 3a), - der Sozialdemokratischen Fraktion des Kantonsrates (E. 3b), - der nichtgewählten Kandidatin (E. 3c), - der Sozialdemokratischen Partei des Kantons Solothurn (E. 3d).

112 IA 180 () from 13. Juni 1986
Regeste: Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 2/87 OG; Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde. Beschwerde gegen eine die berufliche Vorsorge von Assistenz- und Oberärzten im Dienste des Kantons regelnde Verordnung; Klageweg nach Art. 73 BVG; Beschwerdeweg nach Art. 74 BVG und Beschwerde bei der zur Prüfung von Vorsorgereglementen zuständigen erstinstanzlichen Aufsichtsbehörde (Art. 62 Abs. 1 lit. a BVG).

112 IA 221 () from 17. September 1986
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Finanzreferendum; Börsenneubau mit Wohn-, Büro- und Ladentrakt. 1. Legitimation zur Stimmrechtsbeschwerde (E. 1a). Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann geltend gemacht werden, eine Vorlage enthalte zu Unrecht nicht alle Ausgaben für ein Projekt, selbst wenn der beantragte Kredit für sich allein bereits dem Referendum untersteht (E. 1b). Auch die Stimmrechtsbeschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur (E. 1c). 2. Kognition des Bundesgerichts bei Stimmrechtsbeschwerden (E. 2). 3. Zweck und Gegenstand des Finanzreferendums; Begriff der "Ausgabe" und der "Anlage" (E. 2a). Die Finanzierung des Wohn-, Büro- und Ladentrakts des Börsenneubaus durch die Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich stellt eine Anlage im Sinne der Rechtsprechung dar (E. 2a). 4. Es liegt im pflichtgemässen Ermessen des Kantons, wie er die für seine Verwaltung erforderlichen Räume beschafft (E. 2b/aa). Begriff der "Einheit der Materie" im Rahmen des Finanzreferendums (E. 2b/bb). Der Kanton Zürich war nicht verpflichtet, den Stimmberechtigten zusammen mit dem Kreditbeschluss für die Mitfinanzierung des Börsentrakts die künftigen Mietkosten für Büroräumlichkeiten im anderen Teil des Börsengebäudes zur Genehmigung vorzulegen (E. 2b/bb). 5. Ausgaben zur Deckung des vom Staat benötigten Raumbedarfs sind "neu" im Sinne der Rechtsprechung. Der Abschluss von Mietverträgen ist grundsätzlich referendumspflichtig, wenn die betragsmässigen Grenzen erreicht werden. Bedeutung einer abweichenden kantonalen Praxis (E. 2c).

112 IA 240 () from 9. Dezember 1986
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Initiative auf Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung; Art. 4, 22ter und 34sexies BV. Eine vollständige und undifferenzierte Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwertes verstösst gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 3-5). Verhältnis der Initiative zu Art. 22ter BV (Eigentumsgarantie) und Art. 34sexies BV (Wohnungs- und Hauseigentumsförderung) (E. 6).

112 IA 251 () from 9. April 1986
Regeste: Gewaltentrennung und Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen, Art. 4 BV (Rechtsgleichheit), Art. 2 ÜbBest. BV; Alimentenbevorschussung. 1. Der Zürcher Regierungsrat ist aufgrund des Jugendhilfegesetzes als Verordnungsgeber befugt, die Alimentenbevorschussung in der Verordnung zum Jugendhilfegesetz aufgrund der finanziellen Verhältnisse des nicht verpflichteten Elternteils sowie des Stiefelternteils zu begrenzen (E. 2). 2. Diese Regelung, welche den wieder verheirateten Elternteil anders als den im Konkubinat lebenden Elternteil behandelt, verstösst nicht gegen das Gleichheitsgebot von Art. 4 BV (E. 4). 3. Die Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Stiefelternteils für die Begrenzung der Alimentenbevorschussung steht mit dem Bundeszivilrecht (Art. 278 ZGB) nicht im Widerspruch (E. 3).

112 IA 268 () from 22. Oktober 1986
Regeste: Gemeindeautonomie. Wohnanteilplan der Stadt Zürich. 1. Autonomie der Zürcher Gemeinden auf dem Gebiet der Ortsplanung innerhalb der Schranken des Richtplans (E. 2). 2. Grundsätzliche Bindung des Kantons an eine kommunale Planung, soweit diese kompetenzgerecht festgesetzt wurde und übergeordnetem Recht nicht widerspricht, es sei denn, sie behindere den Kanton in der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben in unzumutbarer Weise (E. 3).

112 IA 281 () from 3. Dezember 1986
Regeste: Gemeindeautonomie. Abgrenzung der kommunalen von der kantonalen Pflicht zur Nutzungsplanung im Zürcher Recht. 1. Grundsätze (E. 3). 2. Bedeutung des Richtplans (kantonaler Gesamtplan) für die Abgrenzung der kommunalen von der kantonalen Nutzungsplanungspflicht (E. 6). Anwendungsfall, in dem weder die Gemeinde noch der Kanton der Planungspflicht nachkommen und für ein bestimmtes Gebiet die Nutzungsplanung festsetzen wollen (E. 7).

112 IA 305 () from 21. Mai 1986
Regeste: Art. 4 BV, überspitzter Formalismus, fehlerhafte Rechtsbelehrung. Begriff des überspitzten Formalismus (E. 2a). Es ist überspitzter Formalismus, auf die Eingabe eines Anwalts mit ausserkantonalem Fähigkeitsausweis aber ohne kantonale Berufsausübungsbewilligung nicht einzutreten, ohne ihm eine Nachfrist zur Beibringung dieser Bewilligung anzusetzen (E. 2b). Aus einer mangelhaften Rechtsbelehrung darf den Betroffenen insbesondere dann kein Nachteil erwachsen, wenn sich deren Fehlerhaftigkeit anhand des Gesetzes nicht erkennen liess (E. 3).

112 IA 339 () from 4. Dezember 1986
Regeste: Art. 58 BV; § 36 des thurgauischen Gerichtsorganisationsgesetzes; Verwirkung des Anspruchs auf den verfassungsmässigen Richter. Die Rüge der ungehörigen Besetzung des Gerichts ist zu Beginn der Verhandlung zu erheben. Wer einen Organmangel dieser Art feststellt und sich nicht dagegen zur Wehr setzt, verwirkt den Anspruch auf spätere Anrufung der verletzten Bestimmung.

112 IA 353 () from 4. November 1986
Regeste: Art. 38, 66 Abs. 1 OG. Die kantonale Instanz, deren Entscheid auf staatsrechtliche Beschwerde hin aufgehoben worden ist, muss sich an die Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils halten (Art. 38 OG, analoge Anwendung von Art. 66 Abs. 1 OG). Sie darf ihren neuen Entscheid nicht auf Erwägungen stützen, die das Bundesgericht ausdrücklich oder sinngemäss verworfen hat, wohl aber auf eine zusätzliche Erwägung, die in ihrem ersten Entscheid nicht erwähnt worden ist und zu der sich das Bundesgericht nicht geäussert hat (E. 3c, bb). Verletzt die kantonale Instanz, die im Laufe des Verfahrens ihre Auffassung ändert, den Grundsatz von Treu und Glauben? Im vorliegenden Fall verneint (E. 3c, cc).

112 IA 356 () from 28. November 1986
Regeste: Art. 84 Abs. 2 OG; Art. 88 OG; Legitimation einer privatrechtlich organisierten, vom Bund anerkannten Krankenkasse zur Führung staatsrechtlicher Beschwerde gegen einen das kommunale Versicherungsobligatorium betreffenden kantonalen Entscheid. 1. Gibt es anstelle der staatsrechtlichen Beschwerde ein anderes bundesrechtliches Rechtsmittel, mit dem sich eine vom Bund anerkannte Krankenkasse gegen die Festsetzung von Mitgliederprämien und Prämien-Verbilligungsbeiträgen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch kommunale oder kantonale Behörden zur Wehr setzen kann? Frage offengelassen (E. 4). 2. Eine vom Bund anerkannte Krankenkasse ist selbst dann nicht zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen die Festsetzung von Mitgliederprämien und Prämien-Verbilligungsbeiträgen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung betreffenden kantonalen Entscheid legitimiert, wenn sie privatrechtlich organisiert ist (E. 5).

112 IA 371 () from 18. Dezember 1986
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Unschuldsvermutung); Kostenauflage und Parteientschädigung bei Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit. Voraussetzungen, unter denen dem wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochenen Angeklagten im Lichte von Art. 6 Ziff. 2 EMRK Gerichtskosten auferlegt werden dürfen. Es ist nicht willkürlich, den wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochenen Angeklagten in sinngemässer Anwendung von Art. 54 Abs. 1 OR aus Billigkeitserwägungen mit Gerichtskosten und einer Parteientschädigung zu belasten.

112 IA 413 () from 30. Dezember 1986
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung einer Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde. - Grundsatz. - Der Nachbar ist legitimiert, die Verletzung von Normen über die ästhetische Einordnung von Bauten geltend zu machen, sofern es keine auf das fragliche Projekt anwendbaren spezielle Vorschriften über die Gebäudehöhe und die Grenzabstände gibt: in solchen Fällen erlauben allein diese Normen, die Höchstmasse und die Art der zulässigen Bauten zu umschreiben, und dienen daher teilweise auch dem Schutz der Nachbarn.

112 IB 39 () from 22. Januar 1986
Regeste: Gewässerschutz. Art. 20 GSchG. Einwandfreie Abwasserbeseitigung. Den Anforderungen von Art. 20 GSchG kann nicht einfach dadurch genügt werden, dass die Versorgung der streitigen Anlage mit Wasser untersagt wird (E. 3). Umweltschutz. 1. Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über den Umweltschutz auf Fälle, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängig waren (E. 1c). 2. Anwendung von Art. 25 Abs. 1 USG vor Festsetzung der massgebenden Werte durch den Bundesrat (E. 4a). Ermittlung und Prüfung der mutmasslichen Lärmbelastung einer Liegenschaft durch eine kommunale Schiessanlage (E. 4b bis d). Raumplanung. Art. 24 Abs. 1 RPG. Ausnahmebewilligung für eine Schiessanlage ausserhalb der Bauzonen. Anerkennung der Standortgebundenheit einer kommunalen Schiessanlage (E. 5a) und Interessenabwägung zu ihren Gunsten (E. 5b).

112 IB 51 () from 22. Januar 1986
Regeste: Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG. Ausnahmsweise Befreiung von der Anschlusspflicht aus wichtigen Gründen. Eine solche Ausnahmebewilligung kann nur erteilt werden, wenn das Beharren auf der Anschlusspflicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Härte führen würde oder offensichtlich unzweckmässig wäre. Dabei kommt dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 BV erhebliches Gewicht zu. Im vorliegenden Fall ist dieses durch die Verweigerung der Ausnahmebewilligung nicht verletzt worden.

112 IB 105 () from 23. April 1986
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung; Umzonung eines Grundstücks aus der Zone für Einfamilienhäuser in Landwirtschafts- und Rebbauzone. Ersatz für vergeblich erstellte Pläne. 1. Definition der materiellen Enteignung (E. 2). 2. Unterscheidung zwischen Auszonung und Nichteinzonung, die den Eigentumsinhalt gemäss den Anforderungen der Raumplanung (Art. 22quater BV) festlegt. Im konkreten Fall Annahme einer Auszonung, die den Eigentümer einer wesentlichen, aus seinem Eigentum fliessenden Möglichkeit der Grundstücksnutzung beraubt (E. 3). 3. Unter Berücksichtigung aller im Entscheidungszeitpunkt massgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Elemente wäre damit zu rechnen gewesen, dass das Grundstück in naher Zukunft überbaut worden wäre (E. 4). 4. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen der Entschädigung von Projektierungskosten sind im konkreten Fall nicht erfüllt, denn die Zonenplanänderung wurde nicht durch die Einreichung eines Baubewilligungsgesuchs ausgelöst (E. 6).

112 IB 170 () from 9. Juli 1986
Regeste: 1. Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG, Art. 103 lit. a OG; Legitimation des Nachbarn. Art. 103 lit. a OG stellt eine Minimalvorschrift für das kantonale Rechtsmittelverfahren in Streitigkeiten des Bundesverwaltungsrechts dar (E. 5a). Nachbarn sind legitimiert, das ihnen missliebige Bauvorhaben mit der Begründung anzufechten, es verstosse gegen Art. 24 RPG und gegen den bundesrechtlich gewährleisteten Schutz des Waldes (E. 5b). 2. Beginn der Beschwerdefrist. Werden in einem Baubewilligungsverfahren Einsprachen gegen ein Bauvorhaben mit dem Hinweis auf andere bereits erteilte Bewilligungen (wie Ausnahmebewilligung i.S. von Art. 24 RPG, Rodungsbewilligung) abgewiesen, beginnt die Beschwerdefrist gegen diese besonderen Bewilligungen auch erst mit der Eröffnung des Einspracheentscheides zu laufen, sofern die Einsprecher nicht vorher in verbindlicher Weise davon Kenntnis hatten (E. 5c). 3. Art. 4 BV, formelle Rechtsverweigerung; Heilung. Voraussetzungen, unter welchen im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens geheilt werden können (E. 5e).

112 IB 249 () from 17. Oktober 1986
Regeste: Art. 13 Abs. 2 BewG. 1. Rechtsnatur der von den Gemeinden angeordneten Beschränkungen des Grunderwerbs durch Personen im Ausland. Verfügung oder Erlass? (E. 2). 2. Auch die Anwendung der gemäss Art. 13 Abs. 2 BewG erlassenen selbständigen kantonalen Verfahrensnormen überprüft das Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel der Willkür (Art. 21 Abs. 3 BewG). Im konkreten Fall wird Willkür verneint (E. 3). 3. Die Voraussetzungen eines Bewilligungsanspruchs aufgrund des Vertrauensschutzprinzips sind im konkreten Fall nicht gegeben (E. 4).

112 IB 342 () from 2. September 1986
Regeste: Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG). In der Regel ist für die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes gemäss Art. 21 Abs. 1 IRSG in erster Linie wegleitend, ob sich in bezug auf das Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsverfahren schwierige Rechts- und Tatfragen stellen, die den Beizug eines Rechtsbeistandes notwendig machen, damit eine wirksame Wahrung der Rechte des Verfolgten gewährleistet ist. Gesichtspunkte, die bei der Anwendung dieses Grundsatzes mit zu berücksichtigen sind (E. 2a).

112 IB 358 () from 7. November 1986
Regeste: Art. 2 Abs. 1 und 3 des Bundesgesetzes über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (BMG) und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zum BMG (BMV): Ersatzbeitrag bei Umbauten. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über den Ersatzbeitrag (E. 1). 2. Voraussetzungen für die Qualifikation als wesentlicher Umbau im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG (E. 3). 3. Beim Umbau eines Wohnhauses ist die Schutzraumbaupflicht bzw. Ersatzbeitragspflicht auf den neu geschaffenen Wohnraum zu beschränken (E. 4 und 5). 4. Der Ersatzbeitrag ist nach den durchschnittlichen Mehrkosten des Schutzplatzes in einem Schutzraum von der für das einzelne Gebäude berechneten Grösse zu bemessen, auch wenn der gleiche Eigentümer gleichzeitig mehrere Gebäude umbaut (E. 6).

112 IB 381 () from 24. Oktober 1986
Regeste: Warenumsatzsteuer auf Lieferungen von historischen Wertpapieren (Art. 17 WUStB). 1. Die Ausnahmebestimmung von Art. 17 Satz 2 WUStB findet auf historische Wertpapiere keine Anwendung; sie gelten als steuerpflichtige Waren im Sinne von Art. 17 Satz 1 WUStB (E. 3). 2. Der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber Briefmarkenhändlern gehandhabte generelle Verzicht auf die Erhebung der Warenumsatzsteuer ist gesetzwidrig (E. 4). 3. Für eine Ungleichbehandlung der Händler mit historischen Wertpapieren gegenüber den Briefmarkenhändlern ergeben sich in bezug auf die Warenumsatzsteuer keine sachlichen Gründe (E. 5). 4. Die Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung im Unrecht sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt (E. 6).

112 IB 446 () from 7. Oktober 1986
Regeste: Verantwortlichkeit des Staates für ungerechtfertigte Untersuchungshaft und den Schaden, den Beamte rechtswidrig verursacht haben (Art. 67 StPO/VD, Art. 4 des waadtländischen Gesetzes vom 16. Mai 1961 über die Verantwortlichkeit von Kanton, Gemeinden und Beamten). 1. Rechtsgrundlage des Entschädigungsanspruchs gegen den Kanton Waadt wegen ungerechtfertigter Untersuchungshaft (E. 3a). 2. Prüfung der Rechtmässigkeit verschiedener durch den Untersuchungsrichter in Ausübung seines Amtes angeordneter Massnahmen. Rechtswidrigkeit einer von der Polizei ohne Einwilligung des kantonalen Untersuchungsrichters durchgeführten Pressekonferenz (E. 3b). 3. Selbstverschulden des aus der Haft entlassenen Beschuldigten: massgebende Unterscheidungsmerkmale und Beweislast. Kann das Verhalten des Verhafteten während der Strafuntersuchung, insbesondere seine Aussageverweigerung, den Wegfall oder die Herabsetzung des Schadenersatzes zur Folge haben? (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 4). 4. Höhe der Genugtuungssumme (E. 5).

112 IB 610 () from 2. Juli 1986
Regeste: Europäisches Auslieferungs-Übereinkommen (EAUe), Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG). Sachauslieferung. 1. Das Begehren um Sicherungsbeschlagnahme (Art. 20 Ziff. 1 EAUe) ist implizit in jenem um Herausgabe von Gegenständen enthalten (E. 3a). Das Bundesamt für Polizeiwesen, das zur Anordnung der Beschlagnahme zuständig ist (Art. 45 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 3 IRSG), darf sich auf eine schon von der kantonalen Behörde angeordnete Beschlagnahme stützen (E. 8). Anforderung an die Begründung des Gesuchs um Herausgabe von Gegenständen, die Beweisstücke bilden (Art. 20 Ziff. 1 lit. a EAUe); Möglichkeit, diese Gegenstände gruppen- oder kategorienweise zu bezeichnen. Pflicht der ersuchten Partei, von der ersuchenden Partei im Falle ungenügender Unterlagen zusätzliche Angaben zu verlangen (Art. 13 EAUe) (E. 3b). 2. Die Verpflichtung zur Sachauslieferung gemäss Art. 20 EAUe setzt voraus, dass die Auslieferung des Verfolgten bewilligt worden ist, und bleibt bestehen, auch wenn die Möglichkeit der Übergabe der Person infolge Flucht oder Tod dahingefallen ist (Art. 20 Ziff. 2 EAUe). Zusatzersuchen, die vor der Flucht des Verfolgten gestellt wurden und durch diese hinsichtlich der Auslieferung der Person gegenstandslos geworden sind, kann inbezug auf die Sachauslieferung stattgegeben werden, unter der Voraussetzung, dass die in den Unterlagen geschilderten Taten Auslieferungsdelikte sind, und dass schon vor der Flucht ein prinzipieller Entscheid über die Auslieferung des Verfolgten gefällt worden ist. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, muss der ersuchende Staat, wenn er dem EÜR beigetreten ist, ein auf dieses Übereinkommen gestütztes Ersuchen stellen, wobei das Abkommen nur auf Beweismittel (Art. 3 Ziff. 1) und nicht auf Deliktsgut anwendbar ist. Kompetenz der kantonalen Behörden zur Beurteilung solcher Ersuchen. Für die Beute bzw. deren Erlös sind, wenn Art. 20 Ziff. 1 lit. b EAUe keine Anwendung findet, ausschliesslich die Bestimmungen des IRSG massgebend, aus denen sich kein völkerrechtlicher Anspruch des ersuchenden Staates ergibt (Art. 1 Abs. 4 IRSG) (E. 5). 3. Herausgabe von Gegenständen, die Beweisstücke darstellen (Art. 20 Ziff. 1 lit. a EAUe); Beziehung zum Auslieferungsdelikt. Für die Pflicht zur Herausgabe genügt das Vorliegen irgendeines Zusammenhanges mit dem Auslieferungsdelikt oder dem hiefür im ersuchenden Staat eröffneten Verfahren, welcher die fraglichen Gegenstände prima facie als geeignet erscheinen lässt, als Beweisstücke zu dienen; Grenzen der Prüfung dieser Eignung durch den Auslieferungsrichter, der nicht in die Kompetenz des Sachrichters einzugreifen hat (E. 7a-b). Schutz des Geheimbereiches von nicht beteiligten Dritten. Eine Anwendung der Art. 9 und 10 IRSG auf dem Gebiet der Auslieferung ist nicht von vornherein ausgeschlossen; ihr kommt jedoch nur beschränkte Bedeutung zu; der Auszuliefernde ist nicht legitimiert, sich zu seinen Gunsten auf die Interessen Dritter zu berufen (E. 7c). 4. a) Herausgabe von Gegenständen, die Diebesgut oder dessen Erlös darstellen (Art. 20 Ziff. 1 lit. b EAUe). Aus eigenem Antrieb von den kantonalen Behörden ergriffene vorsorgliche Massnahmen stehen der Anwendung von Art. 20 EAUe nicht entgegen (E. 9a). Schutz der Rechte des ersuchten Staates oder Dritter an diesen Gegenständen: genereller in Art. 20 Ziff. 1 EAUe verankerter Verweis auf das interne Recht des ersuchten Staates. Unterscheidung zwischen Gegenständen, die (nur) als Beweisstücke dienen, und jenen, die aus der strafbaren Handlung herrühren. Pflicht des ersuchten Staates, die ersteren herauszugeben allenfalls unter dem Vorbehalt, dass sie wieder zurückerstattet würden (Art. 20 Ziff. 4 EAUe; Art. 59 Abs. 2 IRSG). Befugnis des ersuchten Staates, über diese Gegenstände, falls bei der Übergabe kein Vorbehalt angebracht wurde, nach eigenem Recht zu verfügen (Rückgabe an den Verfolgten, Einziehung, Deckung der Gerichtskosten, Rückgabe an den Geschädigten). Gegenstände, die für den ersuchenden Staat keine Beweismittel darstellen: Recht der Schweiz, diese zurückzuhalten, wenn die in Art. 34 und Art. 59 Abs. 1 IRSG umschriebenen Bedingungen erfüllt sind (E. 9b). b) Unterscheidung zwischen Beweisstücken (oben Ziff. 3) und Deliktsgut (Art. 20 Ziff. 1 lit. b EAUe) in bezug auf den Zusammenhang mit der Tat, für die die Auslieferung bewilligt wurde oder hätte werden sollen. Für die zweite Kategorie sind strengere Anforderungen an die vom ersuchenden Staat zu liefernde Begründung zu stellen. Erfordernisse an den Beweis, dass diese Vermögenswerte direkt oder indirekt durch die Tat erworben worden sind oder mit höchster Wahrscheinlichkeit von der Tat herrühren (E. 10a). Anwendung im vorliegenden Fall; Prüfung der von der kantonalen Behörde für die Sicherungsbeschlagnahme vorgebrachten Begründung; das BAP darf sich nicht darauf beschränken für die Herausgabe auf jene Begründung zu verweisen; Prüfung im konkreten Fall: teilweise Gutheissung der Beschwerde und Rückweisung an die Vorinstanz, die weitere Auskünfte vom ersuchenden Staat zu verlangen und neu zu entscheiden hat (E. 10b und 11).

112 II 95 () from 15. April 1986
Regeste: Berufungsfähiger Endentscheid, Überprüfungsbefugnis (Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 63 Abs. 1 und 3 OG; Art. 336 ff. ZPO/GL). Entscheidet die kantonale Behörde aufgrund eines ausserordentlichen Rechtsmittels neu in der Sache selbst, so fällt sie einen berufungsfähigen Endentscheid. Sie hat dabei in rechtlicher Hinsicht die nämliche volle Kognition wie das Bundesgericht auf Berufung hin (E. 2).

112 II 102 () from 13. Mai 1986
Regeste: Art. 323 ZGB. Prozessfähigkeit Minderjähriger. Der urteilsfähige Minderjährige kann die mit der Verwaltung und Nutzung seines Arbeitserwerbes zusammenhängenden Rechte selber gerichtlich geltend machen.

112 II 330 () from 24. September 1986
Regeste: Art. 216 OR, Art. 2 ZGB. Grundstückkauf, Formmangel, Rechtsmissbrauch. 1. Die öffentliche Beurkundung eines Grundstückkaufes erfordert nach Bundesrecht, dass in der Urkunde auch das Vertretungsverhältnis richtig angegeben wird, wenn ein Dritter für eine Partei handelt (E. 1). 2. Berufung auf einen Formmangel, nachdem der Vertrag beidseitig freiwillig und irrtumsfrei erfüllt worden ist. Offengelassen, ob Formungültigkeit zur absoluten Nichtigkeit des Vertrages führt und der Mangel stets von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (E. 2) 3. Umstände, unter denen die Berufung auf den Formmangel, insbesondere wegen dessen Art, sich als missbräuchlich erweist (E. 3).

112 II 422 () from 4. Dezember 1986
Regeste: Öffentlichkeit des Grundbuches (Art. 970 ZGB). Die öffentliche Bekanntmachung des Kaufpreises und der Parteien bei jeder zwischen Privatpersonen erfolgten Mutation eines im Kanton Genf gelegenen Grundstückes entspricht nicht dem Zweck des Grundbuches. Für eine solche Veröffentlichung ist kein relevantes persönliches, spezielles, konkretes und aktuelles Interesse gegeben. Sie ist daher bundesrechtswidrig.

112 II 479 () from 2. Oktober 1986
Regeste: Entmündigung; Art. 373 Abs. 1 ZGB. Das kantonale Verfahrensrecht darf den bundesrechtlichen Anspruch des Privaten auf Einleitung des Entmündigungsverfahrens gegen einen Verwandten im Sinne von Art. 328 ZGB und auf einen Sachentscheid der für die Entmündigung zuständigen Behörde nicht beschränken.

112 III 9 () from 17. Januar 1986
Regeste: Gerichtsstand für die Rechtsöffnung. Örtlich zuständig für die Rechtsöffnung ist grundsätzlich der Richter des Ortes, wo die Betreibung angehoben wurde. Hat der Betriebene inzwischen den Wohnsitz verlegt, so ist das Rechtsöffnungsgesuch beim Richter des neuen Wohnsitzes zu stellen, sofern der Betriebene dem Gläubiger die Wohnsitzverlegung angezeigt oder dieser sonstwie davon erfahren hat. Auch in diesem Fall bleibt jedoch der Richter des ursprünglichen Betreibungsortes zuständig, wenn sich der Betriebene nicht darauf beruft, er habe seinen Wohnsitz seit Anhebung der Betreibung verlegt (Präzisierung der Rechtsprechung).

112 III 67 () from 23. Juni 1986
Regeste: Den Vollstreckungsorganen auferlegte Ordnungsstrafen (Art. 14 Abs. 2 SchKG). 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. a) Fälle, in welchen gegen eine Disziplinarverfügung ausnahmsweise der Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gegeben ist (Art. 19 Abs. 1 SchKG; E. 2a). b) Beschwerdelegitimation der Vollstreckungsorgane, die ihres Amtes enthoben worden sind (Art. 88 OG; E. 2b). 2. Voraussetzungen, unter welchen eine Ordnungsstrafe auferlegt werden kann. a) Voraussetzungen der Amtsenthebung (E. 7a). b) Prüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde, welche im Rahmen ihres Ermessens nicht nur die Schwere des Verschuldens beurteilen muss, sondern auch dem Schaden insgesamt und dabei den Umständen Rechnung zu tragen hat, welche das Vorgehen der Vollstreckungsorgane rechtfertigen mögen (E. 7b).

112 III 88 () from 17. September 1986
Regeste: Art. 82 Abs. 1 SchKG; Schuldanerkennung, die von einem Vertreter des Betriebenen unterzeichnet ist. Es verstösst auch dann nicht gegen Art. 4 BV, gestützt auf die von einem Vertreter unterzeichnete Schuldanerkennung provisorische Rechtsöffnung zu erteilen, wenn keine schriftliche Vollmacht des Betriebenen vorliegt.

112 IV 138 () from 28. Juli 1986
Regeste: Art. 6 Ziff. 2 und 3 lit. d EMRK. Beweiswürdigung; Rechtsmittel. Unmittelbare Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention sind ausschliesslich mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen.

112 V 39 () from 14. Februar 1986
Regeste: Art. 20 Abs. 2 sowie 31 Abs. 1 und 4 UVG, Art. 32 Abs. 4 und 43 Abs. 2 UVV: Komplementärrenten für Invalide bzw. für Hinterlassene. - Die Vorschrift des Art. 32 Abs. 4 UVV, wonach bei Komplementärrenten für invalide Versicherte, die vor Eintritt des Versicherungsfalles neben unselbständiger eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, auch das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bei der Bestimmung der Überversicherungsgrenze berücksichtigt werden muss, ist gesetzeskonform (Erw. 3a und b). - Diese Regel ist sinngemäss auch anzuwenden auf Komplementärrenten für Hinterlassene (Erw. 3c und d). - Die Komplementärrenten treten nur dann an die Stelle der vollen UV-Hinterlassenenrenten, wenn diese zusammen mit den AHV-Hinterlassenenrenten die Überversicherungsgrenze übersteigen (Erw. 4).

112 V 106 () from 26. März 1986
Regeste: Art. 97 und 128 OG, Art. 5 VwVG: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. - Ob eine anfechtbare Verfügung vorliegt, ist von Amtes wegen zu prüfen (Erw. 1). - Wann beruht eine Verfügung auf dem Bundes(sozialversicherungs)recht? (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 2.) Art. 2 KUVG: Vom Kanton obligatorisch erklärte Krankenversicherung. Eine Verfügung betreffend Beiträge der Stadt Zürich an die Krankenkassen als Durchführungsorgane der obligatorischen Krankenversicherung und betreffend die Festsetzung der Mitgliederprämien beruht nicht auf Bundesrecht, so dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist (Erw. 3).

112 V 115 () from 21. April 1986
Regeste: Art. 7 Abs. 1 KUVG: Freizügigkeit. - Gesetzliche Aufklärungspflicht der Krankenkasse bei Eintritt eines Freizügigkeitsgrundes (Erw. 2a). - Kommt eine Krankenkasse der Aufklärungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, so dass das Mitglied das Zügerrecht nicht innert der gesetzlichen Dreimonatsfrist ausüben kann, fällt der Freizügigkeitsanspruch dahin (Erw. 2b). Art. 4 BV: Treu und Glauben. - Anspruch auf eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung aufgrund des Vertrauensschutzes, wenn eine gesetzlich gebotene Aufklärung nicht erfolgt (Erw. 3). - Das aus Art. 3 Abs. 3 KUVG fliessende Gebot der Gleichbehandlung der Kassenmitglieder ist keine unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung, welche die Berufung auf den Vertrauensschutz ausschliesst (Erw. 4a-c). - Verpflichtungen der Krankenkasse in bezug auf die Prämienbelastung, wenn sie durch Verletzung ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht dem Mitglied die Ausübung des Zügerrechts verunmöglicht (Erw. 4d).

112 V 174 () from 20. Juni 1986
Regeste: Art. 28 IVG: Festsetzung des Invaliditätsgrades. Wird der Invaliditätsgrad von der SUVA durch einen Vergleich festgesetzt, so entfällt die Rechtfertigung dafür, die Invaliditätsschätzung der Invalidenversicherung an diejenige der SUVA zu binden (Erw. 2a). Art. 38bis Abs. 1 und 3 IVG, Art. 33bis IVV in Verbindung mit Art. 53bis Abs. 4 AHVV: Kürzung von Teilrenten. Das für die Rentenbemessung zugrunde gelegte durchschnittliche Jahreseinkommen wird nicht in seiner Gänze in die Überversicherung eingesetzt, sondern nur der dem Verhältnis der (konkreten) Teilrente zur Vollrente entsprechende Teil. Diese Regelung ist gesetzeskonform (Erw. 4).

112 V 283 () from 23. Mai 1986
Regeste: Kantonalrechtliches Krankenversicherungs-Obligatorium mit Einschluss des Unfallrisikos: Frage der Doppelversicherung und der Prämiengestaltung. - Art. 2 Abs. 1 lit. a KUVG, Art. 116 Abs. 2 UVG. Die Kantone sind auch nach Inkrafttreten des UVG zur Obligatorischerklärung einer Unfallversicherung im Rahmen der Krankenversicherung berechtigt, sofern es sich um eine Subsidiärversicherung handelt und damit im Verhältnis zur obligatorischen Unfallversicherung des Bundes (UVG) keine Doppelversicherung entsteht (Erw. 2). - Art. 119 UVG, Art. 147 UVV. Soweit durch das kantonale Unfallobligatorium im Verhältnis zum bundesrechtlichen Obligatorium gemäss UVG keine Doppelversicherung entsteht, kommen die Tatbestände der Art. 119 UVG und Art. 147 Abs. 2 und 3 UVV nicht zur Anwendung (Erw. 2). - Art. 3 Abs. 3 KUVG. Haben die Kassen im Rahmen einer obligatorischen Krankenversicherung auch gegen Unfall (im Sinne einer Subsidiärversicherung) zu versichern, so sind sie bei der Prämiengestaltung nicht verpflichtet, die Prämien danach zu differenzieren, ob das Mitglied dem UVG-Obligatorium untersteht oder nicht (Erw. 4).

113 IA 1 () from 28. Januar 1987
Regeste: Art. 4 BV; Akteneinsicht. 1. Anspruch auf Akteneinsicht nach kantonalem Recht und Art. 4 BV; Kognition des Bundesgerichts (E. 2). 2. Art. 4 BV garantiert einen Anspruch auf Akteneinsicht auch ausserhalb eines hängigen Verfahrens, sofern der Rechtssuchende ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann und sofern der Akteneinsicht keine privaten oder öffentlichen Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (E. 4a). 3. Die Interessenabwägung im vorliegenden Fall ergibt, dass ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Einsicht in die Eintragungen betreffend die eigene Person in einem Polizeiregister besteht. Über das allgemeine Interesse an der Kenntnisnahme hinaus sprechen hierfür der enge Bezug zur persönlichen Freiheit und das Bedürfnis nach einer allfälligen Korrektur; der Akteneinsicht stehen weder der Verwaltungsaufwand noch generelle polizeiliche Geheimhaltungsinteressen entgegen (E. 4b-4e).

113 IA 12 () from 11. Februar 1987
Regeste: Art. 4 BV; § 10 Abs. 3 lit. a StPO/BS, Anspruch auf einen amtlichen Verteidiger. Es verstösst gegen Art. 4 BV, wenn der Anspruch eines Angeschuldigten auf Beigabe eines Offizialverteidigers verneint wird, obgleich im betreffenden Fall die Voraussetzungen dieses Anspruchs nach dem Wortlaut des massgebenden kantonalen Rechts (§ 10 Abs. 3 lit. a StPO/BS) erfüllt sind. Eine Auslegung dieser Vorschrift gegen ihren Wortlaut lässt sich mit sachlichen Gründen nicht vertreten (E. 3).

113 IA 17 () from 23. April 1987
Regeste: Art. 4 BV; Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung einer Baubewilligung. Die Basler Praxis, wonach ein Bauvorhaben den Nachbarn unmittelbar berühren muss, um seine Rekursberechtigung zu begründen, ist nicht verfassungswidrig; sie stimmt mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 103 lit. a OG überein.

113 IA 26 () from 7. April 1987
Regeste: Zuständigkeit des Kassationsgerichts, Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde bei Verzicht auf die eidgenössische Berufung (Art. 4 BV, Art. 426 Abs. 2 ZP/SG). 1. Ist die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde nur zulässig, soweit keine eidgenössische Berufung möglich ist, so kann ihre Zulässigkeit willkürfrei auch bei vertraglichem Verzicht auf die Berufung verneint werden (E. 1). 2. Bei gültigem Verzicht auf das ordentliche Rechtsmittel der eidgenössischen Berufung kann nicht ersatzweise staatsrechtliche Beschwerde wegen verfassungswidriger Anwendung von Bundeszivilrecht erhoben werden (E. 3a). 3. Schranken des Verzichts (E. 3b).

113 IA 46 () from 18. Februar 1987
Regeste: Art. 85 lit. a OG: Stimm- und Initiativrecht. 1. Formelle Anforderungen an eine Stimmrechtsbeschwerde: Legitimation, Letztinstanzlichkeit, Anfechtung einer Vorbereitungshandlung zu einer Volksabstimmung (E. 1). 2. Grundsatz und Tragweite des Prinzips der Einheit der Materie namentlich auf dem Gebiet von Initiative und Gegenvorschlag; im vorliegenden Fall verletzt der Gegenvorschlag als solcher das Prinzip der Einheit der Materie nicht (E. 4 und 5). 3. Die gleichzeitige und gekoppelte Abstimmung über zwei Initiativen und einen Gegenvorschlag verunmöglicht im vorliegenden Fall eine unverfälschte und freie Willensäusserung der Stimmbürger und verletzt den Grundsatz der Einheit der Materie und das Initiativrecht (E. 6). 4. Grundsätze zur Aufhebung von Volksabstimmungen wegen Verfahrensmängeln; Kassation der Volksabstimmung im vorliegenden Fall; provisorische Aufrechterhaltung des in der Volksabstimmung angenommenen Steuergesetzes (E. 7).

113 IA 69 () from 5. Januar 1987
Regeste: Bestellung eines amtlichen Verteidigers; Art. 6 EMRK und Art. 4 BV; Art. 34 Abs. 1 StPO/SG; Art. 31 BV. 1. Die Auslegung von Art. 34 Abs. 1 StPO/SG, wonach eine amtliche Verteidigung auf Ersuchen hin (nur) dann einem ausserkantonal tätigen Rechtsanwalt übertragen wird, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Angeschuldigten besteht oder der Vertreter bereits anderweitig für den Angeschuldigten tätig geworden ist, verstösst weder gegen Art. 4 BV noch gegen Art. 6 EMRK (E. 5). 2. Der amtliche Verteidiger steht zum Staat in einem Verhältnis, das vom kantonalen öffentlichen Recht bestimmt wird und deshalb nicht der Handels- und Gewerbefreiheit untersteht. Zur Erlangung eines amtlichen Mandates kann sich daher auch die Partei selber nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 6).

113 IA 72 () from 4. Februar 1987
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. 1. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die Personalunion von Untersuchungsrichter und Gerichtspräsident vor Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht standhält (E. 2). 2. Zulässigkeit der Personalunion von Überweisungsrichter und erkennendem Richter? Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung. Frage im vorliegenden Fall offengelassen (E. 3).

113 IA 81 () from 22. Mai 1987
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör, Teilnahme am Augenschein. Wird im Rahmen der Genehmigung einer kommunalen Nutzungsplanung ein Augenschein ohne Beteiligung der Grundeigentümer durchgeführt und im Anschluss daran die Einzonung eines Grundstücks verweigert, ohne dass ein zweiter Augenschein unter Beizug des betreffenden Eigentümers vorgenommen worden wäre, so wird dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

113 IA 97 () from 27. März 1987
Regeste: Beamtenrecht: Abgabe eines Anteils der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit der Klinikdirektoren. Im Gesetzgebungsverfahren besteht von Verfassungs wegen kein Anspruch auf Anhörung (E. 2). Zur Ausübung einer privatärztlichen Tätigkeit bedürfen die Klinikdirektoren grundsätzlich einer Bewilligung durch den Regierungsrat; sie können sich daher nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 4). Die Honorarabgabe findet ihre Rechtsgrundlage in der Kompetenz des Regierungsrates, einen Anteil der Honorareinnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit als Sonderleistung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses abzuschöpfen (E. 5).

113 IA 104 () from 5. Mai 1987
Regeste: Art. 4 BV, § 95 Zivilprozess-Ordnung für den Kanton Thurgau (ZPO/TG). Kostenregelung bei subjektiver Klagenhäufung. Willkür bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzesnormen (E. 2b). Fasst der Kläger, ohne dazu gezwungen zu sein, für die gleiche Forderung mehr als eine Person ins Recht, so bleiben diese subjektiv gehäuften Klagen selbständig; die Kostenentscheide sind für die einzelnen Klagen voneinander unabhängig zu gestalten (E. 2c). Ausnahmen von dieser Regel sind bei einer erweiterten Kostenpflicht aus materiellem Recht denkbar (E. 2e). Auch § 95 ZPO/TG geht von dieser Konzeption der Kostenregelung aus. Es ist somit willkürlich, eine generelle Kostenpflicht des unterliegenden Streitgenossen gegenüber dem obsiegenden auf dem Regressweg einzuführen (E. 2d).

113 IA 107 () from 30. Juni 1987
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV. Gleicher Lohn für Mann und Frau. 1. Rechtsnatur der Gewährleistung, dass männliche und weibliche Arbeitnehmer Anspruch auf gleichen Lohn haben; Folgen für den Rechtsweg, die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts und das Beschwerderecht des Arbeitgebers (E. 1). 2. Vergleich von Leistungen, die von Schauspielern verschiedenen Geschlechts erbracht werden. Wertgleichheit vorliegend bejaht (E. 3). 3. Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV. Umstände, die eine Abweichung von der Regel der Lohngleichheit rechtfertigen können (E. 4a). 4. Pflicht einer Theaterleitung, eine nebenberuflich tätige Schauspielerin, die im letzten Moment ausfällt, rasch und ohne Kostenüberschreitung zu ersetzen, als objektiver Umstand, der ein Abweichen vom Grundsatz der Lohngleichheit rechtfertigt (E. 4b).

113 IA 126 () from 1. April 1987
Regeste: Art. 4, 22ter, 31 BV, Art. 2 ÜbBestBV; Verfassungsmässigkeit eines Genfer Gesetzes, das die Veräusserung von Wohnungen, an welchen auf dem Wohnungsmarkt Mangel herrscht, der iBewilligungspflicht unterstellt. 1. Legitimation zur staatsrechtlichen iBeschwerde (E. 3) und zu deren Beantwortung (E. 4); Grundsätze der abstrakten Normenkontrolle (E. 5). 2. Voraussetzungen, unter denen die Bewilligungspflicht nicht gegen Art. 22ter BV verstösst (E. 6 und 7). Einschränkende Vorschriften, welche die Berücksichtigung berechtigter privater Interessen nicht erlauben, verletzen das Prinzip der Verhältnismässigkeit und sind mit der Eigentumsgarantie unvereinbar (E. 7b aa). 3. Die Bewilligungspflicht ist mit Art. 31 BV vereinbar, wenn sie eine zur Bekämpfung des Wohnungsmangels ergriffene Massnahme der Wohnungspolitik darstellt; sie ist verfassungswidrig, wenn sie ausschliesslich einen wirtschaftspolitischen Charakter aufweist (E. 8). 4. Die mit Bewilligung veräusserten Wohnungen dürfen nicht der Mietzinskontrolle unterstellt werden (E. 8d cc). 5. Art. 2 ÜbBestBV (E. 9). Das kantonale Recht kann in die direkten Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter nicht eingreifen (E. 9d). 6. Teilweise Aufhebung des angefochtenen Gesetzes, beschränkt auf die verfassungswidrigen Bestimmungen (E. 11).

113 IA 146 () from 18. März 1987
Regeste: Art. 4 BV, Art. 85 lit. a OG; Wiedererwägungsgesuch betreffend Erwahrungsbeschluss über Abstimmungen und Wahlen. Die Möglichkeit der Wiedererwägung muss auch in bezug auf einen Erwahrungsbeschluss über Abstimmungen und Wahlen gegeben sein. Fehlt eine dahingehende Regelung im kantonalen Recht, so hat der aus Art. 4 BV abgeleitete Grundsatz zu gelten, dass eine Behörde dann auf ein Wiedererwägungsgesuch einzutreten hat, wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen und Beweismittel geltend macht, die ihm während des Wahl- bzw. Abstimmungsverfahrens und der darauf bezogenen Beschwerdefrist nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war.

113 IA 177 () from 21. Januar 1987
Regeste: Art. 4 BV (Willkür); Art. 4 KV/VS und 114 Ziff. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Wallis; persönliche Freiheit und Art. 5 EMRK; widerrechtliche Haft, Genugtuung. Es ist willkürlich, im vorliegenden Fall die Unterbringung in einer Zelle nicht als Verhaftung oder als Haft zu betrachten (Erw. 1). Entschädigungsgrundsätze des Kantons Wallis für ungerechtfertigte Haft (Erw. 2a). Gesetzwidrigkeit der Verhaftung und der Haft (Erw. 2b) und Fehlen des Mitverschuldens des Angeklagten (Erw. 2c) im vorliegenden Fall. Angesichts der besonderen Umstände besteht der Anspruch auf Genugtuung ungeachtet der kurzen Dauer der Haft (Erw. 3).

113 IA 214 () from 24. März 1987
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 2 und 3 lit. c und d EMRK; Rechte des flüchtigen Angeschuldigten im Untersuchungsverfahren. Es ist zumindest in der Anfangsphase der Untersuchung gerechtfertigt, einem flüchtigen Angeschuldigten die sog. zusätzlichen Rechte gemäss §§ 112 ff. StPO/BS (Verteidiger, Teilnahme an der Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen, Akteneinsicht) zu verweigern (E. 2).

113 IA 218 () from 22. Juni 1987
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. c EMRK; Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung bei notwendiger Verteidigung. Bei der notwendigen oder obligatorischen Verteidigung stellt die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Verteidigers in jedem Fall eine Verletzung von Art. 4 BV sowie von Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. c EMRK dar (E. 3a-d).

113 IA 232 () from 20. Februar 1987
Regeste: Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. 1. Art. 84 Abs. 1 OG. Begriff der anfechtbaren Verfügung; als solche gilt die Verfügung, die die Rechtstellung des einzelnen berührt, indem sie ihn zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichtet oder sonstwie seine Rechtsbeziehungen zum Staat autoritativ, in verbindlicher und erzwingbarer Weise regelt. Im vorliegenden Fall, in dem es um eine Projektierung geht, sind diese Kriterien nicht erfüllt (E. 1). 2. Art. 88 OG. - Liegt kein anfechtbarer Entscheid im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG vor, mangelt es auch an der Beschwerdelegitimation (E. 2a). - Beschwerderecht eines Zweckverbandes als Träger hoheitlicher Gewalt? Frage verneint, da hier der öffentlichrechtlichen Körperschaft keine Autonomie zuerkannt werden kann, wie sie die Gemeinde geniesst (E. 2b).

113 IA 241 () from 23. April 1987
Regeste: Art. 85 lit. a und 88 OG; Legitimation einer politischen Partei zur Anfechtung einer teilweisen Nichtgenehmigung und Abänderung eines kommunalen Lärmschutzreglementes durch die Aufsichtsbehörde. 1. Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte nicht legitimiert, da sie einzig öffentliche Interessen wahrnimmt (E. 1). 2. Auch die Stimmrechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Frage, ob eine kantonale Aufsichts- bzw. Genehmigungsbehörde eine kommunale Vorlage teilweise nicht genehmigen und abändern durfte, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen keine solche der Verletzung des Stimmrechts darstellt (E. 2). 3. Da die Beschwerdeführerin weder aufgrund von Art. 85 lit. a noch Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist, ist sie auch nicht befugt, vorfrage- oder hilfsweise eine Verletzung der Gemeindeautonomie zu rügen (E. 3). Hingegen kann sie sich - ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst - über die Verletzung jener Parteirechte beklagen, die ihr nach dem kantonalen Verfahrensrecht zustehen (E. 4).

113 IA 247 () from 11. August 1987
Regeste: Art. 88 OG; Beschwerdelegitimation ideeller kantonaler Organisationen in Planungssachen. 1. Die in Art. 12 NHG enthaltene Beschwerdebefugnis gilt nicht für die staatsrechtliche Beschwerde und ohnehin nicht für eine - wie in casu - nicht gesamtschweizerische, sondern nur kantonale Organisation. Voraussetzungen, unter denen eine kantonale ideelle Organisation zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist. 2. Das solothurnische Recht kennt keine Vorschrift, welche ideelle Organisationen der Art des Solothurner Heimatschutzes zur Einsprache bzw. Beschwerde in Planungssachen ermächtigen würde. Die Auffassung, solche kantonale Organisationen seien mit Bezug auf Planungsfragen im Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach solothurnischem Recht nur dann legitimiert, wenn sie selber oder eine grosse Zahl ihrer Mitglieder von der in Frage stehenden Planungsmassnahme in ihren eigenen schutzwürdigen Interessen mehr als die Allgemeinheit betroffen seien, ist verfassungsrechtlich haltbar.

113 IA 271 () from 16. Juli 1987
Regeste: Art. 87 OG; persönliche Freiheit; Art. 4 BV; Zustimmung der Eltern zur Adoption. 1. Wird von der Zustimmung eines Elternteils zur Adoption abgesehen, weil er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist (Art. 265c Ziff. 1 ZGB), so ist gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV gegeben (E. 1). 2. Im vorliegenden Fall ist nicht zu prüfen, ob die persönliche Freiheit verletzt sei; denn die Vater und Mutter im Zusammenhang mit einer Adoption zustehenden Rechte werden von der Bundesgesetzgebung konkret umschrieben, und diese trägt dem Gedanken der persönlichen Freiheit bereits Rechnung (E. 4). 3. Der in Art. 265a ZGB festgelegte Grundsatz, wonach die Adoption der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes bedarf, ist Ausfluss ihres Persönlichkeitsrechts. Im vorliegenden Fall hätte die Vormundschaftsbehörde, welcher die Existenz des leiblichen Vaters und dessen Bemühen um sein Kind nicht unbekannt bleiben konnten, Kontakt zum Vater suchen und ihn darüber aufklären sollen, dass seine Zustimmung zur Adoption erst nach der Herstellung des Kindesverhältnisses zwischen ihm und dem Kind einzuholen ist. Indem die kantonale Rechtsmittelinstanz das gegen Treu und Glauben verstossende Vorgehen der Vormundschaftsbehörde und den Beschluss der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde, welcher den besonderen Umständen des Falles nicht Rechnung trägt, geschützt hat, ist sie in Willkür verfallen (E. 6, 7, 8).

113 IA 286 () from 21. Dezember 1987
Regeste: Anwaltsprüfung; rechtliches Gehör, Zusammensetzung der Prüfungskommission, Prüfungsanforderungen (Art. 4 und 31 BV). 1. Der Minimalanspruch aus Art. 4 BV auf rechtliches Gehör gebietet nicht, dass ein Prüfling vor Erlass eines negativen Examensentscheides die Möglichkeit erhält, sich zu seiner Prüfungsleistung zu äussern (E. 2c); ebenso muss vor Erlass des negativen Patentierungsentscheides durch das Obergericht des Kantons Schaffhausen keine Einsicht in den Bericht der Prüfungskommission gewährt werden (E. 2d). 2. Der Anspruch auf Unabhängigkeit und Unbefangenheit ist nicht verletzt, wenn bei einer Anwaltsprüfung praktizierende Anwälte als Experten beigezogen werden (E. 3a). 3. Zulässige Anforderungen an eine Anwaltsprüfung im Lichte der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 4 und 5).

113 IA 309 () from 2. März 1987
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV; Meinungsäusserungsfreiheit, Pressefreiheit (Art. 55 BV), Informationsfreiheit, Art. 10 EMRK; Gerichtsorganisationsgesetz des Kantons Aargau. 1. Die in § 15 des aargauischen Gerichtsorganisationsgesetzes enthaltenen Bestimmungen über die Gerichtsberichterstattung greifen nicht in die Kompetenz des Bundes zur Regelung des privaten Persönlichkeitsschutzes ein und verletzen daher Art. 2 ÜbBest. BV nicht (E. 3). 2. Meinungsäusserungsfreiheit, Pressefreiheit, Informationsfreiheit und Art. 10 EMRK (E. 4). Diese Garantien werden nicht verletzt - durch die Verpflichtung zu sachlicher Gerichtsberichterstattung und das Verbot unnötiger Blossstellung (E. 5a), - durch die Verpflichtung, eine durch das Gericht formulierte Berichtigung zu veröffentlichen (E. 5b), - durch die Möglichkeit, einen Gerichtsberichterstatter von den Gerichtsverhandlungen auszuschliessen (E. 5c).

113 IA 325 () from 30. September 1987
Regeste: Persönliche Freiheit; Vollzug der Untersuchungshaft; Reglement, das die Sendung von Nahrungsmitteln an Untersuchungshäftlinge ausserhalb der Weihnachts- und Osternzeit verbietet. Tragweite der persönlichen Freiheit hinsichtlich der Ausgestaltung der Untersuchungshaft (E. 4). Die angefochtene Massnahme ist durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt (E. 5), doch die Begrenzung der Anzahl Sendungen verstösst gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip. Untersuchungshäftlinge müssen grundsätzlich aufs ganze Jahr verteilt wenigstens sechs, in speziellen Fällen vier, Nahrungsmittelpakete empfangen dürfen (E. 6).

113 IA 332 () from 20. Februar 1987
Regeste: Gemeindeautonomie und Grundsatz von Treu und Glauben. 1. Aufzählung der zulässigen, in Verbindung mit der Autonomiebeschwerde zusätzlich erhoben Rügen (E. 1b). 2. Es ist willkürlich, in Anwendung der Tessiner Baubestimmungen das Vertrauen eines Grundstückeigentümers zu schützen, der bei Baubeginn wusste, dass er nicht mit einer Baubewilligung rechnen konnte (E. 3b).

113 IA 336 () from 22. Juni 1987
Regeste: Gemeindeautonomie. Beteiligung einer Bürgergemeinde an den Kosten für die Erstellung einer Turnhalle. Legitimation öffentlich-rechtlicher Körperschaften zur staatsrechtlichen Beschwerde; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 1a). Kann die Bürgergemeinde sich auf die Existenz- bzw. Bestandesgarantie berufen, wenn es um einen Entscheid geht, der, ohne dass er ihre Existenz als solche oder ihre geographische Einheit in Frage stellt, sie finanziell so zu treffen vermag, dass sie in ihrem Bestand bedroht wird? Frage offen gelassen, da die fragliche Kostenbeteiligung sowieso nicht geeignet ist, die Bürgergemeinde in ihrer Existenz ernstlich zu gefährden (E. 1b-d und 2a).

113 IA 341 () from 16. September 1987
Regeste: Gemeindeautonomie; Revision der Statuten eines Zweckverbandes. Es stellt eine Verletzung der Gemeindeautonomie dar, aufgrund eines statutarisch vorgesehenen Mehrheitsentscheides der Verbandsgemeinden entgegen dem Willen einzelner Gemeinden eine Revision der Statuten eines Zweckverbandes in Kraft zu setzen, welche eine wesentliche Erschwerung des Austrittes und Erweiterung des Verbandszweckes zur Folge hat.

113 IA 351 () from 2. April 1987
Regeste: Art. 88 OG. Die verfassungsmässigen Rechte des Angeklagten sind untrennbar mit seiner Person verbunden; stirbt er nach Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde, wird diese gegenstandslos.

113 IA 353 () from 27. November 1987
Regeste: Enteignung von Nachbarrechten. 1. Bauarbeiten auf öffentlichem Grund können zu übermässigen Immissionen und, falls sie zu dulden sind, zur Enteignung des nachbarrechtlichen Abwehranspruches führen. Ein Entschädigungsbegehren ist daher als Forderung aus formeller Enteignung zu behandeln (E. 2). 2. Vorübergehende Störungen, die sich aus Bauarbeiten auf Nachbargrundstücken ergeben, sind in der Regel entschädigungslos hinzunehmen. Ersatz ist nur zu leisten, wenn die Einwirkungen ihrer Art, Stärke und Dauer nach aussergewöhnlich sind und zu einer beträchtlichen Schädigung von Nachbarn führen (E. 3).

113 IA 368 () from 23. Dezember 1987
Regeste: Unterschutzstellung einer archeologischen Sammlung: Entschädigung für materielle Enteignung (Art. 4 und 22ter BV). 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid der letzten kant. Instanz über die Entschädigung für materielle Enteignung beweglicher Sachen (E. 1). 2. a) Inhalt und Zweck der Tessiner Gesetzesbestimmungen, soweit sie bewegliche Sachen im gleichen Masse wie historische Monumente und Kunstdenkmäler schützt (E. 3a). b) Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit Art. 22ter BV (E. 3b). c) Besonderheit der Tessiner Gesetzgebung in diesem Bereich gegenüber der Regelung aller übrigen Kantone (E. 3d). 3. Grundsätzliche Anwendbarkeit der von der Rechtsprechung als massgeblich erklärten Kriterien im Bereich der materiellen Enteignung von Grundstücken auf die Enteignung beweglicher Sachen (E. 4). 4. Die Pflicht zur Einholung einer Bewilligung für die Verlegung eines Gegenstandes der Antike innerhalb des Kantonsgebiets stellt keine schwere Beschränkung des Eigentums an beweglichen Sachen dar, ebensowenig das Verbot, den Gegenstand zu verändern, selbst wenn die Arbeiten nur seiner Erhaltung oder Restaurierung dienen; hingegen können die Verpflichtung, Arbeiten zur Erhaltung des Gutes ausführen zu lassen, und das generelle Verbot der Ausfuhr aus dem Kantonsgebiet eine schwere Beeinträchtigung bewirken (E. 5). 5. Eine weniger schwere Beeinträchtigung des Eigentums an beweglichem Gut kann ebenfalls eine materielle Enteignung bewirken, wenn sie nur einen einzigen oder eine beschränkte Anzahl Eigentümer trifft; Anwendung im konkreten Fall (E. 6).

113 IA 412 () from 18. März 1987
Regeste: Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts gemäss Abänderungsgesetz des Kantons Bern vom 10. September 1985. Durch die Errichtung dieses auf verfassungsmässiger Grundlage beruhenden Wirtschaftsstrafgerichts wird weder der Grundsatz der Öffentlichkeit (E. 2) noch derjenige der Unmittelbarkeit (E. 3) verletzt; ebensowenig liegt eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK vor (E. 3c). Ferner verstösst seine Schaffung auch nicht gegen Art. 58 Abs. 1 BV oder gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 5). Schliesslich ist ebenfalls die in den Übergangsbestimmungen gemäss Abänderungsgesetz enthaltene Rückwirkungsregelung nicht verfassungswidrig (E. 6).

113 IA 433 () from 23. Dezember 1987
Regeste: Art. 4 BV; Kantonales Zivilprozessrecht. a) Es ist nicht willkürlich, wenn im Bündner Zivilprozess die richterliche Fragepflicht gemäss Art. 112 Abs. 1 ZPO auf Beweisofferten nicht unbesehen angewendet wird (E. 1). b) Die Verhandlungsmaxime gemäss Art. 156 Abs. 2 und 3 der Bündner ZPO wird in willkürlicher Weise verletzt, wenn die Klage mangels Beweisen abgewiesen wird, obwohl die nicht bewiesene Tatsache aufgrund der Vorbringen und des Verhaltens der Parteien eindeutig zugestanden ist (E. 4).

113 IA 437 () from 10. Dezember 1987
Regeste: Güterzusammenlegung; Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers. Kann das Gewinnbeteiligungsrecht bei Güterzusammenlegungen zu einem besonders schweren Eingriff führen, so bedarf es einer klaren und eindeutigen gesetzlichen Grundlage (E. 2a). Sieht das Gesetz das Gewinnbeteiligungsrecht für den Fall der Veräusserung vor, so kann dieses nicht auf andere Fälle nichtlandwirtschaftlicher gewinnbringender Nutzungen des Bodens ausgedehnt werden (E. 2b). Ein Gewinnbeteiligungsrecht, das derart ausgestaltet ist, dass bei der Berechnung des Gewinnes nicht vom wahren Verkehrswert des Bodens ausgegangen und der Wert des dem Gewinnbeteiligten seinerseits zugeteilten Landes nicht mitberücksichtigt wird, steht mit der Eigentumsgarantie in Widerspruch (E. 3).

113 IA 444 () from 16. Dezember 1987
Regeste: Art. 22ter BV; Zonenplanänderung (Art. 15 RPG); Art. 113 Abs. 3 BV. Die Umzonung von Land vom Baugebiet in das Übrige Gemeindegebiet belegt dieses mit einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (E. 3). Art. 15 RPG bildet für die Umzonung eine hinreichende gesetzliche Grundlage und bestimmt die Interessenabwägung (Art. 113 Abs. 3 BV). Gemäss dieser Norm umfassen Bauzonen Land, das sich für die Überbauung eignet und das zudem weitgehend überbaut ist oder voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird. Auslegung und Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall im Rahmen der Interessenabwägung, insbesondere die "weitgehende Überbauung" (E. 4). Vertrauensschutz und Eigentumsgarantie (E. 5). Art. 4 BV, Rechtsgleichheit und Bauzonierung gestützt auf Art. 15 RPG. Aus der Rechtsgleichheit lässt sich grundsätzlich kein Anspruch auf bundesrechtswidrige Planung ableiten (E. 6).

113 IA 457 () from 16. Dezember 1987
Regeste: Art. 22ter BV; Zonenplanänderung (Art. 15 RPG). Beurteilung einer ausserhalb des Hauptsiedlungsgebietes liegenden Parzelle als "weitgehend überbaut" im Sinne von Art. 15 lit. a RPG (E. 4dd-df); Überprüfung des Ergebnisses anhand des planerischen Konzepts der Gemeinde (E. 4dg); Bedeutung der Bauzonierung für das Redimensionierungsziel (E. 4e); Würdigung des Ergebnisses im Lichte einer umfassenden Interessenabwägung (E. 5).

113 IA 465 () from 20. November 1987
Regeste: Art. 46 Abs. 2 BV; Doppelbesteuerungsverbot. Der ledige Steuerpflichtige, der in der Nähe des Familienortes eine eigene Wohnung nimmt, obwohl sich dies aus Gründen des Arbeitsverhältnisses nicht aufdrängt, begründet einen eigenen - vom Familienort unabhängigen - Wohnsitz, wie eng die familiären Beziehungen auch sein mögen.

113 IA 468 () from 3. November 1987
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die einem Dritten erteilte Baubewilligung. Bejahung der Beschwerdebefugnis eines Nachbarn und einer Anliegergemeinschaft, die die Verletzung von Bestimmungen über die mögliche Ausnützung des Bodens rügen.

113 IB 13 () from 10. April 1987
Regeste: Voraussetzungen für die Befreiung einer Personalfürsorgestiftung von der Steuerpflicht; Ermittlung des steuerbaren Einkommens einer Stiftung (Art. 16 Ziff. 4 und 4bis; Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BdBSt). 1. Eine Personalfürsorgestiftung, der ausschliesslich der die Stifterfirma beherrschende einzige Arbeitnehmer (Aktionärdirektor) angeschlossen ist, erfüllt die Voraussetzungen für die Befreiung von der Steuerpflicht nach Art. 16 Ziff. 4 und 4bis in der bis 31. Dezember 1986 geltenden Fassung nicht (E. 4, 5 und 6). 2. Eine Stiftung kann bei der Ermittlung des steuerbaren Reineinkommens Aufwendungen für die Erzielung des Roheinkommens sowie für die Verfolgung des statutarischen Zweckes der Betriebsrechnung als Aufwand belasten. Schuldzinsen können nur soweit zum Abzug zugelassen werden, als sie nicht Zuwendungen an die Stifterfirma oder ihr nahestehende Personen darstellen (E. 9).

113 IB 81 () from 21. Januar 1987
Regeste: Bundesgesetz zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 3. Oktober 1975 (BG-RVUS); Legitimation zur Einsprache gemäss Art. 16. Die Einschränkung der Einsprache- und damit auch der weiteren Rechtsmittelmöglichkeit gemäss Art. 16 Abs. 2 Satz 2 BG-RVUS für denjenigen, gegen den sich das zum Ersuchen Anlass gebende Verfahren in den USA richtet, gilt nur, soweit er nicht zugleich auch durch die schweizerische Rechtshilfehandlung unmittelbar Betroffener ist. Für den von der Rechtshilfemassnahme unmittelbar Betroffenen oder Berührten geht in jedem Fall die Bestimmung von Art. 16 Abs. 1 derjenigen von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 BG-RVUS vor.

113 IB 90 () from 10. April 1987
Regeste: Art. 38 Abs. 1 lit. c und Art. 31 Abs. 3 KG. 1. Verfügungen mit denen den Beteiligten die Einsicht in die Untersuchungstätigkeit der Kartellkommission verwehrt wird, fallen nicht unter den Begriff der Beweisanordnung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 KG, weshalb der Beschwerdeweg nach Art. 38 Abs. 1 lit. c KG i.V.m. Art. 98 lit. f OG nicht offensteht (E. 2 a + b). 2. Mangels einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG ist im Rahmen des Untersuchungsverfahrens der Kartellkommission die Berufung auf die Vorschriften des VwVG ausgeschlossen, soweit das Gesetz dies nicht ausdrücklich zulässt. Da das KG selbst den Rahmen des rechtlichen Gehörs absteckt, ist das Bundesgericht aufgrund von Art. 114bis Abs. 3 BV nicht befugt, den Beteiligten nach Massgabe von Art. 4 BV weitere Mitwirkungsrechte einzuräumen (E. 2d).

113 IB 225 () from 8. Juli 1987
Regeste: Art. 103 lit. a OG; Legitimation Dritter. Personen, welche ungefähr einen Kilometer vor der Einfahrt in ein Kiesgrubengelände wohnen, werden vom Grubenverkehr stärker betroffen als jedermann, wenn während 40 bis 50 Jahren durchschnittlich mit 120 Hin- und Rückfahrten pro Tag zu rechnen ist (E. 1c). Art. 14 ff. und Art. 24 Abs. 1 RPG. Art. 24 Abs. 1 RPG findet keine Anwendung, wenn ein Gestaltungsplan gemäss Art. 44 ff. des Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3. Dezember 1978 aufgestellt wird. Ein solcher Plan stellt einen Nutzungsplan gemäss Art. 14 ff. RPG dar (E. 2b). Auch im Rahmen dieses Verfahrens ist eine umfassende Beurteilung und Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen geboten (E. 2c). Art. 9 Abs. 1 USG; Umweltverträglichkeitsprüfung; Planung und Errichtung einer Kiesgrube. Eine Kiesgrube mit einem Abbauvolumen von zwei Millionen Kubikmetern Kies ist eine Anlage im Sinne von Art. 9 USG, welche die Umwelt erheblich belasten kann (E. 3b). Kriterium zur Bestimmung desjenigen bestehenden Entscheidverfahrens, in welches die Prüfung der Umweltverträglichkeit zu integrieren ist (E. 3c).

113 IB 257 () from 1. Juli 1987
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Sperrung von Bankkonten in der Schweiz als vorläufige Massnahme im Sinne von Art. 18 IRSG. 1. Anwendbares Recht. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Anwendung des IRSG und der IRSV, weil zwischen der Schweiz und der Republik der Philippinen kein Vertrag über die Zusammenarbeit in Strafsachen besteht. Da es nur um vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 18 IRSG geht, ist die Prüfung des Bundesgerichts auf die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Rechtshilfe und dieser Massnahmen beschränkt (E. 2). Unzulässigkeit der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Entscheid der ersten kantonalen Instanz richtet. Legitimation zur Beschwerdeführung bejaht aufgrund von Art. 21 Abs. 3 IRSG, einer die Legitimation einschränkenden Spezialbestimmung zu Art. 103 lit. a OG (E. 3). 2. Angebliche Mängel des Verfahrens vor den kantonalen Ausführungsbehörden. - Art. 22 IRSG: trotz des Wortlautes der Vorschrift ist die Angabe der Rechtsmittelbelehrung nicht Gültigkeitserfordernis des Entscheids; Zweck und Bedeutung dieser Vorschrift unterscheiden sich nicht von jenen des Art. 35 VwVG. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung hatte im vorliegenden Fall für die Beschwerdeführer keinen Nachteil zur Folge (E. 4a). - Art. 21 Abs. 4 IRSG: nur jenen Beschwerden kommt von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu, die sich gegen den Entscheid richten, mit dem das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen und die Weiterleitung der Auskünfte an den Ersuchenden Staat angeordnet wurde. Ein solcher Entscheid wurde hier noch nicht getroffen (E. 4b). - Beschränkung des Akteneinsichtsrechts aufgrund von Art. 27 Abs. 1 lit. c VwVG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 IRSG: diese Massnahme steht nicht in Widerspruch zum Bundesrecht, denn den Betroffenen wurden die im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens wesentlichen Akten zur Kenntnis gebracht und ein weitergehendes Recht auf Einsichtnahme wurde für die Schlussphase des Verfahrens ausdrücklich vorbehalten (E. 4c). 3. Zulässigkeit des Rechtshilfeersuchens. - Art. 1 und Art. 63 Abs. 1 und 3 IRSG: Eröffnung eines Strafverfahrens im ersuchenden Staat. Obgleich die mit dem Ersuchen verfolgten Ziele etwas zweideutig erscheinen, geht doch aus den verschiedenen diplomatischen Noten, Strafklagen und Erklärungen der Regierung und des Generalstaatsanwaltes des ersuchenden Staates klar hervor, dass dieser gewillt ist, die betroffenen Personen strafrechtlich zu verfolgen (E. 5a). Den Handlungen, die Anwälte in der Schweiz als Vertreter der Philippinen im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens vornehmen, kommt lediglich untergeordnete Bedeutung zu (E. 5b). Verneinung des Vorwurfs, das Ersuchen ziele auf eine allgemeine und unbestimmte Nachforschung nach Beweisen ab (E. 5c). - Art. 2 IRSG: Mängel des Verfahrens im Ausland. Die Einwände, die philippinischen Gerichte seien vollständig von der Exekutive abhängig, der Grundsatz der Nichtrückwirkung des Strafgesetzes werde verletzt und den Beschwerdeführern werde die Teilnahme an ihrem Prozess im ersuchenden Staat verunmöglicht, sind im jetzigen Stadium des Verfahrens, wo es erst um vorsorgliche Massnahmen geht, verfrüht. Das Bundesgericht beschränkt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt darauf, festzustellen, die angeführten Tatsachen reichten nicht aus, um darzutun, dass objektiv und ernsthaft befürchtet werden müsste, das Verfahren im ersuchenden Staat könnte einen Mangel im Sinne von Art. 2 IRSG aufweisen (E. 6). 4. Völkerrechtliche Immunität: die persönliche Immunität bildet das Gegenstück zur Immunität, die ein ausländischer Staat geniesst, wenn er "iure imperii" handelt. Sie ist ein Privileg, das Beamten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Interesse des durch sie vertretenen Staates zukommt, und gilt nicht für Privatpersonen, auch wenn diese bis vor kurzem im ausländischen Staat die höchsten öffentlichen Ämter ausgeübt haben (E. 7).

113 IB 299 () from 21. August 1987
Regeste: Art. 8 und 33 RPG; Schutzplan für das Gebiet von Lavaux und Rechtsschutz. Der Schutzplan für das Gebiet von Lavaux entspricht inhaltlich einem kantonalen Richtplan i.S. von Art. 6 ff. RPG und 3 ff. RPV. Der von Art. 33 RPG für den Erlass von Nutzungsplänen vorgeschriebene Rechtsschutz darf nicht mit dem Argument beschränkt werden, der Nutzungsplan vollziehe lediglich einen Richtplan. Der Eigentümer, der eine konkrete Planungsmassnahme anficht, darf dabei auch die Verfassungswidrigkeit des Richtplans rügen, auf dem die Massnahme beruht. Dies gilt auch dann, wenn die Planungsbehörde sich darauf beschränkt den Richtplaninhalt auf den Nutzungsplan zu übertragen.

113 IB 376 () from 13. November 1987
Regeste: Erweiterung eines Parkhauses mit Tankstelle durch neue Tanksäulen. RPG, USG, Tessiner Baugesetz vom 19. Februar 1973. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Rüge der Verletzung von Art. 9 USG (Art. 54 USG) und der staatsrechtlichen Beschwerde zur Rüge des Verstosses gegen das RPG (Art. 34 RPG) sowie gegen kantonales Recht (E. 2). 2. Für die Tankstelle eines nicht eigentlich als gross zu bezeichnenden Parkhauses ist jedenfalls so lange keine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von Art. 9 USG vorzunehmen, als der Bundesrat die notwendigen Ausführungsvorschriften noch nicht erlassen und die Liste der dieser Prüfung unterliegenden Anlagen nicht veröffentlich hat (E. 4a). Auf die Zwecke und Ziele des Umweltschutzes ist aber auch in Anwendung des RPG Rücksicht zu nehmen (Art. 1 Abs. 2 lit. b, 3 Abs. 3 lit. b RPG) (E. 4b). 3. Art. 54 und 55 USG in Verbindung mit Art. 34 RPG. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei Verletzung materiellrechtlicher Bestimmungen des USG? Frage offen gelassen, da auch das staatsrechtliche Verfahren zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeht (E. 4c). 4. Anfechtbarkeit der Baubewilligung gemäss Tessiner Recht (E. 5). Die Rechtskraft einer Baubewilligung erstreckt sich nur auf das, was Gegenstand des Baugesuches war und von der zuständigen Behörde bewilligt wurde; hier ist zu berücksichtigen, dass die noch nicht rechtskräftig bewilligten Erweiterungsarbeiten die Fortsetzung der bereits vorgenommenen Änderungen bilden, welche aber planwidrig ausgeführt wurden (E. 6a). 5. Art. 27 und 36 RPG, Art. 1 Abs. 2 und 11 USG. Unvereinbarkeit des Projekts mit der Planungszone über dem Zentrum von Chiasso, deren Vorsorge-Funktion ein wesentliches Element zur Verwirklichung der Raumplanung und des Umweltschutzes bildet (E. 7b).

114 IA 1 () from 22. Januar 1988
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV (Rechtsgleichheit); § 12 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen vom 29. September 1986 (KAZG) und § 8 der Verordnung zum Gesetz über die Kinder- und Ausbildungszulagen vom 16. Dezember 1986 (KAZV). Voraussetzungen, unter denen ein Erlass die Rechtsgleichheit verletzt (E. 3). Freiheit der Kantone bei der Ausgestaltung der Familienzulagenordnung (E. 4 und 5). Eine Bestimmung, die Asylbewerbern als einzigen Arbeitnehmern den Anspruch auf Kinderzulagen für ihre im Ausland wohnenden Kinder versagt, verstösst gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 8).

114 IA 25 () from 11. Mai 1988
Regeste: Art. 4 BV; Auslegung einer unklaren oder zweideutigen Regelung der Klagevoraussetzungen. Nach Lehre und Praxis gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot, dass dem Rechtsuchenden aus einer unklaren oder zweideutigen Regelung der Klagevoraussetzungen kein Nachteil erwachsen darf. Solche Normen sind deshalb derart auszulegen, wie sie vernünftigerweise von den Rechtsuchenden verstanden werden dürfen (E. 3).

114 IA 34 () from 5. Februar 1988
Regeste: Art. 4, 31 und 33 BV: Anwaltsmonopol in Steuersachen vor der letzten kantonalen Instanz. Die Beschränkung der Parteivertretung vor den bernischen Gerichten auf Rechtsanwälte stellt eine Polizeimassnahme dar, die einen geordneten Verfahrenslauf vor den Gerichten und den Schutz des Rechtssuchenden bezweckt (E. 2b, c). Diese Regelung verstösst in Anbetracht der Bedeutung des Prozessrechts im Verwaltungsgerichtsverfahren und des weiten Ermessensraumes des kantonalen Gesetzgebers bei der Ordnung des Zugangs zu den Gerichten nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2e). Derjenige, der die Rechtsmitteleingabe selbst unterzeichnet, kann nicht demjenigen gleich gestellt werden, der einen Anwalt beizieht, der an seiner Stelle zu handeln hat und dem er sein Vertrauen schenkt. Es ist somit nicht willkürlich, die beiden Tatbestände unterschiedlich zu behandeln (E. 3).

114 IA 50 () from 16. März 1988
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Personalunion von Überweisungsrichter und erkennendem Strafrichter. 1. Tragweite des Anspruchs auf den verfassungsmässigen Richter, insbesondere auf einen unparteiischen, unbefangenen und unvoreingenommenen Richter nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 3b); Bedeutung dieser Garantien in einem demokratischen Rechtsstaat (E. 3c). 2. Zulässigkeit der sog. Vorbefassung im allgemeinen und Kriterien der Beurteilung (E. 3d). 3. Personelle Identität bzw. personelle Trennung von Überweisungsrichter und erkennendem Strafrichter im allgemeinen; Hinweise auf die Regelung in den Strafprozessordnungen und die Rechtsprechung (E. 4). 4. Die personelle Trennung von Überweisungsrichter und Strafrichter nach der zürcherischen Strafprozessordnung: Der erstinstanzliche Strafrichter am Obergericht, der vorher als Mitglied der Anklagekammer die Anklage zugelassen und den Angeschuldigten überwiesen hat, genügt den Anforderungen von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht (E. 5).

114 IA 73 () from 6. Mai 1988
Regeste: Gemeindeautonomie; Ersatzbeiträge an Schutzraumplätze und Parkplätze. 1. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; Anforderungen an die Begründung der Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie (E. 2a, b). 2. Art. 104 lit. a OG; Bundesgesetz über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Begriff des Bundesrechts. Unzulässigkeit der selbständigen Erhebung der Gemeindeautonomierüge mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2c). 3. Anfechtung von Zwischenentscheiden mit staatsrechtlicher Beschwerde. Anwendungsbereich von Art. 87 OG (E. 3). 4. Inhalt der Gemeindeautonomie. Auslegung und Anwendung von Art. 162 des Bündner Einführungsgesetzes zum ZGB (gesetzliches Pfandrecht für Ersatzbeiträge an Zivilschutzräume und Parkplätze; E. 4).

114 IA 80 () from 1. Februar 1988
Regeste: Gemeindeautonomie; interkommunale Steuerverteilung. Voraussetzungen und Tragweite der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie (E. 1 und 2). Gemäss freiburgischem Recht können die Gemeinden nur unter den im Steuergesetz abschliessend aufgezählten Voraussetzungen eine interkommunale Verteilung der bei gewissen Pflichtigen erhobenen Steuern verlangen; sie sind somit in diesem Bereich nicht autonom (E. 3).

114 IA 84 () from 20. April 1988
Regeste: Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Anspruch auf Replik im Haftentlassungsverfahren. Der Beschuldigte hat Anspruch darauf, sich im Verfahren, in dem über sein Haftentlassungsgesuch entschieden wird, zu einer Vernehmlassung der Strafverfolgungsbehörde zu äussern. Dieser Anspruch besteht unbekümmert darum, ob die Stellungnahme der Behörde neue Argumente enthält oder nicht.

114 IA 88 () from 8. Juni 1988
Regeste: Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Dauer des Haftentlassungsverfahrens. Ausnahme vom Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses gemäss Art. 88 G (E. 5b). Verpflichtung des Gerichts, über ein Haftentlassungsbegehren "raschmöglichst" zu befinden (E. 5c). Die Frage, ob diese Pflicht verletzt worden ist, hängt von der Würdigung der konkreten Umstände des einzelnen Falles ab (E. 5c). Fall, in dem über ein Begehren um Haftentlassung nicht genügend rasch im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK entschieden worden ist (E. 5c). Konsequenzen der Verletzung dieser Vorschrift (E. 5d).

114 IA 93 () from 29. Februar 1988
Regeste: Art. 88 OG; Voraussetzungen der Beschwerdelegitimation der zivilprozessualen Nebenparteien, insbesondere des Nebenintervenienten.

114 IA 114 () from 15. September 1988
Regeste: Art. 4 und 22ter BV, Art. 6 EMRK; Zonenplanänderung; Umzonung eines für die Erstellung einer kommunalen Schiessanlage benötigten Areals von der Landwirtschaftszone in eine "Freifläche mit Zweckbestimmung Schiessanlage", formelle Rechtsverweigerung. 1. a) Mit der rechtskräftigen Genehmigung der in Frage stehenden Zone steht dem zuständigen Gemeinwesen das Enteignungsrecht zu (Art. 96 BauG/BE vom 7. Juni 1970, Art. 128 Abs. 1 lit. a BauG/BE vom 9. Juni 1985). Die Überprüfung des betreffenden Planfestsetzungsbeschlusses hat sich daher auch auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Enteignung und des Enteignungsverfahrens zu erstrecken (E. 3). b) An die Zonenplanänderung für die Verwirklichung einer Schiessanlage dürfen nach den für die Raumplanung massgebenden Grundsätzen keine geringeren Anforderungen als für eine Baubewilligung nach Art. 24 RPG gestellt werden (E. 4cf). c) Die Unterlassung der auch von Art. 33 RPG verlangten umfassenden Überprüfung stellt eine formelle Rechtsverweigerung dar (E. 4). 2. Der von der Erteilung des Enteignungsrechts betroffene Bürger kann verlangen, dass nicht nur über das Mass der Entschädigung, sondern auch über die Frage, ob eine Enteignung gerechtfertigt ist, ein Richter urteilt, welcher den Anforderungen von Art. 6 EMRK genügt; ob das Bundesgericht als Staatsgerichtshof diesen Anforderungen genügt, ist fraglich (E. 4ch).

114 IA 153 () from 15. Juli 1988
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV, Ablehnung eines Richters. - Tragweite des Anspruchs auf einen unparteiischen Richter gemäss Art. 58 Abs. 1 BV (E. 3). - Ein Richter, der beim Entscheid über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsbegehren mitwirkt, ist kein unparteiischer Richter im Sinne von Art. 58 Abs. 1 BV (E. 3a/aa). - Nichtigkeit eines Gerichtsbeschlusses, an dem ein iudex inhabilis mitgewirkt hat, oder Heilung des Mangels durch das kantonale Beschwerdeverfahren? (E. 3a/bb) - Ein Richter erscheint aufgrund seines subjektiven Verhaltens dann als voreingenommen, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit objektiv zu rechtfertigen vermögen; Anwendung dieses Grundsatzes (E. 3b).

114 IA 168 () from 29. Januar 1988
Regeste: Gemeindeautonomie. 1. Voraussetzungen, unter denen sich eine Gemeinde im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde auf ihre Autonomie berufen kann (E. 2). 2. Die sanktgallischen Gemeinden besitzen im Sachbereich der Vergnügungssteuer, soweit es um die Festlegung des Gegenstandes der Vergnügungssteuer geht, keine Autonomie (E. 3). 3. Voraussetzungen, unter denen eine Gemeinde sonst staatsrechtliche Beschwerde führen kann (E. 4).

114 IA 200 () from 22. September 1988
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. c OG (Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980). Der Entscheid, mit dem gestützt auf das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 die Rückführung eines Kindes an seinen vormaligen Aufenthaltsort angeordnet wird, kann beim Bundesgericht nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. c OG angefochten werden, da es dabei um die Verletzung zivilrechtlicher Bestimmungen dieses Übereinkommens geht.

114 IA 216 () from 7. Oktober 1988
Regeste: Zulassung zum Universitätsstudium; Willkür; persönliche Freiheit. Verweigerung der Immatrikulation gemäss § 3 Abs. 1 Ziff. 8 des Reglements für die Studierenden und Auditoren der Universität Zürich im Falle einer Ausländerin, welche die Mittelschule in der Schweiz besucht, die Maturitätsprüfungen jedoch im Ausland abgelegt hat. Willkür verneint (E. 2 und 3). Die Nichtzulassung zum Universitätsstudium verstösst nicht gegen die persönliche Freiheit (E. 5).

114 IA 221 () from 8. Dezember 1988
Regeste: Aufhebung der §§ 23 Abs. 3, 25 Abs. 2 sowie 37-40 des basellandschaftlichen Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern und den Finanzausgleich vom 7. Februar 1974; Art. 4 BV. 1. Art. 89 Abs. 1 OG: Beginn der Frist für die staatsrechtliche Beschwerde gegen einen der Volksabstimmung unterliegenden Erlass (E. 1a). 2. Art. 88 OG: Legitimation des Steuerpflichtigen zur Beschwerde wegen Verletzung der Rechtsgleichheit gegen einen Erlass, der die Besteuerung von Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen abschafft? (E. 1b, Frage offen gelassen). 3. Allgemeine Grundsätze rechtsgleicher Steuergesetzgebung (Art. 4 Abs. 1 BV): Die Abschaffung der Steuer von Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen lässt sich sachlich rechtfertigen und verletzt die Rechtsgleichheit nicht (E. 2-6).

114 IA 233 () from 2. März 1988
Regeste: Überkommunale Nutzungszone. Art. 33 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG), Art. 4 und 22ter BV. 1. Art. 33 RPG, bundesrechtliche Mindestanforderungen des Rechtsschutzes bei kantonalen Nutzungsplänen: - Die im Kanton Zürich gegebene Rekursmöglichkeit an den Regierungsrat gegen einen Nutzungsplan, der durch die kantonale Baudirektion festgesetzt wird, genügt den bundesrechtlichen Rechtsschutzanforderungen gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG (E. 2b). - Weder gestützt auf Art. 33 Abs. 1 RPG noch auf Art. 4 BV sind Nutzungsplanentwürfe vor der Beschlussfassung durch die zuständige Behörde aufzulegen. Zu beachten sind jedoch die Anforderungen der Information und Mitwirkung gemäss Art. 4 RPG (E. 2c). 2. Art. 4 BV. Mindestanforderungen an die Begründung eines Entscheides (E. 2d). 3. Verhältnis der Nutzungsplanung zur Richtplanung (E. 3). 4. Art. 22ter BV, Freihaltezone des zürcherischen Rechts. Eine Freihaltezone zur Freihaltung des Seeufers, die nicht überbaute Grundstücke mit einer zusammenhängenden, grösseren Fläche umfasst, ist mit Art. 22ter BV vereinbar (E. 4).

114 IA 245 () from 20. April 1988
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Einweisung von Grundstücken in eine Gefahrenzone; Rechtsschutz nach Art. 33 und Art. 2 Abs. 3 RPG. 1. Es ist mit den Rechtsschutzanforderungen von Art. 33 RPG vereinbar, wenn die Beschwerdebehörde die angefochtene Nutzungsplanung zwar voll überprüft, sich aber nach Massgabe ihrer Rolle, die sie als Rechtsmittelinstanz im betreffenden Sachzusammenhang sachlich und institutionell erfüllt, bei der Überprüfung zurückhält (E. 2). 2. Art. 15 RPG bestimmt die im Rahmen der Eigentumsgarantie vorzunehmende Interessenabwägung (E. 5a); Bedeutung des planerischen Eignungsbegriffs nach dieser Vorschrift und Anwendung der entsprechenden Kriterien auf den vorliegenden Fall (E. 5b und c; E. 6).

114 IA 254 () from 15. September 1988
Regeste: 1. Bei der grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegenden Verkleinerung überdimensionierter Bauzonen ist zusätzlich darauf zu achten, dass die einzelnen Teilbauzonen derart dimensioniert sind, dass sie für die Bedürfnisse der nächsten 15 Jahre ausreichen (E. 3e; Bestätigung der Rechtsprechung). 2. Bedeutung der Rechtsgleichheit im Bezug auf nicht ausgezontes Land. Verletzung des Gleichheitsprinzips im konkreten Fall verneint (E. 4). 3. Bestand wegen mangelnder Planungsunterlagen berechtigter Anlass zur Beschwerdeführung, so rechtfertigt es sich, die unterliegende Partei nicht mit Kosten zu belasten und ihr eine Parteientschädigung zuzusprechen (E. 5).

114 IA 259 () from 22. November 1988
Regeste: Güterzusammenlegung; Entschädigung für Minderzuteilung. Möglichkeit der nachträglichen Anfechtung der Bemessungsgrundsätze für den sog. Geldausgleich (E. 1). Auf welchen Stichtag ist bei der Bestimmung der Verkehrswert-Entschädigung für Minderzuteilungen abzustellen? Frage offengelassen (E. 2).

114 IA 263 () from 4. Mai 1988
Regeste: Stimmrechtsbeschwerde: Legitimation und Letztinstanzlichkeit. 1. Für die Legitimation zur Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG genügt es im vorliegenden Fall, dass die Wahlberechtigung der Beschwerdeführerinnen umstritten ist (E. 1). 2. Die Stimmrechtsbeschwerde verlangt nach Art. 86 Abs. 1 OG die Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Im vorliegenden Fall sind keine Umstände gegeben, davon abzuweichen (E. 2).

114 IA 267 () from 22. Juni 1988
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Beschluss, mit welchem eine Initiative, deren Rechtmässigkeit bestritten ist, dem Volk unterbreitet wird. Zulässigkeit der Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte und der Stimmrechtsbeschwerde (E. 2a). Sofern das kantonale Recht keine obligatorische Kontrolle der Rechtmässigkeit von Volksinitiativen vorsieht, kann ein Stimmberechtigter nicht verlangen, dass eine angeblich rechtswidrige Initiative nicht der Volksabstimmung unterbreitet wird (E. 3; Bestätigung der Rechtsprechung). Beschluss, mit welchem die gültigen Abschnitte einer teilweise rechtswidrigen Initiative dem Stimmbürger vorgelegt werden. Der Stimmbürger kann sich dagegen wehren, dass der gültige Teil einer Initiative dem Volk unterbreitet wird, wenn nicht hinreichend klar ist, ob die Initianten auch mit diesem gültigen Teil alleine einverstanden gewesen wären (E. 4).

114 IA 286 () from 14. Oktober 1988
Regeste: Prinzip der Gewaltentrennung. Persönliche Freiheit. 1. Der Genfer Regierungsrat, dem Art. 125 der kantonalen Verfassung eine weite selbständige Verordnungskompetenz im Polizeibereich einräumt, ist zuständig zum Erlass von Ausführungsbestimmungen zum interkantonalen Konkordat über den Handel mit Waffen und Munition (E. 5). 2. Es verstösst nicht gegen die persönliche Freiheit, den Handel von halbautomatischen Gewehren der Bewilligungspflicht zu unterstellen (E. 6).

114 IA 299 () from 29. Juni 1988
Regeste: Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 4 BV; Art. 200 StrV/BE; Kostenauflage bei Einstellung des Strafverfahrens. 1. Das Prinzip der Unschuldsvermutung steht der Auferlegung von Verfahrenskosten an den Angeschuldigten nicht entgegen, wenn sich aus dem Entscheid keine strafrechtliche Missbilligung seines Verhaltens ergibt. Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK in casu verneint (E. 2 und 3). 2. a) Ist eine Kostenauflage wegen unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens willkürlich? Frage offengelassen (E. 5a). b) Der Begriff des unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens i.S. der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfasst nicht nur Verletzungen zivilrechtlicher Pflichten, unter ihn füllt vielmehr jede Verletzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten (E. 5b).

114 IA 307 () from 22. Januar 1988
Regeste: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG); Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG). 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig gegen eine Verfügung, wonach Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer, die bei einem bestimmten Arbeitgeber arbeiten wollen, nur bis zu einer bestimmten Quote erteilt werden (E. 2). 2. Der Arbeitgeber ist in der Sache selbst auch nicht zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 3b). 3. Legitimation zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung bei Fehlen der Legitimation in der Sache selbst (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3c).

114 IA 321 () from 9. Dezember 1988
Regeste: Allgemeine Grundsätze rechtsgleicher Steuergesetzgebung (Art. 4 Abs. 1 BV); Verletzung durch unterschiedlichen Satz einer Liegenschaften- Objektsteuer. Es fehlen sachliche Gründe, die Grundstücke von Wasserkraftwerkgesellschaften mit einem höheren Satz der Walliser Grundstücksteuer als die Grundstücke anderer juristischer Personen zu belasten.

114 IA 350 () from 26. Oktober 1988
Regeste: Art. 2 UebBestBV; Persönliche Freiheit. Art. 5 und 6 des Genfer Gesetzes über das Arzt-Patientenverhältnis; Art. 7A des Genfer Gesetzes über die Behandlung von Geisteskranken und die Aufsicht über psychiatrische Kliniken. Voraussetzung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eines Patienten zu einem medizinischen Eingriff. 1. Bei der abstrakten Normkontrolle zu beachtende Grundsätze (E. 2). 2. Die kantonalen Bestimmungen über die Patientenrechte, insbesondere diejenigen über die Einwilligung zu einem medizinischen Eingriff, verletzen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht (E. 4). 3. Tragweite der persönlichen Freiheit im Verhältnis Patient-Arzt (E. 6). 4. Die Genfer Bestimmungen, die den gesetzlichen Vertreter als zuständig erklären für die Zustimmung zu einem medizinischen Eingriff an dem zu diesen Äusserung unfähigen Patienten verstossen, so wie sie abgefasst sind, nicht gegen die persönliche Freiheit. Der urteilsfähige Patient ist ausschliesslich zur Einwilligung zu einem psychochirurgischen Eingriff befugt; hingegen wird die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bei urteilsunfähigen Patienten verlangt. Bei Untersuchungen oder Behandlungen im Zusammenhang mit Forschungs- und Versuchsprojekten kann das kantonale Recht eine schriftliche Zustimmung des Patienten und seines gesetzlichen Vertreters verlangen (E. 7a). 5. Bei Urteilsunfähigkeit des Patienten ist die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters oder, bei Fehlen eines solchen, bei ihm nahestehenden Personen oder Familienangehörigen einzuholen (E. 7b).

114 IA 371 () from 20. Dezember 1988
Regeste: Gemeindeautonomie; Zonenplanänderung (Art. 15 RPG); Prüfungsbefugnis der Genehmigungsbehörde, Interessenabwägung. 1. Grundsätze (E. 2). 2. Umfang der Rechtmässigkeitsprüfung bei der Genehmigung einer kommunalen Zonenplanänderung (E. 4). 3. Im Rahmen der bei Raumplanungsmassnahmen vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung ist auch das Gebot der Erhaltung genügender Fruchtfolgeflächen zu berücksichtigen (E. 5).

114 IA 395 () from 29. Juni 1988
Regeste: Art. 82 lit. b und c des Tessiner Gemeindeorganisationsgesetzes vom 10. März 1987; Unvereinbarkeit des Amtes eines Mitglieds der Gemeindeexekutive mit dem Richteramt, bzw. jenes Amtes mit der Funktion des Geistlichen. 1. Legitimation zur Stimmrechtsbeschwerde (Art. 85 lit. a OG). a) Grundsatz und Besonderheit im Zusammenhang mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte des Bürgers (E. 3a). b) Die Unvereinbarkeit eines politischen Mandats mit bestimmten Funktionen oder bestimmten Ämtern kann im Rahmen einer gestützt auf Art. 85 lit. a OG erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht werden und zwar steht dieses Rechtsmittel nicht nur dem gewählten Bürger zu, der unmittelbar von der Unvereinbarkeitsklausel betroffen ist, sondern auch andern Bürgern, die sich damit gegen die Nichtbeachtung einer solchen Klausel oder unmittelbar gegen eine Norm, die eine solche Unvereinbarkeitsklausel einführt, zur Wehr setzen wollen (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 3b). 2. Kassatorische Natur und Pflicht zur Begründung der staatsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG (E. 4). 3. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Bereich der abstrakten Normkontrolle (E. 5). 4. Unterscheidung zwischen Unvereinbarkeit und Unwählbarkeit; Fälle, in denen diese Unterscheidung von rein theoretischer Bedeutung ist; Zweck der Unvereinbarkeitsklausel (E. 6). 5. Prüfung der in Art. 82 lit. b und c des Gemeindeorganisationsgesetzes geregelten Unvereinbarkeit. a) Die Unvereinbarkeit des Amtes eines Mitglieds der Gemeindeexekutive mit dem Richteramt beruht auf ernsthaften und sachlichen Gründen und beschränkt die politischen Rechte des Bürgers nicht in unzulässiger Weise (E. 7). b) Hingegen beruht die Vorschrift, die die Unvereinbarkeit des geistlichen Standes mit dem Gemeindeexekutivamt regelt, nicht auf einem überwiegenden und entsprechend nachgewiesenen öffentlichen Interesse und verletzt die Rechtsgleichheit; sie lässt sich auch nicht mit Art. 75 BV rechtfertigen (E. 8).

114 IA 413 () from 14. Dezember 1988
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Einheit der Form einer Initiative, Vereinbarkeit einer Initiative mit dem Rechtsgleichheitsgebot. 1. Eine in der Stadt Zürich eingereichte Initiative, welche die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigem Wohnraum vorsieht und die Ausarbeitung des Stiftungsstatus an das Gemeindeparlament delegiert, verstösst nicht gegen das in § 2 des Zürcher Gesetzes über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969 (GVV) verankerte Prinzip der Einheit der Form von Initiativen (E. 3). 2. Die in der Initiative für den Regelfall vorgesehene Bevorzugung von Genossenschaften als Mieter oder Baurechtsnehmer verstösst nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot. Bei verfassungskonformer Auslegung des Initiativtextes ist auch ein Abschluss von Einzelmietverträgen, namentlich im Falle des Erwerbs bestehender Miethäuser durch die Stiftung, nicht ausgeschlossen (E. 4).

114 IA 427 () from 20. Dezember 1988
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Volksabstimmung über die politische Zukunft des Laufentals vom 11. September 1983, behördliche Intervention. 1. Im Zusammenhang mit einer Abstimmungssache, wie sie hier zur Diskussion steht, deckt sich der durch Art. 10 EMRK garantierte Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungs- und Willensbildung mit demjenigen der politischen Rechte im Sinne von Art. 85 lit. a OG (E. 1b/cc). 2. Eine Intervention einer übergeordneten Körperschaft in den Abstimmungskampf einer ihr untergeordneten Körperschaft ist grundsätzlich unzulässig. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles und der Komplexität der die Laufentalfrage betreffenden Verhältnisse durften indes die Voraussetzungen für eine zusätzliche, die Abstimmungserläuterungen der Bezirkskommission ergänzende kantonal-bernische Information zur Wiederherstellung der Chancengleichheit im Meinungsbildungsprozess als grundsätzlich gegeben erachtet werden (E. 4 und 5). 3. Aufhebung des die Abstimmung schützenden Entscheides des Grossen Rates des Kantons Bern, da von seiten des Regierungsrates in rechtswidriger Weise - klare Werbung durch ein privates Abstimmungskomitee anstatt objektive und sachliche Information, ohne gesetzliche Grundlage, heimlich und in unverhältnismässigem Umfang - öffentliche Gelder in den Abstimmungskampf eingesetzt wurden und da nicht gesagt werden kann, die strittige Abstimmung wäre ohne Mangel nicht anders ausgefallen (E. 6 und 7). 4. Gründe - namentlich auch solche der Rechtssicherheit -, die erforderten, von einer Wiederholung der Abstimmung über einen Anschlussvertrag des Laufentals mit dem Kanton Basel-Landschaft abzusehen, fehlen (E. 8).

114 IA 461 () from 2. November 1988
Regeste: Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde: anfechtbarer Entscheid i.S. von Art. 84 Abs. 1 OG. Stellt der Verwaltungsakt, mit dem die Behörde das Honorar eines von ihr ernannten Gerichtsexperten kürzt, einen anfechtbaren Entscheid dar? Frage verneint, wenn der Experte die Möglichkeit hat, seinen Anspruch vor einem unabhängigen und unparteiischen (zivilen oder Verwaltungs-) Gericht geltend zu machen, das in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht über volle Kognition verfügt.

114 IB 11 () from 25. März 1988
Regeste: Grundstückerwerb durch Personen im Ausland. Verweigerung der Erwerbsbewilligung wegen Gesetzesumgehung (Art. 12 lit. c BewG). 1. Gestützt auf Art. 12 lit. c BewG kann eine Bewilligung auch dann verweigert werden, wenn sich die Umgehungshandlungen während der Geltung des alten Rechts zugetragen haben (E. 2c). 2. Nicht jeder irgendwie geartete Verstoss gegen die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Grundstückerwerbs durch Personen im Ausland gilt als Umgehung. Den Tatbestand von Art. 12 lit. c BewG erfüllt nur solches Verhalten, das darauf abzielt, Rechte an schweizerischen Grundstücken zu erwerben, obwohl dafür die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen (E. 3a). 3. Subjektive Elemente der Gesetzesumgehung (E. 4).

114 IB 17 () from 4. März 1988
Regeste: Zolltarifgesetz; Erhöhung einzelner Ansätze des Generaltarifs durch Verordnung des Bundesrates. 1. Befugnis des Bundesgerichts zur Prüfung der Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit einer Verordnung des Bundesrats (E. 2, 3). 2. Unerlässlich im Sinne des Zolltarifgesetzes kann die sofortige Tariferhöhung durch Verordnung auch aus rein fiskalischen Gründen sein, wenn sonst die erhöhten Einnahmen auf längere Zeit vereitelt würden (E. 4). 3. Keine Verfassungsverletzung durch die Erhöhung des Heizölzolls im vorliegenden Fall, weder hinsichtlich der sofortigen Erhöhung als solcher (E. 5), noch übergangsrechtlich bezüglich Kaufverträgen, die vor der Tariferhöhung abgeschlossen wurden (E. 6).

114 IB 81 () from 2. März 1988
Regeste: Bewilligungsverfahren für eine Wasserski-Anlage; Art. 6 NHG, Art. 24 RPG. Zulässiges Rechtsmittel, Legitimation, zulässige Rügen (E. 1a-c). Soll auf einem öffentlichen Gewässer eine Anlage erstellt werden, die ein gemäss BLN-Inventar geschütztes Objekt beeinträchtigen könnte, ist nicht nur ein kantonales wasserrechtliches Konzessionsverfahren, sondern ein auch den bundesrechtlichen Anforderungen genügendes Bewilligungsverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen die von Art. 6 Abs. 2 NHG geforderte Interessenabwägung vorzunehmen ist (E. 2). Eine Wasserski-Anlage (Slalom-Anlage und Sprungschanze) im hier vorgesehenen Umfange untersteht der Baubewilligungspflicht im Sinne von Art. 24 RPG (E. 3).

114 IB 100 () from 4. Februar 1988
Regeste: Materielle Enteignung; waadtländisches Gesetz vom 12. Februar 1979 über den Schutzplan für das Gebiet von Lavaux; Nicht-Einzonung von Grundstücken im Gebiet von Lavaux. Das auf Art. 6bis KV-VD beruhende kantonale Gesetz entspricht den in Art. 1 und 3 RPG genannten Zielen und Grundsätzen der Raumplanung. Die gemäss diesem Gesetz festgelegten Rebbauzonen, die den Inhalt des Grundeigentums festlegen, geben grundsätzlich keinen Anspruch auf Entschädigung, sofern ihre Festsetzung keine Auszonung baureifen Landes aus einer dem Raumplanungsgesetz entsprechenden Bauzone bewirkt. Eine solche liegt im vorliegenden Falle nicht vor. Die Nichteinweisung der Grundstücke in eine Bauzone könnte eine Entschädigungspflicht nur auslösen, wenn besondere Gründe vorlägen, welche eine Einzonung geboten hätten; solche Gründe sind im vorliegenden Falle nicht gegeben.

114 IB 112 () from 2. März 1988
Regeste: Materielle Enteignung, die durch eine formelle ergänzt wird. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entschädigungsentscheide in Enteignungsverfahren, die durch Ausübung des Heimschlagsrechtes in Folge einer Planungsmassnahme im Sinne des eidg. Raumplanungsgesetzes eingeleitet wurden (E. 1a). Art. 35 VwVG; Folgen fehlender Rechtsmittelbelehrung (E. 2a). Art. 88 OG; Legitimation einer Gemeinde verneint, die Zulässigkeit eines Anschlussrekurses im kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren mittels staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen (E. 2b). Art. 5 Abs. 2 RPG; Die Nichteinzonung von groberschlossenem Land, das innerhalb des engeren Baugebietes liegt, bewirkt eine materielle Enteignung (E. 4-5). Wird nur ein Teil einer Parzelle nicht eingezont, so bewirkt das für den eingezonten Teil keine materielle Enteignung, wenn noch erhebliche Überbauungsmöglichkeiten bleiben (E. 6). Berechnung der Entschädigung bei einer materiellen Enteignung, die durch eine formelle ergänzt wird (E. 7).

114 IB 131 () from 26. September 1988
Regeste: Art. 24 RPG; Erstellung eines Hangars in der Landwirtschaftszone. 1. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann geltend gemacht werden, die Annahme der Zonenkonformität eines konkreten Bauprojektes verstosse gegen Bundesrecht (E. 2). 2. Die dem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Bauten und Einrichtungen müssen den objektiven Bedürfnissen dieser Aktivität angepasst sein, insbesondere mit Bezug auf ihre Grösse, ihren Standort und ihre Zweckbestimmung (E. 3).

114 IB 190 () from 11. November 1988
Regeste: Strassenverkehr; Ausnahmen von den gesetzlichen Höchstmassen. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Grundsatzerklärung, die in allgemeiner Weise die künftige Haltung der Behörde festlegt (E. 1a). 2. Zuständigkeit des Bundesamtes für Polizeiwesen, seine Rechtsanwendung mittels Grundsatzerklärung festzulegen (E. 3). 3. Die gestützt auf Art. 80 VRV erteilte Bewilligung hat Ausnahmecharakter und kann somit nur erfolgen nach Abwägung des Interesses an der Durchführung des Transportes mit einem überdimensionalen Fahrzeug und des öffentlichen Interesses an grösstmöglicher Verkehrssicherheit (E. 4).

114 IB 238 () from 15. September 1988
Regeste: Verbot der Einzäunung von Wald; Beseitigung der Einzäunung (Art. 3 Abs. 1 FPolV i.V.m. Art. 699 ZGB und Art. 31 FPolG). 1. Ausnahmen vom Einzäunungsverbot sind aus Gründen der Zweckmässigkeit möglich. In diesen Ausnahmefällen sind leichte Einhegungen zulässig, die dem Ortsgebrauch entsprechen und dazu dienen, das Entlaufen des Viehs zu verhindern. Besonderheit im Kanton Tessin, wo kein sog. "Weidewald" existiert und deshalb nicht Wald, sondern Wiesen eingezäunt werden (Erw. 4a und c). 2. Der Umstand, dass der Zaun mit unverschlossenen Toren versehen ist, ändert auch dann nichts am Einzäunungsverbot, wenn mit Tafeln auf die freie Benutzung der Tore hingewiesen wird (Erw. 4b). 3. Auch das Weidenlassen von Kleinvieh führt zu einer Beeinträchtigung des Waldes (Erw. 4d).

114 IB 244 () from 18. November 1988
Regeste: Versicherungsaufsichtspflicht (BG betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978, VAG; SR 961.01). 1. Zuständig für den Entscheid über die Versicherungsaufsichtspflicht ist das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (E. 2). 2. Begriff der Versicherungseinrichtung (E. 4). 3. Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Versicherungsaufsicht nach Art. 4 Abs. 2 VAG (E. 5). 4. Versicherungseinrichtung mit Sitz im Ausland: Bedeutung von Art. 3 Abs. 1 der VO über die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht vom 11. Februar 1976 (SR 961.11) nach Erlass des VAG für die Befreiung von der Aufsichtspflicht (E. 6).

114 IB 344 () from 14. Dezember 1988
Regeste: Baubewilligung für ein unterirdisches Parkhaus; Art. 24 RPG, Art. 9 USG. Bundesrechtliche Rechtsmittel gegen Baubewilligungen (E. 1). Art. 24 RPG ist nur auf Bauten anwendbar, die ausserhalb der Bauzonen errichtet werden sollen. Gehören im Zonenplan weiss gelassene Flächen innerhalb einer Bauzone zu dieser? Frage hier aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Situation bejaht (E. 3). Ob eine Baute oder Anlage, die die Umwelt beeinflussen könnte, wie geplant errichtet werden dürfe, bestimmt sich in der Regel nach bundes- und kantonalrechtlichen Vorschriften, die in enger Beziehung zueinander stehen. Deren Beachtung ist im Rechtsmittelverfahren gesamthaft zu prüfen, und zwar auch von kantonalen Verwaltungsgerichten, die nur zuständig sind, wenn kein anderes Bundesrechtsmittel als die staatsrechtliche Beschwerde offensteht (E. 4). Für ein Parkhaus mit 496 Abstellplätzen ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von Art. 9 USG vorzunehmen, auch wenn die bestehenden 200 Parkplätze aufgehoben werden sollen (E. 5).

114 II 18 () from 14. April 1988
Regeste: Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Art. 172 Abs. 3 und Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZGB). 1. Ist ein Begehren um Anordnung von Eheschutzmassnahmen vor dem 1. Januar 1988 eingereicht worden, hat der Eheschutzrichter seinen Entscheid aber erst nach diesem Datum erlassen, so gelangt nach Art. 8 SchlT ZGB das neue Recht zur Anwendung (E. 2). 2. Für die Zuteilung des Hausrats nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ist entscheidend, welche Regelung zweckmässig ist, und nicht, welcher Gatte ein besseres Recht an den betreffenden Gegenständen besitzt. Auch ein Personenwagen kann zum Hausrat gehören (E. 4). 3. Es ist nicht zulässig, die Verpflichtung zur Anschaffung eines Autos in den Unterhaltsbeitrag, den der eine Ehegatte dem andern aufgrund von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB schuldet, einzubeziehen. Zwar können in diesen Beitrag auch die Kosten für die Sicherstellung des Gebrauchs eines im Eigentum eines Dritten stehenden Personenwagens eingeschlossen werden; indessen setzt dies Klarheit über die Anpassung der beidseitigen Unterhaltsbeiträge während des Getrenntlebens voraus (E. 5). 4. Eheschutzmassnahmen in der Gestalt von mehreren Entscheidungsalternativen? (E. 6).

114 II 26 () from 23. Juni 1988
Regeste: Art. 163 und 176 ZGB. Die vom einen Ehegatten in der Form der Haushaltführung und der Kinderbetreuung erbrachte Unterhaltsleistung hat sowohl nach altem wie nach neuem Eherecht als gleichwertig mit dem Geldbeitrag des andern Gatten zu gelten. Die Ehegatten haben auch nach Anordnung des Getrenntlebens den gleichen Anspruch auf Weiterführung einer angemessenen Lebenshaltung. Bleibt nach Abzug des Zwangsbedarfs der beiden Ehegatten von ihrem Gesamteinkommen ein Überschuss, so soll an diesem in der Regel jeder Gatte zur Hälfte beteiligt sein. Eine Aufteilung dieses Überschusses im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel zugunsten des Ehemannes ist ohne besondere Begründung willkürlich.

114 II 183 () from 7. Juni 1988
Regeste: Art. 43 Abs. 1 OG. Einrede der Rechtshängigkeit. Berufungsfähigkeit. Kognition des Bundesgerichts. Arrestprosequierung. Berufungsfähigkeit eines kantonalen Entscheides über die Einrede der Rechtshängigkeit der gleichen Sache vor einem ausländischen Gericht unabhängig davon, ob die Einrede gutgeheissen oder abgewiesen worden ist (Änderung der Rechtsprechung) (E. 2a). Freie Überprüfung der Anspruchsidentität (E. 2a und c). Ist ungewiss, ob das ausländische Verfahren zu einem in der Schweiz vollstreckbaren Sachurteil führen wird, so hat der schweizerische Richter zwischen der Gefahr widersprüchlicher Urteile und der Gefährdung des Rechtsschutzanspruches abzuwägen. Freie Überprüfung dieser Abwägung. Anwendung auf den Fall einer Arrestprosequierung (E. 2b und c).

114 II 220 () from 20. Juli 1988
Regeste: Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft (Art. 576 ZGB). 1. In einer solchen Angelegenheit ist die Berufung an das Bundesgericht nicht zulässig (E. 1). 2. Die Verlängerung oder die Wiederherstellung der Frist für die Ausschlagung erfordert den Nachweis eines wichtigen Grundes, der unter Beachtung von Art. 4 ZGB zu beurteilen ist (E. 2). 3. Die Obliegenheit, die Wiederherstellung einer Frist sofort nach Wegfall des Hindernisses bzw. nach Eintritt des die Wiederherstellung rechtfertigenden Ereignisses zu verlangen, ist von allgemeiner Tragweite. Der Friedensrichter, der verlangt, dass das Gesuch um Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist nach Kenntnis des Wiederherstellungsgrundes so rasch, wie es die Umstände gebieten gestellt wird, wendet Art. 576 ZGB demnach nicht in unhaltbarer Weise an (E. 4).

114 II 239 () from 11. Oktober 1988
Regeste: Partei- und Prozessfähigkeit sowie Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft im Prozess über Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln an gemeinschaftlichen Bauteilen (Art. 712l Abs. 2 ZGB). Stellungnahme zur Kritik an BGE 111 II 458 Nr. 88 und Bestätigung dieser Rechtsprechung.

114 II 289 () from 30. September 1988
Regeste: Art. 8 ZGB. Umfang und Tragweite der allgemeinen Beweisvorschrift. Möglichkeiten der Verletzung, insbesondere dadurch, dass der Richter taugliche und formgültig beantragte Beweise zu rechtserheblichen Tatsachen nicht abnimmt (E. 2a; Verdeutlichung der Rechtsprechung). Umstände, unter denen eine beschränkte Beweisabnahme Art. 8 ZGB verletzen kann (E. 2b).

114 II 368 () from 3. November 1988
Regeste: Art. 53 Ziff. 1 URG. Eigenmächtige Wiedergabe eines Kunstwerkes auf einer Gedenkmedaille. Willkür der Behörde, die es ablehnt, Herstellung und Vertrieb der Medaille vorsorglich zu verbieten.

114 II 393 () from 22. Dezember 1988
Regeste: Vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses (Art. 145 ZGB). Es ist willkürlich, bei der Bemessung der der Ehefrau zuzusprechenden Unterhaltsbeiträge die Steuerbetreffnisse und Versicherungsprämien, die der Ehemann zu zahlen hat, generell ausser acht zu lassen. Voraussetzungen, unter denen solchen Verpflichtungen Rechnung zu tragen ist.

114 II 396 () from 17. November 1988
Regeste: Familienwohnung (Art. 145 und 169 ZGB). 1. Eine im Zusammenhang mit Art. 169 ZGB stehende Rüge kann im Rechtsmittelverfahren nach dem 1. Januar 1988 vorgebracht werden, auch wenn die vor diesem Datum urteilenden kantonalen Gerichte die Bestimmung noch nicht angewendet haben (E. 4). 2. Ein Ehegatte kann sich auch während des Scheidungsprozesses auf Art. 169 ZGB berufen. Doch verliert der von dieser Bestimmung gewährte Schutz seine Berechtigung, wenn der Ehegatte die Familienwohnung endgültig verlassen hat oder verlassen muss und wenn keine Aussicht mehr besteht, dass die Ehegatten in der vormaligen Familienwohnung das Zusammenleben wieder aufnehmen werden (E. 5). 3. Es ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, wenn durch die vorsorgliche Massnahme nach Art. 145 ZGB der richterliche Entscheid über den triftigen Grund im Sinne von Art. 169 Abs. 2 ZGB schon vorweggenommen wird (E. 6).

114 II 404 () from 17. November 1988
Regeste: Bürgerrecht der verheirateten Frau; Art. 161 ZGB und Art. 8b SchlT ZGB. Art. 161 ZGB und Art. 8b SchlT ZGB beziehen sich nicht nur auf die Bürgerrechte, welche die Frau vor ihrer ersten Heirat besessen hat, sondern auch auf diejenigen, die sie als Witwe oder geschiedene Frau durch Einbürgerung erhalten hat. Die Frau kann sogar ein während einer früheren Ehe durch Einbürgerung erworbenes Kantons- und Gemeindebürgerrecht beibehalten, wenn sie bei der Wiederverheiratung kein Ledigenbürgerrecht besitzt.

114 II 435 () from 14. Dezember 1988
Regeste: Art. 4 BV, Art. 77 PatG; vorsorgliche Massnahmen nach Wegfall des Patentschutzes. Die Weigerung, nach Ablauf des Patentschutzes bundesrechtliche Massnahmen gemäss Art. 77 PatG anzuordnen, verletzt Art. 4 BV nicht.

114 III 55 () from 21. Dezember 1988
Regeste: Zustellung des Zahlungsbefehls an Samstagen; Fristenlauf für den Rechtsvorschlag (Art. 56 und 31 Abs. 1 SchKG). Betreibungsurkunden, insbesondere der Zahlungsbefehl, können dem Schuldner an einem Samstag genauso wie an jedem anderen Werktag - also unter Beobachtung der geschlossenen Zeiten vor 8 Uhr morgens und nach 7 Uhr abends - zugestellt werden. Im vorliegenden Fall begann die Frist für die Erhebung des Rechtsvorschlags am Samstag, 8. Oktober 1988, zu laufen und lief am Dienstag, 18. Oktober 1988, ab.

114 III 71 () from 19. Oktober 1988
Regeste: Provisorische Rechtsöffnung; Begriff der durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung (Art. 82 Abs. 1 SchKG). Die anerkannte Schuld muss in der vom Schuldner unterzeichneten Urkunde nicht notwendigerweise ziffernmässig bestimmt sein; es genügt, dass sie leicht bestimmbar ist. Es ist daher willkürlich, die provisorische Rechtsöffnung für die Beitragsforderung einer Personalvorsorgeeinrichtung zu verweigern, wenn deren Höhe in der vom Beitragsschuldner unterzeichneten Anschlussvereinbarung von der gesetzlich vorgesehenen periodischen Anpassung des koordinierten Lohnes an die AHV-Gesetzgebung abhängig gemacht wird.

114 V 61 () from 15. April 1988
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV: Besetzung des Gerichts. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters gemäss Art. 58 Abs. 1 BV umfasst den Anspruch auf Bekanntgabe der personellen Zusammensetzung der entscheidenden Behörde. Bis zu welchem Zeitpunkt sind Befangenheits- oder Ausstandsgründe geltend zu machen?

114 V 83 () from 12. Juli 1988
Regeste: Art. 85 Abs. 2 AHVG, Art. 81 Abs. 3 AHVV: Anforderungen an das Klageverfahren. Die Anforderungen, welche der Bundesgesetzgeber für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren aufgestellt hat, gelten im erstinstanzlichen Klageverfahren sinngemäss (Erw. 3). Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG: Bemessung der Parteientschädigung. Für die Bemessung der Parteientschädigung ist der Streitwert nicht ausschlaggebend. Er darf bloss bei der Beurteilung der Wichtigkeit der Streitsache mit berücksichtigt werden. Das entspricht einem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des Sozialversicherungsrechts (Erw. 4)

114 V 181 () from 24. Oktober 1988
Regeste: Art. 15, 92 Abs. 1 und 7 UVG, Art. 22 Abs. 1, 2 und 4, Art. 115 Abs. 2 UVV: Prämienerhebung bei Mehrfachbeschäftigten. Für die Prämienerhebung darf bei einem Versicherten, der in mehreren unterstellten Betrieben tätig ist, der Lohn insgesamt lediglich bis zum höchstversicherbaren Verdienst erfasst werden.

114 V 228 () from 29. Dezember 1988
Regeste: Art. 4 BV, Art. 65 ff. IVV: Unentgeltliche Verbeiständung im IV-Abklärungsverfahren. Im Rahmen des IV-Abklärungsverfahrens als nichtstreitiges Verwaltungsverfahren besteht in engen sachlichen und zeitlichen Grenzen ein unmittelbar aus Art. 4 BV fliessender Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung.

114 V 274 () from 28. Oktober 1988
Regeste: Art. 1 Abs. 2 Satz 2, Art. 5 Abs. 1 und 3 KUVG, Art. 4 BV: Anspruch auf Höherversicherung. - In der Krankenversicherung besteht kein gesetzlicher Anspruch, sich für Leistungen versichern zu lassen, welche die gesetzlichen oder statutarischen Leistungsminima übersteigen (Erw. 2a). - Sehen die Statuten keinen Anspruch auf Höherversicherung vor, kann ein solches Recht weder aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip noch aus dem Grundsatz der Gegenseitigkeit abgeleitet werden (Erw. 4a und d). - Zur Freiheit der Kasse, den Massstab für das ihr tragbar erscheinende Morbiditätsrisiko bestimmen zu können (Erw. 4b). - Ansprüche auf Höherversicherung unter dem Titel rechtsgleicher Behandlung (Erw. 4c).

114 V 298 () from 31. Oktober 1988
Regeste: Art. 6 Abs. 2 UVG, Art. 9 Abs. 2 UVV: Bedeutung und Auslegung des Begriffs "unfallähnliche Körperschädigung". - Bei den in Art. 9 Abs. 2 UVV aufgezählten unfallähnlichen Körperschädigungen müssen mit Ausnahme der ungewöhnlichen äusseren Einwirkung sämtliche Unfallbegriffsmerkmale erfüllt sein, damit eine Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung besteht (Erw. 3b). - Unter dieser Voraussetzung gelten die in Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV erwähnten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch dann als unfallähnliche Körperschädigungen, wenn sie im übrigen ganz oder teilweise auf Krankheits- oder Degenerationserscheinungen beruhen (Erw. 3c). - Die Aufzählung der unfallähnlichen Körperschädigungen in Art. 9 Abs. 2 UVV ist abschliessend. Sehnenzerrungen lassen sich nicht unter den Begriff "sehnenrisse" subsumieren (Erw. 3d). - Ausnahmebestimmungen sind weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen. Eine Erweiterung der Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen durch Analogieschlüsse ist nicht zulässig (Erw. 3e). - Der Ausschluss der Sehnenzerrungen von der in Art. 9 Abs. 2 UVV enthaltenen Liste ist gesetzes- und verfassungskonform (Erw. 4). - Sehnenzerrungen zählen so lange nicht zu den Sehnenrissen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV, als eine Sehnenteilruptur nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist (Erw. 5).

115 IA 1 () from 2. Februar 1989
Regeste: Art. 4 BV; nachträgliche Überprüfung von Nutzungsplänen; formelle Rechtsverweigerung. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen zu beachten. Tritt eine Behörde auf die in einem Baubewilligungsverfahren jedenfalls sinngemäss geltend gemachte Nichtigkeit des dem Baugesuch zugrunde liegenden Quartierplanes nicht ein, so liegt eine formelle Rechtsverweigerung vor (E. 3).

115 IA 5 () from 1. März 1989
Regeste: Art. 4 BV; Kognition im kantonalen Beschwerdeverfahren; formelle Rechtsverweigerung. 1. Die in BGE 112 Ia 121 E. 3 dargelegte Praxis zur Legitimation im Bereich des Raumplanungsrechtes (Art. 33 RPG) ist auch auf die Frage der Kognition anwendbar (E. 2c). 2. Eine Behörde begeht eine formelle Rechtsverweigerung, wenn sie sich mit einer blossen Willkürprüfung begnügt, obwohl ihr umfassende Kognition zukommt (E. 2b). 3. Bei freier Kognition kann unter Umständen eine zurückhaltende Überprüfung geboten sein, sofern der unteren Instanz ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt. Eine Rechtsmittelbehörde verletzt jedoch Art. 4 BV, wenn sie in einem solchen Fall eine blosse Willkürprüfung vornimmt (E. 2d)

115 IA 8 () from 26. April 1989
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf rechtliches Gehör, Fristwahrung, vorweggenommene Beweiswürdigung. 1. Wird dem Verfahrensbeteiligten vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids keine Gelegenheit gegeben, sich zu einer von der Behörde hinsichtlich der Fristwahrung eingeholten Auskunft zu äussern, obwohl diese Abklärung für die Willensbildung der Behörde wesentlich war, so wird dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (E. 2). 2. Wenn ein Gericht in vorweggenommener Beweiswürdigung darauf verzichtet, beantragte Zeugen einzuvernehmen, prüft das Bundesgericht diesen Verzicht auf Willkür hin (E. 3a).

115 IA 12 () from 11. Januar 1989
Regeste: Art. 4 BV, Willkür. Wendet eine kantonale Behörde in Ermangelung einer ausdrücklichen kantonalen Regelung die Praxis des Bundesgerichts zum Fristbeginn bei eingeschriebenen Briefpostsendungen als kantonales Recht an, so ist das Ergebnis im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur auf Willkür hin zu prüfen (E. 3a). Art. 4 BV, Recht auf Vertrauensschutz - Rechtsmittelfrist. Stellt eine Behörde ihren Entscheid, der eine vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung enthält, noch innerhalb der ordentlichen Rechtsmittelfrist, welche durch einen ersten erfolglosen Zustellungsversuch ausgelöst worden ist, zu, so kann sich aufgrund des verfassungsmässigen Rechts auf Vertrauensschutz die Rechtsmittelfrist verlängern, sofern alle notwendigen Bedingungen dazu erfüllt sind (E. 4).

115 IA 27 () from 25. Januar 1989
Regeste: Abbruchverbot aus Denkmalschutzgründen, um eine künftige Planungsänderung oder -ergänzung zu sichern; Gemeindeautonomie; Verhältnismässigkeit (Art. 22ter BV); Art. 90 Abs. 1 lit. b OG. 1. Autonomie der bernischen Gemeinden im Bereich des Landschafts- und Denkmalschutzes nach Baugesetz und Bauverordnung von 1970 (E. 3b). 2. Beschwerdegegner, die im kantonalen Verfahren obsiegt haben und nicht in ihren Rechten verletzt wurden, können sich im Verfahren über eine von anderer Seite geführte staatsrechtliche Beschwerde gegen unrichtige Feststellungen und Folgerungen der kantonalen Instanz wenden. Ihre Ausführungen müssen aber den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügen (E. 4a). 3. Einem Abbruchverbot kann die Aufgabe zukommen, durch Erhaltung des bestehenden Zustandes die Ergänzung oder Änderung einer Planung nach Massstäben des Denkmalschutzes zu ermöglichen (E. 4b/bb). Die damit verbundene Eigentumsbeschränkung ist nicht unverhältnismässig, wenn zur Zeit die Erstellung von Neubauten nicht möglich ist, bei Abbruch der Bauten allein kein substanzieller Ertrag ersichtlich ist, aber auch keine ins Gewicht fallenden Erhaltungsaufwendungen notwendig sind (E. 4b/cc).

115 IA 56 () from 18. Januar 1989
Regeste: Art. 5 Ziff. 4 EMRK; gerichtliche Haftprüfung bei Untersuchungshaft. 1. Die zürcherische Bezirks- und Staatsanwaltschaft stellen kein Gericht im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK dar (E. 2b). 2. Art. 5 Ziff. 4 EMRK ist verletzt, wenn während acht Tagen ein Zugang zu einem Gericht nicht möglich ist; das Haftfristerstreckungsverfahren vor dem Bezirksgerichtspräsidenten stellte überdies für sich allein kein Art. 5 Ziff. 4 EMRK genügendes Haftprüfungsverfahren dar, weil im vorliegenden Fall dem von der EMRK geforderten Mass an kontradiktorischer Ausgestaltung desselben nicht Genüge getan wurde (E. 2c). 3. Die staatsrechtliche Beschwerde fällt im vorliegenden Fall als Mittel der gerichtlichen Haftprüfung ausser Betracht (E. 3).

115 IA 66 () from 24. Mai 1989
Regeste: Kantonales Enteignungsverfahren; Garantie des unabhängigen und unparteiischen Richters; Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Eine Streitigkeit über die Ausübung des Enteignungsrechts gilt als eine solche "über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" i.S. von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Der durch eine derartige Massnahme Betroffene hat Anspruch darauf, dass seine Einsprache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht beurteilt wird. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine kantonale Regierung als einzige Instanz im gleichen Zug sowohl über die Zweckmässigkeit der Enteignung an und für sich als auch über die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der konkreten Liegenschaft entscheidet. Im übrigen genügt die gestützt auf Art. 22ter BV gegebene Anfechtungsmöglichkeit nicht, den Mangel des kantonalen Verfahrens zu heilen, denn das Bundesgericht überprüft die Feststellung des Sachverhalts im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nur unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots (E. 2). Der Kanton Waadt hat ausdrücklich darauf verzichtet, sich auf die neue auslegende Erklärung zu berufen, die der Bundesrat im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Belilos (vom 29. April 1988) abgegeben hat. Keine Bestimmung des waadtländischen Rechtes wird somit vom Anwendungsbereich des Art. 6 Ziff. 1 EMRK ausgenommen (E. 3).

115 IA 76 () from 5. Juni 1989
Regeste: Art. 4 BV; Submission: Arbeits- und Lieferungsvergebung. 1. Die Vergebung öffentlicher Arbeiten in einem durch das kantonale Recht geordneten Submissionsverfahren stellt keine Verfügung i.S. von Art. 84 (bzw. 97) OG dar (E. 1b). 2. Die Nichtberücksichtigung eines Submittenten verletzt den Bewerber weder in seinen Rechten noch in seinen rechtlich geschützten Interessen, weshalb er nach Art. 88 OG zur Sache nicht legitimiert ist (E. 1c). Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst kann der Beschwerdeführer die Verletzung von kantonalen Verfahrensvorschriften rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. 3. Im Submissionsverfahren zur Vergebung von Arbeiten ist die staatsrechtliche Beschwerde nur dann zulässig, wenn Submissionsbestimmungen verletzt werden, die den Schutz der unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken (E. 1d). Art. 9 Abs. 2 der Submissionsverordnung des Kantons Graubünden (Verbot, nachträgliche Angebote anzunehmen und zu berücksichtigen) bezweckt nach Wortlaut und Sinn auch den Schutz der unmittelbaren Interessen der einzelnen Bewerber (E. 2).

115 IA 81 () from 30. August 1989
Regeste: Art. 4 BV; Gleichbehandlung im Unrecht. Weicht eine Behörde nicht nur in einem oder in einigen Fällen, sondern in ständiger Praxis vom Gesetz ab, und gibt sie zu erkennen, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden werde, so kann der Bürger verlangen, ebenfalls gesetzwidrig begünstigt zu werden, sofern dem keine anderen berechtigten Interessen entgegenstehen. Dieser Grundsatz gilt auch im Strafrecht. Äussert sich die Behörde nicht über ihre Absicht, so nimmt das Bundesgericht an, sie werde aufgrund der Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils zu einer gesetzmässigen Praxis übergehen. Fall einer Verurteilung wegen unzüchtiger Veröffentlichung.

115 IA 85 () from 31. Mai 1989
Regeste: Art. 4 BV; Rechtsschutz des Grundeigentümers bei der Revision von Nutzungsplänen. Bei der Totalrevision eines Nutzungsplanes darf ein Grundeigentümer verlangen, dass die seine Parzellen betreffenden Anordnungen auf ihre materielle Verfassungsmässigkeit überprüft werden. Dieses Recht besitzt er auch, wenn die bisherige Ordnung beibehalten wird.

115 IA 89 () from 24. Januar 1989
Regeste: Art. 4 BV, Art. 4 RPG, Art. 58 BauG BE; Information und Mitwirkung der Bevölkerung bei der Raumplanung. Die durch Art. 4 RPG vorgesehene Mitwirkung der Bevölkerung bei der Raumplanung wird im Kanton Bern in Art. 58 BauG geregelt. Können aus Art. 4 BV weiterreichende Mitwirkungs- oder Informationsansprüche abgeleitet werden? (E. 2).

115 IA 97 () from 14. April 1989
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör; Aktenführung im Strafprozess. 1. Ein Verstoss gegen die Aktenführungspflicht kann den Anspruch des Angeschuldigten auf rechtliches Gehör beeinträchtigen (E. 4). 2. Keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs, falls der Richter ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, die aufgrund der übrigen Beweise gebildete Überzeugung werde durch das ihm zwar bekannte, aber nicht aktenkundige, den Angeschuldigten entlastende Ergebnis bestimmter Ermittlungen nicht geändert (E. 5b).

115 IA 103 () from 14. März 1989
Regeste: Art. 4 BV; Amtliche Verteidigung im Strafverfahren. In Fällen, in denen der Angeklagte nicht mit einer Freiheitsstrafe von mehr als 18 Monaten rechnen muss, die jedoch keine Bagatellfälle darstellen, bestimmt sich die Notwendigkeit der amtlichen Verteidigung nach den Umständen des Einzelfalles. Nicht entscheidend für die Verweigerung der amtlichen Verteidigung ist, dass das Strafverfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht ist (E. 4).

115 IA 157 () from 19. Mai 1989
Regeste: Doppelbesteuerungsverbot (Art. 46 Abs. 2 BV): steuerliche Erfassung von verdeckten Gewinnausschüttungen einer Gesellschaft zu Gunsten einer Schwestergesellschaft in einem anderen Kanton in Form von Lieferungen oder Leistungen zu ungenügenden Preisen. 1. Anfechtung einer Veranlagungsverfügung mit einem kantonalen Rechtsmittel und gleichzeitig mit einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbots: Sistierung des Verfahrens vor Bundesgericht? (E. 1) 2. Beschwerdelegitimation (Art. 88 OG) der Gesellschaft, die wirtschaftlich mit der Steuerpflichtigen besonders verbunden ist? Frage offen gelassen (E. 2). 3. Doppelbesteuerung: a) Begriff im allgemeinen und des Gewinns im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BV (E. 3a und 3b); b) von der Rechtsprechung als unerlaubt betrachtete Doppelbesteuerung wirtschaftlich miteinander verbundener Steuersubjekte und zulässige blosse Doppelbelastungen (E. 3c und 3d); c) eine, selbst übermässige, Besteuerung der Gesellschaft, die einer Schwestergesellschaft mit Sitz in einem anderen Kanton Leistungen zu offensichtlich ungenügenden Preisen erbringt, verletzt an sich nicht das Doppelbesteuerungsverbot; dies setzt voraus, dass die begünstigte Gesellschaft ihrerseits vom Sitzkanton für einen Teil des Gewinns besteuert wird (aktuelle Doppelbesteuerung; E. 3e, 3f und 3g); d) aktuelle Doppelbesteuerung im konkreten Fall verneint (E. 4, 5).

115 IA 183 () from 7. Juni 1989
Regeste: Voraussetzungen eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts i.S. von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. 1. Die erst vor Bundesgericht im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde erhobene Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist zulässig, wenn die letzte kantonale Instanz Tat- und Rechtsfragen frei und von Amtes wegen überprüfen durfte (E. 2). 2. Eine von der Walliser Motorfahrzeugkontrolle auferlegte Busse wegen Verstoss gegen das Strassenverkehrsgesetz kann beim Walliser Staatsrat angefochten werden. Dieses Verfahren garantiert dem Betroffenen kein unabhängiges und unparteiisches Gericht i.S. von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 4). 3. Die neue, am 16. Mai 1988 von der Schweiz zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgegebene auslegende Erklärung bezieht sich auf Streitigkeiten über zivilrechtliche Rechte und Pflichten und nicht auf die Rechtmässigkeit von strafrechtlichen Anklageerhebungen. Eine ausschliesslich dem Bundesgericht im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde vorbehaltene Überprüfung einer Bussenverfügung entspricht den Konventionsgarantien nicht. In dieser Hinsicht ist die in BGE 111 Ia 267 ff publizierte Rechtsprechung zu ändern (E. 5).

115 IA 197 () from 16. Oktober 1989
Regeste: Art. 4 BV (Willkür; Anwaltsgeheimnis im Strafprozess). 1. Ist ein Rechtsanwalt (einziger) Verwaltungsrat einer Gesellschaft, für die er gleichzeitig anwaltlich tätig ist, so kann er sich zumindest nicht generell auf sein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht berufen; vielmehr ist zwischen seiner (berufsspezifisch) anwaltlichen und seiner geschäftlichen Tätigkeit zu unterscheiden (E. 3d). a) Umfang der Geheimhaltungspflicht des Anwalts (E. 3d/aa). b) Abwägung zwischen dem rechtsstaatlichen Interesse am Anwaltsgeheimnis und dem öffentlichen Interesse an der wirksamen Strafverfolgung (E. 3d/cc). 2. Verhältnis des Zeugnisverweigerungsrechts nach ZPO und StPO des Kantons Zürich (E. 3e).

115 IA 234 () from 15. März 1989
Regeste: Moderne Fortpflanzungsmedizin (künstliche Insemination und In-vitro-Fertilisation); Grossratsbeschluss des Kantons St. Gallen über Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen (GRB); persönliche Freiheit, Art. 8 und 12 EMRK, Art. 2 ÜbBest. BV, Forschungsfreiheit. 1. Allgemeine Überlegungen zur Fortpflanzungsmedizin (E. 3). 2. Der angefochtene Erlass verstösst nicht gegen Bundeszivilrecht und verletzt Art. 2 ÜbBest. BV nicht (E. 4). 3. Die Beschränkung des Zugangs zu den Methoden der künstlichen Fortpflanzung betrifft die persönliche Freiheit; Frage offengelassen, ob das auch auf Art. 8 in Verbindung mit Art. 12 EMRK zutrifft (E. 5). 4. Künstliche Insemination: a) Das generelle Verbot der heterologen künstlichen Insemination nach Art. 4 lit. a GRB hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 6a). b) Einschränkungen der heterologen künstlichen Insemination (E. 6b). c) Beschränkung der heterologen künstlichen Insemination auf verheiratete Ehepaare? (E. 6c). d) Anonymität des Samenspenders? (E. 6d). 5. Die Beschränkung der Inseminationsbehandlung auf das Kantonsspital St. Gallen im Sinne von Art. 6 GRB erweist sich für die homologe künstliche Insemination bei Ehepaaren als verfassungswidrig, bei der heterologen Form aber als verfassungsmässig (E. 7). 6. Das Verbot nach Art. 7 GRB, unabhängig von einer aktuellen Infertilitätsbehandlung Samenzellen für eine spätere Verwendung zu hinterlegen, verstösst gegen die persönliche Freiheit (E. 8). 7. In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer (IVF/ET): a) Das generelle Verbot der IVF/ET im Sinne von Art. 4 lit. f GRB hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 9a-9c). b) Heterologe Formen der IVF/ET? Beschränkung der IVF/ET auf Ehepaare? (E. 9e). 8. Forschungsfreiheit als ungeschriebenes Verfassungsrecht? Das allgemeine Verbot der Verwendung von Keimzellen (Samenzellen und unbefruchteten Eizellen) zu Forschungszwecken nach Art. 9 GRB ist verfassungswidrig (E. 10). 9. Die generelle Bestimmung von Art. 12 GRB, wonach die Anwendung neuer Verfahren die Änderung des Erlasses erfordert, erweist sich als verfassungswidrig (E. 11). 10. Kantonale Strafbestimmungen: a) Kompetenzordnung aufgrund von Art. 64bis BV sowie Art. 400 und Art. 335 StGB (E. 12a und 12b). b) Zuständigkeit des Kantons zum Erlass von strafrechtlichen Bestimmungen im vorliegenden Fall gegeben (E. 12c). c) Teilweise Aufhebung der Strafnormen aufgrund der materiellen Beurteilung (E. 12d).

115 IA 277 () from 3. Mai 1989
Regeste: Art. 4, 22 bis BV und Art. 2 ÜbBest. BV, persönliche Freiheit; Dienstpflicht für Medizinalpersonal im Rahmen des Koordinierten Sanitätsdienstes. Dem Bunde steht auf dem Gebiete der Gesamtverteidigung, insbesondere im Bereich des Koordinierten Sanitätsdienstes, keine ausschliessliche Gesetzgebungsbefugnis zu (E. 4). Die Einführung einer Dienstpflicht für männliche und weibliche Medizinalpersonen für den Katastrophen- und Kriegsfall durch den Kanton als Verantwortlichen für das öffentliche Gesundheitswesen und Partner des Koordinierten Sanitätsdienstes verstösst weder gegen Art. 22bis Abs. 1 und 5 BV (E. 5) noch gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 6). Im vorliegenden Fall hätte jedoch der wesentliche Inhalt der Dienstpflicht, soweit es um die Ausbildung geht, in einem formellen Gesetz umschrieben werden müssen (E. 7). Die Schaffung eines Dienstobligatoriums ist nicht unverhältnismässig und verletzt das verfassungsmässige Recht auf persönliche Freiheit nicht, wenn vorauszusehen ist, dass der Kanton im Katastrophen- oder Kriegsfall den Bedarf an medizinisch ausgebildetem Personal nicht durch freiwillig Dienstleistende decken kann (E. 8).

115 IA 311 () from 20. November 1989
Regeste: Art. 87 OG; Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid. 1. Überweisungsbeschlüsse in Strafsachen sind Zwischenentscheide im Sinne von Art. 87 OG (E. 2a). 2. Die Beschränkung nach Art. 87 OG gilt grundsätzlich nicht bei Entscheiden über gerichtsorganisatorische Fragen, die endgültig zu erledigen sind, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann; Fälle, bei denen Art. 87 OG dennoch anwendbar ist (E. 2a). 3. Werden neben Art. 4 BV weitere Verfassungsrügen erhoben, so tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde nur ein, wenn diese Rügen selbständige Bedeutung haben und nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet sind (E. 2b). 4. In der Überweisung einer Strafsache an ein Strafgericht liegt kein nicht wiedergutzumachender Nachteil (E. 2c).

115 IA 315 () from 21. Dezember 1989
Regeste: Art. 87 OG; Akontozahlung für Administrativkosten im Quartierplanverfahren. Der Entscheid, mit welchem der Verteilschlüssel für Akontozahlungen betreffend die Administrativkosten des amtlichen Quartierplanverfahrens nach Zürcher Bau- und Planungsrecht festgelegt wird, ist ein Zwischenentscheid, der für den Eigentümer eines vom Quartierplan betroffenen Grundstücks keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirkt (E. 1a).

115 IA 325 () from 14. Dezember 1989
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege, Bedürftigkeit des obhutsberechtigten Elternteils. Stellt ein obhutsberechtigter Elternteil, dessen Beitrag an den Unterhalt der Kinder nur in der Pflege und Erziehung besteht, ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege, so ist bei der Abklärung seiner Bedürftigkeit nur sein eigenes Einkommen zu berücksichtigen. In seiner Notbedarfsrechnung sind demzufolge die Kinderzuschläge ausser acht zu lassen.

115 IA 329 () from 22. Dezember 1989
Regeste: Vermietung eines Einfamilienhauses zu einem Vorzugsmietzins an einen nahen Verwandten (Art. 4 BV; Willkürverbot). Für die Einkommensbesteuerung muss der erzielte Mietzins und nicht der Mietwert massgeblich sein, sofern nicht ein Steuerumgehungsgeschäft anzunehmen ist.

115 IA 333 () from 27. September 1989
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Art. 2 RPG; Revision der Ortsplanung; Zuweisung eines Grundstücks zur Reservezone gemäss § 65 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes, PBG; Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes gemäss § 83 PBG. 1. Eine Reservezone gemäss § 65 PBG ist keine Nutzungszone im Sinne von Art. 14 Abs. 2 RPG (E. 2a). 2. Gesetzliche Grundlage für die Festsetzung einer Reservezone und die Anordnung eines Gestaltungsplanes (E. 3). 3. Begriff der Bauzone (Art. 15 RPG, § 47 PBG). Land, das die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, gehört grundsätzlich in eine Bauzone (E. 4). 4. Es ist zulässig, für ein Gebiet in landschaftlich empfindlicher Lage die Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes anzuordnen (E. 5). 5. Die Planungspflicht gemäss Art. 2 RPG und § 8 ff. PBG erlaubt es nicht, die Festsetzung einer Nutzungszone unbefristet aufzuschieben (E. 6a). Zwar kann nach dem Zürcher Recht ein Gestaltungsplan an die Stelle der Festsetzung einer Bauzone gemäss § 48 PBG treten (§ 86 PBG); dies befreit aber das zuständige Gemeindeorgan nicht davon, innert den gesetzlichen Fristen Zonenvorschriften zu erlassen (E. 6c).

115 IA 343 () from 27. September 1989
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Revision der Ortsplanung; Zuweisung eines Grundstücks zur Reservezone gemäss § 65 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes. 1. Verpflichtung, eine den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Ortsplanung zu revidieren (E. 5b). 2. Begriff der Nichteinzonung (E. 5c). 3. Prüfung, ob sich die Nichteinzonung eines Grundstücks zufolge seiner Lage und des Zusammenhangs mit bereits überbautem Gebiet als sachlich nicht gerechtfertigt erweist (E. 5d). 4. Besteht in einer Gemeinde ein Defizit an Bauzonenland und sind für die Einzonung mehrere Grundstücke vorhanden, so steht der Gemeinde eine Wahl- und Entscheidungsfreiheit zu. Es ist eine Abwägung aller auf dem Spiele stehenden Interessen vorzunehmen, weshalb dem Überbauungswillen der Eigentümer eines für die Einzonung in Frage kommenden Grundstücks allein keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt und die kantonale Aufsichtsbehörde daher zu Recht von einer bindenden Weisung an die Gemeinde absieht (E. 5e).

115 IA 400 () from 20. Dezember 1989
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV, Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit; Art. 87 OG, Anfechtbarkeit von Entscheiden über Ablehnungsbegehren. 1. Der Rückweisungsentscheid eines kantonalen Kassationsgerichts, mit dem ein Ablehnungsantrag nicht abschliessend beurteilt wird, kann nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten werden (E. 1a). 2. Prozessuale Fehler oder ein möglicherweise falscher materieller Entscheid vermögen grundsätzlich für sich allein nicht den Anschein der Befangenheit eines Richters zu begründen. Anders kann es sich verhalten, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die als schwere Verletzung der Richterpflichten beurteilt werden müssen (E. 3b).

115 IB 97 () from 6. Juli 1989
Regeste: Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 Ziff. 1 EMRK). 1. Die Kinder einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin können gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung erheben; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insoweit zulässig (E. 2b). 2. Gegen die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an ein Kind oder einen Elternteil ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK auch dann zulässig, wenn dem Elternteil die elterliche Gewalt oder Obhut nicht zusteht (Änderung der Rechtsprechung; E. 2e). 3. Verweigerung von Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung im konkreten Fall (E. 3, 4).

115 IB 152 () from 4. April 1989
Regeste: Widerruf eines Verwaltungsaktes. 1. Es verstösst nicht gegen Treu und Glauben, die Verfügung betreffend einen Führerausweisentzug zu ändern, dessen Dauer mit Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG unvereinbar war (E. 1-3). 2. Der Grundsatz "ne bis in idem" ist hier nicht anwendbar (E. 4).

115 IB 166 () from 13. Februar 1989
Regeste: Art. 18, 18a Eisenbahngesetz; Einbezug von Eisenbahngrundstücken in ein Quartierplanverfahren? Ist der Beschluss über die Einleitung eines Quartierplanverfahrens gemäss § 147 des zürcherischen Planungs- und Baugesetzes, mit dem auch das Beizugsgebiet abgegrenzt wird, ein Teil- oder ein Zwischenentscheid? Frage offengelassen (E. 2). Dem Eisenbahnbetrieb dienende Grundstücke unterstehen auch nach Art. 18 und 18a EBG in der Fassung vom 8. Oktober 1982 dem kantonalen und kommunalen Bau- und Planungsrecht grundsätzlich nicht; dieses ist allerdings im bundesrechtlichen Plangenehmigungsverfahren soweit als möglich zu berücksichtigen (E. 3). Parzellen, die dauernd oder auf längere Zeit für betriebsfremde Zwecke verwendet werden, unterliegen dagegen dem kantonalen Recht (E. 3, 4).

115 IB 335 () from 4. Juli 1989
Regeste: Art. 9 und 55 USG, 12 NHG; Legitimation gesamtschweizerischer Umweltschutzorganisationen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV). 1. Umweltschutzorganisationen sind befugt, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu rügen, ihre aus Art. 55 USG und Art. 12 NHG hergeleitete Legitimation sei durch die Vorinstanzen missachtet worden (E. 1 und 2). 2. Eine Ferienhaussiedlung von 150 Chalets mit Dienstleistungsbetrieben und Hotelbauten unterliegt nicht der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung, weshalb eine gesamtschweizerische Umweltschutzorganisation deren Bewilligung nicht unter Berufung auf Art. 55 USG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten kann (E. 3). 3. Kann eine kantonale Baubewilligung nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, so kann sich eine gesamtschweizerische Vereinigung nicht auf das Beschwerderecht gemäss Art. 12 NHG berufen (E. 4a). 4. Materielle Einwendungen gegen einen rechtskräftigen Quartierplan im nachträglichen Baubewilligungsverfahren sind unzulässig (E. 4c).

115 IB 456 () from 1. November 1989
Regeste: Umweltschutzgesetzgebung des Bundes (Lärmschutz und Luftreinhaltung), kantonales und kommunales Baurecht. 1. a) Eine Baubewilligung kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Umweltschutzrecht zu beurteilen ist (E. 1b). b) Die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte bei der Auslegung und Anwendung von selbständigem kantonalem und kommunalem Baurecht ist mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen (E. 1c). 2. Zweistufiges Konzept des Umweltschutzgesetzes zur Emissionsbegrenzung gemäss Art. 11 Abs. 2 und 3 USG (E. 3). 3. Einzelfallweise Zuordnung einer höheren Lärm-Empfindlichkeitsstufe nach Art. 43 Abs. 2 LSV hinsichtlich einer kleinen, mit Lärm vorbelasteten Wohnzone, die von gewerblichen und industriellen Nutzungszonen voll umschlossen ist (E. 4). 4. Neue ortsfeste Anlage nach Art. 7 LSV oder wesentliche Änderung einer bestehenden ortsfesten Anlage nach Art. 8 LSV? Verhältnis zur Sanierungspflicht? Massgebende Belastungsgrenzwerte? Fragen offengelassen (E. 5). 5. Auch wenn eine Heizung sanierungsbedürftig ist, muss sie bei Errichtung eines neuen Anbaus, der durch sie beheizt werden soll, nicht gleichzeitig saniert werden, wenn von der Heizungsanlage keine Mehremissionen zu erwarten sind (E. 6).

115 IB 508 () from 13. Dezember 1989
Regeste: Art. 24, 34 Abs. 3 RPG, Art. 97 ff. OG; Anfechtung projektbezogener Zonenplanänderungen. 1. Zulässiges Rechtsmittel: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gegen Zonenplanänderungen gegeben, wenn geltend gemacht wird, mit der Planfestsetzung werde Art. 24 RPG umgangen (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 5a/bb). 2. Auch einer Planungsmassnahme zur Verwirklichung eines Vorhabens ausserhalb der Bauzone dürfen keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (E. 6b und c).

115 II 102 () from 7. April 1989
Regeste: Art. 190 ff. IPRG. Übergangsrecht. Teilentscheide von Schiedsgerichten. 1. Anwendung der Grundsätze aus Art. 87 OG auf einen solchen Teilentscheid in der Sache (E. 2). 2. Wenn der Teilentscheid vor dem 1. Januar 1989 gefällt und bereits bei einer kantonalen Beschwerdeinstanz angefochten worden ist, aber nur zusammen mit dem Endentscheid zum Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde gemacht werden kann, so gilt das bisherige Recht auch für das Beschwerdeverfahren über den Endentscheid (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3).

115 II 129 () from 1. Juni 1989
Regeste: Fürsorgerische Freiheitsentziehung. Die in Art. 397f Abs. 3 ZGB vorgeschriebene mündliche Anhörung verlangt in erster Instanz die Einvernahme durch das gesamte erkennende Gericht (Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 110 II 124 E. 4).

115 II 187 () from 2. März 1989
Regeste: Materielle Rechtskraft eines Urteils, mit dem die Einrede ungenügender Substantiierung gutgeheissen wird. Voraussetzungen, unter denen ein Sachurteil mit materieller Rechtskraftwirkung ergeht, wenn ein Gericht die Sachvorbringen der beweisbelasteten Partei als nicht hinreichend substantiiert beurteilt. Bedeutung der Begründung, des Dispositivs und der prozessualen Bezeichnung des Entscheides durch das urteilende Gericht.

115 II 193 () from 8. Juni 1989
Regeste: Namensänderung (Art. 30 ZGB). 1. Art. 44 lit. a OG: Die Möglichkeit der Berufung besteht auch gegen die Verweigerung der Namensänderung aus achtenswerten Gründen im Sinne von Art. 30 Abs. 2 ZGB (E. 1). 2. Keine rückwirkende Anwendbarkeit von Art. 30 Abs. 2 ZGB auf Ehepaare, die bei Inkrafttreten des revidierten Eherechts bereits verheiratet waren (E. 2, 3). 3. Vereinheitlichung des Familiennamens im internationalen Verhältnis: aufgrund der konkreten Umstände als wichtiger Grund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB anerkannt; allgemeine Voraussetzungen (E. 5). 4. Wird der bisherige Name der Ehefrau zum Familiennamen (Art. 30 ZGB), besteht keine entsprechende Möglichkeit des Ehemannes, seinen früheren Namen analog zu Art. 160 Abs. 2 ZGB und 8a SchlT voranzustellen (E. 6).

115 II 201 () from 27. April 1989
Regeste: Art. 145 Abs. 2 ZGB; rückwirkende Zusprechung von Unterhaltsleistungen im Scheidungsprozess. Die in Art. 173 Abs. 3 ZGB vorgesehene Möglichkeit, Unterhaltsleistungen während des Zusammenlebens bis zu einem Jahr vor Einreichung des Gesuches zuzusprechen, muss auch im Zusammenhang mit der Regelung des Getrenntlebens nach Art. 176 ZGB und der Anordnung vorsorglicher Massnahmen während des Scheidungsprozesses nach Art. 145 Abs. 2 ZGB sinngemäss zum Zuge kommen. Im Rahmen von Art. 145 ZGB fällt indessen eine Rückwirkung nur insoweit in Betracht, als die Massnahme erst nach Einreichung der Scheidungsklage verlangt wurde.

115 II 309 () from 6. Juli 1989
Regeste: Abänderung des Scheidungsurteils; Anpassung einer Scheidungsrente nach Massgabe der seit der Scheidung eingetretenen Teuerung (Art. 153 ZGB). 1. Soweit eine Scheidungsrente Unterhalts- oder Unterhaltsersatzcharakter hat, kann sie nachträglich in dem Masse der eingetretenen Teuerung angepasst werden, als das Einkommen des Unterhaltspflichtigen mit der Teuerung Schritt gehalten hat (E. 1 und 2a). 2. Wo das ordentliche Einkommen sich auf die AHV-Rente beschränkt, der Unterhaltspflichtige jedoch über Vermögen verfügt, ist auch diesem Rechnung zu tragen; dabei verstösst es grundsätzlich nicht gegen Bundesrecht, hauptsächlich bei Immobilien einen durchschnittlichen Kapitalzins zu ermitteln, vorausgesetzt, dass kein übersetzter Zinssatz gewählt wird (E. 3a und 3b); die nachträgliche teuerungsbedingte Anpassung der Rente darf in einem solchen Fall nicht dazu führen, dass der Pflichtige genötigt wird, das von ihm bewohnte Haus zu veräussern (E. 3c). 3. Dem Abänderungsrichter ist es verwehrt, die Anpassung der Rente von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Berechtigten oder von anderen Umständen abhängig zu machen, die der Scheidungsrichter bei der Festsetzung einer Rente zu berücksichtigen hätte (E. 4).

115 II 396 () from 19. September 1989
Regeste: Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 90 Abs. 1 lit. b OG. Begründungsanforderungen an Berufung und konnexe staatsrechtliche Beschwerde. Nichteintreten auf beide Rechtsmittel, wenn sie missbräuchlich mit einer im wesentlichen übereinstimmenden Begründung versehen werden.

115 II 424 () from 13. Dezember 1989
Regeste: Vorsorgliche Massnahme nach Art. 145 ZGB; Bemessung des Unterhaltsbeitrags. Bei sehr günstigen Einkommensverhältnissen ist der Überschuss des Gesamteinkommens über den Zwangsbedarf der Ehegatten nicht hälftig aufzuteilen. Vielmehr darf bei der Bemessung des dem berechtigten Ehegatten zustehenden Unterhaltsbeitrags auf die für die Weiterführung der bisherigen Lebenshaltung erforderlichen Kosten abgestellt werden.

115 IV 167 () from 29. November 1989
Regeste: Art. 33 Abs. 2 2. Satz StGB: Notwehrexzess, Zustand entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff. Wenn ein solcher Zustand in Betracht fällt, hat die kantonale Behörde klar darzulegen, ob der Täter sich in einer Aufregung oder Bestürzung befand oder nicht und ob diese gegebenenfalls entschuldbar war oder nicht; beide Antworten müssen begründet werden. Rechtsmissbrauch. Namentlich in Anbetracht der Offizialmaxime liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn ein Angeklagter sich in einem Rekurs über den Wortlaut einer - den Geschworenen unterbreiteten - Frage beschwert, den er selber redigiert hatte (E. 4).

115 V 122 () from 22. Februar 1989
Regeste: Art. 26 Abs. 1 und 3 KUVG, Art. 33 Abs. 1 und 3 IVG, Art. 4 Abs. 2 BV: Umfang der Anrechnung der Ehepaar-Invalidenrente bei der Überversicherungsermittlung. - Die Auszahlung der Hälfte der Ehepaar-Invalidenrente an die Ehefrau im Sinne von Art. 33 Abs. 3 IVG schliesst den vollumfänglichen Einbezug der ganzen Ehepaar-Invalidenrente in die Überversicherungsberechnung nach Art. 26 KUVG auch unter Berücksichtigung des in Art. 4 Abs. 2 BV verankerten Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht aus (Erw. 2). - Hätte die Ehefrau des Versicherten ohne die invaliditätsbedingte Rentenberechtigung ihres Gatten einen selbständigen Anspruch auf eine AHV- oder IV-Rente, darf bei der Überversicherungsberechnung im Sinne von Art. 26 KUVG die Ehepaar-Invalidenrente nur in dem Umfange angerechnet werden, in welchem diese den hypothetischen selbständigen Rentenanspruch der Ehefrau betraglich übersteigt (Erw. 3).

115 V 224 () from 31. Juli 1989
Regeste: Art. 73 Abs. 1 BVG: Rechtsnatur der Stellungnahmen von Vorsorgeeinrichtungen. Nach der Regelung des BVG dürfen weder die privatrechtlichen noch die öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen Verfügungen im Rechtssinne erlassen; die Stellungnahmen der Vorsorgeeinrichtungen werden nur aufgrund eines auf Klage hin ergangenen Gerichtsurteils rechtsverbindlich (Erw. 2). Art. 49 Abs. 2 BVG, Art. 4 Abs. 1 BV: Überprüfung der Ordnung einer öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtung unter dem Gesichtspunkt der rechtsgleichen Behandlung. Obwohl das anwendbare kantonale Recht ohne vernünftigen Grund Invalidenrentner und Altersrentner unterschiedlich behandelt, indem es jenen im Gegensatz zu diesen bei der Zusatzleistung für Kinder keine dreizehnte Monatsrate gewährt, kann der Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung jedenfalls dann nicht angerufen werden, wenn in Wirklichkeit diese dreizehnte Rate an Altersrentner nicht ausbezahlt wird oder wenn die Behörde sich zu einer Gesetzesänderung verpflichtet hat mit dem Zwecke, den Anspruch bei dieser Kategorie von Rentnern zu verneinen (Erw. 7).

115 V 244 () from 17. August 1989
Regeste: Art. 73 BVG: Rechtspflege. Zuständigkeit der in dieser Vorschrift bezeichneten Behörden zur Beurteilung einer Streitigkeit, welche den vorobligatorischen Vorsorgebereich betrifft und die Nachzahlung von teilweise nach dem 1. Januar 1985 fällig gewordenen Renten zum Gegenstand hat (Erw. 1). Art. 392 Ziff. 1 und 418 ZGB: Vertretungsbeistandschaft. Umfang der Befugnisse eines Beistandes, der im Namen des Vertretenen zu wählen hat, ob die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistung in Rentenform oder als Kapitalabfindung zu erbringen hat (Erw. 3). Art. 6 § 1 EMRK: Anforderung an ein faires Verfahren sowie Öffentlichkeit der Verhandlung. - Die Verletzung der EMRK kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden (Erw. 4b). - Das Neuenburger Verwaltungsgericht ist keine "Verwaltungsbehörde" im Sinne des schweizerischen Vorbehalts zu Art. 6 § 1 EMRK (Erw. 4b). - Betrifft die Streitigkeit zwischen einer Vorsorgeeinrichtung und ihrem Mitglied zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 § 1 EMRK? Frage offengelassen (Erw. 4c). - Begriff der öffentlichen Verhandlung (Erw. 4d/aa).

115 V 257 () from 13. April 1989
Regeste: Art. 25 Abs. 1 und 4 KUVG, Art. 58 Abs. 1 BV: Besetzung des Schiedsgerichts. - Das Gebot der Unparteilichkeit gilt für den Vorsitzenden und die übrigen Schiedsrichter in gleicher Weise; diese haben deshalb in Ausstand zu treten, wenn sie mit einer Partei in einer Weise verbunden sind, welche die Besorgnis der Befangenheit begründet (Erw. 2b). - Kassenfunktionäre dürfen grundsätzlich als Schiedsrichter tätig sein. Soweit sich diese nicht als Parteianwälte im Richterkleid verstehen und einseitig nur die Interessen der im Streite stehenden Kassen wahrnehmen, kann ihre Mitwirkung nicht als parteiische Ausübung des Richteramtes gewertet werden (Erw. 5b). - Ein Kassenfunktionär hat jedoch als Schiedsrichter in den Ausstand zu treten, wenn er mit einer Partei über die blosse Zugehörigkeit zu den Kassenkreisen hinaus in einer Weise verbunden ist, welche objektiv Misstrauen an seiner Unparteilichkeit weckt. Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn der Schiedsrichter bei einer Kasse, die im betreffenden Prozess als Klägerin oder Beklagte auftritt, die Funktion eines Organs oder eines Mitarbeiters innehat. Dabei kommt es bei Forderungsstreitigkeiten nicht darauf an, ob die fragliche Kasse mit einem grossen oder kleinen Betrag am Rechte steht (Erw. 5c).

115 V 297 () from 30. Mai 1989
Regeste: Art. 96 und 98 UVG, Art. 122 f. UVV, Art. 26-28 VwVG, Art. 4 Abs. 1 BV: Zum Anspruch auf Akteneinsicht im Gebiet der obligatorischen Unfallversicherung (UV). - Rechtsgrundlagen des Anspruches auf Akteneinsicht in der UV (Erw. 2a). - Verhältnis der Verfahrensbestimmungen von UVG/UVV zu den entsprechenden prozessualen Normen gemäss VwVG (Erw. 2b). - Grundsätze der Akteneinsichtsgewährung nach VwVG (Erw. 2c). - Die Akteneinsichtsregelung von UVG/UVV weicht von der entsprechenden Ordnung der Art. 26 ff. VwVG nicht grundsätzlich ab (Erw. 2d). - Das Akteneinsichtsrecht als Teilgehalt des Anspruches auf rechtliches Gehör (Erw. 2e). - Schranken der Akteneinsichtsgewährung (Erw. 2f). - Die Behandlung verwaltungsinterner Akten (Erw. 2g/aa-cc). - Rechtsfolgen der Verletzung des Anspruches auf Akteneinsicht (Erw. 2h).

115 V 368 () from 28. November 1989
Regeste: Art. 62 Abs. 1, 73 und 74 BVG: Abstrakte Normenkontrolle. - Umschreibung der Rechtswege im Sinne von Art. 73 BVG bzw. von Art. 62 Abs. 1 und 74 BVG (Bestätigung der Rechtsprechung in BGE 112 Ia 180; Erw. 2). - Ein Feststellungsbegehren ist im Verfahren nach Art. 62 Abs. 1 und 74 BVG zu beurteilen, wenn es ausschliesslich oder jedenfalls zur Hauptsache die abstrakte Normenkontrolle im Vorsorgebereich betrifft (Erw. 3).

116 IA 8 () from 5. Januar 1990
Regeste: Art. 58 BV; Mitwirkung eines nicht ordnungsgemäss vereidigten Richters. Dem Amtsgelübde kommt nach aargauischem Recht keine konstitutive, sondern bloss moralische und symbolische Bedeutung zu. Art. 58 BV ist daher nicht verletzt, wenn an einem Urteil ein Richter mitwirkt, der noch nicht von der zuständigen Behörde in Pflicht genommen wurde (E. 2-4).

116 IA 14 () from 15. Februar 1990
Regeste: Art. 4 und 58 BV; Art. 6 Ziff. 1 und 2 EMRK; Ablehnung eines ganzen Kriminalgerichtshofs; Einfluss der Medien auf die Mitglieder des Gerichtshofs. 1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3). 2. Tragweite der Garantie des verfassungsmässigen Richters, insbesondere des unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richters gemäss Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Grundsatz der Unvoreingenommenheit: Feststellung unter Berücksichtigung objektiver und subjektiver Elemente. Ausnahmecharakter der Ablehnung (E. 4). 3. Verfahrensmassnahmen als solche vermögen unabhängig von ihrer Rechtmässigkeit gemäss dem Schutzzweck von Art. 58 BV keinen objektiven Verdacht der Voreingenommenheit des sie anordnenden Richters zu begründen (E. 5a bis d). 4. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach scherzhafte Äusserungen, nicht genügen, einen Verdacht der Parteilichkeit zu begründen und eine Verletzung der in der EMRK garantierten Unschuldsvermutung zu bewirken (E. 6). 5. Vermag eine virulente Pressekampagne die Unabhängigkeit der Richter zu beeinträchtigen und somit einen Einfluss auf die Fairness des Verfahrens zu haben? Laienrichter sind in erhöhtem Masse der Gefahr einer Beeinflussung der Medien durch eine negative Berichterstattung über einen Beschuldigten bzw. Angeklagten ausgesetzt. Rolle der öffentlichen Meinung, der staatlichen Informationsorgane und politischer Interventionen. Mögliche Anordnung positiver Massnahmen von Amtes wegen (E. 7b). 6. Der Zugang zu den Medien genügt nicht zur Annahme der Beeinflussung der Mitglieder eines Gerichtshofs und für Zweifel an deren Unabhängigkeit und Objektivität. Im konkreten Fall fehlen objektive Anzeichen dafür, dass die Richter und Geschworenen durch die Informationskampagne beeinflusst worden sind, die, obgleich sehr intensiv, nie einseitig war und nie den Eindruck erweckte, dass sie systematisch auf den Nachweis der Schuld des Beschuldigten ausgerichtet war. Besondere politische Bedeutung der Angelegenheit (E. 7c). 7. Bedeutung des durch den Präsidenten und die Assisen unmittelbar nach der Konstituierung des Gerichts abgelegten Eides bzw. feierlichen Gelübdes (E. 7c). 8. An die Adresse der Medien gerichtete Aufforderung, der Unschuldsvermutung bei der Berichterstattung bereits vor Verhandlungsbeginn gebührend Rechnung zu tragen (E. 7d).

116 IA 41 () from 14. Februar 1990
Regeste: Gemeindeautonomie. Baulandumlegung mit Nutzungstransport für eine denkmalschützerische Massnahme. 1. Ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 87 OG liegt bei einem Rückweisungsentscheid dann vor, wenn ein Kanton nur eine Rekursinstanz vorsieht und die Gemeinde durch den Rückweisungsentscheid gezwungen würde, der Weisung der Rekursinstanz vorerst Folge zu leisten und anschliessend ihren eigenen Entscheid anzufechten (E. 1b). 2. Zur Anordnung einer Baulandumlegung mit Nutzungstransport im Interesse der Verwirklichung einer denkmalschützerischen Massnahme vermag sich die Gemeinde Silvaplana auf eine genügende gesetzliche Grundlage zu stützen (E. 4). 3. Das Prinzip des wertgleichen Realersatzes ist auch von einem Grundsatzentscheid zu beachten, welcher die in einem Umlegungsverfahren vorzunehmende Neuzuteilung massgeblich präjudiziert (E. 5a).

116 IA 52 () from 14. Februar 1990
Regeste: Gemeindeautonomie. 1. Soweit es in einem Verfahren um die Frage geht, ob eine Gemeinde in einem Bereich autonom ist, ist sie von der zuständigen kantonalen Behörde anzuhören (E. 2). 2. Vorentscheidungen des Oberamtmanns oder des Staatsrats über die Zulässigkeit eines Bauprojektes sowie Baubewilligungen berühren die Freiburger Gemeinden in ihrer Autonomie (E. 2a).

116 IA 56 () from 15. März 1990
Regeste: Auslegung von Willenserklärungen in bezug auf Schiedsabreden. - Freie Überprüfung durch das Bundesgericht (E. 3a). - Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz; Auslegungsregeln, die sich aus der besonderen Natur der Schiedsabrede ergeben (E. 3b).

116 IA 73 () from 16. Januar 1990
Regeste: Art. 86 Abs. 2 OG; letztinstanzlicher kantonaler Entscheid. Zu den Prozessrechtsverletzungen, die gemäss Art. 328 StrV/BE mit kantonaler Nichtigkeitsklage gerügt werden können, gehört auch eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör sowie des sich daraus ergebenden Rechts auf Begründung des Entscheides. Wurde dieses Rechtsmittel nicht ergriffen, kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden.

116 IA 76 () from 8. Februar 1990
Regeste: Art. 86/87 OG; Art. 276 ZPO/OW; Letztinstanzlichkeit, Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Die grundlegenden prozessualen Rechtsgrundsätze, die direkt aus Art. 4 BV hergeleitet werden, sind als "klares Recht" im Sinne von Art. 276 ZPO/OW zu betrachten. Ihre Verletzung durch das Obwaldner Obergericht in einem nach den Bestimmungen des Zivilprozessrechts durchzuführenden Ehrverletzungsverfahren ist daher zunächst mit kantonaler Kassationsbeschwerde zu rügen.

116 IA 81 () from 27. April 1990
Regeste: Besteuerung von stillen Reserven bei Verlegung des Geschäftsbetriebes einer Unternehmung in einen andern Kanton; Wegzugssteuer (Art. 4 BV; Willkürverbot, Rechtsgleichheitsgebot). Bei Wegfall der Steuerhoheit wegen Verlegung des Geschäftsbetriebes einer Unternehmung aus dem Kanton ist es sachlich vertretbar und damit nicht willkürlich, wenn die zulasten früherer Erträge auf angefangenen Arbeiten gebildeten stillen Reserven der Liquidationsgewinnsteuer unterworfen werden.

116 IA 85 () from 27. Juli 1990
Regeste: Art. 4 BV (Willkürverbot); Gesuch um Revision des Verfahrens nach § 169 ff. StPO/BL aufgrund eines als neues Beweismittel eingereichten Schreibens eines anonymen Zeugen, wonach der Verurteilte entlastet werden soll; Beweiswürdigung. 1. Der Zeuge, der anonym bleiben soll, ist nicht als eigentlicher Zeuge im strafprozessualen Sinn zu betrachten, da er weder vorgeladen noch einvernommen werden kann, wie er auch nicht über seine Personalien befragt werden und schliesslich mangels Bekanntgabe seiner Identität nicht der Strafandrohung von Art. 307 StGB unterstehen kann. 2. Scheidet somit die Einvernahme des anonymen Zeugen aus, so bleibt einzig seine schriftliche Stellungnahme als neues Beweismittel. Allein diese Stellungnahme ermöglicht dem Gericht aber keine Kontrolle über die tatsächliche Urheberschaft. Sie bietet damit keine Gewähr, dass sie auch wahr ist. Solange nicht im Vergleich mit andern Beweismitteln und Indizien die Glaubwürdigkeit des von einem anonymen Zeugen verfassten Schreibens als ganzes entscheidend erhöht wird und damit annähernd Gewissheit über dessen Wahrheitsgehalt besteht, ist es nicht willkürlich, bei der Beweiswürdigung nicht auf jeden einzelnen Hinweis eines derartigen Schreibens einzugehen und diesem die Tauglichkeit für eine Wiederaufnahme des Verfahrens abzusprechen.

116 IA 90 () from 29. August 1990
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. 1. Bestätigung der Rechtsprechung (BGE 115 Ia 14 f. E. 3a) zur Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung der Anwendung von Zustellungsgrundsätzen (E. 2b). 2. a) Allein durch eine polizeiliche Einvernahme wird noch kein (Straf)prozessrechtsverhältnis begründet. Es ist daher willkürlich, davon auszugehen, der polizeilich Einvernommene habe mit der Zustellung von Gerichtsurkunden rechnen müssen (E. 2c/aa). b) Hingegen entsteht mit der Mitteilung der Eröffnung einer Strafuntersuchung an den Angeschuldigten diesem gegenüber ein (Straf)prozessrechtsverhältnis, welches eine Empfangspflicht für dieses betreffende Gerichtsurkunden begründet (E. 2c/bb).

116 IA 94 () from 30. Mai 1990
Regeste: Art. 88 OG. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). Art. 4 BV; rechtliches Gehör, Heilung. Voraussetzungen, unter denen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens geheilt werden können (E. 2). Art. 4 BV, §§ 103 und 104 VRG LU; rechtliches Gehör, Augenschein. Dient eine Ortsbesichtigung dazu, einen streitigen Sachverhalt festzustellen, so müssen die am Verfahren Beteiligten auf Grund von Art. 4 BV zum Augenschein beigezogen werden. Wird ein Augenschein ohne Parteien vorgenommen, so genügt die nachträglich gestützt auf § 104 VRG eingeräumte Möglichkeit, zum Augenscheinsprotokoll Stellung zu nehmen, den Anforderungen an das rechtliche Gehör nicht (E. 3).

116 IA 102 () from 31. Mai 1990
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. 1. Die zürcherische Praxis, nach der dem Gesuchsteller mit Bezug auf die Person des Verteidigers grundsätzlich nur ein einmaliges Vorschlagsrecht zu Beginn der Strafuntersuchung zukommt, ist nicht willkürlich (E. 4a). 2. Diese zürcherische Praxis verletzt im zu beurteilenden Anwendungsfall auch nicht den aus Art. 4 BV fliessenden verfassungsrechtlichen Minimalanspruch auf unentgeltliche Verteidigung (E. 4b).

116 IA 106 () from 13. März 1990
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Entschädigung für Enteignungen im Rahmen einer Baulandumlegung, Stichtag. Möglichkeit der nachträglichen Anfechtung der zu Beginn eines Umlegungsverfahrens festgelegten Entschädigungsansätze (E. 2). Dauert eine Landumlegung mehrere Jahre und steigen in dieser Zeit die Landpreise erheblich an, so kann als Stichtag für die Bemessung der Entschädigung für Minderzuteilungen und Landabtretungen an öffentliche Werke nicht der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung gewählt werden (E. 3). In der Weigerung des Enteignungsrichters, die nötigen Abklärungen zur Bestimmung der Höhe des werkbedingten Vor- oder Nachteils vorzunehmen, liegt ein Verstoss gegen Art. 4 BV (E. 4).

116 IA 113 () from 2. März 1990
Regeste: Art. 4 BV: Die vom Genfer Gesetzgeber vorgenommene Einteilung von Betrieben zur Abgabe von Speisen und Getränken ist nicht willkürlich und führt für sich allein zu keiner rechtsungleichen Behandlung (E. 2). Art. 31 Abs. 2 BV: Die vom Gesetz vorgesehene Verpflichtung, Betriebe mit Alkoholausschankbewilligung zwischen 11 und 14 Uhr offenzuhalten, entspricht keinem öffentlichen Interesse, soweit diese Verpflichtung für eine Bar gilt, die über Mittag keine warmen Speisen anbietet. In Anbetracht der persönlichen Situation der Beschwerdeführer ist diese Verpflichtung auch unverhältnismässig (E. 3).

116 IA 118 () from 27. August 1990
Regeste: Art. 31 und 4 BV. Verbot der selbständigen und entgeltlichen Ausübung der Dentalhygiene. 1. Die entgeltliche Tätigkeit der Dentalhygienikerin steht unter dem Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit. Das Verbot der selbständigen Berufsausübung der Dentalhygiene bedarf der für Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit notwendigen Voraussetzungen (E. 2 und 3). 2. Das Verbot findet im zürcherischen Gesundheitsrecht, das die selbständige Ausübung von zahnbehandelnden Tätigkeiten ohne Nennung der Dentalhygiene abschliessend regelt, eine klare gesetzliche Grundlage (E. 4). 3. Es beruht angesichts gewisser gesundheitlicher Risiken, für deren medizinische Behandlung die Dentalhygienikerin nicht ausgebildet ist, auf überwiegenden öffentlichen Interessen (E. 5). 4. Da sich nicht in klarer und praktikabler Weise ungefährliche von riskanter Tätigkeit unterscheiden lässt, ist das Verbot für den Schutz des Publikums vor Gesundheitsgefährdung geeignet und notwendig und somit verhältnismässig (E. 6). 5. Das Verbot verletzt auch nicht das Rechtsgleichheitsgebot (E. 7).

116 IA 135 () from 3. August 1990
Regeste: Art. 4, 58 BV; Ablehnung eines Richters und eines Experten. 1. Durch Art. 58 Abs. 1 BV garantierter Schutz (E. 2). 2. Ablehnung eines im Rahmen der Verhandlungsvorbereitung gestellten und anlässlich der Gerichtsverhandlung wiederholten Beweisantrags durch den Gerichtspräsidenten. Die Gesuchsverweigerung ist kein Grund zur Ablehnung des Gerichtspräsidenten (E. 3b). 3. Strafgericht, das von einem ausserordentlichen, sonst den Anwaltsberuf ausübenden Richter präsidiert wird. Dieser Präsident scheint befangen, wenn er als Anwalt ein bedeutendes Bankinstitut als Klienten hat und dieses ein erhebliches finanzielles Interesse an einem mit dem Strafverfahren konnexen Geschäft hat (E. 3c). 4. Verwirkung des Rechts auf Ablehnung eines Experten (E. 4).

116 IA 149 () from 29. August 1990
Regeste: Persönliche Freiheit; Verhaftung. 1. Ausnahme vom Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses gemäss Art. 88 OG (E. 2). 2. Recht auf persönliche Freiheit insofern, als es vor willkürlicher Verhaftung schützt; Rechtsprechung und Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3 und 4). 3. Im konkreten Fall Bejahung des fehlenden öffentlichen Interesses an der Beschränkung der persönlichen Freiheit und der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (E. 5).

116 IA 154 () from 17. Mai 1990
Regeste: Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit. Verrechnung; Aussetzung des Schiedsverfahrens. 1. Ein Entscheid über die Aussetzung des Schiedsverfahrens gemäss Art. 29 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit fällt nicht unter Art. 87 OG (E. 2). 2. Der Entscheid über die Aussetzung des Schiedsverfahrens gemäss Art. 29 des Konkordats unterliegt wie ein Entscheid über die Zuständigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde im Sinn von Art. 9 und 36 lit. b des Konkordats (E. 3). 3. Art. 29 des Konkordats ist restriktiv auszulegen: Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, dass das Schiedsgericht das Verfahren nicht aussetzt, bevor es das Vorliegen der Verrechnungserfordernisse geprüft hat (E. 4c). Ferner ist der Entscheid nur für den Betrag auszusetzen, für welchen Verrechnung geltend gemacht wird, während das Instruktionsverfahren hinsichtlich der Hauptklage weiterzuführen ist (E. 5).

116 IA 162 () from 27. Juni 1990
Regeste: Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Kostenauflage bei Freispruch oder Einstellung des Strafverfahrens. Es ist verfassungswidrig, einem nicht verurteilten Angeschuldigten wegen eines allein unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens Kosten zu überbinden (E. 2a, b; Änderung der Rechtsprechung). Dagegen ist es mit Verfassung und Konvention vereinbar, einem Angeschuldigten bei Freispruch oder Einstellung des Strafverfahrens Kosten aufzuerlegen, wenn er in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise (d.h. im Sinne einer analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze) gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die aus der gesamten schweizerischen Rechtsordnung stammen kann, klar verstossen und dadurch das Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat (E. 2c-e). Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden, mit denen eine Kostenauflage wegen Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung angefochten wird (E. 2f).

116 IA 177 () from 21. Mai 1990
Regeste: Art. 87 und 88 OG; staatsrechtliche Beschwerde eines Nachbarn gegen eine Baubewilligung; Entscheid über die aufschiebende Wirkung; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. Der Entscheid, mit dem eine Rechtsmittelinstanz im Beschwerdeverfahren gegen die Erteilung einer Baubewilligung die aufschiebende Wirkung erteilt oder verweigert, ist ein Zwischenentscheid (E. 2a); im konkreten Fall kann er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken (E. 2b). Wer in der Sache selbst nicht beschwerdebefugt ist, ist auch nicht zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Verweigerung oder die Aufhebung der aufschiebenden Wirkung legitimiert (E. 3).

116 IA 181 () from 30. Mai 1990
Regeste: Art. 86 Abs. 2 und 87 OG; Zwischenentscheid in einem Baulandumlegungsverfahren. 1. Einer neben Art. 4 BV geltend gemachten Rüge kommt keine selbständige Bedeutung zu, wenn dem Bundesgericht in diesem Bereich bloss eine Prüfung auf Willkür hin zusteht (E. 3). 2. Endentscheid und Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG (E. 3a). 3. Nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 87 OG (E. 3b).

116 IA 186 () from 19. Juni 1990
Regeste: Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Parallelbeschwerde bei freiwilliger Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 58 BV, Art. 86 Abs. 2 und 3 OG). Bei gleichzeitiger Anfechtung eines Entscheides mit einem kantonalen Rechtsmittel und einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 58 BV ist auf die sistierte staatsrechtliche Beschwerde nach Abweisung des kantonalen Rechtsmittels nur einzutreten, wenn auch dieser Rechtsmittelentscheid angefochten wird.

116 IA 193 () from 27. Juli 1990
Regeste: Art. 4 und Art. 22ter BV; Zonenplanung (Art. 15 RPG). 1. Verfahren: Beanstandung der Einzonung fremden Landes (E. 1b). 2. Gleichbehandlungsgebot bei Planungsmassnahmen (E. 3b). Bedeutung des Erschliessungsgrads für die Behandlung eines Grundstücks in der Nutzungsplanung (E. 3d).

116 IA 197 () from 27. Juli 1990
Regeste: Art. 4 BV; Zonenplanung (Art. 15 RPG). 1. Verfahren (Art. 87 OG): Gegen einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid im Rahmen eines Zonenplanungsverfahrens kann staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV geführt werden, wenn das Bundesgericht in einem durch die Gemeinde gleichzeitig angehobenen Verfahren ohnehin weitgehend über dieselben Fragen zu entscheiden hat (E. 1b). 2. Begriff des Landes, das weitgehend überbaut ist, im Sinne von Art. 15 lit. a RPG. Bedeutung der Erschliessung im Rahmen der Gesamtbeurteilung (E. 2b).

116 IA 202 () from 11. September 1990
Regeste: Art. 4 BV, § 162 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH; Willkür, Verletzung des Anklagegrundsatzes. Nach § 162 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH muss aus der Anklageschrift auf alle Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, zumindest geschlossen werden können (ob sie ausdrücklich aufgeführt sein müssen, offengelassen; E. 2a). Umschreibt die Anklageschrift eine Garantenstellung aus Obhutspflicht und kann daraus die im Urteil angenommene Garantenstellung aus Ingerenz offensichtlich nicht abgeleitet werden, so ist es willkürlich, eine Verletzung des Anklagegrundsatzes zu verneinen (E. 2b).

116 IA 215 () from 11. Oktober 1990
Regeste: Anforderungen an die Publikationspflicht bei Nutzungsplanänderungen (Art. 33 RPG, Art. 4 BV). Nichtigkeit und Anfechtbarkeit bei mangelhafter Publikation. 1. Entspricht die Publikation einer Teilrevision eines Zonenplans den Anforderungen von Art. 33 RPG und Art. 4 BV, wenn sie einzig im Anschlagkasten der Gemeinde bekanntgemacht wird? Frage offengelassen (E. 2b). 2. Entspricht die nach ortsüblicher Praxis erfolgte Veröffentlichung einer Zonenplan- und Baugesetzänderung im Anschlagkasten der Gemeinde den Anforderungen von Art. 33 RPG und Art. 4 BV nicht, liegt nur ein anfechtbarer rechtlicher Mangel des Publikationsverfahrens vor, der keine Nichtigkeit der publizierten Änderung zur Folge hat (E. 2c).

116 IA 221 () from 27. Juli 1990
Regeste: Zonenplanung (Art. 15 RPG); Gemeindeautonomie, Eigentumsgarantie und Art. 4 BV. 1. Verfahren: Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde einer Gemeinde, deren Zonenplan teilweise nicht genehmigt wurde (E. 1d). Private, die gleichzeitig wie die Gemeinde die teilweise Nichtgenehmigung des Zonenplans anfechten und diesbezüglich im wesentlichen die gleichen Fragen aufwerfen, sind ebenfalls zur Beschwerdeführung befugt (E. 1e). Parteistellung einer Beschwerdeführerin, die nach Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde ihr Grundstück verkauft hat (E. 1b). 2. Den Gemeinden des Kantons Solothurn steht auf dem Gebiet der Ortsplanung Autonomie zu (E. 2b). 3. Die generelle Ausrichtung der Bauzone auf die doppelte Einwohnerzahl einer Gemeinde ist mit dem Bundesrecht nicht vereinbar (E. 3b). 4. Zum Inhalt des Richtplans des Kantons Solothurn. Die Erschliessungsplanung ist auf die neue Nutzungsplanung auszurichten (E. 4a). 5. Nichtgenehmigung von Teilen eines kommunalen Zonenplans (E. 4d).

116 IA 237 () from 12. Oktober 1990
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit; Zulassung zum Anwaltsberuf. 1. Schweizer und Ausländer können sich in gleicher Weise auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen; ausgenommen vom Schutzbereich dieses Grundrechts sind allein fremdenpolizeiliche Anordnungen (E. 2; Änderung der Rechtsprechung). 2. Es ist mit der Handels- und Gewerbefreiheit in der Regel vereinbar, den Ausländer vom Anwaltsberuf auszuschliessen (E. 3).

116 IA 252 () from 26. September 1990
Regeste: Anbringen eines Kruzifixes in den Schulzimmern einer Primarschule; Gemeindeautonomie; Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 49 BV); Religionsneutralität des Schulunterrichts (Art. 27 Abs. 3 BV). 1. Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Prüfung der Rüge der Verletzung der Religionsneutralität gemäss Art. 27 Abs. 3 BV im konkreten Fall (E. 1). 2. Zusammenfassung der Rechtsprechung über die Voraussetzungen, unter denen eine Gemeinde eine Verletzung ihrer Autonomie mittels staatsrechtlicher Beschwerde geltend machen kann, und über die zulässigen Rügen (E. 3). 3. Autonomie der Tessiner Gemeinden hinsichtlich des Anbringens von Kruzifixen in den Schulzimmern einer Primarschule (E. 4). 4. Tragweite der Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Religionsneutralität des Staates (E. 5). 5. Tragweite des Prinzips der religiösen Neutralität öffentlicher Schulen (E. 6). 6. Das Anbringen eines Kruzifixes in den Schulzimmern einer Primarschule entspricht der in Art. 27 Abs. 3 BV gewährleisteten Religionsneutralität nicht (E. 7 und 8).

116 IA 264 () from 15. Juni 1990
Regeste: Berufliche Vorsorge; steuerrechtliche Behandlung von Einkaufsbeiträgen; Frage des zulässigen Rechtsmittels. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig, wenn öffentliches Recht des Bundes die Grundlage bildet, auf die sich die Verfügung stützt oder stützen sollte (E. 2). Die steuerrechtlichen Vorschriften von Art. 80-84 BVG sind Steuerharmonisierungsbestimmungen. Die Verletzung dieser Vorschriften ist im Bereich der kantonalen Steuern mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 ÜbBest.BV geltend zu machen (E. 3). Die Verweigerung des Abzugs (Art. 81 Abs. 2 BVG) von Beiträgen zum Einkauf früherer Beitragsjahre in ein vor dem 1. Januar 1985 begründetes Vorsorgeverhältnis der 2. Säule für Angehörige der Eintrittsgeneration, deren Anspruch auf Altersleistungen vor dem 1. Januar 2002 entsteht, verletzt Bundesrecht nicht (E. 4).

116 IA 277 () from 28. September 1990
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 80 ff. und Art. 98 BVG. Die Steuerbestimmungen des BVG sind Steuerharmonisierungsvorschriften, die der Ausführung durch den Gesetzgeber bedürfen (E. 2). Art. 81 Abs. 2 i.V. mit Art. 98 Abs. 4 BVG verpflichten den Kanton, Beiträge der Erwerbstätigen einschliesslich Einkaufsbeiträge für Versicherungsjahre vor 1985 voll zum Abzug vom steuerbaren Einkommen zuzulassen, wenn der Altersrentenanspruch nach dem Vorsorgereglement erst nach dem 31. Dezember 2001 entsteht (E. 3a-d). Die Regelung von Art. 202quater des Zürcher Steuergesetzes, wonach der Abzug von Einkaufsbeiträgen auch ausgeschlossen ist, wenn nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung gekürzte Altersleistungen vor dem 1. Januar 2002 gefordert werden können, ist bundesrechtswidrig (E. 3e-f).

116 IA 289 () from 25. April 1990
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK; Recht des Angeschuldigten, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen. Umstände, unter denen die dem Angeschuldigten einmalig (im Ermittlungsverfahren) eingeräumte Möglichkeit, die ihn belastenden Personen zu befragen, dem durch Art. 6 EMRK bzw. Art. 4 BV garantierten Anspruch auf ein faires Verfahren bzw. auf rechtliches Gehör nicht zu genügen vermag (E. 2, 3).

116 IA 305 () from 14. Juni 1990
Regeste: 1. Art. 4 und Art. 58 BV, Art. 168 StPO/BS; Unmittelbarkeitsprinzip. Eine Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips durch Vorlage von Beweisstücken an die Richter schon vor dem Verhandlungstag verstösst in willkürlicher Weise gegen § 168 StPO/BS (E. 3b). Haben die urteilenden Richter (mit Ausnahme des Präsidenten) ohne vorherige Aktenkenntnis in der Hauptverhandlung die für das Urteil wesentlichen Beweiserhebungen vorgenommen, so ist eine willkürliche Anwendung von § 168 StPO/BS zu verneinen, selbst wenn sie aus einem vorangegangenen konnexen Verfahren, in welchem der Unmittelbarkeitsgrundsatz beachtet worden war, Kenntnis vom Prozessstoff hatten (E. 3d). 2. Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4; faires Verfahren (Waffengleichheit). Stehen die Taten mehrerer Angeschuldigter in einem nahen sachlichen Zusammenhang, sollten die Strafverfolgungsbehörden nicht leichthin eine Verfahrenstrennung vornehmen. Dies gilt insbesondere in Fällen der Teilnahme, wenn Umfang und Art der Beteiligung wechselseitig bestritten sind und die Gefahr besteht, dass der eine Teilnehmer die Schuld dem andern zuweisen will (E. 4b). Wird ein Angeschuldigter von einem sachlich zusammenhängenden Verfahren mit der Begründung ausgeschlossen, er werde eventuell als Zeuge oder als Auskunftsperson benötigt, und wird er in jenem Verfahren belastet ohne dazu Stellung nehmen zu können, so verletzt dies den Grundsatz des fairen Verfahrens (Waffengleichheit; E. 4c). Zur Problematik des Auflegens von Kassibern zu Verhandlungsbeginn (E. 4d).

116 IA 316 () from 26. Oktober 1990
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Art. 88 OG und Art. 49, Art. 50 BV. Ein einzelner Bürger ist nicht legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine kantonale Gesetzesbestimmung anzufechten, nach welcher der Regierungsrat christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften, nicht aber andern religiösen Gemeinschaften administrative Vorteile gewähren darf.

116 IA 321 () from 9. November 1990
Regeste: Rechtsgleichheit bei der Besteuerung des Eigenmietwertes. Art. 4 BV; § 20 des zürcherischen Gesetzes vom 8. Juli 1951 über die direkten Steuern (Steuergesetz, StG). 1. Nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 StG ist es zulässig, bei der Festsetzung des Eigenmietwertes der Stockwerkeigentümer vom marktüblichen Mietzins 30% abzuziehen (E. 2). 2. Die vollständige Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung ohne ausgleichende Massnahmen würde Art. 4 BV verletzen. Es steht den Kantonen aber frei, bei der Festsetzung des Eigenmietwertes vom Marktmietwert abzuweichen (E. 3).

116 IA 325 () from 31. Mai 1990
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör, Anspruch auf die Erstellung von Kopien. Grundsätzlicher Anspruch auf die Herstellung von Kopien in einem gewissen Umfang bejaht.

116 IA 328 () from 9. Oktober 1990
Regeste: Art. 4 BV und Art. 15 RPG; Zuweisung eines Grundstücks zur Reservezone gemäss § 65 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich. 1. Die Zuweisung zu einer Reservezone setzt eine bundesrechtskonforme Ausscheidung der Grundnutzungszonen voraus. Insbesondere ist Land, das nach der gesetzlichen Vorschrift in die Bauzone gehört, in eine Bauzone und nicht in eine Reservezone einzuweisen (E. 3). 2. Bei der Bauzonendimensionierung auf 15 Jahre ist auch das gehortete Bauland der Wohnbaulandreserve anzurechnen (E. 4).

116 IA 345 () from 31. Oktober 1990
Regeste: Art. 31 und Art. 116 BV; Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit zur Erhaltung des Rätoromanischen 1. Aufgrund von Art. 116 BV besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an Massnahmen zur Erhaltung der heute noch bestehenden rätoromanischen Sprachregionen. Dieses Interesse bildet ein zulässiges Motiv für Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 5). 2. Im konkreten Fall ergibt die Interessenabwägung, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an einem Verbot nicht-rätoromanischsprachiger Reklameschilder besteht (E. 6).

116 IA 359 () from 27. November 1990
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Art. 4 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 und Art. 74 Abs. 4 BV; Art. 16 KV/AI; Gleichberechtigung bei den politischen Rechten. 1. Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides (E. 2). 2. Legitimation zur Stimmrechtsbeschwerde (E. 3). 3. Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen durch das Bundesgericht (E. 4). 4. Grundsätze für die Verfassungsauslegung (E. 5). 5. Auslegung von Art. 74 Abs. 4 und Art. 4 Abs. 2 BV (E. 6). 6. Ist Art. 74 Abs. 4 BV ein echter Vorbehalt gegenüber Art. 4 Abs. 2 BV? Hinweise auf die Materialien und die Lehre (E. 7 und 8). Frage verneint. Art. 4 Abs. 2 BV gilt auch für die politischen Rechte (E. 9a und b). 7. Die bisherige Auslegung von Art. 16 KV/AI verstösst gegen Art. 4 Abs. 2 BV und Art. 6 Abs. 2 BV (E. 9c und 10a). 8. Verfassungskonforme Auslegung von Art. 16 KV/AI (E. 10c). 9. Die Feststellung, dass den Frauen im Kanton Appenzell I.Rh. die politischen Rechte zustehen, gilt ab Eröffnung des bundesgerichtlichen Entscheides (E. 10d).

116 IA 420 () from 19. Dezember 1990
Regeste: Persönliche Freiheit; Verhältnismässigkeit der Untersuchungshaft; Hafterstehungsfähigkeit eines drogenabhängigen Aids-Kranken. 1. Kerngehalt der persönlichen Freiheit. Die Tatsache allein, dass ein Untersuchungsgefangener Aids-krank und suizidgefährdet ist, hat im allgemeinen nicht ein derart grosses, absolut wirkendes Gewicht, dass sie von vornherein jedem Haftzweck vorgeht und damit die Entlassung aus der Untersuchungshaft rechtfertigt (E. 3b). 2. Verhältnismässigkeit: Die Abwägung zwischen dem Haftzweck und den Auswirkungen der Haft auf den Betroffenen ergibt, dass im vorliegenden Fall die Untersuchungshaft nicht unverhältnismässig ist (E. 3).

116 IA 442 () from 29. Oktober 1990
Regeste: Art. 86 OG; Letztinstanzlichkeit. Bestehen ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der mit staatsrechtlicher Beschwerde erhobenen Rügen im kantonalen Verfahren, so braucht das entsprechende kantonale Rechtsmittel nicht ergriffen zu werden (E. 1a). Art. 87 OG; Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid. 1. Rückweisungsentscheide sind Zwischenentscheide, sofern der unteren Instanz eine gewisse Entscheidungsfreiheit bleibt. Das trifft hier nach kantonalem und nach Bundesrecht zu (E. 1b). 2. Nicht wiedergutzumachender Nachteil; es genügt, wenn der Nachteil in einem an das kantonale Verfahren anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren beseitigt werden kann (E. 1c).

116 IA 455 () from 22. Januar 1990
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör; Anklagegrundsatz. Bei Fahrlässigkeitstaten müssen in der Anklageschrift sämtliche Umstände aufgeführt werden, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens sowie die Vorhersehbarkeit und die Vermeidbarkeit des eingetretenen Erfolges ergeben sollen. Eine Verurteilung aufgrund eines von der Anklageschrift abweichenden Sachverhalts verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn die Anklage nicht rechtzeitig und in hinreichender Weise im Verlaufe des Verfahrens entsprechend ergänzt oder abgeändert wurde.

116 IA 459 () from 14. November 1990
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltlicher Rechtsbeistand für eine Geschädigte in der Strafuntersuchung. Eine durch einen ausgebildeten Juristen und erfahrenen Amtsvormund verbeiständete Geschädigte hat in der Strafuntersuchung keinen Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand.

116 IA 477 () from 19. November 1990
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Wahl der Gemeindeexekutive; Verwandtschaftsgrad als Unvereinbarkeitsgrund. 1. Gleich wie im Fall der Unwählbarkeit, kann die Frage der Unvereinbarkeit aufgrund von Verwandtschaft oder Verschwägerung im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG gestellt werden (E. 1). 2. Der in Art. 48 lit. d des Waadtländischen Gesetzes über die Gemeinden vom 28. Februar 1956 enthaltene Begriff "Schwager" findet nur Anwendung auf Blutsverwandte des Ehegatten und nicht auf Angeheiratete; er betrifft also nicht die Ehegatten von zwei Schwestern (E. 2).

116 IA 491 () from 15. August 1990
Regeste: Lärmschutzmassnahmen; derogatorische Kraft des Bundesrechts. Das Umweltschutzrecht des Bundes schliesst nicht aus, dass kantonales oder kommunales Recht mit Rücksicht auf Wohnzonen einen in einer angrenzenden Industrie- und Gewerbezone gelegenen Betrieb, der abends und nachts zu Ruhestörungen führen kann, untersagt (E. 1a). Verbot eines Dancings gestützt auf kommunales Recht (E. 2a).

116 IB 37 () from 26. Januar 1990
Regeste: Konzessionsverletzung durch eine Unterhaltungssendung am Fernsehen. BB über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen vom 7. Oktober 1983, Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft vom 5. Oktober 1987. 1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts; der Unabhängigen Beschwerdeinstanz zustehender Beurteilungsspielraum (E. 2). Zuständigkeit der Unabhängigen Beschwerdeinstanz zur Beurteilung unbezahlter Werbung nach Art. 4 und 15 der Konzession (E. 5). 2. Legitimation zur Beanstandung einer Radio- oder Fernesehsendung gemäss Art. 14 lit. a BB (E. 3, 4). Anspruch auf rechtliches Gehör im Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (E. 4). 3. Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit als Kriterien der Objektivität einer Sendung (E. 5). Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Art. 4 der Konzession, wenn heikle, mit grösstem Takt und geistigem Anspruch zu behandelnde Themen in einer Unterhaltungssendung zur Schau gestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben werden (E. 6, 8).

116 IB 50 () from 14. März 1990
Regeste: Art. 9 und 30 Abs. 2 USG, Art. 27 GSchG, Art. 24 RPG; Planungs- und Bewilligungspflicht einer Abfalldeponie; Koordination in materieller und formeller Hinsicht; Massgebliches Verfahrens für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). 1. Planungspflicht: Für eine Abfalldeponie, die wegen ihres Ausmasses und ihrer Auswirkungen auf die Nutzungsordnung nur in einem Planungsverfahren angemessen erfasst werden kann, ist die Festsetzung eines Nutzungsplans erforderlich (E. 3). 2. Pflicht zur materiell und verfahrensmässig koordinierten Rechtsanwendung im Leitverfahren (hier: Nutzungsplanung), soweit die verschiedenen für die Bewilligung einer grösseren Deponie anwendbaren Vorschriften einen engen Sachzusammenhang aufweisen (E. 4a-c). - Verhältnis zur UVP-Pflicht: Das Leitverfahren ist für UVP-pflichtige Anlagen das massgebliche Verfahren i.S. von Art. 5 Abs. 3 UVPV. Die Überprüfung einer Anlage auf ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften über den Schutz der Umwelt hat vor allem auch die Anliegen der Raumplanung miteinzubeziehen. Art. 3 UVPV enthält keine abschliessende Aufzählung der zu prüfenden Bestimmungen (E. 4d). - Bundesrechtliche Rechtsmittel (E. 4e). 3. Eine Deponiebewilligung nach Art. 30 Abs. 2 USG setzt auch voraus, dass die Vorschriften betreffend Lärmschutz, Luftreinhaltung etc. eingehalten werden (E. 5).

116 IB 73 () from 4. Mai 1990
Regeste: BG über die Anlagefonds (SR 951.31). Auflösung eines widerrechtlichen Anlagefonds, dessen Leitung nie eine Bewilligung zur Geschäftstätigkeit beantragt und erhalten hat. 1. Es handelt sich jedenfalls dann um eine gemeinschaftliche Kapitalanlage im Sinne von Art. 2 AFG, wenn die Fondsleitung nicht in der Lage ist, die einzelnen Guthaben der Anleger unter Hinweis auf die konkrete Verwendung und den genauen Bestand ihrer Vermögen zu individualisieren, sondern sich auf eine allgemeine Auskunft beschränken muss (E. 2). 2. Ist eine Bewilligung zur Geschäftstätigkeit nie beantragt worden, so sind die Art. 44 ff. AFG nur sinngemäss anwendbar. Hingegen finden Auflösung und Liquidation ihre gesetzliche Grundlage in Art. 28 und 43 AFG. Haben sich die Anleger auf eine rein spekulative Anlagetätigkeit eingelassen, kann die Aufsichtsbehörde die Gesetzmässigkeit herbeiführen, indem sie die sofortige Auflösung des nicht bewilligten Fonds anordnet. Dabei braucht sie die Folgen, welche diese Massnahme für die Anleger bewirken kann, nicht zu berücksichtigen, da Spekulanten vom Gesetz nur mittelbar geschützt werden (E. 4). 3. Die Aufgaben des Sachwalters bedingen (in Analogie zu Art. 46 Abs. 2 AFG) den vollen Zugriff auf den widerrechtlichen Anlagefonds (E. 5).

116 IB 169 () from 30. Mai 1990
Regeste: Art. 58 USG; kantonalrechtliche Enteignung für eine Reststoffdeponie, vorbereitende Handlungen. Bundesrecht wird auch verletzt, wenn eidgenössisches statt kantonales Recht angewendet wird. Entsprechende Rügen sind mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben (E. 1). Wenden die Kantone bei der Erfüllung der ihnen gemäss dem Bundesgesetz über den Umweltschutz obliegenden Aufgaben kantonales Enteignungsrecht an, so bleibt dieses selbständiges kantonales Recht (E. 2a). Die Verwaltungsgerichte haben im Streitfall die Anwendung des kantonalen Rechts auch aufgrund der Anforderungen von Art. 6 EMRK frei zu prüfen (E. 2b).

116 IB 185 () from 6. August 1990
Regeste: Art. 4 BV; Grundsatz von Treu und Glauben; Anwendung auf eine Waldfeststellungsverfügung bei Parzellen, welche in einem früher genehmigten Quartierplan als waldfrei galten. 1. Anwendung des Prinzips von Treu und Glauben auf unrichtige behördliche Auskünfte (Bestätigung der Rechtsprechung). Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung von Nutzungsplanfestsetzungen zu beachten (E. 3c). 2. Die Waldfeststellung auf Parzellen, welche in den Jahren 1973 bis 1976 bei der Ausarbeitung eines Quartierplanes als waldfrei erklärt wurden, verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben nicht. Die Rechtsänderung, die mit dem Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes eingetreten ist und dem der Quartierplan kaum entspricht, ist zu berücksichtigen. Auch schliesst der dynamische Waldbegriff nach 10-15 Jahren die Berufung auf den Vertrauensschutz aus.

116 IB 270 () from 28. September 1990
Regeste: Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot. 1. Legitimation der Arbeitnehmerverbände (E. 1a). 2. Kognition des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements (E. 3). 3. Ratio legis des Nacht- und Sonntagsarbeitsverbots; Ausnahmen vom Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot; Begriff der wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit; Verhältnis zwischen Nachtarbeitsverbot und Sonntagsarbeitsverbot (E. 4, 5). 4. Kriterium der Berufsüblichkeit für die Bewilligung von Frauensonntagsarbeit; Sonderschutz weiblicher Arbeitnehmer und Gleichstellung von Frau und Mann (E. 6, 7).

116 IB 284 () from 28. September 1990
Regeste: Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot. 1. Legitimation der Arbeitnehmerverbände (E. 1b). 2. Ratio legis des Nacht- und Sonntagsarbeitsverbots; Ausnahmen vom Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot; Begriff der wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit von Nacht- und Sonntagsarbeit; Verhältnis zwischen Nachtarbeitsverbot und Sonntagsarbeitsverbot (E. 4, 5). 3. Kriterium der Berufsüblichkeit für die Bewilligung von Frauensonntagsarbeit; Sonderschutz weiblicher Arbeitnehmer und Gleichstellung von Frau und Mann (E. 6 bis 8).

116 IB 362 () from 7. Dezember 1990
Regeste: Fremdenpolizei: Umwandlung einer Saisonbewilligung in eine Jahresbewilligung. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Bestätigung der Rechtsprechung (E. 1). 2. Art. 28 Abs. 1 lit. a V über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO); Berechnung der massgebenden Aufenthaltsdauer innerhalb der letzten vier aufeinanderfolgenden Jahre, verstanden als Zeitraum von genau 48 Monaten. Eine Auslegung, die dazu führt, dass, ohne den besonderen Umständen des Falles Rechnung zu tragen, von der Zeit, während der sich der Saisonnier ordnungsgemäss zur Arbeit in der Schweiz aufgehalten hat, 18 Tage abgezogen werden müssen, widerspricht dem in Art. 28 Abs. 1 lit. a BVO verfolgten Ziel, ausländische Arbeitskräfte zu integrieren (E. 2).

116 IB 410 () from 14. Dezember 1990
Regeste: Voraussetzungen für einen endgültigen Ausschluss von den eidgenössischen Prüfungen für Ärzte; besondere Fachprüfung für Auslandschweizer und eingebürgerte Schweizer. 1. Gesetz- und Verfassungsmässigkeit von Art. 39 der Allgemeinen Medizinalprüfungsverordnung (AMV) und von Art. 3 lit. d der Verordnung über besondere Fachprüfungen für Auslandschweizer und eingebürgerte Schweizer (E. 3). 2. Es ist sachgerecht zu schliessen, dass ein Kandidat, der eine Prüfung über die grundlegenden Kenntnisse in der gewählten Berufsart drei Mal nicht bestanden hat, zur Ausübung dieses Berufes nicht geeignet ist. Es ist daher nicht unverhältnismässig, die Anzahl Prüfungsversuche, auf die ein Kandidat Anspruch hat, auf drei zu begrenzen, bevor er endgültig von jeder weiteren Prüfung in der gleichen medizinischen Berufsart ausgeschlossen wird. Ausnahmen von dieser Regel zuzulassen hiesse gleichzeitig, eine grosse Missbrauchsgefahr zu schaffen, namentlich auch im Bereich der besonderen Fachprüfungen für Auslandschweizer und eingebürgerte Schweizer (E. 4a-c). 3. Die ungeschriebene Regel, wonach zur Vermeidung eines besonderen Härtefalls von den Vorschriften über die eidgenössischen Medizinalprüfungen abgewichen werden kann, kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung (E. 4d).

116 IB 435 () from 15. Juni 1990
Regeste: Begrenzung von Lärmbelastung und Luftverunreinigung: zweistufiges Konzept gemäss Art. 11 USG in Verbindung mit Art. 12-15 USG (E. 5a, c, e). 1. Im Unterschied zu Zementfabriken unterliegen die Betonaufbereitungsanlagen nur dann der Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn der Massenstromanfall an Staub 50 kg/h überschreitet (UVPV Anhang Ziff. 70.15 in Verbindung mit LRV Anhang 1 Ziff. 41; E. 5b). 2. Nach dem Vorsorge-Prinzip hat die Behörde schon im Stadium der Projektierung tätig zu werden und insbesondere zu prüfen, ob die vorgesehene Anlage dem heutigen Stand der Technik entspricht (Art. 11, Art. 12 und Art. 25 USG; Art. 36 LSV; E. 5c). 3. Vorweggenomene Zuordnung der Empfindlichkeitsstufen zu den Nutzungszonen für die Bestimmung der Lärm-Belastungsgrenzwerte; Art des Vorgehens, Ermessensspielraum der kantonalen Behörde und Überprüfung durch das Bundesgericht (Art. 19 und Art. 23 USG; Art. 2-5, Art. 43, Art. 44 LSV; E. 5d aa). 4. Neue ortsfeste Anlage (Art. 25 USG, Art. 7 Abs. 1 LSV) oder wesentliche Änderung einer bestehenden Anlage (Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 LSV)? Die Änderung einer ortsfesten Anlage in baulicher und/oder betrieblicher Hinsicht, bei welcher von der alten Anlage nur Teile übrig bleiben, die im Hinblick auf die Umweltbelastung völlig unerheblich sind, ist dem Bau einer neuen Anlage gleichzustellen. In diesem Fall gilt Art. 25 USG als Spezialbestimmung gegenüber Art. 18 USG; es müssen daher die Planungswerte eingehalten werden (E. 5d bb). 5. Das Gebot von Art. 11 Abs. 2 USG gilt auch hinsichtlich von Luftverunreinigungen (Staubemissionen der projektierten Anlage); Erfordernis der Emissionserklärung gegenüber der Behörde (Art. 12 LRV) und Möglichkeit der Behörde, für eine Anlage, aus der erhebliche Emissionen zu erwarten sind, eine Imissionsprognose zu verlangen (Art. 28 LRV). Derartige Unterlagen gehören zu den Baugesuchs-Akten (E. 5e).

116 II 21 () from 22. März 1990
Regeste: Anordnung der Gütertrennung durch den Eheschutzrichter (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). 1. Ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, womit aufgrund von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB die Gütertrennung angeordnet oder verweigert wird, kann nicht mit Berufung, sondern nur mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte angefochten werden (E. 1). 2. Voraussetzung für die Anordnung der Gütertrennung durch den Eheschutzrichter ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts, die ihrerseits - nach Art. 175 ZGB - nur zulässig ist, wenn die Persönlichkeit eines Ehegatten, seine wirtschaftliche Sicherheit oder das Wohl der Familie durch das Zusammenleben gefährdet ist (E. 4). 3. Im vorliegenden Fall wird durch die Verweigerung der Gütertrennung Art. 4 BV nicht verletzt (E. 5).

116 II 76 () from 22. März 1990
Regeste: Art. 947 Abs. 3 OR. Der Familienname einer unbeschränkt haftenden Gesellschafterin mit einem Doppelnamen gemäss Art. 160 Abs. 2 ZGB kann nur ihr voller Doppelname sein (E. 2).

116 II 80 () from 6. Februar 1990
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; staatsrechtliche Beschwerde; Teilentscheide. Systematische Darstellung der Fälle, in welchen eine staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 85 lit. c OG zulässig ist. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Beschwerde gegen ein Teilurteil lato sensu.

116 II 253 () from 21. Juni 1990
Regeste: Haftung des die Erbschaft ausschlagenden Erben; Klage gemäss Art. 579 ZGB. 1. Der Entscheid eines kantonalen Gerichts, die Klage abzuweisen, weil der Kläger nicht aktivlegitimiert sei, kann von diesem ungeachtet der Natur der Forderung, für die der Erbe belangt wird (im konkreten Fall: Anspruch aus einem öffentlichrechtlichen Verhältnis), beim Bundesgericht mit Berufung angefochten werden (Erw. 1). 2. Zur Erhebung der Klage gemäss Art. 579 ZGB ist der einzelne Gläubiger des Erblassers auch dann legitimiert, wenn der Nachlass im Sinne der Art. 573 Abs. 1 ZGB und 193 Abs. 1 SchKG durch das Konkursamt liquidiert worden ist (Erw. 2-5).

116 II 381 () from 5. Juli 1990
Regeste: Art. 48 Abs. 1 OG; Ausweisung eines Mieters. Der Entscheid über das Ausweisungsbegehren eines Vermieters im Sinne von Art. 265 oder Art. 293 aOR, der gestützt auf das waadtländische Gesetz vom 18. Mai 1955 über das Ausweisungsverfahren in Miet- und Pachtsachen ergeht, ist kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG (E. 2).

116 II 497 () from 20. September 1990
Regeste: Verkündung des Eheversprechens; Zuständigkeit des Zivilstandsbeamten (Art. 106 ZGB, Art. 148 und Art. 149 ZStV). Die einmal begründete Zuständigkeit des Zivilstandsbeamten für die Leitung der Verkündung ist trotz der Bestimmung von Art. 149 Abs. 2 ZStV nicht von unbeschränkter Dauer. Wechselt der Bräutigam nach einem in negativer Weise abgeschlossenen Verkündverfahren seinen Wohnsitz, können die Brautleute an seinem neuen schweizerischen Wohnort ein neues Verkündverfahren einleiten. Der Wohnsitz des Bräutigams bestimmt sich auch bei einem Ausländer nach Art. 23 f. ZGB.

116 II 515 () from 26. Juli 1990
Regeste: Art. 4 BV, Art. 329d Abs. 1 und Abs. 2 OR; Ferienentschädigung, Abgeltungsverbot, willkürliche Rechtsanwendung. Eine Vereinbarung über den Einschluss der Ferienentschädigung im Arbeitslohn ist nur dann gültig, wenn der Anteil der Entschädigung prozentual oder ziffernmässig festgesetzt wird. Ein Entscheid, der diesen unumstrittenen Rechtsgrundsatz eindeutig verletzt, ist willkürlich.

116 II 575 () from 21. Dezember 1990
Regeste: Art. 4 BB über die Pfandbelastungsgrenze für nicht landwirtschaftliche Grundstücke; Berechnung des Verkehrswerts. Der Verkehrswert umfasst nicht die Kosten des Erwerbsgeschäfts (Notariatskosten, Grundbuchgebühren, Handänderungssteuern usw.). Diese Auslegung widerspricht dem Gleichbehandlungsgebot nicht.

116 II 622 () from 29. November 1990
Regeste: Internationales Privatrecht; Zuständigkeit der Gerichte; Gerichtsstandsvereinbarung; Übergangsrecht (Art. 5 und 197 IPRG, Art. 49 Abs. 1 OG). Ist eine Klage unter der Herrschaft des alten Rechts eingeleitet worden, so ist die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts im Lichte des kantonalen oder eidgenössischen Rechts zu prüfen, das die Zuständigkeit im Einzelfall regelte. Vorliegend bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit der Genfer Gerichte, da sie sich aus einer Gerichtsstandsklausel ergab, ausschliesslich nach kantonalem Prozessrecht, dessen Verletzung nur auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht werden kann.

116 II 625 () from 19. Dezember 1990
Regeste: Anerkennung und Vollstreckung eines zivilen amerikanischen Abwesenheitsurteils in der Schweiz. 1. Ausnahme von der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 2). 2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3). 3. Begriff und Inhalt des formellen Ordre public im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG. Gemilderter Ordre public bei der Anerkennung (E. 4a). Die Verletzung des prozessualen Ordre public wird vom Anerkennungsrichter nicht von Amtes wegen überprüft (E. 4b). 4. Die fehlende amtliche Zustellung des amerikanischen Abwesenheitsurteils verstösst nicht gegen den schweizerischen Ordre public (E. 4c). Tut dies die fehlende Urteilsbegründung? (E. 4d).

116 II 634 () from 14. November 1990
Regeste: Art. 85 lit. c OG und Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Ordre public. Auf Beschwerden wegen Verletzung des Ordre public tritt das Bundesgericht nur insoweit ein, als in der Beschwerdeschrift konkret geltend gemacht wird, gegen welchen fundamentalen Rechtsgrundsatz das angefochtene Schiedsurteil im Ergebnis verstösst. Selbst klare Rechtsverletzungen und offensichtlich falsche Tatsachenfeststellungen genügen für sich allein nicht, um einen Schiedsspruch wegen Verletzung des Ordre public aufzuheben (E. 4).

116 II 651 () from 13. November 1990
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege (Art. 152 OG). Kollektiv- und Kommanditgesellschaften haben Anspruch auf unentgeltliche Zivilrechtspflege, wenn die Prozessarmut sowohl der Gesellschaft wie aller unbeschränkt haftenden Gesellschafter ausgewiesen ist.

116 II 657 () from 15. November 1990
Regeste: Tragweite des Bürgerrechtserwerbs der verheirateten Frau gestützt auf Art. 8b SchlT ZGB. 1. Soweit das Bürgerrecht minderjähriger Kinder in Frage steht, sind nur diese zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, nicht aber ihre Eltern. Diese sind nur als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder am Verfahren beteiligt (E. 1b). 2. Art. 8b SchlT ZGB verleiht nur der Schweizerin, die sich unter dem bisherigen Recht verheiratet hat, die Befugnis, ihr Ledigenbürgerrecht wieder anzunehmen. Ihre Kinder, die vor dem 1. Januar 1988 geboren wurden und das Schweizer Bürgerrecht der Mutter besitzen, können in den Erwerb des Ledigenbürgerrechts nicht einbezogen werden (E. 2-5).

116 II 721 () from 9. November 1990
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Ausschluss der Bestimmungen des IPRG durch Rechtswahl im Sinne von Art. 176 Abs. 2 IPRG; Anfechtbarkeit des Rechtsmittelentscheides im Fall einer Prorogation gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG? 1. Die Frage, ob eine gültige Rechtswahl im Sinne von Art. 176 Abs. 2 IPRG getroffen worden ist, kann dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. d OG im Nachgang zum Rechtsmittelentscheid des kantonalen Gerichts unterbreitet werden (E. 3). Voraussetzungen einer gültigen Rechtswahl (E. 4). 2. Im Fall der Prorogation im Sinne von Art. 191 Abs. 2 IPRG ist es ausgeschlossen, die Rügen gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen den Rechtsmittelentscheid des kantonalen Gerichts zu unterbreiten. Frage offengelassen, ob diesfalls die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich unzulässig ist (E. 5). 3. Nichteintreten auf die Beschwerde, soweit kein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides besteht (E. 6).

116 II 745 () from 13. November 1990
Regeste: Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; Anforderungen an die Berufungsbegründung. Präzisierung der Rechtsprechung, wonach auf eine Berufung, deren Begründung im wesentlichen mit jener der konnexen staatsrechtlichen Beschwerde oder einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde übereinstimmt, nicht eingetreten wird (BGE 116 II 92 Nr. 16, 115 II 396 ff.).

116 III 62 () from 22. November 1990
Regeste: Art. 80 SchKG; Rechtsöffnung für Scheidungsrenten; Indexklausel. Ist die Erhöhung einer Scheidungsrente entsprechend dem Lebenskostenindex an die Voraussetzung geknüpft worden, dass sich das Einkommen des Pflichtigen dem Anstieg der Lebenshaltungskosten anpasst, so fragt sich nur, ob sich sein Einkommen insgesamt entsprechend der Teuerung erhöht hat. Es ist willkürlich, nur die in Form von Teuerungszulagen erfolgten Lohnerhöhungen zu berücksichtigen, die Reallohnerhöhungen aber ausser acht zu lassen.

116 III 66 () from 19. September 1990
Regeste: Art. 81 und Art. 265 Abs. 1 SchKG. Der Konkursverlustschein bildet keinen urkundlichen Beweis für den Bestand einer Gegenforderung, die dem Begehren um definitive Rechtsöffnung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG verrechnungsweise entgegengehalten werden könnte (E. 4).

116 III 70 () from 20. November 1990
Regeste: 1. Willkürliche Ausübung der Überprüfungsbefugnis des freiburgischen Zivilkassationshofes. Art. 310 Abs. 1 lit. a ZPO FR begrenzt die Überprüfungsbefugnis des freiburgischen Zivilkassationshofes auf Willkür; die Ausweitung dieser Überprüfungsbefugnis ist willkürlich (E. 2). 2. Art. 82 OR. Art. 82 OR nicht auf Gesellschaftsverträge anzuwenden, ist nicht willkürlich (E. 3).

116 IV 262 () from 14. Juni 1990
Regeste: Art. 130bis BdBSt (Steuerbetrug) und Art. 129 BdBSt (Steuerhinterziehung); ne bis in idem. 1. Grundlage des Grundsatzes ne bis in idem (E. 3a). 2. Die Hinterziehungsbusse gemäss Art. 129 BdBSt hat (unter Vorbehalt eines in ihr enthaltenen Verspätungszinses) Strafcharakter (E. 3b/aa). 3. Der Steuerbetrug gemäss Art. 130bis BdBSt stellt der Sache nach einen qualifizierten Fall der Steuerhinterziehung dar (E. 3b/bb). 4. Kann eine Bestrafung wegen Steuerbetruges für ein Verhalten, das bereits unter dem Gesichtspunkt der Hinterziehung beurteilt worden ist, eine mit dem Grundsatz ne bis in idem unvereinbare Doppelverfolgung darstellen? (E. 3b/cc und 4).

116 IV 288 () from 26. November 1990
Regeste: Art. 63 StGB; Strafzumessung. Das Bundesgericht prüft frei, ob die ausgesprochene Strafe Bundesrecht entspricht (Präzisierung der Rechtsprechung). Eine Strafzumessung, die von den gesetzlichen Beurteilungskriterien ausgeht, verletzt Bundesrecht nur, wenn die Strafe überaus hart oder milde angesetzt wurde, so dass gesagt werden muss, die kantonale Behörde habe das ihr zustehende Ermessen überschritten (E. 2b).

116 V 182 () from 17. Juli 1990
Regeste: Art. 4 BV, Art. 73bis IVV: Rechtliches Gehör; Heilung einer Verletzung des Gehörsanspruchs. Anwendung der Grundsätze über das rechtliche Gehör im Verwaltungsverfahren bzw. über die Voraussetzungen für die Heilung einer Verletzung des Gehörsanspruchs im Beschwerdeverfahren, wie sie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt bezüglich des Verfahrens vor der Schweizerischen Ausgleichskasse bzw. vor der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen aufgestellt hat; hier in einem Fall, wo der Verfahrensfehler durch eine kantonale Behörde begangen wurde.

116 V 198 () from 23. August 1990
Regeste: Art. 73 Abs. 1 BVG: Rechtspflege. Art. 73 Abs. 1 BVG schliesst einen mehrstufigen kantonalen Instanzenzug nicht aus. Dieser muss aber für Streitigkeiten von Vorsorgeeinrichtungen sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts zur gleichen letzten kantonalen Instanz führen (Erw. I). Art. 73 Abs. 4 BVG, Art. 104, 105 und 132 OG: Kognition. Zur Kognition des Eidg. Versicherungsgerichts in berufsvorsorgerechtlichen Streitigkeiten (Erw. II/1). Art. 4 Abs. 2 BV: Rechtsgleichheit. - Zum Gleichbehandlungsgebot und dessen Durchsetzung auf dem Rechtsweg. Übersicht über die bundesgerichtliche Rechtsprechung (Erw. II/2). - Anspruch auf Witwerrente: Eine kantonalrechtliche Ordnung, wonach einerseits der Anspruch auf Witwerrente nur besteht, wenn der Witwer während der Ehe auf den Verdienst der Ehefrau angewiesen war und er nachher nicht voll erwerbsfähig ist, währenddem anderseits der Anspruch auf Witwenrente allein durch den Tod des Ehemannes begründet wird, stellt eine geschlechtsspezifische Unterscheidung dar, die sich weder mit biologischen noch mit funktionalen Verschiedenheiten der Geschlechter rechtfertigen lässt und welche daher gegen Art. 4 Abs. 2 BV verstösst (Erw. II/2). Nichtanwendung der entsprechenden kantonalen Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Fall (Erw. II/3).

116 V 298 () from 20. August 1990
Regeste: Art. 4 BV: Vertrauensschutz. Für die Berufung auf Vertrauensschutz wird nicht mehr vorausgesetzt, dass keine unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung vorliegen darf, vor welcher das Vertrauensprinzip zurücktreten muss (Änderung der Rechtsprechung).

116 V 322 () from 6. November 1990
Regeste: Art. 21 Abs. 1 IVG, Art. 2 Abs. 2 HVI, Ziff. 6.02* HVI-Anhang, Art. 4 Abs. 2 BV. Der Begriff "Berufsausübung" in Ziff. 6.02* HVI-Anhang umfasst nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern auch die Beschäftigung im Aufgabenbereich im Sinne von Art. 27 Abs. 2 IVV. Mit Bezug auf die im HVI-Anhang mit * bezeichneten Hilfsmittel hält eine Schlechterstellung von Versicherten, die im gesetzlich anerkannten Aufgabenbereich tätig sind, gegenüber Erwerbstätigen weder vor Art. 4 Abs. 2 BV noch vor Art. 21 Abs. 1 IVG stand.

116 V 353 () from 17. Oktober 1990
Regeste: Art. 84 AHVG. Anforderungen an Form und Inhalt einer Beschwerde an die kantonale Rechtsmittelinstanz: Zusammenfassung der Rechtsprechung (Erw. 2b). Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG, Art. 4 Abs. 1 BV: Überspitzter Formalismus. Die kantonale Beschwerdeinstanz verletzt grundsätzlich kein Bundesrecht, wenn sie durch einen Nichteintretensentscheid die fehlende Einreichung der angefochtenen Kassenverfügung innert gesetzter Frist ahndet. Fällt die kantonale Rekursbehörde jedoch einen solchen Nichteintretensentscheid in einem Fall, wo ihr die verfügende Stelle bekannt ist und sich der angefochtene Verwaltungsakt ohne weiteres aus den Akten ermitteln lässt - der Zweck der Einreichung der angefochtenen Verfügung somit auf andere Weise bereits erreicht ist -, liegt überspitzter Formalismus vor (Erw. 3).

117 IA 5 () from 15. Mai 1991
Regeste: Art. 4 BV, rechtliches Gehör; interkantonale Rechtshilfe in Strafsachen. Lässt das Prozessrecht des ersuchten Kantons ein Rechtsmittel gegen jede Rechtshilfeverfügung der Strafverfolgungsbehörde in vollem Umfang zu, so bedeutet es eine mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör unvereinbare Einschränkung der Prüfungsbefugnis, wenn die Rechtsmittelinstanz nur jene Rügen prüft, welche die formelle Zulässigkeit der verlangten Rechtshilfehandlung betreffen.

117 IA 10 () from 29. Januar 1991
Regeste: Art. 4 BV; Art. 129 StPO/AR; Telefonüberwachung; Verwertbarkeit der Aufzeichnungen. 1. Nach Art. 129 StPO/AR sind die Ergebnisse einer Telefonüberwachung nur gegen den Beschuldigten bzw. Verdächtigen verwertbar, dem diese Eigenschaft aufgrund eines ernsthaften Verdachts bereits im Zeitpunkt der Überwachung zukam (E. 4d). 2. Bei Telefonüberwachungen findet Art. 179octies StGB als bundesrechtliche Minimalgarantie Anwendung (E. 4d).

117 IA 13 () from 4. Februar 1991
Regeste: Art. 4 BV (Willkür); kantonales Verfahrensrecht. Legitimation der zürcherischen Natur- und Heimatschutzvereinigungen zum Rekurs gegen einen kommunalen Nutzungsplan, soweit sich dieser auf den III. Titel (§§ 203-217) des PBG stützt (§ 338a Abs. 2 Zürcher Planungs- und Baugesetz).

117 IA 18 () from 26. März 1991
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Ein Nachbar ist legitimiert, geltend zu machen, eine Baubewilligung verstosse gegen eine gesetzlich festgelegte Quartierplanpflicht, sofern diese auch dem Schutz seiner privaten Interessen dient. Art. 4 BV, Art. 60 BauG AI. Willkürliche Anwendung einer Bestimmung über Grossbauten. Aufgrund des Wortlautes und der historischen Auslegung sind unter Grossbauten i.S. von Art. 60 BauG AI, die nur aufgrund eines Quartierplanes bewilligt werden können, Grossverteilzentren des Detailhandels zu verstehen.

117 IA 27 () from 21. Februar 1991
Regeste: Versetzung eines Kindes in die Kleinklasse. Persönliche Freiheit, Art. 4 und 27 Abs. 2 BV sowie Art. 2 ÜbBest. BV. Gesetz des Kantons Freiburg vom 23. Mai 1985 über den Kindergarten, die Primarschule und die Orientierungsschule (Schulgesetz). 1. Das Grundrecht der persönlichen Freiheit tritt gegenüber dem Anspruch auf genügenden Primarunterricht zurück. Zu den von der persönlichen Freiheit geschützten elementaren Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört nicht, über den Besuch einer Normal- oder einer Kleinklasse selbst entscheiden zu können (E. 5). 2. Kriterien zur Bemessung eines genügenden Primarunterrichts; massgeblich ist, dass das Angebot eines der Reife des Kindes angepassten Unterrichts besteht; der Besuch der Schule muss zudem zumutbar sein (E. 6). 3. Das freiburgische Schulgesetz, das den Entscheid über die Einweisung eines Kindes in die Kompetenz der Schulbehörden stellt, ist nicht in sich selbst widersprüchlich (E. 7a u. b). 4. Die Erziehungsbefugnis der Eltern steht in bestimmten Grenzen unter dem Vorbehalt des öffentlichen Rechts. Die Regelung des freiburgischen Schulgesetzes verstösst nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (E. 7c). 5. Die im vorliegenden Fall verfügte Versetzung in die Kleinklasse ist weder offensichtlich unverhältnismässig noch unhaltbar (E. 7d u. e).

117 IA 35 () from 25. Januar 1991
Regeste: Wohlerworbene Rechte; ehehafte Weiderechte. Der Beschluss der Gemeinde Le Noirmont, das Nutzungsreglement betreffend die Gemeindeweiden dahin abzuändern, dass der Zugang zu letzteren künftig auf in der Gemeinde überwinterte Tiere beschränkt wird, ist verfassungswidrig, soweit er ein neues Erfordernis des Weidenutzungsrechts (ehehaftes Weiderecht) ohne Anhörung der Berechtigten einführt. Es besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse, das diese Beschränkung eines wohlerworbenen Rechts zu rechtfertigen vermag (E. 2 und 3).

117 IA 41 () from 13. März 1991
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Abstimmungsbeschwerden gegen die Laufental-Abstimmung vom 12. November 1989. Einfluss auf die Willensbildung der Stimmbürger durch eine unvollständige behördliche Information in den Abstimmungserläuterungen sowie durch die Presse und Private. Stellt das Bundesgericht im Rahmen seiner Prüfung des Abstimmungsverfahrens Mängel fest und lassen sich deren Folgen nicht ziffernmässig ermitteln, so bedeutet dies nicht, dass die Mängel schon deswegen als erheblich zu erachten wären und der angefochtene Entscheid aufgehoben bzw. die Abstimmung neu durchgeführt werden müsste. Vielmehr ist nach den gesamten Umständen - und dabei sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht - zu beurteilen, ob eine Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses möglich gewesen ist. Mit Blick auf die gesamten Umstände, unter denen sich der Urnengang abspielte, lässt sich im vorliegenden Fall nicht sagen, die festgestellten Mängel des Abstimmungsverfahrens seien geeignet gewesen, das Abstimmungsergebnis derart zu beeinflussen und zu verfälschen, dass es durch die Mängel anders ausgefallen wäre als ohne sie. Von der Aufhebung des Urnenganges ist daher abzusehen.

117 IA 84 () from 22. Februar 1991
Regeste: Art. 84 Abs. 2 und Art. 88 OG; Wirkungen der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug auf ein Begnadigungsgesuch. Eine Begnadigungsverweigerung kann beim Bundesgericht weder mit der eidgenössischen Nichtigkeits- noch mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (E. 1a). Auch die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich nicht gegeben, da es an einem rechtlich geschützten Interessen mangelt; doch kann der Betroffene damit die Verletzung von Parteirechten, die ihm im Bereich des Begnadigungsverfahrens in beschränktem Masse zustehen, geltend machen (E. 1b). Es ist nicht willkürlich, auf ein Begnadigungsgesuch nicht einzutreten, weil gegenstandslos geworden, wenn der Verurteilte bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden ist (E. 2).

117 IA 88 () from 1. Februar 1991
Regeste: Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit; staatsrechtliche Beschwerde; Teilschiedsspruch. Auf eine staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher ein kantonaler Entscheid über eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Teilschiedsspruch lato sensu angefochten wird, findet Art. 87 OG Anwendung (Bestätigung der Rechtsprechung).

117 IA 90 () from 25. Januar 1991
Regeste: Art. 88 OG; Art. 2 und 10 des Gesetzes des Kantons Appenzell A.Rh. über das Gesundheitswesen; Art. 4 und 31 BV. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Rechtliches Gehör. 1. Legitimation: Rechtlich geschütztes Interesse bei Berufung auf ein spezielles Grundrecht und auf das Willkürverbot (E. 2). 2. Wenn die Zulassung zur Ausübung eines Medizinalberufs grundsätzlich den Inhabern eidgenössischer Diplome vorbehalten ist, kann sich der Bewerber um eine ausschliesslich im öffentlichen Interesse vorgesehene Ausnahmebewilligung nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 3). 3. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung bei Fehlen der Legitimation in der Sache (E. 4). 4. Gehörsanspruch: Kein Recht auf Stellungnahme bezüglich eines bloss verwaltungsinternen Dokuments (E. 5).

117 IA 97 () from 22. Februar 1991
Regeste: Art. 4 BV; Ausbildungszulagen. 1. Rechtsetzungskompetenz und Gestaltungsspielraum der Kantone im Bereich der Familienzulagen (E. 2). 2. Die Regelung in § 12 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen (KAZG), wonach für Kinder mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Ausland keine Ausbildungszulagen ausgerichtet werden, lässt sich auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen und hält demzufolge vor Art. 4 Abs. 1 BV (Rechtsgleichheit) stand (E. 3). 3. Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über Soziale Sicherheit von 1962/1964 bezieht sich nur auf die bundesrechtliche Gesetzgebung über die Familienzulagen; auf kantonalrechtliche Familienzulagenordnungen ist es nicht anwendbar (E. 4). 4. Es ist nicht willkürlich, für die Auslegung des in § 12 KAZG verwendeten Ausdrucks "zivilrechtlicher Wohnsitz" auf den tatsächlichen Wohnsitzbegriff des Art. 23 Abs. 1 ZGB abzustellen (E. 5).

117 IA 107 () from 7. März 1991
Regeste: Wiederaufnahme in das Korporationsbürgerrecht (Art. 8b SchlT ZGB; Art. 4 BV). 1. Der Entscheid über die Wiederaufnahme in eine Korporation richtet sich nicht nach Art. 8b SchlT ZGB, wenn damit weder über das Bürgerrecht einer Gemeinde entschieden wird, noch die Korporation Aufgaben erfüllt, die nach Gesetz einer Heimatgemeinde zukommen (E. 2). 2. Voraussetzungen, unter denen eine Korporation dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist und hoheitlich handelt (E. 5). 3. Darf die Mitgliedschaft in einer öffentlichrechtlichen Korporation vom Führen eines bestimmten Namens abhängig gemacht werden? (E. 6). 4. Eine öffentlichrechtliche Körperschaft verletzt Art. 4 BV, wenn sie die Wiederaufnahme in ihre Mitgliedschaft von einer Namensänderung abhängig macht (E. 7).

117 IA 116 () from 7. März 1991
Regeste: Art. 4 BV. Rechtsverweigerung; Verfahrenserledigung ohne förmliche Verfügung. Es stellt keine Rechtsverweigerung dar, wenn trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung in der Strafprozessordnung des Kantons Schwyz auf die Erledigung von adhäsionsweise geltend gemachten Zivilansprüchen die Vorschriften der Zivilprozessordnung nicht analog angewendet werden. Ebensowenig verletzt es Art. 4 BV, wenn auf die Adhäsionsklage inzident nicht eingetreten wird, ohne dass diesbezüglich ein ausdrücklicher förmlicher Entscheid ergeht.

117 IA 119 () from 12. Juni 1991
Regeste: Art. 4 BV; formelle Rechtsverweigerung, Vertrauensschutz. Kann allein schon aufgrund eines einzigen Urteils berechtigtes Vertrauen in eine Praxis entstehen? Frage offengelassen (E. 2). Dem Rechtsuchenden darf aus einer unklaren oder widersprüchlichen gesetzlichen Rechtsmittelordnung kein Nachteil erwachsen (E. 3).

117 IA 126 () from 26. März 1991
Regeste: Art. 4 BV, §§ 23 und 54 VRG/ZH; überspitzter Formalismus. 1. Überspitzter Formalismus liegt unter anderem dann vor, wenn eine Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt (E. 5a). 2. Gemäss § 54 VRG/ZH muss eine Beschwerdeschrift einen Antrag und eine Begründung enthalten. Fehlt Antrag und/oder Begründung, so setzt die Behörde in Anwendung von § 23 VRG/ZH eine nicht erstreckbare Nachfrist zur Verbesserung, wenn aus der mangelhaften Beschwerdeschrift zumindest der Wille ersichtlich ist, ein Rechtsmittel zu erheben (E. 5b). 3. § 23 VRG/ZH, der mit Art. 52 VwVG vergleichbar ist, kann jedoch nicht entnommen werden, dass an eine Beschwerdeschrift überhaupt keine Mindestanforderungen zu stellen sind (E. 5c). 4. Auch wenn an Laienbeschwerden keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, verstösst es nicht gegen Art. 4 BV, wenn eine Eingabe nur dann als Beschwerde behandelt wird, wenn sie die deutliche Absicht zeigt, dass die Änderung oder Aufhebung eines Entscheids verlangt wird (E. 5d).

117 IA 133 () from 22. Juli 1991
Regeste: Art. 4 und 58 BV; Besetzung des Gerichts; Anspruch auf rechtliches Gehör. Kann einem an einer zweiten kantonalen Berufungsverhandlung neu mitwirkenden Gerichtsmitglied der Prozessstoff durch Aktenstudium zugänglich gemacht werden, wird der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nicht verletzt, wenn ihnen nicht erneut Gelegenheit gegeben wird, sich vernehmen zu lassen. Die Auswechslung eines Richters verstösst unter der genannten Voraussetzung auch nicht gegen Art. 58 BV (E. 1).

117 IA 135 () from 6. Juni 1991
Regeste: Art. 4 BV; Begriff des Geschädigten im Strafprozess, willkürliche Auslegung von kantonalem Recht. Es ist willkürlich, den Begriff des Geschädigten im Strafprozess entgegen der allgemein herrschenden Lehre und Praxis auszulegen und dabei auch von einer bestehenden kantonalen Praxis zum Geschädigtenbegriff ohne sachliche Begründung abzuweichen.

117 IA 175 () from 12. August 1991
Regeste: Art. 4 und Art. 58 BV; Art. 11 Abs. 1 des Tessiner Gesetzes über die Organisation der Rechtspflege (LOG). Durch den Gerichtsschreiber gefällter Entscheid. 1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). 2. Tessiner Gerichtsordnung. In Zivilsachen hat der Gerichtsschreiber - ausser bei gesetzlichem Ausschluss oder Abwesenheit des Richters - keinerlei Rechtsprechungsbefugnisse (E. 3). 3. Darstellung der Tessiner Rechtsprechung zu Art. 11 Abs. 1 LOG (E. 4a). Im vorliegenden Fall stützt sich der angefochtene Entscheid auf eine unhaltbare Auslegung von Art. 11 Abs. 1 LOG (E. 4b). Diese Bestimmung darf nicht weit ausgelegt werden; trotzdem ist eine Gesetzeslücke auszuschliessen (E. 4c). 4. Die Verletzung von Art. 11 Abs. 1 LOG führt zur Nichtigkeit des Entscheids, die von der Rekursinstanz von Amtes wegen festzustellen ist (E. 5a-d).

117 IA 193 () from 5. Juli 1991
Regeste: Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Anspruch auf einen unverzüglichen gerichtlichen Entscheid über die Rechtmässigkeit der Haft; Anwendungsbereich der Vorschrift. Die genannte Konventionsbestimmung gilt nur für solche Verfahren, in denen ein Gericht als erste gerichtliche Haftprüfungsinstanz tätig ist. Entscheidet ein Gericht als zweite gerichtliche Instanz über die Frage der Rechtmässigkeit der Haft, kommt Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht zur Anwendung. Die Frage, ob eine Rechtsverzögerung vorliegt, beurteilt sich in diesem Fall ausschliesslich unter dem Gesichtswinkel des Beschleunigungsgebotes gemäss Art. 4 BV.

117 IA 247 () from 13. Februar 1991
Regeste: Art. 87 OG; Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid. 1. Eine Verfügung, mit welcher über ein Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung entschieden wird, stellt einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG dar (E. 1). 2. Da die neben der Willkürrüge erhobene Rüge der Verletzung von Art. 22ter BV offensichtlich unbegründet ist, kommt Art. 87 OG zur Anwendung (E. 2). 3. Hinweis auf BGE 116 Ia 177; Vorliegen eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils verneint, da das während des Verfahrens erstellte Barackenprovisorium im Falle einer Gutheissung der Beschwerde wieder entfernt werden könnte (E. 3).

117 IA 251 () from 14. Juni 1991
Regeste: Art. 87 OG; Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid. Art. 87 OG kommt selbst dann zur Anwendung, wenn ein Zwischenentscheid nur in bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen angefochten wird (E. 1a). Der Umstand, dass über die Kosten- und Entschädigungsfolgen des letztinstanzlichen Rückweisungsentscheides im neuen kantonalen Verfahren nicht mehr entschieden werden kann, stellt keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil dar; dieser Kostenentscheid kann im Anschluss an das neue kantonale Urteil mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, gegebenenfalls direkt nach einem unterinstanzlichen Entscheid (E. 1b).

117 IA 257 () from 9. Oktober 1991
Regeste: Art. 4 BV (Rechtsgleichheit, Willkür); Untersuchungs- und Sicherheitshaftregime bei vorzeitigem Strafvollzug; Kollusionsgefahr. 1. Es verstösst nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot, dass Untersuchungs- und Sicherheitshäftlinge im vorzeitigen Strafvollzug nicht dem gleichen Haftregime (insbesondere der gleichen Urlaubsregelung) unterstellt werden wie Gefangene im ordentlichen Strafvollzug (E. 3). 2. Kollusionsgefahr, welche der Gewährung von Urlaub im vorzeitigen Strafvollzug entgegensteht, kann auch nach Abschluss der Untersuchung noch weiterbestehen (E. 4b). Die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit oder im Urlaub kolludieren könnte, genügt jedoch nicht, um die Fortsetzung der Haft oder die Nichtgewährung von Urlaub während des vorzeitigen Strafvollzuges zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für eine solche Gefahr sprechen (E. 4c). Willkürliche Annahme von Kollusionsgefahr im vorliegenden Fall verneint.

117 IA 262 () from 31. Mai 1991
Regeste: Art. 4 Abs. 1 und 2 BV; gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit; rechtliches Gehör; Basler Kindergärtnerinnen. 1. Tragweite von Art. 4 Abs. 2 BV (E. 2). 2. Die vom Bundesgericht zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 BV entwickelte Rechtsprechung, wonach trotz Feststellung einer Verletzung dieser Bestimmung durch den Richter unter gewissen Voraussetzungen von einer Gutheissung der Beschwerde abgesehen werden kann, findet keine Anwendung auf Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV. Aus dieser Bestimmung ergibt sich ein direkt klagbarer Anspruch, der unmittelbar aufgrund der Verfassung sowohl gegenüber dem privaten wie dem öffentlichen Arbeitgeber durchsetzbar ist (E. 3). 3. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Nichteinholen eines Gutachtens (E. 4).

117 IA 270 () from 31. Mai 1991
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit; Berner Arbeitslehrerinnen. 1. Tragweite von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes (E. 2). 2. Ein Vorsprung in der Ausbildung kann einen höheren Lohn rechtfertigen, sofern die bessere Ausbildung vom Arbeitsplatz gefordert oder für die Arbeit, die verrichtet werden muss, von Nutzen ist. Entsprechend den Fächern, in denen die Primarlehrer nach dem bernischen Recht unterrichtsberechtigt sind, ist deren Ausbildung breiter als jene der Arbeitslehrerinnen. Die Unterschiede in der Ausbildung sind auf die berufliche Tätigkeit ausgerichtet, die beim Primarlehrer mehr und breitere Fachkenntnisse voraussetzt als bei der Arbeitslehrerin (E. 3 und 4).

117 IA 277 () from 3. Juli 1991
Regeste: Art. 4 BV. Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Der von Art. 4 BV garantierte Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung ist grundsätzlich auch für das nichtstreitige Verwaltungsverfahren betreffend Rückversetzung in den Massnahmenvollzug bzw. Vollzug der aufgeschobenen Strafe (Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB) gewährleistet (E. 5a). Voraussetzungen für die Bejahung eines unmittelbar aus der Bundesverfassung fliessenden Anspruches auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Zusammenfassung, E. 5b). Die Notwendigkeit der Verbeiständung ist im vorliegenden Fall zu bejahen: Die zuständige Behörde hat in einem früheren Verfahrensstadium den Antrag gestellt, die aufgeschobene Freiheitsstrafe sei zu vollziehen, obwohl aus den Akten schwerwiegende Indizien für die Massnahmebedürftigkeit des Beschwerdeführers ersichtlich sind. Es stellen sich somit schwierige Tat- und Rechtsfragen (E. 5b/bb-cc).

117 IA 285 () from 15. Mai 1991
Regeste: Vorentscheid im Planungs- und Baurecht, Treu und Glauben. Zürcherisches Planungs- und Baugesetz vom 7. September 1975 (PBG). 1. Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen, Voraussetzungen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2). Nachträgliche Rechtsänderungen gehen dem Vertrauensschutz vor (E. 3). 2. Verbindlichkeit des Vorentscheids nach §§ 323 f. PBG: Wirkung gegenüber Dritten nur, wenn das für Baubewilligungen vorgeschriebene Verfahren durchgeführt wird. Der Bauherr darf ihm selbst erteilte behördliche Zusicherungen Dritten nicht entgegenhalten (E. 3).

117 IA 292 () from 18. Juni 1991
Regeste: § 105 lit. a ZPO/AG; Art. 4 BV. Sicherstellung von Parteikosten. Nach § 105 lit. a ZPO/AG hat die Partei, die als Klägerin oder Widerklägerin auftritt, der Gegenpartei auf deren Begehren für die Parteikosten Sicherheit zu leisten, wenn sie in der Schweiz keinen Wohnsitz hat. Diese Kautionspflicht wird nur durch einen effektiven Wohnsitz in der Schweiz ausgeschlossen. Ein kantonaler Entscheid, der einen bloss fiktiven Wohnsitz im Sinne von Art. 24 Abs. 1 ZGB genügen lässt, verletzt das aus Art. 4 BV fliessende Willkürverbot.

117 IA 297 () from 20. August 1991
Regeste: Genfer Urteil betreffend Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft. Falsche Rechtsmittelbelehrung; Einsprache erhoben anstelle einer Berufung. 1. Unter gewissen Bedingungen schützt der Grundsatz von Treu und Glauben denjenigen, der sich auf eine falsche Auskunft der Behörde verlassen hat. Der Irrtum kann in der falschen Angabe des zu ergreifenden Rechtsmittels bestehen (E. 2). 2. Da Art. 363 der Genfer ZPO nicht in klarer Weise das Säumnisurteil bei einem Entscheid betreffend Eheschutzmassnahmen ausschliesst und damit auch nicht die Einsprachemöglichkeit, konnten sich die Partei und deren Bevollmächtigter darauf verlassen, dass dieses irrtümlicherweise von der Behörde angegebene Rechtsmittel zur Verfügung steht. Umdeutung der irrtümlichen Rechtsvorkehr? (E. 3).

117 IA 302 () from 5. Juni 1991
Regeste: Art. 88 OG, Art. 4 und Art. 22ter BV; Ortsplanungsrevision; Beschwerdelegitimation; Einzonung in die Bauzone. 1. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde, allgemeine Grundsätze (E. 1). 2. Ein Landwirt, dessen Land der Bauzone zugewiesen wird, ist zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 2). 3. Ebenso ist er in seiner Eigenschaft als Pächter legitimiert, gegen die Einzonung des von ihm gepachteten Landes staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (E. 3). 4. Im vorliegenden Fall ist die umstrittene Einzonung mit sachlichen Gründen nicht vertretbar (E. 4).

117 IA 328 () from 15. Mai 1991
Regeste: Ausdehnung der Verwendung des offiziellen Formulars gemäss Art. 269d OR auf den Abschluss von Mietverträgen über Geschäftsräume. Derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest.BV). Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen ein kantonales Gesetz; Beschwerdefrist, Legitimation, Anforderungen an die Begründung (E. 1). Art. 94B des Genfer Einführungsgesetzes zum ZGB und OR (Genfer EGZGB/OR), der in Abs. 1 die Verwendung des offiziellen Formulars gemäss Art. 269d OR auf den Abschluss von Mietverträgen über Wohnungen und Geschäftsräume vorsieht, solange Wohnungsmangel herrscht, ist eine Bestimmung des kantonalen Privatrechts (E. 2). Im konkreten Fall gibt es keine zwingenden Argumente - weder historischer, systematischer noch teleologischer Art -, die eine Abkehr vom klaren Wortlaut des Art. 270 Abs. 2 OR gebieten würden. Art. 94B Abs. 1 des Genfer EGZGB/OR, der die Ausdehnung der Verwendung des offiziellen Formulars auf den Abschluss von Mietverträgen über Geschäftsräume vorsieht, verstösst somit gegen das Prinzip der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (E. 3). Die in Abs. 4 derselben Bestimmung enthaltene Delegationsnorm, wonach der Regierungsrat mit der näheren Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels in einem Reglement beauftragt wird, verstösst nicht gegen das Legalitätsprinzip (E. 4).

117 IA 387 () from 10. Oktober 1991
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung. Eine sinngemässe Auslegung von Art. 6 Ziff. 1 Satz 2 EMRK ergibt, dass es im Einzelfall zulässig sein kann, nur das allgemeine Publikum, nicht aber die Presse von der Gerichtsverhandlung auszuschliessen.

117 IA 393 () from 20. August 1991
Regeste: 1. Art. 86 f. OG. Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Entscheides. Ob der Entscheid einer unteren kantonalen Instanz neben dem letztinstanzlichen Entscheid im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren mitangefochten werden kann, hängt von der Überprüfungsbefugnis der letzten kantonalen Rechtsmittelinstanz ab (E. 1b). 2. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG. Anforderungen an die Substantiierung einer staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1c).

117 IA 396 () from 14. November 1991
Regeste: Art. 87 OG. 1. Der Entscheid, mit dem ein Urteil von einer Rechtsmittelinstanz aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, ist ein Zwischenentscheid, der für den Betroffenen keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Auf eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten (E. 1). 2. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die sachliche Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz streitig ist, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft (E. 2).

117 IA 408 () from 24. Juli 1991
Regeste: Ausschluss eines Mitglieds einer grossrätlichen Kommission von der Ausübung der entsprechenden Funktionen, wenn dieses gleichzeitig Verwaltungsrat einer juristischen Person ist, die am Sachentscheid unmittelbar interessiert ist. 1. Die Rechtsprechung leitet aus Art. 4 BV eine Art. 58 Abs. 1 BV entsprechende Garantie ab für den Fall, dass ein Entscheid - statt von einem Gericht - von einer Verwaltungsbehörde oder vom Parlament getroffen wird (E. 2a). 2. Im konkreten Fall kann die Frage, ob ein Mitglied des kantonalen Parlaments, welches gleichzeitig als Vertreter der umliegenden Gemeinden im Verwaltungsrat des durch den Planungsentscheid meist begünstigten Unternehmens sitzt, möglicherweise befangen ist, offengelassen werden. Es sind die in der kantonalen Zivilprozessordnung aufgestellten Ablehnungsgründe anwendbar (Art. 32 des Tessiner Gesetzes betreffend das Verfahren in Verwaltungsangelegenheiten und Art. 26 lit. a der Tessiner Zivilprozessordnung; E. 2b und c).

117 IA 412 () from 9. Oktober 1991
Regeste: Art. 4 und Art. 22ter BV; § 123 ff. Zürcher PBG; Quartierplanverfahren. 1. Der Einleitungsbeschluss im Rahmen eines amtlichen Quartierplanverfahrens gemäss Zürcher PBG ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG (E. 1a). 2. Voraussetzungen für die Einleitung eines Quartierplanverfahrens nach Zürcher PBG (E. 2). 3. Grundsatz von Treu und Glauben. Hat sich seit einer Zusicherung die Rechtslage verändert, so kann sich ein Betroffener nicht auf diesen Grundsatz berufen (E. 3). 4. Widerspricht ein bestehender Quartierplan dem später beschlossenen Verkehrs- und Erschliessungsplan, so ist das öffentliche Interesse am Erlass eines neuen Plans gegeben (E. 4).

117 IA 421 () from 12. Dezember 1991
Regeste: Art. 4 BV; Vertrauensschutz bei unzutreffender Rechtsmittelbelehrung. Angabe der für den ordentlichen Prozess geltenden Berufungsfrist in einem Entscheid, der im beschleunigten Verfahren ergangen ist, wo sämtliche Fristen der kantonalen Zivilprozessordnung auf die Hälfte verkürzt sind (§ 151 Ziff. 2 der thurgauischen ZPO).

117 IA 452 () from 30. Januar 1991
Regeste: Art. 85 lit. a OG: Wahl eines Bezirksgerichts; behördliche Intervention. 1. Zulässigkeit von behördlichen oder privaten Informationen vor Sachabstimmungen oder Wahlen im allgemeinen (E. 3). 2. Besonderheiten bei Richterwahlen (E. 4). 3. Beurteilung der Aussagen des Obergerichtspräsidenten über die Zustände an einem Bezirksgericht im Vorfeld der Gesamterneuerungswahl (E. 5a); Verhalten der politischen Partei und weitere Umstände des Wahlganges (E. 5b-d). 4. Kein entscheidender Einfluss der gerügten Unregelmässigkeiten auf den Wahlausgang (E. 6).

117 IA 465 () from 6. November 1991
Regeste: Persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 54 BV; Art. 8 und 12 EMRK (Briefverkehr zwischen Untersuchungsgefangenen). Das öffentliche Interesse an der Aufklärung von schweren Gewaltverbrechen und an einem ungestörten Gang des betreffenden Strafuntersuchungsverfahrens kann dem Wunsch des Angeschuldigten, einer inhaftierten Mitverdächtigen während des Untersuchungsverfahrens einen schriftlichen Heiratsantrag machen zu wollen, vorgehen. Die Zurückhaltung des fraglichen Briefes durch die Behörden im Falle von Kollusions- und Beeinflussungsgefahr verletzt weder die Bundesverfassung (persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Ehefreiheit) noch die entsprechenden Garantien der EMRK (E. 2-4).

117 IA 472 () from 14. November 1991
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV, Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit, Art. 10 und 11 EMRK, Datenschutz, Unschuldsvermutung; § 40 Abs. 4 des baselstädtischen Übertretungsstrafgesetzes (ÜStG); Vermummungsverbot. Das in § 40 Abs. 4 ÜStG statuierte Verbot, sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen Menschenansammlungen unkenntlich zu machen, verstösst nicht gegen Art. 2 ÜbBest. BV (E. 2). Das Vermummungsverbot stellt namentlich im Hinblick darauf, dass Ausnahmen bewilligt werden können, keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit dar (E. 3). Es verletzt auch den Anspruch auf Datenschutz (E. 4b) und den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht (E. 4d).

117 IA 491 () from 30. Oktober 1991
Regeste: Strafe für Zeugnisverweigerung. System der Zwangsmassnahmen gegen widerspenstige Zeugen; Prüfung der Verfassungsmässigkeit einer solchen Zwangsmassnahme im allgemeinen und jener nach dem freiburgischen Recht im besonderen (E. 1). Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Garantie des unabhängigen und unparteiischen Richters und der Öffentlichkeit der Verhandlung. Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, die vor der kantonalen Instanz nicht erhoben wurde (E. 2a). Man kann nicht verlangen, dass der Richter, der die Zeugnisverweigerung bestraft hat, notwendigerweise ein anderer ist als jener, der den Zeugen vorgeladen und ihn zur Aussage aufgefordert hat (E. 2b). Das Fehlen der Öffentlichkeit der Verhandlung vor der Anklagekammer des Kantonsgerichts Freiburg rechtfertigt die Gutheissung der Beschwerde (E. 2c).

117 IA 497 () from 5. Dezember 1991
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf rechtliches Gehör. Findet nach einer Plankorrektur eine nochmalige Planauflage statt, so wird der Anspruch betroffener Grundeigentümer auf rechtliches Gehör grundsätzlich nicht verletzt (E. 2a). Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art 22ter BV; gerichtliche Überprüfung von Zonenplänen, die von einer Gemeindeexekutive erlassen wurden. Der Kognitionsbeschränkung des Bundesgerichtes hinsichtlich der Sachverhaltsüberprüfung kommt vorliegend keine Bedeutung zu, da sich aufgrund des Augenscheins und der Instruktionsverhandlung ergibt, dass der Sachverhalt, soweit er für die Beurteilung der fraglichen Zonierungsfrage erheblich ist, nicht bestritten ist (E. 2c und d). Die richterliche Zurückhaltung bei der Beurteilung des Planungsermessens widerspricht Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht (E. 2e).

117 IA 508 () from 23. Dezember 1991
Regeste: Art. 17 Abs. 1 OG; Öffentlichkeit der Beratungen und Abstimmungen des Kassationshofes. Die Beratungen und Abstimmungen des Kassationshofes des Bundesgerichts sind nicht öffentlich bei eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerden und bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden betreffend den Strafvollzug. Sie sind dagegen öffentlich bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden betreffend Administrativmassnahmen im Strassenverkehr und bei mit einer Nichtigkeitsbeschwerde konnexen staatsrechtlichen Beschwerden, soweit mit diesen dem Kassationshof verfassungsrechtliche oder strafprozessuale Grundsatzfragen zur Beurteilung vorgelegt werden, die ohne Bezugnahme auf die Nichtigkeitsbeschwerde behandelt werden können.

117 IA 522 () from 30. Oktober 1991
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter. 1. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK untersteht grundsätzlich der Voraussetzung der Erschöpfung des kant. Instanzenzuges. Neue rechtliche Vorbringen sind nur zulässig, wenn die letzte kant. Behörde freie Prüfungsbefugnis und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte; der Beschwerdeführer hat sich indes gemäss Treu und Glauben zu verhalten (E. 3a). 2. Eine Streitigkeit über das Verbot einer in einer Bauzone gelegenen Liegenschaft betrifft die Ausübung des Eigentumsrechts und ist daher den zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zuzuordnen. Da der Kanton Waadt darauf verzichtet hat, sich auf die neue auslegende Erklärung des Bundesrates zu dieser Bestimmung zu berufen, wird der Vollzug keiner seiner kant. Vorschriften durch Verwaltungsakt vom Anwendungsbereich des Art. 6 Ziff. 1 EMRK ausgenommen. Der Eigentümer hat somit Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Richter beurteilt wird: an dieser Voraussetzung fehlt es, wenn eine kantonale Regierung über eine Beschwerde gegen einen Entscheid einer Gemeindeexekutive befindet. Das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde vermag den Mangel des kant. Verfahrens nicht zu heilen (E. 3b und E. 3c).

117 IB 35 () from 25. April 1991
Regeste: Art. 24 RPG; Sondernutzungsplan bei Strassenprojekten; Art. 9 USG, massgebliches Verfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung; Koordinationspflicht; Art. 4 BV, Art. 88 OG. 1. Soweit die Ausführung einer Strasse im Verfahren der Nutzungsplanung (Art. 14 RPG) bewilligt wird, ist Art. 24 RPG nicht anwendbar (E. 2). 2. Massgebliches Verfahren für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (E. 3d). 3. Aus dem Bundesrecht lässt sich nicht die Pflicht zur verfahrensrechtlichen Vereinigung von Kreditbewilligung und Strassenprojektgenehmigung ableiten (E. 3e). 4. Umweltschutzorganisationen können mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, welche ihnen im kantonalen Verfahren zustehen (formelle Rechtsverweigerung, Art. 4 BV; E. 4a).

117 IB 64 () from 8. März 1991
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Notwendigkeit von Erhebungen in mehreren Kantonen, Art. 80 IRSG; Prüfungsobliegenheiten nach Art. 78 und 79 IRSG, Heilung von allfälligen Mängeln des kantonalen Verfahrens; Voraussetzungen der Rechtshilfeleistung, Art. 2 IRSG. 1. Der zwischen Paraguay und der Schweiz abgeschlossene Auslieferungsvertrag ist teilweise auch für die Rechtshilfe im Sinne des dritten Teils des IRSG anwendbar. Soweit eine staatsvertragliche Regelung fehlt, gelangen das IRSG und die IRSV zur Anwendung (E. 2a). 2. Der vom BAP gestützt auf Art. 80 IRSG mit der Leitung des Rechtshilfeverfahrens beauftragte Kanton alleine hat den Grundsatzentscheid über die internationale Rechtshilfe für alle Betroffenen in allen durch das ausländische Ersuchen berührten Kantonen zu fällen (E. 3). Somit hat der "Leitkanton" die materielle Zulässigkeit der internationalen Rechtshilfe zu prüfen (Art. 79 Abs. 1 IRSG), während es sich bei der dem BAP nach Art. 78 Abs. 1 IRSG obliegenden Prüfung um eine blosse Vorprüfung handelt, die im wesentlichen auf die Frage beschränkt ist, ob ein Ersuchen den formellen Anforderungen entspricht oder ob seine Ausführung nicht sonstwie offensichtlich unzulässig ist. In casu sind die zuständigen Behörden des "Leitkantons" ihrer Prüfungs- und Begründungspflicht noch hinreichend nachgekommen. Allfällige Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens wären vor Bundesgericht geheilt worden (E. 4). 3. Die grundsätzlichen Voraussetzungen der Rechtshilfeleistung sind zu bejahen. - Die Bestätigung nach Art. 76 lit. c IRSG/Art. 31 Abs. 2 IRSV wie auch die Gegenrechtserklärung nach Art. 8 IRSG liegen vor (E. 2a und 5b). - Die Erfordernisse nach Art. 28 IRSG sind erfüllt, wie auch beidseitige Strafbarkeit gegeben ist (Art. 2 des zwischen Paraguay und der Schweiz abgeschlossenen Vertrages, Art. 64 IRSG). Die Gegenstand des Ersuchens bildenden, teilweise durch ehemalige Staatsorgane begangenen Straftaten spielten sich zwar in einem gewissen politischen Umfeld ab, doch handelt es sich dabei um gemeinrechtliche, rechtshilfefähige Delikte (E. 5c). - Die Darstellung im Begehren weist zwar darauf hin, dass der ersuchende Richter nicht nur als Untersuchungsrichter amtet, sondern hernach als erstinstanzlicher Strafrichter in derselben Angelegenheit vorgesehen sein soll, was mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 58 Abs. 1 BV nicht zu vereinbaren ist. Dies hat aber nicht die grundsätzliche Verweigerung der Rechtshilfe zur Folge. Vielmehr ist die Forderung nach einem den betreffenden Bestimmungen entsprechenden Richter in einen Vorbehalt aufzunehmen. Die Rechtshilfeleistung ist von der von den zuständigen Behörden Paraguays abzugebenden Zusicherung abhängig zu machen, dass dieser Vorbehalt eingehalten wird (E. 5f/g).

117 IB 147 () from 5. Juni 1991
Regeste: Eidgenössische Umweltschutzgesetzgebung, kantonales und kommunales Bau- und Planungsrecht; "störende Betriebe" in Wohnzonen (§ 52 PBG ZH). 1. Soweit die kantonalrechtlichen Begriffe der "Störung" bzw. des "störenden Betriebes" den Lärmschutz erfassen sollen, kommt den entsprechenden kantonalen und kommunalen Normen gegenüber dem Umweltschutzrecht des Bundes grundsätzlich keine selbständige Bedeutung mehr zu. Selbständige Bedeutung können kantonale und kommunale Bestimmungen über die Zulässigkeit von "störenden Betrieben" in Nutzungszonen aber insoweit haben, als sie die Frage regeln, ob aus raumplanerischen, z.B. städtebaulichen Gründen, ein Betrieb am vorgesehenen Ort in einer Wohnzone erstellt werden darf. In diesem Rahmen beruhen entsprechende kantonale bzw. kommunale Normen auf den kantonalen und kommunalen Rechtsetzungskompetenzen auf dem Gebiet der Ortsplanung (E. 2). 2. Gemäss Art. 14 der Bauordnung von Opfikon sind in der Wohnzone W3/65 nur "nicht störende Gewerbe" zulässig (vgl. § 52 PBG ZH). Die funktionale Betrachtungsweise der Zürcher Behörden, wonach in der Wohnzone nur Gewerbe zugelassen werden, die dem täglichen Bedarf der Bewohner dienen, ist im Lichte von Art. 4 BV nicht zu beanstanden und entspricht den Zielen und dem Zweck des Raumplanungsgesetzes des Bundes sowie den Richtplangrundsätzen des Zürcher Planungs- und Baugesetzes.

117 IB 156 () from 30. August 1991
Regeste: Art. 25 Abs. 1 USG, Art. 7, Art. 43 und Art. 44 Abs. 3 LSV; Lärmschutz bei einer neuen ortsfesten Anlage. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). 2. Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall während des Bewilligungsverfahrens für eine neue ortsfeste Anlage; die zuständige Behörde muss auch abklären, ob die Belastungsgrenzwerte eingehalten werden (E. 2).

117 IB 178 () from 10. Juli 1991
Regeste: Art. 5 VwVG, Art. 97 und Art. 99 lit. d OG, Art. 25 Fischereigesetz (FG); fischereirechtliche Bewilligung, anfechtbare Verfügung. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine fischereirechtliche Bewilligung für technische Eingriffe in ein Gewässer, die in einem Entscheid über die Wasserkraftnutzung enthalten ist, ohne dass darin zwischen gewässernutzungsrechtlichen und fischereirechtlichen Anordnungen unterschieden wird (E. 1a). Art. 6 VwVG, Art. 98 lit. g und Art. 103 lit. c OG, Art. 12 NHG und Art. 55 USG; Publikation von Verfügungen, Beschwerderecht der Natur- und Heimatschutzorganisationen, Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Bereits publizierte Wasserrechtsverleihungsgesuche, die in wesentlichen Punkten geändert werden, sind erneut zu publizieren. Notwendigkeit, bei der Publikation von Wasserrechtsverleihungsgesuchen auf das Gesuch um Erteilung der fischereirechtlichen Bewilligung hinzuweisen (E. 2c). Natur- und Heimatschutzorganisationen sind verpflichtet, sich am letztinstanzlichen kantonalen Verfahren zu beteiligen (Bestätigung der Rechtsprechung). Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn ein Wasserrechtsverleihungsgesuch vor Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes am 1. Januar 1985 publiziert worden ist (E. 2d). Art. 104 lit. b OG, Art. 24 und 25 FG, Art. 26 FPolV; Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, Interessenabwägung. Fischereirechtliche Bewilligungen und Rodungsbewilligungen können nur nach einer umfassenden Abklärung der Interessen erteilt werden (E. 3c und 6). Anforderungen an die Sachverhaltsabklärung und die Interessenabwägung bei der Erteilung einer fischereirechtlichen Bewilligung für technische Eingriffe und bei der Erteilung einer dabei notwendigen Rodungsbewilligung; Koordination kantonaler Bewilligungen mit der Forstgesetzgebung (E. 4 und 6).

117 IB 367 () from 15. November 1991
Regeste: Art. 114bis Abs. 3 BV, Art. 130 Abs. 1 BdBSt, Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Steuerstrafrecht; Erbenhaftung; Unschuldsvermutung; Überprüfung von Bundesgesetzen. 1. Die Überprüfung von Bestimmungen des BdBSt auf ihre Verfassungsmässigkeit ist nach Art. 114bis Abs. 3 BV ausgeschlossen (E. 1). 2. Können Bestimmungen des BdBSt daraufhin geprüft werden, ob sie mit der EMRK übereinstimmen? (E. 2). 3. Die in Art. 130 Abs. 1 BdBSt verankerte Haftung der Erben für die vom Erblasser verwirkten Nachsteuern und Bussen verstösst nicht gegen die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK (E. 3-5).

117 IB 387 () from 12. Dezember 1991
Regeste: Art. 31 BV, Art. 27 Abs. 2, 39 Abs. 5 lit. b und 31 Abs. 1 der Verordnung vom 14. November 1973 über die Luftfahrt (LFV); Benützungsrechte an einem Flughafen zum Betrieb einer höheren Schule für Motorflieger. 1. Der Begriff des "öffentlichen Luftverkehrs" nach Art. 39 Abs. 5 lit. b in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 LFV ist nicht nach dem Zweck des Fluges, sondern nach dem Benutzerkreis des Flugplatzes abzugrenzen (E. 5). 2. Aus Art. 31 BV erwächst kein Anspruch auf einen "gesteigerten Anstaltsgebrauch" (E. 6c). Durch den Konzessionär zu berücksichtigende Grundsätze bei der Einräumung von Benützungsrechten (E. 6d). 3. Nutzungsrechte nach Art. 115 Abs. 1 lit. g LFV umfassen nicht auch solche im Sinne von Art. 27 Abs. 2 LFV, selbst wenn lediglich eine höhere Schule für Motorflieger betrieben werden soll (E. 7).

117 IB 414 () from 15. Oktober 1991
Regeste: Umweltschutzrecht; Verordnung des Bundes über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS); Art. 4 und 31 BV. 1. Auf Isolationsrückstände aus der Verwertung von Kabelresten ist die Verordnung des Bundes über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS) anwendbar (E. 2, 4, 5). 2. Zuständigkeit der Kantone zum Erlass von Verfügungen über die Behandlung von Sonderabfall (E. 3). 3. Art. 4 und 31 BV: Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsnachteile, für einen rechtsgleichen Vollzug der Bestimmungen über den Verkehr mit Sonderabfällen zu sorgen (E. 8).

117 IB 425 () from 11. Dezember 1991
Regeste: Einsprache gegen Nationalstrassen-Ausführungsprojekt, Umweltverträglichkeitsprüfung. Vorkehren zur Luftreinhaltung beim Strassenbau und -ausbau (E. 5). Für Verkehrsanlagen geltende Bestimmungen (E. 5a, b). Wesen des Massnahmenplanes im Sinne von Art. 31 LRV (E. 5c). Im Rahmen des Strassen-Plangenehmigungsverfahrens vorzunehmende Prüfung (E. 5d, e). Abwägung der für und gegen den Ausbau der Grauholzstrecke auf sechs Fahrstreifen sprechenden Interessen (E. 6). Überprüfung der im Umweltverträglichkeitsbericht angestellten Prognosen (E. 7). Untersuchungen von Bodenproben (E. 8). Lärmschutz (E. 9). Festlegung der Empfindlichkeitsstufen (E. 9a, b). Überdeckung der Autobahn (E. 9d)? Parteientschädigung im kantonalen Einspracheverfahren (E. 10).

117 IB 481 () from 25. Oktober 1991
Regeste: Art. 29, 31 und 37 Abs. 1 des BG vom 20. Dezember 1985 über Kartelle und ähnliche Organisationen (KG); Untersuchung über die gesamtschweizerisch wirkenden Vereinbarungen im Bankgewerbe; Aufhebung der Konvention IV betreffend einheitliche Gebührenrechnung für offene Depots. Verfahrensrechtliche Probleme. 1. Auf das Verfahren vor der Kartellkommission findet das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG) nur insoweit sinngemäss Anwendung, als dies in Art. 31 KG vorgesehen ist (E. 4). Weil die Untersuchung der Kartellkommission nach Art. 32 Abs. 1 KG zu von den Betroffenen frei annehmbaren Empfehlungen und keinen eigentlichen Verfügungen führt (vgl. Art. 37 KG), können die Verfahrensbeteiligten keine weitergehenden Parteirechte geltend machen (Bestätigung der Rechtsprechung in BGE 113 Ib 90 ff.) (E. 4). 2. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat im Verfahren nach Art. 37 Abs. 1 KG die aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz fliessenden Parteirechte zu gewähren, doch kann es im Rahmen dieses Gesetzes den Besonderheiten des Kartellverfahrens Rechnung tragen (E. 5): Prüfungs- und Begründungspflicht (E. 6). Recht auf Akteneinsicht (E. 7).

117 IB 497 () from 2. Oktober 1991
Regeste: Ersatz nutzlos gewordener Planungskosten. 1. Rechtsweg. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 7a). 2. Voraussetzungen gemäss Art. 4 BV in Verbindung mit Art. 22ter BV für den Ersatz nutzlos gewordener Planungskosten (E. 7b). 3. Ersatz der Kosten eines privaten Quartierplanverfahrens? (E. 7c).

117 II 127 () from 23. Januar 1991
Regeste: Verpflichtung eines Elternteils, für sein Kind auch nach dessen Mündigkeit aufzukommen; vorsorgliche Massregeln (Art. 277 Abs. 2, Art. 281 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB). 1. Der Richter, der den beklagten Elternteil im Rahmen der vorsorglichen Massregeln nach Art. 281 Abs. 2 ZGB zur vorläufigen Zahlung angemessener Beiträge verurteilt, verpflichtet diesen zur vorzeitigen Erbringung der in der Sache selber eingeklagten Leistung. Er muss deshalb prüfen, ob die Voraussetzungen von Art. 277 Abs. 2 ZGB gegeben sind; blosses Glaubhaftmachen genügt (E. 3c). 2. Der Richter entscheidet über die Notwendigkeit vorsorglicher Massregeln in Würdigung der finanziellen Leistungskraft des Kindes. Er berücksichtigt dabei nicht den Umstand, dass allenfalls ein Dritter für den vom Beklagten nicht geleisteten Unterhalt aufkommt (E. 4). 3. Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Der Richter hat die berufliche Ausbildung zu beurteilen, wie sie vor der Mündigkeit in Betracht gezogen wurde, und nicht einfach den allgemeinen Ausbildungsstand des Kindes (E. 5). 4. Prozesskostenvorschuss: Eine Analogie zwischen Art. 281 Abs. 1 und Art. 145 ZGB ist nicht ausgeschlossen (E. 6).

117 II 132 () from 25. April 1991
Regeste: Anhörung im Entmündigungsverfahren. Die in Art. 374 ZGB vorgeschriebene Anhörung verlangt nicht die Einvernahme durch die gesamte entscheidende Behörde. Hingegen hält die Anhörung durch einen in der Sache selbst nicht entscheidungsbefugten Beamten vor Bundesrecht nicht stand (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 1-4). Keine Heilung von Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens, wenn die Anhörung vor zweiter Instanz nicht durch ein Mitglied der entscheidenden Behörde geschieht (E. 5).

117 II 231 () from 23. Mai 1991
Regeste: Art. 8, 16, 467, 519 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Gültigkeit eines eigenhändigen Testamentes, das durch eine Person abgefasst wurde, die an einer Geisteskrankheit leidet. 1. Fähigkeit, Verfügungen von Todes wegen zu treffen: Zusammenfassung der anwendbaren Grundsätze (E. 2). 2. Im vorliegenden Fall ist die Testierunfähigkeit im massgebenden Zeitpunkt nicht mit genügender Gewissheit nachgewiesen (E. 3b).

117 II 340 () from 27. August 1991
Regeste: Eintragung einer im Ausland erfolgten Adoption im schweizerischen Familienregister (Art. 78 Abs. 1 und 2 IPRG). Eine im Ausland ausgesprochene Adoption kann im Familienregister des schweizerischen Heimatorts des Adoptanten als Volladoption eingetragen werden, wenn sie gemäss dem ausländischen Recht, nach welchem die Adoption ausgesprochen wurde, das ursprüngliche Kindesverhältnis zu den natürlichen Eltern zum Erlöschen bringt. Dies ist bei einer auf den Philippinen ausgesprochenen Adoption nicht der Fall, weil das philippinische Recht gewisse erbrechtliche Beziehungen des Adoptivkindes zu den natürlichen Eltern weiterbestehen lässt.

117 II 346 () from 1. Juli 1991
Regeste: Internationales Schiedsverfahren (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG). 1. Mit einer Beschwerde wegen Verletzung von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG kann nur geltend gemacht werden, das Schiedsgericht habe gegen die zwingenden Verfahrensgrundsätze von Art. 182 Abs. 3 IPRG verstossen (E. 1a). 2. Der Umstand allein, dass eine im Schiedsreglement vorgesehene Verfahrensregel von den Parteien gewollt und für das Schiedsgericht verbindlich ist, macht diese Regel nicht zu einem zwingenden Verfahrensgrundsatz (E. 1b, aa).

117 II 349 () from 19. März 1991
Regeste: Art. 87, 50 und 57 Abs. 5 OG. Die gegen einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid gerichtete staatsrechtliche Beschwerde ist aus der Sicht von Art. 87 OG zulässig, falls gleichzeitig eine im Sinne von Art. 50 OG zulässige Berufung erhoben worden ist (Bestätigung der Rechtsprechung).

117 II 374 () from 28. Mai 1991
Regeste: Art. 282 ZGB; Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen während der Dauer des Vaterschaftsprozesses. An die Glaubhaftmachung der Vaterschaft des Beklagten im Sinne von Art. 282 ZGB dürfen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Insbesondere geht es nicht an, auf die blosse Behauptung des Vaterschaftsbeklagten, die Kindsmutter habe in der kritischen Zeit auch mit Dritten verkehrt, abzustellen, ohne dass hiefür konkrete Anhaltspunkte oder Indizien vorliegen.

117 II 379 () from 12. September 1991
Regeste: Aufhebung der Vormundschaft, Anhörung (Art. 434 ff., Art. 374 ZGB). Im Verfahren der Aufhebung der Vormundschaft ist der Entmündigte von Bundesrechts wegen anzuhören.

117 II 508 () from 4. November 1991
Regeste: Art. 54 OG; Beginn der Berufungsfrist im Falle der Erläuterung eines Urteils. Auswirkung einer falschen Rechtsmittelbelehrung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist. 1. Die Berufung, die erst innerhalb der durch einen Erläuterungsentscheid ausgelösten Rechtsmittelfrist erhoben wird, muss auf den Gegenstand der Erläuterung beschränkt bleiben (E. 1). 2. Erfolgt eine falsche Rechtsmittelbelehrung erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, so gebietet es der Vertrauensschutz nicht, dass diese Frist entsprechend erstreckt wird (E. 2).

117 II 604 () from 5. November 1991
Regeste: Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Ordre public. Voraussetzungen, unter denen die Beurteilung einer Schiedssache gegen die öffentliche Ordnung verstösst (E. 3). Eine schiedsgerichtliche Vertragsauslegung widerspricht mindestens solange nicht dem Ordre public, als ein Vertrag gleichen Inhalts nach innerstaatlichem Recht ebenfalls wirksam wäre. Vorbehalten bleibt die Berücksichtigung einer strengeren ausländischen, supranationalen oder universellen Wert- oder Rechtsordnung, sofern dies die Besonderheiten des Einzelfalls erfordern (E. 4).

117 III 29 () from 1. Februar 1991
Regeste: Art. 10 VZG; Pfändung eines im Grundbuch auf den Namen eines Dritten, nicht des Schuldners, eingetragenen Grundstückes. Die in Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 VZG vorgesehene Voraussetzung der unrichtigen Eintragung im Grundbuch muss in einem weiten Sinne verstanden werden: es genügt, wenn die Unrichtigkeit glaubhaft gemacht wird.

117 V 153 () from 25. Februar 1991
Regeste: Art. 14a Abs. 2 und Art. 14b ELV, Art. 4 Abs. 1 BV. Die Vermutungsregeln der Art. 14a Abs. 2 und 14b ELV entbinden die Verwaltung nicht von der Pflicht, dem Versicherten vor Erlass der Verfügung das rechtliche Gehör zu gewähren.

117 V 170 () from 6. Mai 1991
Regeste: Art. 23 Abs. 4 und Abs. 8 UVV, Art. 4 Abs. 1 BV: Taggeld bei Saisonbeschäftigung. Die unterschiedliche Bemessung des Taggeldes bei Unfall und Rückfall in der erwerbslosen Zeit verstösst gegen das Gleichbehandlungsgebot. Tritt der Rückfall in der "toten Saison" ein, bemisst sich das Taggeld deshalb nicht nach Abs. 8, sondern analog nach Abs. 4 Satz 2 von Art. 23 UVV.

117 V 177 () from 14. Oktober 1991
Regeste: Art. 43ter AHVG, Art. 2 HVA, HVA-Anhang. - Die Hilfsmittelliste gemäss HVA-Anhang ist der richterlichen Überprüfung auf Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit zugänglich. Unter dem Gesichtspunkt der Willkürprüfung kann der HVA-Anhang durch ein weiteres Hilfsmittel ergänzt werden (Erw. 3). - Die Nichtaufnahme des Hilfsmittels der Armprothese in den HVA-Anhang lässt sich im Hinblick auf die im Gesetz umschriebenen Eingliederungsziele nicht rechtfertigen; dieser Behelf ist für die Selbstsorge gemäss Art. 43ter Abs. 1 AHVG und i.c. für die Tätigkeit im Aufgabenbereich (Haushaltführung) gemäss Art. 43ter Abs. 2 AHVG unerlässlich. Das geltend gemachte Abgrenzungskriterium des häufigen Bedarfs allein genügt dem Rechtssetzungsauftrag gemäss Art. 43ter AHVG nicht, so dass die Auswahl der Hilfsmittel aufgrund einer rein quantitativen Betrachtungsweise willkürlich ist (Erw. 4).

117 V 194 () from 22. August 1991
Regeste: Art. 28 Abs. 2 und Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 f. IVV; Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV, Art. 163 ZGB: Anwendbare Methode der Invaliditätsbemessung. Massgebende Grundsätze bei der Beantwortung der Frage, ob ein Versicherter als ganztägig oder zeitweilig Erwerbstätiger oder als Nichterwerbstätiger einzustufen ist: - für die Beweiswürdigung nach Erfahrungssätzen; - für die Mitberücksichtigung des eherechtlichen Anspruches der Ehefrau auf Änderung der bisherigen Aufgabenverteilung.

117 V 208 () from 10. September 1991
Regeste: Art. 16 Abs. 2 AHVG. - In analoger Anwendung von Art. 16 Abs. 2 AHVG ist für die Vollstreckung einer rechtskräftig festgelegten Rückerstattungsforderung die dreijährige Frist massgebend (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2b). - Die dreijährige Vollstreckungsfrist ist Verwirkungsfrist, dies unabhängig davon, ob sie auf eine Beitrags- oder auf eine Rückerstattungsforderung Anwendung findet (Präzisierung der Rechtsprechung). Für eine unterschiedliche Qualifizierung besteht umso weniger Anlass, als die dreijährige Frist für die Durchsetzung der Rückerstattung im Falle eines (innert Ordnungsfrist einzureichenden) Erlassgesuches nach dessen rechtskräftiger Abweisung zu laufen beginnt (Erw. 3b). - Art. 16 Abs. 2 letzter Satz AHVG ist auf die Verrechnung einer Rückerstattungsforderung mit einer laufenden Rente nicht anwendbar (Erw. 4c).

117 V 271 () from 26. November 1991
Regeste: Art. 21 Abs. 1 IVG, Art. 2 Abs. 2 HVI, Ziff. 13.02* HVI-Anhang. Entgegen der Verwaltungspraxis setzt der Anspruch auf Hilfsmittel für die Tätigkeit im Aufgabenbereich nicht voraus, dass die Versicherte den Haushalt überwiegend selbständig besorgt; es genügt, dass die Tätigkeit im Aufgabenbereich einen beachtlichen Umfang erreicht. Was als beachtlich zu gelten hat, bestimmt sich aufgrund des konkreten Aufgabenbereichs unter Berücksichtigung der durch das Hilfsmittel möglichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit.

117 V 282 () from 6. Dezember 1991
Regeste: Art. 4 BV, Art. 69 Abs. 2 Satz 2 IVV, Art. 12 lit. c VwVG, Art. 49 BZP in Verbindung mit Art. 19 VwVG: Grundsätze über die Beweisaufnahme, insbesondere bei der Einholung von Auskünften durch die Invalidenversicherungs-Kommission.

117 V 318 () from 17. Dezember 1991
Regeste: Art. 73 BVG. Zulässigkeit einer auf die Ausrichtung künftiger Leistungen gerichteten Klage bejaht (Erw. 1b). Art. 4 Abs. 2 BV. - Das unterschiedliche Pensionierungsalter für weibliche und männliche Beamte verletzt Art. 4 Abs. 2 BV (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2). - Behebung des verfassungswidrigen Zustandes auf dem Wege konkreter Normenkontrolle? Sachliche Voraussetzungen für ein richterliches Eingreifen in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers aufgrund der beschränkten funktionellen Eignung des Richters im vorliegenden Fall verneint (Erw. 5, 6).

117 V 401 () from 24. September 1991
Regeste: Art. 4 BV, Art. 105 Abs. 1 UVG, Art. 130 Abs. 2 UVV. Die Bestimmung von Art. 130 Abs. 2 Satz 2 UVV, mit welcher ein Anspruch auf Parteientschädigung im Einspracheverfahren gemäss Art. 105 Abs. 1 UVG ausgeschlossen wird, verstösst weder gegen das Gesetz noch gegen die Verfassung (Erw. 1). Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG. Wird ein ziffernmässig bestimmtes Rechtsbegehren im kantonalen Beschwerdeverfahren der Unfallversicherung nur teilweise gutgeheissen, so verstösst die Reduktion der Parteientschädigung wegen bloss teilweisen Obsiegens gegen die bundesrechtliche Bemessungsvorschrift von Art. 108 Abs. 1 lit. g Satz 2 UVG, falls das Rechtsbegehren den Prozessaufwand nicht beeinflusst hat (Erw. 2).

117 V 408 () from 24. September 1991
Regeste: Art. 4 BV, Art. 105 Abs. 1 UVG. Im Einspracheverfahren gemäss Art. 105 Abs. 1 UVG besteht ein unmittelbar aus Art. 4 BV fliessender Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung. Dabei gelten sinngemäss die in BGE 114 V 228 für das Anhörungsverfahren in der Invalidenversicherung als massgebend bezeichneten sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen.

118 IA 8 () from 27. Februar 1992
Regeste: Art. 4 BV, Willkür, Rechtsgleichheit, überspitzter Formalismus; Fristwahrung bei der Bezahlung von Kostenvorschüssen, Sammelauftragsdienst der PTT. Nichteintretensentscheid einer kantonalen Behörde in einem Verfahren betreffend kantonale Steuern und direkte Bundessteuer. Die Rüge, kantonales Verfahrensrecht sei verfassungswidrig angewendet worden, ist mit staatsrechtlicher Beschwerde und (hinsichtlich der direkten Bundessteuer) mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben. Gleiche Kognition bei beiden Rechtsmitteln, aber unterschiedliche Begründungsanforderungen (E. 1). Auswirkungen der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Bezahlung des Kostenvorschusses per Sammelauftragsdienst (BGE 117 Ib 220) auf kantonale Verfahren? Eine kantonale Behörde verletzt nicht schon dadurch verfassungsmässige Rechte, dass sie kantonalrechtliche Fristwahrungsbestimmungen noch entsprechend der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 32 OG auslegt (E. 2).

118 IA 14 () from 22. April 1992
Regeste: Zulassung als Geschädigter gemäss §§ 9 und 10 des zürcherischen Gesetzes vom 4. Mai 1919 betreffend den Strafprozess (Strafprozessordnung; StPO). 1. Überspitzter Formalismus bei der Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften (E. 2a). 2. Voraussetzungen der Geschädigtenstellung nach zürcherischem Strafprozessrecht in einem Fall von nächtlicher Ruhestörung (E. 2b).

118 IA 17 () from 5. Mai 1992
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. Es ist mit dem aus Art. 4 BV folgenden Gehörsanspruch nicht vereinbar, wenn an einer Appellationsverhandlung, an der ein Angeschuldigter nach dem kantonalen Recht nicht teilnehmen muss, ohne dessen Wissen ein Beweisergänzungsverfahren durchgeführt wird.

118 IA 28 () from 20. Mai 1992
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Verwertbarkeit von Zeugenaussagen bei Drogensüchtigen unter Entzug). Das Abstellen auf eine belastende Zeugenaussage trotz schwerwiegender medizinischer oder psychologischer Zweifel an der Einvernahmefähigkeit des Zeugen kann gegen Art. 4 BV verstossen. Im vorliegenden Fall wurde die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen bejaht. Die drogensüchtige Zeugin litt bei der untersuchungsrichterlichen Einvernahme nicht nur unter akutem Drogenentzug, sie stand zusätzlich unter dem Einfluss von starken Medikamenten.

118 IA 35 () from 14. Februar 1992
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit; richterliche Prüfungspflicht; Solothurner Berufsberaterin. Aus Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV ergibt sich für den Richter eine minimale Prüfungspflicht. Kommt er dieser im Einzelfall näher zu bestimmenden Pflicht nicht nach, so verletzt er den im Lichte von Art. 4 Abs. 2 BV zu beurteilenden Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör (E. 2d u. e). Weil es dabei um den Inhalt und Umfang des in Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV verankerten verfassungsmässigen Rechts geht, prüft das Bundesgericht die Frage frei (E. 2e).

118 IA 64 () from 12. Februar 1992
Regeste: Grundrechtliche Ansprüche an die Haftbedingungen in Strafvollzug und Untersuchungshaft (insbesondere persönliche Freiheit, Art. 6 Ziff. 1, Art. 8, Art. 10 und Art. 14 EMRK). 1. Eintretensvoraussetzungen: Antrags- und Substantiierungserfordernis, Art. 90 Abs. 1 lit. a und b OG (E. 1b); zulässige Rügen, Art. 84 Abs. 1 lit. a-d OG (E. 1d); kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1e). 2. Grundsätzliche und allgemeine Erwägungen: Bedeutung der einschlägigen Resolutionen und Empfehlungen der Organe des Europarates betreffend die Behandlung von Gefangenen (E. 2a); bundesstaatliche Kompetenzordnung für die Regelung des straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzuges (E. 2b); Natur des abstrakten Normenkontrollverfahrens, Ermessensausübung im Falle der Anfechtung kantonaler Gefängnisverordnungen (E. 2c); Grundsätzliches über Zweck und Grenzen freiheitsbeschränkender Eingriffe während Untersuchungshaft und Strafvollzug (E. 2d). 3. Prüfung der grundrechtlichen Zulässigkeit einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisverordnung (E. 3): - Inventarisierung der persönlichen Habe (E. 3a); - persönliche Effekten in der Zelle (E. 3b); - Beschränkung und Entzug des Spazierganges als besondere Sicherungsmassnahme (E. 3c); - Mahlzeitenregelung (E. 3g); - Sonderkost (E. 3h); - Zulassung von Alkohol, Medikamenten, Drogen und Tabakwaren (E. 3i); - allgemeine Spaziergangsregelung (E. 3k); - Bezug von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften (E. 3l); - Fernsehkonsum (E. 3m); - Besuchsregelung (E. 3n-o); - Briefverkehr (E. 3p-q); - Einschränkungen des Bücher- und Zeitungsbezuges bzw. des Radio- und Fernsehempfanges als Disziplinarsanktion (E. 3r); - Disziplinarverfahren, richterliche Prüfung (E. 3s); - Entzug des Spazierganges während den ersten drei Tagen bei Arrest (E. 3t). 4. Zusammenfassendes Ergebnis (E. 4).

118 IA 95 () from 24. Januar 1992
Regeste: Art. 5 Ziff. 3 EMRK. Trennung von haftanordnendem Richter und Anklagevertreter (Beurteilung der betreffenden Rüge im Stadium des Anklagezulassungsverfahrens). Es verstösst gegen Art. 5 Ziff. 3 EMRK, wenn der gleiche Beamte, der später die strafrechtliche Anklage erhebt, die Untersuchungshaft anordnet (Bestätigung der Rechtsprechung). Art. 5 Ziff. 3 EMRK räumt dem Angeschuldigten indessen keinen Anspruch auf einen mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Anklagevertreter ein. Die Durchsetzung der Garantien von Art. 5 Ziff. 3 EMRK verlangt aber, dass die Konventionsverletzung auch noch nach Rechtskraft der Haftanordnung gerügt werden kann, sofern der Angeschuldigte vorher vom Mangel keine Kenntnis hatte.

118 IA 110 () from 30. Januar 1992
Regeste: Art. 86 Abs. 2 und 87 OG. Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nach der bernischen Zivilprozessordnung (E. 3).

118 IA 118 () from 24. April 1992
Regeste: Rechtsmittel gegen Entscheide betreffend die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Gegenstand der Entscheide betreffend die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile bildet weder eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 und 46 OG noch eine Zivilsache gemäss Art. 68 Abs. 1 OG; Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde sind daher unzulässig. Da solche Entscheide auch nicht in Anwendung öffentlichen Rechts des Bundes im Sinne von Art. 5 VwVG ergehen, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 ff. OG) nicht gegeben. Solche Entscheide können einzig mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 25 ff. IPRG (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) oder wegen Verletzung eines Staatsvertrages mit dem Ausland (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG) angefochten werden.

118 IA 129 () from 8. April 1992
Regeste: Art. 4 BV; Parteiwechsel während eines hängigen Zivilprozesses. 1. Die Sachlegitimation ist vom Richter jeder Stufe von Amtes wegen zu prüfen, unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime allerdings bloss nach Massgabe des behaupteten und festgestellten Sachverhalts (E. 1). 2. Die Zulassung eines gewillkürten Parteiwechsels auf der Klägerseite ist ohne Zustimmung des Beklagten verfassungswidrig (E. 2).

118 IA 133 () from 10. Juni 1992
Regeste: Art. 4 BV; Festsetzung des Honorars des amtlichen Verteidigers. Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Praxis (E. 2a-E. 2b). Sofern vom amtlichen Verteidiger kein unverhältnismässiger Zeitaufwand betrieben worden ist, lässt sich ein Honorar von Fr. 23.-- bzw. 30.-- pro Stunde mit Art. 4 BV nicht vereinbaren (E. 2c-d).

118 IA 137 () from 17. Juni 1992
Regeste: Art. 4 BV; Legalitätsprinzip im Bereich des kantonalen Strafrechts (extraterritoriale Anwendung von kantonalem Recht, Begründung der kantonalen Strafrechtshoheit nach dem "Auswirkungsprinzip"). Das bündnerische Jagdpolizeirecht verbietet unter gewissen Voraussetzungen das Verwenden von Motorfahrzeugen auf ausserkantonalem Gebiet zum Zweck der späteren Jagdausübung im Kanton Graubünden. Die Kollisionsregeln von Art. 3 und Art. 7 StGB ("Territorialitäts-" bzw. "Ubiquitätsprinzip") begründen keinen Anknüpfungsgrund für die entsprechende Strafnorm. Dennoch liegt keine unzulässige Ausdehnung der kantonalen Strafrechtshoheit auf ausserkantonale Sachverhalte vor. Das durch das bündnerische Jagdpolizeirecht geschützte Rechtsgut wird durch das inkriminierte Verhalten nämlich in erheblicher Weise berührt, so dass insofern eine ausreichende Binnenbeziehung besteht ("Auswirkungsprinzip").

118 IA 144 () from 22. Juli 1992
Regeste: Art. 4 BV; Schlüssigkeit und Beweiskraft eines technischen Gutachtens (Brandprobenanalyse) im Strafprozess. In Sachfragen weicht der Richter nur aus triftigen Gründen von einer gerichtlichen Expertise ab. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen ist Aufgabe des Richters. Dieser hat zu prüfen, ob sich auf Grund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Erscheint dem Richter die Schlüssigkeit einer Expertise in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat er nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann einen Verstoss gegen Art. 4 BV (Verbot willkürlicher Beweiswürdigung) nach sich ziehen. Im vorliegenden Fall wurde ein solcher Verstoss verneint.

118 IA 151 () from 24. Juni 1992
Regeste: Art. 4 und Art. 22ter BV; Festsetzung einer Landschaftsschutzzone für noch nicht überbautes Gebiet in einem ehemaligen Baulandumlegungsperimeter. 1. Nichteinzonung oder Auszonung (E. 3b)? 2. Zulässigkeit der Schutzzonenfestsetzung, wenn trotz eines gegebenen Baulandbedarfes das Baugebiet nicht mehr ausgedehnt werden kann; regionale Betrachtungsweise für die Ermittlung des Baulandbedarfes (E. 4). Besondere Umstände, welche die Festsetzung einer Bauzone gebieten und die öffentlichen Interessen an einer Zuweisung in die Schutzzone überwiegen, liegen nicht vor (E. 5). 3. Eine Parzellarordnung kann grundsätzlich nur Beständigkeit beanspruchen, wenn ihr ein bundesrechtskonformer Nutzungsplan zugrunde liegt (E. 5c). Sie hat im vorliegenden Fall auch nicht zur Folge, dass die Schutzzonenfestsetzung zu einer Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes (Art. 4 BV) führt (E. 6). 4. Notwendige, von der Gemeinde vorzunehmende Korrekturen des Strassenplanes und der Parzellarordnung zufolge der Schutzzonenfestsetzung; Anspruch der Grundeigentümer auf Reprivatisierung des im Rahmen der Baulandumlegung für Erschliessungsanlagen ausgeschiedenen und der Gemeinde zugeteilten Landes (E. 7).

118 IA 165 () from 13. Mai 1992
Regeste: Anfechtbarkeit von Entscheiden, die vor der Genehmigung des Nutzungsplans ergehen (Art. 84 Abs. 1 OG). Rechtsmittelentscheide, die vor der Genehmigung eines Nutzungsplans ergehen, legen den Inhalt eines Nutzungsplans nicht endgültig fest; sie sind daher mit staatsrechtlicher Beschwerde nicht anfechtbar. Besonderheiten im zürcherischen Recht (E. 2a). Zulässigkeit aller Rügen gegenüber dem Nutzungsplan bei Anfechtung des Genehmigungsentscheids. Voraussetzung der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (E. 2b). Bedingte Festsetzung eines Nutzungsplans. Fehlende gesetzliche Grundlage für eine bedingte Zonenfestsetzung im Recht des Kantons Appenzell A.Rh. (E. 3b). Verletzung der bundesrechtlichen Pflicht zu einer umfassenden und abgestimmten Nutzungsplanung (Art. 2 und Art. 14 ff. RPG) durch eine bedingte Zuweisung eines Grundstücks in eine Nichtbauzone (E. 3c).

118 IA 195 () from 17. Juni 1992
Regeste: Art. 5 BV; Grundsatz der Bundestreue; Art. 15 und Art. 83 lit. b OG; Staatsrechtliche Klage; Zulässigkeit einer kantonalen Volksinitiative. 1. Art. 15 OG: Besetzung derjenigen Abteilung des Bundesgerichts, welche über die gegen eine kantonale Volksinitiative erhobene staatsrechtliche Klage entscheidet (E. 1). 2. Art. 83 lit. b OG: Zulässigkeit der gegen eine kantonale Volksinitiative erhobenen staatsrechtlichen Klage, mit welcher der klagende Kanton geltend macht, die Volksinitiative verletze Art. 5 BV und den Grundsatz der Bundestreue (E. 3 und E. 4). 3. Tragweite der Gewährleistung des Gebiets und der Souveränität der Kantone gemäss Art. 5 BV und nach dem Grundsatz der Bundestreue (E. 5a-c). 4. Der Wille der Initianten, die Einheit des ehemaligen Berner Juras anzustreben, verletzt für sich allein kein Bundesrecht. Hingegen kann die von den Initianten gewählte Verpflichtung der kantonalen Behörden, einseitig und fortwährend auf die Eingliederung der Bezirke Moutier, Courtelary und La Neuveville in den Kanton Jura hinzuwirken, den Frieden zwischen den Kantonen stören (E. 5d).

118 IA 218 () from 8. Mai 1992
Regeste: Gemeindeautonomie bei vorzeitiger Einschulung im Kanton Graubünden. 1. Voraussetzungen, unter denen ein Entscheidungsspielraum, den das kantonale Recht einer Gemeinde einräumt, relativ erheblich ist und deshalb Autonomie zu begründen vermag (E. 3a und E. 3d). 2. Im Kanton Graubünden besteht bei der vorzeitigen Einschulung keine Gemeindeautonomie (E. 3e).

118 IA 223 () from 1. Juni 1992
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von Nutzungsplänen, mit deren Genehmigung das Enteignungsrecht erteilt wird. Der von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verlangte gerichtliche Rechtsschutz zählt zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesrechts, denen die Kantone Rechnung zu tragen haben. Anspruch auf Zugang zu einem Gericht, dem eine umfassende Rechtskontrolle zusteht, bei Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer Enteignung, wenn die Anfechtung der Erteilung des Enteignungsrechtes im Schätzungsverfahren ausgeschlossen ist (E. 1). Art. 4 BV; mangelhafte Rechtsmittelbelehrung, Überweisung einer Streitsache an das Verwaltungsgericht zur weiteren Behandlung. Da in einer staatsrechtlichen Beschwerde nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden kann, hat das Verwaltungsgericht, sofern das kantonale Recht hiefür keine Grundlage bietet, dem Betroffenen gestützt auf Art. 4 BV eine angemessene Frist anzusetzen, innert welcher dieser eine Beschwerdeergänzung einreichen kann (E. 2).

118 IA 232 () from 4. August 1992
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde. Fehlende nachbarschützende Funktion von § 238 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes. Voraussetzungen der Legitimation der Eigentümer benachbarter Grundstücke zur Anfechtung einer Baubewilligung (E. 1a). Grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion von Ästhetikvorschriften. Keine über den ästhetischen Bereich hinausgehende Funktion von § 238 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes (E. 1b). Einem in der Sache selbst nicht legitimierten Beschwerdeführer fehlt auch die Legitimation zur Rüge, die Begründung des angefochtenen Entscheids sei materiell zu wenig differenziert (E. 1c).

118 IA 236 () from 2. September 1992
Regeste: Prozessfähigkeit. Art. 14 BZP, Art. 16 und Art. 18 ZGB. 1. Begriff. Eintretensvoraussetzung im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde. Sie ist nicht erfüllt beim psychopathischen Querulanten (E. 2). 2. Beschränkte Prozessfähigkeit im Verfahren über die Frage der Prozessfähigkeit selbst (E. 3).

118 IA 241 () from 7. Juli 1992
Regeste: Art. 4 BV, überspitzter Formalismus, Nichteinhaltung der Rechtsmittelfrist. Einer kantonalen gerichtlichen Behörde ist überspitzter Formalismus vorzuwerfen, wenn sie eine Beschwerde, die rechtzeitig bei ihrem Vizepräsidenten eingereicht worden ist, als verspätet betrachtet, weil sie nicht mehr innert Frist an die zuständige Behörde weitergeleitet werden konnte.

118 IA 245 () from 9. Juli 1992
Regeste: Art. 4 und Art. 22ter BV; Subdelegation; wohlerworbene Rechte; Festsetzung der Anfangsbesoldung einer Berufsschullehrerin im Kanton St. Gallen. 1. Bundesrechtliche Anforderungen an die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen (Präzisierung der Praxis; E. 3b). 2. Zulässigkeit einer Subdelegation (E. 3c); bejaht für die in Art. 3 der st. gallischen Dienst- und Besoldungsordnung vom 29. April 1986 vorgesehene Regelung, wonach die Berufsschulkommissionen ergänzende Vorschriften über das Dienstverhältnis erlassen (E. 3d-E. 3f). 3. Vertrauensschutz (E. 4b) und Rückwirkungsverbot (E. 4c). 4. Verhältnis wohlerworbener Rechte zum Prinzip des Vertrauensschutzes und zur Eigentumsgarantie (E. 5a); Charakter eines wohlerworbenen Rechtes im vorliegenden Fall verneint (E. 5b). Es ist grundsätzlich weder willkürlich, noch verstösst es gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, vor und nach einer Besoldungsrevision in Dienst genommene Beamte nach unterschiedlichen Kriterien einzustufen (E. 5c und E. 5d).

118 IA 282 () from 27. August 1992
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 26 KV/SH; Anspruch auf einen unbefangenen Richter. 1. Die Auffassung, der Grundsatz der Gewaltentrennung gemäss Art. 26 KV/SH beziehe sich nur auf die Gewalten derselben Gebietskörperschaft, ist nicht willkürlich und ist mit Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar (E. 3). 2. Den Kantonen ist es nicht verwehrt, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung des Anspruchs auf einen unvoreingenommenen, unabhängigen und unparteiischen Richter nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu verlangen (E. 5a). Aufgrund der kantonalen Strafprozessbestimmungen war es nicht willkürlich, den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ablehnung eines Richters als verwirkt zu betrachten (E. 5b-E. 5e). 3. Verfassung und Konvention stehen einer Verwirkung nicht entgegen (E. 6a). Unverzichtbarer und unverjährbarer Charakter von Art. 58 BV im vorliegenden Fall verneint (E. 6b und E. 6c).

118 IA 305 () from 9. Juli 1992
Regeste: Gewaltentrennung; persönliche Freiheit; Art. 4 und Art. 22ter BV; "nulla poena sine lege"; abstrakte Normenkontrolle der st. gallischen Waffenverordnung vom 5. Februar 1991. 1. Beschwerdeergänzung im zweiten Schriftenwechsel nach Art. 93 Abs. 3 OG (E. 1c). 2. Gewaltentrennungs- und Stimmrechtsbeschwerde (E. 1d). 3. Umfang der Prüfung kantonaler Bestimmungen durch den Verfassungsrichter bei einer abstrakten Normenkontrolle (E. 1f). 4. Bundesrechtliche Anforderungen an die Gesetzesdelegation (E. 2). Die in Art. 2 des st. gallischen Waffengesetzes vom 4. Januar 1972 zugunsten des Regierungsrates vorgesehene Übertragung der Befugnis, den Waffenbesitz und das Waffentragen zu regeln, hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand (E. 3) und bildet eine hinreichende gesetzliche Grundlage, um die persönliche Freiheit, soweit sie durch die angefochtenen Bestimmungen überhaupt berührt wird, einzuschränken (E. 4). 5. Ausnahmen von der Pflicht, einen Waffentragschein zu besitzen (E. 5). 6. Es verstösst nicht an sich gegen die Eigentumsgarantie, verbotene Gegenstände einzuziehen oder durch den Betroffenen vernichten zu lassen, solange der Vollzug im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (E. 6). 7. Die Strafbestimmungen der angefochtenen Waffenverordnung stützen sich auf ein Gesetz im formellen Sinne, welches Strafart und -mass hinreichend konkretisiert (E. 7).

118 IA 331 () from 10. September 1992
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; kantonale Organisations- und Verfahrenshoheit. Das Recht des Einzelnen auf einen unabhängigen Richter, der Nutzungspläne, soweit sie einen Enteignungstitel schaffen, umfassend auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen kann, ist bundesrechtlich verbindlich und rechtfertigt einen Eingriff in die kantonale Organisations- und Verfahrenshoheit durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtes selbst dann, wenn es die Stimmberechtigten des Kantons im Rahmen einer Gesetzesrevision abgelehnt haben, die kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen solche Pläne zuzulassen (E. 3).

118 IA 336 () from 17. September 1992
Regeste: Interkantonale Rechtshilfe in Strafsachen; Zuständigkeit zur Beurteilung eines Schadenersatzbegehrens wegen ungerechtfertigter oder unverschuldeter Untersuchungshaft. Art. 352 Abs. 1 und Art. 355 Abs. 2 StGB. 1. Werden strafprozessuale Zwangsmassnahmen aufgrund eines interkantonalen Rechtshilfeersuchens vollzogen, so ist derjenige Kanton, welcher für die Anordnung der Zwangsmassnahmen verantwortlich ist (d.h. in der Regel der ersuchende Kanton), berechtigt und verpflichtet, über eine allfällige Entschädigung zu entscheiden und diese gegebenenfalls zu bezahlen (E. 1). 2. Ist es zwar fraglich, aber nicht offensichtlich unzutreffend, dass der ersuchende Kanton zur Anordnung der Untersuchungshaft zuständig ist, so sind weder der Haftbefehl noch das darauf gestützte Rechtshilfebegehren nichtig (E. 2).

118 IA 341 () from 9. November 1992
Regeste: Art. 22bis Abs. 4 und Abs. 5 BV; Art. 34 Abs. 1 ZSG; Art. 14 und Art. 4 Ziff. 3 EMRK; Zivilschutzdienstobligatorium für Männer. Wird das Aufgebot des aufbietenden kommunalen Zivilschutzamtes zu einem Zivilschutzkurs mit dem Argument angefochten, dass das nur für Männer geltende Zivilschutzdienstobligatorium Art. 14 EMRK verletze, steht als einziges Rechtsmittel die staatsrechtliche Beschwerde offen (E. 1 und E. 2). Art. 14 EMRK kann nur angerufen werden, wenn eine Diskriminierung im Genuss von durch eine andere Konventionsnorm eingeräumten Rechten und Freiheiten gerügt wird. Der Zivilschutzdienst ist gemäss Art. 4 Ziff. 3 EMRK nicht Zwangsarbeit im Sinne von Art. 4 Ziff. 2 EMRK. Anrufung von Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 4 Ziff. 3 EMRK (E. 3)? Das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK geht nicht über das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot von Art. 4 Abs. 1 BV hinaus; es geht weniger weit als Art. 4 Abs. 2 BV. Das auf Männer beschränkte Zivilschutzdienstobligatorium verletzt Art. 14 in Verbindung mit Art. 4 Ziff. 3 EMRK nicht (E. 4). Art. 114bis Abs. 3 BV schliesst nicht aus, dass das Bundesgericht eine Feststellung über die EMRK-Konformität der vom Gesetzgeber (Art. 34 Abs. 1 ZSG) und vom Verfassungsgeber (Art. 22bis Abs. 4 und Abs. 5 BV) gewollten Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereiche des Zivilschutzes trifft (E. 5).

118 IA 360 () from 22. September 1992
Regeste: Persönliche Freiheit; Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Haftbedingungen. 1. Anspruch auf vegetarische Gefängnisverpflegung sowie auf tägliche Bewegung im Freien. Verfassungskonforme Auslegung des Solothurner Vollzugsgesetzes vom 3. März 1991 und der Vollzugsverordnung vom 5. November 1991 (E. 3a/E. 3c). 2. Stellen disziplinarischer Arrest bzw. Einschliessung bis zu 10 Tagen eine strafrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar? Frage offengelassen, da nach Solothurner Prozessrecht eine richterliche Überprüfung jedenfalls gewährleistet ist (E. 3b).

118 IA 369 () from 23. November 1992
Regeste: Art. 4 BV, Art. 152 OG; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Bei der Abklärung, ob der Rechtsuchende im Sinne von Art. 152 OG bedürftig sei, ist nicht nur sein den Zwangsbedarf übersteigendes Einkommen, sondern auch allfälliges Vermögen angemessen zu berücksichtigen. Dies setzt aber voraus, dass das Vermögen im Zeitpunkt der Anhängigmachung des Prozesses oder mindestens bei der Gesuchstellung bereits vorhanden resp. verfügbar ist und nicht erst nach Abschluss des Prozesses realisiert werden kann (E. 4).

118 IA 384 () from 18. November 1992
Regeste: Art. 4 und Art. 22ter BV, Art. 17 RPG; Denkmalschutz, Gebot von Treu und Glauben. 1. Der Verzicht auf eine Schutzzonenzuweisung hat nicht zur Folge, dass eine Liegenschaft nicht mit einer Einzelverfügung (Eintrag in ein Denkmalverzeichnis) unter Denkmalschutz gestellt werden kann, da diese beiden Massnahmen grundsätzlich andere Zwecke verfolgen (E. 3). 2. Gesetzliche Grundlage für die Unterschutzstellung eines Variété-Theaters, das heute als Kino mit Gastwirtschaftsbetrieb geführt wird (E. 4a); Kognition des Bundesgerichtes in Beachtung der dem kantonalen Verwaltungsgericht zustehenden freien Ermessensüberprüfung (E. 4b). 3. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen für die Anordnung denkmalschützerischer Massnahmen (E. 5a); Gewichtung der öffentlichen Interessen, namentlich der architektonischen und städtebaulichen Aspekte (E. 5b-d); Verhältnismässigkeit des Eigentumseingriffes, Bedeutung der finanziellen Interessen des Eigentümers (E. 5e).

118 IA 394 () from 18. November 1992
Regeste: Art. 22ter BV; Festsetzung von Baulinien für einen Seeuferweg. 1. Kognition des Bundesgerichtes (E. 2). 2. Grundsatz der ufernahen Wegführung, allgemeine Anforderungen an den konkreten Baulinienverlauf, Spielraum der Planungsbehörden (E. 3). 3. Keine Eigentumsverletzung, wenn es die Baulinien in Anbetracht des Niveauunterschiedes zwischen Garten und Weg sowie des nötigen Freiraumes für die Anlage erlauben, eine zumutbare, auch die Privatsphäre respektierende Wegführung zu realisieren (E. 4). 4. Eigentumsverletzung, - wenn Baulinien bestehende zonenkonforme Gewerbebauten durchschneiden, das Wegprojekt aber mit einem Steg befriedigend gelöst werden kann (E. 5a-c); - wenn Baulinien für einen Uferweg von 2 bis 3,5 Metern Breite rund die Hälfte einer grösseren Parzelle belasten, ohne dass die Notwendigkeit dieser Belastung durch generelle Projektstudien näher belegt ist, und wenn die Baulinie einer Freihaltezonenfestsetzung gleichkommt (E. 5d und f).

118 IA 457 () from 14. August 1992
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (Recht des Angeschuldigten auf Befragung von anonymen Gewährspersonen). Der Angeschuldigte hat grundsätzlich das Recht, Anzeiger, auf deren schriftliche Aussagen der Strafrichter abstellen will, ergänzend zu befragen und auch deren Identität zu erfahren. Ein Abstellen auf belastende Aussagen unter Wahrung der Anonymität der Gewährspersonen kann allenfalls in begründeten Ausnahmefällen und zur Wahrung überwiegender schutzwürdiger Interessen zulässig erscheinen. Im vorliegenden Fall wurden überwiegende schutzwürdige Interessen der Anzeiger an einer vollständigen Anonymisierung des Beweisverfahrens verneint.

118 IA 462 () from 8. Dezember 1992
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. d und lit. e EMRK; Recht des Angeschuldigten auf Übersetzungen sowie auf ergänzende Befragung von Belastungszeugen. 1. Inwieweit besteht ein Anspruch des fremdsprachigen Angeschuldigten auf Übersetzung von Dokumenten und mündlichen Äusserungen in die eigene Muttersprache sowie auf Bestellung eines Dolmetschers oder eines sprachkundigen Rechtsvertreters im Strafprozess (E. 2-3)? 2. Werden Belastungszeugen ohne Beisein des Angeschuldigten rechtshilfeweise einvernommen, müssen dem Angeschuldigten grundsätzlich die Einvernahmeprotokolle vorgelegt werden. Auf entsprechenden Antrag hin ist ihm ausserdem Gelegenheit zu geben, nachträglich schriftliche Ergänzungsfragen an die Belastungszeugen zu stellen (E. 5).

118 IA 473 () from 17. Dezember 1992
Regeste: Regelung des persönlichen Verkehrs eines mit der Mutter des Kindes nicht verheirateten Vaters. Bundesrechtliche Rechtsmittel. Anforderungen an das kantonale Verfahren (Art. 275 Abs. 1 ZGB und Art. 44 OG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 361 ZGB und Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB; Art. 64 EMRK). 1. Treffen die vormundschaftlichen Behörden Anordnungen über den persönlichen Verkehr des Vaters mit dem Kind, so kann dieses dagegen nicht Berufung beim Bundesgericht einlegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Die vom Bundesrat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK 1988 abgegebene "auslegende Erklärung" stellt einen unzulässigen Vorbehalt dar. Die Kantone müssen deshalb die Zuständigkeiten im Vormundschaftsbereich so regeln, dass Anordnungen über den persönlichen Verkehr wenigstens im Rechtsmittelverfahren durch ein Gericht beurteilt werden können (E. 5 bis E. 7).

118 IA 488 () from 26. November 1992
Regeste: Art. 88 OG sowie Art. 40 OG i.V.m. Art. 72 BZP; aktuelles praktisches Interesse als Voraussetzung der Anfechtung eines Prüfungsentscheides mittels staatsrechtlicher Beschwerde. 1. Hat ein Examenskandidat die Prüfung im zweiten Versuch bestanden, verfügt er nicht mehr über ein aktuelles praktisches Interesse an einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen den ersten negativen Prüfungsentscheid. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die Frage der Widerrechtlichkeit Bestandteil eines selbständigen Haftungsprozesses sein kann, selbst im Hinblick auf die allfällige Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen (E. 1). 2. Auch wenn die fehlende Legitimation in der Sache die Rüge der formellen Rechtsverweigerung nicht ausschliesst, befreit dies nicht davon, dass wenigstens ein aktuelles praktisches Interesse an der formellen Rüge bestehen muss (E. 2). 3. Kostenregelung, wenn die staatsrechtliche Beschwerde infolge nachträglichen Wegfalls des Interesses abzuschreiben ist (E. 4).

118 IA 497 () from 11. Dezember 1992
Regeste: Art. 4 BV; Schenkungssteuer. Der Wille der unentgeltlichen Zuwendung bildet ein begriffsnotwendiges Merkmal der gemischten Schenkung. Es ist willkürlich, auf einem Rechtsgeschäft allein aufgrund des objektiven Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung eine Schenkungssteuer zu erheben, ohne das Vorliegen eines Zuwendungswillens zu prüfen.

118 IB 26 () from 4. März 1992
Regeste: Ausführungsrecht im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG. Fabrikerweiterung in einem Gebiet mit übermässiger Luftbelastung; Emissionsbegrenzung nach Art. 12 USG; Massnahmenplan nach Art. 31 ff. LRV. 1. Überprüfung eines kantonalen Entscheids, in dem auf ein Rechtsmittel nicht eingetreten (Hauptstandpunkt), dieses aber zugleich materiell geprüft wird (Eventualstandpunkt; E. 2b). 2. Als Ausführungsbestimmungen im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG gelten Normen, welche raumplanerische Funktionen erfüllen; dazu zählen nicht nur die eigentlichen Planungsvorschriften, sondern auch alle Bauvorschriften, die der planungsrechtlichen Zonenordnung erst ihren konkreten Inhalt geben (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4b). 3. Beurteilung einer neuen stationären Anlage (Fabrikerweiterung), die für sich allein keine übermässige Luftverunreinigung bewirkt, jedoch in einem Gebiet mit einer übermässigen Gesamtbelastung der Luft liegt. Festlegung von Emissionsbegrenzungen nach Grundsätzen der Koordination und der Lastengleichheit. Massnahmenplan als Koordinationsinstrument. Anordnung von verschärften Emissionsbegrenzungen im Baubewilligungsverfahren im zu beurteilenden Fall abgelehnt (E. 5b-h).

118 IB 60 () from 12. Februar 1992
Regeste: Gesuch um Aufnahme im Schiffsregister und um Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechtes; Abweisung des Gesuchs durch den Grundbuchverwalter mangels Einregistrierung der Urkunden, welche die Anmeldung zur Eintragung im Grundbuch zum Gegenstand haben, bei der kantonalen Steuerverwaltung. 1. Gemäss Art. 3 lit. b des genferischen Gesetzes über die sog. Einregistrierungsgebühren unterliegen alle Urkunden ("actes, écrits et pièces"), welche eine Anmeldung zur Eintragung im Grundbuch des Kantons Genf zum Gegenstand haben, der Einregistrierung. Die Auslegung der kantonalen Aufsichtsbehörde über das Grundbuch, wonach sich diese Bestimmung auch auf das Schiffsregister beziehe, ist nicht unhaltbar (E. 2). 2. Neben den eigentlichen Gebühren sind auch die Handänderungsgebühren zu jenen öffentlichrechtlichen Geldleistungen zu zählen, von deren Erfüllung die Kantone die Eintragung im Grundbuch abhängig machen können (E. 3a). Im Kanton Genf sind die Einregistrierungsgebühren für Urkunden und Rechtsgeschäfte, welche dem Erfordernis der Einregistrierung unterworfen sind, wegen ihrer Rechtsgrundlage als Handänderungsgebühren zu betrachten (E. 3b).

118 IB 111 () from 29. Juni 1992
Regeste: Rechtshilfe an die USA. 1. Zuständigkeitsordnung gemäss BG-RVUS im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen im Verhältnis mit den USA (E. 3). 2. Allfällige Mängel des vorinstanzlichen Rechtshilfeverfahrens können im Verwaltungsgerichtsverfahren geheilt werden (E. 4). 3. Die Formerfordernisse nach Art. 29 RVUS sind erfüllt, wie auch die von Art. 4 Ziff. 2 RVUS für Zwangsmassnahmen verlangte beidseitige Strafbarkeit (insb. gemäss Ziff. 19 lit. b der dem RVUS beigefügten Liste) gegeben ist (E. 5). "Begründeter Verdacht" im Sinne von Art. 1 Ziff. 2 RVUS heisst, dass die Verdachtsumstände in ausreichender Form dargelegt sein müssen, um das Rechtshilfeverfahren von einer blossen - unzulässigen - Beweisausforschung aufs Geratewohl hin abzugrenzen; der Ausdruck darf hingegen nicht im Sinne von "bewiesen" verstanden werden (E. 5b). 4. Voraussetzungen der Herausgabe von Vermögenswerten an den ersuchenden Staat bzw. Gliedstaat (Art. 1 Ziff. 1 lit. b RVUS); Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes und damit auch des Übermassverbotes (E. 6).

118 IB 130 () from 13. Februar 1992
Regeste: Vorliegen einer Verfügung gestützt auf öffentliches Recht des Bundes (Art. 97 Abs. 1 OG, Art. 5 Abs. 1 VwVG); Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG). Für die Annahme einer kantonalrechtlichen Verfügungsgrundlage ist erforderlich, dass dem kantonalen Recht im betreffenden Sachgebiet gegenüber den bundesrechtlichen Vorschriften selbständige Bedeutung zukommt. Trifft dies zu, so steht gegen einen solchen Entscheid nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen, sondern die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Falls dagegen die Grundlage der Verfügung nicht im selbständigen kantonalen Recht sondern in einer vorrangigen Vorschrift des Bundesrechtes liegt, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben. Letzteres trifft zu für die Regelung des Besuchsverkehrs von Strafvollzugsgefangenen in der kantonalen Strafanstalt Regensdorf.

118 IB 137 () from 13. März 1992
Regeste: Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen. Der in der Schweiz inhaftierte Ausländer kann nach dem Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen nur den Wunsch äussern, dass er zum Vollzug der gegen ihn verhängten Sanktion in sein Heimatland überstellt werde. Er kann den ablehnenden Bescheid nicht dem Bundesgericht zur Überprüfung unterbreiten. Hingegen kann er mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Rechten geltend machen, die ihm nach dem Übereinkommen zustehen (E. 3).

118 IB 145 () from 26. Juni 1992
Regeste: Art. 88 und Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und Art. 7 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers. 1. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer (E. 1). 2. Bei der Zulässigkeitsprüfung ist grundsätzlich auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse abzustellen (E. 2). 3. Art. 7 ANAG bildet die Grundlage für einen Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizerbürgers auf Aufenthaltsbewilligung; für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzig entscheidend, ob formell eine Ehe besteht (E. 3). 4. Dagegen setzt eine Berufung auf Art. 8 EMRK voraus, dass die Ehe auch tatsächlich als Gemeinschaft geführt wird (E. 4). 5. Verneinung der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Fall (E. 5). 6. Hat der Ausländer keinen Anspruch auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung, ist er nicht zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 6).

118 IB 187 () from 5. Juni 1992
Regeste: Befreiung der Kunstmaler und Bildhauer für die selbst hergestellten Kunstwerke von der Warenumsatz-Steuerpflicht (Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV; WUSt-Beschluss, SR 641.20). Die in Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV vorgesehene Steuerbefreiung der Kunstmaler und Bildhauer für die selbst hergestellten Kunstwerke gilt sowohl für die Steuer auf dem Warenumsatz im Inland als auch für die Steuer auf der Wareneinfuhr (E. 4 und E. 5).

118 IB 196 () from 21. Juli 1992
Regeste: Art. 5 Abs. 2, Art. 34 RPG, kantonales Planungs- und Enteignungsrecht; materielle oder formelle Enteignung? Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Enteignungsentscheid, in welchem die Frage der materiellen Enteignung nicht behandelt wird, weil eine formelle Enteignung vorliege (E. 1). Der Erwerb eines im Generellen Erschliessungsplan eingezeichneten öffentlichen Fusswegrechts über eine Privatstrasse hat im vorliegenden Fall auf dem Weg der formellen Enteignung zu erfolgen (E. 2).

118 IB 234 () from 21. Juli 1992
Regeste: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Bereich des Umweltschutzrechts. Auf kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die in einem hinreichend engen Sachzusammenhang zu den im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Fragen des Bundesumweltschutzrechts stehen, sind ebenfalls mit diesem Rechtsmittel anfechtbar. Hinreichend enger Sachzusammenhang für Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands im vorliegenden Fall bejaht (E. 1). Art. 11 und 12 USG; LSV. Betriebseinschränkung zur Begrenzung übermässiger Lärmemissionen. Feststellung einer Überschreitung der massgebenden Lärmimmissionsgrenzwerte (E. 2a). Betriebseinschränkung als verhältnismässige Massnahme zur Begrenzung übermässiger Lärmemissionen (E. 2b). Keine Verletzung von Treu und Glauben durch die angeordnete Betriebseinschränkung (E. 3).

118 IB 241 () from 8. Mai 1992
Regeste: Lenkung der Fleisch- und Eierproduktion (Höchstbestandesverordnung, SR 916.344; Stallbauverordnung, SR 916.016); materielle Enteignung. 1. Zuständigkeit des Bundesgerichts (E. 1). 2. Rechtmässigkeit der Höchstbestandesvorschriften (E. 4). 3. Die Eigentumsgarantie stellt nur so weit eine rechtliche Grundlage für Entschädigungsansprüche dar, als unmittelbar Befugnisse aus dem Eigentum beschränkt werden. Das ist bei der - wirtschaftslenkenden - Beschränkung der Befugnis zur Haltung von Nutztieren nicht der Fall; Frage offengelassen hinsichtlich der Nutzung der Stallbauten (E. 5). 4. Verneinung von Ansprüchen aus materieller Enteignung im Lichte der Wirtschaftsverfassung (E. 6a, 6b, 9b) und anhand der Kriterien der Eingriffsintensität (E. 7), der Zielrichtung des Eingriffs (E. 8), des Vertrauensschutzes (E. 9) und der Lastengleichheit (E. 10).

118 IB 277 () from 28. Juli 1992
Regeste: Einsicht in Karteikarten und Dossiers des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide des Sonderbeauftragten für die Behandlung der Staatsschutzakten des Bundes. Vereinbarkeit des Rechtsschutzes nach StaVo mit Art. 13 EMRK. 1. Entscheide des Sonderbeauftragten betreffend die Einsicht in Karteikarten (Fichen) des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft, welche in Anwendung von Art. 5 ff. der Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten des Bundes (StaVo, SR 172.014) getroffen werden, betreffen die (innere und äussere) Sicherheit des Landes im Sinne von Art. 100 lit. a OG und können daher nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Es steht einzig die Beschwerde an den Bundesrat nach Art. 14 StaVo in Verbindung mit Art. 72 VwVG offen (E. 2). 2. Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Prüfung der Vereinbarkeit von Art. 100 lit. a OG mit Art. 13 EMRK (E. 3). 3. Die behördliche Erhebung von Daten über das Privatleben von Bürgern, deren Aufbewahrung zu Staatsschutzzwecken und die Verweigerung der Einsichtnahme stellen Eingriffe in das von Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar (E. 4). 4. Tragweite des Anspruchs auf eine wirksame Beschwerde vor einer nationalen Instanz im Sinne von Art. 13 EMRK (E. 5). 5. Der Rechtsschutz, wie er gestützt auf die StaVo mit den Entscheiden des Sonderbeauftragten, des Ombudsmannes und des Bundesrates gewährt wird, genügt im vorliegenden Fall den Anforderungen von Art. 13 EMRK (E. 6).

118 IB 296 () from 20. März 1992
Regeste: Art. 103 lit. c OG, 12 NHG, 24 RPG; Beschwerdebefugnis gesamtschweizerischer Vereinigungen. 1. Die gesamtschweizerische Vereinigung mit ideellen Zielen, welche einen auf Art. 24 RPG gestützten Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht anfechten will, muss sich (zumindest) am letztinstanzlichen kantonalen Verfahren beteiligt haben, sofern die angefochtene Bewilligung ihr Anlass dazu gegeben hat (E. 2a). 2. Eine gesamtschweizerische Vereinigung ist befugt, über das Organ ihrer kantonalen Sektion bei der letzten kantonalen Instanz Beschwerde zu führen. Die kantonalen Verfahrensordnungen stellen Anforderungen hinsichtlich Form- und Fristwahrung auf. Diese Anforderungen müssen von der kantonalen Sektion beachtet werden, damit die gesamtschweizerische Vereinigung anschliessend mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht zugelassen wird. Dies macht eine Aufgabenteilung zwischen der gesamtschweizerischen Vereinigung und ihrer kantonalen Sektion notwendig (E. 2b-d).

118 IB 312 () from 9. Juli 1992
Regeste: Art. 58 VStG: Rückleistung der zu Unrecht zurückerstatteten Verrechnungssteuer. Der Notar, der Gelder von Klienten auf auf seinen Namen lautende Bankkonti überweist, muss in Erfüllung seines Auftrags die von der Bank bezahlten Zinsen seinen Klienten gutschreiben. Er hat somit nicht das Recht zur Nutzung der Guthaben der Klienten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a VStG und hat daher keinen Anspruch auf Rückerstattung der auf diesen Kapitalerträgen erhobenen Verrechnungssteuer (E. 2). Die Voraussetzungen für die Rückleistung dieser Steuer sind im vorliegenden Fall erfüllt (E. 3).

118 IB 349 () from 5. Oktober 1992
Regeste: Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen im Enteignungsverfahren; Gebühren für Fotokopien, Äquivalenzprinzip. Anfechtung der Rechnung des Schätzungskommissions-Präsidenten durch die kostenpflichtige Partei (E. 1). Es verstösst gegen das Äquivalenzprinzip, auch bei Massenanfertigung von Fotokopien eine Gebühr von zwei Franken pro Seite zu verlangen. Für die Leistungen des Schätzungskommissions-Präsidenten dürfen allein dann die vorgesehenen Gebühren in Rechnung gestellt werden, wenn die Abfassung oder Vervielfältigung einzelner Schreiben nur kurze Zeit in Anspruch nimmt; andernfalls ist auch die Entschädigung für Fotokopier- und andere Kanzleiarbeiten, soweit diese nicht Hilfskräften übertragen worden sind, in Taggeldern zu bemessen (E. 4, 5). Ersatz von Mietkosten (E. 7).

118 IB 367 () from 7. Juli 1992
Regeste: Art. 32 Abs. 4 lit. e und f, Art. 39 Abs. 3, Art. 43 USG, Art. 3 Abs. 2 VGV, Art. 13 und 20 FHA; Verbot der Getränkeverpackungen aus PVC. 1. Befugnis, eine Feststellungsverfügung gestützt auf die Verordnung über die Getränkeverpackungen zu erlassen (E. 3). 2. Kognition des Bundesgerichts hinsichtlich einer Verordnung des Bundesrates, welche sich auf eine Ermächtigung durch das Gesetz stützt (E. 4). 3. Das Verbot der Getränkeverpackungen aus PVC gemäss Art. 3 Abs. 2 VGV geht nicht über die Gesetzesdelegation von Art. 32 Abs. 4 lit. e und f USG hinaus: diese Verpackungen sind geeignet, sowohl die Verwertung der Abfälle wie auch die Beseitigung der Haushaltabfälle in den Abfallanlagen erheblich zu komplizieren (E. 5a bis 5c). Die Bestimmung verletzt im übrigen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht (E. 5d). 4. Im vorliegenden Fall wird das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht verletzt (E. 6). 5. Tragweite eines "gentlemen's agreement", welches im Bereich des Umweltschutzes zwischen der Eidgenossenschaft und den interessierten Wirtschaftskreisen abgeschlossen wurde (E. 9b). Anhörung der interessierten Kreise und Grundsatz der Zusammenarbeit gemäss Art. 39 Abs. 3 und 43 USG (E. 9c und 9d).

118 IB 381 () from 29. September 1992
Regeste: Genehmigung des definitiven Projektes der Rebbergmelioration; Beschwerdebefugnis der gesamtschweizerischen Umweltvereinigungen im kantonalen und im bundesgerichtlichen Verfahren; Art. 55 USG und Art. 12 NHG, Art. 33 RPG; Koordination in materieller und formeller Hinsicht, massgebliches Verfahren. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Legitimation des WWF sowohl gemäss Art. 103 lit. a als auch gemäss Art. 103 lit. c OG bzw. Art. 55 USG und Art. 12 NHG (E. 2). 2. Das kantonale Recht hat einer beschwerdeberechtigten Umweltorganisation dieselben Parteirechte zu gewähren wie das Bundesrecht. Der WWF ist im kantonalen Verfahren in Missachtung von Art. 55 USG und Art. 12 NHG als nicht beschwerdebefugt erachtet worden. Zudem haben die kantonalen Behörden die Grundsätze gemäss Art. 33 Abs. 2 und 3 RPG missachtet (E. 3). 3. Pflicht zur materiell und verfahrensmässig koordinierten Rechtsanwendung insbesondere im erstinstanzlichen, wie aber auch im Rechtsmittelverfahren, wobei in bezug auf die hier umstrittene Rebbergmelioration das raumplanungsrechtliche Bewilligungsverfahren zum massgeblichen Verfahren zu bestimmen ist. Die kantonalen Behörden haben die Koordinationspflicht verletzt. Rückweisung der Sache an den Staatsrat, der im raumplanungsrechtlichen Bereich als erste Rechtsmittelinstanz und im übrigen (namentlich in bezug auf Art. 18 ff. NHG, Art. 24 f. FG und die Frage der UVP-Pflicht) als Bewilligungs- bzw. Genehmigungsinstanz in einem koordinierten, einheitlichen Entscheid darüber zu befinden hat, ob die Voraussetzungen zur Genehmigung des Meliorationsvorhabens erfüllt sind. Gegen diesen Entscheid steht ebenso einheitlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht offen (E. 4).

118 IB 407 () from 18. November 1992
Regeste: Bundesgesetz über den Umweltschutz; Abfallbehandlung (Art. 30 ff. USG). 1. Verursacherprinzip (Art. 2 USG) und Abfallbehandlung; Anwendung der Regeln des Bundesrechts betreffend die Übernahme der Kosten für das Verwerten, Unschädlichmachen und Beseitigen von Sonderabfällen, vorliegend von Aushubmaterial und Bauabfällen, durch den Inhaber der Abfälle (E. 3). 2. Überbinden von Kosten für Sicherungs- bzw. Behebungsmassnahmen der Behörden im Sinne der Art. 8 GSchG und Art. 59 USG auf den Zustands- oder Verhaltensstörer (E. 4). 3. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit muss bei der Anwendung der Bestimmungen über die Abfälle beachtet werden (E. 5).

118 IB 417 () from 27. August 1992
Regeste: Art. 7 ff. WEG, Art. 20 RPG, Art. 5 VwVG, Art. 97 ff. OG; Anordnung einer Neuordnungsumlegung, Rechtsmittelweg. 1. Die zum öffentlichen Recht des Bundes gehörenden Art. 7 ff. WEG regeln präzise und verbindlich, unter welchen Voraussetzungen eine Baulandumlegung angeordnet werden kann. Sie gehen als lex specialis der allgemeinen Vorschrift des Art. 20 RPG vor, und in deren Anwendungsbereich kommt kantonalem und kommunalem Umlegungsrecht keine selbständige Bedeutung zu. Die Verpflichtung eines Grundeigentümers, mit seiner Liegenschaft an einem Parzellarordnungsverfahren teilzunehmen, ist eine Verfügung. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1 und 2). 2. Art. 7 und 8 WEG stellen für die Anordnung einer Neuordnungsumlegung eine genügende gesetzliche Grundlage dar; Raum für und Anforderungen an das kantonale Ausführungs- und Verfahrensrecht (E. 3). 3. Die Anordnung einer Neuordnungsumlegung ohne Nachweis eines ausreichenden Interesses an der Schaffung neuen Wohnraumes (E. 4) und ohne Berücksichtigung gewichtiger Interessen des Denkmalschutzes (E. 5) verletzt Bundesrecht.

118 IB 436 () from 12. August 1992
Regeste: Rechtshilfe mit den Vereinigten Staaten von Amerika; Bedeutung des rechtlichen Gehörs; Art. 9 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 BG-RVUS; Art. 21 Abs. 2 IRSG und Art. 18 Ziff. 5 RVUS. 1. Art. 9 Abs. 2 BG-RVUS beschränkt das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten. Diese Bestimmung kann dem durch die strittige Massnahme unmittelbar betroffenen Beschuldigten nicht entgegengehalten werden (E. 3). 2. Der Beschuldigte hat auf jeden Fall das Recht, an der Durchführung der Rechtshilfehandlungen teilzunehmen, soweit sie sich auf die Beglaubigung der im Gesuch genannten Urkunden beziehen (Art. 18 Ziff. 5 RVUS; E. 4c/aa). 3. Wenn der Beschuldigte durch die strittige Massnahme unmittelbar betroffen ist, hat er das Recht, an der Durchführung der erforderlichen Handlungen, Zeugeneinvernahmen einbegriffen, teilzunehmen, wenn es die Wahrung seiner Interessen erfordert und soweit der Untersuchungszweck nicht beeinträchtigt wird (Art. 21 Abs. 2 IRSG; E. 4c/bb).

118 IB 473 () from 11. November 1992
Regeste: Verantwortlichkeit des Bundes für die Informationstätigkeit der Bundesbehörden im Zusammenhang mit einer durch Käsekonsum hervorgerufenen Listerioseepidemie. Art. 3 VG, Art. 8 VwOG sowie Art. 3, 9-11 und 27 EpG. 1. Widerrechtlichkeit der schädigenden Handlung oder Unterlassung als Voraussetzung der Haftung nach Art. 3 VG; Notwendigkeit der Verletzung einer Schutznorm bei reinen Vermögensschäden (E. 2). 2. Aus verfassungsmässigen Rechten lassen sich - zum Schutze des Vermögens - keine oder nur zu wenig konkrete Anforderungen an die Informationstätigkeit von Behörden ableiten (E. 3). 3. Art. 8 VwOG sichert die Transparenz der Behördentätigkeit durch Information. Für die Öffentlichkeitsarbeit in den einzelnen Sachbereichen ist vorab auf die konkreten Regelungen abzustellen; allenfalls kann Art. 8 VwOG sinngemäss beigezogen werden (E. 4). 4. Im Zusammenhang mit der Informationstätigkeit bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten entfalten Art. 9-11 EpG gewisse Schutzwirkungen für die von den amtlichen Informationen betroffenen Privaten (E. 5). 5. Verneinung der Möglichkeit einer Entschädigungspflicht für Schäden aus rechtmässigem Behördenhandeln im gegebenen Zusammenhang (E. 6). 6. Kriterien für die Prüfung der Widerrechtlichkeit bei der staatlichen Informationstätigkeit (E. 7). 7. Würdigung der Informationstätigkeit der Bundesbehörden im vorliegenden Fall (E. 18-19).

118 IB 580 () from 18. Dezember 1992
Regeste: Art. 14 Abs. 1 lit. a WUStB; Art. 14 Abs. 5 WUStB; Prinzip von Treu und Glauben. Gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a WUStB von der Warenumsatzsteuer befreit sind nur Engroslieferungen an Grossisten, die gestützt auf eine Grossistenerklärung ausgeführt werden. Die Steuerbefreiung greift nicht Platz bei Lieferungen an einen Käufer, der aus dem Register der Grossisten gestrichen wurde. Der Steuerpflichtige, der im Vertrauen auf eine ihm ausgestellte Grossistenerklärung unversteuert Lieferungen an einen aus dem Grossistenregister gestrichenen Empfänger ausgeführt hat, wird weder durch den Grundsatz von Treu und Glauben noch durch Art. 14 Abs. 5 WUStB von der Steuerpflicht befreit.

118 IB 599 () from 4. November 1992
Regeste: Art. 9 USG; Umweltverträglichkeitsprüfung. 1. Die Prüfung eines UV-Berichtes durch die Umweltschutzfachstelle im Sinne von Art. 9 Abs. 5 USG hat zwar den Charakter einer amtlichen Expertise; in der rechtlichen Würdigung aber ist die Genehmigungsbehörde frei (E. 6). 2. Die der UVP unterstehenden Anlagen, um deren Bewilligung vor Erlass der UVPV ersucht worden ist, haben materiell den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen; in formeller Hinsicht muss dagegen kein Bericht im Sinne der UVPV nachgeliefert werden (E. 7a). 3. Art. 9 Abs. 2 lit. c USG; zum UV-Bericht über eine Anlage, welche Emissionen in Form von Lärm und/oder Luftverschmutzung verursacht, gehört eine entsprechende Immissionsprognose (E. 7a). 4. Bei der Abklärung der Massnahmen (Art. 9 Abs. 2 lit. d USG) hat die entscheidende Behörde jeweils im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG zu prüfen, ob die Emissionsbegrenzungen so weit gehen, wie dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (E. 7a). 5. Bei Brücken- und Strassenprojekten ist von einer gesamthaften Beurteilung der Auswirkungen auszugehen (E. 8).

118 II 42 () from 22. Januar 1992
Regeste: Art. 266n OR. Separate Zustellung der Kündigung an den Ehegatten des Mieters. Wie für die Kündigung selbst gilt auch für das dem Ehegatten separat zuzustellende Kündigungsschreiben, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen dem Adressaten zugehen, sobald sie in seinen Machtbereich gelangen. Zustellung an die Ehefrau durch Übergabe des an sie adressierten Kündigungsdoppels an den Ehemann (E. 3).

118 II 199 () from 11. März 1992
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Revision von Schiedsentscheiden. 1. Beim Fehlen von Bestimmungen betreffend die Revision von internationalen Schiedsentscheiden im IPRG handelt es sich um eine Gesetzeslücke, die durch den Richter auszufüllen ist (E. 2). 2. Das Bundesgericht ist die zuständige Gerichtsbehörde, um über die Revision internationaler Schiedsentscheide zu befinden (E. 3). 3. Was die Revisionsgründe und das Revisionsverfahren anbelangt, so sind die Art. 137 bzw. 140-143 OG analog anzuwenden (E. 4). 4. Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall (E. 5).

118 II 248 () from 14. September 1992
Regeste: Art. 397f Abs. 2 ZGB; fürsorgerische Freiheitsentziehung, Rechtsbeistand. Die ambulante medizinische Behandlung bildet keine Massnahme fürsorgerischer Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 397a ff. ZGB; im entsprechenden Verfahren kann der Betroffene daher aus Art. 397f Abs. 2 ZGB keinen Anspruch auf Bestellung eines Rechtsbeistands ableiten.

118 II 302 () from 13. Juli 1992
Regeste: Überprüfung von Kündigungsanfechtungen durch den nach Art. 274g OR zuständigen Ausweisungsrichter. Die bundesrechtliche Zuständigkeitsordnung geht kantonalrechtlichen Beschränkungen der Zuständigkeit des Ausweisungsrichters auf liquide, in einem summarischen Befehlsverfahren zu beurteilende Ansprüche vor.

118 II 369 () from 16. Dezember 1992
Regeste: Art. 87 OG; nicht wiedergutzumachender Nachteil. Der Nachteil im Sinne dieser Bestimmung liegt in der Gefahr, dass die rechtliche Stellung des Beschwerdeführers aus der Sicht der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel beeinträchtigt wird. In einem Fall der vorliegenden Art wird das Bundesgericht bei einer Anfechtung des Sachentscheids die diesem vorangegangenen vorsorglichen Verfügungen nicht überprüfen können (E. 1). Art. 28c Abs. 3 ZGB; Persönlichkeitsverletzung durch periodisch erscheinende Medien; Begehren um Richtigstellung auf dem Weg vorsorglicher Massnahmen. Die Richtigstellung auf dem Weg vorsorglicher Massnahmen ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Rechts auf Gegendarstellung (Art. 28g ZGB) nicht erfüllt sind (E. 4a). Es ist nicht willkürlich, Art. 28c Abs. 3 ZGB als auf ein Begehren anwendbar zu erklären, mit dem die Berichtigung auf dem Massnahmenweg verlangt wird (E. 4c).

118 II 376 () from 12. November 1992
Regeste: Vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses (Art. 145 ZGB). 1. Anwendbarkeit von Art. 8 ZGB. Wo es nach dem kantonalen Verfahrensrecht genügt, die behaupteten Tatsachen glaubhaft zu machen, kommt Art. 8 ZGB in seinem eigentlichen Ausmass gar nicht zum Tragen (E. 3). 2. Bemessung von Unterhaltsbeiträgen. Obere Schranke für den Unterhaltsanspruch bildet auch während der Dauer des Scheidungsprozesses die Lebenshaltung bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes (E. 20).

118 II 508 () from 4. November 1992
Regeste: Art. 191 IPRG. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Intertemporales Recht. 1. Frage offen gelassen, ob es in bezug auf den Geltungsbereich gemäss Art. 176 IPRG auf eine blosse Niederlassung in der Schweiz ankommen kann (E. 1). 2. Jeder altrechtliche kantonale Rechtsmittelentscheid, der als nicht selbständig anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG ergangen ist, lässt die frühere Rechtsmittelordnung fortdauern. Das heisst, dass auch der spätere Endentscheid (Schiedsspruch) weiterhin dem kantonalrechtlichen Anfechtungsverfahren untersteht und die Beschwerde gemäss Art. 191 IPRG ausgeschlossen ist (E. 2).

118 III 27 () from 2. April 1992
Regeste: Art. 4 BV, Art. 169 und Art. 191 SchKG; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Der aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist grundsätzlich auch für das Konkursverfahren zufolge Insolvenzerklärung gewährleistet (Änderung der Rechtsprechung). Unter den allgemeinen Voraussetzungen befreit er den Schuldner von der Pflicht, den gestützt auf Art. 169 SchKG verlangten Kostenvorschuss zu leisten; ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung besteht für das Verfahren der Konkurseröffnung nicht.

118 III 33 () from 17. Juni 1992
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Zwangsvollstreckungsverfahren (Art. 4 BV und Art. 68 SchKG). Rechtsmittellegitimation bei einer Insolvenzerklärung (Art. 174 und Art. 191 SchKG). 1. Aus Art. 68 SchKG ergibt sich nicht, dass im Schuldbetreibungs- und im Konkursverfahren kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bestehen kann. Sind die sich aus Art. 4 BV ergebenden Voraussetzungen erfüllt, so kann auch eine Gläubigerin für die Konkurseröffnung die unentgeltliche Rechtspflege beanspruchen (E. 2). 2. Bestätigung der Rechtsprechung, dass die Annahme nicht willkürlich ist, die Gläubiger seien zur Anfechtung der aufgrund einer Insolvenzerklärung erfolgten Konkurseröffnung nicht legitimiert (E. 3a).

118 III 37 () from 26. November 1992
Regeste: Novenverbot im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde; Rückzug des Konkursbegehrens in der Beschwerdeantwort. Das Novenverbot im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gilt auch für die Beschwerdeantwort (E. 2a). Die besonderen Rechtsfolgen, welche die Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Konkursverfahren zeitigt, können nicht dazu führen, dass das Bundesgericht einem in der Beschwerdeantwort erklärten Rückzug des Konkursbegehrens Rechnung trägt (E. 2b).

118 IV 192 () from 27. Mai 1992
Regeste: Art. 3b Abs. 3 VRV; Helmtragpflicht der Führer von Motorfahrrädern. Diese Vorschrift beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, hält sich im Rahmen der Delegationsnorm und begründet keine Ungleichbehandlung. Sie ist somit gesetzmässig und verfassungskonform.

118 IV 269 () from 3. Juni 1992
Regeste: Art. 84 Ziff. 1 und Ziff. 2 ZSG; Art. 63 ZSV; Zivilschutzverweigerung, ne bis in idem. Art. 68 Ziff. 2 StGB; Zusatzstrafe. 1. Grundlage und Inhalt des Grundsatzes ne bis in idem (E. 2). 2. Wurde eine Nichtbefolgung eines Aufgebotes zu Zivilschutzdienst als schwerer Fall qualifiziert und eine Strafe von einem Monat Gefängnis ausgesprochen, unter Berücksichtigung der generellen Verweigerung des Schutzdienstes und damit auch der künftigen Nichtbefolgungen von Aufgeboten, verstösst eine neuerliche Verurteilung und Bestrafung wegen Nichtbefolgung eines Aufgebots zu Zivilschutzdienst gegen das Doppelbestrafungsverbot (E. 4). 3. Ist bei der ersten Bestrafung die generelle Verweigerung des Zivilschutzdienstes abschliessend berücksichtigt worden, dürfte auch nur eine Zusatzstrafe der Grösse Null ausgesprochen werden (E. 5).

118 IV 293 () from 15. April 1992
Regeste: Art. 90 Abs. 1 lit. b OG, Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP; Anforderungen an die Beschwerdebegründung. Zwei Rechtsmittel sind nicht allein schon wegen ihrer gleichlautenden Begründung unzulässig. Auf die Rechtsmittel ist nur dann nicht einzutreten, wenn infolge Vermengung der Rügen die Begründung der Rechtsmittel nicht ausreichend klar ersichtlich ist (Präzisierung der Rechtsprechung).

118 IV 371 () from 15. Dezember 1992
Regeste: Art. 67 BV, Art. 352 ff. StGB, Art. 252 BStP. Interkantonale Rechtshilfe, politisches Delikt. - Verfahren: Parteien, rechtliches Gehör des Verurteilten, förmlicher Entscheid des ersuchten Kantons (E. 1a-E. 1d). - Art. 252 Abs. 1 BStP wurde faktisch durch die Art. 352 ff. StGB ersetzt (E. 2). - Art. 352 StGB verpflichtet die Kantone zu grundsätzlich umfassender Rechtshilfe (E. 3). - Ob ein politisches Delikt im Sinne von Art. 352 Abs. 2 StGB vorliegt, entscheidet die Anklagekammer frei (E. 4b). - Im Bereich der interkantonalen Rechtshilfe ist der Begriff des politischen Delikts weit zu fassen (E. 4c-E. 4h). - Der sich aus der Bundesverfassung und der EMRK ergebende Grundsatz "ne bis in idem" bzw. die materielle Rechtskraft stehen einer neuen Beurteilung durch den ersuchten Kanton entgegen; der ersuchte Kanton hat daher entweder das rechtskräftige Urteil zu vollziehen oder den Verurteilten dem ersuchenden Kanton zuzuführen (E. 6).

118 IV 405 () from 14. Dezember 1992
Regeste: Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG; öffentliche Bekanntgabe der Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln. Die öffentliche Bekanntgabe eines Verfahrens zur Herstellung oder Umwandlung von Drogen und die öffentliche Bekanntgabe bisher unbekannter Formen des Konsums von Drogen werden von den Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes nicht erfasst (E. 2; Änderung der Rechtsprechung).

118 V 1 () from 26. März 1992
Regeste: Art. 21, 22, 30, 33ter AHVG, Art. 55 AHVV. Berechnung der einfachen Altersrente nach Ehescheidung im Falle von Versicherten, die vor dem Bezug einer Ehepaar-Altersrente bereits eine einfache Altersrente bezogen hatten. Die Berechnung hat grundsätzlich anhand der in diesem Zeitpunkt geltenden Grundlagen zu erfolgen; die so berechnete Rente hat indes umfangmässig zumindest der zuletzt bezogenen einfachen Rente unter Einschluss der seitherigen Rentenanpassungen zu entsprechen. Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 108 V 206 Erw. 2a.

118 V 35 () from 16. März 1992
Regeste: Art. 10 Abs. 3 BVG. Tragweite der Nachdeckung: Wird innerhalb der 30tägigen Nachdeckungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis begründet, so ist der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt bei der Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers versichert (Erw. 2a). Art. 26 BVG. Eine reglementarische Bestimmung, welche den Anspruch auf eine Invaliditätsleistung im Obligatoriumsbereich erst nach Ablauf einer Wartezeit von 24 Monaten ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entstehen lässt, ist mit Art. 26 BVG nicht vereinbar (Erw. 2b/cc). Art. 23 und 24 Abs. 1 BVG. - Die Grundsätze über die Massgeblichkeit des IVK-Beschlusses im Obligatoriumsbereich gelten nicht nur in bezug auf die Festlegung der Höhe des Invaliditätsgrades (BGE 115 V 208), sondern auch für den Eintritt der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit (Erw. 2b/aa). - Unter den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, fällt auch eine erhebliche Zunahme der Arbeitsunfähigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Ablauf der Nachdeckungsfrist. Schuldet die Vorsorgeeinrichtung aus Arbeitsunfähigkeit, welche während der Versicherungsdauer eingetreten ist, eine Invalidenleistung, so bleibt sie hiefür leistungspflichtig, wenn sich der Invaliditätsgrad nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses ändert (Erw. 5).

118 V 129 () from 28. Juli 1992
Regeste: Art. 22 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1, 4, Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1, 2 AHVG. Berechnung der Ehepaar-Altersrente im Falle eines Versicherten, der einen entsprechenden Anspruch bereits auf den 1. Januar 1972 erlangt hatte und sich nach dem Hinschied seiner Frau mit einer ebenfalls verwitweten Altersrentenbezügerin wieder verheiratete.

118 V 171 () from 27. August 1992
Regeste: Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 KUVG: Transportkosten. Die Kosten für den Transport mit einer Ambulanz (einschliesslich Begleitung durch einen Krankenpfleger) sind von den Krankenkassen nicht als Pflichtleistungen zu übernehmen.

118 V 182 () from 13. Oktober 1992
Regeste: Art. 105 Abs. 1 UVG: Einspracheverfahren. Der Unfallversicherer ist befugt, im Einspracheverfahren eine reformatio in peius vorzunehmen. Er hat aber dem Versicherten vorgängig seine Absicht zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Gegenäusserung einzuräumen. Der Versicherte kann alsdann seine Einsprache zurückziehen, um der drohenden Schlechterstellung zuvorzukommen.

118 V 190 () from 27. Juli 1992
Regeste: Art. 4 BV: Treu und Glauben. Die nach Ablauf der ordentlichen Rechtsmittelfrist erfolgte zweite Zustellung eines mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheids vermag auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine neue Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen.

118 V 223 () from 4. November 1992
Regeste: Art. 22 Abs. 1 und 2 ELV. Indem Art. 22 Abs. 2 ELV den EL-Nachzahlungsanspruch (gemäss Abs. 1) auf die Fälle der Herabsetzung einer Invalidenrente beschränkt, trifft die Verordnung eine rechtsungleiche Regelung. Der Nachzahlungsanspruch ist aus Gründen der Gleichbehandlung auch in den Fällen der Heraufsetzung einer Invalidenrente zu gewähren.

118 V 311 () from 30. November 1992
Regeste: Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG, Art. 4 BV. - Eine Beschwerde, die sich in Antrag und Begründung auf formellrechtliche Aspekte beschränkt, genügt den Anforderungen gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG (Erw. 3a). - Es liegt überspitzter Formalismus vor, wenn eine Vorinstanz auf einer Begründung der Beschwerde in materiellrechtlicher Hinsicht beharrt und bei unbenütztem Ablauf der zu diesem Zwecke angesetzten Nachfrist auf die Beschwerde nicht eintritt (Erw. 4).

119 IA 4 () from 18. Januar 1993
Regeste: Art. 4 BV; überspitzter Formalismus. Lassen die konkreten Umstände den Schluss zu, dass ein Strafanzeiger als Geschädigter Parteistellung im Strafverfahren beanspruchen möchte, verstösst es gegen Art. 4 BV, diesem die Ausübung von Parteirechten ohne vorherige Anhörung zu verweigern.

119 IA 13 () from 5. Februar 1993
Regeste: Art. 6 EMRK, Art. 4 und 58 BV; Art. 28 Abs. 2 OG; Schicksal der von einem abgelehnten Magistraten erstellten Prozessakten. Im Falle eines fakultativen Ablehnungsgrundes müssen alle nach Einreichen eines Ausstandsgesuchs von einem abgelehnten Magistraten oder mit seiner Mitwirkung erstellten Prozessakten aus dem Verfahren entfernt werden (E. 3a). Es liegt keine willkürliche Auslegung einer kantonalen Norm (mit gleichem Inhalt wie Art. 28 Abs. 2 OG) vor, wenn verlangt wird, dass die beanstandete Amtshandlung dreissig Tage nach Entdecken des Ausschliessungsgrundes, spätestens nach der Gutheissung des Ausstandsgesuchs, angefochten werden muss (E. 3b); sie ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Recht auf Ablehnung vereinbar (E. 3c) und ist weder überspitzt formalistisch (E. 4), noch stellt sie im vorliegenden Fall eine Verletzung des Vertrauensprinzips dar (E. 5).

119 IA 21 () from 15. Januar 1993
Regeste: Güterzusammenlegung. 1. Prinzip des vollen Realersatzes - oder Äquivalenzprinzip - als aus der Eigentumsgarantie fliessender Grundsatz (E. 1a). Nach dem Gleichbehandlungsgebot müssen die Vor- und die Nachteile der Güterzusammenlegung angemessen auf die beteiligten Grundeigentümer verlegt werden (E. 1b). Stellt das Bundesgericht fest, dass sich ein Grundeigentümer nach der Neuzuteilung in einer zwar nicht völlig unhaltbaren, aber doch klar unbefriedigenden Lage befindet, weil die kantonalen Instanzen wesentliche Gesichtspunkte ausser acht gelassen oder nicht alle zur Verfügung stehenden technischen Mittel zur Verbesserung dieser Situation ergriffen haben, wird der angefochtene Entscheid wegen Rechtsverweigerung aufgehoben (E. 1c). 2. Werden im Güterzusammenlegungsverfahren zwei landwirtschaftliche Gewerbe aufgrund eines zwischen den Eigentümern geschlossenen Pachtvertrages als ein einziges behandelt, ohne der Möglichkeit einer Auflösung des Pachtverhältnisses Rechnung zu tragen, so liegt hierin eine formelle Rechtsverweigerung (E. 2dd).

119 IA 28 () from 11. Februar 1993
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Anspruch des Eigentümers auf Vollstreckung der Ausweisung von Hausbesetzern. 1. Ausnahme von der kassatorischen Wirkung der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). 2. Haben die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlichen Behörden die Pflicht, ohne vorgängiges Gerichtsurteil die Ausübung eines Grundrechts wieder zu ermöglichen, das nicht durch eine staatliche Massnahme, sondern durch das Verhalten Privater beeinträchtigt wird? Frage offengelassen, da unter den gegebenen Umständen die Weigerung, die Hausbesetzer auszuweisen, auf jeden Fall mit Art. 22ter BV vereinbar ist (E. 2). 3. Die zuständigen Behörden haben die Pflicht, ein Gerichtsurteil zu vollstrecken, das die Hausbesetzer zum Verlassen der Räume verpflichtet; sie verfallen in Willkür, wenn sie die Vollstreckung von einer Bedingung abhängig machen, die in diesem Urteil nicht vorgesehen ist (E. 3).

119 IA 35 () from 29. Januar 1993
Regeste: Zulassung zum Anwaltsberuf; Handels- und Gewerbefreiheit, Freizügigkeitsgarantie. 1. Tragweite der Freizügigkeitsgarantie von Art. 5 ÜbBest. BV (E. 1). 2. In der Schweiz niedergelassene ausländische Staatsangehörige können sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 2, Bestätigung der neueren Rechtsprechung). 3. Das Bürgerrechtserfordernis ist mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar, soweit damit die Vertrautheit mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen des Landes sichergestellt werden soll (Präzisierung der Rechtsprechung); diese Vertrautheit kann auch bei einem ausländischen Staatsangehörigen gegeben sein, diesfalls erweist sich das Bürgerrechtserfordernis als unverhältnismässig (E. 3-5).

119 IA 53 () from 3. Februar 1993
Regeste: Art. 57 BV, Petitionsrecht. 1. Verhältnis zwischen kantonaler Petitionsgarantie und Petitionsrecht nach Art. 57 BV (E. 2). 2. Bedeutung und Tragweite des Petitionsrechts (E. 3). 3. Unzulässigkeit von Petitionen gegenüber Gerichten, die ein konkretes Gerichtsverfahren betreffen (E. 4).

119 IA 88 () from 24. Februar 1993
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4 und 22ter BV; Art. 33 RPG; Unterschutzstellung eines Kino- und Theatersaales. 1. Art. 86 OG; Zulässigkeit neuer Rügen (E. 1). 2. Tragweite des Begriffs "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 3). 3. Der Entscheid, mit welchem der Regierungsrat des Kantons Waadt in Anwendung von Art. 52 des kantonalen Gesetzes über den Natur- und Heimatschutz einen Kino- und Theatersaal mitsamt Nebenräumen und Foyer unter Schutz stellt, betrifft im vorliegenden Fall zivilrechtliche Ansprüche im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 4). 4. Die Beschwerdeführerin, welche den Sachverhalt und die Begründetheit der Unterschutzstellung bestreitet, hatte keine Möglichkeit, die Streitsache einem unabhängigen und unparteiischen Gericht im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorzulegen (E. 5). 5. Das kantonale Verfahren genügt ausserdem den Anforderungen von Art. 33 RPG nicht (E. 6). Wirkungen der Gutheissung der Beschwerde (E. 7).

119 IA 99 () from 17. März 1993
Regeste: Persönliche Freiheit, § 59 KV/ZG und Art. 6 Ziff. 1 EMRK: Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren. 1. Der Angeschuldigte kann sich für ein Begehren um Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren grundsätzlich auf die persönliche Freiheit berufen (E. 2b). 2. Bedeutung und Tragweite des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (E. 4a). 3. Abwägung der Interessen für und gegen die Zulassung der Öffentlichkeit (E. 4b-4f).

119 IA 113 () from 5. März 1993
Regeste: Art. 4 BV; Gemeindeautonomie, § 164 Abs. 3 BauG/AG; ungleiche Verteilung der Grenzabstände bei interzonalen Verhältnissen. 1. Frage offengelassen, ob der aargauischen Gemeinde bei der ungleichen Verteilung der Grenzabstände Autonomie zukommt (E. 2). 2. Mit dem Näherbaurecht werden unter einer Bauordnung ohne Ausnützungsziffer die Nutzungsmöglichkeiten der berechtigten Parzelle bzw. der entsprechenden Zone erhöht. Es ist nicht willkürlich, die ungleiche Verteilung der Grenzabstände nicht zuzulassen, wo sie zu Lasten einer Zone für öffentliche Bauten ohne im voraus bestimmte Grenz- und Gebäudeabstände vereinbart wird (E. 3-5). 3. § 164 Abs. 3 BauG/AG stellt keine ausdrückliche Ausnahmeregelung für die ungleiche Verteilung der Grenzabstände bei interzonalen Verhältnissen dar (E. 6).

119 IA 123 () from 28. Mai 1993
Regeste: Art. 4 BV; unterschiedliche Höhe der Jagdpatentgebühren für Bewerber mit Wohnsitz ausserhalb des Kantons. 1. Beginn des Fristenlaufs für die Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale Erlasse, die - wenn auch nur teilweise - der Genehmigung des Bundes bedürfen (E. 1a). 2. Es ist mit Art. 4 BV vereinbar: a) den Bewerbern mit Wohnsitz ausserhalb des Kantons ein Jagdpatent jeweils nur für das gesamte Kantonsgebiet zu erteilen und die Möglichkeit der Patenterteilung nur für einen einzelnen Jagdkreis den im Kanton wohnhaften Bewerbern vorzubehalten (E. 2); b) höhere Patentgebühren von ausserhalb des Kantons in der Schweiz wohnhaften Bewerbern und von im Ausland wohnhaften Bewerbern zu verlangen (E. 3b); c) von auswärtigen Bewerbern das Dreifache (Personen mit Wohnsitz ausserhalb des Kantons in der Schweiz) bzw. das Vierfache (Personen mit Wohnsitz im Ausland) der einfachen Patentgebühr zu verlangen (E. 3c); d) von den auswärtigen Bewerbern höhere Beiträge (Zuschläge zur Patentgebühr) an den kantonalen Wildschadenfonds sowie für Hegemassnahmen zu verlangen als von im Kanton wohnhaften Bewerbern (E. 4).

119 IA 134 () from 8. Juni 1993
Regeste: Unentgeltliche Verbeiständung eines bevormundeten Minderjährigen; Verhältnis zwischen der elterlichen und der staatlichen Fürsorge- und Beistandspflicht (Art. 4 BV; 272 ff. ZGB; 285 ZGB). 1. Zur allgemeinen Fürsorgepflicht der Eltern gehört, dass sie ihrem Kind im Rahmen ihrer finanziellen Mittel für ein Gerichtsverfahren Beistand leisten und ihm zu einer Rechtsverbeiständung verhelfen, soweit dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Diese allgemeine Pflicht der Eltern ist unabdingbar mit dem Kindesverhältnis verbunden, verändert sich durch den Entzug der elterlichen Gewalt nicht und geht der aus Art. 4 BV abgeleiteten staatlichen Fürsorge- und Beistandspflicht vor (E. 4). 2. Dieser Grundsatz gilt unabhängig vom Anschein einer Interessenkollision zwischen dem bevormundeten Jugendlichen und seinen Eltern (E. 5).

119 IA 141 () from 7. Mai 1993
Regeste: Kantonalrechtliches Schiffahrtsverbot auf einem Privatsee; Vereinbarkeit mit Art. 4 und 22ter BV; rechtliches Gehör gegenüber Erlass? 1. a) Verhältnismässigkeit der Eigentumsbeschränkung (E. 2). b) Gesetzliche Grundlage der Eigentumsbeschränkung, insbesondere Legiferierungskompetenz des bernischen Grossen Rates über private Gewässer (E. 3). c) Rechtsgleichheit bei der Auswahl der mit dem Schiffahrtsverbot belegten Gewässer (E. 4). 2. Anspruch auf rechtliches Gehör beim Erlass eines Dekretes, welches eine Reihe einzeln bezeichneter Gewässer einem Schiffahrtsverbot unterwirft? (E. 5).

119 IA 178 () from 18. Juni 1993
Regeste: Art. 49 BV und Art. 9 EMRK; Befreiung vom Schwimmunterricht aus religiösen Gründen. 1. Zuständigkeit des Bundesgerichts im Bereich der religiösen Verfassungsrechte (E. 1). 2. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde von Eltern und Kind bei der Glaubens- und Gewissensfreiheit (E. 2). 3. Das Verbot des gemischtgeschlechtlichen Schwimmens von Kindern, das von strenggläubigen Angehörigen des Islams befolgt wird, fällt in den Schutzbereich der Religionsfreiheit nach Art. 49 BV und Art. 9 EMRK (E. 3 und 4). 4. Voraussetzungen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verweigerung eines Dispenses vom Schwimmunterricht aus religiösen Gründen (E. 6-8).

119 IA 197 () from 7. Mai 1993
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV; Vereinbarkeit kantonalrechtlicher Beschränkungen der Schiffahrt mit dem Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (BSG). 1. Zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses, welcher Schiffahrtsfahrverbote für einen Teil der im Kanton gelegenen Gewässer statuiert (E. 1b). Legitimation von Kanuvereinen zur staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1c, bb). 2. Bundesrechtlicher Rahmen für die Anordnung von in die Kompetenz der Kantone fallenden Beschränkungen des schiffahrtsmässigen Gemeingebrauchs an Gewässern (E. 2 und 3). 3. Bundesrechtsmässigkeit eines generellen kantonalrechtlichen Fahrverbots für vier bestimmte Fliessgewässer (E. 4 und 5) sowie eines für einen Teil der kantonalen Gewässer geltenden Winterfahrverbotes (E. 6). 4. Bundesrechtswidrigkeit eines Fahrverbotes von 22.00 bis 8.00 Uhr im Sommer auf den bereits dem Winterfahrverbot unterliegenden Gewässern (E. 7).

119 IA 214 () from 7. Mai 1993
Regeste: Art. 4 BV und Gemeindeautonomie; Art. 88 OG: Finanzausgleichsgesetz des Kantons Zürich; Legitimation des Privaten. 1. Die beschwerdeführenden Gemeinden können sich gegenüber der ihnen vom Kanton auferlegten Abgabepflicht aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes nicht auf verfassungsmässige Individualrechte berufen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). 2. Legitimation des Privaten zur Anfechtung von Regelungen des interkommunalen Finanzausgleichs verneint (E. 2). 3. Voraussetzungen, unter denen ein geschützter kommunaler Autonomiebereich bei der Anwendung kantonalen Rechtes bestehen kann (E. 3).

119 IA 221 () from 26. Mai 1993
Regeste: Haftentschädigungsverfahren: persönliche Freiheit und Art. 5 Ziff. 3 EMRK; Art. 5 Ziff. 5, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 58 Abs. 1 BV. 1. Das Verfahren um Entschädigung wegen unrechtmässiger Haft im Sinne von Art. 5 Ziff. 5 EMRK fällt unter Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 2). 2. Es verletzt den Anspruch auf ein unvoreingenommenes Gericht nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht, dass der Richter, der die Strafsache beurteilt hat, später über das Begehren um Haftentschädigung befindet (E. 3). 3. Die Berufung auf den Grundsatz der Öffentlichkeit des Haftentschädigungsverfahrens ist im vorliegenden Fall verwirkt; Grundsätze zur Verwirkung von Verfahrensgarantien (E. 5). 4. Dem Anspruch des Verhafteten auf unverzügliche Vorführung vor einen Richter oder richterlichen Beamten im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 EMRK ist im vorliegenden Fall entsprochen worden; Berufung auf die persönliche Freiheit? (E. 7). 5. Angesichts der konkreten Umstände erweist sich die erstandene Haft teilweise als unverhältnismässig und damit als verfassungswidrig (E. 8).

119 IA 237 () from 3. Juni 1993
Regeste: Rechtsverzögerungsbeschwerde; Letztinstanzlichkeit (Art. 87 OG). Auch dieser Rechtsbehelf wegen Verletzung von Art. 4 BV ist erst nach Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges zulässig (E. 2b). Gibt die kantonale Aufsichtsbeschwerde ans Obergericht Anspruch auf Einschreiten, wenn sich eine bei ihm angehobene Rechtsverzögerungsbeschwerde als begründet erweisen sollte, so hat sich der Betroffene vor der Anrufung des Bundesgerichts an die kantonale Aufsichtsinstanz zu wenden (E. 3).

119 IA 241 () from 12. Juli 1993
Regeste: Art. 82 BVG; Art. 7 BVV 3; Art. 21 lit. h Ziff. 3 des Genfer Steuergesetzes vom 9. November 1987 (loi sur les contributions publiques, LCP). Steuerliche Behandlung von Beiträgen, welche eine nichterwerbstätige Person zum Zwecke der gebundenen individuellen beruflichen Vorsorge der Säule 3 A an eine Vorsorgeeinrichtung leistet. 1. Gemäss Art. 21 lit. h Ziff. 3 LCP, welcher die Regelung von Art. 82 Abs. 1 BVG übernimmt, können nur Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende Beiträge von ihrem Einkommen abziehen, welche für der individuellen beruflichen Vorsorge dienende anerkannte Vorsorgeformen bestimmt sind (E. 4). 2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei der Prüfung einer bundesrätlichen Verordnung und eines kantonalen Erlasses, welche beide aufgrund einer Delegation des Gesetzgebers geschaffen worden sind. Der Inhalt der Verordnung und der kantonalen Norm kann nur insofern auf seine Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden, als er sich nicht auf die Delegationsnorm stützen lässt (E. 5 und 6). 3. Auslegung des Begriffs "salarié"/"Arbeitnehmer"; die Beschwerdeführerin, welche Hausfrau ist, gilt nicht als Arbeitnehmerin und kommt daher nicht in den Genuss des hier in Frage stehenden Steuerprivilegs (E. 7). 4. Was geschieht mit gebundenen Vorsorgevereinbarungen, welche von nicht als Begünstigte solcher Vereinbarungen zugelassenen Personen abgeschlossen worden sind (E. 8)?

119 IA 251 () from 14. Juli 1993
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege (Kriterium der Nichtaussichtslosigkeit). 1. Ob der aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege missachtet worden sei, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei (Erw. 2b). 2. Frage der Aussichtslosigkeit bei einer Scheidungsklage, auf welche das angerufene Gericht - unter Hinweis auf die durch den andern Ehegatten in einem andern Kanton eingeleitete gleichlautende Klage - wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten ist (Erw. 3).

119 IA 260 () from 7. Oktober 1993
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör im Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung; Recht auf Vertretung und Verbeiständung. Wird einem Rechtsbeistand die Teilnahme an einer fachrichterlichen Begutachtung der psychisch kranken Person verweigert, ist das aus dem Gehörsanspruch fliessende Recht auf Vertretung und Verbeiständung im Regelfall nicht verletzt, wenn er und die betroffene Person nachträglich in das Gutachten Einblick erhalten und zu den dortigen Schlussfolgerungen Stellung nehmen können (E. 6).

119 IA 264 () from 13. Oktober 1993
Regeste: Art. 4 BV. Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Der aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung ist für das mietrechtliche Schlichtungsverfahren jedenfalls dort gewährleistet, wo der Behörde eine Entscheidkompetenz zukommt (Art. 259i und Art. 273 Abs. 4 OR; E. 4c). Die Notwendigkeit der Verbeiständung ist im vorliegenden Fall zu verneinen (E. 4d).

119 IA 305 () from 14. Oktober 1993
Regeste: Gemeindeautonomie; Art. 4 und 22ter BV; Dauer der Bindung des zuständigen Gemeinwesens an seinen Verzicht, eine Häusergruppe unter Denkmalschutz zu stellen. Fehlende gesetzliche Regelung der Frage, wie lange ein im Provokationsverfahren nach § 213 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes ausgesprochener Verzicht, Denkmalschutzmassnahmen anzuordnen, das zuständige Gemeinwesen zu binden vermag. Beurteilung anhand der Grundsätze über den Widerruf von Verfügungen (E. 4). Ermittlung und Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen im konkreten Fall. Keine Verletzung der Gemeindeautonomie dadurch, dass eine nachträgliche Unterschutzstellung als unzulässiger Widerruf betrachtet wird (E. 5).

119 IA 321 () from 30. Juni 1993
Regeste: Kommunale Nutzungspläne und Rechtsschutz; Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 33 RPG. 1. Zulässigkeit einer gegen einen Erlass gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde (E. 2 und 3). 2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (E. 4). 3. Anforderungen an den Rechtsschutz gemäss Art. 33 RPG (E. 5). 4. Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht zur Beurteilung zivilrechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK: Hinweise auf die Rechtsprechung (E. 6a). Eine kantonale Norm, welche die gerichtliche Überprüfung sämtlicher Nutzungspläne einschliesslich solcher ausschliesst, mit deren Genehmigung einem Gemeinwesen oder Dritten das Enteignungsrecht verliehen wird, ist mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht vereinbar (E. 6b und c).

119 IA 332 () from 23. September 1993
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK: Unschuldsvermutung. Kostenauflage an den wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand Beschuldigten trotz Einstellung des Verfahrens. Ergibt die Blutprobe einen massgeblichen Wert von weniger als 0,8%o Blutalkoholgehalt und bestehen keine weiteren Anzeichen für die Angetrunkenheit des Beschuldigten, so dürfen ihm die Kosten der Untersuchung nicht auferlegt werden (E. 1).

119 IA 342 () from 27. September 1993
Regeste: Art. 4 BV, § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH, Art. 251 StGB; Willkür; Strafverfahren, Rekurslegitimation des Geschädigten. Der einzelne Gesellschafter muss, wenn alle übrigen Mitgesellschafter Straftaten zum Nachteil der einfachen Gesellschaft begangen haben, allein ein Rechtsmittel zu deren Schutz ergreifen können (E. 2a). Eine Schädigung von Individualinteressen durch eine Urkundenfälschung ist möglich, namentlich wenn sie Bestandteil eines schädigenden Vermögensdeliktes ist; es ist deshalb willkürlich, die Rekurslegitimation eines Geschädigten zu verneinen, weil es bei der Urkundenfälschung keinen Geschädigten gebe (E. 2b).

119 IA 348 () from 17. November 1993
Regeste: Art. 22ter, 31 BV, Art. 2 ÜbBestBV; Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes, welches vorsieht, dass die Nutzung von missbräuchlich leer gelassenen Wohnungen enteignet werden kann, wenn es sich um Mietwohnungen handelt, deren Markt von der Wohnungsknappheit betroffen ist. 1. Der von den Art. 22ter und 31 BV sowie Art. 2 ÜbBestBV gewährte Schutz (E. 2). 2. Die Enteignung der Nutzung von missbräuchlich leer gelassenen Wohnungen ist durch ein genügend wichtiges öffentliches Interesse gerechtfertigt (E. 3b). 3. Mietwohnungsknappheit kann angenommen werden, wenn der Anteil der leerstehenden Wohnungen tiefer ist als 2% (E. 4a). 4. Die Kriterien, nach welchen bestimmt wird, wann eine Wohnung als missbräuchlich leer gelassen betrachtet werden kann (E. 4b bis 4d), sowie das Enteignungsverfahren (E. 4f), welches einen Befehl zur Wiedervermietung der betroffenen Wohnung enthält, sind mit den angerufenen Garantien vereinbar. 5. Die Entschädigung des Eigentümers, welche dem Mietzins und den übrigen dem Vermieter aus Bundeszivilrecht zustehenden Forderungen entspricht, ist mit Art. 22ter Abs. 3 BV vereinbar (E. 4h).

119 IA 362 () from 17. Dezember 1993
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation des Grundeigentümers zur Rüge der Planfestsetzung bezüglich fremder Grundstücke. Soweit Planungsmassnahmen bezüglich fremder Grundstücke eine Rückwirkung auf die planerische Behandlung des eigenen Landes haben, ist der Grundeigentümer zur Beschwerdeführung legitimiert (E. 1a und b). Art. 22ter BV; Art. 8 und 9 RPG; kommunale Nutzungsplanung; Bindung an den kantonalen Richtplan; Interessenabwägung. Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Nutzungsplänen (E. 3). Zulässigkeit von Abweichungen vom Richtplan durch die nachgeordneten Planungsorgane (E. 4a). Verneinung einer unzulässigen Abweichung der kommunalen Nutzungsplanung vom kantonalen Richtplan im konkreten Fall (E. 4b und c). Pflicht der Gemeinden zur Ausscheidung der Bauzonen nach sachlichen Kriterien. Zulässigkeit der Berücksichtigung des Anliegens, preisgünstige Wohnungen zu schaffen (E. 5).

119 IA 378 () from 5. November 1993
Regeste: Verfassungsmässigkeit eines Dekrets, welches zur Begrenzung der unerwünschten Auswirkungen des Grenzverkehrs zur Versorgung von Motorfahrzeugen mit Benzin die Öffnungszeiten der Tankstellen einschränkt. Das genannte Dekret verletzt weder die Handels- und Gewerbefreiheit (E. 4-7) noch das Verbot rechtsungleicher Behandlung (E. 8). Auch Art. 2 ÜbBest.BV ist nicht verletzt; dabei ist nicht entscheidend, ob der angefochtene Hoheitsakt als Vollzugsmassnahme zum Bundesgesetz über den Umweltschutz, als vorläufig - bis zur Inanspruchnahme der bundesrätlichen Verordnungskompetenz - erlassenes kantonales Umweltrecht oder aber als selbständiges kantonales Recht zu betrachten ist (E. 9).

119 IA 411 () from 21. Oktober 1993
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4 und 22ter BV; gerichtliche Überprüfung einer Zonenplanänderung, die von einer Gemeindeexekutive erlassen und von einer Kantonsregierung genehmigt worden ist. 1. Zulässigkeit der Planungsmassnahme; Zuweisung von Grundstücksteilen in die Grünzone, Nichteinzonung in die Bauzone (E. 2). Interessenabwägung (E. 3). 2. Der Kognitionsbeschränkung des Bundesgerichts hinsichtlich der Sachverhaltsüberprüfung kommt vorliegend keine Bedeutung zu, da die für die Beurteilung der fraglichen Planungsmassnahme erheblichen Tatsachen nicht bestritten sind. Die richterliche Zurückhaltung bei der Beurteilung des Planungsermessens widerspricht Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht; sie steht der nach dieser Bestimmung verlangten und durch das Bundesgericht denn auch vorgenommenen umfassenden Rechtsanwendungskontrolle nicht entgegen. Sodann ist im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren ebenfalls dem Öffentlichkeitsgrundsatz angemessen Nachachtung verschafft worden (E. 5).

119 IA 421 () from 17. Dezember 1993
Regeste: Schiedsgerichtsbarkeit; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde; Letztinstanzlichkeit (Art. 4 BV, Art. 86 OG, Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG). Das IPRG untersagt dem kantonalen Recht nicht, einen Instanzenzug für Entscheide des staatlichen Richters über die Bestellung eines Schiedsgerichts gemäss Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG vorzusehen.

119 IA 424 () from 17. Dezember 1993
Regeste: Submission: Arbeits- und Lieferungsvergebung. 1. Der in einem behördlichen Submissionsverfahren ergehende Zuschlag einer Arbeit oder Lieferung an einen Bewerber bzw. die Verweigerung des Zuschlags gegenüber einem anderen Bewerber stellt keine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG und Art. 97 OG dar. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen (E. 3a, d). 2. Da Vergebungsentscheiden der Charakter eines hoheitlichen Aktes gemäss Art. 84 OG fehlt und kein rechtlich geschützter Anspruch auf den Zuschlag besteht, ist eine materielle Anfechtung der Vergebung mit staatsrechtlicher Beschwerde unzulässig. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann einzig eine formelle Rechtsverweigerung durch Verletzung der durch das kantonale Verfahrensrecht gewährleisteten oder unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Parteirechte geltend gemacht werden (E. 3c). 3. Bei der Bestimmung des Kreises der im Submissionsverfahren geschützten formellen Befugnisse ist den Besonderheiten dieses Verfahrens Rechnung zu tragen; in Betracht fallen nur Ansprüche, welche den eigentlichen Verfahrensablauf betreffen. Soweit eine Verletzung von direkt aus Art. 4 BV fliessenden Regeln geltend gemacht wird, ist zu beachten, dass diese auf hoheitliche Verfügungsverfahren zugeschnitten und daher auf das Submissionsverfahren nur bedingt anwendbar sind (E. 4b; Präzisierung der Rechtsprechung).

119 IA 433 () from 12. November 1993
Regeste: Art. 4, 31 BV; Zulassung der Selbstdispensation (Medikamentenverkauf durch Ärzte); Legitimation der Apotheker. 1. Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. Keine direkte Konkurrenz zwischen Apothekern und Ärzten hinsichtlich des Medikamentenverkaufs (E. 2b). 2. Bejahung der Legitimation des Apothekers zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV gegen die gesetzwidrige Zulassung der Selbstdispensation durch einen im gleichen Einzugsbereich tätigen Arzt (E. 2c). 3. Aufhebung eines kantonalen Rechtsmittelentscheides, welcher die Verfassungsmässigkeit einer gesetzlichen Selbstdispensationsbeschränkung willkürlich verneint (E. 3, 4).

119 IA 445 () from 12. November 1993
Regeste: Art. 4 und 31 BV; Gleichbehandlung von Zirkusunternehmen bei der Zurverfügungstellung öffentlichen Grundes. 1. Anspruch aus Art. 31 BV auf Inanspruchnahme öffentlichen Grundes zu gewerblichen Zwecken; Legitimation zur Anfechtung eines restriktiven Bewilligungsentscheides (E. 1). 2. Gesetzliche Grundlage; Wünschbarkeit der rechtssatzmässigen Normierung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme öffentlichen Grundes (E. 2). 3. Auswahlkriterien bei kollidierenden Nutzungsbegehren. Tragweite des Anspruchs auf Gleichbehandlung der Gewerbegenossen (hier: konkurrierender Zirkusunternehmen). Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung (E. 3).

119 IA 453 () from 15. Dezember 1993
Regeste: Art. 2 ÜbBest.BV (derogatorische Kraft des Bundesrechts; Konflikt zwischen kantonalem Strafprozessrecht und Bundeszivilrecht?). Verhältnis zwischen strafprozessualer Beschlagnahme und güterrechtlichen Ansprüchen der Ehefrau eines Angeschuldigten nach rechtskräftiger Trennung der Ehe. Es ist mit dem Bundeszivilrecht vereinbar, wenn die kantonalen Behörden das auf Grund von Ehegüterrecht rechtskräftig an die Ehefrau zugewiesene frühere Vermögen des Ehemannes weiterhin als Haftungssubstrat für bereits aufgelaufene und künftig noch anfallende Kosten eines Strafverfahrens gegen den Ehemann beanspruchen.

119 IA 505 () from 16. Dezember 1993
Regeste: Art. 8 und 10 EMRK: Nichtweiterleitung der an Dritte und an einen Anwalt gerichteten Briefe eines Gefangenen. Beschränkungen des Briefverkehrs und des Anspruchs auf freie Meinungsäusserung. Nichtweiterleitung der an einen Dritten gerichteten Briefe eines Gefangenen mit ungehörigen und beleidigenden Äusserungen über die Behörde (E. 3b und c). Die Nichtweiterleitung eines an einen Anwalt adressierten Briefes des Gefangenen verstösst im vorliegenden Fall gegen die ausdrückliche Gewährleistung derartigen Briefverkehrs in Art. 8 EMRK. Das Interesse am Schutz des Privatgeheimnisses geht in der Regel der blossen Möglichkeit eines möglichen Missbrauchs vor (E. 3d und 4a).

119 IB 12 () from 22. Januar 1993
Regeste: Art. 139 Abs. 2 BdBSt; Besondere Steuerkontrollorgane; Rechtliches Gehör im Untersuchungsverfahren. 1. Voraussetzungen, Zweck und Inhalt der Untersuchung (E. 2). 2. Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör im Untersuchungsverfahren der Besonderen Steuerkontrollorgane (E. 3 und 4). a) Der Umfang des sich aus Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK ergebenden Anspruches des Beschuldigten auf Bekanntgabe der Anschuldigung bestimmt sich nach dem jeweiligen Stand der Untersuchung (E. 5). b) Weder aus Art. 4 BV noch aus Art. 6 EMRK ergibt sich ein Anspruch des Beschuldigten auf eine umfassende Akteneinsicht vor Abschluss der Untersuchung (E. 6). c) Die Akteneinsicht kann unter Berufung auf das Steuergeheimnis (Art. 71 BdBSt) verweigert werden (E. 7).

119 IB 23 () from 15. Februar 1993
Regeste: Anfechtung einer Konzession zur Ableitung von Trinkwasser aus einem öffentlichen Gewässer durch den Inhaber einer bestehenden unterliegenden Wasserkraftkonzession. BG über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 (WRG), Art. 43, 70; Art. 99 lit. d, 101 lit. d OG. 1. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die neue Konzession gemäss Art. 99 lit. d OG. In der Erteilung der neuen Wassernutzungskonzession, welche mit der bestehenden Wasserkraftkonzession kollidieren könnte, liegt auch kein Widerruf dieser bestehenden Konzession, gegen den gemäss Art. 43 WRG i.V.m. Art. 101 lit. d OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig wäre (E. 2c). 2. Rechtsweg für Streitigkeiten zwischen dem Beliehenen und den Inhabern früherer Verleihungen oder anderweitiger bestehender Rechte (E. 2c, cc). 3. Verhältnis der Vorschriften des WRG über Wasserkraftkonzessionen zu den kantonalen Vorschriften über sonstige Wassernutzungskonzessionen (E. 2c, dd). 4. Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Nichterschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, wenn gegen den beanstandeten Eingriff kantonale (und allfällige anschliessende eidgenössische) Klageverfahren zur Verfügung stehen (E. 3).

119 IB 99 () from 19. Februar 1993
Regeste: Art. 54 und 57 BtG, Art. 4 der Wahlverordnung 1993 - 1996; Wiederwahl eines Bundesbediensteten unter Vorbehalt der Aufhebung seines Amtes. 1. Die Wiederwahl unter Vorbehalt der Aufhebung des Amtes ist grundsätzlich eine mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Endverfügung (E. 1). 2. Die Wahlbehörde muss bei der Wiederwahl prüfen, ob das Amt in der kommenden Dienstperiode voraussichtlich fortbestehen wird; eine pflichtgemäss ermittelte voraussichtliche Amtsaufhebung genügt, um den betroffenen Bediensteten nur unter Vorbehalt der Aufhebung seines Amtes wiederzuwählen (E. 2).

119 IB 229 () from 4. Oktober 1993
Regeste: Massgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine materielle Enteignung vorliegt. Massgeblichkeit des Datums des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung. Wenn die Regierung eine von einer Gemeinde festgesetzte Bauzone nicht genehmigt und gleichzeitig definitiv über die Zuweisung des fraglichen Landes in eine Nichtbauzone befindet, tritt die Eigentumsbeschränkung bereits mit diesem Nichtgenehmigungsentscheid - und nicht erst mit der nachfolgenden Umzonung durch die Gemeinde - ein (E. 3a). Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung gestützt auf besondere Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Mehrere positiv verlaufene Schritte zur Realisierung einer grösseren Ferienhaussiedlung begründen noch kein schützenswertes Vertrauen auf eine künftige Einzonung des fraglichen Landes, wenn die Gemeinde über zu grosse Bauzonen verfügt und Gründe des Landschaftsschutzes gegen eine Einzonung sprechen (E. 3d). Art. 4 und 22ter BV; Anspruch auf Ersatz nutzlos gewordener Planungsaufwendungen. Voraussetzungen des Anspruchs (E. 4a). Verneinung eines Ersatzanspruchs, weil das fragliche Bauprojekt nicht Anlass zur umstrittenen Umzonung gegeben hat (E. 4b) und auch keine Zusicherungen auf den Fortbestand der Bauzone vorlagen (E. 4c).

119 IB 305 () from 13. Oktober 1993
Regeste: Art. 103 lit. c OG, Art. 12 NHG, Art. 24 RPG; Beschwerdelegitimation. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 24 RPG (E. 1a); Legitimation des Vereins gegen Tierfabriken gemäss Art. 103 lit. a OG verneint (E. 1b). 2. Dem Verein gegen Tierfabriken fehlt auch die Beschwerdelegitimation nach Art. 103 lit. c OG in Verbindung mit Art. 12 NHG, da er sich statutengemäss weder dem Natur- und Heimatschutz noch verwandten, rein ideellen Zielen widmet (E. 2). 3. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG) wegen formeller Rechtsverweigerung trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst (E. 3).

119 IB 311 () from 11. Oktober 1993
Regeste: Art. 129 Abs. 1 BdBSt; Art. 4 BV; Art. 6 EMRK; Hinterziehung der direkten Bundessteuer: Anwendbarkeit der EMRK; Grundsatz ne bis in idem; Verjährung der Strafverfolgung; angemessene Verfahrensdauer; öffentliche Verhandlung; persönliche Anhörung. 1. Das Verfahren wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer (Art. 129 Abs. 1 BdBSt) fällt unter Art. 6 EMRK (E. 2). 2. Grundsatz ne bis in idem: - wenn bereits ein Verfahren wegen Steuerbetrug (Art. 130bis BdBSt) durchgeführt (und eingestellt) worden ist (E. 3b und c); - wenn der Steuerpflichtige bereits wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden ist (E. 3d). 3. Enthält Art. 134 BdBSt hinsichtlich der Verjährung der Strafverfolgung für Hinterziehung eine Lücke (E. 4a)? Grundsätze, die beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung heranzuziehen sind (E. 4b, c). 4. Angemessene Verfahrensdauer: - Beginn der Frist (E. 5a). - Angemessene Dauer (E. 5b-d). 5. Öffentliche Verhandlung im Verfahren vor der Rekurskommission. Verzicht des Steuerpflichtigen auf öffentliche Verhandlung? (E. 6b-e). 6. Persönliche (mündliche) Anhörung: - im Verfahren vor der Rekurskommission (E. 7b); - nicht im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, die erstinstanzlich Steuerbussen auszufällen hat (E. 7c).

119 IB 380 () from 23. Juni 1993
Regeste: Art. 97 ff. OG, Art. 11 USG und Art. 22ter BV; Sanierungsvorhaben für Erschliessungsstrasse und Parkierungsanlage; Bestandesgarantie. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Bereich des Umweltschutzrechts (E. 1). 2. Die geplante Verlegung einer Schule hat keine Auswirkungen auf die Besitzstandsgarantie (E. 2). 3. Keine Anhaltspunkte, dass das Sanierungsvorhaben zu einer Grenzwertüberschreitung führt (E. 3d). Emissionsbegrenzung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG (E. 3e).

119 IB 389 () from 15. Dezember 1993
Regeste: Umweltschutzgesetz - Beschwerderecht, Emissionsbegrenzung bei Feuerungsanlagen, Gebührenerhebung, Verursacherprinzip. Legitimation der Stadt Zürich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2e). Mitwirkungspflicht des Inhabers einer bestehenden Feuerungsanlage im Sanierungsverfahren (E. 3c). Die einem einzelnen Anlageninhaber zurechenbare Sanierungsverfügung ist nicht generell von der Gebührenpflicht ausgenommen (E. 4b). Gebührenpflicht nach Art. 48 Abs. 1 USG (E. 4c und d). Festsetzung der Gebühr nach dem massgebenden Gebührentarif (E. 4e und f).

119 IB 492 () from 24. Dezember 1993
Regeste: Art. 12 Abs. 1 GSchG, Art. 7 der VO vom 8. Dezember 1975 über Abwassereinleitungen; Vorbehandlung des Abwassers. 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen Massnahmen zum Vollzug einer Entscheidung richtet; die gegen derartige Massnahmen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde ist ebenfalls unzulässig, wenn damit die zu vollstreckende Entscheidung wieder in Frage gestellt werden soll (E. 3c). 2. Nach Art. 12 Abs. 1 GSchG kann derjenige, der Abwasser in die Kanalisation einleiten will, gehalten sein, es vorzubehandeln; die Bestimmung verpflichtet einen weiteren Personenkreis, als der vom alten Recht verwendete Begriff des "Verursachers" umfasste (Art. 18 Abs. 2 aGSchG). Die Regelung von Art. 12 Abs. 1 GschG, welche zu einer Verstärkung des Gewässerschutzes beitragen soll, ist unmittelbar anwendbar in allen Verfahren, welche beim Inkrafttreten des neuen Gewässerschutzgesetzes hängig waren (E. 3a, 3b und 4). 3. Materielle Voraussetzungen der Verpflichtung, Küchenabwasser vorzubehandeln (E. 5). 4. Die Verpflichtung zur Vorbehandlung des von einem Untermieter verursachten Abwassers kann unter bestimmten Umständen dem Erstmieter auferlegt werden, wenn dieser zugleich derjenige ist, der das Abwasser in die Kanalisation einleiten will (E. 6).

119 II 193 () from 19. Mai 1993
Regeste: Vorsorgliche Massnahmen (Art. 145 ZGB und Art. 4 BV). 1. Im Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen ist die Verwaltung und Nutzung von Vermögenswerten der Ehegatten zu regeln und die Verfügung darüber zu beschränken, soweit die Gefährdung eines güterrechtlichen Anspruchs glaubhaft gemacht worden ist; hingegen darf in einem Massnahmeentscheid nicht über Ansprüche befunden werden, deren Beurteilung einem ordentlichen Verfahren vorbehalten ist (E. 3a). 2. Auf ein Begehren um Herausgabe von Unterlagen kann dem Gesuchsteller auch bloss ein Einsichtsrecht daran eingeräumt werden, sofern mit dieser Massnahme seine Rechte gesichert bleiben (E. 3b). 3. Für die Sperrung von Mietzinseinnahmen aus einer Liegenschaft sind weder die güterrechtliche Zuordnung noch die gesetzlichen Verwaltungsbefugnisse entscheidend (E. 3c). 4. Wer über sein eigenes Einkommen und Vermögen keine Auskunft erteilt, dem darf ein Unterhaltsbeitrag verwehrt werden (E. 3d). 5. Die Nutzung eines Ferienhauses kann durchaus wechselweise geregelt werden; sie kann mit der Zuteilung der ehelichen Wohnung nicht verglichen werden (E. 3e).

119 II 380 () from 2. September 1993
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Zuständigkeit; Tragweite einer Schiedsgerichtsklausel (Art. 190 Abs. 2 IPRG). 1. Kognition des Bundesgerichts bei der Prüfung einer staatsrechtlichen Beschwerde im Gebiet der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (E. 3). 2. Grundsatz der Autonomie der Schiedsvereinbarung (E. 4a); ein Schiedsgericht ist befugt zu prüfen, ob ein Vertrag mit einer Bestechung zusammenhängt (E. 4b); vertragsrechtliche Auswirkungen von Schmiergeldzahlungen (E. 4c).

119 II 386 () from 7. September 1993
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; rechtliches Gehör; Aussetzung; Ordre public (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG). 1. Die Partei, welche meint, Opfer eines Prozessfehlers geworden zu sein, hat dies im Schiedsgerichtsverfahren zu rügen; andernfalls kann sie den Fehler mit der Beschwerde gegen das Urteil nicht mehr geltend machen (E. 1a). 2. Eine Partei kann sich nicht auf ihren Anspruch auf rechtliches Gehör berufen, um die Aussetzung des Verfahrens zu erzwingen (E. 1b). 3. Der Leitsatz "le pénal tient le civil en l'état" gehört nicht zu den Grundprinzipien der schweizerischen Rechts- und Wertordnung (E. 1c).

119 II 396 () from 13. Juli 1993
Regeste: Zivilprozess; ne ultra petita partium. Bei Verfahren, die von der Dispositionsmaxime beherrscht werden, ist das Gericht bei einer Klage, mit der der Zuspruch verschiedener auf dem gleichen Grund beruhender Schadensposten verlangt wird, nur durch den insgesamt eingeklagten Betrag gebunden. Es kann folglich - innerhalb von Grenzen, die von Fall zu Fall festzulegen sind - für ein Schadenselement mehr und für ein anderes weniger zusprechen.

119 III 8 () from 4. Februar 1993
Regeste: Art. 4 BV (Willkür); nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77 SchKG). 1. Der Rechtsvorschlag kann anlässlich der Zustellung des Zahlungsbefehls gegenüber dem Postbeamten erklärt werden, der als Betreibungsgehilfe handelt. Wird der erhobene Rechtsvorschlag vom Postbeamten nicht verurkundet, so ist die Annahme nicht willkürlich, dass diese Unterlassung durch Beschwerde nach Art. 17 SchKG bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs hätte angefochten werden können (E. 2). 2. Nicht willkürlich ist die Auffassung, es dürfe von jedem im Geschäftsleben tätigen Menschen erwartet werden, dass er korrekt Rechtsvorschlag erhebt. Vor allem wer erstmals im Leben einen Zahlungsbefehl erhält, muss das Formular genau lesen, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen (E. 4).

119 III 28 () from 1. Februar 1993
Regeste: Einstellung des Konkurses (Art. 230 SchKG) und unentgeltliche Rechtspflege (Art. 4 BV). 1. Die Einstellung eines Konkurses richtet sich nach materiellrechtlichen Voraussetzungen (Art. 230 SchKG). Die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung begründet keinen voraussetzungslosen Anspruch auf Durchführung des Konkursverfahrens. 2. Ergibt sich aus den Akten klar, dass der Gesuchsteller bedürftig ist, so darf ihm die unentgeltliche Rechtspflege nicht durch allzu strenge Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften verweigert werden (Art. 4 BV).

119 III 68 () from 7. Juli 1993
Regeste: Parteientschädigung im Rechtsöffnungsverfahren (Art. 4 BV, Art. 68 Abs. 1 GebVSchKG). 1. Die Parteientschädigung im Rechtsöffnungsverfahren umfasst auch die Auslagen für die Inanspruchnahme eines Anwalts (E. 3a). 2. Kriterien für die Bemessung der Anwaltskosten (E. 3b und 3c).

119 III 75 () from 14. Juli 1993
Regeste: Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung; Hinterlegung der Forderungssumme. 1. Die Verfügung, mit der dem Gläubiger einerseits die Hinterlegung der Forderungssumme durch den Betriebenen angezeigt und andererseits Frist zur Anhebung der Klage auf Zahlung angesetzt wird, ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG (E. 1a). 2. Eine Solidarbürgschaft stellt keine hinreichende Hinterlegung im Sinne von Art. 182 Ziff. 4 SchKG dar (E. 2).

119 III 78 () from 19. März 1993
Regeste: Siegelung von Räumlichkeiten im Konkurs (Art. 223 Abs. 1 SchKG). Will ein Dritter vermeiden, dass seine Räumlichkeiten in die Siegelung einbezogen werden, die für die Räumlichkeiten des Gemeinschuldners angeordnet worden ist, müssen die Räumlichkeiten so voneinander getrennt sein, dass die Siegelung ohne besonderen Aufwand vollzogen werden kann. Die gegenüber dem Gemeinschuldner angeordnete Sicherungsmassnahme darf nicht illusorisch werden, weil Dritte sich mit dem Gemeinschuldner in die Räumlichkeiten teilen.

119 III 92 () from 25. Februar 1993
Regeste: Arrest; Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG. Wer den Gläubiger durch Vorenthaltung von Unterlagen daran hindert, Bestand und Höhe der behaupteten Forderung zu ermitteln, schafft damit nicht Vermögensgegenstände beiseite. Ohne das Willkürverbot zu verletzen, hat daher die Arrestbehörde den Arrestgrund des Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG verneinen dürfen.

119 III 108 () from 20. Dezember 1993
Regeste: Art. 185 SchKG. Zulässigkeit des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung. Die Auffassung ist nicht willkürlich, wonach sich die Zulassung von Noven - echten und unechten - im Berufungsverfahren gegen den Entscheid über die Zulässigkeit des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung ausschliesslich nach kantonalem Recht beurteilt.

119 III 113 () from 22. Dezember 1993
Regeste: Art. 4 BV, Art. 191 und 230 SchKG; unentgeltliche Rechtspflege im Konkursverfahren; Kriterium der fehlenden Aussichtslosigkeit bei einer Insolvenzerklärung. 1. Der Schuldner kann im Konkursverfahren zufolge Insolvenzerklärung die unentgeltliche Rechtspflege unter den allgemeinen Voraussetzungen beanspruchen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Erfordernis der fehlenden Aussichtslosigkeit der Insolvenzerklärung im Sinne von Art. 191 SchKG für einen direkt aus Art. 4 BV ableitbaren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (E. 3a). Die Insolvenzerklärung ist aussichtslos, wenn feststeht, dass der Schuldner keine Aktiven besitzt. Hingegen kann sie nicht zum vornherein als aussichtslos bezeichnet werden, wenn der Schuldner glaubhaft gemacht hat, dass er wenigstens über so viele Vermögenswerte verfügt, wie für eine Verhinderung der durch Art. 230 SchKG drohenden Einstellung des Konkurses erforderlich sind (E. 3b).

119 III 118 () from 23. August 1993
Regeste: Konkursverfahren; Abberufung eines Mitgliedes des nach Art. 237 Abs. 3 SchKG eingesetzten Gläubigerausschusses. 1. Keine Beschwerdelegitimation eines Mitglieds des Gläubigerausschusses: Einerseits ist seine Befugnis, als Gläubigervertreter zu handeln, nicht ausgewiesen, anderseits kann es wegen des Kollegialprinzips als Mitglied des Gläubigerausschusses nicht allein auftreten (E. 1). 2. Prüfungsbefugnis der kantonalen Aufsichtsbehörde und des Bundesgerichts bezüglich der Bestellung des Gläubigerausschusses. Im vorliegenden Fall hat die kantonale Aufsichtsbehörde das ihr zustehende Ermessen weder überschritten noch missbraucht, indem sie ein Mitglied des Gläubigerausschusses wegen Missachtung des Kollegialprinzips und vorsätzlicher Verletzung der Schweigepflicht abgesetzt hat (E. 4).

119 IV 92 () from 25. März 1993
Regeste: Art. 254 Abs. 1 BStP. Verfahrenseinstellung in Delegationsstrafsachen; Opportunitätsprinzip. 1. Begriff des Einstellungsbeschlusses (Art. 268 Ziff. 2 und Art. 254 Abs. 1 BStP) (E. 1). 2. Art. 254 Abs. 1 BStP verpflichtet die kantonalen Behörden, die ihnen durch den Bundesrat übertragenen oder den Bundesanwalt überwiesenen Bundesstrafsachen zu untersuchen, d.h. tätig zu werden sowie die Untersuchung durch förmlichen Einstellungsbeschluss oder Urteil zu beenden (E. 2). 3. Eine auf Opportunitätsüberlegungen beruhende Bestimmung, nach welcher von der Ausdehnung eines hängigen Ermittlungsverfahrens auf Delikte, die neben den zur Anklage gelangenden nicht ins Gewicht fallen, abgesehen werden kann (§ 5 Abs. 1 StPO/BS), verletzt kein Bundesrecht (E. 2h). 4. Aus Art. 4 BV und Art. 2 ÜbBest. BV ergeben sich inhaltliche Schranken für die Zulässigkeit von Einstellungsbeschlüssen, die auf Opportunitätsüberlegungen beruhen (E. 3). Art. 253 Abs. 1 BStP. Verfahrenskosten in Delegationsstrafsachen. Die Kantone können in den durch sie zu beurteilenden Bundesstrafsachen der delegierenden Bundesbehörde keine Kosten auferlegen (E. 4).

119 IV 107 () from 19. März 1993
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 84 OG, Art. 269 BStP; Verletzung des Beschleunigungsgebots im Strafverfahren; staatsrechtliche Beschwerde oder Nichtigkeitsbeschwerde? Die Frage, ob das Beschleunigungsgebot verletzt wurde, betrifft eine mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügende unmittelbare Verletzung der Bundesverfassung bzw. der EMRK. Die Frage, welche Folgen eine Verletzung des Beschleunigungsgebots für die Auslegung und Anwendung eidgenössischen Strafrechts hat, betrifft demgegenüber die verfassungs- bzw. konventionskonforme Auslegung und Anwendung von Bundesrecht und ist mit Nichtigkeitsbeschwerde aufzuwerfen.

119 IV 242 () from 22. September 1993
Regeste: Art. 18 und 305bis Ziff. 1 StGB; Anlegen von Drogengeld, Vorsatz. Gegenstand der Geldwäscherei können alle Vermögenswerte sein, die aus einem Verbrechen herrühren; nicht erforderlich ist, dass sie weiteren Verbrechen dienen (E. 1b). Der Gesetzeswortlaut genügt dem Bestimmtheitsgebot (E. 1c). Das Anlegen von Geld, das aus qualifizierten Betäubungsmitteldelikten stammt, ist jedenfalls dann Geldwäscherei, wenn sich die Art und Weise, wie das Geld angelegt wird, von der einfachen Einzahlung von Bargeld auf ein Konto unterscheidet (E. 1d und e). Wissen um die verbrecherische Herkunft der Vermögenswerte; Inkaufnahme (E. 2).

119 IV 284 () from 22. September 1993
Regeste: Art. 148 Abs. 1 StGB; Art. 277 BStP; Anforderungen an die Begründung der Arglist bei Serienbetrügen. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist muss auch bei Serienbetrügen für jeden Einzelfall überprüfbar sein. Bei Fällen, die in tatsächlicher Hinsicht gleichgelagert sind und sich bezüglich Opfergesichtspunkten nicht wesentlich unterscheiden, genügt es, wenn der Richter die Arglist zunächst in allgemeiner Weise prüft und sich bei der Beurteilung der einzelnen Taten mit dem Merkmal nur in den Fällen besonders auseinandersetzt, die deutlich vom üblichen Handlungsmuster abweichen. Für die übrigen Fälle kann er auf die allgemeinen Erwägungen verweisen (E. 5a).

119 IV 330 () from 14. Dezember 1993
Regeste: Art. 251 Abs. 2 BStP; Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung. Entscheide in Bundesstrafsachen sind mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (E. 1c). Art. 272 BStP; Verwaltungsstrafverfahren, verspätete Beschwerde. Folgen des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung; Frage offengelassen (E. 1c). Art. 11 Abs. 3 VStrR; Ruhen der Verjährung. Das Ruhen der Verjährung gemäss Art. 11 Abs. 3 VStrR während der Dauer eines Verfahrens über die Leistungspflicht gilt auch für die absolute Verjährungsfrist (E. 2). Art. 48 Ziff. 2 StGB. Bestimmung des Bussenbetrags (E. 3). Art. 13 VStrR; Straflosigkeit bei Selbstanzeige. Diese Bestimmung ist nur auf reuige Hinterzieher anwendbar, die sich aus eigenem Antrieb anzeigen (E. 4).

120 IA 1 () from 11. Februar 1994
Regeste: Festsetzung von Universitätsgebühren durch Verordnung. Delegation der Rechtsetzungsbefugnis für die Festsetzung der Höhe von Universitätsgebühren an die Exekutive; Anforderungen an die gesetzliche Grundlage (E. 3). Publikationspflicht für Anstaltsgebühren (E. 4). Tragweite von Art. 13 Abs. 2 lit. c des internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte für die Erhebung von Universitätsgebühren (E. 5).

120 IA 14 () from 7. März 1994
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung. Die Praxis der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern, wonach die Wirkungen der unentgeltlichen Verbeiständung in der Regel erst ab dem Zeitpunkt eintreten, in dem sie den gutheissenden Entscheid des Amtsgerichtspräsidenten bestätigt, verletzt Art. 4 BV.

120 IA 19 () from 24. März 1994
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Anspruch auf richterliche Beurteilung einer Werkplanfestsetzung für einen Schulhausbau. Der Anspruch auf eine richterliche Überprüfung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist grundsätzlich bereits vor der letzten kantonalen Instanz geltend zu machen (E. 2c). Gegenüber der Festsetzung von Werkplänen nach zürcherischem Recht besteht ein Anspruch auf eine richterliche Überprüfung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK, da diese Pläne dem Werkträger das Enteignungsrecht erteilen (E. 3). Vorliegend gewährleistet weder das kantonale Verfahren noch das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht den nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK erforderlichen gerichtlichen Rechtsschutz (E. 4). Anweisung an den Kanton Zürich, dem Beschwerdeführer eine Gerichtsinstanz im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zur Verfügung zu stellen, welche den Sachverhalt und die Rechtsanwendung frei überprüft (E. 5).

120 IA 31 () from 26. April 1994
Regeste: Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 4 BV; Grundsatz "in dubio pro reo"; Bedeutung der Maxime bei der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten (Präzisierung der Rechtsprechung). Rechtsgrundlage der Maxime "in dubio pro reo" (E. 2b). Inhalt und Tragweite des Grundsatzes (E. 2c). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2d).

120 IA 43 () from 7. Januar 1994
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK (Anspruch auf amtliche Verteidigung). Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Offizialverteidigung ist nicht die abstrakte gesetzliche Strafdrohung massgeblich. Vielmehr ist grundsätzlich auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen. Falls eine Freiheitsstrafe von einigen Wochen bis Monaten in Frage kommt, ist für die Annahme eines direkt aus Art. 4 BV ableitbaren Anspruches auf Offizialverteidigung am Erfordernis der besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Natur festzuhalten (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 2). Im beurteilten Fall liegen derartige Schwierigkeiten vor (E. 3).

120 IA 48 () from 22. Februar 1994
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c und d EMRK (Anspruch auf effektive Verteidigung insbesondere bei Konfrontationseinvernahmen). Die rechtlichen Interessen des Angeschuldigten müssen auch durch einen Offizialverteidiger in ausreichender und wirksamer Weise wahrgenommen werden. Wird von den Behörden untätig geduldet, dass der Verteidiger seine anwaltlichen Berufs- und Standespflichten zum Schaden des Angeschuldigten in grober Weise vernachlässigt, kann darin eine Verletzung der Verteidigungsrechte liegen (E. 2b-d). Der Angeschuldigte oder sein Anwalt müssen zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte grundsätzlich rechtzeitig und in angemessener Weise aktiv werden. Dies kann insbesondere für Anträge auf Wiederholung von Konfrontationseinvernahmen gelten. Der Verzicht der Behörden auf eine Wiederholung von Konfrontationseinvernahmen verletzte im vorliegenden Fall die Verteidigungsrechte nicht (E. 2e-f).

120 IA 56 () from 31. Januar 1994
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. a OG, Art. 13 RPG, Art. 20 RPV; Rechtsnatur der kantonalen Pläne betreffend Fruchtfolgeflächen. Der Genfer Plan zur Sicherung der Fruchtfolgeflächen (vgl. Art. 20 RPV) ist kein Nutzungsplan im Sinne der Art. 14 ff. RPG. Er kann somit grundsätzlich nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG angefochten werden (E. 3).

120 IA 61 () from 8. Februar 1994
Regeste: Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG; Art. 387 Abs. 3 und Art. 393 des Genfer Zivilprozessgesetzes; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Die für einen Ehegatten bestehende Möglichkeit, einen Entscheid betreffend vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses zu verlangen, der eine entsprechende superprovisorische Verfügung des Gerichtspräsidenten ersetzt, stellt einen kantonalrechtlichen Rechtsbehelf dar, vor dessen Ergreifung die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig ist.

120 IA 67 () from 14. März 1994
Regeste: Art. 31 BV; Art. 6 des Beschlusses vom 7. Juli 1993 über die Ursprungsbezeichnungen der Walliser-Weine (AOC-Beschluss); qualitative Ertragsgrenzen der Flächen. Mit der vom Kanton Wallis vorgesehenen Begrenzung der Produktion von Weinen der Kategorie II (Goron) soll nicht nur eine Verbesserung der Qualität erzielt, sondern auch die Überproduktion verhindert werden. Diese Massnahme ist mit Art. 31 BV vereinbar: sie beruht auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage (E. 2), kann sich auf ein überwiegendes öffentliches Interesse stützen und ist verhältnismässig (E. 3).

120 IA 95 () from 25. Februar 1994
Regeste: Art. 88 OG, Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Parteifähigkeit (Legitimation) eines Kantons bei Lohnstreitigkeit im öffentlichen Dienstrecht (Basler Kindergärtnerinnen). Ein Kanton kann ein gestützt auf Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV ergangenes Urteil seines Verwaltungsgerichts weder in der Sache selber (E. 1) noch in bezug auf angebliche Verfahrensfehler (E. 2) mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten. Frage offengelassen, wie es sich bei einem privatrechtlichen Dienstverhältnis verhalten würde (E. 1c/cc).

120 IA 101 () from 18. März 1994
Regeste: Legitimation des Opfers zur staatsrechtlichen Beschwerde. BG vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten OHG). Intertemporales Verfahrensrecht. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des OHG sind anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten des OHG ergangen ist (E. 1). Voraussetzungen der seit dem Inkrafttreten des OHG erweiterten Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 8 Abs. 1 OHG; Änderung der Rechtsprechung; E. 2). Umfang des dem Opfer zustehenden Gehörsanspruchs nach dem Opferhilfegesetz und nach Art. 4 BV. Beweislast im Strafverfahren, soweit zivilrechtliche Ansprüche betroffen sind (E. 3).

120 IA 110 () from 3. Juni 1994
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation. Der öffentlichrechtlich Angestellte, dem gekündigt wird, ist zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde nicht legitimiert, soweit das kantonale Recht die Kündigung nicht von materiellen Voraussetzungen abhängig macht (E. 1).

120 IA 113 () from 1. Juli 1994
Regeste: Art. 4 BV, formelle Rechtsverweigerung; interkantonale Rechtshilfe in Strafsachen; Umfang der Prüfungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde des ersuchten Kantons. Keine Verletzung von Art. 4 BV, wenn die Rechtsmittelbehörde des ersuchten Kantons auf Einwendungen gegen die materielle Zulässigkeit der verlangten Rechtshilfemassnahmen nicht eintritt. Sie kann nur jene Rügen prüfen, welche die formellen Voraussetzungen der Rechtshilfe und die Ausführung der Massnahmen betreffen (Änderung der in BGE 117 Ia 5 ff. publizierten Rechtsprechung).

120 IA 126 () from 6. Mai 1994
Regeste: Art. 4, 22ter, 31 und 35 BV, Art. 2 ÜbBest. BV sowie persönliche Freiheit; Verbot von Geldspielautomaten; abstrakte Normenkontrolle. Das Verbot von Geschicklichkeits-Geldspielautomaten verstösst nicht gegen die Bundesverfassung. Überprüfung der Vereinbarkeit des Verbots mit: 1. dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nach Art. 2 ÜbBest. BV i.V.m. Art. 35 BV (E. 3); 2. der Handels- und Gewerbefreiheit gemäss Art. 31 BV (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4); 3. der Eigentumsgarantie nach Art. 22ter BV (E. 5); 4. dem Gleichbehandlungsgebot gemäss Art. 4 und 31 BV (E. 6); 5. der persönlichen Freiheit (E. 7).

120 IA 157 () from 25. Mai 1994
Regeste: Art. 88 OG, Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG (Einfluss des Opferhilfegesetzes auf die Legitimation des Geschädigten zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen strafprozessuale Einstellungsverfügungen). Zusammenfassung der bisherigen Praxis und Anwendbarkeit des Opferhilfegesetzes (OHG) in intertemporalrechtlicher Hinsicht (E. 2a-b). Eine auf Fragen der Beweiswürdigung erweiterte Legitimation des Geschädigten zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale Einstellungsverfügungen beurteilt sich nach Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG. Die Bestimmung stellt im Verhältnis zu Art. 88 OG eine "lex specialis" dar und setzt insbesondere das Vorliegen einer Opferstellung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG voraus (E. 2c). Bei der Beurteilung, ob die Eintretensvoraussetzungen zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegeben sind, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, ob der Geschädigte unter den Opferbegriff des OHG fällt (E. 2d). Art. 2 Abs. 1 OHG (Opferbegriff). Bei Betrug ist eine Opferstellung im Sinne des OHG grundsätzlich ausgeschlossen. Bei Delikten gegen die Freiheit des Individuums und bei Erpressungsvorwürfen ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, ob die Schwere der fraglichen Straftaten die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung der psychischen oder körperlichen Integrität des Betroffenen rechtfertigt (E. 2d/aa). Bei den im vorliegenden konkreten Fall zu beurteilenden strafrechtlichen Vorwürfen (Betrug, Nötigung, Erpressung) rechtfertigt sich die Annahme einer Opferstellung der angeblich Geschädigten nicht (E. 2d/cc).

120 IA 169 () from 7. Juni 1994
Regeste: Art. 4 BV; Parteientschädigung im Zivilprozess. Es ist nicht willkürlich, einer Partei nicht die übliche Partei-, sondern lediglich eine Umtriebsentschädigung zuzusprechen, weil sie durch einen bei einer Rechtsschutzversicherung angestellten Rechtsanwalt vertreten wird (E. 3).

120 IA 179 () from 31. August 1994
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege; Bedürftigkeit. Zur Prüfung der Voraussetzung der Bedürftigkeit ist die gesamte finanzielle Situation des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches zu berücksichtigen. Er hat seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich zu belegen (E. 3a).

120 IA 184 () from 24. August 1994
Regeste: Anspruch auf einen unbefangenen Richter; Disziplinarverfahren (Art. 4 BV, Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Tragweite der Garantie des verfassungsmässigen Richters nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 2b). Die Regelung des Kantons Obwalden, wonach die Obergerichtskommission als Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen die Tätigkeit eines Betreibungsbeamten überprüft, als Ermächtigungsbehörde über die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen ihn entscheidet und anschliessend über die Anordnung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn befindet, verletzt den Anspruch auf einen unbefangenen Richter nicht (E. 2c-e). Ist Art. 6 Ziff. 1 EMRK auch auf ein Disziplinarverfahren anwendbar? (E. 2f).

120 IA 203 () from 27. Mai 1994
Regeste: Gemeindeautonomie, Art. 4 BV; dienstrechtliches Verbot, mit einem privaten Motorfahrzeug an den Arbeitsplatz zu gelangen. Autonomie bernischer Gemeinden im Bereich des Dienstrechts (E. 2). Verfassungsrechtliche Schranken von Regelungen für das inner- und ausserdienstliche Verhalten von Beamten (E. 3). Eine dienstrechtliche Verpflichtung, den Arbeitsplatz grundsätzlich ohne Verwendung eines privaten Motorfahrzeugs zu erreichen, verstösst gegen Art. 4 BV (E. 4).

120 IA 209 () from 24. August 1994
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4 BV; Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von Planungszonen; Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung. Ein Rechtsmittelsystem mit Einsprache und anschliessender Beschwerde gegen Planungszonen führt nicht von sich aus zwingend zu verfassungswidrigen Rechtsverzögerungen. Gleiches gilt hinsichtlich des dem Grundsatze nach vorgesehenen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels (E. 4 und 5). Zusammenfassung der Rechtsprechung zu dem sich aus der Bundesverfassung und aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergebenden Anspruch auf gerichtliche Prüfung von Planungsakten und bei Enteignungen (E. 6a und b). Die Festsetzung einer Planungszone stellt im Regelfall eine Eigentumsbeschränkung bzw. einen Eingriff in "civil rights" gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar. Der Zugang zu einem Gericht darf daher nicht generell ausgeschlossen werden (E. 6c und d).

120 IA 217 () from 31. Mai 1994
Regeste: Art. 4 BV; verfassungsmässiger Armenrechtsanspruch eines Ausländers mit Wohnsitz im Ausland. Der Anspruch darf nicht vom Bestehen eines Staatsvertrages mit dem Wohnsitzstaat oder von dessen Zusicherung der Gleichbehandlung abhängig gemacht werden.

120 IA 220 () from 2. November 1994
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Parteirechten. Der Einzelne ist legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen, er sei in einem kantonalen Strafverfahren zu Unrecht nicht als Geschädigter zugelassen worden (E. 2a). Art. 4 BV; Art. 261 StGB; Begriff des Geschädigten im zürcherischen Strafverfahren. Es ist willkürlich, in einem Strafverfahren wegen Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit (Art. 261 StGB) den in seinen religiösen Überzeugungen Verletzten nicht als Geschädigten gemäss §§ 40 und 395 Abs. 1 Ziff. 2 der Zürcher Strafprozessordnung anzuerkennen (E. 3).

120 IA 227 () from 11. Oktober 1994
Regeste: Art. 88 OG; Beschwerdebefugnis. Erfordernis eines rechtlich geschützten Interesses, sei es aufgrund einer Berechtigung in der Sache selbst oder aufgrund der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 1). Art. 21 Abs. 2 RPG, Art. 22ter BV; Überprüfung und Anpassung von Nutzungsplänen. Den an die Erfordernisse des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes angepassten Nutzungsplänen muss eine gewisse Beständigkeit zukommen (E. 2a - b). Das Bundesrecht verleiht dem Grundeigentümer unter gewissen Bedingungen einen Rechtsanspruch auf Überprüfung und Anpassung planerischer Massnahmen, die seine Liegenschaft betreffen; indes besteht die Vermutung, dass ein in Kraft befindlicher Nutzungsplan den gesetzlichen Erfordernissen entspricht (E. 2c - d).

120 IA 236 () from 14. November 1994
Regeste: Art. 4, 31 BV; Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. Zwischen Bäckereien/Konditoreien und Bäckereien/Konditoreien mit angegliedertem Gastwirtschaftsbetrieb (Café) besteht in bezug auf den Betriebsteil Bäckerei/Konditorei eine direkte Konkurrenz (E. 1). Die Gewährung längerer Ladenöffnungszeiten für kombinierte Betriebe verletzt den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen (E. 2).

120 IA 247 () from 22. August 1994
Regeste: Nichtzulassung eines ausländischen (deutschen) Rechtsanwalts als Verteidiger im Strafverfahren. Die aargauische Strafprozessordnung sieht als Grundsatz für den Strafprozess die Verteidigung durch patentierte Rechtsanwälte vor. Es verstösst nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot, wenn als Ausnahme davon dem Beschuldigten nahestehende Personen, welche über kein Anwaltspatent verfügen, zur Verteidigung zugelassen werden, dagegen dem ausländischen, berufsmässig handelnden Rechtsanwalt die Zulassung verweigert wird (E. 3). Die in der aargauischen Strafprozessordnung enthaltene Beschränkung der Verteidigerwahl auf patentierte Rechtsanwälte verstösst nicht gegen den Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK und in Art. 14 Abs. 3 lit. d des internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte verankerten Anspruch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen Verteidiger seiner Wahl (E. 4 und 5).

120 IA 256 () from 2. Juni 1994
Regeste: Auswirkungen der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde bei Rechtsöffnungen. Hebt das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerde hin einen Entscheid auf, mit dem die Rechtsöffnung gewährt oder verweigert worden ist, so kann es in der Regel nicht auch selber über die Rechtsöffnung entscheiden. Eine Ausnahme von dieser Regel besteht, wenn das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid nicht nur auf Willkür hin überprüft und die Rechtslage als genügend klar betrachtet werden kann (Präzisierung der Rechtsprechung).

120 IA 260 () from 31. Oktober 1994
Regeste: Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Willkür und Anfechtbarkeit eines Zwischenentscheides bei einer Umplazierung eines Kindes durch die Vormundschaftsbehörde (Art. 87 und 88 OG, 310 ZGB sowie Art. 4 BV). Pflegeeltern, zu denen rechtlich auch der leibliche Vater zu zählen ist, wenn die Kinder bei ihm untergebracht sind, obgleich ihm die elterliche Gewalt nicht zusteht, sind legitimiert, Anordnungen der Vormundschaftsbehörde über den Aufenthaltsort des Kindes mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Willkür anzufechten (E. 2a; Änderung der Rechtsprechung). Der Entscheid der letzten kantonalen Instanz über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Umplazierung eines Kindes durch die Vormundschaftsbehörde stellt einen blossen Zwischenentscheid dar. Auf eine gegen einen solchen Zwischenentscheid gerichtete Willkürbeschwerde ist aber nach Art. 87 OG einzutreten, weil er zu einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil führt (E. 2b).

120 IA 265 () from 2. Dezember 1994
Regeste: Art. 4 BV: Gesetzliche Grundlage von Abgaben, Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Bundesverfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtsgrundlage für die Erhebung von kommunalen Erschliessungsabgaben; eine Blankodelegation an die Gemeinde-Exekutive genügt nicht (E. 2).

120 IA 286 () from 25. November 1994
Regeste: Art. 31 BV und Art. 2 ÜbBest. BV; Konsumkreditwesen: Bernisches Gesetz über Handel und Gewerbe vom 4. November 1992 und Verordnung über das Gewähren und Vermitteln von Darlehen und Krediten vom 19. Mai 1993. Bei den angefochtenen bernischen Bestimmungen handelt es sich nicht um zivilrechtliche Normen, sondern um Beschränkungen öffentlichrechtlicher Art im Sinne von Art. 6 ZGB. Die Bundesgesetzgebung über das Konsumkreditwesen ist nicht abschliessend, weshalb die Kantone gestützt auf Art. 31 Abs. 2 BV in diesem Bereich öffentlichrechtliche Vorschriften gewerbepolizeilicher und sozialpolitischer Art erlassen können (E. 2). Öffentliches Interesse an öffentlichrechtlichen Schutzvorschriften gegen eine Überschuldung der Kreditnehmer bejaht (E. 3); die Begrenzung der Kredithöhe auf drei Bruttomonatssaläre und der Laufzeit von Konsumkreditverträgen auf maximal drei Jahre (36 Monate) (E. 4) sowie das Zweitkreditverbot und das Kreditaufstockungsverbot (E. 5) sind verfassungsrechtlich zulässig.

120 IA 314 () from 27. Dezember 1994
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwertung von sog. Zufallsfunden. Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 EMRK garantieren das Telefongeheimnis; Zulässigkeit von Einschränkungen dieser Garantie (E. 2a). Der Gesprächspartner einer rechtmässig überwachten Person geniesst einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz; er kann grundsätzlich verlangen, dass die Telefongespräche nicht bekanntgegeben und ihm gegenüber nicht verwertet werden (E. 2c). Sollen derartige Telefongespräche zu Lasten des Gesprächspartners als sog. Zufallsfunde verwertet werden, müssen die Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung auch diesem gegenüber erfüllt sein. Die Prüfung ist nachträglich in dessen Strafverfahren vorzunehmen (E. 2c). Im vorliegenden Fall verstösst die Verwertung der Zufallsfunde weder materiell noch formell gegen die Verfassung (E. 2d).

120 IA 329 () from 18. November 1994
Regeste: Art. 4 BV; Ehegattenbesteuerung. Besteuerung von im Konkubinat lebenden und verheirateten Personen, mit und ohne Kinder. Gesetzliche Regelung und Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 2 u. 3). Rechtsgleiche Besteuerung der verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen. Verfassungsmässige Anforderungen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4). Der Steuerbelastungsvergleich bei den verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen (Alleinstehenden, Ehepaaren, mit und ohne Kinder; Konkubinatspaaren) hält im Kanton Zürich den verfassungsmässigen Anforderungen stand (E. 5). Die relative Mehrbelastung eines Ehepaares mit Kindern im Vergleich zu einem Konkubinatspaar mit Kindern von mehr als 10% verletzt Art. 4 BV nicht (Änderung der Rechtsprechung; E. 6).

120 IA 343 () from 18. November 1994
Regeste: Art. 4 BV; Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Abgabenerhebung. Sozialabzüge und Steuertarif ergeben sich aus dem Gesetz. Art. 4 BV ist verletzt, wenn im Hinblick auf die rechtsgleiche Besteuerung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren einem Konkubinatspartner, der für den Unterhalt von Kindern im eigenen Haushalt aufkommt, der ihm gesetzlich zustehende höhere persönliche Abzug und günstigere Steuertarif verweigert werden.

120 IA 369 () from 17. November 1994
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde; zwangsweise Durchsetzung des Besuchsrechts; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Urteilsfähige Minderjährige können selbständig - oder durch den Vertreter ihrer Wahl - handeln, um Rechte betreffend ihre Persönlichkeit wahrzunehmen (E. 1). Ist gegen einen Rückweisungsentscheid, worin dem erstinstanzlichen Richter die Zwangsvollstreckung befohlen wurde, staatsrechtliche Beschwerde erhoben worden, kann das Bundesgericht sich nicht an die Stelle des Sachrichters setzen und aufgrund der vorgebrachten Rügen die Begründetheit des zu vollstreckenden Urteils prüfen (E. 2). Im vorliegenden Fall hätten die erhobenen Rügen (Willkürverbot; Achtung des Privat- und Familienlebens [Art. 8 EMRK] und Garantie der persönlichen Freiheit) ohnehin abgewiesen werden müssen (E. 3-5).

120 IB 22 () from 19. April 1994
Regeste: Art. 8 EMRK; Aufenthaltsbewilligung. Art. 8 Ziff. 2 EMRK lässt in bestimmten Fällen einen Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu, namentlich wenn es um die Umsetzung einer restriktiven Politik in bezug auf den Aufenthalt von Ausländern geht. Die Gewährung oder Verweigerung einer auf Art. 8 EMRK gestützten Aufenthaltsbewilligung muss aufgrund einer umfassenden Abwägung aller öffentlichen und privaten Interessen erfolgen. Im konkreten Fall überwiegt das private Interesse des Beschwerdeführers nicht; denn er hat sich nicht um eine enge und tatsächliche Beziehung zu seinem Sohn bemüht und zahlt auch seit Monaten keine Kinderalimente mehr (E. 4).

120 IB 27 () from 13. Januar 1994
Regeste: Art. 12 NHG und Art. 33 RPG; Natur- und Landschaftsschutz; Beschwerdelegitimation der Vereinigungen. 1. Beschwerde der gesamtschweizerischen Vereinigungen nach Art. 12 NHG: Bestätigung der Rechtsprechung. Diese Bestimmung gilt für kantonale Entscheidungen, welche bei der Erfüllung von Aufgaben des Bundes im Sinne von Art. 24sexies Abs. 2 BV und Art. 2 NHG ergehen; das ist in der Regel nicht der Fall bei der Plangenehmigung eines Strassenprojektes, selbst dann nicht, wenn darin der Abbruch einer alten Brücke vorgesehen ist, welche als Objekt regionaler Bedeutung im Entwurf zu einem Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz enthalten ist (E. 2). 2. Kantonales Rechtsmittelverfahren nach Art. 33 RPG; eine Vereinigung, die nicht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht legitimiert ist, kann sich im kantonalen Verfahren nicht auf die Verfahrensgarantien gemäss Art. 33 Abs. 3 RPG berufen (E. 3c).

120 IB 42 () from 23. Februar 1994
Regeste: Art. 34 Abs. 1 RPG; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Entscheide über die Zulässigkeit des Eintretens auf ein Gesuch für eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG sind mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (E. 1a). Zulässigkeit der Wiedererwägung einer abgelehnten Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Voraussetzungen der Wiedererwägung rechtskräftiger Verwaltungsentscheide (E. 2b). Es ist nicht zulässig, eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG für das gleiche Baugesuch nur kurze Zeit nach deren Ablehnung durch das kantonale Verwaltungsgericht in Wiedererwägung zu ziehen (E. 2c).

120 IB 70 () from 26. Januar 1994
Regeste: Art. 9 USG, Art. 5 UVPV; Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Rüge, das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung in einem Verfahren betreffend Erstellung eines Nutzungsplanes verletze Art. 9 USG, ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben (E. 1b). Genehmigung einer Flughafenzone und Umweltverträglichkeitsprüfung; massgebliches Verfahren für die Schaffung oder Änderung eines Flughafens (E. 2). Akteneinsicht (E. 3). Art. 86 Abs. 1 OG; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. Im Rahmen der Nutzungsplanung gehört die Beschwerde im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG zu den Rechtsmitteln des kantonalen Rechts, die zur Erschöpfung des Instanzenzugs ergriffen werden müssen (E. 4).

120 IB 142 () from 11. März 1994
Regeste: Art. 55 und Art. 31 BV, Art. 14 in Verbindung mit Art. 10 EMRK, Art. 39 Abs. 2 lit. a PVV; Anwendbarkeit der Zeitungstaxe auf eine Gratispublikation (Obersee Nachrichten). Profitiert eine Gratispublikation nicht von der indirekten Presseförderung über vergünstigte PTT-Taxen, weil sie dem Empfänger nicht "aufgrund eines entgeltlichen Abonnementsvertrages" laufend mit der Post zugestellt wird (Art. 39 Abs. 2 lit. a PVV), verletzt dies weder Art. 55 beziehungsweise Art. 31 BV (E. 3) noch Art. 14 in Verbindung mit Art. 10 EMRK (E. 4).

120 IB 215 () from 22. August 1994
Regeste: Rückforderung von enteigneten Grundstücken; rückforderungsberechtigte Personen (Art. 103 EntG). Kreis der rückforderungsberechtigten natürlichen und juristischen Personen (E. 3a, b). Das Rückforderungsrecht kann ausser durch Erbgang unter Umständen durch andere Universalsukzession auf den Rechtsnachfolger übergehen (E. 3c, 5). Ob die seinerzeit enteignete öffentlichrechtliche Körperschaft des kantonalen Rechts aufgehoben oder durch eine Gesamtnachfolgerin ersetzt worden sei, beurteilt sich aufgrund des Vorbehaltes von Art. 59 Abs. 1 ZGB ausschliesslich nach den kantonalen Vorschriften über die Errichtung, Struktur, Aufhebung und Änderung der Rechtsverhältnisse solcher juristischer Personen (E. 4). Im vorliegenden Fall ist die Universalsukzession zu bejahen und besteht kein Grund, die Rechtsnachfolgerin im Hinblick auf das Rückforderungsrecht anders zu behandeln als die Enteignete (E. 5).

120 IB 379 () from 18. November 1994
Regeste: Art. 4 BV, Art. 22 und 33 Abs. 3 lit. a RPG sowie Art. 103 lit. a OG; Pflicht zur Durchführung eines ordentlichen Baubewilligungsverfahrens; Legitimation zur Beschwerde gegen Umbauprojekt an biotechnischer Anlage; Anspruch auf rechtliches Gehör. Voraussetzungen, unter denen eine staatsrechtliche Beschwerde gegen ein kantonales, einen Nichteintretensentscheid bestätigendes Urteil als Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt wird (E. 1). Publikationspflicht von bewilligungspflichtigen Umbauvorhaben zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von allfälligen Beschwerdelegitimierten (E. 3). Legitimation zur Beschwerde gegen den Umbau einer Anlage, welche der Herstellung eines Medikamentes mittels gentechnisch veränderter Mikroorganismen dient, von der gewisse Emissionen ausgehen und die die Umgebung erhöhten Gefahren aussetzt (E. 4).

120 IB 417 () from 9. Dezember 1994
Regeste: Auskunftspflicht des Steuerpflichtigen nach Art. 89 Abs. 2 BdBSt; Verhältnis von Art. 89 Abs. 2 BdBSt und Art. 19 VStG. Voraussetzung für die Auskunftspflicht nach Art. 89 Abs. 2 BdBSt ist nur, dass die verlangten Auskünfte für die Veranlagung des Steuerpflichtigen von Bedeutung sein können. Die Auskunftspflicht erstreckt sich bloss nicht auf Auskünfte, die nicht für die Veranlagung des Steuerpflichtigen, sondern ausschliesslich seiner Geschäftspartner von Bedeutung sein können, oder auf solche Auskünfte, deren Erteilung für den Steuerpflichtigen einen unzumutbaren Aufwand bedingen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). Anwendung dieser Grundsätze auf den zu entscheidenden Fall (E. 2-4). Die in Art. 89 Abs. 2 BdBSt vorbehaltene Möglichkeit der Auskunftsverweigerung aufgrund von Art. 19 VStG (Einspruch des Leistungsempfängers gegen die Meldung der Versicherungsleistung) greift nicht Platz, solange noch keine Versicherungsleistung ausgerichtet wurde (E. 5).

120 II 1 () from 11. Januar 1994
Regeste: Abänderung vorsorglicher Massnahmen (Art. 4 BV, Art. 145 ZGB) 1. Anwendungsbereich vorsorglicher Massnahmen nach Rechtskraft der Scheidung (E. 2a, 2b, 2c). 2. Das eheliche Wohnhaus ist bis zum Entscheid über die güterrechtliche Auseinandersetzung einer der Parteien zur Nutzung zuzuteilen, worüber nach Zweckmässigkeit und unabhängig der sachenrechtlichen, güterrechtlichen oder vertragsrechtlichen Beurteilung zu entscheiden ist (E. 2d).

120 II 97 () from 12. Januar 1994
Regeste: Verletzung der Persönlichkeit durch Äusserungen der Presse, Genugtuung (Art. 49 Abs. 1 OR). Voraussetzungen für die Zusprechung einer Genugtuung (E. 2a, 2c, 2d). Der Ansprecher hat die Umstände darzutun, aus welchen von der objektiv schweren Verletzung auf seinen seelischen Schmerz geschlossen werden kann (E. 2b).

120 II 137 () from 22. März 1994
Regeste: Art. 81 Abs. 2 ZGB und Art. 101 HRegV; Eintrag von Stiftungsorganen im Handelsregister. Die "Weisung vom 4. Februar 1993 über die Eintragung von Mitgliedern des Stiftungsrates", die vom eidgenössischen Amt für das Handelsregister erlassen worden ist, hat nicht Gesetzeskraft (E. 2). Entgegen dem, was diese Weisung vorsieht, müssen im Handelsregister nur diejenigen Organe eingetragen werden, die die Stiftung vertreten können. Diese hat jedoch die Möglichkeit, die Eintragung von nicht zeichnungsberechtigten Personen zu veranlassen (E. 3).

120 II 276 () from 14. September 1994
Regeste: Namensänderung. Die nachträgliche Eintragung der Partikel "von" vor einen Familiennamen, der in den massgebenden alten Büchern ohne diesen Zusatz eingetragen war und bei der Einführung des eidgenössischen Registers in dieser Form übernommen wurde, ist in jedem Fall unzulässig; ob wichtige Gründe im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB dargetan werden können, ist deshalb unerheblich.

120 III 114 () from 20. Oktober 1994
Regeste: Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 64 ff. und 72 SchKG); Rechtsvorschlag (Art. 74 Abs. 1 SchKG). Gelangt der Zahlungsbefehl trotz fehlerhafter Zustellung gleichwohl in die Hände des Betriebenen, so beginnt mit dessen tatsächlicher Kenntnisnahme davon die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlages zu laufen. Nachträglicher Rechtsvorschlag ungeachtet seines später aufgrund des Entscheides des Betreibungsamtes, die Zustellung für nichtig zu erklären, erfolgten Rückzuges als Bestreitung der ganzen Betreibungsforderung betrachtet (E. 3).

120 III 143 () from 20. Juli 1994
Regeste: Art. 87 OG, 207 SchKG; Einstellung eines Zivilprozesses gegenüber dem Streitberufenen. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid betreffend Einstellung eines Verfahrens (E. 1). Einstellung eines Zivilprozesses im Sinne von Art. 207 SchKG bei einer Streitverkündung nach der Walliser Zivilprozessordnung (E. 3 und 4).

120 III 147 () from 23. Juni 1994
Regeste: Art. 250 SchKG und Art. 41 ff. VStG; Rechtsweg. Rechtsweg zur Bestreitung einer Verrechnungssteuer-Forderung im Konkursfall (E. 3). Sieht das Gesetz zur Beurteilung des Bestehens einer öffentlichrechtlichen Forderung eine besondere Instanz vor, ist der Konkursrichter nicht befugt, darüber im Rahmen der Anfechtung des Kollokationsplans zu entscheiden (E. 4).

120 IV 10 () from 28. Januar 1994
Regeste: Verurteilung gestützt auf einen Sachverhalt, der in einem Punkt von einem Einstellungsbeschluss abweicht; ne bis in idem. Der Grundsatz "ne bis in idem" verbietet es, eine Person wegen desselben Sachverhalts zweimal strafrechtlich zu verfolgen; er ist verletzt, wenn in bezug auf den Verfahrensgegenstand, die betroffene Person und die Tat Identität besteht. Der Richter darf in einem Verfahren wegen vollendeten Mordversuchs eine bestimmte Tatsache - hier: die Wegnahme einer Handgranate - feststellen, auch wenn in diesem Punkt das Verfahren von der zuständigen Behörde eingestellt worden ist (E. 2b).

120 IV 122 () from 20. Mai 1994
Regeste: Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung. Die Herausgabe eines inhaltlich unwahren, bei der Kapitalerhöhung nach dem Verfahren der Simultangründung freiwilligen Emissionsprospekts erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung (E. 4d). Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB; Verwendung der falschen Urkunde zur Täuschung. Wer inhaltlich falsche Bilanzen an der Generalversammlung vertritt und als Verwaltungsratspräsident deren Publikation gestattet, macht sie den Getäuschten zugänglich und erfüllt den Tatbestand des Gebrauchs falscher Urkunden (E. 5c). Art. 148 Abs. 1 StGB; Arglist und Vermögensschaden. Die missbräuchliche Verwendung des unwahren Emissionsprospekts ist unabhängig von seiner Urkundenqualität arglistig, soweit eine Überprüfung nicht möglich oder nicht zumutbar ist (E. 6a). Durch die Zeichnung von Aktien, deren innerer Wert geringer ist, als vorgetäuscht wurde, erleiden die Anleger einen objektiven Schaden, da der aufgewendete Liberierungsbetrag im Umfang des vorgetäuschten Mehrwerts nicht der erworbenen Gegenleistung entspricht. Die Anleger sind auch insofern geschädigt, als der Wert der Papiere durch die Gefahr des Zerfalls der Börsenkurse bei Bekanntwerden der Täuschung vermindert ist (E. 6b).

120 IV 226 () from 11. August 1994
Regeste: Art. 29 Abs. 1 lit. c VStrR; Art. 59 Abs. 2 FMG. Ausstand von untersuchenden Beamten. Das Bundesamt für Kommunikation kann mit der ihm nach Art. 2 der Delegationsverordnung zugewiesenen Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen gemäss Art. 57 und 58 des Fernmeldegesetzes geeignete und besonders ausgebildete Beamte der PTT-Betriebe betrauen, sofern die PTT-Betriebe im betreffenden Bereich des Fernmeldewesens (im konkreten Fall: Handel mit Modems) nicht im Wettbewerb mit dem Beschuldigten stehen, in welchem Fall die Befangenheit der untersuchenden Beamten zu vermuten ist.

120 IV 242 () from 11. Juli 1994
Regeste: Art. 36 VStrR. Akteneinsicht im Verwaltungsstrafverfahren. In Fällen mit sehr umfangreichen Akten kann die Gewährung der Akteneinsicht während der Strafuntersuchung auch gegenüber einem (praktizierenden) Anwalt mit der Auflage verbunden werden, diese bei der beteiligten Verwaltung einzusehen und dort Kopien zu erstellen.

120 IV 342 () from 13. Oktober 1994
Regeste: Art. 51 Abs. 2, Art. 52 Abs. 2 und Art. 105bis BStP. Haftbeschwerde; Kognition. Die Verweigerung der Akteneinsicht sowie die Nichtzulassung des Verteidigers bei der Einvernahme des Beschuldigten unterliegen nicht der Beschwerde gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP (E. 1). Beschwerden gegen die Abweisung von Haftentlassungsgesuchen durch die Bundesanwaltschaft überprüft die Anklagekammer mit voller Kognition (E. 2; Praxisänderung). Bereits die im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren ausschliesslich wegen Kollusionsgefahr angeordnete Untersuchungshaft darf nur mit Bewilligung der Anklagekammer länger als 14 Tage aufrechterhalten werden (E. 3; Praxisänderung).

120 IV 348 () from 28. November 1994
Regeste: Art. 125 ff. BStP; Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK. Anklagezulassung. Im Rahmen des Anklagezulassungsverfahrens prüft die Anklagekammer insbesondere, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Vorschriften entspricht; erweist sich die Anklageschrift als mangelhaft, so kann diese - unter einstweiliger Nichtzulassung der Anklage - zur Behebung der Mängel (auch) an den Bundesanwalt zurückgewiesen werden (E. 1). Der Anklageschrift kommt sowohl eine Umgrenzungs- als auch eine Informationsfunktion zu (E. 2). Die Anklageschrift muss mindestens erlauben, in objektiver und subjektiver Hinsicht zu bestimmen, welche konkreten strafbaren Tatbeiträge den einzelnen Angeklagten zur Last gelegt werden; die Beweismittel sind den konkreten Anklagevorwürfen zuzuordnen (E. 3). Inhalt des erläuternden Berichts (E. 4).

120 V 1 () from 26. Januar 1994
Regeste: Art. 8 Ziff. 1, Art. 12 und 14 EMRK, Art. 22 Abs. 1 AHVG. Der durch Heirat begründete Verlust von sozialversicherungsrechtlichen Rechten oder Vorteilen verletzt weder das Recht auf Familienleben im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK noch das Recht auf Heirat, welches von Art. 12 EMRK garantiert wird. In casu Ablösung der zwei einfachen Altersrenten durch eine Ehepaarrente nach Heirat (E. 2). Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 85 Abs. 2 lit. e AHVG. Öffentlichkeit der Verhandlung im Sozialversicherungsrecht. Vorschriften des Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf die Mündlichkeit. Zusammenfassung der diesbezüglichen Rechtsprechung in BGE 119 V 375. Im vorliegenden Fall waren die kantonalen Behörden nicht verpflichtet, eine Verhandlung anzusetzen (E. 3).

120 V 95 () from 25. April 1994
Regeste: Art. 11 IVG, Art. 23 IVV. Die Invalidenversicherung hat die Behandlungskosten im Rahmen von Art. 11 IVG vollumfänglich zu übernehmen, selbst wenn die Schädigung nur teilweise adäquat kausal auf eine Eingliederungsmassnahme zurückzuführen ist (Erw. 4). Art. 103 lit. b und 132 lit. c OG, Art. 4 Abs. 1 BV: reformatio in peius. Im Falle einer Behördenbeschwerde nach Art. 103 lit. b OG muss das beschwerdeführende Bundesamt nicht auf eine drohende Schlechterstellung aufmerksam gemacht werden (Bestätigung von BGE 120 V 89 Erw. 5).

120 V 214 () from 24. Mai 1994
Regeste: Art. 2 Abs. 2 Tarif über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem EVG. Die obsiegende Partei hat im Rahmen der "Kann-Vorschrift" von Art. 2 Abs. 2 des EVG-Tarifs vom 16.11.1992 grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Berücksichtigung des Streitwertes bei der Festsetzung der Parteientschädigung, wenn das Verfahren nicht Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat (Erw. 4b). Art. 12 VVRK, Art. 64 VwVG, Art. 8 Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren, Art. 2 Tarif über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem EVG. Im Verfahren vor der Eidg. Rekurskommission für die Spezialitätenliste ist die Entschädigung an die obsiegende Partei gemäss EVG-Tarif unter Berücksichtigung des Streitwertes zu bemessen. Lässt sich der Streitwert nicht ziffernmässig bestimmen, ist die Entschädigung unter Berücksichtigung der Wichtigkeit der Streitsache (einschliesslich des wirtschaftlichen Interesses an der Streitsache), ihrer Schwierigkeit sowie des Umfangs der Arbeitsleistung und des Zeitaufwands des Anwaltes frei zu bestimmen (Erw. 4b und 5).

120 V 224 () from 29. Juli 1994
Regeste: Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG. - Zur Abgrenzung der Bestimmungen von Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG (Erw. 2c). - Begriff des Vergehens gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG (Erw. 2d). Art. 37 Abs. 3 UVG, Art. 91 Abs. 1 SVG, Art. 12 StGB, Art. 263 StGB. Kürzung oder Verweigerung von Geldleistungen nach Unfällen, die sich beim Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand ereignet haben (Erw. 3). Art. 37 Abs. 3 UVG. - Art. 37 Abs. 3 UVG räumt kein Entschliessungsermessen in dem Sinne ein, dass der UVG-Versicherer frei darüber entscheiden könnte, ob eine Sanktion zu verfügen ist oder nicht (Erw. 4b). - Bestätigung der SUVA-Praxis, wonach bei Unfällen unter Alkoholeinfluss der Kürzungssatz vom Ausmass der Trunkenheit abhängig ist (Erw. 4c).

120 V 257 () from 3. November 1994
Regeste: Art. 3 Abs. 2 lit. c AHVG, Art. 33 Abs. 3 AHVG, Art. 55 Abs. 2 AHVV. Bei der Berechnung der einfachen Altersrente der Witwe sind im Rahmen von Variante II der Vergleichsrechnung nicht nur die eigenen Erwerbseinkommen und Beitragszeiten vor der Ehe, sondern auch diejenigen nach der Verwitwung in die Berechnung einzubeziehen (Änderung der Rechtsprechung).

120 V 312 () from 14. September 1994
Regeste: Art. 4 Abs. 2 BV, Art. 49 Abs. 2 BVG. Im Rahmen der weitergehenden beruflichen Vorsorge einer privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtung besteht kein Anspruch auf Witwerrente, wenn Reglement und Vorsorgevertrag einen solchen Anspruch nicht vorsehen.

120 V 319 () from 4. Juli 1994
Regeste: Art. 50 Abs. 3 BVG. - Gesetz im Sinne dieser Bestimmung meint ausschliesslich das im Zusammenhang mit der beruflichen Vorsorge erlassene Recht (Erw. 7a). Frage offengelassen, ob Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG auch dann angerufen werden kann, wenn sich die Rechtswidrigkeit einer Reglementsbestimmung ohne Rückgriff auf das BVG feststellen lässt (Erw. 7b). - Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG bezweckt die Ausserkraftsetzung zwingenden Rechts zugunsten gesetzeswidriger Reglementsbestimmungen. Dies ruft nach einer restriktiven Handhabung (Erw. 8d). Im Falle von Dauerleistungen heisst dies, dass die Leistungspflicht mit dem Wegfall des guten Glaubens ex nunc et pro futuro auflebt (Erw. 9a), dies ohne Rücksicht darauf, dass sich ihre Voraussetzungen zu einer Zeit verwirklichten, als die gesetzliche Ordnung suspendiert war (Erw. 9b). Damit ist dem Einwand der fehlenden Finanzierung Rechnung getragen (Erw. 9c). - Begriff des guten Glaubens (Erw. 10a). Stellt das Eidg. Versicherungsgericht die Gesetzeswidrigkeit einer Verordnungs- oder Reglementsbestimmung fest, entfällt der - zu vermutende (Erw. 5c) - gute Glaube einer am Verfahren nicht beteiligten Vorsorgeeinrichtung im Regelfall erst mit der Veröffentlichung des Urteils. In casu genügen hiefür die Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge, die den wesentlichen Urteilsgehalt vor der Publikation in der amtlichen Sammlung verbreiteten (Erw. 10b).

120 V 357 () from 24. August 1994
Regeste: Art. 68 Abs. 1 und Art. 96 UVG, Art. 19 VwVG, Art. 57 ff. BZP. Die nach Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 57 ff. BZP im Verwaltungsverfahren der SUVA für die Einholung von Sachverständigengutachten anwendbaren Regeln gelten sinngemäss auch für die nach Art. 68 Abs. 1 UVG zugelassenen Privatversicherer (Erw. 1c). Art. 19 VwVG, Art. 57 Abs. 2 BZP, Art. 58 Abs. 2 BZP, Art. 60 Abs. 2 BZP. Rechtsfolgen einer Verletzung der für die Einholung von Sachverständigengutachten im Verwaltungsverfahren der obligatorischen Unfallversicherung geltenden Vorschriften. Regeln bezüglich der Heilung von Verfahrensmängeln (Erw. 2a und b). Art. 58 Abs. 1 BZP, Art. 59 Abs. 1 BZP, Art. 23 OG, Art. 58 BV, Art. 4 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. - Für Sachverständige gelten grundsätzlich die gleichen Ausstands- und Ablehnungsgründe, wie sie für den Richter vorgesehen sind (Erw. 3a). - Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztgutachten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters ein strenger Massstab anzusetzen (Erw. 3b).

120 V 413 () from 23. November 1994
Regeste: Art. 4 BV, Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG: Überspitzter Formalismus. Es bedeutet keinen Verstoss gegen Art. 4 BV, wenn der kantonale Richter bei Einlegung eines Rechtsmittels auf der Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters besteht. Hingegen hat er bei fehlender gültiger Unterschrift eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen. Die Nachfristansetzung ist Ausdruck eines aus dem Verbot des überspitzten Formalismus fliessenden allgemeinen prozessualen Rechtsgrundsatzes, der auch im kantonalen Verfahren Geltung hat. Sodann ergibt sie sich aus der in Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG verankerten Minimalanforderung eines einfachen Verfahrens.

120 V 435 () from 9. August 1994
Regeste: Art. 66 Abs. 1 und 2 IVV (in Verbindung mit Art. 46 IVG). - Sofern es sich beim Versicherten um eine urteilsfähige Person handelt, ist zur Befreiung von der Schweigepflicht (Art. 66 Abs. 2 IVV), im Gegensatz zur Geltendmachung des Anspruchs (Art. 66 Abs. 1 IVV), ausschliesslich er selbst legitimiert. Dem revidierten Art. 66 IVV liegen Persönlichkeitsschutzüberlegungen zugrunde, so dass eine Legitimation Dritter unter allen Umständen ausser Betracht fällt. Rz. 1051 Abs. 2 des BSV-Kreisschreibens über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) ist bundesrechtswidrig (Erw. 2b und 3d). - Arztberichte über einen urteilsfähigen Versicherten, die ohne dessen Einwilligung zur Entbindung von der ärztlichen Geheimhaltungspflicht in das Abklärungsdossier der Invalidenversicherung gelangten, unterliegen einem von Amtes wegen zu beachtenden Beweisverwertungsverbot. Eine aus den Fallumständen abgeleitete, allein zugunsten der Verwaltung wirkende, stillschweigende Entbindung von der Geheimhaltungspflicht ist unzulässig. Das Beweisverwertungsverbot geht dem Schutz der Persönlichkeitsrechte durch Beschränkung der Akteneinsicht des anmelde- und beschwerdelegitimierten Dritten im Verwaltungsprozess vor (Erw. 3a, b und c).

120 V 445 () from 5. Dezember 1994
Regeste: Art. 11 BVG, Art. 49 Abs. 2 BVG: Anschlussvertrag. Auslegung der Kündigungsklausel eines Anschlussvertrages zwischen einer kantonalen Vorsorgeeinrichtung und einer Einwohnergemeinde, deren Wortlaut mit Bezug auf die Berechnung der Austrittsleistung unklar ist. Dabei kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen Vorsorgeeinrichtung und Arbeitgeber (durch Auflösung des Anschlussvertrages) keinen Freizügigkeitsfall im Sinne von Art. 27 Abs. 2 BVG und Art. 331a Abs. 1, 331b Abs. 1 OR darstellt (Erw. 5). Art. 4 BV: Verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz im Verhältnis zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts? - Sind die Rechtsbeziehungen zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (verwaltungs- oder privat-)vertraglicher Natur, besteht für die Anrufung des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes kein Raum. Denn es stehen sich zwei gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüber, deren Rechte und Pflichten sich in erster Linie aus Vertrag ergeben (Erw. 4b). - In casu Anwendbarkeit des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes verneint im Verhältnis zwischen einer kantonalen Vorsorgeeinrichtung und einer ihr berufsvorsorgerechtlich angeschlossenen Einwohnergemeinde (Erw. 4c und d).

120 V 455 () from 28. November 1994
Regeste: Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 28 und 33 KUVG, Art. 1 Abs. 1 des Bundesbeschlusses über befristete Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung, Art. 1 ff. Verordnung IX über die Krankenversicherung betreffend den Risikoausgleich unter den Krankenkassen. Da bereits der Bundesbeschluss in Art. 1 Abs. 1 den Grundsatz des vollen Risikoausgleichs statuiert, ist die Verordnung IX nicht gesetz- und verfassungswidrig, wenn diese die von einer Krankenkasse zu leistenden Ausgleichszahlungen nicht auf die Höhe der Bundesbeiträge begrenzt.

120 V 463 () from 7. Juni 1994
Regeste: Art. 12 Abs. 2 und 5 KUVG, Art. 21 Abs. 1 und 2 Vo III: Geschlechtsumwandlung. - Ist zur Behandlung bei echtem Transsexualismus ein chirurgischer Eingriff notwendig, gehören zur Pflichtleistung der Krankenkassen nicht nur die Entfernung von Geschlechtsorganen (BGE 114 V 153 und 162), sondern auch Vorkehren der plastischen und Wiederherstellungs-Chirurgie, durch welche die betreffende Person mit neuen Geschlechtsorganen versehen wird (Änderung der Rechtsprechung; Erw. 5). - Sind die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff erfüllt, gehören die ergänzenden Massnahmen zur Veränderung der sekundären Geschlechtsmerkmale ebenfalls zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen, sofern eine klare medizinische Indikation und die Wirtschaftlichkeit der Behandlung (Art. 23 KUVG) gegeben sind (Erw. 6).

121 I 22 () from 27. Januar 1995
Regeste: Gewaltentrennungsprinzip; Unzulässigkeit einer regierungsrätlichen Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium an der Universität Zürich (Zürcher Numerus clausus). Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend Zulassungsbeschränkungen zu öffentlichen Bildungseinrichtungen (E. 2). Auch eine zeitlich begrenzte Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium an der Universität Zürich bedarf einer Grundlage im formellen Gesetz; sie kann von der Exekutive grundsätzlich weder gestützt auf Vollzugskompetenzen (E. 4a) noch gestützt auf Polizeinotrecht (E. 4b) angeordnet werden.

121 I 42 () from 18. Januar 1995
Regeste: Art. 84 ff. OG; Anfechtbarkeit von Aufsichtsentscheiden mit staatsrechtlicher Beschwerde. Entscheide, mit welchen auf eine Aufsichtsbeschwerde nicht eingetreten, diese abgewiesen oder ihr keine Folge gegeben wird, sind nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar (E. 2a; Bestätigung der Rechtsprechung). Aufsichtsrechtlicher Charakter eines Verfahrens vor dem Freiburger Staatsrat, in dem der Gesuchsteller die Beseitigung der religiösen Symbole aus den Gerichtsräumen des Kantons Freiburg verlangte (E. 2b-e). Art. 84 ff. OG; Art. 49 BV; Rechtsschutz gegen die Ausstattung der Gerichtssäle mit Kruzifixen. Soweit nicht ein Rechtssatz angefochten wird, ist als Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde ein individuell-konkreter, den Beschwerdeführer persönlich treffender Akt erforderlich. Grundsätzliche Anfechtbarkeit des Entscheids, die Hauptverhandlung eines Ehescheidungsprozesses nicht in einem Saal ohne Kruzifix durchzuführen (E. 3).

121 I 49 () from 19. Januar 1995
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV; gleicher Lohn für gleiche Arbeit (Schaffhauser Primarlehrer). Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Lohnsystems für Primarschullehrer, das Gemeindezulagen von maximal 20 Prozent zu den Ansätzen des kantonalen Besoldungsdekrets ermöglicht (E. 3). Pflicht zur Vornahme einer analytischen Arbeitsplatzbewertung? (E. 4b); objektive Gründe, die eine ungleiche Besoldung von Primarlehrern einerseits und Orientierungsschullehrern andererseits zu rechtfertigen vermögen (E. 4c).

121 I 60 () from 3. April 1995
Regeste: Art. 4 BV, Art. 68 Abs. 1 SchKG und Art. 54 Abs. 2 GebVSchKG; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im Rechtsöffnungsverfahren. Der aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist grundsätzlich auch für das Rechtsöffnungsverfahren gewährleistet (Änderung der Rechtsprechung). Unter den allgemeinen Voraussetzungen ist der Gläubiger bzw. der Schuldner von der Pflicht befreit, einen Kostenvorschuss gemäss Art. 68 Abs. 1 SchKG und Art. 54 Abs. 2 GebVSchKG zu leisten.

121 I 75 () from 21. April 1995
Regeste: Art. 4 BV; Art. 46 Abs. 2 BV; Kinderalimente. Kinderalimente stehen im interkantonalen Verhältnis dem Wohnsitzkanton des Empfängers zur ausschliesslichen Besteuerung zu; selbst wenn dieser Kanton sie nicht besteuert, muss sie der Wohnsitzkanton des Verpflichteten zum Abzug von dessen steuerbarem Einkommen zulassen (E. 2). Im innerkantonalen Verhältnis steht es den Kantonen bis zur vollen Wirksamkeit des Steuerharmonisierungsgesetzes frei, die Kinderalimente beim Verpflichteten nicht zum Abzug zuzulassen (E. 3).

121 I 97 () from 18. April 1995
Regeste: Art. 4 BV, Art. 145 Abs. 2 ZGB; Aufteilung eines Fehlbetrages bei der Unterhaltsregelung im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen im Scheidungsverfahren. Eine Unterhaltsregelung für die Dauer des Scheidungsprozesses, die dem erwerbstätigen, unterhaltspflichtigen Ehegatten auf jeden Fall das betreibungsrechtliche Existenzminimum belässt und einen allfälligen Fehlbetrag einzig beim Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten berücksichtigt, ist nicht verfassungswidrig. Es liegt weder eine Verletzung des in Art. 4 Abs. 2 BV verankerten Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mann und Frau (E. 2) noch ein Verstoss gegen den allgemeinen Grundsatz der Rechtsgleichheit gemäss Art. 4 Abs. 1 BV vor (E. 3).

121 I 102 () from 10. Mai 1995
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV; unterschiedliche Entlöhnung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten an den Zürcher Berufsschulen. Die unterschiedliche Entlöhnung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten an den Zürcher Berufsschulen hält - auch soweit allgemeinbildende Fächer zur Diskussion stehen - mit Blick auf die Unterschiede in Funktion und Rechtsstellung der beiden Lehrerkategorien vor Art. 4 Abs. 1 BV stand (E. 4a-d). Anspruch auf besoldungsmässige Gleichbehandlung von Lehrbeauftragten mit den Hauptlehrern bei besonders langdauernden Lehrauftragsverhältnissen? (E. 4e).

121 I 108 () from 9. Juni 1995
Regeste: Art. 4 BV; Staatsvertrag von 1850/1855 mit den Vereinigten Staaten von Amerika (SR 0.142.113.361). Tragweite der Garantien des freien Zugangs zu den Gerichten und der Gleichbehandlung in bezug auf die Pflicht des im Ausland wohnhaften Klägers zur Sicherstellung der Parteikosten des Beklagten.

121 I 113 () from 17. Juli 1995
Regeste: Art. 4 BV und Art. 202 des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV); Entschädigung des amtlichen Verteidigers bei Aufhebung der Strafverfolgung. Willkürliche Anwendung von Art. 202 StrV, dem amtlichen Verteidiger eines obsiegenden Angeschuldigten lediglich 3/4 des entsprechenden Anwaltshonorars zuzusprechen.

121 I 117 () from 25. April 1995
Regeste: Art. 22ter BV, Art. 28 BauG/SG; Inhalt und Detaillierung von Gestaltungsplänen. 1. Voraussetzungen für Eigentumsbeschränkungen; Aufhebung eines Gestaltungsplanes als schwerer Eigentumseingriff (E. 3b). 2. Die Elemente eines Gestaltungsplanes ergeben sich primär aus seiner systematischen Stellung im Planungsgefüge; einzelne Planelemente. Bei Gestaltungsplänen, mit welchen in erheblichem Masse von der zonengemässen Nutzung abgewichen werden soll, dürfen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit des Planinhaltes gestellt werden (E. 4). 3. Planmängel rechtfertigen für sich alleine keine Aufhebung eines Gestaltungsplanes, wenn sie: - eine Frage betreffen, die noch im Baubewilligungsverfahren befriedigend gelöst werden kann; - nur untergeordnete Bedeutung haben; - ohne grösseren Aufwand klargestellt werden können (E. 5a). 4. Anforderungen an die Festlegung der Gebäudegrundrisse und der Dachgestaltung bzw. der Dachformen (E. 5b und 5c). 5. Das Fehlen von verbindlichen Vorschriften über die Gebäudehöhe, die Umgebungsgestaltung und die Erschliessung sind gravierende Planmängel, die im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nicht behoben werden können (E. 6).

121 I 129 () from 7. Juni 1995
Regeste: Art. 4 und 31 BV; Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen (Wettbewerbsneutralität staatlicher Massnahmen) im Zusammenhang mit einer fiskalischen Belastung von Taxihaltern. Rechtsnatur einer als Gebühr bezeichneten Abgabe, die die Benützung öffentlichen Bodens durch Taxis entgelten und gleichzeitig durch einen unterschiedlichen Gebührensatz Taxis mit Funkanschluss fördern soll (E. 3a). Ableitung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; Art. 31 BV bietet einen über Art. 4 BV hinausreichenden Schutz (E. 3b-d). Prüfung der fraglichen Gebührendifferenzierung auf Wettbewerbsneutralität beziehungsweise Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen (E. 4).

121 I 155 () from 27. Juni 1995
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Stimmrechtsbeschwerde gegen die Auslegung einer vom Volk beschlossenen Regelung. Aus dem Stimmrecht ergibt sich kein Anspruch darauf, dass eine vom Volk erlassene Regelung von den rechtsanwendenden Behörden nur in einem ganz bestimmten Sinne ausgelegt werde (E. 2a). Art. 48 der Zürcher Kantonsverfassung; Gemeindeautonomie. Die Zürcher Gemeinden besitzen im Bereich der Prozessführung Autonomie (E. 4). Aufsicht über die Gemeinden im Kanton Zürich. Der Regierungsrat kann die Gemeinden mit einer aufsichtsrechtlichen Weisung dazu anhalten, eine Gesetzesbestimmung strenger anzuwenden als bisher (E. 5b). § 155 des Zürcher Gemeindegesetzes; Zuständigkeit zum Entscheid über die Ergreifung von Rechtsmitteln in den Zürcher Gemeinden. Die Auslegung von § 155 des Zürcher Gemeindegesetzes, nach der über die Anfechtung eines Rechtsmittelentscheids stets das kommunale Legislativorgan entscheiden muss und eine Delegation dieser Kompetenz an das Exekutivorgan unzulässig ist, erscheint nicht als willkürlich (E. 6).

121 I 164 () from 4. August 1995
Regeste: Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Einschränkung des Rechts des Angeschuldigten auf freien Verkehr mit dem Verteidiger. Einem ausländischen Verteidiger darf in einem ausländischen Strafverfahren die Bewilligung für unbeaufsichtigte Besuche bei seinem in der Schweiz inhaftierten Mandanten nur verweigert werden, wenn eine konkrete Gefahr besteht, dass er seine Vertrauensstellung missbrauchen könnte.

121 I 196 () from 3. Mai 1995
Regeste: Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip, Verfahrenssprache in einem Strafverfahren, Art. 116 BV und Art. 21 KV/FR. Grundlagen und Tragweite der Sprachenfreiheit und des Territorialitätsprinzips nach dem Verfassungsrecht des Bundes und des Kantons Freiburg (E. 2). Sprachregelung in den kantonalen Verfahrensgesetzen (E. 3). Sprachenrechtliche Besonderheiten im Strafverfahren (E. 5a). Abwägung von Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip und der sich entgegenstehenden Interessen der beteiligten Parteien unterschiedlicher Sprache gestützt auf die konkreten Umstände (E. 5b-5d).

121 I 208 () from 21. Juni 1995
Regeste: Jugendliche in Untersuchungshaft, Anspruch auf einen Haftrichter? Art. 5 Ziff. 1 und Ziff. 3 EMRK. Jugendstrafverfahren des Kantons Basel-Stadt (E. 2); dieses sieht keinen obligatorischen Haftrichter vor (E. 3). Anforderungen aus Art. 5 Ziff. 3 EMRK (E. 4a). Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens (E. 4b). Die Untersuchungshaft fällt unter Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK; Jugendliche haben keinen Anspruch auf ein Verfahren im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 EMRK (E. 4c).

121 I 225 () from 13. September 1995
Regeste: Anwaltsprüfung; Akteneinsicht, Befangenheit der Prüfungsexpertin, Bewertung der Prüfungsarbeit (Art. 4 BV). Art. 4 BV gibt grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass bei Eignungsprüfungen ein Kandidat Einsicht in die Prüfungsunterlagen der anderen Kandidaten erhält, solange keine konkreten Anhalts- oder Verdachtspunkte vorgebracht werden, die auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen (E. 2). Ein Ablehnungsbegehren gegen einen Prüfungsexperten muss unverzüglich geltend gemacht werden, sobald der Ausstandsgrund bekannt ist (E. 3). Zurückhaltung des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Examensleistungen (E. 4).

121 I 230 () from 29. September 1995
Regeste: Legalitätsprinzip. Abgabe eines Honoraranteils aus privatärztlicher Tätigkeit von Belegärzten. Nach der Praxis zu Art. 4 BV besteht im Verfahren der Rechtsetzung kein Anspruch auf rechtliches Gehör; selbst wenn ein solcher Anspruch anzuerkennen wäre, könnten dafür nicht unbesehen die Grundsätze übernommen werden, die beim Erlass von Verfügungen gelten (E. 2). Die Honorarabgabe nach § 8 des zugerischen Spitalgesetzes ist eine kostenunabhängige Abgabe, die nicht dem Kostendeckungsprinzip unterliegt. Die formell-gesetzliche Grundlage, welche die Festsetzung der Höhe innerhalb des Maximums von 40% an den Regierungsrat delegiert, ist genügend bestimmt (E. 3).

121 I 245 () from 5. Juli 1995
Regeste: Art. 22ter BV; Zonenplanung. Planungsfehler; Nichtgenehmigung einer Einzonung von aufgefülltem Land, welches in absehbarer Zeit nicht anders als zu gewerblichen Zwecken genutzt werden wird. Planung und Wirklichkeit sind bei Bedarf in Übereinstimmung zu bringen; eine Einzonung kann aber auch in solchen Fällen nur in Frage kommen, wenn sie im Einklang mit den Planungszielen und -grundsätzen erfolgt (E. 6b). Ob ein Planungsfehler vorliegt, ist primär im Lichte der Richtplanung zu beurteilen (E. 6c-e/aa). Grundsätze für die Erweiterung des Baugebietes in einem nahezu unüberbauten Gebiet zwischen zwei Ortsteilen (E. 6e/bb). Möglichkeit der Festsetzung eines Gestaltungsplanes im Nichtbaugebiet? Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage; Bedeutung der Festlegungen in der Richtplanung; Voraussetzungen, unter welchen ein Gestaltungsplan im Nichtbaugebiet zum Zwecke der baulichen Sanierung festgesetzt werden könnte (E. 8).

121 I 252 () from 22. März 1995
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Pressekampagne des Regierungsrates für eine neue Strassenüberquerung des Genfer Seebeckens. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger und der Beschwerde betreffend die politische Stimmberechtigung (E. 1a und b). Die Regierung eines Kantons ist berechtigt, sich in der Phase der Ausarbeitung einer Vorlage, ausserhalb des Vorfeldes eines Urnenganges in die politische Diskussion einzuschalten; erst wenn sich der Zeitpunkt eines Volksentscheides nähert, muss sich die Regierung grundsätzlich jeder Einflussnahme auf die Stimmbürgerschaft enthalten (E. 2). Nach einer nicht ausformulierten Volksinitiative wird das Projekt für eine neue Strassenüberquerung oder -unterquerung des Seebeckens endgültig erarbeitet und der Volksabstimmung unterbreitet werden müssen. Die Projektstudien sind zur Zeit im Gang und der Regierungsrat wird sich zweifellos noch wiederholt zu diesem Thema äussern müssen, insbesondere vor dem Grossen Rat. Die Abstimmung folgt diesen Studien nicht unmittelbar und liegt noch in weiter Ferne. Unter diesen Umständen hat die Pressekampagne keinerlei direkten Einfluss auf den Abstimmungsausgang und verletzt das politische Stimmrecht nicht (E. 3).

121 I 267 () from 15. September 1995
Regeste: Art. 88 OG, Art. 11 Abs. 1 KV/BE; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Aus Art. 11 Abs. 1 der Verfassung vom 6. Juni 1993 des Kantons Bern, wonach jede Person ein Recht auf Schutz vor staatlicher Willkür hat, ergibt sich für sich allein kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 88 OG und damit insofern auch kein weitergehender Schutz als aus Art. 4 BV (E. 2 u. 3).

121 I 273 () from 5. September 1995
Regeste: Festsetzung von Universitätsgebühren durch Verordnung. Delegation der Rechtsetzungsbefugnis für die Festsetzung der Höhe von Universitätsgebühren an den Regierungsrat. Anforderungen an die gesetzliche Grundlage (E. 3). Das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip belassen im vorliegenden Fall dem Regierungsrat einen zu grossen Spielraum (E. 4). Zulässigkeit einer Erhöhung im Rahmen des gesamthaft über längere Zeit Üblichen und der Teuerung (E. 5).

121 I 279 () from 22. September 1995
Regeste: Art. 4 und 31 BV; Gleichbehandlung von Zirkusunternehmen bei der Zurverfügungstellung öffentlichen Grundes. Eintreten auf die staatsrechtliche Beschwerde trotz fehlenden aktuellen Rechtsschutzinteresses (E. 1). "Bedingter Anspruch" auf Bewilligung des gesteigerten Gemeingebrauchs. Einschränkung durch formell-gesetzliche Grundlage, die keine Kriterien für die Bewilligungserteilung enthält (E. 2). Zulässigkeit einer zurückhaltenden Bewilligungserteilung für Zirkusdarbietungen mit Rücksicht auf örtliche Verhältnisse (E. 3). Ableitung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; Art. 31 BV bietet einen über Art. 4 BV hinausreichenden Schutz bei der Regelung des gesteigerten Gemeingebrauchs (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 4). Direktes Konkurrenzverhältnis; verneint für das Verhältnis zwischen einem herkömmlichen Zirkus und einem Jugendzirkus (E. 5a). Zulässigkeit der Bevorzugung ortsansässiger Unternehmen hinsichtlich der Benützung öffentlicher Sachen, jedenfalls im Lichte von Art. 4 BV (E. 5c). Tragweite des Anspruchs auf Gleichbehandlung der Gewerbegenossen: keine absolute Gleichbehandlung, aber Pflicht zur Schaffung fairer Wettbewerbsverhältnisse (E. 6b). Berücksichtigung objektiver Unterschiede zwischen den Bewerbern; Zulässigkeit kulturpolitischer Anliegen; Unzulässigkeit gewerbe- oder wirtschaftspolitischer Überlegungen (E. 6c). Verhältnismässigkeit und Pflicht zur sachgemässen Interessenabwägung. Diese Pflicht ist verletzt, wenn ohne überzeugende Begründung direkte Konkurrenten im Verhältnis von 1 zu 5-6 ungleich behandelt werden (E. 6d/e).

121 I 314 () from 8. November 1995
Regeste: Art. 152 OG im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle. Art. 152 OG gilt grundsätzlich für alle vom Organisationsgesetz vorgesehenen Verfahren (E. 2). Wegen der Besonderheiten des Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle (E. 3) sind sowohl die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsanwalts (E. 4a) als auch die Kostenbefreiung (E. 4b) in der Regel ausgeschlossen. Keine Ausnahme im Falle von Ausländern, welche die Änderung der Zürcher Verordnung über die kantonalen Polizeigefängnisse im Hinblick auf die gemäss Zwangsmassnahmengesetz Inhaftierten anfechten (E. 5).

121 I 321 () from 22. November 1995
Regeste: Art. 4 BV; kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf unentgeltliche aussergerichtliche Rechtsberatung. Der aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung beschränkt sich auf die Vertretung im Prozess und beinhaltet keinen Anspruch auf ausserprozessuale Rechtsberatung.

121 I 334 () from 18. Dezember 1995
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Ungültigerklärung der Volksinitiative "Für eine Luft zum Atmen", welche kurzfristige kantonale Massnahmen zur Bekämpfung von zeitweilig auftretenden Schadstoff-Spitzen in der Luft vorsieht. Art. 4 BV räumt im Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich keine Gehörsansprüche ein (E. 1c). Grundsätze für die Beurteilung der Gültigkeit von Initiativen (E. 2). Problemstellung (E. 3) und Grundlagen kurzfristiger Massnahmen zur Smogbekämpfung (E. 4). Prüfung der Vereinbarkeit der einzelnen Massnahmen mit dem Bundesrecht: Aufruf an die Bevölkerung (E. 5), Fahrverbote (Fahrverbot für Fahrzeuge ohne Katalysator/Halbierung des Verkehrs/grundsätzliches Fahrverbot; E. 6), Herabsetzung der Raumtemperaturen (E. 7), Verpflichtung der Industrie zur Minimierung des Schadstoffausstosses (E. 8), Schutz der arbeitenden Bevölkerung (E. 9). Art. 12 Abs. 2 USG verbietet den Kantonen nicht, derartige Massnahmen auf gesetzgeberischem Weg zu lösen. Massnahmen nach Art. 3 Abs. 6 SVG sind dagegen durch Verfügungen zu treffen (E. 10). Verhältnismässigkeit der Massnahmen (E. 11). Tragweite des Verbots von Art. 65 Abs. 2 USG, neue Immissionsgrenzwerte festzusetzen (E. 12). Zusammenfassung (E. 14).

121 I 367 () from 27. Oktober 1995
Regeste: Recht auf Existenzsicherung. Das Recht auf Existenzsicherung ist durch ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes gewährleistet (E. 2a-c). Auf dieses Recht können sich auch Ausländer berufen, unabhängig davon, welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie haben (E. 2d). Entzug von Fürsorgeleistungen wegen Rechtsmissbrauchs? Fall ehemaliger Flüchtlinge, die sich weigern, in ihrem (früheren) Heimatstaat ein Gesuch um Wiedereinbürgerung zu stellen (E. 3).

121 I 379 () from 13. November 1995
Regeste: Disziplinarbusse (Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Eine Disziplinarbusse von Fr. 300.--, die einer Zürcher Beamtin gestützt auf § 4 des zürcherischen Gesetzes betreffend die Ordnungsstrafen von 1866 auferlegt wird, ist keine "strafrechtliche Anklage" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 3).

121 II 8 () from 24. Februar 1995
Regeste: Unterschutzstellung von Bahnbauten und Objekten auf Bahngrundstücken. Zulässiges Rechtsmittel (E. 1). Das eidgenössische Eisenbahngesetz schliesst nicht aus, dass Objekte auf Bahngrundstücken oder Bahnbauten selbst durch kantonalrechtliche Massnahmen unter Denkmal-, Altertums- oder Naturschutz gestellt werden. Allerdings bedingen solche Massnahmen eine umfassende Interessenabwägung und darf die Unterschutzstellung die Bahn in der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht unverhältnismässig einschränken (E. 2-6).

121 II 22 () from 11. Januar 1995
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG; Rechtsnatur des Führerausweisentzugs zu Warnzwecken, Öffentlichkeit des Verfahrens. Der Entzug des Führerausweises zu Warnzwecken ist ein Entscheid über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Der Betroffene hat daher Anspruch auf eine öffentliche mündliche Verhandlung.

121 II 29 () from 16. Januar 1995
Regeste: Art. 3 lit. e/bis VwVG; Art. 55bis Abs. 2 und 3 BV, Art. 4 und 5 RTVG; programmrechtliche Überprüfung des Beitrages "Mansour - Tod auf dem Schulhof" in der Sendung "10 vor 10" von Fernsehen DRS. Umfang der Prüfungsbefugnis der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen; Anspruch des Veranstalters auf rechtliches Gehör (E. 2). Ein nicht zeitgebundener, im Rahmen einer Informations- und Nachrichtensendung ausgestrahlter Dokumentarbericht, der keine klare Abgrenzung zwischen Tatsachen, Spekulationen und Ansichten des Journalisten erlaubt und der manipulativ wirkt, weil der Zuschauer sich kein eigenes Bild über die vermittelte Information machen kann, verstösst gegen Art. 4 RTVG (E. 3).

121 II 183 () from 19. Juni 1995
Regeste: Art. 55bis und Art. 36 BV; Art. 55 RTVG, Art. 101 Abs. 1 lit. a und lit. b RTVV; Zulässigkeit und Höhe der Radio- und Fernsehempfangsgebühren. Die Radio- und Fernsehempfangsgebühren sind als Regalabgaben unabhängig davon geschuldet, welche in- oder ausländischen Sender empfangen werden (E. 2 u. 3). Die zurzeit erhobenen Gebühren verletzen das Äquivalenzprinzip nicht (E. 4).

121 II 273 () from 7. Juli 1995
Regeste: Art. 6 EMRK; Art. 4 BV; Art. 89 Abs. 2 und 131 Abs. 1 BdBSt; Widerruf von Verfügungen; Auskunftspflicht im Steuerhinterziehungsverfahren; Unschuldsvermutung und Aussageverweigerungsrecht; Grundsatz "ne bis in idem". Der Widerruf von Veranlagungsverfügungen (Nachsteuerverfügungen) während laufender Rechtsmittelfrist ist zulässig (E. 1). Im Steuerhinterziehungsverfahren kann der Steuerpflichtige gestützt auf Art. 89 Abs. 2 BdBSt verpflichtet werden, Belege über die Herkunft der hinterzogenen Beträge vorzulegen; weigert er sich, so kann er nach Art. 131 Abs. 1 BdBSt gebüsst werden (E. 2). Diese Busse verletzt weder die Unschuldsvermutung noch das Recht, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen (E. 3). Der Grundsatz "ne bis in idem" schliesst nicht aus, dass der Steuerpflichtige, der wiederholten Aufforderungen zur Vorlage derselben Belege nicht nachkommt, jedesmal gebüsst wird (E. 4).

121 II 305 () from 8. August 1995
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG, Art. 4 und 22ter BV; Zinsenlauf für eine Entschädigung wegen materieller Enteignung. Wenn die für die Beurteilung von Beschwerden gegen Nutzungsplanungen zuständige Behörde ihren Entscheid über eine planerische Massnahme, die zu einer materiellen Enteignung führt, zu Unrecht verzögert, ist es gerechtfertigt, eine Verzinsung der Enteignungsentschädigung für die Dauer der Rechtsverzögerung zu gewähren.

121 III 6 () from 24. Januar 1995
Regeste: Begründung einer Mietzinserhöhung (Art. 269d OR; Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG). Die Mietzinserhöhung muss zwingend im amtlichen Formular begründet werden, und zwar so, dass sie den Anforderungen der qualifizierten Schriftform gerecht wird (E. 3a; Bestätigung der Rechtsprechung). Ist der Inhalt der Mitteilung nicht hinreichend präzis, so ist die Mietzinserhöhung nichtig (E. 3b). Wenn sich die Parteien nicht einig darüber sind, welcher Sinn den im Formular aufgeführten Erhöhungsgründen beizulegen ist, sind diese nach dem Vertrauensprinzip auszulegen; ob Verweise auf die gesetzlichen Erhöhungsgründe in einer Erhöhungsanzeige zuzulassen sind, kann deshalb nicht allgemein entschieden werden (E. 3c).

121 III 24 () from 17. Januar 1995
Regeste: Versteigerung von Stockwerkeinheiten; Schicksal von auf dem Gesamtgrundstück gelegenen Parkplätzen (Art. 133 ff. SchKG, Art. 36 ff. VZG, Art. 712a ff. ZGB). Die gemeinschaftlichen Teile eines zu Stockwerkeigentum ausgestalteten Grundstückes stehen nicht zwingend zur Verfügung sämtlicher Stockwerkeigentümer; denn das Reglement kann Abweichendes vorbehalten (E. 2a). Das Betreibungsamt darf das Lastenverzeichnis, wie es sich aus dem Grundbuchauszug ergibt, nicht abändern. In einer Betreibung auf Pfandverwertung, in der ja der zu verwertende Gegenstand von vornherein bestimmt ist, hat es die Zwangsverwertung auf diesen Gegenstand allein zu beschränken: vorliegend auf die Stockwerkeinheiten, unter Ausschluss der Parkplätze, die als persönliche Dienstbarkeiten zugunsten des Schuldners das Gesamtgrundstück belasten (E. 2b-d).

121 III 301 () from 11. August 1995
Regeste: Aufteilung eines allfälligen Fehlbetrages bei der Festsetzung des Unterhaltsbeitrages im Eheschutzverfahren (Art. 4 BV; Art. 159, 163, 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Eine Unterhaltsregelung gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, welche dem erwerbstätigen, unterhaltspflichtigen Ehegatten auf jeden Fall das betreibungsrechtliche Existenzminimum belässt und einen allfälligen Fehlbetrag einzig beim Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten berücksichtigt, ist nicht willkürlich (E. 5b).

121 III 331 () from 25. April 1995
Regeste: Art. 85 lit. c OG und Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Im Beschwerdeverfahren zulässige Rügen. Zulässigkeit der Rüge, der Schiedsentscheid beruhe auf einer offensichtlich falschen oder aktenwidrigen Feststellung, falls darin eine formelle Rechtsverweigerung liegt.

121 III 445 () from 22. November 1995
Regeste: Bauhandwerkerpfandrecht; Ersatzsicherheit (Art. 839 Abs. 3 ZGB), Verzugszinse (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB); Willkür. Die Ersatzsicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB muss die gleiche Deckung bieten wie das Bauhandwerkerpfandrecht. Mit Blick auf diese Bestimmung ist die Auffassung unhaltbar, beim Bauhandwerkerpfandrecht bestehe aufgrund von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB für Verzugszinse Sicherheit nur für 3 1/2 Jahre (E. 5a). Offengelassen wird die Frage des Gerichtsstandes bezüglich der Ersatzsicherheiten (E. 5b).

121 IV 317 () from 21. November 1995
Regeste: Art. 136 ff. OG; Revision eines Bundesgerichtsentscheides. Eintretensvoraussetzungen. Art. 137 lit. b OG; neue Tatsachen. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer auf diese Bestimmung gestützten Revision. Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG, Art. 270 Abs. 1 BStP, Art. 88 OG. Der angefochtene Strafentscheid kann sich nicht auf die Beurteilung einer Zivilforderung auswirken, wenn die Forderung zufolge Erfüllung der durch Vergleich eingegangenen Verpflichtungen nicht mehr besteht; das Opfer bzw. der Geschädigte ist daher nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG resp. Art. 270 Abs. 1 BStP legitimiert. In einem solchen Fall ist das Opfer bzw. der Geschädigte zur staatsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG resp. Art. 88 OG nur insoweit legitimiert, als darin die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommende Verletzung von Verfahrensrechten geltend gemacht wird (E. 3). Art. 31 Abs. 2 OG. Der Anwalt, der Tatsachen, welche für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation erheblich sind, verheimlicht, um für seine Mandanten günstige Entscheide zu erwirken, führt den Prozess im Sinne von Art. 31 Abs. 2 OG böswillig (E. 4).

121 IV 345 () from 28. November 1995
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. a, 103 lit. a, 104 lit. a OG; Vollzug einer Landesverweisung. Gegen die Vollzugsverfügung einer Landesverweisung steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen, mit der jedoch nur die Verletzung des Grundsatzes des "non-refoulement" gerügt werden kann; in diesem Rahmen sind verfassungsrechtliche Rügen zulässig (E. 1a). Schutzwürdiges aktuelles Interesse eines Betroffenen, der bereits aus der Schweiz verwiesen worden ist (E. 1b).

121 V 65 () from 6. Juli 1995
Regeste: Art. 4 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c, Art. 29 Abs. 1 AHVG, Art. 50 AHVV, Art. 14 Abs. 2 VFV. Anwendungsfall für den Grundsatz von Treu und Glauben bei fehlerhaftem Verhalten des zuständigen Schweizer Konsulats gegenüber einer in Brasilien lebenden nichterwerbstätigen Schweizer Witwe ohne eigene AHV-Beiträge.

121 V 71 () from 21. Juli 1995
Regeste: Art. 16 Abs. 1, Art. 29, 29bis und 30 AHVG, Art. 4 BV. - Bei der Schliessung von Beitragslücken gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben sind für die Anrechnung von zusätzlichen Einkommen die Einkommensverhältnisse in erster Linie so zu rekonstruieren, wie sie in den fraglichen Jahren geherrscht haben. - Auf den zusätzlich angerechneten Einkommen hat der Versicherte die entsprechenden Beiträge ohne Zins nachzuzahlen.

121 V 130 () from 16. August 1995
Regeste: Art. 20 Abs. 2 und Art. 40 UVG. - Komplementärrente gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG. Diese Bestimmung ist auf weibliche Versicherte nicht anwendbar, die an einer Ehepaarrente der AHV/IV teilhaben. - Bei Nichterfüllung der Voraussetzungen von Art. 31 Satz 2 UVV gelangen die Generalklausel des Art. 40 UVG und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Tragen.

121 V 137 () from 16. August 1995
Regeste: Art. 20 Abs. 2 und 3 UVG, Art. 31 UVV. Komplementärrente gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG. Diese Bestimmung ist auf weibliche Versicherte nicht anwendbar, die an einer Ehepaarrente der AHV/IV teilhaben. Gesetzmässigkeit von Art. 31 Satz 2 UVV bejaht.

121 V 150 () from 4. September 1995
Regeste: Art. 96 UVG, Art. 12 lit. d VwVG, Art. 56 Abs. 3 BZP in Verbindung mit Art. 19 VwVG, Art. 4 Abs. 1 BV: rechtliches Gehör. Zum Recht auf Teilnahme an einem Augenschein - in casu Durchführung von Schallimmissionsmessungen am Arbeitsplatz des Versicherten - im Verfahren der obligatorischen Unfallversicherung.

121 V 157 () from 15. Mai 1995
Regeste: Art. 23 Abs. 1, Art. 25 Abs. 3 aMVG: Rentenanpassung. Zur Anpassung rechtskräftig festgelegter altrechtlicher Renten der Militärversicherung.

121 V 229 () from 20. November 1995
Regeste: Art. 3 und 9 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Art. 3 und Art. 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte; Art. 21 Abs. 1 AHVG: Gleichbehandlung der Geschlechter. Geltungsbereich der Pakte betreffend Gleichbehandlung der Geschlechter in der Sozialversicherung (in casu: unterschiedliche Altersvoraussetzungen für den Anspruch auf eine Altersrente).

121 V 246 () from 20. Juli 1995
Regeste: Art. 2 Abs. 2 und Art. 9 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966, in Kraft getreten für die Schweiz am 18. September 1992. Rechtsnatur der im Pakt verkündeten Rechte. Tragweite der obenerwähnten Vorschriften im Rahmen der schweizerischen Sozialversicherungen, insbesondere im Hinblick auf die zeitlichen Anforderungen an die Beitragsdauer und den zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz als Voraussetzungen für den Anspruch auf eine ordentliche Invalidenrente für Ausländer.

121 V 284 () from 22. November 1995
Regeste: Art. 2 Abs. 1 lit. a, Art. 14 Abs. 1 KUVG: Wartezeit bei Mutterschaft. Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Freiburg über die obligatorische Krankenversicherung, wonach die Aufnahme in die Krankenkasse im Bereich der obligatorischen Minimalleistungen ohne Wartezeit zu erfolgen hat, ist nicht bundesrechtswidrig.

122 I 5 () from 14. Februar 1996
Regeste: Art. 4 BV; Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege während des Prozesses. Der in der Sache selbst angerufene zweitinstanzliche Richter darf prüfen, ob die zu Beginn des Prozesses bejahte Bedürftigkeit bestand oder noch besteht, und dem Gesuchsteller für den Fall, dass er die Verfahrenskosten selbst bezahlen kann, die unentgeltliche Rechtspflege für das weitere Verfahren entziehen (E. 4).

122 I 8 () from 8. März 1996
Regeste: Art. 4 BV, Art. 67 f. GebVSchKG; unentgeltliche Rechtspflege im SchKG-Beschwerdeverfahren. Der aus Art. 4 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung kann im SchKG-Beschwerdeverfahren nicht grundsätzlich mit dem Hinweis ausgeschlossen werden, gemäss Art. 67 f. GebVSchKG würden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen zugesprochen. Soweit das SchKG-Beschwerdeverfahren der Offizialmaxime untersteht, ist jedoch die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes in aller Regel nicht erforderlich.

122 I 18 () from 19. März 1996
Regeste: Art. 4 und 58 BV, Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Zürcher Gesetzesänderungen betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung; abstrakte Normenkontrolle. § 5a der Zürcher Zivilprozessordnung (ZPO), wonach der Richter am Ort der Anstalt zur Behandlung eines Gesuchs um gerichtliche Beurteilung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung zuständig ist, verletzt Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 58 BV und Art. 4 BV nicht (E. 2b/aa-cc). Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, wenn nach dem kantonalen Recht die Berufung auch gegen einen den Freiheitsentzug aufhebenden Entscheid des Einzelrichters zulässig ist (E. 2c/aa). Die Vorschrift von § 203e Abs. 2 Ziff. 4 ZPO, die den Kreis der Verfahrensbeteiligten gegenüber dem Bundesrecht einschränkt, verletzt Art. 2 ÜbBest. BV (E. 2c/bb). Die zürcherische Regelung des Berufungsverfahrens ist mit Art. 397f Abs. 1 ZGB und Art. 5 Ziff. 4 EMRK vereinbar (E. 2d).

122 I 36 () from 6. Februar 1996
Regeste: Art. 6 EMRK und 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK; kantonale Rechtsmittel gegen ein Abwesenheitsurteil. Eine kantonale Regelung, die gegen ein verurteilendes Abwesenheitsurteil einzig die Aufhebung oder die Revision vorsieht, und welche die Möglichkeit, das Urteil mit einer Beschwerde bei einer zweiten Instanz anzufechten, ausschliesst, verletzt weder die EMRK noch das Protokoll Nr. 7 zur EMRK.

122 I 39 () from 11. Januar 1996
Regeste: Art. 87 OG: Beschwerde gegen die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfrage in einem Zwischenentscheid. Der Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen in einem Entscheid, mit welchem die Sache zu neuer Entscheidung an eine untere Instanz zurückgewiesen wird, stellt seinerseits einen Zwischenentscheid dar, der grundsätzlich keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Er kann vor Bundesgericht erst nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs angefochten werden, zusammen mit dem (neuen) Entscheid in der Sache selber oder für sich allein, wenn das rechtlich geschützte Interesse des Betroffenen in der Sache selber im Laufe des kantonalen Verfahrens dahinfallen sollte (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1).

122 I 44 () from 7. März 1996
Regeste: Art. 84 Abs. 1 und Art. 88 OG; Anfechtbarkeit fremdenpolizeilicher Richtlinien. Eine Verwaltungsverordnung ist mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar, wenn sie Aussenwirkungen entfaltet und keine förmliche Verfügung ergeht, die der Betroffene wirksam und zumutbar anfechten könnte (E. 2). Weder aus Art. 8 BVO noch aus Art. 4 BV (Willkür, Vertrauensschutz) oder Art. 31 BV ergibt sich ein rechtlich geschütztes Interesse, um eine verwaltungsinterne Regelung anzufechten, die Aufenthaltsbewilligungen für Tänzer und Tänzerinnen in Nachtclubs oder ähnlichen Lokalen, deren Darbietungen der erotischen Unterhaltung dienen, nur noch für Angehörige von EU- oder EFTA-Staaten vorsieht (E. 3).

122 I 49 () from 27. Februar 1996
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im Ausschaffungshaft-Verfahren. Analogie zur Verbeiständung im Strafverfahren und im Haftprüfungsverfahren bei Untersuchungshaft sowie bei Auslieferungshaft (E. 2c). Einem in Ausschaffungshaft genommenen bedürftigen Ausländer darf der unentgeltliche Rechtsbeistand zumindest im Haftverlängerungsverfahren nicht verweigert werden (E. 2c u. d).

122 I 53 () from 20. März 1996
Regeste: Art. 4 BV; rechtliches Gehör. Es genügt der Verfassung, wenn die Eltern zum Ergebnis des Gesprächs, das der Richter im Verfahren nach Art. 145 ZGB von sich aus und unter vier Augen mit ihrem Kind geführt hat, vor dem Entscheid über die Kinderzuteilung Stellung nehmen können (E. 4a). Die Einzelheiten des Gesprächsinhalts müssen den Eltern nicht zugänglich gemacht werden (E. 4c). Daher ist auch ein Protokoll überflüssig (E. 5).

122 I 81 () from 25. März 1996
Regeste: Art. 2 übBest. BV; Art. 57 Abs. 5 OG, Art. 688 ZGB, Art. 64 und 65 des Genfer Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch (EGZGB); Grundsatz, wonach die staatsrechtliche Beschwerde vorweg zu prüfen ist, Abstand der Anpflanzungen. In der staatsrechtlichen Beschwerde ist vorfrageweise zu prüfen, welches Recht - Bundesrecht oder kantonales Recht - auf die Sanktion der Bestimmungen anwendbar ist, welche die Kantone in Anwendung von Art. 688 ZGB zum Abstand der Anpflanzungen erlassen haben (E. 1). Art. 688 ZGB enthält einen echten, zuteilenden Vorbehalt im Sinne von Art. 5 ZGB, der die Kantone nicht nur dazu berechtigt, die Abstände festzulegen, welche die Eigentümer für die Anpflanzungen einzuhalten haben; vielmehr gibt er ihnen ausserdem das Recht, Sanktionen für die Verletzung der Bestimmungen vorzusehen, die sie auf diesem Gebiet erlassen (E. 2).

122 I 85 () from 11. Juni 1996
Regeste: Art. 64bis Abs. 2 BV und Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 355 Abs. 2 StGB; Art. 4 des Konkordats über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen vom 5. November 1992 (SR 351.71). Gemäss Art. 4 in Verbindung mit Art. 3 des Konkordats kann eine mit einer Strafsache befasste Untersuchungsbehörde in Anwendung des Verfahrensrechts ihres Kantons eine Prozesshandlung direkt in einem anderen Kanton durchführen. Nach Art. 64bis Abs. 2 BV und den Zielen des Konkordats kann dieses die in Art. 355 Abs. 2 StGB festgelegte Regel "locus regit actum" brechen, ohne den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts zu verletzen (E. 3).

122 I 90 () from 21. Dezember 1995
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur Verbandsbeschwerde. Voraussetzungen der Verbandsbeschwerde. Die vom Beschwerdeführer vertretenen Interessen legitimieren ihn nicht zur Verbandsbeschwerde, da die angefochtenen kantonalen Bestimmungen keine Anwendung finden auf Personal, dessen Schutz abschliessend durch das Arbeitsgesetz sichergestellt ist (E. 2c).

122 I 101 () from 24. Mai 1996
Regeste: Anspruch auf Steuerbefreiung im Umfang des Rechts auf Existenzsicherung? Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; Rechtsgleichheit im Steuerrecht. Art. 4 BV; Art. 11 Abs. 1 des Paktes vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Art. 7 Abs. 4 lit. k des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG). Art. 11 Abs. 1 des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte begründet keine subjektiven Rechte des Einzelnen (E. 2a). Anspruch auf Steuerbefreiung im Umfang des bundesverfassungsrechtlichen Anspruchs auf Existenzsicherung? (E. 2b und 3). Vorliegend ist der Anspruch jedenfalls nicht verletzt (E. 4). Die Rechtsgleichheit gibt keinen Anspruch auf Steuerbefreiung von Einkünften bis zur Höhe der (gemäss Art. 7 Abs. 4 lit. k StHG steuerbefreiten) Leistungen aufgrund der Bundesgesetzgebung über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (E. 5).

122 I 139 () from 3. Mai 1996
Regeste: Art. 4 BV; Art. 2 ÜbBest. BV; Eröffnung von Veranlagungsverfügungen gegenüber Ehegatten; Solidarhaftung der Ehegatten für die Gesamtsteuer. Mit der Zustellung an die gemeinsame Adresse der Ehegatten ist die Veranlagungsverfügung gegenüber beiden Ehegatten eröffnet (E. 1). Kein verfassungsmässiger Anspruch der in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten auf individuelle Eröffnung der Veranlagung (E. 2). Die solidarische Haftung der in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten für die Gesamtsteuer gemäss Art. 5 Abs. 4 des Steuergesetzes des Kantons Appenzell A.Rh. verstösst nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (E. 4).

122 I 153 () from 19. Juni 1996
Regeste: Art. 4 BV, Einsicht in Psychiatrie-Krankengeschichte, Datenschutz. Das Patientenverhältnis in der Psychiatrischen Klinik Schlössli ist in bezug auf den Datenschutz öffentlichrechtlicher Natur. Es findet nicht das eidgenössische Datenschutzgesetz, sondern das kantonale Recht Anwendung (E. 2). Es sind keine Anzeichen für eine Unvollständigkeit der Krankengeschichte ersichtlich (E. 4). Das Abdecken der Informationen in der Krankengeschichte, die von Personen ausserhalb der Klinik stammen, hält vor dem kantonalen Recht stand (E. 5). Der nach Art. 4 BV garantierte Anspruch auf Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens hängt von einem schutzwürdigen Interesse und von einer umfassenden Abwägung der entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen ab (E. 6a). In Würdigung aller Umstände überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse am Abdecken der Informationen von nicht zur Klinik stammenden Personen (E. 6b-6d).

122 I 168 () from 24. Juni 1996
Regeste: Art. 84 ff., Art. 88 OG; Art. 22ter BV. Enteignung eines Streifens Bauland für die Erstellung einer Strasse, Bestimmung der Enteignungsentschädigung. Veräusserung der streitbetroffenen Parzelle während des enteignungsrechtlichen Schätzungsverfahrens; Bedeutung für die Legitimation des Verkäufers und des Käufers zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG; E. 1). Umfang der Überprüfung eines angefochtenen Entscheides; Kognition des Bundesgerichtes bei der Überprüfung einer Enteignungsentschädigung (E. 2). Methoden zur Bestimmung der Enteignungsentschädigung; Vorrang der Vergleichsmethode (statistische Methode; E. 3a). Besteht eine bestimmte Wohnzone nur aus einer kleinen Anzahl Grundstücke, können für die Festsetzung der Enteignungsentschädigung Vergleichspreise herangezogen werden, welche für Parzellen in anderen Wohnzonen bezahlt werden; Ausgleich der unterschiedlichen (auch planerischen) Beschaffenheiten der in Betracht kommenden Liegenschaften durch Auf- und Abschläge (E. 3b). Blosse Offerten, Verhandlungspreise oder Verkaufspreise unter Miteigentümern des enteigneten Grundstücks stellen keine zu berücksichtigenden Vergleichspreise dar, wenn sie wesentlich vom Ansprecher der Enteignungsentschädigung mitbestimmt worden sind (E. 3c). Bei einer Teilenteignung (Enteignung von Vorgartenland) kann vom Verkehrswert ein Abzug gemacht werden, wenn auf dem Restgrundstück die gleiche bauliche Nutzung möglich ist, wie sie vor der Enteignung für die ganze Parzelle galt (E. 4).

122 I 182 () from 2. Mai 1996
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Gesprächen eines Mitbenützers des überwachten Anschlusses, Zeugnisverweigerungsrecht. Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 EMRK garantieren das Telefongeheimnis; Zulässigkeit von Einschränkungen (E. 3a). Der Gesprächspartner eines abgehörten Verdächtigten und der Mitbenützer eines überwachten Anschlusses geniessen einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz; sie können verlangen, dass die Abhörung nachträglich auf ihre Rechtmässigkeit hin geprüft und die Telefongespräche nicht bekanntgegeben und verwendet werden (E. 3b und 4b). Die Zulässigkeit der Abhörung des Mitbenützers eines überwachten Anschlusses und der Verwendung der erfassten Gespräche sind vom Richter auf Begehren hin bereits während der Untersuchung zu prüfen (E. 4c). Die Telefonabhörung des Mitbenützers eines überwachten Anschlusses und die Verwendung der Gespräche als Zufallsfunde halten im vorliegenden Fall vor Verfassung und Konvention stand; die Voraussetzung des vorherigen Verdachtes entfällt bei Zufallsfunden (E. 5). Die rechtmässig überwachte Person kann sich nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft und ihr Schweigerecht als Angeschuldigte berufen (E. 6).

122 I 203 () from 13. August 1996
Regeste: Art. 4 BV. Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Aus Art. 4 BV ergibt sich grundsätzlich kein Anspruch auf rückwirkende Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für Kosten, die bereits vor der Einreichung des Armenrechtsgesuchs entstanden sind.

122 I 257 () from 24. September 1996
Regeste: Art. 4 BV; Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK; Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II; Grundsatz "ne bis in idem"; Verhältnis von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Grundlagen und Bedeutung des Grundsatzes "ne bis in idem" (E. 3). Substitution von Motiven durch das Bundesgericht (E. 5). Zwischen dem Tatbestand der Steuerhinterziehung und dem Tatbestand des Steuerbetrugs besteht Idealkonkurrenz (Änderung der Rechtsprechung). Kein Verstoss gegen den Grundsatz "ne bis in idem" bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung im Anschluss an eine solche wegen Steuerbetrugs (E. 5-7). Berücksichtigung der für den Steuerbetrug ausgesprochenen Strafe bei der Bemessung der Hinterziehungsbusse (E. 8).

122 I 267 () from 18. Oktober 1996
Regeste: Art. 4 BV; Art. 84 Abs. 2, 88 und 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bei Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an eine Ausländerin und ihre Kinder, die im Familiennachzug in die Schweiz gelangt sind und nunmehr getrennt von ihrem Ehemann bzw. Vater leben. Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Hauptsache und damit auch für die Frage der unentgeltlichen Prozessführung; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde im Hinblick auf den Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung als Parteirecht (E. 1). Voraussetzungen des aus Art. 4 BV abgeleiteten Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung (E. 2). Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Beschwerde im Zusammenhang mit einem Bewilligungsverfahren, in der die zuständige Behörde über freies Ermessen verfügte (E. 3).

122 I 275 () from 13. November 1996
Regeste: Art. 4 BV, Art. 13c Abs. 2 ANAG; Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung bei der erstmaligen richterlichen Prüfung der Ausschaffungshaft. Ob im Haftprüfungsverfahren nach Art. 13c Abs. 2 ANAG einem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zu entsprechen ist, beurteilt sich aufgrund der konkreten Umstände (E. 3a u. b). Notwendigkeit im konkreten Fall verneint (E. 3c).

122 I 279 () from 11. Oktober 1996
Regeste: Art. 4 und Art. 37 Abs. 2 BV, persönliche Freiheit; Gemeindeautonomie; Zulässigkeit von Parkierungsgebühren. Art. 37 Abs. 2 BV gewährleistet die Gebührenfreiheit nur für den Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs und der Zweckbestimmung der öffentlichen Fläche (E. 2a-c). Für ein nicht mehr gemeinverträgliches Parkieren dürfen Gebühren verlangt werden, unabhängig davon, ob in der Nähe unentgeltliche Parkplätze zur Verfügung stehen (Änderung der Rechtsprechung) (E. 2d). In städtischen Gebieten kann ein Parkieren von mehr als 30 Minuten als gebührenpflichtiger gesteigerter Gemeingebrauch betrachtet werden (E. 2e). Parkierungsgebühren berühren die persönliche Freiheit nicht (E. 3). Es verletzt die Rechtsgleichheit nicht, wenn Parkierungsgebühren nur für einige zusammenhängende Gebiete einer Stadt eingeführt werden (E. 5). Die Zürcher Parkierungsgebühr verletzt das Äquivalenzprinzip nicht (E. 6). Der Regierungsrat verletzt die Autonomie der Stadt Zürich, wenn er die Umschreibung des örtlichen Geltungsbereichs der Parkierungsgebühr wegen angeblicher Verletzung der Rechtsgleichheit aufhebt (E. 8).

122 I 294 () from 27. September 1996
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Streitigkeit über "zivilrechtliche Ansprüche" in der Nutzungsplanung. Ist im Rahmen der Nutzungsplanung umstritten, ob ein Gebot zur Einzonung bestimmter Flächen in die Bauzone besteht, so handelt es sich dabei um eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 3e). Das Berner Verwaltungsgericht ist verpflichtet, auf eine Beschwerde gegen eine Nichteinzonung einzutreten (E. 4).

122 I 305 () from 18. Oktober 1996
Regeste: Art. 4 BV; Art. 1 Ziff. XVII des Steuerbeschlusses für 1996: jährliche Steuer auf Gebäuden als Feuerschutzabgabe. Die strittige Abgabe ist eine (spezielle) Kostenanlastungssteuer, die folglich den strengen verfassungsmässigen Anforderungen an Steuern genügen muss (E. 3 und 4). Sie stützt sich auf eine genügende gesetzliche Grundlage, soweit diese durch den kommunalen Gesetzgeber aufgrund einer im kantonalen Gesetz vorgesehenen und nach der Verfassung des Kantons Waadt zulässigen Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen erlassen worden ist (E. 5). Die gesetzliche Regelung dieser Steuer verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit, soweit einzig Grundeigentümer steuerpflichtig sind, bestimmte Eigentümer ohne objektiven Grund von der Steuerpflicht befreit werden und die mit dieser Steuer zu finanzierenden Aufgaben und Auslagen nicht genau bestimmt sind (E. 6).

122 I 322 () from 7. November 1996
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege bzw. Verbeiständung im Verfahren der Verwaltungsbeschwerde. Art. 4 BV verlangt, dass der Anwalt einer unentgeltlich verbeiständeten Partei vom Staat entschädigt wird, wenn bei Obsiegen die kostenpflichtige Gegenpartei nicht mit Erfolg belangt werden kann. Entsprechend darf ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung nicht schon deshalb abgewiesen werden, weil eine Parteientschädigung zu Lasten des Prozessgegners zugesprochen wird (E. 2 und 3).

122 I 328 () from 20. November 1996
Regeste: Art. 4 BV; Ansprüche aus öffentlichrechtlichem Vertrag. Rechtsweg (E. 1); Kognition des Bundesgerichts (E. 3); Vorliegen einer vertraglichen Garantie der Gemeinde (E. 4)? Verletzung der allgemeinen Vertragspflicht zu loyalem Verhalten, insbesondere zur Abwendung von Schäden aller Art (E. 5)? Entschädigungsanspruch unmittelbar aus dem Vertrauensschutzprinzip gemäss Art. 4 BV? Soweit das Vertrauen in einem Vertragsverhältnis gründet, wird sein Schutz durch das Vertragsrecht gewährleistet; für einen direkten Rückgriff auf Art. 4 BV bleibt grundsätzlich kein Raum (E. 7c). Der Beschwerdeführer kann dagegen mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend machen, das kantonale Recht (einschliesslich der analog herangezogenen Bestimmungen des Bundeszivilrechts) oder dessen Handhabung trage den besonderen Verhältnissen des öffentlichrechtlichen Vertrags und dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz nicht hinreichend Rechnung (E. 7d).

122 I 343 () from 12. November 1996
Regeste: Art. 4 BV, Art. 2 ÜbBest. BV; Prämienverbilligung für Saisonniers und Kurzaufenthalter. Art. 65 KVG verlangt nicht, dass von Bundesrechts wegen alle obligatorisch Versicherten ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Aufenthalts und die Intensität ihrer Beziehung zur Schweiz in den persönlichen Geltungsbereich der Prämienverbilligung fallen (E. 3). Es verstösst weder gegen Art. 65 KVG noch gegen Art. 4 BV, Saisonniers und Kurzaufenthalter von der Prämienverbilligung auszuschliessen (E. 4).

122 I 351 () from 16. Dezember 1996
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 836 ZGB; kantonales Steuerpfandrecht für Liquidationsgewinnsteuer. Die Frage der Vereinbarkeit eines kantonalen Steuerpfandrechts mit dem Bundeszivilrecht ist keine Zivilrechtsstreitigkeit; daher ist nicht die Berufung, sondern die staatsrechtliche Beschwerde zulässig (Klarstellung der schwankenden Rechtsprechung) (E. 1). Ein Steuerpfandrecht zur Sicherung der Liquidationsgewinnsteuer ist insoweit zulässig, als der Liquidationsgewinn auf eine Wertsteigerung des Grundstücks zurückgeht, nicht aber, soweit er auf andere Faktoren zurückzuführen ist (Präzisierung der Praxis) (E. 2).

122 I 370 () from 13. August 1996
Regeste: Art. 180 Abs. 3 IPRG; Ablehnung eines Schiedsrichters in einem internationalen Schiedsverfahren; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. Ein nach Art. 180 Abs. 3 IPRG ergangener Entscheid eines kantonalen Gerichts kann nicht selbständig mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.

122 I 373 () from 20. Dezember 1996
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Nach § 123 des zürcherischen Gesetzes vom 8. Juli 1951 über die direkten Steuern, wonach die Steuer in bestimmten Härtefällen erlassen werden kann, besteht kein rechtlich geschützter Anspruch auf einen Steuererlass. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann demnach nicht geltend gemacht werden, die Verweigerung des Steuererlasses sei materiell willkürlich (E. 1).

122 II 65 () from 18. März 1996
Regeste: Art. 21 USG, Art. 32-35 LSV; Schutz von neuen Gebäuden gegen Innenlärm, Begriff des Störers. Prüfung der Lärmsituation im Gebäudeinnern mittels Lärmmessungen durch die Vollzugsbehörde (E. 3c und 5). Eine Baufreigabeverfügung steht einer nachträglichen Lärmprüfung nach Art. 35 LSV nicht entgegen (E. 4). Nicht nur der Bauherr, sondern sämtliche Störer sind zur Duldung der Prüfung nach Art. 35 LSV verpflichtet (E. 6).

122 II 113 () from 16. April 1996
Regeste: Art. 18 Abs. 2 und 25 Abs. 1 ANAG sowie Art. 13 lit. h und 28 Abs. 1 lit. a und b BVO; Umwandlung der Saison- in eine Jahresbewilligung; übergangsrechtliche Wirkungen der Änderung der Begrenzungsverordnung vom 19. Oktober 1994. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). Bedeutung sowie Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Neuregelung der Umwandlungsvoraussetzungen; insbes. müssen die vom Umwandlungsstopp betroffenen Ausländer die Umwandlungsvoraussetzungen per 31. Dezember 1994 erfüllen (E. 2). Übergangsrecht beim Wechsel von der alten zur neuen Ordnung: Ein Überhang der Saisontätigkeit ins Jahre 1995 kann nicht auf die erforderliche Anwesenheitsdauer gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. a BVO angerechnet werden; weder weist die Begrenzungsverordnung insofern eine echte Lücke auf, noch verstösst sie gegen das Rechtsgleichheitsgebot oder den Grundsatz von Treu und Glauben, noch wirkt sie in unzulässiger Weise zurück (E. 3). Die Neuregelung bewirkt bei den vom Umwandlungsstopp betroffenen Ausländern nicht generell einen Härtefall; ein solcher kann aber dann vorliegen, wenn der Überhang ins Jahr 1995 nur ganz kurz ausfällt; Voraussetzungen im vorliegenden Fall verneint (E. 4).

122 II 154 () from 10. Juli 1996
Regeste: Art. 13b, 13c Abs. 2 und 13d Abs. 1 ANAG; Ausschaffungshaft. Die Haftanordnung ist durch die richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu prüfen; Art. 13c Abs. 2 ANAG erklärt die mündliche Verhandlung obligatorisch, und der Ausländer kann darauf nicht verzichten (E. 2a und b). Beizug eines Rechtsvertreters im Haftprüfungsverfahren (E. 2c). Die Verletzung von für die Wahrung der Rechte des Betroffenen wesentlichen Verfahrensvorschriften führt zur Haftentlassung, es sei denn, es liegen genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gefährden könnte. In concreto Haftentlassung abgelehnt (E. 3).

122 II 211 () from 30. Mai 1996
Regeste: Genugtuung und Entschädigung. Art. 11 ff. OHG. Die Sistierung des Entschädigungs- und Genugtuungsverfahrens als anfechtbarer Zwischenentscheid (E. 1c). Zulässigkeit der Sistierung des Entschädigungs- und Genugtuungsverfahrens bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Strafurteils (E. 2 und 3). Kostenlosigkeit des Verfahrens nach Art. 11 ff. OHG auch vor der kantonalen Beschwerdeinstanz (Art. 17 OHG) und vor Bundesgericht; vorbehalten bleibt eine Kostenauflage bei leichtsinniger oder mutwilliger Prozessführung (E. 4).

122 II 241 () from 17. Juni 1996
Regeste: Art. 4 und Art. 41ter Abs. 2 BV, Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 2 MWSTV; Art. 443 ff. des Genfer Steuergesetzes vom 9. November 1887 ("droit des pauvres"). Kantonale Steuern werden grundsätzlich ausschliesslich gestützt auf selbständiges kantonales Recht erhoben. Eine Verletzung von Bundesrecht kann nur mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts geltend gemacht werden (E. 2a). Vereinbarkeit der Art. 443 ff. des Genfer Steuergesetzes ("droit des pauvres") mit Art. 41ter Abs. 2 BV und Art. 2 der Verordnung über die Mehrwertsteuer (MWSTV): Art. 2 MWSTV hat im Verhältnis zu Art. 41ter Abs. 2 BV keine selbständige Bedeutung. Eine Verletzung jener Bestimmung fällt in den Anwendungsbereich von Art. 2 ÜbBest. BV; sie kann nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn sich die angefochtene Verfügung auf selbständiges kantonales Recht und nicht auf Bundesverwaltungsrecht stützt (E. 2b). Bei Streitigkeiten über die Befreiung von kantonalen Abgaben ist die verwaltungsrechtliche Klage nicht (mehr) zulässig. Der Verweis in Art. 2 MWSTV auf Art. 116 OG betrifft nur Streitigkeiten zwischen Behörden (E. 2c).

122 II 274 () from 19. Juni 1996
Regeste: Art. 84 ff., Art. 97 ff. OG; Abgrenzung Verwaltungsgerichtsbeschwerde - staatsrechtliche Beschwerde. 1. Rechtsmittelweg in bezug auf die kantonalrechtliche Kostenverlegung (E. 1b). Art. 2 Abs. 4 WaG, Art. 1 WaV; Waldfeststellung, Waldeigenschaften. 2. Zweck des Waldfeststellungsverfahrens, Einbezug von über das Waldrecht hinausgehenden Fragen (E. 2)? 3. Bestimmung der Minimalbreite einer Bestockung (Art. 1 Abs. 1 lit. b WaV); Vorgehen, wenn dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht keine ausdrückliche Vorschrift zu entnehmen ist (E. 4). 4. Eine Bestockung erfüllt in besonderem Masse Wohlfahrtsfunktionen (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG), wenn sie - wie eine Bachuferbestockung - in den Schutzbereich des Gewässerschutz-, des Wasserbau- sowie des Natur- und Heimatschutzgesetzes und allenfalls des Fischereigesetzes des Bundes fällt (E. 5). Art. 4 BV; rechtliches Gehör; Kostenverlegung im Einspracheverfahren. 5. Dem Einsprecher dürfen in einem seine Parzelle betreffenden, von Amtes wegen eingeleiteten Waldfeststellungsverfahren keine amtlichen Kosten (einschliesslich Vermessungskosten) auferlegt werden, wenn er vor Erlass der Waldfeststellungsverfügung nicht angehört wurde (E. 6).

122 II 373 () from 11. September 1996
Regeste: Auslieferung an die Türkei; Art. 3 EAUe; Art. 3 EMRK. Der Entscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen über die Auslieferung kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden; die staatsrechtliche Beschwerde ist unzulässig (E. 1b). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1c). Tragweite von Art. 3 Abs. 2 EAUe, der die Auslieferung ausschliesst, wenn das Auslieferungsersuchen aus Gründen gestellt worden ist, die mit der Rasse, der Religion, der Nationalität oder den politischen Ansichten der verfolgten Person zusammenhängen (E. 2a und b). Vorliegend ist kein Fall, im Sinn von Art. 3 Abs. 2, 1. Halbsatz EAUe gegeben (E. 2c). Hingegen rechtfertigt es sich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2, 2. Halbsatz EAUe, die Auslieferung des Beschwerdeführers von Zusicherungen des ersuchenden Staates betreffend die Haftbedingungen der ausgelieferten Person abhängig zu machen (E. 2d).

122 II 446 () from 8. Oktober 1996
Regeste: Art. 21 Abs. 1 lit. a und d BdBSt; Einkommen aus Wertschriftenhandel. Der Steuerpflichtige, der Wertschriften in einem Mass kauft und verkauft, das die einfache Verwaltung von Privatvermögen übersteigt, übt eine Erwerbstätigkeit aus; die daraus erzielten Einkünfte sind steuerbar. Die für den Liegenschaftenhandel aufgestellten Kriterien können auch zur Abgrenzung des gewerbsmässigen Handels mit Wertschriften von der einfachen Verwaltung von Privatvermögen beigezogen werden (Bestätigung der Rechtsprechung E. 2, 3 und 5). Art. 4 BV; Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Dass die Besteuerung von Wertschriftengewinnen in anderen Fällen unterbleibt, begründet keinen Anspruch, solche Gewinne ebenfalls nicht versteuern zu müssen. Es besteht kein Anspruch, abweichend vom Gesetz begünstigt zu werden, wenn die Behörde gewillt ist, die gesetzliche Besteuerung durchzusetzen (E. 4).

122 II 471 () from 29. November 1996
Regeste: Art. 6 und Art. 10 EMRK, Art. 55bis BV, Art. 3 lit. ebis und Art. 10 VwVG, Art. 4 und Art. 5 sowie Art. 67 Abs. 3 RTVG; Berichterstattung im "Kassensturz" über einen rechtskräftigen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Ausstandsgesuch gegen die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen wegen Vorbefassung: formelle (E. 2) und materielle Aspekte (E. 3). Inhalt der rundfunkrechtlichen Programmaufsicht und ihre Vereinbarkeit mit Art. 10 EMRK (E. 4). Rundfunkrechtliche Prüfung der beanstandeten Berichterstattung (E. 5).

122 III 316 () from 11. September 1996
Regeste: Art. 274f Abs. 1 Satz 2 OR. Beginn des Laufs der dreissigtägigen Klagefrist. Die Klagefrist beginnt zu laufen, sobald die Schlichtungsbehörde das Nichtzustandekommen einer Einigung ausdrücklich festgestellt und diese Feststellung den Parteien mündlich oder schriftlich eröffnet hat (E. 2). Folgt einer mündlichen Eröffnung eine schriftliche Mitteilung nach, in der der Beginn des Fristenlaufs unrichtig angegeben wird, ist das Vertrauen darauf zu schützen (E. 3). Zeitpunkt, in dem behördliche Mitteilungen als zugestellt zu gelten haben (E. 4).

122 III 392 () from 7. November 1996
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren (Art. 17 ff. SchKG; Art. 152 OG). Auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren nach den Art. 17 ff. SchKG kann sich die Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt als notwendig erweisen, wenn der Sachverhalt oder die sich stellenden Fragen komplex sind, wenn die Rechtskenntnisse des Gesuchstellers unzureichend sind oder wenn bedeutende Interessen auf dem Spiele stehen (Präzisierung der Rechtsprechung). Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestützt auf Art. 152 Abs. 2 OG.

122 III 439 () from 31. Oktober 1996
Regeste: Art. 4 BV; Anerkennung eines in Amerika gegen einen Schweizerbürger gefällten Urteils; Gerichtsstandsvertrag (Art. 80 und Art. 81 SchKG, Art. 26 lit. b und Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG). Es ist nicht willkürlich, davon auszugehen, es beurteile sich nach schweizerischem Recht, ob eine gültige und wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vorliege. Ebensowenig ist es unhaltbar, das Zustandekommen dieses Vertrages und die Frage, ob zwischen den Parteien ein Konsens bestehe, nach der lex fori des Anerkennungsstaates, hier also nach schweizerischem Recht, zu beurteilen. Prüfung der Auslegung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Willkür (E. 3). Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG verlangt eine gehörige Vorladung des Beklagten zur ersten Verhandlung vor das urteilende Gericht. Es ist unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV vertretbar, ein ausländisches Urteil trotz fehlenden Nachweises der Zustellung der Vorladung zur ersten Verhandlung anzuerkennen, wenn der Beklagte anderweitig Kenntnis von dem gegen ihn angehobenen Verfahren erhalten hat und ausserdem an einer weiteren kontradiktorischen Verhandlung hätte erscheinen können, an der jedenfalls der beauftragte Anwalt seine Interessen wahrgenommen hat (E. 4).

122 IV 8 () from 31. Januar 1996
Regeste: Art. 43 StGB, Nichtaufhebung einer ambulanten Massnahme; Art. 5 Ziff. 4 EMRK, Begriff des Gerichts. Der Entscheid der zuständigen Behörde, eine Massnahme gemäss Art. 43 StGB aufzuheben oder nicht aufzuheben, kann Gegenstand der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bilden (E. 1). Kognition des Bundesgerichts bei Verfassungsrügen (E. 2a). Der Begriff des Gerichts im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK ist autonom: Das zuständige Organ muss unabhängig sein und ein justizförmiges Verfahren gewährleisten (E. 2b). Anforderungen an die Begründung eines Entscheids, der ärztliche Feststellungen über die Heilungschancen des Betroffenen enthält (E. 2c). Für die Aufhebung einer ambulanten Behandlung sind der Zustand des Betroffenen und die Gefahr neuer strafbarer Handlungen zu prüfen (E. 3).

122 IV 49 () from 28. Februar 1996
Regeste: Art. 4 BV, Art. 11 StGB; willkürliche Beweiswürdigung, verminderte Zurechnungsfähigkeit, Bedeutung der Blutalkoholkonzentration. Bei einer Blutalkoholkonzentration zwischen 2 und 3 Promillen besteht eine Vermutung für die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit. Diese Vermutung kann im Einzelfall durch Gegenindizien umgestossen werden (E. 1b). Aufgrund der Gegenindizien Verminderung der Zurechnungsfähigkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,09 bis 2,32 Promillen willkürfrei verneint (E. 1c).

122 IV 56 () from 28. Februar 1996
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Wird der Verurteilte aus dem Vollzug der widerrufenen bedingten Hauptstrafe bedingt entlassen, so ist der probeweise Aufschub der teilweise bereits vollstreckten Landesverweisung zulässig (E. 3a).

122 V 1 () from 8. Januar 1996
Regeste: Art. 9 Abs. 1 AHVG, Art. 17 und 20 Abs. 1 AHVV. Einkommen, das einem Besitzer eines Weinberges zufällt, den er auf eigene Rechnung bewirtschaften lässt, unterliegt der Beitragspflicht. Bestätigung der Rechtsprechung.

122 V 34 () from 24. Januar 1996
Regeste: Art. 16 Abs. 1bis AVIG, Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG (in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung). Zum Gegenstand der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Ablehnung einer Zwischenverdienstarbeit. Art. 30 AVIG (in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung); Art. 103 Abs. 4 AVIG, Art. 114 Abs. 1 OG, Art. 103 Abs. 6 AVIG, Art. 4 Abs. 1 BV. Streitgegenstand bei Anfechtung von Einstellungsverfügungen. Richterliche Überprüfungsbefugnis. Präzisierung der Rechtsprechung.

122 V 85 () from 18. März 1996
Regeste: Art. 21 Abs. 6 KUVG, Art. 2 Vo VI KUVG und Art. 1 Abs. 1 Vo 7 KUVG, Art. 101 Abs. 1 KVG, Art. 34bis BV, Art. 4 und 31 BV. - Art. 2 Vo VI ist gesetz- und verfassungsmässig. - Nichtzulassung eines medizinischen Masseurs mit zweijähriger Ausbildung und mehrjähriger Praxiserfahrung im Bereich der passiven physikalischen Therapie zur Betätigung für die Krankenversicherung trotz kantonaler Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung.

122 V 113 () from 13. Juni 1996
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und 2 IVG, Art. 1 Abs. 1 und 2 GgV, Ziff. 404 GgV Anhang. Zusammenfassung der Rechtsprechung zum psychoorganischen Syndrom (POS) gemäss Ziff. 404 GgV Anhang. An den Erfordernissen der Diagnosestellung und Behandlung vor vollendetem 9. Altersjahr als Anspruchsvoraussetzungen ist festzuhalten.

122 V 157 () from 3. Mai 1996
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. - Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK umfassen keinen formellen Anspruch auf Beizug versicherungsexterner medizinischer Gutachten, wenn Leistungsansprüche streitig sind. - Im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist es grundsätzlich zulässig, dass Verwaltung und Sozialversicherungsrichter den Entscheid allein auf versicherungsinterne Entscheidungsgrundlagen stützen. An die Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit solcher Grundlagen sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen.

122 V 166 () from 10. April 1996
Regeste: Art. 4 BV, Art. 62 Abs. 3 VwVG, Art. 132 lit. c OG. Im Rahmen der Anhörung vor einer beabsichtigten reformatio in peius ist die von einer Verschlechterung der Rechtslage bedrohte Partei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie ihr Rechtsmittel zurückziehen kann (Praxisänderung).

122 V 212 () from 10. Juni 1996
Regeste: Art. 21 Abs. 1 IVG, Art. 2 Abs. 2 HVI, Art. 7 und 8 HVI, Ziff. 10 Ingress und 10.04* HVI Anhang. - Erwerbstätigkeit und Tätigkeit im Aufgabenbereich im Sinne von Art. 27 Abs. 2 IVV sind hinsichtlich der Abgabe von Motorfahrzeugen und Invalidenfahrzeugen gemäss Ziff. 10.01*-10.04* HVI Anhang, allenfalls in Form von Amortisations- und Reparaturkostenbeiträgen, einander gleichgestellt (vgl. BGE 116 V 322; ferner BGE 117 V 273 Erw. 2b/bb). Die Tätigkeit im Aufgabenbereich muss unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungswirksamkeit von existentieller Bedeutung sein. - In casu Voraussetzungen für die Gewährung von Amortisations- und Reparaturkostenbeiträgen an den selbst angeschafften Personenwagen bei einer haushaltführenden verheirateten Versicherten mit einem Kleinkind verneint.

122 V 300 () from 15. Oktober 1996
Regeste: Art. 2 Abs. 3, Art. 3 Abs. 6 ELG, Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV. - Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV ist gesetzwidrig. - Eine "gesonderte" Ergänzungsleistungsberechnung für den Leistungsansprecher und dessen Kind, das Anspruch auf eine Kinderrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründet, ist nicht zulässig.

122 V 306 () from 30. September 1996
Regeste: Art. 34 Abs. 2 BVG und Art. 25 Abs. 2 BVV 2: Koordination mit der Unfall- und der Militärversicherung. Nicht gesetzwidrig ist die Regelung, welche die Vorsorgeeinrichtung ermächtigt, die Leistungsverweigerung oder -kürzung der Unfall- oder Militärversicherung nicht auszugleichen, wenn der Versicherungsfall durch den Anspruchsberechtigten schuldhaft herbeigeführt worden ist. Art. 34 Abs. 2 BVG und Art. 24 Abs. 1 BVV 2: Begriff der ungerechtfertigten Vorteile. Nicht gesetzwidrig ist die vom Bundesrat in Art. 24 Abs. 1 BVV 2 festgesetzte Überentschädigungslimite von 90 %.

122 V 405 () from 19. Dezember 1996
Regeste: Art. 1 Abs. 1 des alten dringlichen Bundesbeschlusses vom 13. Dezember 1991 über befristete Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung; Art. 7 Abs. 1 (Fassung gemäss Änderung vom 14. Juni 1993) der alten Verordnung IX über die Krankenversicherung betreffend den Risikoausgleich unter den Krankenkassen (VO IX). Es widerspricht den Grundsätzen der Nichtrückwirkung, der Voraussehbarkeit des anwendbaren Rechts und von Treu und Glauben, die Berechnungsgrundlagen des Risikoausgleichs gemäss Art. 7 Abs. 1 VO IX (Umstellung vom Referenzjahr zum Ausgleichsjahr) bereits für das Jahr 1993 anzuwenden.

122 V 426 () from 18. November 1996
Regeste: Art. 28 Abs. 4 UVV. Verfassungs- und Gesetzmässigkeit dieser Bestimmung nach Auseinandersetzung mit der im jüngeren Schrifttum erhobenen Kritik bejaht (Bestätigung der Rechtsprechung).

122 V 435 () from 22. November 1996
Regeste: Art. 17 Abs. 2 AVIG, Art. 27 Abs. 1 AVIV. Art. 27 Abs. 1 AVIV ist gesetz- und verfassungswidrig. Der Anspruch auf kontrollfreie Tage ist nicht aufgrund bezogener Taggelder, sondern aufgrund einer zeitmässigen Berechnung, nach Massgabe der Tage zurückgelegter Arbeitslosigkeit, zu bestimmen.

123 I 1 () from 3. Februar 1997
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV, Art. 27 Abs. 2 BV; Lehrerbesoldung; Gesetzmässigkeitsprinzip; Rechtsgleichheit; Verhältnismässigkeitsprinzip. Bedeutung und Geltendmachung des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit der Verwaltung (E. 2). Bestimmtheitsgebot für Besoldungsregelungen im öffentlichen Dienstrecht (E. 4). Ein mit der unterschiedlichen Vorbildung von Logopädinnen (Matura bzw. Lehrerpatent) begründeter Besoldungsunterschied von 8-9% verstösst nicht gegen Art. 4 Abs. 1 BV (E. 6). Auf Art. 27 Abs. 2 BV können sich die Schüler bzw. ihre Eltern berufen, aber nicht die Lehrer (E. 9). Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist kein selbständiges verfassungsmässiges Recht (E. 10).

123 I 25 () from 12. März 1997
Regeste: Art. 18 Abs. 1 der Verfassung vom 8. Juni 1986 des Kantons Solothurn (KV/SO); Anspruch auf richterliche Beurteilung im Kanton bei Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung? Zulässiges Rechtsmittel und Beschwerdelegitimation bei Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (E. 1). Art. 18 Abs. 1 KV/SO, wonach jeder "Anspruch auf Rechtsschutz" hat, garantiert nicht in allen Verwaltungsstreitsachen den Zugang zu einem Gericht (E. 2).

123 I 31 () from 14. Februar 1997
Regeste: Art. 4 BV, persönliche Freiheit, Art. 5 Ziff. 4 EMRK. Haftprüfung. Begründungspflicht, Fluchtgefahr, Sperrfrist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht verletzt, wenn die Haftrichterin auf die Haftgründe genügend darlegende Stellungnahme der Untersuchungsbehörde verweist, statt ihren Entscheid mit einer eigenen Begründung zu versehen (E. 2). Fluchtgefahr besteht auch dann, wenn sich der Angeschuldigte in ein Land begeben will, das die Auslieferung an die Schweiz bewilligen oder selbst ein Strafverfahren durchführen würde (E. 3). Recht auf Haftüberprüfung zumindest "in vernünftigen" Abständen: Welche Abstände als "vernünftig" anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles und den Besonderheiten der anwendbaren Prozessvorschriften; eine Sperrfrist von einem Monat verstösst grundsätzlich nicht gegen Art. 5 Ziff. 4 EMRK, wohl aber hier eine solche von zwei Monaten, die lediglich mit der Stellung von drei Haftentlassungsgesuchen innerhalb eines Monats begründet wird (E. 4).

123 I 49 () from 21. April 1997
Regeste: Art. 4 BV und Art. 58 Abs. 1 BV, Art. 5 EMRK; örtliche Zuständigkeit des Haftrichters. Die örtliche Zuständigkeit des Haftrichters richtet sich nach kantonalem Verfahrensrecht (Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich) (E. 2). Der Einsatz von Haftrichtern des einen Bezirks für Angelegenheiten aus einem andern Bezirk ist nach dem Gerichtsverfassungsgesetz nicht ausgeschlossen (E. 3b). Von der örtlichen Zuständigkeit des Haftrichters kann nicht generell durch den Einsatz von Ersatzrichtern aus einem andern Bezirk abgewichen werden (E. 3c und 3d).

123 I 56 () from 23. April 1997
Regeste: Art. 4 Abs. 2 BV; Feuerwehrpflichtersatz. Eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau hinsichtlich der Bezahlung von Feuerwehrpflichtersatz verstösst gegen Art. 4 Abs. 2 BV (E. 2). Eine Frist von nahezu 14 Jahren zur Anpassung eines verfassungswidrigen Gemeindereglements ist zu lange (E. 3).

123 I 87 () from 25. April 1997
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Notariatsaufsicht. Der Entzug einer Bewilligung zur Ausübung des freien Notariats ist eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 2a). Die staatsrechtliche Beschwerde kann hier die Funktion einer gerichtlichen Beurteilung nicht übernehmen (E. 3). Anforderungen an ein "Gericht" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Vorliegend nicht erfüllt (E. 4). Folgen der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 5).

123 I 97 () from 28. Mai 1997
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Stimmrechtsbeschwerde; Ausstand von kantonalen Parlamentariern, die beruflich im Dienst des Kantons stehen. Voraussetzungen und Grenzen der Anfechtbarkeit von parlamentsrechtlichen Ausstandsvorschriften mit Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG (E. 1). Bundesgerichtliche und kantonale Praxis zum Ausstand von Behördemitgliedern (E. 3). Aktives Wahlrecht und Wahlrechtsgrundsätze; Prinzip der Erfolgswertgleichheit bei Proporzwahlen und seine Umsetzung im kantonalen Recht (E. 4). Ist die Wahl von kantonalen Bediensteten in den Grossen Rat zulässig, so können solche Grossräte bei Abstimmungen im Parlament über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse nicht generell für ausstandspflichtig erklärt werden (E. 5).

123 I 112 () from 16. April 1997
Regeste: Abstrakte Überprüfung des Genfer Gesetzes über die Entnahme und Transplantation von Organen und Geweben; persönliche Freiheit, Art. 4 BV und Art. 2 ÜbBest. BV. Beschwerdelegitimation (E. 1b). Das Gesetz verletzt Art. 2 ÜbBest. BV nicht, da es auf dem fraglichen Gebiet an einer bundesrechtlichen Regelung fehlt (E. 3). Tragweite der persönlichen Freiheit auf dem Gebiet der Organtransplantation; Bedeutung des internationalen Rechts (E. 4). Das Gesetz, das für die Organtransplantation von einer vermuteten Einwilligung ausgeht und ein Widerspruchsrecht des Betroffenen oder seiner Angehörigen vorsieht, stellt eine genügend klare gesetzliche Grundlage dar; es ist zulässig, für die Bestimmung des Zeitpunkts des Todes auf die Richtlinien der Schweizerischen Akademie für medizinische Wissenschaften zu verweisen (E. 6 und 7). Die Regelung beruht auf einem ausreichenden öffentlichen Interesse (E. 8); sie ist mit dem Prinzip der Verhältnismässigkeit vereinbar, sofern allgemein eine entsprechende Informationspolitik betrieben und die Informationspflicht gegenüber den Angehörigen befolgt wird (E. 9). Das Gesetz verletzt die Rechtsgleichheit nicht (E. 10).

123 I 145 () from 9. April 1997
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch des Geschädigten auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung der Strafuntersuchung. Voraussetzungen für einen direkt aus Art. 4 BV ableitbaren Anspruch (E. 2b). Die blosse Tatsache, dass der (angeblich) Geschädigte sich bei der Abfassung seiner Laienbeschwerde juristisch beraten liess, lässt seinen Anspruch nicht dahinfallen (E. 3a). In Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Geschädigten und der mangelnden Komplexität des Straffalles wird die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung hier jedoch verneint (E. 3b-e).

123 I 152 () from 19. März 1997
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Ungültigerklärung der Solothurner Volksinitiative "Für eine gleichberechtigte Vertretung der Frauen und Männer in den kantonalen Behörden - Initiative 2001". Verhältnis von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV. Das Diskriminierungsverbot bildet eine relative Schranke des Egalisierungsgebotes und schliesst unverhältnismässige Ungleichbehandlungen der Geschlechter aus (E. 3a und 3b). Erfordernis der Interessenabwägung bei der Prüfung der Zulässigkeit positiver Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter (E. 3b-3d). Auswirkungen der hier in Frage stehenden Initiative, mit der verbindlich und ohne Qualifikationsbezug eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung der Frauen in Parlament, Regierung und Gerichten verlangt wird (E. 4). Überprüfung dieser Massnahme aufgrund der Kriterien des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (E. 5-7). Die vorgeschlagene Quotenregelung stellt einen unverhältnismässigen Eingriff in das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV dar (E. 7). Soweit sie vom Volk gewählte Behörden betrifft, verstösst sie gegen das durch das Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete allgemeine und gleiche Recht, zu wählen und gewählt zu werden (E. 8).

123 I 193 () from 18. April 1997
Regeste: Art. 4 und 31 BV; Grundsatz der Unabhängigkeit des Anwalts. Bedeutung und Tragweite der Unabhängigkeit des Anwalts (Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung; E. 4a-c). Es verstösst nicht gegen Art. 31 BV, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde einem Anwalt die Berufsausübung wegen Verletzung des Unabhängigkeitsgrundsatzes insoweit untersagt, als dieser, obwohl er gleichzeitig leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung ist, die bei seiner Arbeitgeberin versicherten Klienten im Bereich des Anwaltsmonopols vertritt (E. 4d-f).

123 I 221 () from 7. April 1997
Regeste: Anfechtung der baselstädtischen Verordnung über das Gefängniswesen vom 19. Dezember 1995; Haftbedingungen im Strafvollzug sowie bei strafprozessualer und ausländerrechtlicher Haft; persönliche Freiheit, Art. 4 BV (Unschuldsvermutung), Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 3 EMRK, Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 10 EMRK. Eintretensvoraussetzungen, abstrakte Normenkontrolle: Umfang der Beschwerdebefugnis eines privatrechtlichen Vereins und von natürlichen Personen zur Anfechtung von kantonalen Bestimmungen, welche den Vollzug von Strafhaft sowie strafprozessualer und ausländerrechtlicher Freiheitsentziehung regeln; Art. 84 Abs. 1 OG, Art. 88 OG (E. I/2). Grundsätzliche Erwägungen: Schutzbereich der persönlichen Freiheit; Anforderungen an eine ausreichende gesetzliche Grundlage; sachlicher Geltungsbereich des angefochtenen Erlasses; Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen bei Inhaftierten (E. I/4). Unterbringung von ausländerrechtlichen Gefangenen: Voraussetzungen, unter denen die Unterbringung fremdenpolizeilicher Administrativhäftlinge in einem Vollzugs- bzw. Untersuchungsgefängnis zulässig sein kann. Prüfung der Grundrechtskonformität der baulichen Gegebenheiten (Zellengrössen, sanitäre Anlagen) in der kantonalen Vollzugsanstalt "Schällemätteli"; gesamthafte Würdigung der konkreten Haftbedingungen; persönliche Freiheit, Art. 3 und Art. 10 EMRK (E. II/1). Recht der Gefangenen auf ärztliche Betreuung (E. II/2). Gefangenenarbeit: Die Regelung der baselstädtischen Gefängnisverordnung, welche alle Insassinnen und Insassen sowohl des kantonalen Untersuchungsgefängnisses "Waaghof" als auch der Vollzugsanstalt "Schällemätteli", mit Ausnahme der Untersuchungshäftlinge, zur Erledigung der ihnen behördlich zugewiesenen Arbeiten verpflichtet, verstösst gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechtes, den verfassungsmässigen Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie gegen die persönliche Freiheit (E. II/3).

123 I 241 () from 2. September 1997
Regeste: Art. 4 BV: Erbschaftssteuer; Besteuerung von Konkubinatspartnern. Die gesetzliche Regelung der Erbschaftssteuer des Kantons Neuenburg verstösst insoweit nicht gegen Art. 4 BV, als sie die Erben in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad und nicht von ihren persönlichen Verhältnissen zum Erblasser von Steuern befreit oder besteuert bzw. nicht einen besonderen Status für Konkubinatspartner vorsieht und diese Verheirateten nicht gleichstellt (E. 2-7).

123 I 248 () from 26. September 1997
Regeste: Art. 4 BV; Legalitätsprinzip im Abgaberecht. Ungenügende Bestimmtheit einer gesetzlichen Grundlage für eine Kostenauflage (E. 3).

123 I 254 () from 26. September 1997
Regeste: Legalitätsprinzip im Abgaberecht; Festsetzung von Gebühren für Lateinkurse an der Universität durch Verordnung. Verhältnis des Erfordernisses der formell-gesetzlichen Grundlage zum Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip (E. 2b). Ungenügen der bestehenden gesetzlichen Grundlagen (E. 2c-f).

123 I 268 () from 5. November 1997
Regeste: Persönliche Freiheit, Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK, Art. 5 Ziff. 3 EMRK (Untersuchungshaft, Fortsetzungsgefahr, Haftdauer). Anforderungen an den Nachweis von Wiederholungsgefahr bei schweren Gewaltdelikten (E. 2, Präzisierung der Rechtsprechung). Grundsätze für die verfassungsrechtliche Überprüfung der Verhältnismässigkeit der Untersuchungshaft (E. 3).

123 I 275 () from 16. September 1997
Regeste: Art. 84 ff., Art. 97 ff. OG; Abgrenzung Verwaltungsgerichtsbeschwerde - staatsrechtliche Beschwerde. Gegen einen auf kantonales Prozessrecht gestützten Zwischenentscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung, auch wenn in der Sache selbst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist (E. 2d).

123 I 279 () from 18. September 1997
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation des Konkurrenten zur staatsrechtlichen Beschwerde. Keine Legitimation zur Willkürbeschwerde, wenn nicht die Anwendung konkurrenzschützender Vorschriften in Frage steht (E. 3b/c). Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen als legitimationsbegründendes Recht? (E. 3d).

123 II 9 () from 11. Dezember 1996
Regeste: Art. 4 BV und Art. 23 BdBSt; direkte Bundessteuer; Einkommen natürlicher Personen. Abzug für Wohnungsmiete? Nach Art. 23 BdBSt kann die Wohnungsmiete vom reinen Einkommen nicht abgezogen werden. Verfassungsmässigkeit dieser Regelung (E. 1 bis 3). Festsetzung der Eigenmietwerte für die direkte Bundessteuer im Hinblick auf die rechtsgleiche Besteuerung von Wohnungsmietern und Eigentümern selbstbewohnter Liegenschaften (E. 4).

123 II 16 () from 31. Januar 1997
Regeste: Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 MWSTV; gastgewerbliche Leistung; Hauslieferung von Pizzas; Steuersatz. Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2). Kognition des Bundesgerichts betreffend Mehrwertsteuerverordnung (E. 3). Abgrenzung zwischen gastgewerblichen Leistungen (Steuersatz 6,5%) und der einem ermässigten Satz (2%) unterworfenen Abgabe von Ess- und Trinkwaren. Bejahung der Verfassungsmässigkeit von Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 MWSTV, soweit darin das Vorhandensein von Einrichtungen für den Konsum an Ort und Stelle als Unterscheidungsmerkmal verwendet wird (E. 5 und 6). Bei Hauslieferungen von Ess- und Trinkwaren aus Restaurants darf die Eidgenössische Steuerverwaltung die Gewährung des ermässigten Steuersatzes zulässigerweise davon abhängig machen, dass diese Tätigkeit vom übrigen Gastgewerbebetrieb organisatorisch getrennt erfolgt. Unverhältnismässigkeit der zusätzlichen Forderung nach getrennten Räumlichkeiten (E. 7-9). Wettbewerbsneutralität dieser Regelung (E. 10).

123 II 74 () from 19. November 1996
Regeste: Lärmschutz, Kinderspielplatz, Sanierungsmassnahmen; Art. 7 Abs. 1 und Abs. 7 USG, Art. 11 ff. USG, Art. 40 Abs. 3 LSV. Der direkt mit dem Betrieb einer Anlage verbundene "Verhaltenslärm" von Menschen wird grundsätzlich auch vom Umweltrecht des Bundes erfasst (E. 3a-b). Der von Kindern auf einem Spielplatz eines Wohnhauses erzeugte Lärm kann als Einwirkung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 USG betrachtet werden (E. 3c-d). Kriterien für die Anordnung von Massnahmen zur Sanierung eines Kinderspielplatzes: Fehlen Belastungsgrenzwerte in der Lärmschutzverordnung und klare quantitative technische Daten über die Stärke der Immissionen, muss die Vollzugsbehörde gleichwohl aufgrund der allgemeinen Kriterien des Bundesgesetzes über den Umweltschutz ermitteln, ob Einwirkungen einen schädlichen oder lästigen Charakter haben; sie muss sich dabei auf die allgemeine Erfahrung stützen. Dass sich gewisse Nachbarn belästigt fühlen, genügt vorliegend nicht, um den Lärm als übermässig zu qualifizieren (E. 4 und 5a). Tragweite des kantonalen Rechts im vorliegenden Fall (E. 5c).

123 II 134 () from 1. April 1997
Regeste: Rechtshilfe; EUeR; Europaratsübereinkommen Nr. 141 von 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten; Rückerstattung von Erträgen, die aus einer strafbaren Handlung herrühren; Art. 74a IRSG. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). Im Ausland gestohlene und in der Schweiz verkaufte Sache. Recht, das anwendbar ist, wenn eine Sache - im Hinblick auf deren Rückgabe - an einen ausländischen Staat ausgehändigt werden soll (E. 5). Schutz des Käufers, der seinen guten Glauben glaubhaft macht (E. 6a und b). Beweislast in dieser Frage (E. 6c). Im vorliegenden Fall hat der Käufer seinen guten Glauben nicht glaubhaft gemacht (E. 6d). Bedingungen, unter welchen eine Sache an einen um Rechtshilfe ersuchenden Staat ausgehändigt werden kann. Sowohl das Interesse des internationalen Ordre public am Schutz der Kulturgüter wie auch die für den Schutz der rechtmässigen Interessen des gutgläubigen Besitzers notwendigen Verfahrensgarantien im ersuchenden Staat müssen berücksichtigt werden (E. 7).

123 II 175 () from 28. April 1997
Regeste: Überstellung an das internationale Strafgericht für Ruanda (ISGR). Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Überstellungsentscheid (E. 1); anwendbare Vorschriften (E. 2). Dem Überstellungsentscheid kommt auch die Bedeutung zu, dass eine von den Militärgerichtsbehörden - unter dem Vorbehalt der Überstellung - entschiedene Verfahrensabtretung wirksam wird (E. 3). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überstellung sind vorliegend erfüllt (E. 4), und der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör wurde gewahrt (E. 6). Es gilt die Vermutung, dass das Verfahren vor einem internationalen Strafgericht von der Art des ISGR den Anforderungen an einen fairen Prozess genügt: Es ist nicht angezeigt, an die Überstellung Bedingungen zu knüpfen, beim ISGR über die Modalitäten der amtlichen Verteidigung der Angeschuldigten Erkundigungen einzuholen (E. 7a und b) oder die Möglichkeiten der Verbüssung einer allfälligen vom ISGR verhängten Freiheitsstrafe in der Schweiz zu erörtern (E. 7c). Abweisung des Gesuchs um Freilassung, soweit darauf eingetreten werden konnte (E. 8).

123 II 231 () from 29. Mai 1997
Regeste: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Verpflichtung der Kantone, richterliche Behörden zu schaffen, welche als letzte kantonale Instanz entscheiden; Art. 97 ff. OG, Art. 98a Abs. 1 OG. Anfechtung eines Nutzungsplanes mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 2). Nur letztinstanzliche kantonale Entscheide können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (E. 4). Unmittelbare Anwendung von Art. 98a Abs. 1 OG seit dem 15. Februar 1997; diese Regel kann die Zuständigkeit einer kantonalen richterlichen Behörde begründen, selbst wenn keine entsprechenden kantonalen Normen bestehen (E. 7). Folgen mangelnder Klarheit der Bestimmungen zum kantonalen Instanzenzug und des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung; Grundsatz von Treu und Glauben; im vorliegenden Fall Überweisung der Sache vom Bundesgericht an eine kantonale richterliche Behörde (E. 8).

123 II 295 () from 14. März 1997
Regeste: Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV; Art. 30 Abs. 2 MWSTV; Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts auf Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung, Getränke und Geschäftsreisen. Kognition des Bundesgerichts betreffend Mehrwertsteuerverordnung (E. 3). Regelung des Vorsteuerabzugsrechts (E. 4) und Grundzüge des Mehrwertsteuerrechts (E. 5). Ein Vorsteuerabzugsrecht besteht nur für Ausgaben mit geschäftlichem Charakter, wobei weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Das Vorsteuerabzugsrecht geht als Prinzip dem Grundsatz der Besteuerung des Endverbrauchs nicht vor (E. 6). Endverbrauch kann auch bei Ausgaben mit geschäftlichem Charakter vorliegen. Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen. Der den Ausgaben mit geschäftlichem Charakter für Unterkunft, Verpflegung, Getränke und Geschäftsreisen innewohnende Anteil an Endverbrauch rechtfertigt es, das Vorsteuerabzugsrecht auf diesen Ausgaben zu beschränken (E. 7, 9). Art. 30 Abs. 2 MWSTV stellt eine Pauschalregelung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. l ÜbBest. BV dar (E. 8).

123 II 337 () from 21. April 1997
Regeste: Umweltschutzrecht und Raumplanung; baurechtliche Behandlung eines UVP-pflichtigen Verwaltungskomplexes mit Parkplätzen. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Zulässigkeit der Aufteilung des Baubewilligungsverfahrens in ein Vorentscheidverfahren und ein Hauptverfahren, wenn in jedem Verfahren je eine UVP über die im jeweiligen Verfahrensstadium zu behandelnden Fragen durchgeführt wird (E. 2). Nutzungsplanung: Unzulässigkeit der akzessorischen Überprüfung der Nutzungsplanung im Baubewilligungsverfahren (E. 3). Luftreinhaltung: Keine Gefährdung der Umsetzung des Massnahmenplans bei Realisierung des Bauvorhabens (E. 4). Problem der flankierenden Massnahmen (E. 7). Hinreichende Erschliessung durch das öffentliche Strassennetz und den öffentlichen Verkehr (E. 5 und 7a). Erschliessung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 USG (E. 8c). Lärmschutz: Massgebende Empfindlichkeitsstufen und Belastungsgrenzwerte. Zulässigkeit der Feinerschliessung, wenn im überwiegenden Teil des Baugrundstücks die Planungswerte eingehalten und an keinem Messpunkt die Immissionsgrenzwerte überschritten sind (Art. 24 Abs. 2 USG; E. 8d). Kostenauflage an Umweltschutzorganisationen im bundesgerichtlichen und im kantonalen Verfahren (E. 10).

123 II 385 () from 15. Mai 1997
Regeste: Art. 8 Abs. 2 ÜBbest. BV und Art. 3 ÜbBest. BV, Art. 84 MWSTV; übergangsrechtliche Behandlung von Abonnementsverträgen. Kognition des Bundesgerichts und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission bei der Überprüfung der Mehrwertsteuerverordnung (E. 3 und 4). Anwendbare Bestimmungen (E. 5 und 6). Art. 8 Abs. 3 ÜbBest. BV räumt dem Bundesrat bei der Ausgestaltung der Übergangsordnung einen relativ grossen Entscheidungsspielraum ein (E. 7). Aus der Verfassung ergibt sich kein Anspruch des Steuerpflichtigen, von der Steuer befreit zu werden, wenn er sie nicht auf seine Kunden überwälzen kann (E. 8). Die fraglichen Übergangsbestimmungen verstossen nicht gegen die Prinzipien, welche das Übergangsrecht zu respektieren hat (E. 9). Grundsatz von Treu und Glauben; ein in die Vernehmlassung gegebener Verordnungsentwurf bildet keine Vertrauensgrundlage in dem Sinne, dass die Rechtsunterworfenen sich darauf berufen können (E. 10). Die in Frage stehende Übergangsordnung verletzt auch nicht den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung und der Wettbewerbsneutralität der Steuer (E. 11).

123 II 402 () from 20. August 1997
Regeste: Art. 10 EMRK, Art. 13 EMRK u. 14 EMRK; Art. 55bis BV; Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG u. Art. 25 VwVG; Art. 5 Abs. 3 RTVG u. Art. 18 RTVG; Anspruch auf Zugang zum Werbefernsehen ("Recht auf Antenne"). Rechtsnatur des Handelns der SRG bzw. der "publisuisse SA" im Programmbereich (E. 2; Bestätigung von BGE 119 Ib 241 ff.) und im Werbebereich (E. 3). Über einen sich allenfalls ausnahmsweise aus Art. 10 in Verbindung mit Art. 14 EMRK ergebenden Anspruch auf Zugang zum Werbefernsehen hat das Bundesamt für Kommunikation in einer Feststellungsverfügung zu entscheiden (E. 4). Anspruch im konkreten Fall verneint, bei dem im Interesse des Tierschutzes für eine Reduktion des Fleischkonsums geworben werden soll (E. 5).

123 II 464 () from 12. September 1997
Regeste: Art. 16 Abs. 2 SVG und Art. 22 Abs. 1 SVG; Art. 30 Abs. 4 VZV; Warnungsentzug nach Auslandtat ohne Aberkennung des schweizerischen Führerausweises durch ausländische Behörden. Nach Verkehrsregelverletzungen im Ausland hat die Wohnsitzbehörde zu prüfen, ob gegenüber dem Fehlbaren eine Massnahme zu ergreifen ist (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2), und zwar auch dann, wenn der Auslandstaat auf eine Aberkennung des schweizerischen Führerausweises verzichtet hat (E. 3).

123 II 472 () from 9. Juli 1997
Regeste: Art. 13 lit. h BVO und 28 Abs. 1 lit. a und b BVO; Umwandlung der Saison- in eine Jahresbewilligung; staatsvertragliche Verpflichtungen der Schweiz. Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Neuregelung der Umwandlungsvoraussetzungen (E. 3 und 4b; Bestätigung der Rechtsprechung). Übereinstimmung des Umwandlungsstopps für Angehörige von Staaten, die nicht der EFTA und der EU angehören, mit den von der Schweiz abgeschlossenen Staatsverträgen: keine Verletzung des Diskriminierungsverbots gemäss Art. 14 EMRK und Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I (E. 4c und d), des Rechtsgleichheitsgebots gemäss Art. 26 UNO-Pakt II (E. 4d) und des Rassendiskriminierungs-Übereinkommens (E. 4e).

123 II 534 () from 26. November 1997
Regeste: Art. 8 DSG; Art. 98 UVG; Auskunftsrecht einer Versicherten über ihre bei der Unfallversicherung vorhandenen Personendaten. Zuständigkeiten des Bundesgerichts bzw. des Eidgenössischen Versicherungsgerichts für Verwaltungsgerichtsbeschwerden bezüglich datenschutzrechtlicher Ansprüche gegen einen Unfallversicherer (E. 1). Der in Art. 8 DSG enthaltene Anspruch auf Auskunft über Personendaten besteht unabhängig von versicherungsrechtlichen Ansprüchen und kann selbständig geltend gemacht werden (E. 2). Die Modalitäten der Auskunft richten sich nach Datenschutzgesetz, nicht nach Art. 98 UVG bzw. Art. 123 UVV (E. 3).

123 II 548 () from 11. November 1997
Regeste: Art. 3 Abs. 4 OHG; Gewährung eines amtlichen Anwalts für das Opfer. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). Wenn die durch das kantonale Recht aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt sind, muss noch abgeklärt werden, ob die unentgeltliche Rechtspflege dem Opfer aufgrund der in Art. 3 Abs. 4 OHG vorgesehenen Hilfe gewährt werden kann (E. 2a). Dies trifft hier zu: Der Fall weist gewisse Schwierigkeiten auf, und das Opfer, das in ein Krankenhaus eingewiesen wurde, kann seine Interessen nicht selber wahrnehmen (E. 2b).

123 II 595 () from 10. Dezember 1997
Regeste: Rechtshilfe in Strafsachen an die Republik der Philippinen; Art. 74a IRSG: Herausgabe von Vermögenswerten zur Einziehung oder Rückerstattung. Auslegung von Art. 74a Abs. 3 IRSG; Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids des ersuchenden Staats verzichtet werden kann (E. 4). Angesichts des erheblichen Interesses der Schweiz an einer vorzeitigen Rückführung der Vermögenswerte und deren offensichtlich deliktischer Herkunft ist die vorzeitige Herausgabe gerechtfertigt, sofern die Philippinen zusichern, dass über die Einziehung bzw. die Rückerstattung nur in einem dem UNO-Pakt II genügenden gerichtlichen Verfahren entschieden wird (E. 5). Rechte Dritter i.S. von Art. 74a Abs. 4 und 5 IRSG stehen der sofortigen Herausgabe nicht entgegen (E. 6). Im Rahmen von Art. 1a IRSG ist den in internationalen Verträgen garantierten Menschenrechten Rechnung zu tragen; Berücksichtigung der Interessen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime (Art. 2, 6, 7, 9, 14 und 41 UNO-Pakt II; Art. 13, 14, 16 Abs. 1 und 30 UN-Übereinkommen gegen die Folter von 1984) (E. 7c). Die in den Vereinigten Staaten ergangenen gerichtlichen Verfügungen bezüglich der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte sowie allfällige sich daraus ergebende Nachteile für die schweizerischen Banken stehen einer Herausgabe an die Philippinen nicht entgegen (E. 7d).

123 III 1 () from 21. November 1996
Regeste: Art. 4 BV; Art. 163 und Art. 176 ZGB, Schranke der finanziellen Leistungskraft bei der Festsetzung der Unterhaltsrente im Eheschutzverfahren. Das Privatrecht bestimmt den Inhalt von vorsorglichen Massnahmen (E. 3a). Art. 163 Abs. 1 ZGB verpflichtet den Eheschutzrichter, die Unterhaltsbeiträge der Familie des Rentenschuldners (E. 5) in der Regel (E. 3e) so festzusetzen, dass diesem noch derjenige Teil seines Einkommens verbleibt, den er zur Deckung seines Existenzminimums braucht (E. 3b/aa). Die Schranke der finanziellen Leistungskraft des Rentenschuldners bildet für alle familienrechtlichen Unterhaltspflichten die Regel (E. 3b/bb). Dass der Rentengläubiger den Ausfall zu tragen hat, ist Folge der gewählten Rollenverteilung in der Ehe (Art. 163 Abs. 2 ZGB) und kann nicht unter Hinweis auf die Rechtsgleichheit und die Gleichstellung der Geschlechter in Frage gestellt werden (E. 3c). Die geschilderte Regel steht im Einklang mit dem internationalen Recht und ist auch dem Entwurf des neuen Ehescheidungsrechts zugrundegelegt worden (E. 3d). Das Existenzminimum muss dem Rentenschuldner auch dann belassen werden, wenn Kinderalimente zuzusprechen sind (E. 3b/bb und E. 5).

123 III 271 () from 18. März 1997
Regeste: Art. 68 Abs. 1 SchKG. Bundesrecht verbietet dem Schuldner, im Rechtsöffnungsverfahren vom Gläubiger gestützt auf kantonales Prozessrecht Sicherstellung der Parteientschädigung zu verlangen.

123 IV 84 () from 23. Dezember 1996
Regeste: Art. 2 Abs. 2 StGB; Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 90 Ziff. 1 SVG und Art. 102 Ziff. 1 SVG; Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung; Grundsatz der lex mitior. Die Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung führt nicht dazu, dass eine vor der Aufhebung erfolgte Missachtung nicht mehr bestraft werden dürfte (E. 3b).

123 IV 225 () from 15. Dezember 1997
Regeste: Art. 1, 4, 38 Abs. 1 und 56 Abs. 2 LG; Art. 43 Ziff. 1 LV; Art. 35 Abs. 6 BV. Durchführung einer im Ausland veranstalteten, nach dem ausländischen Recht erlaubten lotterieähnlichen Unternehmung in der Schweiz. Wer in der Schweiz Personen zu einem Treffen im Ausland einlädt, an dem sie über eine ausländische Unternehmung nach dem Schneeballsystem informiert und zur Teilnahme daran angeworben werden sollen, erfüllt, auch bei Zulässigkeit der Unternehmung nach dem ausländischen Recht, den Straftatbestand der Durchführung einer durch das schweizerische Lotteriegesetz verbotenen Lotterie.

123 IV 252 () from 20. November 1997
Regeste: Art. 268 BStP; Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde. Der letztinstanzliche kantonale Entscheid über die Zulässigkeit der Anklage kann nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sein (E. 1, Bestätigung der Rechtsprechung).

123 V 25 () from 7. März 1997
Regeste: Art. 85bis IVV, Art. 104 lit. a OG, Art. 4 Abs. 1 BV - Art. 85bis IVV, der bevorschussenden Institutionen einen Anspruch auf Drittauszahlung von Rentennachzahlungen einräumt, ist gesetzes- und verfassungskonform. - Diese Bestimmung ist intertemporalrechtlich auf alle im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens (1. Januar 1994) hängigen Fälle anwendbar. - Die im Rahmen vorfrageweiser Prüfung vertretene Auffassung der kantonalen Instanz, wonach das zürcherische Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe vom 14. Juni 1981 (Sozialhilfegesetz) kein eindeutiges Rückforderungsrecht im Sinne von Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV enthalte, ist nicht willkürlich und verletzt daher Bundesrecht nicht.

123 V 81 () from 6. Juni 1997
Regeste: Art. 3 Abs. 4 lit. g und Abs. 4bis ELG, Art. 17 Abs. 1 lit. b ELKV: Behinderungsbedingte Mehrkosten. Die in Art. 17 Abs. 1 lit. b ELKV enthaltene Beschränkung der abziehbaren Transportkosten auf solche zum nächstgelegenen medizinischen Behandlungsort ist gesetzmässig.

123 V 175 () from 31. Juli 1997
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 59 Abs. 2 IVG, Art. 72bis IVV: Unabhängigkeit der medizinischen Abklärungsstellen der Invalidenversicherung (MEDAS). Die nach Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorausgesetzte Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gutachter der MEDAS war bereits in der Zeit vor Inkrafttreten des neuen Statuts der medizinischen Abklärungsstellen der Invalidenversicherung (am 1. Juni 1994) gewährleistet. Die Einflussnahme des Bundesamtes für Sozialversicherung beschränkte sich auf administrativ-organisatorische Belange. Mit dem neuen Statut wurde die schon zuvor bestehende fachlich-inhaltliche Weisungsunabhängigkeit der begutachtenden Ärzte institutionell verankert.

123 V 189 () from 22. Oktober 1997
Regeste: Art. 4 Abs. 2 BV, Art. 49 BVG: Witwerrente. Kennen die Statuten einer öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtung das Institut der Witwerrente überhaupt nicht, kann eine solche nicht gestützt auf Art. 4 Abs. 2 BV zugesprochen werden.

123 V 290 () from 16. Dezember 1997
Regeste: Art. 41 Abs. 3 KVG; Art. 97 ff., Art. 128 OG. Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung von Art. 41 Abs. 3 KVG sind sozialversicherungsrechtlicher Natur im Sinne von Art. 128 OG und daher letztinstanzlich durch das Eidg. Versicherungsgericht zu beurteilen. Art. 41 Abs. 3, Art. 42 Abs. 1 und 2 KVG; Art. 103 lit. a, Art. 132 OG; Art. 98a Abs. 3 OG. Partei im Streit um die Differenzzahlung nach Art. 41 Abs. 3 KVG ist neben dem Wohnkanton als Pflichtigem in erster Linie der Versicherte als Schuldner der Vergütung der vom Spital erbrachten Leistungen (System des Tiers garant). Parteistellung kommt auch dem Versicherer zu, wenn er gemäss Vereinbarung mit dem Spital die gesamte Vergütung schuldet oder wenn er als Garant dem Spital die Rechnung bezahlt hat (System des Tiers payant). Art. 41 Abs. 3 KVG; Art. 80 ff. KVG. Die Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens zur Geltendmachung und allenfalls gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Wohnkanton des Versicherten aufgrund von Art. 41 Abs. 3 KVG ist grundsätzlich Sache der Kantone. Dabei handelt es sich um selbständiges kantonales Verfahrensrecht, dessen Verletzung grundsätzlich nicht im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden kann. Art. 41 Abs. 3 KVG; Art. 132 und 134 OG; Art. 156 OG. - Bei der Differenzzahlung des Wohnkantons nach Art. 41 Abs. 3 KVG handelt es sich um zweckgebundene finanzielle Leistungen im Sinne des Subventionsrechts, welche nicht unter den Begriff der Versicherungsleistungen nach Art. 132 OG fallen. - Bestätigung der Praxis, wonach dem unterliegenden Kanton keine Gerichtskosten aufzuerlegen sind. Art. 41 Abs. 3 KVG; Art. 25 Abs. 2 lit. e, Art. 34 Abs. 1, Art. 49 Abs. 1 und 4 KVG; Art. 39 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1 Satz 1 KVG. Die Ausgleichspflicht des Wohnkantons besteht grundsätzlich auch, wenn der Versicherte in der halbprivaten oder privaten Abteilung untergebracht ist; es genügt, dass das Spital bzw. die betreffende Abteilung als Leistungserbringer im Sinne von Art. 39 Abs. 1 KVG zugelassen ist und die Behandlung in einem ausserkantonalen Spital aus medizinischen Gründen notwendig war. Grundlage für die Bemessung der Differenzzahlungspflicht des Wohnkantons bilden die Tarife für die allgemeine Abteilung für ausserkantonale Patienten und für die Einwohner des Kantons, in dem das Spital liegt.

124 I 1 () from 6. Februar 1998
Regeste: Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege. Ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege darf nicht allein mit der Begründung abgewiesen werden, dass der Gesuchsteller nicht bedürftig sei, weil er sich den Betrieb und den Unterhalt eines Autos leisten könne. Vielmehr hat der Gesuchsteller - unabhängig von der Verwendung seiner Mittel - als bedürftig zu gelten, wenn er aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse das Existenzminimum nicht decken kann; bei dieser Berechnung sind die Aufwendungen für den nicht lebensnotwendigen Bedarf selbstverständlich nicht zu berücksichtigen.

124 I 6 () from 20. Januar 1998
Regeste: Art. 4 BV und Art. 22ter BV, Art. 59 StGB, Legalitätsprinzip, Ersatzforderung für unrechtmässigen Vorteil. Hinreichende gesetzliche Grundlage im kantonalen Recht für die Einziehung eines unrechtmässigen Vorteils (E. 4a). Rechtsprechung zur Bemessung der Ersatzforderung (E. 4b/bb); Abweichungen vom Bruttoprinzip (E. 4b/cc). Verfassungswidrigkeit der Anwendung des Bruttoprinzips in Anbetracht des kantonalen Rechts, des Verhältnismässigkeitsprinzips und der Natur der Widerhandlung (E. 4b/dd).

124 I 11 () from 30. Januar 1998
Regeste: Art. 31 BV; Ablieferung von Gewinnen kantonaler Monopolanstalten an den Staat. Tragweite des Vorbehalts kantonaler Regale in Art. 31 Abs. 2 BV. Das Gebäudeversicherungsmonopol ist nicht als Fiskalmonopol zulässig (E. 3). Ein polizeilich oder sozialpolitisch gerechtfertigtes Monopol darf aber einen Reingewinn abwerfen, sofern diesbezüglich die verfassungsmässigen Grundsätze der Abgabenerhebung erfüllt sind (E. 4 u. 5). Das Kostendeckungsprinzip gilt auch für Regalgebühren, soweit keine fiskalische Rechtfertigung des Regals zulässig ist (Präzisierung der Praxis) (E. 6b). Gesetzliche Grundlage für die Ablieferung eines geringen Überschusses an den Staat (E. 7).

124 I 34 () from 30. Januar 1998
Regeste: Persönliche Freiheit; Gutachtensauftrag an den Strafantragsteller. Die Aushändigung von in einem Strafverfahren sichergestellten Computerfestplatten und Disketten an einen Experten bewirkt einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschuldigten, wenn darauf auch persönliche Daten gespeichert sind (E. 3a). Für den Beizug eines Experten zur Analyse von elektronischen Datenträgern in einem Strafverfahren besteht im zürcherischen Recht im Prinzip eine genügende gesetzliche Grundlage (E. 3b und c). Eine solche fehlt jedoch für die Vergabe des Gutachtensauftrags an den Strafantragsteller (E. 3d und e).

124 I 40 () from 27. Februar 1998
Regeste: Persönliche Freiheit, Verhältnismässigkeitsgebot (psychiatrische Zwangsbegutachtung). Garantie der persönlichen Freiheit (E. 3a). Gesetzliche Grundlage als Voraussetzung für Eingriffe in die Freiheitsrechte (E. 3b). Eidgenössische und kantonale Vorschriften sowie Bundesgerichtspraxis zur psychiatrischen Begutachtung im Entmündigungsverfahren (E. 3c-d). Verfassungsmässiges Gebot der Verhältnismässigkeit (E. 3e). Umstände, unter denen die zwangsweise polizeiliche Vorführung einer hochbetagten, gebrechlichen und pflegebedürftigen Person zur ärztlichen Begutachtung in einer psychiatrischen Klinik unverhältnismässig erscheint (E. 4a-e). Verhältnismässigkeit und Gesetzmässigkeit einer ambulanten psychiatrischen Begutachtung am Wohn- und Pflegeort der betroffenen Person (E. 5).

124 I 55 () from 1. April 1998
Regeste: Staatliche Beiträge an Parteien anlässlich von Wahlen, Art. 4 BV, Stimm- und Wahlfreiheit. Stimm- und Wahlfreiheit sowie Gleichheitsgebot und Diskriminierungsverbot; Neutralitätsgebot bei Interventionen des Gemeinwesens (E. 2); Bedeutung der Rechtsgleichheit im Bereiche der politischen Rechte (E. 5a). Gründe für unterschiedliche Behandlung von Parteien entsprechend dem Umfang der Wahlerfolge bei staatlichen Beitragsleistungen anlässlich von Wahlen (E. 5b und 5c). Die Rückerstattung der Kosten für den Druck von Wahllisten auf Parteien zu beschränken, die im Wahlkreis mindestens 7,5% der Listenstimmen erreichen, ist verfassungsrechtlich nicht haltbar (E. 6). Der Ausschluss kleiner Parteien von der staatlichen Unterstützung an den Wahlkampf, die keine 5 Sitze im Grossen Rat erringen, hält vor der Stimm- und Wahlfreiheit nicht stand (E. 7).

124 I 92 () from 18. März 1998
Regeste: Art. 2 Abs. 1 Prot. Nr. 7 EMRK und Art. 14 Abs. 5 UNO-Pakt II: Recht auf Anfechtung eines Strafurteils bei einem Gericht zweiter Instanz. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts, an ein Gericht höherer Instanz zu rekurrieren, werden von den nationalen Gesetzen umschrieben. Art. 2 Abs. 1 Prot. Nr. 7 EMRK und Art. 14 Abs. 5 UNO-Pakt II verlangen nicht, dass ein solches Gericht volle Prüfungsbefugnis in Tat- und Rechtsfragen hat. Der Kassations- und Revisionshof in Strafsachen des Appellationsgerichts des Kantons Tessin stellt somit ein zweitinstanzliches Gericht im Sinne der genannten Bestimmungen dar, obgleich die Kassationsbeschwerde nur für die Rechtsfragen eine umfassende Prüfung, hingegen in Tat- und Beweisfragen nur eine auf Willkür beschränkte Prüfung vorsieht (E. 2).

124 I 97 () from 16. März 1998
Regeste: Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; Bedürftigkeit (Art. 4 BV). Mit Art. 4 BV nicht zu vereinbaren ist die Praxis, die den Besitzer eines Autos ohne Kompetenzcharakter unbekümmert darum als nicht bedürftig erachtet, ob seine Vermögensverhältnisse unter Einrechnung des Wertes des Autos die Bestreitung der Prozesskosten ganz oder teilweise ermöglichen (E. 3). Unter bestimmten Umständen ist ein gegen beide Ehegatten ergangener kantonaler Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege auch aufzuheben, soweit er den Ehegatten betrifft, der ihn nicht angefochten hat; Umstände des konkreten Falles (E. 4).

124 I 127 () from 27. Mai 1998
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 270 Abs. 2 OR, Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 4 BV; Formularpflicht beim Abschluss von neuen Mietverträgen. Tragweite des Vorbehalts zugunsten der Kantone gemäss Art. 270 Abs. 2 OR (E. 2a und b). Konkretisierung des bundesrechtlichen Begriffs des Wohnungsmangels (E. 2c und d). Kompetenz des Zürcher Regierungsrats zum Erlass von Vollzugsverordnungen (E. 3a). Zulässigkeit der näheren Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels durch den Regierungsrat (E. 3b-d). Es ist nicht willkürlich, wenn das kantonale Recht das Vorliegen von Wohnungsmangel an einen Leerwohnungsbestand von unter 1% knüpft (E. 4). Willkürliche Aufhebung der Formularpflicht für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis am 31. Oktober 1997 (E. 5). Konsequenzen dieser zeitlich beschränkten Verfassungswidrigkeit (E. 6).

124 I 145 () from 20. März 1998
Regeste: Rechtsgleichheit bei der Festsetzung des Eigenmietwertes und des Vermögenssteuerwerts; Art. 4 BV; Steuerharmonisierungsgesetz; § 21 und 39 des zürcherischen Steuergesetzes vom 8. Juni 1997. Wirkung des Steuerharmonisierungsgesetzes während der achtjährigen Anpassungsfrist gemäss Art. 72 StHG? Frage offengelassen, da das Steuerharmonisierungsgesetz bezüglich der Eigenmietwertbesteuerung den Kantonen keine engeren Grenzen setzt, als sie schon in Art. 4 BV enthalten sind (E. 2 u. 3). Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besteuerung des Eigenmietwertes; dieser muss mindestens 60% des Marktmietwertes betragen (E. 4). Ein Gesetz, welches den Eigenmietwert "in der Regel" auf 60% des Marktwertes festlegt, ist verfassungswidrig (E. 5). Es verstösst gegen das Steuerharmonisierungsgesetz und gegen Art. 4 BV, den Vermögenssteuerwert für Grundstücke in der Regel auf 60% des Marktwertes festzulegen (E. 6).

124 I 159 () from 20. März 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV; Tessiner Gesetz vom 13. November 1996 über die amtliche Schätzung des unbeweglichen Vermögens; Rechtsgleichheit im Steuerrecht; abstrakte Normenkontrolle. Eintretensvoraussetzungen im Falle einer staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 ff. OG) gegen einen kantonalen Erlass, welcher nach Darstellung der Beschwerdeführer Dritten Vorteile einräumt und dadurch das Rechtsgleichheitsgebot verletze (E. 1, Bestätigung der Rechtsprechung). Art. 45 des Tessiner Gesetzes vom 13. November 1996 über die amtliche Schätzung des unbeweglichen Vermögens sieht vor, dass der amtliche Schätzungswert der im Kanton gelegenen Liegenschaften in allen Anwendungsfällen nur zu 70% anzurechnen sei ("Ausgleichswert"). Diese Regel verletzt das Gebot, Eigentümer von beweglichen und unbeweglichen Gütern steuerlich gleich zu behandeln (E. 2).

124 I 185 () from 3. Juni 1998
Regeste: Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II, § 10 Abs. 3 lit. a StPO/BS. Notwendige Verteidigung. Im Grundsatz des fairen Verfahrens enthaltene richterliche Fürsorge- und Aufklärungspflichten. § 10 Abs. 3 lit. a der StPO/BS in der bis Ende 1997 geltenden Fassung enthält - entgegen BGE 113 Ia 218 - keine gesetzliche Grundlage für eine notwendige Verteidigung (E. 2). Pflicht des Richters, die nicht anwaltlich vertretene Angeklagte über ihre Verteidigungsrechte aufzuklären und bei einer offenkundig ungenügenden Verteidigung das zur Gewährleistung einer genügenden Verteidigung Erforderliche vorzukehren (E. 3 und 4).

124 I 193 () from 29. Mai 1998
Regeste: Rechtsgleichheit bei der Festsetzung des Eigenmietwertes und des Vermögenssteuerwertes; Art. 4 BV; § 34 des zürcherischen Steuergesetzes vom 8. Juli 1951. Eine Weisung, die dazu führt, dass die Eigenmietwerte im Durchschnitt rund 60% des Marktwertes betragen, verstösst gegen Art. 4 BV (E. 3). Eine Weisung, die dazu führt, dass die Vermögenssteuerwerte für Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum rund 60% des Marktwertes betragen, stellt eine willkürliche Anwendung von § 34 des kantonalen Steuergesetzes dar (E. 4). Folgen der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Weisungen (E. 5).

124 I 203 () from 3. Juli 1998
Regeste: Persönliche Freiheit (Recht des Gefangenen auf Bargeldbesitz; Zulässigkeit einer disziplinarischen Besuchssperre). Die verfassungsrechtlichen Schranken für Eingriffe in die Freiheitsrechte gelten auch bezüglich des Bargeldbesitzes von Gefangenen (E. 2b-c). Die Weisung der Direktion der kantonalen Strafanstalt Pöschwies vom 20. Februar 1995 betreffend das Mitführen von Bargeld bei Besuchen liegt im öffentlichen Interesse und stützt sich auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage (E. 2d-f). Zulässigkeit von angemessenen Disziplinarsanktionen zur Durchsetzung der Weisung vom 20. Februar 1995. Das im vorliegenden Fall verhängte disziplinarische Besuchsverbot von einem Monat Dauer erscheint nicht als unverhältnismässiger Eingriff in die persönliche Freiheit des betroffenen Gefangenen (E. 4).

124 I 208 () from 25. August 1998
Regeste: Persönliche Freiheit, Art. 4 BV, Art. 5 EMRK; Beweisverfahren im Haftprüfungsverfahren, Wiederholungsgefahr. Trotz des Beschleunigungsgebots kein grundsätzlicher Ausschluss von Beweismassnahmen im Haftprüfungsverfahren (E. 3). Zulässigkeit der Abweisung von Beweisbegehren zur Frage der Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall (E. 4). Anforderungen an die Wiederholungsgefahr; Bejahung von Wiederholungsgefahr (E. 5). Zulässige Dauer der Untersuchungshaft (E. 6).

124 I 216 () from 23. Juni 1998
Regeste: Art. 4 BV; Art. 69 und Art. 132 KV/BE; Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (SBS); Dekret vom 10. Mai 1972 über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (Fahrzeugsteuerdekret, DBS); Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an das kantonale Parlament im Bereich des Abgaberechts. Indem das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge die Bemessung der Motorfahrzeugsteuer dem Grossen Rat als Dekretsgeber überlässt, nimmt es eine nach Art. 69 Abs. 4 KV/BE nicht mehr zulässige Delegation vor; der auf dieser Delegation beruhende Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets ist somit heute formell verfassungswidrig (E. 4c). Formell verfassungswidrig gewordene Bestimmungen dürfen nach Art. 132 Abs. 1 KV/BE zwar vorläufig in Kraft bleiben; hingegen verletzt die am 28. Juni 1995 in Form einer Dekretsänderung beschlossene Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer neben Art. 69 Abs. 4 auch die Übergangsbestimmung von Art. 132 Abs. 1 Satz 2 KV/BE und damit den in diesen Verfassungsvorschriften zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltentrennung (E. 6).

124 I 223 () from 8. Juli 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 2 BV; Gleichstellungsgesetz; Lohngleichheit; Gemeindeautonomie. Wird nicht eine Verletzung des Gleichstellungsgesetzes, sondern ausschliesslich der Gemeindeautonomie gerügt, so ist nur die staatsrechtliche Beschwerde zulässig (E. 1). Keine Autonomie der solothurnischen Gemeinden in der Festsetzung der Erfahrungsstufen für Kindergärtnerinnen (E. 2). Kostenfolgen (E. 3).

124 I 231 () from 5. Juni 1998
Regeste: Art. 3 EMRK; Behandlung eines Inhaftierten während einer Disziplinarstrafe. Eintretensvoraussetzungen für die staatsrechtliche Beschwerde: Subsidiarität (E. 1a), aktuelles Interesse (E. 1b) und rechtliches Interesse (E. 1c). Minimalgarantien, die bei der Durchführung einer Disziplinarmassnahme an einem Inhaftierten zu respektieren sind (E. 2a/b). Im vorliegenden Fall erhielt der Beschwerdeführer genügende ärztliche Betreuung; die mangelhafte Lüftung seiner Zelle sowie die ihm auferlegten hygienischen Verhältnisse können nicht einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgesetzt werden (E. 2c).

124 I 241 () from 27. August 1998
Regeste: Kostenvorschusspflicht der beklagten Partei im Bernischen Zivilprozess (Art. 57 ZPO/BE; Art. 4 BV). Die in Art. 57 Abs. 1 und 2 ZPO/BE normierte Regelung, auch von der beklagten Partei und unter Androhung der Säumnisfolgen gemäss Art. 286 ZPO/BE einen Vorschuss für die mutmasslichen Gerichtskosten zu verlangen, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 4).

124 I 247 () from 9. Juli 1998
Regeste: Art. 4 BV und Art. 49 BV, Art. 9 EMRK; Quellensteuer; gesetzliche Grundlage; Verjährung; Rechtsgleichheit; Glaubens- und Gewissensfreiheit. Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Regelung, wonach der Steuerabzug an der Quelle die Kirchensteuer mit einbezieht, diese jedoch auf Gesuch dem Quellensteuerpflichtigen, der keiner staatlich anerkannten Kirche angehört, zurückerstattet wird: - Erfordernis der Grundlage in einem formellen Gesetz (E. 3 und 4); - Verjährung des Anspruchs auf Rückerstattung auch ohne ausdrückliche Bestimmung (E. 5); - Gebot der rechtsgleichen Behandlung (E. 6); - Glaubens- und Gewissensfreiheit (E. 7).

124 I 255 () from 28. Juli 1998
Regeste: Art. 89 Abs. 1 OG (Fristversäumnis wegen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung). Art. 107 Abs. 3 OG gilt sinngemäss auch im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren (E. 1a). Art. 87 OG (Anfechtbarkeit von letztinstanzlichen Zwischenentscheiden). Der Zwischenentscheid über das Ablehnungsgesuch gegen den Protokollführer einer Justizbehörde betrifft eine Streitsache gerichtsorganisatorischer Art, welche ihrer Natur nach endgültig zu erledigen ist, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann (E. 1b). Art. 58 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht). Begriff der zivilrechtlichen Streitigkeit (E. 4b, E. 5a). Die bernische Bodenverbesserungskommission (BVK) wurde nach kantonalem Recht als Justizorgan konstituiert (E. 5b). Der Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht betrifft grundsätzlich auch die Person des Gerichtsschreibers bzw. Protokollführers, falls dieser, namentlich als Jurist, an der Willensbildung des vorwiegend aus Laien zusammengesetzten Gerichtes mitwirkt (E. 4a - c, E. 5c/aa). Der Umstand, dass der Sekretär der BVK gleichzeitig Beamter der kantonalen Verwaltung (Volkswirtschaftsdirektion) ist, verletzt Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 5c/bb - e).

124 I 274 () from 23. September 1998
Regeste: Folgen der Feststellung einer EMRK-Verletzung auf laufendes Strafverfahren; Personalunion von Haftrichter und Ankläger; Einvernahme von Belastungszeugen (Art. 5 Ziff. 3 und 5, Art. 6 Ziff. 3 lit. d, Art. 32 Ziff. 4 EMRK). Bindung an Entscheid des Ministerkomitees nach Art. 32 Ziff. 4 EMRK (E. 3b). Personalunion von Haftrichter und Ankläger verletzt die Garantie nach Art. 5 Ziff. 3 EMRK. Die Verletzung führt zum Verantwortlichkeitsverfahren nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK, erfordert indessen nicht eine neue Anklage durch einen anderen Staatsanwalt (E. 3; Änderung der Rechtsprechung). Grundsätze zum Anspruch auf Befragung von Belastungszeugen; der Verzicht auf gerichtliche Konfrontation des Angeschuldigten mit einer Grosszahl von Zeugen verletzt weder Art. 4 BV noch Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (E. 5).

124 I 289 () from 24. August 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV; § 1 des basel-städtischen Gesetzes vom 8. November 1973 über die Strassenreinigungsbeiträge; § 16 des Gesetzes vom 16. Oktober 1980 zum Schutz und zur Förderung des Baumbestandes im Kanton Basel-Stadt. Begriff der Kostenanlastungssteuer (E. 3b). Es gibt keine sachlichen Gründe, welche eine hälftige Finanzierung der Strassenreinigung durch eine Sondersteuer der Grundeigentümer rechtfertigen würden (E. 3c-3e). Werden hinreichende Anhaltspunkte geliefert, dass eine zweckgebundene Abgabe entgegen ihrer gesetzlichen Bestimmung verwendet wird, ist die angerufene Gerichtsbehörde gehalten, bei den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte einzuholen (E. 4).

124 I 304 () from 23. September 1998
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege betreffend ein Verfahren, in dem die Zulässigkeit von medizinischen Zwangsmassnahmen in Frage steht. Voraussetzungen des aus Art. 4 BV abgeleiteten Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege; Kognition des Bundesgerichts in Bezug auf Tat- und Rechtsfragen (E. 2). Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Beschwerde unter Berücksichtigung, dass sich schwierige Rechtsfragen stellen und der Kerngehalt der persönlichen Freiheit berührt ist (E. 4).

124 I 310 () from 28. August 1998
Regeste: Art. 4 BV und 31 BV; Tessiner Gesetz vom 15. März 1983 über die Advokatur; Standesregeln des Anwaltsverbandes des Kantons Tessin vom 4. Dezember 1971; Anbieten eines telefonischen Rechtsberatungsdienstes per Telebusiness durch Anwälte, die dem kantonalen Anwaltsverband angehören. Zusammenfassung der im Bereich der Handels- und Gewerbefreiheit geltenden Regeln (E. 3a). Das Verbot, einen telefonischen Rechtsberatungsdienst per Telebusiness anzubieten, dessen Missachtung mit einer disziplinarischen Verwarnung geahndet wird, stellt im Lichte der ausgesprochenen Sanktion keinen schweren Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit des Anwalts dar (E. 3b). Rechtliche Grundlage für die Standesregeln der Anwälte: Bestätigung der Rechtsprechung (E. 4). Ist das Anbieten eines telefonischen Rechtsberatungsdienstes per Telebusiness vereinbar mit dem Erfordernis der beruflichen Würde des Anwalts? Frage offen gelassen, da jedenfalls die Annahme nicht gegen das Willkürverbot verstösst, dass eine derartige Arbeitsweise nicht vereinbar ist mit der im Tessiner Recht umschriebenen Pflicht des Anwalts, seine Tätigkeit auf gewissenhafte Art auszuüben (E. 5). Das Verbot, Rechtsberatung unter Benutzung von Telebusiness anzubieten, verletzt die Handels- und Gewerbefreiheit des Anwalts nicht (E. 6).

124 I 336 () from 5. November 1998
Regeste: Persönliche Freiheit und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Prozessfähigkeit des Untersuchungsgefangenen. Das Recht, vor Gericht aufzutreten, ist Teil der persönlichen Freiheit (E. 4a) und des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 4b). Tragweite der Prozessfähigkeit von Untersuchungsgefangenen (E. 4c). Im vorliegenden Fall hat die Behörde das Verbot gegenüber einem Untersuchungsgefangenen, im Ausland einen Prozess anzuheben, unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit und von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht mit hinreichenden Verdachtsgründen belegt (E. 4d).

124 II 1 () from 22. Dezember 1997
Regeste: Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Art. 13b Abs. 2 ANAG und Art. 13c Abs. 4 ANAG; Entlassungsgesuch eines Ausschaffungshäftlings im Hungerstreik. Haftprüfungssystem im Zwangsmassnahmengesetz (E. 1). Sperrfrist für ein Haftentlassungsgesuch im Anschluss an die richterliche Bewilligung der Haftverlängerung (E. 2b); Vereinbarkeit mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK (E. 2c). Voraussetzungen, unter denen die Sperrfrist von Art. 13c Abs. 4 letzter Satz ANAG nicht gilt (E. 3a). Ausnahmesituation verneint in einem Fall, in dem sich der Betroffene seit der letzten Haftgenehmigung im Hungerstreik befindet (E. 3b).

124 II 132 () from 20. März 1998
Regeste: Art. 80p IRSG; Überprüfung der mit der Auslieferung verbundenen Auflagen. Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Prüfung, ob die Antwort des ersuchenden Staates den verlangten Auflagen genügt (E. 2). Tragweite der Auflagen, die dem ersuchenden Staat in Anwendung von Art. 80p IRSG auferlegt wurden; Tragweite der Obliegenheit des Bundesamts, wenn es prüft, ob die Antwort des ersuchenden Staats eine hinreichende Verpflichtung darstellt (E. 3). Im vorliegenden Fall entsprachen die vom ersuchenden Staat abgegebenen Zusicherungen nicht vollständig den Auflagen, die an die Gewährung der Auslieferung geknüpft wurden (E. 4a-d). Wegen der besonderen Umstände der Angelegenheit ist es gerechtfertigt, dem ersuchenden Staat eine letzte Frist anzusetzen, damit er die verlangte Zusicherung abgeben kann (E. 4e).

124 II 146 () from 13. März 1998
Regeste: Art. 18 EBG; Plangenehmigung für Eisenbahnanlagen (BAHN 2000, Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist). Anforderungen an die Begründung von Plangenehmigungsverfügungen; Zulässigkeit von Verweisen auf Pläne im Verfügungsdispositiv (E. 2). Kompetenz der Plangenehmigungsbehörde zur Anordnung von Projektänderungen; es genügt, solche Projektänderungen nachträglich öffentlich aufzulegen (E. 3). Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Rodungsbewilligungen bei verfügten Projektänderungen und (auch) die Waldfrage betreffenden nachlaufenden Bewilligungsverfahren (E. 4). Allgemeine Gesichtspunkte bei der Beurteilung von Linienführungen (E. 5a, 6a und 6c). Überprüfung der Linienführung aus der Sicht des Landschafts-, Lärm- und Gewässerschutzes, der Wildbiologie und der Landwirtschaft (E. 5 und 6).

124 II 165 () from 16. März 1998
Regeste: Qualitativer Waldbegriff (Bestockung von weniger als 800 m2, spitzwinklige Einbuchtung in das Waldareal). Begriff des Waldbaumes (Strobe, Rosskastanie). Begriff des Niederwaldes. Art. 2, 22 WaG, Art. 1 WaV, Art. 2 des Kantonalen Waldgesetzes (KWaG), Art. 25 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung dazu (KWaV). Hat eine Bestockung von weniger als 800 m2 Waldqualität, ist sie als Wald auszuscheiden, selbst wenn das kantonale Recht die Mindestfläche dafür auf 800 m2 ansetzt (E. 2). Eine spitzwinklige Einbuchtung in den Wald ist nach den insoweit mit dem qualitativen Waldbegriff des Bundesrechts übereinstimmenden Bündner Richtlinien zum Waldareal zu zählen (E. 6). Begriff des Waldbaumes im Sinne von Art. 2 Abs. 1 WaG. Anwendung auf Strobe und Rosskastanie (E. 7, 8). Beurteilung der konkreten Bestockung (E. 9, 10). Begriff des Niederwaldes im Sinne von Art. 25 Abs. 2 KWaV und Ziff. 4.4 der Bündner Richtlinien. Vereinbarkeit mit dem Kahlschlagverbot von Art. 22 WaG (E. 11).

124 II 193 () from 19. März 1998
Regeste: Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ÜbBest.BV; Art. 14 Ziff. 3 MWSTV. Von der Steuer ausgenommene Umsätze im Bereich des Gesundheitswesens; Lieferungen von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaturen . Anspruch eines Berufsverbandes auf einen Feststellungsentscheid im Sinne von Art. 51 Abs. 1 lit. f MWSTV (E. 3). Art. 14 Ziff. 3 MWSTV, der die Lieferungen von Zahnprothesen als steuerbar erklärt, hält sich im Rahmen des dem Bundesrat durch die Verfassung, insbesondere Art. 8 ÜbBest.BV, eingeräumten gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums (E. 4-5). Der Bundesrat kann aus sachlichen Gründen eine im Richtlinienrecht der Europäischen Union vorgesehene Lösung ablehnen. Dieses wie auch die ausländischen Umsatzsteuerordnungen können bei der Auslegung der Mehrwertsteuerverordnung berücksichtigt werden (E. 6a). Mehrwertsteuerrechtliche Behandlung von Prothetikumsätzen in der Europäischen Union und gewissen Mitgliedstaaten (E. 6b-f). Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Besteuerung der Lieferungen von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaturen (E. 7a). Diese Praxis hält sich im Rahmen von Art. 14 Ziff. 3 MWSTV (E. 7b -d). Verhältnis zwischen dem Prinzip der Wettbewerbsneutralität und dem Gebot der Gleichbehandlung (E. 8a). Die Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung verstösst nicht gegen Art. 4 und 31 BV (E. 8b-d).

124 II 265 () from 12. Mai 1998
Regeste: Art. 60 RTVG; Beanstandungsfrist; Auslegung von Gesetzen; guter Glaube und Verbot des überspitzten Formalismus. Die in Art. 60 Abs. 1 RTVG statuierte Frist von 20 Tagen zur Beanstandung einer Radio- oder Fernsehsendung ist eine Verwirkungsfrist, die nicht verlängert werden kann (E. 2). Diese Frist beginnt, entsprechend dem Wortlaut von Art. 60 Abs. 1 RTVG, mit der Ausstrahlung der beanstandeten Sendung zu laufen, und zwar auch dann, wenn die beanstandende Partei erst nach Ablauf der Frist Kenntnis vom Bestehen oder vom Inhalt dieser Gesetzesbestimmung erhält (E. 3). Vorliegend war die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) nicht gehalten, den Beschwerdeführer zum vornherein auf die formellen Anforderungen von Art. 60 ff. RTVG aufmerksam zu machen. Ausserdem kann nicht gesagt werden, die Gesellschaft habe bei ihm durch ihre Haltung den Eindruck erweckt, ein Handeln seinerseits sei nicht nötig (E. 4).

124 II 372 () from 10. Juni 1998
Regeste: Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ÜbBest. BV; Art. 14 Ziff. 2 und 3 MWSTV. Von der Steuer ausgenommene Umsätze im Bereich des Gesundheitswesens; Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken. Massgebendes Recht und Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung (E. 4). Auslegung von Verfassungsbestimmungen (E. 5). Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ÜbBest. BV nimmt nur Heilbehandlungen am Menschen von der Steuer aus. Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken gehören nicht dazu. Art. 14 Ziff. 2 und 3 MWSTV hält sich im Rahmen der dem Bundesrat durch die Verfassung eingeräumten Kompetenzen (E. 6). Vergleich mit der Richtlinienregelung in der Europäischen Union (E. 7). Die Praxis, wie die Eidgenössischen Steuerverwaltung sie verfolgt, respektiert die durch Verfassung und Mehrwertsteuerverordnung vorgezeichnete Ordnung und verletzt das Gleichbehandlungsgebot nicht (E. 8).

124 II 409 () from 8. Juni 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Gleichstellungsgesetz; Lohngleichheit; Zürcher Handarbeitslehrerinnen. Im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis unterliegen letztinstanzliche kantonale Entscheide in Anwendung des Gleichstellungsgesetzes der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht; der Kanton ist als Arbeitgeber zur Beschwerde legitimiert (E. 1). Direkte und indirekte Benachteiligung im Sinne von Art. 3 des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (E. 7). Ein Lohnunterschied zwischen einem typisch weiblichen und einem geschlechtsmässig neutral identifizierten Beruf kann eine Diskriminierung darstellen (E. 8). Gleichwertigkeit unterschiedlicher Tätigkeiten (E. 9). Beurteilung der vom Kanton Zürich durchgeführten vereinfachten Funktionsanalyse (E. 10). Die Erhöhung der Pflichtstundenzahl einzig für einen Frauenberuf kann diskriminierend sein; der Kanton muss aber die Möglichkeit haben, den Beweis des Gegenteils zu führen (E. 11).

124 II 436 () from 3. Juli 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 2 BV; Art. 3 und 6 des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG); Lohngleichheit; Solothurner Kindergärtnerinnen. Ein Lohnunterschied zwischen einem typisch weiblichen und einem geschlechtsmässig neutral identifizierten Beruf kann eine Diskriminierung darstellen (E. 6). Eine Diskriminierung ist im Sinne von Art. 6 GlG glaubhaft gemacht, wenn einzig bei Kindergärtnerinnen das angeblich geringere Arbeitspensum zu einer tieferen Lohneinstufung führt (E. 7). Der Beweis des Gegenteils ist erbracht, wenn das Arbeitspensum tatsächlich tiefer ist (E. 8 u. 9). Der Anspruch auf diskriminierungsfreien Lohn kann im Rahmen der Verjährung auch nachträglich geltend gemacht werden (E. 10). Höhe des gerichtlich zuzusprechenden Lohnes (E. 11).

124 II 499 () from 10. August 1998
Regeste: Art. 48 lit. a VwVG und Art. 43 Abs. 4 KG. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen (E. 1). Parteistellung im Verfahren vor der Wettbewerbskommission gemäss Kartellgesetz, im Besonderen im Verfahren der Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen (E. 3a). Befugnis zur Beschwerdeführung vor der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen gemäss den allgemeinen Vorschriften des Bundesverwaltungsverfahrens (E. 3b). Vorliegend Verneinung der Beschwerdebefugnis eines durch den Zusammenschluss zweier Tageszeitungen indirekt betroffenen Dritten (E. 3c u. d).

124 II 529 () from 2. Oktober 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Gleichstellungsgesetz; Lohngleichheit; Solothurner Sozialbetreuerin. Keine Geschlechtsdiskriminierung durch Höhereinstufung von Männern mit Führungsfunktion gegenüber einer Frau ohne Führungsfunktion (E. 4). Geschlechtsdiskriminierung durch generelle Einstufung der Funktion "Sozialbetreuer(in)"? Voraussetzungen, damit eine Funktion als geschlechtsspezifisch betrachtet werden kann (E. 5). Gutheissung der Beschwerde wegen ungenügender Feststellung des Sachverhalts (E. 6).

124 III 134 () from 15. Januar 1998
Regeste: Internationales Privatrecht. Gerichtsstandsvereinbarung. Kognition des Bundesgerichts im Hinblick auf das ausländische Recht (Art. 17 und 27 Ziff. 1 LugÜ, Art. 43a Abs. 2 OG). Die Frage, ob ein Garantievertrag, der vom Bürgermeister einer französischen Gemeinde mit einem schweizerischen Finanzinstitut abgeschlossen wurde und eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines schweizerischen Gerichtes enthält, nach französischem Verwaltungsrecht Gültigkeit hat, ist dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde zu unterbreiten.

124 III 428 () from 12. August 1998
Regeste: Art. 27 Abs. 2 SchKG und Art. 29 SchKG: Bewilligung zur gewerbsmässigen Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Übersicht über die gesetzliche Regelung bezüglich Parteivertretung im Kanton Waadt (E. 2). Die in Art. 29 SchKG vorgesehene Genehmigung des Bundes für in Ausführung dieses Gesetzes erlassene kantonale Bestimmungen ist Gültigkeitsvoraussetzung (E. 3a). Das entsprechend genehmigte Waadtländer Gesetz über die Parteivertretung bildet hinreichende gesetzliche Grundlage, um eine Bewilligungspflicht für die gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren zu begründen (E. 3b). Tragweite und Anwendungsvoraussetzungen von Art. 27 Abs. 2 SchKG (E. 4).

124 III 501 () from 5. November 1998
Regeste: Art. 81 Abs. 1 SchKG; Einwendungen bei der definitiven Rechtsöffnung; Einreden des Schuldners bei teilweiser Tilgung der Schuld; Prüfungsbefugnis des Rechtsöffnungsrichters. Gemäss Art. 81 Abs. 1 SchKG kann der Richter nur eng beschränkte Mittel zur Abwehr zulassen, die der Schuldner durch Urkunden zu beweisen hat (E. 3a). Bei teilweiser Tilgung der Schuld kann definitive Rechtsöffnung daher nur für den erloschenen Teil der Schuld verweigert werden; der Schuldner hat durch Urkunden den Grund der teilweisen Tilgung und den entsprechenden Betrag darzulegen, ansonsten definitive Rechtsöffnung für die ganze Schuld zu erteilen ist (E. 3b). Im vorliegenden Fall verletzt der Entscheid, die Rechtsöffnung nicht zu gewähren, diese Grundsätze (E. 3c) und führt darüber hinaus zu einem willkürlichen Ergebnis, indem der Gläubigerin und ihrem Sohn die gestützt auf ein vollstreckbares Urteil geschuldeten Unterhaltsbeiträge vorenthalten werden (E. 3d).

124 IV 34 () from 7. November 1997
Regeste: Art. 24 StGB und Art. 19 Ziff. 2 BetmG: Anstiftung zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz durch einen ausländischen V-Mann. Anstiftung scheidet aus, wenn der Täter den Entschluss zur bestimmten Tat bereits gefasst hat (E. 2c; Bestätigung der Rechtsprechung). Stiftet ein V-Mann jemanden zur Begehung von Delikten an, tritt er als "agent provocateur" oder "Lockspitzel" auf und handelt damit widerrechtlich (E. 3d/aa). Sein Fehlverhalten ist den zuständigen Strafverfolgungsbehörden jedenfalls dann zuzurechnen, wenn er in seiner Eigenschaft als polizeilicher verdeckter Ermittler gehandelt hat; die Zurechnung entfällt hingegen bei einem für einen fremden Staat tätigen ausländischen V-Mann, dessen Einsatz ohne Wissen und Zustimmung der zuständigen schweizerischen Behörden erfolgt ist (E. 3d/bb). Der rechtswidrige V-Mann-Einsatz kann unter bestimmten Umständen die Straflosigkeit der provozierten Personen begründen (E. 3e).

124 IV 86 () from 6. März 1998
Regeste: Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG und Art. 4 BV: Begriff der Bande; verfassungsrechtliche Anforderungen an die Feststellung des Vorsatzes bandenmässiger Tatbegehung. Bedeutung und Geltendmachung des Grundsatzes "in dubio pro reo" (E. 2a). Zwei Personen genügen, um eine Bande zu bilden (E. 2b; Bestätigung der Rechtsprechung). Für den Begriff der "Bande" ist aber weniger auf die Zahl der Mitglieder als auf den Organisationsgrad und die Intensität der Zusammenarbeit der Täter abzustellen (E. 2b; Weiterentwicklung der Rechtsprechung). Die Bejahung des Vorsatzes bandenmässiger Tatbegehung trotz gewichtiger Gegenindizien allein gestützt auf den Umstand, dass zwei Täter mehrere Delikte gemeinsam verübt haben, ist willkürlich und verletzt den Grundsatz "in dubio pro reo" (E. 2c).

124 IV 137 () from 31. März 1998
Regeste: Art. 8 Abs. 1 OHG; Rolle des Opfers im Strafverfahren. Wenn das kantonale Verfahrensrecht keine weitergehenden Bestimmungen kennt, kann sich das Opfer nur in den drei in lit. a bis c des Art. 8 Abs. 1 OHG genau umschriebenen Fällen als Partei am Strafverfahren beteiligen (E. 2d). Insbesondere regelt das OHG nicht, ob das Opfer in der Voruntersuchung den Beweiserhebungen beiwohnen darf (E. 2e).

124 V 12 () from 16. Januar 1998
Regeste: Art. 21 Abs. 3 und 4 IVG; Art. 14 IVV; Art. 7 Abs. 3 HVI: Kostenübernahme für Betrieb und Unterhalt von Hörgeräten durch die Invalidenversicherung. - Art. 7 Abs. 3 HVI (in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung), welcher im letzten Satz vorsieht, dass die Invalidenversicherung die Kosten für Betrieb und Unterhalt von Hörgeräten nicht übernimmt, hält sich insofern in dem durch Art. 21 IVG bestimmten gesetzlichen Rahmen. - Hingegen stellt das Fehlen der Übernahme von Betriebs- und Unterhaltskosten von Hörgeräten angesichts der Tatsache, dass die Invalidenversicherung solche Kosten für die andern Hilfsmittel übernimmt, eine mit ernsthaften und sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar.

124 V 22 () from 27. Januar 1998
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und 4 KVG; Art. 58 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 97 ff. OG; Art. 5 und 45 VwVG. Zusammenfassung der Eintretensvoraussetzungen bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Zwischenverfügungen über den Ausstand oder die Ablehnung von Mitgliedern eines kantonalen Schiedsgerichts nach KVG. Art. 89 Abs. 1 und 4 KVG. Ob kantonale Schiedsgerichte nach Art. 89 KVG auch mit nicht im Kanton wohnhaften Schiedsrichtern besetzt werden können, bestimmt sich mangels einer bundesrechtlichen Regelung nach kantonalem Recht.

124 V 64 () from 31. März 1998
Regeste: Art. 22 Abs. 2 lit. a AVIG; Art. 33 Abs. 1 AVIV: Begriff der "Unterhaltspflicht". Die Regelung in Art. 33 Abs. 1 AVIV ist insoweit gesetzes- und verfassungswidrig, als sie die Annahme einer Unterhaltspflicht im Sinne von Art. 22 Abs. 2 lit. a AVIG von der kantonalen Gesetzgebung im Bereich der Kinderzulagen und nicht vom entsprechenden zivilrechtlichen Begriff abhängig macht.

124 V 130 () from 7. April 1998
Regeste: Art. 4 und Art. 58 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 25 Abs. 1 KUVG; Art. 89 KVG: Intertemporalrechtliche Zuständigkeit. Zur Weiterführung der bei Inkrafttreten des KVG und der entsprechenden kantonalen Ausführungsbestimmungen beim Schiedsgericht nach Art. 25 Abs. 1 KUVG hängigen Prozesse ist das Schiedsgericht gemäss Art. 89 KVG zuständig. Der 1996 ergangene Zwischenentscheid des nach neuem Recht zuständigen Schiedsgerichts des Kantons Zug, mit welchem das Verfahren zuständigkeitshalber an das seit 1. Januar 1996 nicht mehr bestehende Schiedsgericht nach Art. 25 Abs. 1 KUVG überwiesen wurde, stellt eine gegen Art. 4 BV verstossende Rechtsverweigerung dar und verletzt überdies Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

124 V 137 () from 30. April 1998
Regeste: Art. 22 Abs. 1 AVIG; Art. 34 AVIV: Berechnung des Zuschlages für Familienzulagen. Kognition des Eidg. Versicherungsgerichts bei der für die Bestimmung des in Art. 22 Abs. 1 AVIG vorgesehenen Zuschlages vorzunehmenden Auslegung kantonalen Rechts über Kinderzulagen.

124 V 159 () from 8. Mai 1998
Regeste: Art. 36 Abs. 2 IVG; Art. 30 Abs. 2 AHVG (je in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung): Berechnung der ordentlichen Invalidenrente. Art. 30 Abs. 2 AHVG betreffend die Ermittlung des massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens ist für die Berechnung der Invalidenrenten direkt anwendbar. Der Umstand, dass Art. 36 Abs. 2 IVG die Bestimmungen des AHVG zur Rentenberechnung lediglich als sinngemäss anwendbar erklärt, erlaubt hinsichtlich der in der Invalidenversicherung zu berücksichtigenden Beitragsjahre und Einkommen keine Abweichung gegenüber der Berechnung der Altersrente.

124 V 180 () from 7. April 1998
Regeste: Art. 73bis Abs. 1 IVV; Art. 4 Abs. 1 BV: rechtliches Gehör im Vorbescheidverfahren. Die IV-Stelle darf sich nicht darauf beschränken, die Einwände des Versicherten im Vorbescheidverfahren zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, sondern hat in der ablehnenden Verfügung die Gründe anzugeben, weshalb sie diesen nicht folgt oder sie nicht berücksichtigen kann.

124 V 185 () from 4. Juni 1998
Regeste: Art. 25, 31 Abs. 1, Art. 32, 33 Abs. 2 und 5, Art. 36 Abs. 3 KVG; Art. 33 lit. d KVV; Art. 17, 18, 19 KLV: zahnärztliche Behandlung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Am Grundsatz, dass die zahnärztlichen Behandlungen im allgemeinen nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu decken sind, hat der Gesetzgeber mit der Neuordnung nichts geändert. Die Liste der zu einer Leistungspflicht für zahnärztliche Behandlungen Anlass gebenden Krankheiten ist abschliessend. Es besteht folglich keine Leistungspflicht für zahnärztliche Behandlung bei Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis.

124 V 215 () from 27. April 1998
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 17 AVIG und Art. 18 ff. AVIV, insbesondere Art. 19 Abs. 4 AVIV (in den bis 31. Dezember 1995 resp. 1996 gültig gewesenen Fassungen); Art. 4 Abs. 1 BV. Nichtbefolgung der Kontrollvorschriften während eines vom Versicherten eingeleiteten Beschwerdeverfahrens nach aus andern Gründen erfolgter Ablehnung der Taggeldbezugsberechtigung. Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz. Auslegung der Informationspflichten im Lichte von Treu und Glauben. Nachträgliche Befreiung von der Kontrollpflicht aufgrund besonderer Verhältnisse, z.B. mit Blick auf im Anspruchszeitraum in Betracht gefallene Präventivmassnahmen.

124 V 285 () from 13. Juli 1998
Regeste: Art. 73 Abs. 2 BVG: Mutwillige Prozessführung. Im Zusammenhang mit Prämienstreitigkeiten im Bereich der beruflichen Vorsorge ist aufgrund der besonderen Natur des Verfahrens bei der Beurteilung der Mutwilligkeit nicht nur auf das Verhalten des Zahlungspflichtigen im gerichtlichen Verfahren abzustellen, sondern auch dessen Verhalten im vorprozessualen Stadium mitzuberücksichtigen.

124 V 346 () from 2. November 1998
Regeste: Art. 31 Abs. 1, Art. 32 und 33 Abs. 2 und 5 KVG; Art. 33 lit. d KVV; Art. 17 und 18 KLV: Zahnärztliche Behandlung zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Die vom Eidgenössischen Departement des Innern erlassenen Ausführungsbestimmungen zu Art. 31 Abs. 1 KVG (Art. 17 f. KLV) weisen insoweit keine Lücke auf, als sie die Zuckerkrankheit nicht als schwere Krankheit aufführen, die eine zahnärztliche Behandlung bedingen kann.

124 V 372 () from 27. November 1998
Regeste: Art. 68 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 UVG; Art. 22a VwVG. Frage offengelassen, ob der in Art. 22a VwVG geregelte Fristenstillstand auf die Frist zur Einsprache gegen Verfügungen, die von einem nach Art. 68 Abs. 1 UVG zugelassenen Versicherer stammen, anwendbar ist. Art. 4 BV. Nimmt ein Versicherer einen Briefumschlag in Verletzung der Aktenführungspflicht gemäss Art. 4 BV nicht zu den Akten, so hat eine allfällige Beweislosigkeit der Rechtzeitigkeit nicht der Einsprecher zu tragen.

124 V 389 () from 28. Dezember 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Werden entscheidwesentliche Punkte einer Parteiverhandlung nicht in einem Verhandlungsprotokoll festgehalten, stellt dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.

125 I 7 () from 18. November 1998
Regeste: Art. 4 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; formelle Rechtsverweigerung; Nichteintreten auf eine Konkurrentenbeschwerde; zivilrechtliche Ansprüche. Es ist nicht willkürlich, auf die Beschwerde von Konkurrenten nicht einzutreten, mit welcher diese die Rechtmässigkeit einer Apothekenbewilligung für eine Versandapotheke bestreiten (E. 3). Die Erteilung einer Apothekenbewilligung berührt nicht zivilrechtliche Ansprüche von Konkurrenten (E. 4).

125 I 14 () from 8. Dezember 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Art. 17 Gleichstellungsgesetz; Lohngleichheit. (Keine) intertemporalrechtliche Anwendung des Gleichstellungsgesetzes (E. 2). Der Anspruch auf diskriminierungsfreien Lohn kann im Rahmen der Verjährung auch nachträglich geltend gemacht werden. Einschränkung auf Grund von Treu und Glauben (E. 3)?

125 I 21 () from 7. Oktober 1998
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Urner Volksinitiative `für gleiche Wahlchancen' ("Wahlchanceninitiative"). Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 2 BV im Allgemeinen (E. 3a) und zu Frauenquoten im Besonderen (E. 3b); Auseinandersetzung mit der hieran geübten Kritik (E. 3c und 3d). Als Gleichstellungsmassnahmen kommen auch ergebnisbezogene Quoten in Betracht (E. 3d/aa; Präzisierung von BGE 123 I 152). Die quotenmässige Zuteilung von Volkswahl-Mandaten stellt eine unzulässige Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts dar (E. 3d/dd). Kriterien für die Beurteilung von Quotenregelungen nach Völkerrecht (E. 4). Beurteilung der Gleichstellungsmassnahmen der `Wahlchanceninitiative': Quoten für Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden (E. 5a); Quoten für Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden (E. 5b); Quoten für Majorzwahlen und Wahlvorschlagsquoten für Proporzwahlen zum Landrat (E. 5c); Teilgültigkeit der Initiative (E. 7). Befristungsproblematik (E. 6).

125 I 46 () from 30. November 1998
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Zufallsfunden als Beweismittel im Strafverfahren gegen den von der Abhörung mit erfassten Gesprächspartner, Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund des Berufsgeheimnisses. Die auf dem Berufsgeheimnis beruhende Einschränkung der Verwendung von Abhörprotokollen entfällt, wenn die zur Zeugnisverweigerung berechtigte Person selbst einer überwachungswürdigen Straftat verdächtigt wird. Protokolle über Gespräche einer rechtmässig überwachten Person dürfen daher zu Lasten des mit abgehörten Berufsgeheimnisträgers verwendet werden, sofern bei diesem die Voraussetzungen für eine Telefonabhörung ebenfalls erfüllt gewesen wären (E. 6). Voraussetzung der Schwere des Delikts (E. 7a).

125 I 60 () from 5. November 1998
Regeste: Persönliche Freiheit. §§ 105 und 106 StPO/TG. Untersuchungshaft: Fortsetzungs- und Fluchtgefahr, Verhältnismässigkeit. Voraussetzungen, unter denen Fortsetzungs- (E. 3a und 3b) und Fluchtgefahr (E. 3a und 3c) (Fall eines Asylbewerbers) gegeben ist. Die Möglichkeit, dass die drohende Strafe bedingt ausgesprochen wird, ist bei der Beurteilung der Untersuchungshaft auf ihre Verhältnismässigkeit hin grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (E. 3d).

125 I 65 () from 11. Dezember 1998
Regeste: Rechtsgleichheit bei der Festsetzung des Eigenmietwertes, Art. 4 BV; Art. 9 StHG; § 23 des thurgauischen Steuergesetzes vom 14. September 1992, in der Fassung vom 12. Mai 1997. Es ist kein nach Art. 9 StHG unzulässiger Abzug, wenn ein kantonales Steuergesetz den Eigenmietwert tiefer als den Marktwert festsetzt (E. 2). Der steuerbare Eigenmietwert muss mindestens 60% des effektiven Marktwertes betragen (E. 3). Ein Gesetz, das für die Festsetzung des Eigenmietwertes vom Marktwert einen Abzug von genau 40% vornimmt, lässt sich verfassungskonform anwenden (E. 4).

125 I 71 () from 18. Dezember 1998
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Art. 88 OG, Art. 90 Abs. 1 lit. b OG und Art. 93 Abs. 2 OG; Gleichstellungsgesetz (GlG); Lohngleichheit; Berner Krankenschwestern. Zulässiges Rechtsmittel gegen eine generell-abstrakte kantonale Regelung, die das Recht auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit verletzen soll (E. 1a). Beschwerdelegitimation eines Berufsverbandes und einzelner Privater (E. 1b). Tragweite von Art. 90 Abs. 1 lit. b und Art. 93 Abs. 2 OG: An die Rüge- und Begründungspflicht sind mit Blick auf Art. 6 GlG keine überspitzten Anforderungen zu stellen, doch kann das Verfahren nicht im zweiten Schriftenwechsel auf mit konkreten Einstufungsvorgängen verbundene spätere Akte oder auf ursprünglich nicht angefochtene weitere Bestimmungen ausgedehnt werden (E. 1c u. 1d). Inhalt von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV (E. 2) und verfassungsrechtlicher Stellenwert von Bewertungssystemen (E. 3). Zulässigkeit der Einreihung einer Funktion in Abweichung von der im Arbeitsplatzbewertungsverfahren vorgeschlagenen Einstufung (E. 4).

125 I 113 () from 5. März 1999
Regeste: Art. 4 BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK, Art. 9 Ziff. 4 UNO-Pakt II. Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei der Haftanordnung sowie im Haftprüfungs- und Haftverlängerungsverfahren: Aus der Bundesverfassung und den Menschenrechtsverträgen ergibt sich kein Recht des Angeschuldigten auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter im Haftprüfungsverfahren. Ein solcher Anspruch kann allerdings (wie im Falle der zürcherischen StPO) im kantonalen Prozessrecht gewährleistet sein (E. 2a-b). Ein spezifischer Verzicht darauf lässt jedoch die übrigen grundrechtlichen Gehörsansprüche, insbesondere auf Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag des Untersuchungsbeamten, nicht dahinfallen (E. 2c-d). Die Aufhebung des angefochtenen Haftbestätigungsentscheides in Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs führt nicht zur Haftentlassung, was allein in den Erwägungen des Bundesgerichtsentscheides festzuhalten ist; über die Haftentlassung oder Haftbestätigung haben die kantonalen Behörden neu zu befinden (E. 3).

125 I 127 () from 2. Dezember 1998
Regeste: Anonymität von V-Personen im Strafverfahren, Revision der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft, Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK. Befragung von Belastungszeugen und Verwertbarkeit anonymer Zeugnisse im Lichte der Rechtsprechung zum Gebot eines fairen Verfahrens (E. 6). Allgemeine Hinweise zum Zeugenschutz (E. 7). Schwierigkeiten einer effektiven Verteidigung angesichts von Aussagen anonymer Zeugen (E. 8). Ausgleich durch Verfahrensmassnahmen (E. 9). Abwägung der entgegenstehenden Interessen; verfassungs- und konventionskonforme Anwendung der Bestimmungen über die Aufrechterhaltung der Anonymität von V-Personen (E. 10).

125 I 173 () from 3. März 1999
Regeste: Handels- und Gewerbefreiheit; Gewaltentrennung; Legalitätsprinzip im Abgaberecht; Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium (Basler Numerus clausus). Die Handels- und Gewerbefreiheit gibt keinen Anspruch auf freien Zugang zu einem Universitätsstudium (E. 3). Das Erfordernis einer formellgesetzlichen Grundlage für eine Zulassungsbeschränkung ist erfüllt (E. 4). Die Rechtsgleichheit wird nicht verletzt, wenn der Numerus clausus nur für das Medizinstudium und nur in der Deutschschweiz eingeführt wird (E. 6). Fehlende gesetzliche Grundlage für die Erhebung einer Gebühr für die Durchführung des Eignungstests (E. 9).

125 I 203 () from 23. Dezember 1998
Regeste: Art. 12 Abs. 1 lit. b IVoeB; § 7, 14, 33 der Vergaberichtlinien zur IVoeB; öffentliche Ausschreibungen, selektives Verfahren; Anfechtung der für die Qualifikationsphase massgeblichen Regeln und Kriterien. Im Rahmen des selektiven Verfahrens stellen diejenigen Dokumente, worin der Auftraggeber Regeln und Kriterien über die Qualifikation der Bewerber aufstellt, Ausschreibungsunterlagen im Sinne von § 14 der Vergaberichtlinien zur IVoeB dar und sind insofern Bestandteil der Ausschreibung. Aus diesem Grund muss der Inhalt solcher Dokumente in den gleichen Formen und innert der gleichen Fristen angefochten werden, wie sie für die Anfechtung der Ausschreibung selber gelten (E. 3a).

125 I 267 () from 4. Mai 1999
Regeste: Bewilligung zur Ausübung des Zahnarztberufs; Art. 4 BV und Art. 31 BV; Art. 2 und 4 Binnenmarktgesetz. Es verstösst nicht gegen Art. 31 BV, für die Ausübung des Zahnarztberufs von Inhabern eines ausländischen Ausweises ein eidgenössisches Diplom zu verlangen (E. 2). Der Inhaber eines ausländischen Zahnarztdiploms, der sich in einem Kanton niederlassen will, kann sich nicht auf Art. 2 und Art. 4 BGBM berufen (E. 3). Generelle Ansichtsäusserungen eines Departementsvorstehers begründen keinen Vertrauensschutz (E. 4). Die Kostenfreiheit gemäss Art. 4 Abs. 2 BGBM kommt nicht zum Tragen, wenn das Binnenmarktgesetz gar nicht anwendbar ist (E. 5).

125 I 289 () from 28. April 1999
Regeste: Art. 85 lit. a OG, Art. 25 f. UNO-Pakt II. Ausschluss von in kantonalen Diensten stehenden Landräten von Abstimmungen über bestimmte personalrechtliche Normen. Vergleich der in BGE 123 I 97 beurteilten Schaffhauser Ausstandsregelung mit der hier zur Diskussion stehenden des Kantons Basel-Landschaft. Letztere erfasst insbesondere potenziell einen grösseren Adressatenkreis (E. 3, 4, 5). Der generelle Ausschluss von in Diensten des Kantons stehenden Parlamentariern von Abstimmungen über bestimmte personalrechtliche Erlasse ist (jedenfalls in der hier zu beurteilenden Form) mit dem Stimmrecht unvereinbar (E. 6). Es verletzt das Stimmrecht, die zum Ausstand verpflichtende «unmittelbare Betroffenheit» für die in kantonalen Diensten stehenden Parlamentarier anders - strenger - auszulegen als für die übrigen Landräte (E. 7).

125 I 300 () from 7. Mai 1999
Regeste: Art. 53 Abs. 2 BV, Art. 49 BV und Art. 50 BV, Art. 9 EMRK und Art. 14 EMRK, Art. 18 UNO-Pakt II; Anspruch auf «ewige Todesruhe» auf einem öffentlichen Friedhof. Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung der Rüge einer Verletzung von Art. 53 Abs. 2 BV (E. 1a); aktuelles Interesse des Betroffenen an deren Behandlung (E. 1b). Weder aus dem Anspruch auf ein schickliches Begräbnis (Art. 53 Abs. 2 BV) noch aus der Religions- und Kultusfreiheit (Art. 49 u. 50 BV) ergibt sich ein Recht darauf, in einem öffentlichen Friedhof eine nach den Regeln des Islams ausgestaltete - insbesondere auf unbeschränkte Zeit garantierte - Grabstätte zugesichert zu erhalten (E. 2 u. 3). Soweit eine Zürcher Gemeinde freiwillig auch auswärts wohnhaften Personen Grabstätten gewährt, kann sie dieses Angebot im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots und des Willkürverbots den ihr angezeigt erscheinenden Einschränkungen unterwerfen (E. 4).

125 I 347 () from 21. Juni 1999
Regeste: Art. 4 BV, Art. 27 BV und Art. 49 BV; Art. 9 EMRK; Konfessionelle Neutralität der Schule. Art. 27 Abs. 3 und Art. 49 BV verlangen eine konfessionelle Neutralität der öffentlichen Schule. Der Zugang zu einer öffentlichen Schule darf nicht von der Konfessionszugehörigkeit abhängig gemacht werden (E. 4). Selbst wenn konfessionelle Schulen zulässig wären, wäre es verfassungswidrig, nur den Angehörigen einer bestimmten Konfession den Unterricht in einer Minderheitensprache anzubieten (E. 5).

125 I 361 () from 22. Juni 1999
Regeste: Persönliche Freiheit; § 58 Abs. 2 des zürcherischen Gesetzes betreffend den Strafprozess vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH). Anforderungen an die gesetzliche Grundlage des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr im Allgemeinen (E. 4a). Der Haftgrund der Ausführungsgefahr bei dringendem Verdacht eines in strafbarer Weise versuchten oder vorbereiteten Verbrechens nach § 58 Abs. 2 StPO/ZH darf - in den gebotenen engen Grenzen - auch bei in Bezug auf die Begründung der Gefahr der Ausführung eines Verbrechens in jeder Hinsicht vergleichbaren Anlasstaten (hier Tötungsdrohungen) angewendet werden (E. 4b und c). Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme der Ausführungsgefahr (E. 5). Dauer der Untersuchungshaft (E. 6).

125 I 369 () from 30. Juni 1999
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 2-8 UWG, Art. 4 BV und Art. 49 BV sowie Art. 9 EMRK; kantonales Übertretungsstrafrecht: Verbot des unlauteren oder täuschenden Anwerbens auf öffentlichem Grund und Ermächtigung der Polizei, Anwerbende wegzuweisen. Abstrakte Normenkontrolle. Beschwerdelegitimation eines Vereins «Scientology-Kirche» und seines Mitglieds (E. 1). Die kantonale Regelung ist kein gegen Art. 4 BV verstossendes Einzelfallgesetz (E. 3). Verhältnis der kantonalen Norm zum Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (E. 4). Die umstrittene Vorschrift kann einen Eingriff in die Religionsfreiheit bewirken. Sie ist im vorliegenden Fall nicht auf ihre Vereinbarkeit mit anderen Grundrechten zu prüfen (E. 5). Die Bestimmung ist nicht zu unbestimmt (E. 6), dient einem öffentlichen Interesse und kann verfassungs- und verhältnismässig ausgelegt und angewandt werden (E. 7).

125 I 389 () from 26. Juli 1999
Regeste: Konkordatsschiedsgerichtsbarkeit; Schiedsgericht. Begriff des Schiedsgerichts im Sinne des KSG (E. 4a). Rechtsnatur der Entscheide des «Collegio arbitrale dell'edilizia e del genio civile» im Kanton Tessin (E. 4b). Art. 6 KSG und Art. 8 KSG: Form des Schiedsvertrags und Kompetenz des Schiedsgerichts (E. 4c). Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zu Lasten des Kantons Tessin (E. 5).

125 I 394 () from 5. Oktober 1999
Regeste: Art. 88 OG und Art. 5 EMRK; Legitimation zur Haftbeschwerde, Entschädigungsverfahren. Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (E. 3). Nach Beendigung der Untersuchungshaft fehlt es für deren Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde an einem aktuellen praktischen Interesse (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 4). Die Rügen der Verletzung von Art. 5 EMRK sowie der verfassungs- und gesetzmässigen Verteidigungsrechte können im Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden (Präzisierung der Rechtsprechung); Ausgestaltung des Entschädigungsverfahrens (E. 5).

125 I 406 () from 25. August 1999
Regeste: Art. 9 Abs. 1 - 3 des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt (BGBM); Art. 27 des Tessiner Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen; Rechtsmittel; staatsrechtliche Beschwerde; Notwendigkeit einer verwaltungsunabhängigen kantonalen Beschwerdeinstanz. Grundsätzliche Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale oder gemeindliche Vergabeentscheide (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 1). Das in Art. 9 Abs. 2 BGBM vorgesehene Recht, eine Streitigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen einer verwaltungsunabhängigen kantonalen Beschwerdeinstanz zu unterbreiten, steht sowohl den ortsfremden als auch den ortsansässigen Anbietern zu (E. 2). Mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 86 Abs. 1 OG) Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid der Tessiner Regierung, der von der kantonalen Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen als letztinstanzlich behandelt wird. Überweisung der Beschwerde an den Kanton Tessin, damit er der Beschwerdeführerin eine verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz zur Verfügung stellt (E. 3).

125 I 417 () from 2. November 1999
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 10 EMRK und Art. 14 EMRK; Art. 4 BV, Art. 31 BV und Art. 55 BV sowie Meinungsäusserungsfreiheit; Werbebeschränkung für Rechtsanwälte. Die Disziplinierung eines Rechtsanwalts mit einer Busse wegen standeswidriger Werbung ist weder straf- noch zivilrechtlicher Natur im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 2). Auf einem Interview basierendes Zeitungsporträt eines Rechtsanwalts als verbotene indirekte Werbung: Verfassungsrechtliche Würdigung im Lichte der Handels- und Gewerbefreiheit sowie der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit (E. 3 - 5) und hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebots (E. 6) sowie des rechtlichen Gehörs (E. 7).

125 I 431 () from 16. November 1999
Regeste: Art. 4 BV und Art. 31 BV; Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 18 ArG; Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; Ladenöffnungszeiten in den Zürcher "Zentren des öffentlichen Verkehrs". Eine kantonale Ruhetagsordnung verstösst nicht schon deswegen gegen das Arbeitsgesetz (Sonntagsarbeitsverbot) und damit Art. 2 ÜbBest. BV, weil sie eine Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen zulässt. Die beiden Gesetzgebungen verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen und gelten für die dem Arbeitsgesetz unterstellten Betriebe kumulativ (E. 3). Die Möglichkeit, Betriebe in "Zentren des öffentlichen Verkehrs" ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten offen zu halten, beruht auf sachlich vertretbaren, systemimmanenten Gründen, weshalb die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung vor Art. 31 BV standhält (E. 4).

125 I 458 () from 27. Oktober 1999
Regeste: Art. 83 lit. b OG, 46 Abs. 2 BV; Abgrenzung der kantonalen Befugnis zur Besteuerung von pendelnden Arbeitnehmern. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Klage; aktuelles Interesse; Parteianträge (E. 1). Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Steuerdomizil der Arbeitnehmer. Grundsatz der Besteuerung am Wohnsitz (E. 2). Die Hinweise auf das Binnenmarktgesetz, auf die Regelungen für Grenzgänger und auf das Recht der Europäischen Gemeinschaft rechtfertigen keine generelle Praxisänderung (E. 3 und 4). Unter Vorbehalt von besonderen Fällen verletzt die Beanspruchung der Besteuerung der Einkommen von waadtländischen Pendlern durch die Genfer Steuerbehörden die Steuersouveränität des Kantons Waadt (E. 5).

125 I 474 () from 1. Oktober 1999
Regeste: Art. 88 OG; Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 2 BGBM und Art. 3 BGBM; Handel mit Medikamenten via Postversand. Örtlicher Geltungsbereich eines kantonalen Polizeigesetzes; Legitimation eines Betroffenen mit Sitz ausserhalb des Kantons zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen solchen Erlass (E. 1d). Abstrakte Normenkontrolle unter dem Gesichtspunkt von Art. 2 ÜbBest. BV; Anwendbarkeit des Binnenmarktgesetzes auf ein am 28. Januar 1998 angenommenes Reglement des waadtländischen Regierungsrates, das den regelmässigen Versand von Medikamenten durch Apotheken untersagt (E. 2). Überprüfung der Verhältnismässigkeit nach Massgabe des Binnenmarktgesetzes (E. 3). Arten des Medikamentenverkaufs mittels Postversand und dabei zu beachtende Sicherheitsanforderungen (E. 4a). Im vorliegenden Fall verletzt das angefochtene Reglement, das einer Apotheke mit Sitz im Kanton Solothurn den regelmässigen Postversand von Medikamenten in den Kanton Waadt verbietet, mit Blick auf die ihr seitens des Kantons Solothurn vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen das in Art. 2 BGBM garantierte Recht auf freien Marktzutritt (E. 4b-f).

125 I 492 () from 11. November 1999
Regeste: Art. 86 OG und Art. 87 OG, Art. 90 Abs. 1 lit. b OG. Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil einer letzten kantonalen Rechtsmittelinstanz mit beschränkter Überprüfungsbefugnis. Auch wenn das unterinstanzliche kantonale Urteil nach der "Dorénaz-Praxis" formell nicht mitangefochten werden kann, darf und muss sich der Beschwerdeführer in der Begründung der staatsrechtlichen Beschwerde materiell gegen dessen Beweiswürdigung, die die letzte - mit beschränkter Prüfungsbefugnis ausgestattete - kantonale Instanz als nicht willkürlich befand, wenden. Er hat sich allerdings gleichzeitig mit der Begründung des allein Anfechtungsobjekt bildenden letztinstanzlichen kantonalen Urteils auseinander zu setzen und aufzuzeigen, dass und weshalb darin eine willkürliche Beweiswürdigung der unteren Instanz zu Unrecht verneint wurde. Diese Frage prüft das Bundesgericht frei.

125 II 10 () from 9. November 1998
Regeste: Art. 98a Abs. 3 OG und Art. 103 lit. a OG, Art. 33 Abs. 2 RPG und Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG; zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung von kantonalen Nichteintretensentscheiden wegen Verletzung bundesrechtlicher Legitimationsvorschriften. Wird ein kantonaler Nichteintretensentscheid wegen Verletzung von Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG angefochten, ist diese Rüge nur dann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorzutragen, wenn nach Art. 34 Abs. 1 RPG und der Rechtsprechung hiezu die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Sache selbst gegeben ist; andernfalls kann nur staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden (E. 2). Ist in der Sache selbst die Anwendung von Normen umstritten, welche - wie kantonale Vorschriften über den Heimatschutz oder über die Verkehrssicherheit - nicht als Ausführungsbestimmungen im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG gelten können, so entfaltet Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG keine Wirkung (E. 3b).

125 II 86 () from 20. November 1998
Regeste: Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch eine Gemeinde; neues Recht der öffentlichen Beschaffung (üoeB; BoeB; BGBM, IVoeB); staatsrechtliche Beschwerde in der Sache; Bekanntgabe der Vergabekriterien und ihrer Rangfolge; Grundsatz der Transparenz. Tragweite des am 1. Juli 1998 - nach der hier streitigen Vergabe - in Kraft getretenen Art. 9 Abs. 2 BGBM (E. 2). Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale und kommunale Vergabeentscheide im Lichte von Art. 84 und 88 OG. Aufgabe der alten Rechtsprechung (besonders BGE 119 Ia 424) zufolge grundlegender Änderung der Gesetzgebung in der Sache (E. 3 und 4). Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeentscheids, wenn der Vertrag zwischen dem Anbieter und der Vergabebehörde bereits abgeschlossen worden ist (Art. 9 Abs. 3 BGBM und Art. 18 Abs. 2 IVoeB). Aktuelles Interesse des übergangenen Anbieters an einer solchen Feststellung (E. 5). Kognition des Bundesgerichts im Bereich der öffentlichen Beschaffung (E. 6). Verpflichtung der Vergabebehörde zur Bekanntgabe der Zuschlagskriterien und ihrer Rangfolge oder relativen Bedeutung (vgl. Art. 21 Abs. 2 BoeB). Zuschlag an das wirtschaftlich günstigste Angebot (Art. 13 lit. f IVoeB). Grundsatz der Transparenz. Gutheissung der Beschwerde (E. 7 und 8).

125 II 152 () from 23. Februar 1999
Regeste: Art. 83 lit. a OG; Abgrenzung der eidgenössischen und der kantonalen Kompetenzen bei der Zulassung von Geldspielautomaten. Eintretensvoraussetzungen im Verfahren der staatsrechtlichen Klage, zulässige Rügen und Begehren, Kognition des Bundesgerichtes (E. 1-3). Der Bundesrat hat durch den Erlass der eidgenössischen Geldspielautomatenverordnung nicht in die kantonale Zuständigkeit eingegriffen. Es besteht kein Anspruch der Kantone auf Weiterführung der bisherigen Praxis der Homologation von Geschicklichkeitsspielautomaten, die sich als bundesrechtswidrig erweist (E. 4 u. 5). Kostenfolgen des bundesgerichtlichen Verfahrens (E. 6).

125 II 183 () from 29. Januar 1999
Regeste: Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG; Art. 151 und 152 ZGB; Frage der Abzugsfähigkeit eines kapitalisierten Unterhaltsbeitrags. Grundsätzliche Abzugsfähigkeit von «Unterhaltsbeiträgen» bei der direkten Bundessteuer (E. 3a). Zivilrechtlicher Ursprung und Ausgestaltung des Begriffs «Unterhaltsbeitrag» (E. 3b). Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung im Gesetz (DBG und StHG) zur steuerlichen Behandlung von in Kapitalform geleisteten Unterhaltsbeiträgen (E. 3c; E. 6d). Auslegung von Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG. Abzugsfähigkeit von Kapitalleistungen verneint (E. 4-8).

125 II 265 () from 17. Juni 1999
Regeste: Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG): Opferstellung; Kosten des kantonalen Rechtsmittelverfahrens; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. 1. Opferstellung gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG (E. 2): a) Die Beeinträchtigung der körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität muss von einem gewissen Gewicht sein. Die strafrechtliche Qualifikation einer Tat als einfache Körperverletzung oder als Tätlichkeit ist nicht ausschlaggebend, sondern lediglich ein Indiz für oder gegen die Opferstellung (E. 2a/aa und 2e/bb). b) Anforderungen an den Nachweis einer die Opferstellung begründenden Straftat: Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten einer bereits geleisteten Beratungshilfe genügt es, wenn im Zeitpunkt der Inanspruchnahme dieser Hilfe vom Vorliegen einer Straftat auszugehen war (E. 2c/bb). 2. Weder Art. 3 Abs. 4 noch Art. 16 OHG gewähren dem Opfer einen Anspruch auf ein kostenloses kantonales Rechtsmittelverfahren im Bereich der Beratungshilfe (E. 3). 3. Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im kantonalen Opferhilfeverfahren gemäss Art. 4 BV (E. 4) - im vorliegenden Fall wegen Aussichtslosigkeit des Begehrens zu verneinen (E. 4d).

125 II 326 () from 29. Juni 1999
Regeste: Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV; Art. 17 Abs. 3 MWSTV: Gruppenbesteuerung. Beschwerdelegitimation der Eidgenössischen Steuerverwaltung (E. 2c und 2d). Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung der Mehrwertsteuerverordnung (E. 3). Auslegung von Verfassungsbestimmungen. Der Verfassungsgeber hat den Kreis der Mehrwertsteuerpflichtigen nicht abschliessend definiert und insbesondere in Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV die sog. Gruppenbesteuerung nicht erwähnt (E. 4 - 6). Zulässigkeit der Gruppenbesteuerung unter entstehungsgeschichtlichen, systematischen und teleologischen Gesichtspunkten. Art. 17 Abs. 3 MWSTV hält sich an die dem Bundesrat durch die Verfassung eingeräumte Kompetenz und verletzt keinen der in Art. 8 ÜbBest. BV festgelegten Grundsätze (E. 7 und 8). Die Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu Art. 17 Abs. 3 MWSTV, wonach in die Gruppenbesteuerung nur eng miteinander verbundene und unter einheitlicher Leitung zusammengefasste Unternehmen aufgenommen werden können, ist verfassungskonform. Ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint-venture) kann einer Unternehmensgruppe in diesem Sinn nicht gleichgestellt werden (E. 9). Keine Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität, des Gebots der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV) sowie der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) im vorliegenden Fall (E. 10).

125 II 369 () from 29. Juni 1999
Regeste: Art. 5 Ziff. 4 EMRK, Art. 4 BV, Art. 35 Abs. 3 VwVG, Art. 105 Abs. 2 OG, Art. 13b Abs. 1 lit. b ANAG (in Verbindung mit Art. 13a lit. b und e), Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG sowie Art. 13c Abs. 2 ANAG; Ausschaffungshaft: Verzicht auf eine schriftliche Begründung des Haftrichterentscheids und materielle Haftgründe. Voraussetzungen der Gültigkeit eines Verzichts auf schriftliche Begründung des Haftrichterentscheids und Folgen bei unzulässigem Verzicht (E. 2). Voraussetzungen der Haftgründe der Untertauchensgefahr, der erheblichen Gefährdung anderer Personen an Leib und Leben (beim Kleindealer) sowie der Missachtung einer Ausgrenzung (E. 3).

125 II 385 () from 28. Juni 1999
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Gleichstellungsgesetz; Lohngleichheit, Solothurner Physiotherapeutinnen. Grundsätze für die gerichtliche Überprüfung einer Arbeitsplatzbewertung (E. 5). Anwendung dieser Grundsätze, Bedeutung eines arbeitswissenschaftlichen Gutachtens (E. 6).

125 II 402 () from 23. Juni 1999
Regeste: Art. 4 BV, Art. 4 Ziff. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK, Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt, Art. 16 Abs. 3 lit. a, Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 90 SVG; Führerausweisentzug, Verletzung des Grundsatzes «ne bis in idem»? Wird einem vom Strafrichter Verurteilten aufgrund des gleichen Sachverhalts im Verwaltungsverfahren eine Administrativmassname auferlegt, verstösst dies nicht gegen den Grundsatz «ne bis in idem» (E. 1).

125 II 417 () from 26. Juli 1999
Regeste: Art. 98 lit. a OG und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Einziehung von Propagandamaterial der Kurdischen Arbeiterpartei. Mit dem Ergehen des Einziehungsentscheids entfällt das Interesse an der Anfechtung der diesem vorangehenden Beschlagnahme (E. 2). Die Einziehung von Propagandamaterial aus Gründen der äusseren und inneren Sicherheit berührt zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 4b). Im Konfliktfall geht das Völkerrecht prinzipiell dem Landesrecht vor, insbesondere wenn die völkerrechtliche Norm dem Schutz der Menschenrechte dient. Gegen den Einziehungsentscheid des Bundesrats ist daher gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK und entgegen Art. 98 lit. a und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (E. 4c-e). Art. 55 BV und Art. 10 EMRK; Art. 102 Ziff. 8-10 BV; Art. 1 Abs. 2 des Bundesratsbeschlusses betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial; Einziehung von Propagandamaterial aus Gründen der inneren und äusseren Sicherheit. Der Propagandabeschluss stellt zusammen mit Art. 102 Ziff. 8-10 BV eine genügende gesetzliche Grundlage für einen schweren Eingriff in die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit dar (E. 6). Die Einziehung von Schriften der Kurdischen Arbeiterpartei, die zur Durchsetzung ihrer Anliegen generell die Gewalt propagieren und auf in der Schweiz lebende Emigranten Druck erzeugen sollen, ist unter den gegebenen Umständen verhältnismässig (E. 7).

125 II 473 () from 1. September 1999
Regeste: Art. 4 BV; Art. 8 DSG und Art. 9 DSG; Anspruch auf Einsicht in interne Akten. Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht gemäss Art. 8 DSG deckt sich nicht mit dem verfahrensrechtlichen Akteneinsichtsrecht gemäss Art. 4 BV (E. 4a). Der Auskunftsanspruch gemäss Art. 8 DSG erstreckt sich auch auf interne Akten in einem Verwaltungsverfahren (E. 4b). Voraussetzungen der Verweigerung der Akteneinsicht gemäss Art. 9 DSG. Die Einsicht in interne Akten in einem Verwaltungsverfahren darf nicht generell, d.h. ohne nähere Prüfung der fraglichen Dokumente verweigert werden (E. 4c).

125 II 480 () from 5. Oktober 1999
Regeste: Art. 17 Abs. 4 MWSTV und Ziff. 15 des Anhangs zur MWSTV: Aktivitäten auf dem Gebiet der Entsorgung; Leistungen in Ausübung hoheitlicher Gewalt. Da Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV zu diesem Punkt nichts enthält, darf der Bundesrat ohne Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität und der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht vorsehen, dass einzig diejenigen Leistungen der öffentlichen Hand nicht unter die Steuer fallen, welche in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden (Art. 17 Abs. 4 MWSTV; E. 5-7). In Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Leistungen sind solche, welche nicht marktfähig sind, nicht durch Dritte angeboten werden können und die von einer öffentlichen Einrichtung erbracht werden, welche öffentliches Recht anwendet und den Bürgern gegenüber über Zwangsmittel verfügt; die Leistungen auf dem Gebiet der Entsorgung gehören nicht dazu (E. 8).

125 II 530 () from 5. Oktober 1999
Regeste: Besoldung der Zürcher Kindergartenlehrkräfte; Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV, Art. 3 Gleichstellungsgesetz. Lohndiskriminierung; Vergleich des Frauenberufs der Kindergartenlehrkräfte mit dem neutral betrachteten Beruf der Primarlehrkräfte (E. 2). Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeit bei der Festlegung der Besoldung für die Kindergartenlehrkräfte (E. 4). Arbeitsbewertung des Berufs der Kindergartenlehrkräfte (E. 5). Zulässigkeit der quantitativen Angabe des Diskriminierungsausmasses (E. 6).

125 II 541 () from 5. Oktober 1999
Regeste: Anspruch auf Unvoreingenommenheit gerichtlicher Experten; Art. 58 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Ablehnung eines gerichtlich bestellten Experten, der in einer vergleichbaren Angelegenheit im gleichen Zeitraum für eine der Parteien ein Gutachten erstattete (E. 4). Besoldung der Zürcher Kindergartenlehrkräfte; Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV, Art. 3 und 6 Gleichstellungsgesetz. Berücksichtigung der gegenüber den Primarlehrkräften tieferen Arbeitszeit der Kindergartenlehrkräfte (E. 2). Arbeitsbewertung des Berufs der Kindergartenlehrkräfte und Festlegung der Besoldung: Gestaltungsspielraum des Gemeinwesens; Verbot der Lohndiskriminierung; Beurteilung von Rechts- und Tatfragen; Diskriminierungsvermutung (E. 5 und 6).

125 III 65 () from 14. Dezember 1998
Regeste: Arbeitsvertrag; Arbeit auf Abruf. Erlaubt der Arbeitsvertrag auf Abruf eine plötzliche und bedeutende Verminderung des monatlichen Arbeitspensums, liegt darin eine Umgehung des Schutzes, der mit den zwingenden Kündigungsfristen von Art. 335c OR gewährleistet werden soll (E. 4). Es ist willkürlich anzunehmen, dass sich der Arbeitnehmer beim Arbeitsvertrag auf Abruf gültig zur Übernahme des Betriebsrisikos verpflichten kann, das nach Art. 324 Abs. 1 OR vom Arbeitgeber getragen werden muss (E. 5).

125 III 123 () from 16. Februar 1999
Regeste: Doppelaufruf; Schicksal davon erfasster Mietverträge (Art. 261 OR und Art. 142 SchKG). Der Doppelaufruf ist sowohl bei vorgemerkten als auch bei nicht eingetragenen, langfristigen Mietverträgen zulässig (E. 1a-d). Solche Mietverträge fallen mit dem Doppelaufruf nicht dahin, sondern gehen auf den Erwerber über. Dieser kann unbesehen dringenden Eigenbedarfs auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen (E. 1e).

125 III 209 () from 23. März 1999
Regeste: Art. 161 ZBG und Art. 271 ZGB; Verfassungsmässigkeit und EMRK-Konformität des zivilgesetzlichen Bürgerrechtserwerbs durch Heirat und kraft Abstammung. In Zivilstandssachen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (E. 2). Die zivilgesetzlichen Bestimmungen über den Bürgerrechtserwerb durch Heirat und kraft Abstammung widersprechen dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter (E. 3 und 4), sind für Verwaltungsbehörden und Gerichte aber gleichwohl massgebend (E. 5). Der Erwerb eines Kantons- und Gemeindebürgerrechts fällt weder in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens noch in denjenigen der Ehefreiheit, so dass das Diskriminierungsverbot der EMRK nicht mit Erfolg angerufen werden kann (E. 6).

125 III 368 () from 14. September 1999
Regeste: Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV, Art. 3 GlG; Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Direkte Anwendbarkeit des verfassungsrechtlichen Grundsatzes von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse (E. 2). Diskriminierungstatbestände, bei denen spezifische bundesrechtliche Anforderungen an die Erhebung des Sachverhalts gelten; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Berufungsverfahren (E. 3). Glaubhaftmachen einer Lohndiskriminierung nach Art. 6 GlG; ist eine solche Diskriminierung glaubhaft gemacht, obliegt es der Arbeitgeberin, Umstände nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass die Lohndifferenz auf sachlichen Gründen ohne geschlechterdiskriminierende Wirkung beruht (E. 4). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz den Nachweis zu Unrecht als geleistet betrachtet (E. 5).

125 IV 1 () from 15. Januar 1999
Regeste: Art. 19 BetmG, Art. 63 StGB und Art. 55 Abs. 1 StGB, Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG, Art. 4 Abs. 1 BV; Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz durch einen Ausländer, Strafzumessung. Die straferhöhende Berücksichtigung des «Missbrauchs des Gastrechts» verletzt Bundesrecht. Strafrechtliche Landesverweisung und fremdenpolizeiliche Ausweisung als besondere Folgen der Tat eines Ausländers.

125 IV 79 () from 21. April 1999
Regeste: Art. 2 Abs. 1 OHG und Art. 8 Abs. 1 OHG; Art. 2 Abs. 2 ZGB; Opfereigenschaft, Recht auf Beteiligung am Strafverfahren; Rechtsmissbrauch. Wird die strafbare Handlung von einem Dritten angezeigt und bestreitet sie das angebliche Opfer, so darf diesem deshalb die Opfereigenschaft nicht abgesprochen werden. Das Opfer darf sich aber nicht am Strafverfahren beteiligen, sofern es damit lediglich beabsichtigt, das Verfahren zu kontrollieren oder gar zu behindern. Dies stellt einen Rechtsmissbrauch dar (E. 1c und d).

125 V 21 () from 4. Februar 1999
Regeste: Art. 32, Art. 33 Abs. 1 und 3 KVG; Art. 33 lit. a und c KVV; Anhang 1 zur KLV: In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryotransfer (ET). Laut Anhang 1 zur KLV gehört die In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer nicht zu den obligatorisch zu Lasten der Versicherung gehenden Leistungen. Richterliche Überprüfung, wenn der Gegenstand in einer Verordnung nach einem Listensystem geregelt ist. In dieser Hinsicht besteht ein Unterschied gegenüber der unter der Herrschaft des KUVG gültig gewesenen Ordnung. Im konkreten Fall haben der Bundesrat und das Eidg. Departement des Innern von der gesetzlich eingeräumten Befugnis korrekt Gebrauch gemacht, sodass kein Raum bleibt, die Würdigung durch die zuständige Behörde, welche sich im Übrigen auf die von Fachleuten vertretene Meinung stützt, durch eine andere zu ersetzen. Daraus folgt, dass die In-Vitro-Fertilisation mit Embryotransfer keine zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gehende Leistung darstellt.

125 V 32 () from 5. Januar 1999
Regeste: Art. 4 Abs. 1 BV; Art. 105 Abs. 1 UVG: Unentgeltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren. Der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung hängt weder entscheidend davon ab, ob ein Verfahren streitige Elemente enthält, noch lässt er sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Verfahrensordnung generell zeitlich beschränken (Präzisierung der Rechtsprechung in BGE 117 V 408 und 114 V 234 Erw. 5). Für das an den Einspracheentscheid anschliessende Verwaltungsverfahren der Unfallversicherung besteht grundsätzlich ein unmittelbar aus Art. 4 BV fliessender Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung.

125 V 127 () from 24. März 1999
Regeste: Art. 13 Abs. 2bis AVIG: Anrechenbarkeit von Erziehungszeiten als Beitragszeiten. Die Anrechenbarkeit einer Erziehungsperiode als Beitragszeit setzt nicht voraus, dass sie eine bestimmte Mindestdauer aufweist. Die in AlV-Praxis 96/2 publizierte Weisung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit, wonach Erziehungszeiten nur als Beitragszeit anrechenbar sind, wenn sie innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist mehr als 18 Monate gedauert haben, ist gesetzwidrig.

125 V 146 () from 26. April 1999
Regeste: Art. 28 Abs. 2 und 3 IVG; Art. 27 und 27bis IVV: Gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Die in Art. 27bis IVV für Teilerwerbstätige mit einem Aufgabenbereich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG vorgesehene Invaliditätsbemessung ist gesetzmässig.

125 V 221 () from 3. März 1999
Regeste: Art. 10 Abs. 1 AHVG; Art. 28 Abs. 4 AHVV; Art. 4 BV. Art. 28 Abs. 4 AHVV ist gesetz- und verfassungsmässig.

125 V 230 () from 28. Juli 1999
Regeste: Art. 3 Abs. 3 lit. a AHVG; Art. 5 Abs. 1 und 3 des Abkommens vom 8. März 1989 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über Soziale Sicherheit; Ziff. 5 lit. a des Schlussprotokolls zum Abkommen vom 8. März 1989; Art. 4 Abs. 3 des Zusatzabkommens vom 9. Februar 1996 zum Abkommen vom 8. März 1989: Beitragspflicht der nichterwerbstätigen Ehefrau. Die in der Schweiz wohnhafte nichterwerbstätige Ehefrau eines im Fürstentum Liechtenstein erwerbstätigen und dort versicherten Ehemannes ist in der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung beitragspflichtig. Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG; Art. 28 Abs. 1 und 4 AHVV: Beitragsobjekt. Die Hälfte des vom Ehemann im Fürstentum Liechtenstein erzielten Erwerbseinkommens stellt Renteneinkommen dar und ist als Beitragsobjekt zu berücksichtigen.

125 V 332 () from 26. April 1999
Regeste: Art. 4 BV; Art. 96 UVG; Art. 19 VwVG; Art. 57 ff. BZP: Beizug von Gutachten aus andern Verfahren. Wenn die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) von dritter Seite in Auftrag gegebene Gutachten beizieht und verwertet, sind nicht die verfahrensmässigen Anforderungen für von ihr selber eingeholte Expertisen gemäss VwVG und BZP massgebend; die Parteirechte des Versicherten sind in solchen Fällen im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs und der Beweiswürdigung zu wahren.

125 V 351 () from 14. Juni 1999
Regeste: Art. 4 BV; Art. 108 Abs. 1 lit. b UVG; Art. 40 BZP in Verbindung mit Art. 19 VwVG; Art. 95 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 113 und 132 OG: Beweiswürdigung, Parteigutachten. Ein Parteigutachten besitzt nicht den gleichen Rang wie ein vom Gericht oder von einem Unfallversicherer nach dem vorgegebenen Verfahrensrecht eingeholtes Gutachten. Es verpflichtet indessen den Richter, den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die Beweiswürdigung folgend, zu prüfen, ob es in rechtserheblichen Fragen die Auffassung und Schlussfolgerungen des vom Gericht oder vom Unfallversicherer förmlich bestellten Gutachters derart zu erschüttern vermag, dass davon abzuweichen ist.

125 V 368 () from 6. September 1999
Regeste: Art. 41 IVG; Art. 4 Abs. 1 BV: substituierte Begründung der Wiedererwägung; rechtliches Gehör. - Bestätigung der Rechtsprechung, wonach der Richter eine zu Unrecht ergangene Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung der zweifellosen Unrichtigkeit der ursprünglichen Verfügung schützen kann, sofern deren Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. - Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn die streitige Revisionsverfügung vorinstanzlich mittels substituierter Begründung geschützt wird.

125 V 373 () from 31. Mai 1999
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 4 Abs. 1 BV; Art. 69 IVG; Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG; Art. 97 Abs. 2 OG: Rechtsverzögerungsbeschwerde. Rechtsverzögerung bejaht bei 33 Monaten Anhängigkeit und 27 Monaten Behandlungsreife. Art. 159 Abs. 2 und 5 sowie Art. 156 Abs. 6 OG: keine Parteientschädigung trotz Obsiegens. Der Entschädigungsanspruch der obsiegenden Partei unterliegt der gesetzlichen Einschränkung des Art. 156 Abs. 6 OG, wonach unnötige Kosten zu bezahlen hat, wer sie verursacht. Prozessuale Sorgfaltspflichten und der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichten dazu, festgestellte Verfahrensmängel rechtzeitig dem Gericht anzuzeigen. Durch Verletzung dieser Verfahrensregeln entstehende Kosten sind selbstverschuldet und unnötig.

125 V 401 () from 19. November 1999
Regeste: Art. 4 BV; Art. 1 und 19 VwVG; Art. 57 ff. BZP; Art. 54, 57 Abs. 1, 58, 86 Abs. 2 IVG; Art. 73, 73bis Abs. 1, 75 Abs. 1 und 2 IVV: Verfahren bei der Abklärung der Verhältnisse durch die kantonale IV-Stelle. - Da die kantonalen IV-Stellen keine Bundesverwaltungsbehörden sind, finden im Abklärungsverfahren vor den IV-Stellen die Bestimmungen des VwVG und des BZP keine Anwendung; das Verfahren richtet sich nach den Art. 69-77 IVV und den kantonalen Vorschriften. - Die in Art. 73bis Abs. 1 IVV vorgesehene Anhörung des Versicherten oder seines Rechtsvertreters vor der beabsichtigten Erledigung geht über den in Art. 4 BV garantierten Mindestanspruch hinaus. - Der Anordnung einer Begutachtung durch kantonale IV-Stellen kommt kein Verfügungscharakter zu.

125 V 408 () from 10. Dezember 1999
Regeste: Art. 4 BV: Unentgeltliche Verbeiständung im Administrativverfahren der Invalidenversicherung; Bemessung der Entschädigung. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Verwaltungsverfahren der Invalidenversicherung ist nach kantonalem Recht zu bemessen mit der Folge, dass das vom kantonalen Gericht auf Beschwerde hin (neu) festgelegte Honorar vom Eidg. Versicherungsgericht praktisch nur daraufhin zu prüfen ist, ob es vor dem Willkürverbot standhält.

125 V 480 () from 1. Juni 1999
Regeste: Art. 23 Abs. 4, Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG; Art. 37 Abs. 3ter AVIV: versicherter Verdienst. - Ermittlung des versicherten Verdienstes bei vorgängigem Bezug von Differenzausgleich. - Die Weisung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit vom April 1997 (ALV-Praxis 97/1, Blatt 5/2 und 5/3), wonach bei der Berechnung des versicherten Verdienstes für die zweite oder eine weitere Rahmenfrist für den Leistungsbezug im Falle erzielter Zwischenverdienste die auf den einzelnen Arbeitstag berechneten Kompensationszahlungen berücksichtigt werden, ist gesetzwidrig.

126 III 8 () from 1. November 1999
Regeste: Unterhalt im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen nach Art. 145 ZGB; Aufteilung des Überschusses nach Abzug des Zwangsbedarfs beider Ehegatten von ihrem Gesamteinkommen. Bleibt nach Abzug des Zwangsbedarfs der Haushalte beider Ehegatten von deren Gesamteinkommen ein Überschuss, so ist dieser lediglich dann jedem Ehegatten zur Hälfte gutzuschreiben, wenn sich zwei Einpersonenenhaushalte gegenüberstehen. Eine Aufteilung nach Hälften rechtfertigt sich nicht, wenn ein Ehegatte für minderjährige Kinder aufzukommen hat (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3c).

126 III 30 () from 7. Dezember 1999
Regeste: Art. 17 ff. SchKG; Art. 32 Abs. 4 SchKG. Die Beschwerdefristen in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen sind gesetzliche Fristen (Art. 17 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 SchKG). Das bedeutet, dass innert der Beschwerdefrist eine rechtsgenügend begründete Beschwerdeschrift einzureichen ist. Eine nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereichte Ergänzungsschrift kann nicht mehr berücksichtigt werden, selbst wenn sie in der rechtzeitigen Beschwerdeerklärung angekündigt wurde. Eine ungenügende Begründung der Beschwerde ist nicht ein verbesserlicher Fehler im Sinne von Art. 32 Abs. 4 SchKG.

126 V 390 () from 23. Oktober 2000
Regeste: Art. 11 Abs. 3 AVIG; Art. 5 Abs. 4 AHVG; Art. 6 Abs. 2 lit. i und k, Art. 6bis und Art. 7 AHVV: Arbeitslosenversicherungsrechtliche Bedeutung freiwilliger Abgangsentschädigungen ohne Vorsorgecharakter. Die Weisung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit vom 15. Mai 1998, wonach freiwillige Abgangsentschädigungen ohne Vorsorgecharakter rückwirkend ab 18. März 1998 unabhängig von ihrer AHV-rechtlichen Qualifizierung für die Arbeitslosenversicherung unberücksichtigt bleiben und somit keinen Einfluss auf Beginn und Höhe der Arbeitslosenentschädigung ausüben, ist gesetzwidrig, wird aber von der Verwaltung seit ihrem Erlass konsequent angewendet, weshalb die Gleichbehandlung im Unrecht der Gesetzmässigkeit des Verwaltungshandelns vorgeht.

127 I 133 () from 12. Juni 2001
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV; § 230 Ziff. 1 StPO/AG; Anspruch auf Revision im Strafverfahren; Garantie gleicher und gerechter Behandlung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über ein Revisionsgesuch, das aufgrund von neuen Tatsachen gestellt wurde, die eine vom kantonalen Prozessrecht beherrschte Frage betreffen (E. 3). Es stellt eine grundsätzlich in allen Prozessverfahren Geltung beanspruchende Verfahrensgarantie dar, ein materiell und formell rechtskräftiges Urteil, das mit der materiellen Wahrheit nicht übereinstimmt, unter bestimmten Voraussetzungen korrigieren zu können. Ein materiell und formell rechtskräftiges Prozessurteil im Strafverfahren, das dem davon Betroffenen wegen einer angeblich verpassten Rechtsmittelfrist den ordentlichen Rechtsmittelweg gegen eine Verurteilung endgültig versperrt, muss daher aufgrund von Art. 29 Abs. 1 BV auf dem Weg der Revision korrigiert werden können (E. 4-7).

131 II 393 () from 8. April 2005
Regeste: Art. 8 Abs. 3 BV, Art. 3 und 5 GlG; Geschlechtsdiskriminierung; Arbeitsplatzbewertung; Minusklassenentscheid; Berücksichtigung von konjunkturellen oder arbeitsmarktlichen Faktoren; Überführungsregelung. Zur Passivlegitimation des Kantons bei auf das Gleichstellungsgesetz gestützten Feststellungs- bzw. Leistungsbegehren gegen vom Kanton abhängige, aber rechtlich selbständige Spitalträger (E. 3). Arbeitsplatzbewertung mit Hilfe der vereinfachten Funktionsanalyse; einheitliche Methode und Bewertung der Kriterien für alle Funktionen; Problematik der Gewichtung der einzelnen Kriterien (E. 6). Unzulässigkeit eines Minusklassenentscheides (E. 5.2), mit dem der Arbeitgeber vom Ergebnis der Arbeitsplatzbewertung zum Nachteil der Arbeitnehmer abweichen will (Präzisierung der bisherigen Rechtsprechung; E. 7). Unterscheidung der Überführung in eine höhere Klasse nach Dienstalter und nach Frankenbetrag (E. 5.2 und 8.1). Die frankenmässige Überführung kann die zuvor bestehende Diskriminierung fortführen (E. 8.2-8.4).

131 V 407 () from 23. September 2005
Regeste: Art. 42 und 52 ATSG; Art. 12 ATSV: Einfaches und rasches verwaltungsinternes Verfügungs- und Einspracheverfahren. Es ist nicht zulässig, einen kassatorischen Einspracheentscheid zu erlassen, der sich darauf beschränkt, die vorausgegangene Verfügung wegen weiteren Abklärungsbedarfs aufzuheben. Die neuen Erhebungen sind vielmehr in die Beurteilungsgrundlagen eines reformatorischen, instanzabschliessenden Einspracheentscheids einzubeziehen. (Erw. 2)

133 I 185 (2D_2/2007) from 30. April 2007
Regeste: Art. 9 BV; Art. 113 in Verbindung mit Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 115 lit. b BGG. Ausländerrechtliches Bewilligungsverfahren; keine Legitimation des Ausländers zur subsidiären Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots, wenn kein Rechtsanspruch auf Bewilligung besteht. Verhältnis subsidiäre Verfassungsbeschwerde und Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 2.1 und 2.2); im konkreten Fall kann die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden, weil kein Rechtsanspruch auf die Bewilligung besteht (E. 2.2 und 2.3). Legitimationsvoraussetzungen bei Willkürbeschwerden nach der Rechtsprechung zu Art. 88 OG (E. 4). Entstehungsgeschichte von Art. 115 lit. b BGG; Zusammenhang mit der Rechtsprechung zu Art. 88 OG (E. 5). In Berücksichtigung der Materialien, der Zielsetzungen der Revision der Bundesrechtspflege und des Verhältnisses zu den verschiedenen in Art. 83 BGG enthaltenen Ausschlussgründen setzt die Berechtigung zur Erhebung der Willkürrüge bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde nach Art. 115 lit. b BGG voraus, dass sich der Beschwerdeführer auf eine durch das Gesetz oder ein spezielles Grundrecht geschützte Rechtsstellung berufen kann (E. 6).

133 V 196 () from 28. Dezember 2006
Regeste: Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 103 lit. a OG; Art. 61 ATSG: Kantonales Beschwerdeverfahren. Das kantonale Gericht hat dadurch, dass es zusammen mit der dem Versicherer für die Einreichung der Beschwerdeantwort angesetzten Frist keine Säumnisfolgen angedroht und die nach Ablauf dieser Frist verspätet eingereichte Beschwerdeantwort aus den Akten gewiesen hat, weder den verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) noch die bundesrechtlichen Minimalanforderungen an das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht (Art. 61 ATSG) verletzt (E. 1).

135 IV 196 (6B_186/2009) from 16. Juli 2009
Regeste: Art. 97 Abs. 3 und Art. 104 StGB; Verfolgungsverjährung bei Übertretungen. Auch bei Übertretungen tritt die Verfolgungsverjährung nach einem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr ein (E. 2).

136 I 149 (9C_517/2009) from 18. Januar 2010
Regeste: Art. 70 Abs. 2 BV; Art. 6 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 KV/FR; Sprachenfreiheit, Amts- und Verfahrenssprache. Art. 17 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Freiburg erlaubt es dem Rechtsuchenden, sich in der Amtssprache seiner Wahl - Französisch oder Deutsch - an das Kantonsgericht zu wenden. Dies gilt unabhängig von der Verfahrenssprache. Das Kantonsgericht darf das Eintreten auf ein Rechtsmittel nicht davon abhängig machen, dass eine in der anderen Amtssprache abgefasste Rechtsschrift in die Verfahrenssprache übersetzt wird (E. 3-8).

139 I 229 (2C_806/2012, 2C_807/2012) from 12. Juli 2013
Regeste: Art. 4, 18 und 70 BV; Art. 3 KV/GR, Art. 2, 7 und 8 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen: Der Beschluss der Bündner Regierung vom 5. Dezember 2011, wonach ein Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt grundsätzlich nur auf den Beginn der 1. Primarschulklasse erfolgen kann, berührt den Schutzbereich der Sprachenfreiheit nicht und erweist sich auch nicht als konventionswidrig. Die individuelle Sprachenfreiheit garantiert das Recht, sowohl Rumantsch Grischun als auch ein romanisches Idiom zu sprechen (E. 5.4). Einschränkung der Sprachenfreiheit durch das Amtssprachen- und Territorialitätsprinzip (E. 5.5) sowie durch die staatliche Festlegung der Unterrichtssprache (E. 5.6). Der Verfassungsbegriff des "Rätoromanischen" lässt offen, ob damit "Rumantsch Grischun" oder die Idiome gemeint sind (E. 5.7). Daher ist der Schutzbereich der Sprachenfreiheit durch den angefochtenen Beschluss nicht berührt (E. 5.8 und 5.9). Der Charta der Regional- oder Minderheitssprachen ist hinreichend Rechnung getragen worden (E. 6).

143 I 328 (4A_75/2017) from 22. Mai 2017
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; unentgeltliche Rechtspflege für juristische Personen. Die unentgeltliche Rechtspflege ist juristischen Personen zu verweigern, wenn das Verfahren, für das sie beansprucht wird, deren Weiterexistenz nicht sichert (E. 3).

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