Convention
de sauvegarde des droits de l’homme
et des libertés fondamentales1

RO 1974 2151; FF 1974 I 1020

Texte original

Conclue à Rome le 4 novembre 1950 Approuvée par l’Assemblée fédérale le 3 octobre 1974 Instrument de ratification déposé par la Suisse le 28 novembre 1974 Entrée en vigueur pour la Suisse le 28 novembre 19742

(Etat le 16 septembre 2022)

1 Les Am. du 13 mai 2004 (RS 0.101.094; RO 2009 3067) et du 24 juin 2013 (RS 0.101.95; RO 2021 461) ont été insérés dans le Prot. Ces Am. ne régissent que les rapports entre les États les ayant ratifiés. Voir par conséquent leurs champs d’application dans les textes RS cités entre parenthèse.

2Art. 1 al. 1 let. a de l’AF du 3 oct. 1974 (RO 1974 2148)


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Art. 8 Droit au respect de la vie privée et familiale

1. Toute per­sonne a droit au re­spect de sa vie privée et fa­miliale, de son dom­i­cile et de sa cor­res­pond­ance.

2. Il ne peut y avoir in­gérence d’une autor­ité pub­lique dans l’ex­er­cice de ce droit que pour autant que cette in­gérence est prévue par la loi et qu’elle con­stitue une mesure qui, dans une so­ciété démo­cratique, est né­ces­saire à la sé­cur­ité na­tionale, à la sûreté pub­lique, au bi­en-être économique du pays, à la défense de l’or­dre et à la pré­ven­tion des in­frac­tions pénales, à la pro­tec­tion de la santé ou de la mor­ale, ou à la pro­tec­tion des droits et liber­tés d’autrui.

BGE

103 IA 455 () from 5. Oktober 1977
Regeste: Wohnsitzpflicht der Beamten. Die Wohnsitzpflicht der Beamten verstösst weder gegen Art. 45 BV noch gegen Art. 8 EMRK (E. 4). Eine auf sachlichen Gründen beruhende Änderung der Bewilligungspraxis (Bewilligung des auswärtigen Wohnsitzes) lässt sich mit Art. 4 BV vereinbaren (E. 6a). Verletzung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Rechtsgleichheit? Frage im vorliegenden Fall verneint (E. 6b-d).

104 IA 88 () from 8. März 1978
Regeste: Art. 4, 31, 55 BV sowie Meinungsäusserungsfreiheit, Informationsfreiheit und Art. 10 EMRK; Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung. 1. Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten (E. 4). 2. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden indessen nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich über ihre Tätigkeit informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden (E. 5). 3. Die Bündner Richtlinien für die Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung vom 12. Juli 1976 verstossen nicht gegen die genannten Grundrechte (E. 6-12).

104 IV 90 () from 9. Juni 1978
Regeste: Art. 32, 220 StGB, Art. 2 ZGB. Entziehen und Vorenthalten von Unmündigen. 1. Der Elternteil, dem das Besuchsrecht verkürzt wurde, ist nicht berechtigt, den Ausfall eigenmächtig zu kompensieren (E. 1a). 2. Die eigenmächtige Überschreitung des Besuchsrechts schliesst Straflosigkeit wegen erlaubter Selbsthilfe aus (E. 2). 3. Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Strafantragsrechts. Voraussetzungen (E. 3).

106 IA 136 () from 26. März 1980
Regeste: I. Abstrakte Normenkontrolle: massgebliche Gesichtspunkte bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses (Präzisierung der Rechtsprechung). 1. Grundsätzlich ist der kantonale Erlass nur aufzuheben, wenn er sich einer verfassungskonformen Auslegung entzieht. Werden Grundrechte tangiert, hat der Richter indessen auch die Wahrscheinlichkeit verfassungstreuer Anwendung mit einzubeziehen, insbesondere zu berücksichtigen, unter welchen Umständen die fragliche Norm zur Anwendung gelangen wird und wie der Rechtsschutz gegen mögliche Grund rechtsverletzungen ausgestaltet ist (E. 3a). 2. Ein Gefängnisreglement für Untersuchungshaft muss durch eine ausreichende Regelungsdichte und eine klare Fassung selber eine erhöhte Gewähr für die Vermeidung verfassungswidriger Anordnungen bieten (E. 3b). II. Persönliche Freiheit. Für einen Untersuchungshäftling, der länger als einen Monat inhaftiert ist, ergibt sich aus dem Grundrecht der Persönlichen Freiheit ein erweiterter Anspruch auf Besuche der nächsten Familienangehörigen (E. 7a).

106 IA 299 () from 25. April 1980
Regeste: Sprachenfreiheit; Art. 87 OG. 1. Art. 87 OG: Zwischenentscheid, nichtwiedergutzumachender Nachteil (E. 1). 2. Die Auslegung von Art. 10 der freiburgischen ZPO, wonach im Saanebezirk Französisch als einzige Gerichtssprache gilt, hält vor der Willkürrüge stand. Überprüfung dieser Auslegung im Hinblick auf das ungeschriebene Grundrecht der Sprachenfreiheit (E. 2).

107 IA 52 () from 28. Januar 1981
Regeste: Persönliche Freiheit. Die Veröffentlichung der Namen fruchtlos gepfändeter Schuldner im kantonalen Amtsblatt verstösst gegen die persönliche Freiheit.

107 IA 148 () from 21. Oktober 1981
Regeste: Persönliche Freiheit, Art. 8 EMRK; Schutz des Briefgeheimnisses des Untersuchungsgefangenen. Bei der Briefkontrolle ist darauf zu achten, dass das Personal, welches die Post vom Untersuchungsrichter zum Untersuchungsgefangenen und umgekehrt befördern muss, nicht in die Briefe Einsicht nehmen kann.

107 II 301 () from 3. September 1981
Regeste: Art. 4 BV; Willkür. Art. 8 EMRK; Recht auf Familienleben. Besuchsrecht des geschiedenen Ehegatten gegenüber seinen Kindern. Ablehnung eines Vollstreckungsbegehrens für die Ausübung des Besuchsrechts eines geschiedenen Vaters. Zulässigkeit der im Interesse der Kinder getroffenen Massnahme sowohl nach Art. 4 BV (E. 4, 5 u. 7) als auch nach Art. 8 EMRK (E. 6).

109 IA 146 () from 6. Juli 1983
Regeste: Abstrakte Normkontrolle. Persönliche Freiheit. Polizeieinsatz. Verfassungsmässigkeit der im Genfer Polizeigesetz vom 18. September 1981 enthaltenen Bestimmungen über den Einsatz von Polizeibeamten (Art. 17 B bis 17 E). - Zweck und Grenzen der Identitätskontrolle (E. 4b). - Voraussetzungen, unter denen eine Person zur Identitätskontrolle auf den Polizeiposten geführt werden kann (E. 5a). - Zulässige Dauer des Verfahrens zur Feststellung der Personalien (E. 5b). - Aufsicht und Rechtsmittel (E. 5c). - Anspruch des Betroffenen, mit seinen Nächsten Kontakt aufzunehmen (E. 5d). - Besondere erkennungsdienstliche Massnahmen (Photographien, Fingerabdrücke) bei Personen, deren Identität zweifelhaft ist; sie sind als "ultima ratio" vorgesehen (E. 6a). - Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach Abschluss der Untersuchung (E. 6b). - Voraussetzungen, unter denen Personen zum Zweck der Identifizierung durchsucht werden dürfen (E. 8a). Grundsatz, wonach die Durchsuchung einer Personen von einem Beamten gleichen Geschlechts vorzunehmen ist; Ausnahmen von diesem Grundsatz (E. 8b).

109 IA 273 () from 9. November 1983
Regeste: Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs und Einsatz technischer Überwachungsgeräte; Änderung der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt. Art. 4 und Art. 36 Abs. 4 BV, persönliche Freiheit, Art. 8 und Art. 13 EMRK. 1. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber eine Materie für seinen Kompetenzbereich gleich oder ähnlich wie ein Kanton ordnet, schränkt die Befugnis des Bundesgerichts zur Überprüfung eines kantonalen Erlasses nicht ein (E. 2b). 2. Geltungsbereich von Art. 36 Abs. 4 BV, des verfassungsmässigen Rechts auf persönliche Freiheit und von Art. 8 EMRK; Einschränkungen dieser Freiheitsrechte (E. 4a). 3. Anforderungen an die Bestimmtheit von grundrechtsbeschränkenden Normen (E. 4d). 4. Voraussetzungen zur Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs (E. 6). 5. Einsatz von technischen Überwachungsgeräten (E. 7). 6. Überwachung von Drittpersonen (E. 8). 7. Überwachung zur Verhütung von Verbrechen und Vergehen (E. 9). 8. Verfahren zur Anordnung von Überwachungsmassnahmen; richterliche Genehmigung (E. 10). 9. Keine Verletzung der aus Art. 4 BV abgeleiteten Verteidigungsrechte von Angeschuldigten (E. 11). 10. Ein genereller Ausschluss der nachträglichen Benachrichtigung von Betroffenen verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und verstösst gegen Art. 13 EMRK; ausnahmsweise kann die Benachrichtigung unterbleiben, soweit eine solche den Zweck der Überwachung gefährdet (E. 12a und 12b). 11. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Vorschrift im abstrakten Normkontrollverfahren nur auf, sofern sie sich jeder verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht (E. 2a); Kriterien für die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung im vorliegenden Fall (E. 12c).

109 IB 183 () from 9. Dezember 1983
Regeste: Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung des ausländischen Ehemannes (Art. 4 ANAG, Art. 8 EMRK, Art. 100 lit. b Ziffer 3 OG). 1. Wer kann sich bei Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers auf den in Art. 8 Ziffer 1 EMRK garantierten Schutz des Familienlebens berufen (E. 2a)? 2. Der durch die Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung betroffene Ausländer sowie seine durch Art. 8 Ziffer 1 EMRK geschützten Familienglieder können den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über die Aufenthaltsbewilligung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechten (Praxisänderung; E. 2b). 3. Ausdehnungsverfügung des Bundesamtes für Ausländerfragen bei Nichterneuerung der kantonalen Aufenthaltsbewilligung (E. 3a). Vernehmlassung des Bundesamtes für Ausländerfragen zuhanden des Bundesgerichts (E. 3b).

110 IB 201 () from 7. September 1984
Regeste: Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers im Verhältnis zum Recht auf Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK (SR 0.101). 1. Verweis auf den in dieser Sache ergangenen prozessleitenden Beschluss, der die verfahrensrechtlichen Grundsätze bei der Anwendung von Art. 8 EMRK im Fremdenpolizeirecht darlegt (E. 1; vgl. BGE 109 Ib 183 ff.). 2. Die Berufung auf Art. 8 EMRK bei Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers setzt voraus, dass eine intensiv gelebte Beziehung dieses Ausländers zu einem über ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügenden Familienglied (Ehegatte oder minderjähriges Kind) besteht (E. 2a/b) und dem anwesenheitsberechtigten Familienglied die Ausreise in den in Frage kommenden ausländischen Staat nicht zugemutet werden kann (E. 2a/c). 3. Sofern die massgebliche Familienbeziehung besteht und dem anwesenheitsberechtigten Ehegatten die Ausreise nicht zuzumuten ist, erfolgt eine Rechtsgüterabwägung gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK; nur wenn auch hier das private Interesse der Beschwerdeführer an der Anwesenheit in der Schweiz gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wegweisung des Ausländers überwiegt, ist die Beschwerde gutzuheissen (E. 3).

110 IB 397 () from 30. November 1984
Regeste: Verfügung einer Einreisesperre; Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 100 lit. b Ziff. 1 OG). Gegen die Verfügung einer Einreisesperre ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde - anders als gegen die Nichterneuerung einer Aufenthaltsbewilligung - stets unzulässig.

111 IB 1 () from 15. März 1985
Regeste: Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer, dessen Frau in der Schweiz Niederlassungsbewilligung hat; Art. 100 Bst. b Ziff. 3 OG, 17 Abs. 2 ANAG, 3 V EJPD über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vom 26. Oktober 1983, Art. 8 EMRK. Für den Nachzug des Ehemannes einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin besteht kein Anspruch aus schweizerischem Recht. Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergibt sich daher höchstens aus Art. 8 EMRK (in Verbindung mit Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG). Nicht erheblich ist für das Eintreten, ob die Beschwerde gegen die Verweigerung der Erneuerung oder der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gerichtet ist (E. 1). Art. 8 Ziff. 1 EMRK schliesst die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an den Ehemann nicht aus, wenn es der in der Schweiz niedergelassenen Ehefrau zumutbar ist, ihrem Mann in die gemeinsame Heimat zu folgen (E. 2).

112 IA 97 () from 5. Februar 1986
Regeste: Art. 4 BV (Akteneinsicht), persönliche Freiheit, Art. 8 EMRK. 1. Der Anspruch, die abgeschlossenen Vormundschaftsakten hinsichtlich der ausserehelichen Vaterschaft und der Jugendzeit einzusehen, beurteilt sich nach dem kantonalen Verfahrensrecht und nach dem aus Art. 4 BV abgeleiteten Akteneinsichtsrecht. 2. Interessenabwägung im vorliegenden Fall; Verneinung eines Anspruchs auf vollständige Akteneinsicht.

112 IB 342 () from 2. September 1986
Regeste: Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG). In der Regel ist für die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes gemäss Art. 21 Abs. 1 IRSG in erster Linie wegleitend, ob sich in bezug auf das Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsverfahren schwierige Rechts- und Tatfragen stellen, die den Beizug eines Rechtsbeistandes notwendig machen, damit eine wirksame Wahrung der Rechte des Verfolgten gewährleistet ist. Gesichtspunkte, die bei der Anwendung dieses Grundsatzes mit zu berücksichtigen sind (E. 2a).

113 IA 1 () from 28. Januar 1987
Regeste: Art. 4 BV; Akteneinsicht. 1. Anspruch auf Akteneinsicht nach kantonalem Recht und Art. 4 BV; Kognition des Bundesgerichts (E. 2). 2. Art. 4 BV garantiert einen Anspruch auf Akteneinsicht auch ausserhalb eines hängigen Verfahrens, sofern der Rechtssuchende ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann und sofern der Akteneinsicht keine privaten oder öffentlichen Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (E. 4a). 3. Die Interessenabwägung im vorliegenden Fall ergibt, dass ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Einsicht in die Eintragungen betreffend die eigene Person in einem Polizeiregister besteht. Über das allgemeine Interesse an der Kenntnisnahme hinaus sprechen hierfür der enge Bezug zur persönlichen Freiheit und das Bedürfnis nach einer allfälligen Korrektur; der Akteneinsicht stehen weder der Verwaltungsaufwand noch generelle polizeiliche Geheimhaltungsinteressen entgegen (E. 4b-4e).

113 IA 257 () from 3. Juni 1987
Regeste: Art. 4 BV, persönliche Freiheit; Recht, Einsicht in ein Polizeidossier zu nehmen. Prinzipien der konkreten Normenkontrolle (hier von Art. 1 des Genfer Gesetzes vom 29. September 1977 "sur les renseignements et les dossiers de police..." (LDP), der jedermann die Einsicht in ein ihn betreffendes Polizeidossier verwehrt) (E. 3). Umfang des unabhängig von einem pendenten oder abgeschlossenen Verfahren bestehenden, durch Art. 4 BV garantierten Akteneinsichtsrechts (E. 4a). Das Recht auf Kenntnisnahme der Daten über die eigene Person, deren Aufbewahrung zu einem Eingriff in die persönliche Freiheit führen kann, erscheint als notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf allfällige Berichtigung. Lässt sich daher aus der persönlichen Freiheit generell ein Recht auf Einsicht in offizielle Akten mit Angaben zur Person ableiten? Frage offengelassen (E. 4b und c). Unabhängig von den Regeln über die Akteneinsicht verleiht das Verfassungsrecht dem Privaten ein Auskunftsrecht bezüglich der ihn betreffenden von der Behörde registrierten Daten. Verhältnismässigkeit und Interessenabwägung (E. 4d und e). Das in Art. 1 LDP enthaltene absolute Verbot verstösst gegen dieses Auskunftsrecht (E. 4f).

114 IA 307 () from 22. Januar 1988
Regeste: Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG); Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG). 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig gegen eine Verfügung, wonach Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer, die bei einem bestimmten Arbeitgeber arbeiten wollen, nur bis zu einer bestimmten Quote erteilt werden (E. 2). 2. Der Arbeitgeber ist in der Sache selbst auch nicht zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 3b). 3. Legitimation zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung bei Fehlen der Legitimation in der Sache selbst (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3c).

114 IV 23 () from 27. Mai 1988
Regeste: Art. 204 StGB; unzüchtige Veröffentlichung. 1. Art. 204 StGB bezweckt nicht den Schutz des Einzelnen vor unfreiwilliger Konfrontation mit unzüchtigen Erzeugnissen, sondern hat den Schutz der für eine Gemeinschaft wesentlichen sittlichen Werte im Auge (E. 3). 2. Nach dem Wortlaut von Art. 204 StGB ist jeder Handel mit unzüchtigen Objekten strafbar (E. 4).

115 IA 234 () from 15. März 1989
Regeste: Moderne Fortpflanzungsmedizin (künstliche Insemination und In-vitro-Fertilisation); Grossratsbeschluss des Kantons St. Gallen über Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen (GRB); persönliche Freiheit, Art. 8 und 12 EMRK, Art. 2 ÜbBest. BV, Forschungsfreiheit. 1. Allgemeine Überlegungen zur Fortpflanzungsmedizin (E. 3). 2. Der angefochtene Erlass verstösst nicht gegen Bundeszivilrecht und verletzt Art. 2 ÜbBest. BV nicht (E. 4). 3. Die Beschränkung des Zugangs zu den Methoden der künstlichen Fortpflanzung betrifft die persönliche Freiheit; Frage offengelassen, ob das auch auf Art. 8 in Verbindung mit Art. 12 EMRK zutrifft (E. 5). 4. Künstliche Insemination: a) Das generelle Verbot der heterologen künstlichen Insemination nach Art. 4 lit. a GRB hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 6a). b) Einschränkungen der heterologen künstlichen Insemination (E. 6b). c) Beschränkung der heterologen künstlichen Insemination auf verheiratete Ehepaare? (E. 6c). d) Anonymität des Samenspenders? (E. 6d). 5. Die Beschränkung der Inseminationsbehandlung auf das Kantonsspital St. Gallen im Sinne von Art. 6 GRB erweist sich für die homologe künstliche Insemination bei Ehepaaren als verfassungswidrig, bei der heterologen Form aber als verfassungsmässig (E. 7). 6. Das Verbot nach Art. 7 GRB, unabhängig von einer aktuellen Infertilitätsbehandlung Samenzellen für eine spätere Verwendung zu hinterlegen, verstösst gegen die persönliche Freiheit (E. 8). 7. In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer (IVF/ET): a) Das generelle Verbot der IVF/ET im Sinne von Art. 4 lit. f GRB hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 9a-9c). b) Heterologe Formen der IVF/ET? Beschränkung der IVF/ET auf Ehepaare? (E. 9e). 8. Forschungsfreiheit als ungeschriebenes Verfassungsrecht? Das allgemeine Verbot der Verwendung von Keimzellen (Samenzellen und unbefruchteten Eizellen) zu Forschungszwecken nach Art. 9 GRB ist verfassungswidrig (E. 10). 9. Die generelle Bestimmung von Art. 12 GRB, wonach die Anwendung neuer Verfahren die Änderung des Erlasses erfordert, erweist sich als verfassungswidrig (E. 11). 10. Kantonale Strafbestimmungen: a) Kompetenzordnung aufgrund von Art. 64bis BV sowie Art. 400 und Art. 335 StGB (E. 12a und 12b). b) Zuständigkeit des Kantons zum Erlass von strafrechtlichen Bestimmungen im vorliegenden Fall gegeben (E. 12c). c) Teilweise Aufhebung der Strafnormen aufgrund der materiellen Beurteilung (E. 12d).

115 IB 1 () from 10. Februar 1989
Regeste: Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung einer behinderten volljährigen Ausländerin, deren Eltern in der Schweiz niedergelassen sind (Art. 4 ANAG, Art. 8 EMRK, Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG). 1. Einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung kann regelmässig nur ein minderjähriger Nachkomme von in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Ausländern aus Art. 8 EMRK ableiten. Ausnahme bei schwerbehinderter volljähriger Tochter, deren Verwaltungsgerichtsbeschwerde i.S. von Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG zulässig ist (E. 2). 2. Zumutbarkeit der Ausreise für die hier anwesenheitsberechtigten Familienangehörigen des um Aufenthaltsbewilligung ersuchenden Ausländers; mitzuberücksichtigen sind auch Verhalten und Verhältnisse des letzteren (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 3). 3. Interessenabwägung i.S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK; das Interesse der gehörlosen Tochter an einem Verbleib bei ihren Eltern in der Schweiz geht dem öffentlichen Interesse an einer restriktiven Einwanderungspolitik vor (E. 4).

115 IB 97 () from 6. Juli 1989
Regeste: Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 Ziff. 1 EMRK). 1. Die Kinder einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin können gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung erheben; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insoweit zulässig (E. 2b). 2. Gegen die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an ein Kind oder einen Elternteil ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK auch dann zulässig, wenn dem Elternteil die elterliche Gewalt oder Obhut nicht zusteht (Änderung der Rechtsprechung; E. 2e). 3. Verweigerung von Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung im konkreten Fall (E. 3, 4).

116 IB 353 () from 4. Mai 1990
Regeste: Art. 8 EMRK; Aufenthaltsbewilligung an ausländischen Ehemann einer Schweizerin. Das Bundesgericht prüft frei, ob der Eingriff ins Familienleben des Ausländers verhältnismässig ist; Abgrenzung zum Ausschluss der Angemessenheitsprüfung gemäss Art. 104 lit. c OG (E. 2). Frage, ob die Ausreise aus der Schweiz dem Familienmitglied, welches ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat, zuzumuten wäre; Abgrenzung von der Frage der Interessenabwägung gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK (E. 3). Das Verhalten des Ausländers vor der Heirat mit einer in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Frau sowie die Umstände des Eheschlusses sind für beide Fragen bedeutsam (E. 3f). Im Kanton sind die näheren Umstände des Eheschlusses sowie das bisherige Verhalten des Ausländers nicht genügend abgeklärt worden. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz (E. 4 und 5).

116 II 497 () from 20. September 1990
Regeste: Verkündung des Eheversprechens; Zuständigkeit des Zivilstandsbeamten (Art. 106 ZGB, Art. 148 und Art. 149 ZStV). Die einmal begründete Zuständigkeit des Zivilstandsbeamten für die Leitung der Verkündung ist trotz der Bestimmung von Art. 149 Abs. 2 ZStV nicht von unbeschränkter Dauer. Wechselt der Bräutigam nach einem in negativer Weise abgeschlossenen Verkündverfahren seinen Wohnsitz, können die Brautleute an seinem neuen schweizerischen Wohnort ein neues Verkündverfahren einleiten. Der Wohnsitz des Bräutigams bestimmt sich auch bei einem Ausländer nach Art. 23 f. ZGB.

116 II 657 () from 15. November 1990
Regeste: Tragweite des Bürgerrechtserwerbs der verheirateten Frau gestützt auf Art. 8b SchlT ZGB. 1. Soweit das Bürgerrecht minderjähriger Kinder in Frage steht, sind nur diese zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, nicht aber ihre Eltern. Diese sind nur als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder am Verfahren beteiligt (E. 1b). 2. Art. 8b SchlT ZGB verleiht nur der Schweizerin, die sich unter dem bisherigen Recht verheiratet hat, die Befugnis, ihr Ledigenbürgerrecht wieder anzunehmen. Ihre Kinder, die vor dem 1. Januar 1988 geboren wurden und das Schweizer Bürgerrecht der Mutter besitzen, können in den Erwerb des Ledigenbürgerrechts nicht einbezogen werden (E. 2-5).

116 IV 31 () from 23. April 1990
Regeste: Art. 173 StGB; Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Ehrverletzung durch Vorverurteilung in der Presse, Auswirkungen der Unschuldsvermutung auf Presseberichterstattungen über hängige Strafverfahren. Ein Ausschluss vom Entlastungsbeweis kommt gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB nur in Betracht, wenn kumulativ einerseits eine begründete Veranlassung für die Äusserung fehlt und andererseits der Täter in der überwiegenden Absicht, Übles vorzuwerfen, gehandelt hat (E. 3; Bestätigung der Rechtsprechung). Die Presse hat bei Berichterstattungen über hängige Strafverfahren der in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen. Daraus folgt insbesondere, dass bei der Schilderung einer nicht rechtskräftig beurteilten Straftat nur eine Formulierung zulässig sein kann, die hinreichend deutlich macht, dass es sich einstweilen nur um einen Verdacht handelt und die Entscheidung des zuständigen Strafgerichts noch offen ist. Dies ist bei der Auslegung von Art. 173 StGB, insbesondere von dessen Ziffer 2, zu berücksichtigen (E. 5a).

116 IV 283 () from 4. Dezember 1990
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Der Entscheid, ob und unter welchen Bedingungen der Vollzug der im Strafurteil angeordneten unbedingten Landesverweisung probeweise aufgeschoben werden soll, ist im Zusammenhang mit der gleichzeitig zu beurteilenden bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug zu fällen. Es geht auf dieser Stufe des Vollzugs nur noch um die Verwirklichung des Resozialisierungsgedankens. Fall eines Ausländers, der weder in sein Heimatland ausreist, noch in der Schweiz bleibt, sondern mit seiner Ehefrau den Aufenthalt nahe der Schweizer Grenze nimmt.

117 IA 202 () from 29. Mai 1991
Regeste: Art. 113 Abs. 1 Ziff. 1 BV und Art. 83 lit. a OG: Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Kanton Basel-Landschaft; Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten des Bundes. 1. Verfahren der staatsrechtlichen Klage: Zulässigkeit der Klage im vorliegenden Fall (E. 1b); Parteien (E. 1c); Anwendung von Art. 91-96 OG (E. 1d). 2. Gegenstand des Verfahrens der staatsrechtlichen Klage bildet einzig die Frage nach der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kanton hinsichtlich der Einsicht in die Staatsschutzakten. Organstreitigkeiten und gesetzliche Grundlage der Überwachung sind nicht zu prüfen (E. 2). 3. Der Bund als Gemeinwesen ist für die Sorge auf dem Gebiete seiner innern und äussern Sicherheit aufgrund einer ungeschriebenen Kompetenz zuständig (E. 4a, b und d); Praxis der Ausübung dieser Zuständigkeit (E. 4c); Grenzen dieser Bundeskompetenz, insbesondere hinsichtlich der kantonalen Befugnisse (E. 5). 4. Der Bund ist für die Behandlung der Staatsschutzakten zuständig (E. 6). Er kann materielle und formelle Regeln für deren Einsichtnahme erlassen; die Zentralisierung der Beurteilung von Einsichtsgesuchen und der Einbezug der von den kantonalen Behörden angelegten Akten sind kompetenzgemäss (E. 7). Der Bund hat sich mit dem Erlass der Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten im Rahmen seiner Zuständigkeit gehalten. 5. Folgen der Gutheissung der staatsrechtlichen Klage (E. 8 und 9).

117 IA 341 () from 11. September 1991
Regeste: Art. 8 EMRK und Art. 4 BV; Berufsgeheimnis des Anwalts. Beschlagnahme von Schriftstücken, die die Geständnisse eines Beschuldigten enthalten und in einem Tresor aufbewahrt wurden, der einem Anwalt gestohlen und von der Polizei aufgefunden worden war. 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (Art. 86 Abs. 2 OG), Legitimation (Art. 88 OG), Begründung und Anträge der Beschwerde (Art. 90 OG) (E. 2). 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit des durch die Beschlagnahme bewirkten Eingriffs in die persönliche Freiheit (E. 3-5a). 3. Das kantonale Gesetz erlaubt dem Staatsanwalt grundsätzlich die Beschlagnahme von Beweisstücken (E. 5b). 4. Tragweite des Berufsgeheimnisses gemäss kantonalem Recht, das der Anwalt behördlichen Ermittlungen entgegenhalten kann (E. 6a). Im konkreten Fall erfasste das Berufsgeheimnis die strittigen Dokumente, weshalb der angefochtene Entscheid willkürlich ist (E. 6b und c).

117 IA 387 () from 10. Oktober 1991
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung. Eine sinngemässe Auslegung von Art. 6 Ziff. 1 Satz 2 EMRK ergibt, dass es im Einzelfall zulässig sein kann, nur das allgemeine Publikum, nicht aber die Presse von der Gerichtsverhandlung auszuschliessen.

117 IA 465 () from 6. November 1991
Regeste: Persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 54 BV; Art. 8 und 12 EMRK (Briefverkehr zwischen Untersuchungsgefangenen). Das öffentliche Interesse an der Aufklärung von schweren Gewaltverbrechen und an einem ungestörten Gang des betreffenden Strafuntersuchungsverfahrens kann dem Wunsch des Angeschuldigten, einer inhaftierten Mitverdächtigen während des Untersuchungsverfahrens einen schriftlichen Heiratsantrag machen zu wollen, vorgehen. Die Zurückhaltung des fraglichen Briefes durch die Behörden im Falle von Kollusions- und Beeinflussungsgefahr verletzt weder die Bundesverfassung (persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Ehefreiheit) noch die entsprechenden Garantien der EMRK (E. 2-4).

117 IA 472 () from 14. November 1991
Regeste: Art. 2 ÜbBest. BV, Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit, Art. 10 und 11 EMRK, Datenschutz, Unschuldsvermutung; § 40 Abs. 4 des baselstädtischen Übertretungsstrafgesetzes (ÜStG); Vermummungsverbot. Das in § 40 Abs. 4 ÜStG statuierte Verbot, sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen Menschenansammlungen unkenntlich zu machen, verstösst nicht gegen Art. 2 ÜbBest. BV (E. 2). Das Vermummungsverbot stellt namentlich im Hinblick darauf, dass Ausnahmen bewilligt werden können, keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit dar (E. 3). Es verletzt auch den Anspruch auf Datenschutz (E. 4b) und den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht (E. 4d).

117 IB 210 () from 20. September 1991
Regeste: Auslieferung an die BRD; Art. 7 Ziff. 1 EAÜ, Art. 35-37 IRSG; Art. 3, Art. 8 und Art. 12 EMRK, Art. 54 BV. 1. Der ersuchte Staat kann die Auslieferung ablehnen, wenn die Tat ganz oder zum Teil auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde (Art. 7 Ziff. 1 EAÜ). Eine solche Ablehnung richtet sich nach Art. 35 Abs. 1 lit. b und Art. 36 IRSG. Zudem kann eine Ablehnung unter bestimmten Voraussetzungen nach Art. 37 IRSG erfolgen. Beim Entscheid darüber steht den Auslieferungsbehörden ein Ermessensspielraum zu. Art. 104 OG entsprechend greift das Bundesgericht nur im Falle von Ermessensüberschreitung bzw. -missbrauch ein. Ein solcher Ermessensfehler liegt nicht vor, wenn die Auslieferungsbehörden namentlich aus prozessökonomischen Gründen die Auslieferung für alle dem Beschuldigten laut Ersuchen zur Last gelegten Taten - also auch für die angeblich in der Schweiz begangenen Tathandlungen - bewilligen, um so eine Gesamtbeurteilung des Verfolgten am Schwerpunkt des deliktischen Verhaltens im ersuchenden Staat zu ermöglichen (E. 3b). 2. Weder aus der EMRK noch aus Art. 54 BV lässt sich ein grundsätzlicher Anspruch entnehmen, nicht ausgeliefert zu werden (E. 3b/cc).

117 IV 170 () from 28. Juni 1991
Regeste: 1. Art. 252 StGB und Art. 23 Abs. 1 al. 1 ANAG; Verhältnis. Wer ausschliesslich aus fremdenpolizeilichen Motiven ein falsches fremdenpolizeiliches Ausweispapier herstellt oder wissentlich gebraucht, ist einzig nach Art. 23 Abs. 1 al. 1 ANAG und nicht (auch) gemäss Art. 252 StGB zu bestrafen; Art. 252 StGB ist nur dann anwendbar, wenn der Täter eine Verwendung des Ausweispapiers im nicht-fremdenpolizeilichen Bereich zumindest in Kauf genommen hat (E. 1 und 2). 2. Aussergesetzlicher Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen. Wahrung berechtigter Interessen bejaht in einem Fall, in dem ein Staatenloser ohne Schriften unter Vorweisung eines gefälschten ausländischen Passes in die Schweiz einreiste, um hier die Eheschliessung mit einer Schweizerin, der Mutter seiner im Zeitpunkt der Einreise anderthalbjährigen Tochter, vorzubereiten, nachdem verschiedene Anstrengungen, die Bewilligung für die Einreise bzw. die erforderlichen Papiere zu erhalten, erfolglos geblieben waren, bis zur Erreichung dieses Ziels jedenfalls noch einige Zeit verstrichen wäre und dem Täter die Lage hoffnungslos schien (E. 3).

118 IA 64 () from 12. Februar 1992
Regeste: Grundrechtliche Ansprüche an die Haftbedingungen in Strafvollzug und Untersuchungshaft (insbesondere persönliche Freiheit, Art. 6 Ziff. 1, Art. 8, Art. 10 und Art. 14 EMRK). 1. Eintretensvoraussetzungen: Antrags- und Substantiierungserfordernis, Art. 90 Abs. 1 lit. a und b OG (E. 1b); zulässige Rügen, Art. 84 Abs. 1 lit. a-d OG (E. 1d); kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1e). 2. Grundsätzliche und allgemeine Erwägungen: Bedeutung der einschlägigen Resolutionen und Empfehlungen der Organe des Europarates betreffend die Behandlung von Gefangenen (E. 2a); bundesstaatliche Kompetenzordnung für die Regelung des straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzuges (E. 2b); Natur des abstrakten Normenkontrollverfahrens, Ermessensausübung im Falle der Anfechtung kantonaler Gefängnisverordnungen (E. 2c); Grundsätzliches über Zweck und Grenzen freiheitsbeschränkender Eingriffe während Untersuchungshaft und Strafvollzug (E. 2d). 3. Prüfung der grundrechtlichen Zulässigkeit einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisverordnung (E. 3): - Inventarisierung der persönlichen Habe (E. 3a); - persönliche Effekten in der Zelle (E. 3b); - Beschränkung und Entzug des Spazierganges als besondere Sicherungsmassnahme (E. 3c); - Mahlzeitenregelung (E. 3g); - Sonderkost (E. 3h); - Zulassung von Alkohol, Medikamenten, Drogen und Tabakwaren (E. 3i); - allgemeine Spaziergangsregelung (E. 3k); - Bezug von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften (E. 3l); - Fernsehkonsum (E. 3m); - Besuchsregelung (E. 3n-o); - Briefverkehr (E. 3p-q); - Einschränkungen des Bücher- und Zeitungsbezuges bzw. des Radio- und Fernsehempfanges als Disziplinarsanktion (E. 3r); - Disziplinarverfahren, richterliche Prüfung (E. 3s); - Entzug des Spazierganges während den ersten drei Tagen bei Arrest (E. 3t). 4. Zusammenfassendes Ergebnis (E. 4).

118 IA 341 () from 9. November 1992
Regeste: Art. 22bis Abs. 4 und Abs. 5 BV; Art. 34 Abs. 1 ZSG; Art. 14 und Art. 4 Ziff. 3 EMRK; Zivilschutzdienstobligatorium für Männer. Wird das Aufgebot des aufbietenden kommunalen Zivilschutzamtes zu einem Zivilschutzkurs mit dem Argument angefochten, dass das nur für Männer geltende Zivilschutzdienstobligatorium Art. 14 EMRK verletze, steht als einziges Rechtsmittel die staatsrechtliche Beschwerde offen (E. 1 und E. 2). Art. 14 EMRK kann nur angerufen werden, wenn eine Diskriminierung im Genuss von durch eine andere Konventionsnorm eingeräumten Rechten und Freiheiten gerügt wird. Der Zivilschutzdienst ist gemäss Art. 4 Ziff. 3 EMRK nicht Zwangsarbeit im Sinne von Art. 4 Ziff. 2 EMRK. Anrufung von Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 4 Ziff. 3 EMRK (E. 3)? Das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK geht nicht über das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot von Art. 4 Abs. 1 BV hinaus; es geht weniger weit als Art. 4 Abs. 2 BV. Das auf Männer beschränkte Zivilschutzdienstobligatorium verletzt Art. 14 in Verbindung mit Art. 4 Ziff. 3 EMRK nicht (E. 4). Art. 114bis Abs. 3 BV schliesst nicht aus, dass das Bundesgericht eine Feststellung über die EMRK-Konformität der vom Gesetzgeber (Art. 34 Abs. 1 ZSG) und vom Verfassungsgeber (Art. 22bis Abs. 4 und Abs. 5 BV) gewollten Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereiche des Zivilschutzes trifft (E. 5).

118 IA 427 () from 26. November 1992
Regeste: Abstrakte Normenkontrolle. Kantonales Schulzahnpflegegesetz, das eine zahnmedizinische Zwangsbehandlung vorsieht. Persönliche Freiheit, Art. 8 EMRK sowie Art. 2 ÜbBest. BV. 1. Virtuelle Betroffenheit als Voraussetzung zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass (E. 2). 2. Kognition des Bundesgerichts bei der abstrakten Normenkontrolle (E. 3b). 3. Wieweit schützen das ungeschriebene verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit und das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK vor zahnmedizinischen Zwangsbehandlungen? Schutzbereich (E. 4) und Eingriffsvoraussetzungen (E. 5), insb. Erforderlichkeit des überwiegenden öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit (E. 6 und E. 7). 4. Zulässigkeit weiterer Bestimmungen, die mit der Behandlungspflicht in Zusammenhang stehen (E. 8). 5. Vereinbarkeit der Regelung mit dem Bundesrecht (E. 9).

118 IA 473 () from 17. Dezember 1992
Regeste: Regelung des persönlichen Verkehrs eines mit der Mutter des Kindes nicht verheirateten Vaters. Bundesrechtliche Rechtsmittel. Anforderungen an das kantonale Verfahren (Art. 275 Abs. 1 ZGB und Art. 44 OG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 361 ZGB und Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB; Art. 64 EMRK). 1. Treffen die vormundschaftlichen Behörden Anordnungen über den persönlichen Verkehr des Vaters mit dem Kind, so kann dieses dagegen nicht Berufung beim Bundesgericht einlegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Die vom Bundesrat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK 1988 abgegebene "auslegende Erklärung" stellt einen unzulässigen Vorbehalt dar. Die Kantone müssen deshalb die Zuständigkeiten im Vormundschaftsbereich so regeln, dass Anordnungen über den persönlichen Verkehr wenigstens im Rechtsmittelverfahren durch ein Gericht beurteilt werden können (E. 5 bis E. 7).

118 IB 145 () from 26. Juni 1992
Regeste: Art. 88 und Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und Art. 7 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers. 1. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer (E. 1). 2. Bei der Zulässigkeitsprüfung ist grundsätzlich auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse abzustellen (E. 2). 3. Art. 7 ANAG bildet die Grundlage für einen Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizerbürgers auf Aufenthaltsbewilligung; für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzig entscheidend, ob formell eine Ehe besteht (E. 3). 4. Dagegen setzt eine Berufung auf Art. 8 EMRK voraus, dass die Ehe auch tatsächlich als Gemeinschaft geführt wird (E. 4). 5. Verneinung der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Fall (E. 5). 6. Hat der Ausländer keinen Anspruch auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung, ist er nicht zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 6).

118 IB 153 () from 13. Juli 1992
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an das ausländische Kind einer Schweizerin. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an das ausländische Kind einer Schweizerin; es findet sich sowohl auf bundesgesetzlicher Stufe (Analogie zu Art. 17 Abs. 2 ANAG) als auch in einem Staatsvertrag (Art. 8 EMRK) eine anspruchsbegründende Norm für den Nachzug des Kindes (E. 1). 2. Vor dem Entscheid über einen allfälligen Rechtsmissbrauch ist in der Regel zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Verwirklichung des Nachzugsrechts im konkreten Fall auch erfüllt sind (Präzisierung von BGE 115 Ib 97; E. 2a). 3. Bei getrennten oder geschiedenen Eltern setzt ein Nachzugsrecht voraus, dass das Kind zum in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält (E. 2b). 4. Verneinung eines Nachzugsrechts im vorliegenden Fall (E. 3).

118 IB 277 () from 28. Juli 1992
Regeste: Einsicht in Karteikarten und Dossiers des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide des Sonderbeauftragten für die Behandlung der Staatsschutzakten des Bundes. Vereinbarkeit des Rechtsschutzes nach StaVo mit Art. 13 EMRK. 1. Entscheide des Sonderbeauftragten betreffend die Einsicht in Karteikarten (Fichen) des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft, welche in Anwendung von Art. 5 ff. der Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten des Bundes (StaVo, SR 172.014) getroffen werden, betreffen die (innere und äussere) Sicherheit des Landes im Sinne von Art. 100 lit. a OG und können daher nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Es steht einzig die Beschwerde an den Bundesrat nach Art. 14 StaVo in Verbindung mit Art. 72 VwVG offen (E. 2). 2. Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Prüfung der Vereinbarkeit von Art. 100 lit. a OG mit Art. 13 EMRK (E. 3). 3. Die behördliche Erhebung von Daten über das Privatleben von Bürgern, deren Aufbewahrung zu Staatsschutzzwecken und die Verweigerung der Einsichtnahme stellen Eingriffe in das von Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar (E. 4). 4. Tragweite des Anspruchs auf eine wirksame Beschwerde vor einer nationalen Instanz im Sinne von Art. 13 EMRK (E. 5). 5. Der Rechtsschutz, wie er gestützt auf die StaVo mit den Entscheiden des Sonderbeauftragten, des Ombudsmannes und des Bundesrates gewährt wird, genügt im vorliegenden Fall den Anforderungen von Art. 13 EMRK (E. 6).

118 II 21 () from 28. Januar 1992
Regeste: Art. 157 und 274 Abs. 2 ZGB. Abänderung eines Scheidungsurteils: Entziehung des Besuchsrechts eines Elternteils. 1. Art. 274 Abs. 2 ZGB bezweckt den Schutz des Kindes und nicht, die Eltern zu bestrafen: Dass diese ihre Pflichten verletzen und sich nicht ernsthaft um ihr Kind kümmern, rechtfertigt die Verweigerung oder die Entziehung des persönlichen Verkehrs nur, wenn diese Verhaltensweisen das Kindeswohl beeinträchtigen (E. 3c). 2. Um zu beurteilen, ob sich ein Elternteil im Sinne von Art. 274 Abs. 2 ZGB nicht ernsthaft um sein Kind gekümmert hat, kann die Auslegung von Art. 265c Ziff. 2 ZGB beigezogen werden; diese Bestimmung umschreibt mit gleichen Worten einen der Fälle, in welchen von der Zustimmung eines Elternteils bei einer Adoption abgesehen werden kann (E. 3d). 3. Anderer wichtiger Grund im Sinne von Art. 274 Abs. 2 ZGB: Die Tatsache, dass der Stiefvater in sozialer und psychischer Hinsicht die Stelle des besuchsberechtigten Elternteils einnimmt, wenn letzterer und das Kind einander gänzlich fremd sind (E. 3e).

118 IV 10 () from 14. Februar 1992
Regeste: Art. 42 Ziff. 5 StGB; vorzeitige Aufhebung der Verwahrung. Gegenüber einem Verwahrten, der nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe entwichen ist und der sich seither im Ausland während mehreren Jahren wohl verhalten hat, kann die Verwahrung ausnahmsweise vor Ablauf ihrer Mindestdauer aufgehoben werden, wenn anzunehmen ist, dass die dauerhafte Besserung des Täters hinreichend feststeht, so dass sich die Massnahme nicht mehr rechtfertigt (E. 2 und 3).

118 IV 67 () from 27. März 1992
Regeste: Art. 46 ff. VStrR; Durchsuchung und Beschlagnahme; Funktelefon (Basisstation mit schnurlosem Mobilgerät). 1. Verzicht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses (E. 1). 2. Die Überwachung von für den Fernmeldeverkehr nicht freigegebenen und damit geschützten Frequenzbereichen durch die PTT-Betriebe (hier jener der privaten und militärischen Flugfunkdienste) bildet eine betriebsbedingte Schranke des Fernmeldegeheimnisses und stellt keine - durch den Richter zu bewilligende - Telefonüberwachung dar; eine solche ist im Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich unzulässig (E. 3).

118 V 206 () from 14. September 1992
Regeste: Art. 51 Abs. 1 IVG, Art. 90 Abs. 3 IVV. - Grundlagen der Reisekostenvergütung nach Gesetz und Verwaltungspraxis (Erw. 3a, b). - Art. 90 Abs. 3 Satz 2 IVV, wonach Anspruch auf Reisekostenvergütung für Besuchsfahrten im Zusammenhang mit der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen besteht, ist gesetzeskonform (Erw. 4a-c). Art. 8 IVG, Art. 8 EMRK. Zur Konkretisierung des Anspruchs auf Vergütung der Kosten von Besuchsfahrten der Eltern. Abwägung zwischen der gesetzlichen Einfachheits- und Zweckmässigkeitsanforderung einerseits und grundrechtlichen Gesichtspunkten anderseits. Stellungnahme zur Verwaltungspraxis (Erw. 5a-c).

119 IA 71 () from 24. Februar 1993
Regeste: Briefverkehr, Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 8 und 10 EMRK; Nichtweiterleitung von Briefen eines Untersuchungsgefangenen. Restriktive Auslegung der Regeln über die Eingriffsvoraussetzungen bei Beschränkung des Briefverkehrs eines Untersuchungsgefangenen wegen ungebührlicher oder beleidigender Äusserungen. Wann ein Brief deswegen zurückbehalten werden darf, lässt sich nicht allgemein umschreiben, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es ist zulässig, einen Brief nicht weiterzuleiten, in dem der Untersuchungsgefangene den Untersuchungsrichter als Schreibtischmörder im Stil eines Adolf Eichmann und als Schwein bezeichnet.

119 IA 99 () from 17. März 1993
Regeste: Persönliche Freiheit, § 59 KV/ZG und Art. 6 Ziff. 1 EMRK: Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren. 1. Der Angeschuldigte kann sich für ein Begehren um Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren grundsätzlich auf die persönliche Freiheit berufen (E. 2b). 2. Bedeutung und Tragweite des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (E. 4a). 3. Abwägung der Interessen für und gegen die Zulassung der Öffentlichkeit (E. 4b-4f).

119 IA 460 () from 22. Dezember 1993
Regeste: Moderne Fortpflanzungsmedizin (künstliche Insemination, In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer, intratubarer Gametentransfer, Aufbewahrung von Keimzellen und Embryonen); Gesetz des Kantons Basel-Stadt betreffend die Reproduktionsmedizin beim Menschen (GRM); persönliche Freiheit, Forschungsfreiheit, Art. 31 BV, Art. 8 und 12 EMRK. 1. Allgemeine Überlegungen zur Fortpflanzungsmedizin; Hinweise auf die Entwicklung seit 1989; Entstehung von Art. 24novies BV (E. 4). 2. Die Beschränkung des Zugangs zu den Methoden der künstlichen Fortpflanzung betrifft die persönliche Freiheit; Tragweite von Art. 24novies BV; Frage offengelassen, ob auch Art. 8 EMRK in Verbindung mit Art. 12 EMRK betroffen ist (E. 5). 3. Das generelle Verbot der heterologen künstlichen Insemination nach § 4 Abs. 2 lit. a GRM hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 6a-6d); Einschränkungen der heterologen künstlichen Insemination (E. 6e). 4. Das generelle Verbot der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer (IVF/ET) nach § 4 Abs. 2 lit. d und e GRM verstösst gegen die persönliche Freiheit (E. 7a-7d); Einschränkungen der IVF/ET (E. 7e). 5. Aufhebung des Verbotes der Methode des intratubaren Gametentransfers (GIFT) im Sinne von § 4 Abs. 2 lit. c GRM (E. 8). 6. Das Verbot nach § 5 Abs. 1 GRM, Samenzellen über eine Behandlungsdauer von höchstens sieben Tagen hinaus aufzubewahren, verstösst gegen die persönliche Freiheit; Beschränkungen der Aufbewahrung (E. 9). 7. Das generelle Verbot der Konservierung von Eizellen gemäss § 5 Abs. 2 GRM verletzt die persönliche Freiheit (E. 10). 8. Das Verbot der Konservierung von Embryonen nach § 5 Abs. 2 GRM lässt sich im Rahmen des für die IVF/ET Erforderlichen verfassungskonform auslegen (E. 11). 9. Frage offengelassen, ob die Forschungsfreiheit als ungeschriebenes Verfassungsrecht anzuerkennen ist; das Verbot, lebende Embryonen, Föten oder Teile davon zu Forschungszwecken zu verwenden, kann unter Zulassung von Beobachtung und Entwicklungsverfolgung verfassungskonform ausgelegt werden (E. 12).

119 IA 505 () from 16. Dezember 1993
Regeste: Art. 8 und 10 EMRK: Nichtweiterleitung der an Dritte und an einen Anwalt gerichteten Briefe eines Gefangenen. Beschränkungen des Briefverkehrs und des Anspruchs auf freie Meinungsäusserung. Nichtweiterleitung der an einen Dritten gerichteten Briefe eines Gefangenen mit ungehörigen und beleidigenden Äusserungen über die Behörde (E. 3b und c). Die Nichtweiterleitung eines an einen Anwalt adressierten Briefes des Gefangenen verstösst im vorliegenden Fall gegen die ausdrückliche Gewährleistung derartigen Briefverkehrs in Art. 8 EMRK. Das Interesse am Schutz des Privatgeheimnisses geht in der Regel der blossen Möglichkeit eines möglichen Missbrauchs vor (E. 3d und 4a).

119 IB 1 () from 5. Februar 1993
Regeste: Art. 9 Abs. 1 lit. d und Abs. 3 lit. b, Art. 10 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV; Heimschaffung/Ausweisung wegen Bedürftigkeit. 1. Begriff und Voraussetzungen einer Heimschaffung. Die Heimschaffung muss jedenfalls dann die gleichen Voraussetzungen wie eine Ausweisung erfüllen, d.h. namentlich unter denselben Gesichtspunkten verhältnismässig sein, wenn sie ohne Zustimmung des Heimatstaates erfolgt; eine Besonderheit gilt nur im Blick auf die mit einer Ausweisung verbundene und bei der Heimschaffung fehlende Fernhaltewirkung (E. 2). 2. Voraussetzung des erheblichen und fortgesetzten Bezugs von Unterstützungsleistungen (E. 3). 3. Bedeutung einer Anwesenheitsdauer von über 20 Jahren in der Schweiz (E. 4). 4. Berücksichtigung der persönlichen und familiären Verhältnisse (E. 5). 5. Verhältnismässigkeitsprüfung im Rahmen einer Gesamtbeurteilung (E. 6).

119 IB 81 () from 22. April 1993
Regeste: Art. 17 Abs. 2 ANAG, Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung; SR 823.21) sowie Art. 8 EMRK; Anspruch des Kindes eines Ausländers auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung (Familiennachzug). 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). 2. Aus der Begrenzungsverordnung dürfen keine weiteren Voraussetzungen für einen Familiennachzug abgeleitet werden, als sie sich aus dem Gesetz ergeben (E. 2). 3. Bedeutung für den Familiennachzug, wenn das Kind bereits einmal in der Schweiz niedergelassen war, danach aber jahrelang von der Familie getrennt in der Heimat gelebt hat (E. 3 und 4).

119 IB 91 () from 2. Juli 1993
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4, 5 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8 EMRK sowie Art. 12 Abs. 2, Art. 13 lit. f und Art. 36 der Begrenzungsverordnung (BVO, SR 823.21); Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen den Familiennachzug verweigernden Entscheid. 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Bewilligungsentscheid ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer, der einen nahen Angehörigen in die Schweiz nachziehen will, nur über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Dies gilt auch, wenn es sich um eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen handelt (E. 1). 2. Ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde allenfalls insoweit zulässig, als in der Begründung zum Bewilligungsentscheid auf die Begrenzungsverordnung Bezug genommen wird (E. 2)?

119 IB 311 () from 11. Oktober 1993
Regeste: Art. 129 Abs. 1 BdBSt; Art. 4 BV; Art. 6 EMRK; Hinterziehung der direkten Bundessteuer: Anwendbarkeit der EMRK; Grundsatz ne bis in idem; Verjährung der Strafverfolgung; angemessene Verfahrensdauer; öffentliche Verhandlung; persönliche Anhörung. 1. Das Verfahren wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer (Art. 129 Abs. 1 BdBSt) fällt unter Art. 6 EMRK (E. 2). 2. Grundsatz ne bis in idem: - wenn bereits ein Verfahren wegen Steuerbetrug (Art. 130bis BdBSt) durchgeführt (und eingestellt) worden ist (E. 3b und c); - wenn der Steuerpflichtige bereits wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden ist (E. 3d). 3. Enthält Art. 134 BdBSt hinsichtlich der Verjährung der Strafverfolgung für Hinterziehung eine Lücke (E. 4a)? Grundsätze, die beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung heranzuziehen sind (E. 4b, c). 4. Angemessene Verfahrensdauer: - Beginn der Frist (E. 5a). - Angemessene Dauer (E. 5b-d). 5. Öffentliche Verhandlung im Verfahren vor der Rekurskommission. Verzicht des Steuerpflichtigen auf öffentliche Verhandlung? (E. 6b-e). 6. Persönliche (mündliche) Anhörung: - im Verfahren vor der Rekurskommission (E. 7b); - nicht im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, die erstinstanzlich Steuerbussen auszufällen hat (E. 7c).

119 IB 417 () from 9. November 1993
Regeste: Aufenthaltsbewilligung, Scheinehe (Art. 7 ANAG). Der Anspruch auf Bewilligung des Aufenthalts des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers ist nicht davon abhängig, ob die Ehe noch gelebt wird und intakt ist; massgebend ist der formelle Bestand der Ehe (E. 2). Der Anspruch entfällt bei Scheinehe zur Umgehung der ausländerrechtlichen Vorschriften; Beweisanforderungen (E. 4).

119 II 264 () from 3. März 1993
Regeste: Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Ehe (Art. 45 IPRG; Art. 54 BV; Art. 8 und 12 EMRK). Eine Ehe unter gleichgeschlechtlichen Personen verstösst gegen den schweizerischen Ordre public und darf deshalb nicht anerkannt werden (E. 3); die Nichtanerkennung verletzt weder Art. 54 BV noch Art. 8 oder 12 EMRK (E. 4 und 5). Verfahren für den rechtlichen Nachvollzug der medizinisch durchgeführten Geschlechtsumwandlung. Die Eintragung der Geschlechtsänderung in das Zivilstandsregister setzt voraus, dass die betroffene Person das neue Geschlecht - mit einer Statusklage - durch den Richter hat feststellen lassen (E. 6). Im Falle internationaler Verflechtung gilt Art. 33 Abs. 1 IPRG (E. 7).

120 IA 147 () from 15. Juni 1994
Regeste: Persönliche Freiheit. Verletzung durch die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen. Eingriff in die persönliche Freiheit durch Erhebung und Aufbewahrung erkennungsdienstlichen Materials (E. 2a). Gesetzliche Grundlage für die Erhebung und Aufbewahrung erkennungsdienstlichen Materials im Kanton Basel-Stadt (E. 2c). Öffentliches Interesse an erkennungsdienstlichen Massnahmen (E. 2d). Verhältnismässigkeit der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen (E. 2e, f, g). Verletzung der Unschuldsvermutung durch die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen; Voraussetzungen (E. 3).

120 IA 314 () from 27. Dezember 1994
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwertung von sog. Zufallsfunden. Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 EMRK garantieren das Telefongeheimnis; Zulässigkeit von Einschränkungen dieser Garantie (E. 2a). Der Gesprächspartner einer rechtmässig überwachten Person geniesst einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz; er kann grundsätzlich verlangen, dass die Telefongespräche nicht bekanntgegeben und ihm gegenüber nicht verwertet werden (E. 2c). Sollen derartige Telefongespräche zu Lasten des Gesprächspartners als sog. Zufallsfunde verwertet werden, müssen die Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung auch diesem gegenüber erfüllt sein. Die Prüfung ist nachträglich in dessen Strafverfahren vorzunehmen (E. 2c). Im vorliegenden Fall verstösst die Verwertung der Zufallsfunde weder materiell noch formell gegen die Verfassung (E. 2d).

120 IA 369 () from 17. November 1994
Regeste: Staatsrechtliche Beschwerde; zwangsweise Durchsetzung des Besuchsrechts; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Urteilsfähige Minderjährige können selbständig - oder durch den Vertreter ihrer Wahl - handeln, um Rechte betreffend ihre Persönlichkeit wahrzunehmen (E. 1). Ist gegen einen Rückweisungsentscheid, worin dem erstinstanzlichen Richter die Zwangsvollstreckung befohlen wurde, staatsrechtliche Beschwerde erhoben worden, kann das Bundesgericht sich nicht an die Stelle des Sachrichters setzen und aufgrund der vorgebrachten Rügen die Begründetheit des zu vollstreckenden Urteils prüfen (E. 2). Im vorliegenden Fall hätten die erhobenen Rügen (Willkürverbot; Achtung des Privat- und Familienlebens [Art. 8 EMRK] und Garantie der persönlichen Freiheit) ohnehin abgewiesen werden müssen (E. 3-5).

120 IB 1 () from 25. Februar 1994
Regeste: Art. 8 EMRK; Aufenthaltsbewilligung für den ausländischen Vater eines Schweizer Kindes. Art. 8 EMRK ist anwendbar, wenn sich ein ausländischer Vater auf eine intakte familiäre Beziehung zu seinem Kind mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz berufen kann, selbst wenn er nicht die elterliche Gewalt oder Obhut innehat (E. 1d). Der Beschwerdeführer und seine Tochter unterhalten eine enge, tatsächlich gelebte familiäre Beziehung. Der angefochtene Entscheid verletzt seine Anspruch auf Achtung des Familienlebens im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Art. 8 Ziff. 2 EMRK gestattet in bestimmten Fällen einen Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens, namentlich wenn es um die Umsetzung einer restriktiven Politik in bezug auf den Aufenthalt von Ausländern geht. Die Gewährung oder Verweigerung einer auf Art. 8 EMRK gestützten Aufenthaltsbewilligung muss aufgrund einer umfassenden Abwägung aller öffentlichen und privaten Interessen erfolgen (E. 3).

120 IB 6 () from 28. Februar 1994
Regeste: Aufenthaltsbewilligung (Art. 7 ANAG). Bundesstaatliche Kompetenzordnung im Ausländerrecht; Befugnisse der Bundesbehörden im Zustimmungsverfahren (E. 2 u. 3). Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an den ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers; Interessenabwägung bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes (E. 4).

120 IB 16 () from 28. Februar 1994
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und 7 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid, mit dem die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an eine Ausländerin, deren schweizerischer Ehemann verstorben ist, verweigert wird. Der Tod des schweizerischen Ehegatten eines Ausländers oder einer Ausländerin führt - unter Vorbehalt des selbständigen Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz ANAG - zum Erlöschen des gesetzlichen Anspruchs auf eine Aufenthaltsbewilligung (E. 2). Auch das Recht auf Achtung des Familienlebens (nach Art. 8 EMRK) vermittelt diesfalls keinen solchen Anspruch (E. 3a). Kann allenfalls aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens (gemäss Art. 8 EMRK) ein Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung abgeleitet werden (E. 3b)?

120 IB 120 () from 7. Januar 1994
Regeste: Auslieferung an die Republik Slowenien. Anwendbarkeit des zwischen der Schweiz und Serbien am 28. November 1887 abgeschlossenen Auslieferungsvertrages in bezug auf die Republik Slowenien (E. 1). Das landesinterne Recht darf die Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsvoraussetzungen gegenüber vorrangigem Vertragsrecht nicht erschweren, wohl aber erleichtern (E. 1a). Da beidseitige Strafbarkeit jedenfalls nach Art. 35 IRSG zu bejahen ist, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten auch von Art. I des Vertrages erfasst werden (E. 3b). Die vom Verfolgten geltend gemachten familiären und beruflichen Gründe stehen der verlangten Auslieferung nicht entgegen, ebensowenig der von ihm angerufene Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3c und d).

120 IB 129 () from 23. Juni 1994
Regeste: Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG und Art. 8 EMRK; Erlöschen des Anspruchs auf Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers, der mit einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin verheiratet ist. Die Voraussetzungen des Erlöschens sind weniger streng als im Fall des ausländischen Ehegatten eines Schweizers oder einer Schweizerin (in Anwendung von Art. 7 ANAG); die Verweigerung einer Bewilligung muss aber verhältnismässig sein (E. 4). Verhältnismässigkeitsprüfung im zu beurteilenden Fall unter Berücksichtigung des Dualismus von strafrechtlichen Sanktionen und fremdenpolizeilichen Massnahmen (E. 5).

120 IB 257 () from 30. September 1994
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der Zustimmung zu einer Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer. Halbgeschwister können sich im Hinblick auf einen Familiennachzug in die Schweiz unter Umständen auf Art. 8 EMRK berufen. Namentlich kann dies zutreffen, wenn ein Erwachsener mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz die Betreuung eines von ihm abhängigen Geschwisterteils übernimmt (E. 1c-d). Kriterien für die Bemessung der Abhängigkeit eines Jugendlichen von seiner Halbschwester; Festlegung des massgeblichen Zeitpunkts (E. 1e-f). Anwendung dieser Kriterien auf den zu beurteilenden Fall (E. 2).

120 II 384 () from 21. November 1994
Regeste: Wiederherstellung der elterlichen Gewalt (Art. 44 OG, Art. 313 ZGB, Art. 8 EMRK). Gegen den Entscheid, die elterliche Obhut nicht wiederherzustellen, ist die Berufung nicht gegeben (E. 4b und 4c). Jede Anordnung oder Abänderung von Kindesschutzmassnahmen setzt in einem gewissen Ausmass eine Prognose über die künftige Entwicklung der massgebenden Umstände voraus (E. 4d). Die Aufhebung der elterlichen Obhut stellt einen schweren Eingriff in das Familien- und Privatleben im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK dar (E. 5).

120 V 1 () from 26. Januar 1994
Regeste: Art. 8 Ziff. 1, Art. 12 und 14 EMRK, Art. 22 Abs. 1 AHVG. Der durch Heirat begründete Verlust von sozialversicherungsrechtlichen Rechten oder Vorteilen verletzt weder das Recht auf Familienleben im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK noch das Recht auf Heirat, welches von Art. 12 EMRK garantiert wird. In casu Ablösung der zwei einfachen Altersrenten durch eine Ehepaarrente nach Heirat (E. 2). Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 85 Abs. 2 lit. e AHVG. Öffentlichkeit der Verhandlung im Sozialversicherungsrecht. Vorschriften des Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf die Mündlichkeit. Zusammenfassung der diesbezüglichen Rechtsprechung in BGE 119 V 375. Im vorliegenden Fall waren die kantonalen Behörden nicht verpflichtet, eine Verhandlung anzusetzen (E. 3).

121 I 267 () from 15. September 1995
Regeste: Art. 88 OG, Art. 11 Abs. 1 KV/BE; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Aus Art. 11 Abs. 1 der Verfassung vom 6. Juni 1993 des Kantons Bern, wonach jede Person ein Recht auf Schutz vor staatlicher Willkür hat, ergibt sich für sich allein kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 88 OG und damit insofern auch kein weitergehender Schutz als aus Art. 4 BV (E. 2 u. 3).

121 I 306 () from 17. November 1995
Regeste: Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK, Art. 4 BV; Recht auf Einvernahme von Be- und Entlastungszeugen. Die Einvernahme eines V-Mannes darf in der Regel nicht verweigert werden, es sei denn, sichere Anhaltspunkte würden ausschliessen, dass er eine wichtigere Rolle gespielt hat, als aus den Akten ersichtlich ist (E. 1). Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Recht auf öffentliche Verhandlung. Falls die Geheimhaltung eines V-Mannes nicht mit anderen Mitteln möglich ist, kann dessen Einvernahme unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen (E. 2).

121 II 97 () from 24. Februar 1995
Regeste: Art. 7 ANAG. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; Scheinehe; Rechtsmissbrauch. Art. 105 Abs. 2 OG. Neue tatsächliche Vorbringen sind unzulässig (E. 1c). Art. 7 Abs. 1 ANAG. Das Zusammenleben der Ehegatten ist nicht Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Ausnahmen sowie der Rechtsmissbrauch (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 2). Art. 7 Abs. 2 ANAG. Kriterien für die Annahme einer Scheinehe. Angesichts der Dauer des ehelichen Zusammenlebens ist im vorliegenden Fall eine Scheinehe nicht nachgewiesen (E. 3). Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn der ausländische Ehegatte sich auf eine Ehe beruft, die einzig noch im Hinblick auf die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung formell besteht (E. 4).

121 II 317 () from 12. Juli 1995
Regeste: Enteignung von Nachbarrechten; Lärmeinwirkungen eines Flughafens; materielle Enteignung - Art. 5 EntG, Art. 679, 684 ZGB, Art. 42 ff. LFG, Art. 42 ff. VIL. Anwendung der Regeln über die formelle Enteignung auf Immissionen, die sich aus dem Betrieb eines Flughafens ergeben. Voraussetzungen zur Geltendmachung nachbarrechtlicher Abwehr- und Entschädigungsansprüche gemäss Art. 679 und 684 ZGB (E. 4b-c). Ergeben sich die Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb eines öffentlichen Werkes, kommt das Enteignungsrecht zum Zuge (E. 4d-e). Übersicht über die Rechtsprechung betreffend die vom Schienen- und Strassenverkehr ausgehenden Immissionen. Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit, der Schwere und der Spezialität des Schadens (E. 5a). Diese Voraussetzungen gelten grundsätzlich auch für Einwirkungen aus dem Flugverkehr (E. 5b). Den Anforderungen von Art. 8 EMRK kann in solchen Verfahren entsprochen werden (E. 5c). Voraussetzung der Unvorhersehbarkeit: Sie ist für jene Nachbarn eines nationalen Flughafens erfüllt, die ihre Grundstücke vor Ende des Jahres 1960 erworben haben (E. 6). Voraussetzung der Spezialität; Immissionsgrenzwerte der eidgenössischen Umweltschutzgesetzgebung als Kriterium (E. 8c/aa). Obschon für den Lärm von nationalen Flughäfen in der Lärmschutz-Verordnung noch keine Grenzwerte festgelegt worden sind, kann hier die Voraussetzung der Spezialität aufgrund des berechneten mittleren Lärmpegels "Leq" als erfüllt betrachtet werden (E. 8c/bb-cc). Bestimmungen der eidgenössischen Luftfahrtgesetzgebung betreffend die Lärmzonen A, B und C (E. 12a). Die Lärmzonenpläne regeln durch Bau- und Umbauverbote teilweise die Nutzung des Bodens; sie sind bei Änderung der Verhältnisse anzupassen (E. 12b). Voraussetzungen, unter denen die vorfrageweise Überprüfung dieser Pläne vorgenommen werden kann (E. 12c). Materielle Enteignung durch das Inkrafttreten des Lärmzonenplanes für den Flughafen Genf; massgebender Zeitpunkt zur Beurteilung der Tragweite der Einschränkungen (E. 12d/aa-bb). Da sich die Lärmzonen A und B aufgrund neuer Berechnungen als überdimensioniert erweisen, sind die hier umstrittenen Liegenschaften den Bestimmungen für die Lärmzone C zu unterstellen (E. 12d/cc-dd); die in der eidgenössischen Luftfahrtgesetzgebung für diese Zone vorgesehenen Beschränkungen begründen keine materielle Enteignung (Zusammenfassung, E. 13).

121 V 229 () from 20. November 1995
Regeste: Art. 3 und 9 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Art. 3 und Art. 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte; Art. 21 Abs. 1 AHVG: Gleichbehandlung der Geschlechter. Geltungsbereich der Pakte betreffend Gleichbehandlung der Geschlechter in der Sozialversicherung (in casu: unterschiedliche Altersvoraussetzungen für den Anspruch auf eine Altersrente).

122 I 85 () from 11. Juni 1996
Regeste: Art. 64bis Abs. 2 BV und Art. 2 ÜbBest. BV; Art. 355 Abs. 2 StGB; Art. 4 des Konkordats über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen vom 5. November 1992 (SR 351.71). Gemäss Art. 4 in Verbindung mit Art. 3 des Konkordats kann eine mit einer Strafsache befasste Untersuchungsbehörde in Anwendung des Verfahrensrechts ihres Kantons eine Prozesshandlung direkt in einem anderen Kanton durchführen. Nach Art. 64bis Abs. 2 BV und den Zielen des Konkordats kann dieses die in Art. 355 Abs. 2 StGB festgelegte Regel "locus regit actum" brechen, ohne den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts zu verletzen (E. 3).

122 I 153 () from 19. Juni 1996
Regeste: Art. 4 BV, Einsicht in Psychiatrie-Krankengeschichte, Datenschutz. Das Patientenverhältnis in der Psychiatrischen Klinik Schlössli ist in bezug auf den Datenschutz öffentlichrechtlicher Natur. Es findet nicht das eidgenössische Datenschutzgesetz, sondern das kantonale Recht Anwendung (E. 2). Es sind keine Anzeichen für eine Unvollständigkeit der Krankengeschichte ersichtlich (E. 4). Das Abdecken der Informationen in der Krankengeschichte, die von Personen ausserhalb der Klinik stammen, hält vor dem kantonalen Recht stand (E. 5). Der nach Art. 4 BV garantierte Anspruch auf Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens hängt von einem schutzwürdigen Interesse und von einer umfassenden Abwägung der entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen ab (E. 6a). In Würdigung aller Umstände überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse am Abdecken der Informationen von nicht zur Klinik stammenden Personen (E. 6b-6d).

122 I 182 () from 2. Mai 1996
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Gesprächen eines Mitbenützers des überwachten Anschlusses, Zeugnisverweigerungsrecht. Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 EMRK garantieren das Telefongeheimnis; Zulässigkeit von Einschränkungen (E. 3a). Der Gesprächspartner eines abgehörten Verdächtigten und der Mitbenützer eines überwachten Anschlusses geniessen einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz; sie können verlangen, dass die Abhörung nachträglich auf ihre Rechtmässigkeit hin geprüft und die Telefongespräche nicht bekanntgegeben und verwendet werden (E. 3b und 4b). Die Zulässigkeit der Abhörung des Mitbenützers eines überwachten Anschlusses und der Verwendung der erfassten Gespräche sind vom Richter auf Begehren hin bereits während der Untersuchung zu prüfen (E. 4c). Die Telefonabhörung des Mitbenützers eines überwachten Anschlusses und die Verwendung der Gespräche als Zufallsfunde halten im vorliegenden Fall vor Verfassung und Konvention stand; die Voraussetzung des vorherigen Verdachtes entfällt bei Zufallsfunden (E. 5). Die rechtmässig überwachte Person kann sich nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft und ihr Schweigerecht als Angeschuldigte berufen (E. 6).

122 I 222 () from 12. Juli 1996
Regeste: Persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 8 und Art. 10 EMRK; Art. 13d Abs. 2 ANAG; Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht; Zürcher Verordnung über die Polizeigefängnisse. Anfechtbarkeit unveränderter Normen bei der Teilrevision eines Erlasses (E. 1b). Bundesrechtliche Minimalanforderungen an den Vollzug ausländerrechtlicher Administrativhaft (E. 2). Verfassungsrechtliche Prüfung kantonaler Vollzugsbestimmungen betreffend Spaziergang (E. 4), Besuch (E. 5 u. 8), Briefverkehr (E. 6b), Drucksachen (E. 6c) und Arbeit (E. 7).

122 I 360 () from 28. November 1996
Regeste: Persönliche Freiheit. Beschaffung und Aufbewahrung personenbezogener Daten. Besonders schützenswerte Personendaten dürfen nur gemäss einer klaren gesetzlichen Grundlage bearbeitet werden, es sei denn, die Datenbearbeitung sei für eine in einem formellen Gesetz klar umschriebene Aufgabe unentbehrlich (E. 5b). Im Kanton Zürich fehlt eine gesetzliche Grundlage dafür, die blosse Zugehörigkeit zu einem Verein systematisch ins Personaldossier von Lehrkräften aufzunehmen (E. 5d).

122 II 1 () from 18. Januar 1996
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und 17 Abs. 2 ANAG, Art. 7, 26 und 28 AsylG und Art. 8 Ziff. 1 und 2 EMRK; Verweigerung der Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung an den ausländischen Ehemann einer Ausländerin, der in der Schweiz Asyl gewährt worden ist. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Art. 8 EMRK (E. 1). Voraussetzungen gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK, unter denen die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung an den Ehegatten einer Ausländerin mit Flüchtlingseigenschaft zulässig ist (E. 2). Prüfung dieser Voraussetzungen, insbesondere Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK, im zu beurteilenden Fall (E. 3).

122 II 148 () from 18. Juni 1996
Regeste: Art. 13b Abs. 1 lit. c, Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG und Art. 2 der Schlussbestimmungen des Bundesgesetzes über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht; Untertauchensgefahr, Verhältnismässigkeit der Ausschaffungshaft bei hängigem Verfahren über die Aufenthaltsberechtigung (Art. 7 ANAG). Wesentliche tatsächliche Vorkommnisse nach dem Inkrafttreten der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht dürfen bei der Prognose über die Untertauchensgefahr im Licht des früheren Verhaltens bewertet werden (E. 2). Für die Anordnung der Ausschaffungshaft genügt nach Art. 13b Abs. 1 ANAG ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid. Mit dem Vollzug der Wegweisung muss aber in absehbarer Zeit zu rechnen sein, ansonsten die Haft unverhältnismässig ist. Verhältnismässigkeit vorliegend mit Blick auf den Stand des Verfahrens betreffend die Aufenthaltsberechtigung des mit einer Schweizerin verheirateten Ausländers verneint (E. 3).

122 II 289 () from 31. Mai 1996
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und 7 ANAG, Art. 133 Abs. 1, Art. 255, 256 und 392 Ziff. 2 ZGB, Art. 1 Abs. 1 lit. a BüG sowie Art. 8 Ziff. 1 und 2 EMRK; Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für eine Ausländerin, die mit einem Schweizer eine Scheinehe eingegangen ist und ein Kleinkind hat, das während der Ehe geboren wurde. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Möglichkeit der Berufung auf Art. 7 ANAG - im Hinblick auf die Beziehung zum Ehemann - und auf Art. 8 EMRK - im Hinblick auf die Beziehung zum Kind - bejaht; insbesondere gilt ein Kind, das während der Scheinehe einer Ausländerin mit einem Schweizer geboren wird, als solches des Ehemannes und erhält daher das Schweizer Bürgerrecht (E. 1). Kriterien für die Annahme einer Scheinehe; Bejahung einer solchen im vorliegenden Fall (E. 2). Verstoss gegen Art. 8 EMRK verneint, insbesondere weil es dem Kind zumutbar ist, seiner Mutter ins Ausland zu folgen (E. 3).

122 II 385 () from 3. Oktober 1996
Regeste: Art. 100 lit. b Ziff. 3 und Art. 105 Abs. 2 OG, Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Verweigerung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an einen Ausländer sowie des Nachzugs seines ausländischen Kindes aus einer früheren Beziehung. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Hinblick auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8 EMRK (E. 1). Umfang der Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz als richterlichen Behörde (E. 2). Beurteilung des Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung des ausländischen Ehemannes einer Niedergelassenen unter Berücksichtigung unverschuldeter Fürsorgeabhängigkeit, des Nichtbezahlens von Schulden sowie des Umstandes, dass der Ausländer jedenfalls weiterhin eine Aufenthaltsbewilligung erhält (E. 3). Für das Kind getrennt lebender ausländischer Eltern setzt ein Nachzugsrecht voraus, dass es zum in der Schweiz weilenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).

122 II 433 () from 15. November 1996
Regeste: Art. 10 Abs. 1 lit. a und Art. 11 Abs. 3 ANAG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 3 ANAV; Art. 3 und Art. 8 EMRK sowie Art. 12 und Art. 13 UNO-Pakt II; fremdenpolizeiliche Ausweisung eines in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Ausländers (sog. "Ausländer der zweiten Generation"). Voraussetzungen der Zulässigkeit der Ausweisung, insbesondere deren Verhältnismässigkeit, nach schweizerischem Recht (E. 2). Vereinbarkeit der auf das Landesrecht gestützten Ausweisung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz (E. 3).

122 III 404 () from 1. November 1996
Regeste: Begleitetes Besuchsrecht, Ferienrecht (Art. 274 Abs. 2 ZGB). Wie Verweigerung oder Entzug des persönlichen Verkehrs nach Art. 274 Abs. 2 ZGB bedarf auch die Anordnung eines begleiteten Besuchsrechts konkreter Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls. Eine bloss abstrakte Gefahr einer möglichen ungünstigen Beeinflussung des Kindes reicht nicht aus, um den persönlichen Verkehr nur in begleiteter Form zuzulassen. Das gleiche gilt für den Entzug des Ferienrechtes. Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall. Wird behauptet, dass Besuche überhaupt bzw. unbegleitete Besuche beim besuchsberechtigten Elternteil dem Kind schaden, erweist sich ein Sachverständigengutachten zur Frage des Besuchsrechts des nicht obhutsberechtigten Elternteils in der Regel als unumgänglich. Dabei kommt es im kantonalen Verfahren angesichts der Offizial- bzw. Untersuchungsmaxime nicht darauf an, ob die Parteien einen entsprechenden Antrag gestellt haben (E. 1-4).

122 III 414 () from 7. November 1996
Regeste: Familienname des Kindes (Art. 270 Abs. 1 ZGB). Nach dem klaren, nicht auslegungsbedürftigen Wortlaut von Art. 270 Abs. 1 ZGB erhält das Kind miteinander verheirateter Eltern deren Familiennamen. Entspricht dieser dem väterlichen Nachnamen, so können die Eltern nicht verlangen, dass das Kind unter dem Nachnamen der Mutter in das Geburtsregister eingetragen wird (E. 2). Zwischen Art. 270 Abs. 1 ZGB sowie den Art. 8 und 14 EMRK besteht keine Divergenz (E. 3).

122 V 338 () from 28. Juni 1996
Regeste: Art. 20 Abs. 2 UVG, Art. 31, 32 Abs. 5 und 33 Abs. 1 UVV. Bei der Neufestsetzung der Komplementärrente wegen Änderung der für Familienangehörige bestimmten Teile der AHV- oder IV-Renten sind hinzutretende Zusatz- oder Kinderrenten der AHV/IV mit jenem Betrag vom versicherten Verdienst in Abzug zu bringen, wie er zur Ausrichtung gelangt wäre, wenn bereits beim erstmaligen Zusammentreffen der Leistungen (d.h. bei Beginn des Anspruchs auf die Komplementärrente) Anspruch auf die Zusatz- oder Kinderrente bestanden hätte.

123 I 112 () from 16. April 1997
Regeste: Abstrakte Überprüfung des Genfer Gesetzes über die Entnahme und Transplantation von Organen und Geweben; persönliche Freiheit, Art. 4 BV und Art. 2 ÜbBest. BV. Beschwerdelegitimation (E. 1b). Das Gesetz verletzt Art. 2 ÜbBest. BV nicht, da es auf dem fraglichen Gebiet an einer bundesrechtlichen Regelung fehlt (E. 3). Tragweite der persönlichen Freiheit auf dem Gebiet der Organtransplantation; Bedeutung des internationalen Rechts (E. 4). Das Gesetz, das für die Organtransplantation von einer vermuteten Einwilligung ausgeht und ein Widerspruchsrecht des Betroffenen oder seiner Angehörigen vorsieht, stellt eine genügend klare gesetzliche Grundlage dar; es ist zulässig, für die Bestimmung des Zeitpunkts des Todes auf die Richtlinien der Schweizerischen Akademie für medizinische Wissenschaften zu verweisen (E. 6 und 7). Die Regelung beruht auf einem ausreichenden öffentlichen Interesse (E. 8); sie ist mit dem Prinzip der Verhältnismässigkeit vereinbar, sofern allgemein eine entsprechende Informationspolitik betrieben und die Informationspflicht gegenüber den Angehörigen befolgt wird (E. 9). Das Gesetz verletzt die Rechtsgleichheit nicht (E. 10).

123 I 221 () from 7. April 1997
Regeste: Anfechtung der baselstädtischen Verordnung über das Gefängniswesen vom 19. Dezember 1995; Haftbedingungen im Strafvollzug sowie bei strafprozessualer und ausländerrechtlicher Haft; persönliche Freiheit, Art. 4 BV (Unschuldsvermutung), Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 3 EMRK, Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 10 EMRK. Eintretensvoraussetzungen, abstrakte Normenkontrolle: Umfang der Beschwerdebefugnis eines privatrechtlichen Vereins und von natürlichen Personen zur Anfechtung von kantonalen Bestimmungen, welche den Vollzug von Strafhaft sowie strafprozessualer und ausländerrechtlicher Freiheitsentziehung regeln; Art. 84 Abs. 1 OG, Art. 88 OG (E. I/2). Grundsätzliche Erwägungen: Schutzbereich der persönlichen Freiheit; Anforderungen an eine ausreichende gesetzliche Grundlage; sachlicher Geltungsbereich des angefochtenen Erlasses; Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen bei Inhaftierten (E. I/4). Unterbringung von ausländerrechtlichen Gefangenen: Voraussetzungen, unter denen die Unterbringung fremdenpolizeilicher Administrativhäftlinge in einem Vollzugs- bzw. Untersuchungsgefängnis zulässig sein kann. Prüfung der Grundrechtskonformität der baulichen Gegebenheiten (Zellengrössen, sanitäre Anlagen) in der kantonalen Vollzugsanstalt "Schällemätteli"; gesamthafte Würdigung der konkreten Haftbedingungen; persönliche Freiheit, Art. 3 und Art. 10 EMRK (E. II/1). Recht der Gefangenen auf ärztliche Betreuung (E. II/2). Gefangenenarbeit: Die Regelung der baselstädtischen Gefängnisverordnung, welche alle Insassinnen und Insassen sowohl des kantonalen Untersuchungsgefängnisses "Waaghof" als auch der Vollzugsanstalt "Schällemätteli", mit Ausnahme der Untersuchungshäftlinge, zur Erledigung der ihnen behördlich zugewiesenen Arbeiten verpflichtet, verstösst gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechtes, den verfassungsmässigen Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie gegen die persönliche Freiheit (E. II/3).

123 II 279 () from 3. Juli 1997
Regeste: Auslieferung an Deutschland; Alibibeweis, Art. 53 IRSG; Art. 3 EMRK. Ein bloss partiell geltend gemachter Alibibeweis, d.h. ein solcher, der sich nur auf einen Teil des Auslieferungsersuchens bezieht, ist unbeachtlich (E. 2b). Voraussetzungen, unter denen die Garantien von Art. 3 EMRK einer Auslieferung entgegenstehen (E. 2d).

123 II 419 () from 6. August 1997
Regeste: Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (SR 0.211.230.02); Rückführung eines widerrechtlich in die Schweiz verbrachten Kindes in die USA. Das Haager Entführungsübereinkommen stellt eine Art administrative Rechtshilfe für den Fall von Kindesentführungen zur Verfügung. Da keine Zivilrechtsstreitigkeit vorliegt, kann ein kantonaler Entscheid weder mit Berufung noch mit Nichtigkeitsbeschwerde, sondern mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (E. 1a). Nach Art. 20 des Übereinkommens kann die Rückführung eines entführten Kindes abgelehnt werden, wenn sie nach den im ersuchten Staat geltenden Grundwerten über den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist. Diese ordre public-Klausel kann nur in Ausnahmesituationen eingreifen. Im vorliegenden Fall stellt die angeordnete Rückführung des Kindes keinen unzulässigen Eingriff in den von Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantierten Schutz des Privat- und Familienlebens dar, weil der Eingriff gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK statthaft ist, so dass eine Rückführung nicht gegen Art. 20 des Übereinkommens verstösst (E. 2).

123 III 445 () from 20. November 1997
Regeste: Keine gemeinsame elterliche Gewalt der Eltern nach der Scheidung (Art. 297 Abs. 3 ZGB); Bemessung des Besuchsrechtes (Art. 273 ZGB). Bestätigung der Rechtsprechung, wonach gemäss Art. 297 Abs. 3 ZGB die gemeinsame elterliche Gewalt beider Elternteile nach der Scheidung ausgeschlossen ist (E. 2). Ist in einer Scheidungskonvention ein ausgedehntes Besuchsrecht vereinbart worden, kann deren Genehmigung nicht allein mit der Begründung verweigert werden, die Konvention gehe weiter als das nach kantonaler Praxis übliche Besuchsrecht; vielmehr ist zu prüfen, ob die vorgeschlagene Regelung im konkreten Fall mit dem in Art. 273 ZGB vorgesehen "Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr" und insbesondere mit dem Kindeswohl vereinbar ist (E. 3).

123 IV 236 () from 4. November 1997
Regeste: Art. 66 BStP, 105bis Abs. 2 BStP und 214 BStP; Art. 10 EMRK. Überwachung des Fernmeldeverkehrs von Journalisten. Die durch die Bundesanwaltschaft bzw. den Eidg. Untersuchungsrichter angeordnete und nachträglich dem Betroffenen mitgeteilte Überwachung des Fernmeldeverkehrs unterliegt der Beschwerde an die Anklagekammer (E. 2). Ausstand des Präsidenten der Anklagekammer, der die Überwachung genehmigte (E. 1). Zur Beschwerde legitimiert sind auch abgehörte tatsächliche Mitbenützer des überwachten Anschlusses und der Abonnent (E. 3). Bejahung eines aktuellen Rechtsschutzinteresses (E. 4). Abgrenzung Beschuldigter/Dritter: Beschuldigter im Sinne von Art. 66 Abs. 1 BStP ist allein die Person, deren strafbare Handlung als Anlasstat für die Zwangsmassnahme angerufen wird und in Betracht fällt (E. 6). Der Fernmeldeverkehr von Journalisten als Dritten darf aufgrund des sich unmittelbar aus Art. 10 EMRK für diese ergebenden Rechts, über ihre Informationsquellen die Auskunft zu verweigern, grundsätzlich nicht überwacht werden, wenn dieser Quellenschutz dadurch illusorisch würde (E. 8a). Die in Frage stehende Amtsgeheimnisverletzung weist nicht die ausserordentliche Bedeutung auf, die erlaubte, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Überwachung zu bejahen (E. 8b und c). Die über das Ergebnis der unzulässigen Überwachung vorhandenen Unterlagen sind aus den Untersuchungsakten zu entfernen und gesondert aufzubewahren (E. 10).

124 I 34 () from 30. Januar 1998
Regeste: Persönliche Freiheit; Gutachtensauftrag an den Strafantragsteller. Die Aushändigung von in einem Strafverfahren sichergestellten Computerfestplatten und Disketten an einen Experten bewirkt einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschuldigten, wenn darauf auch persönliche Daten gespeichert sind (E. 3a). Für den Beizug eines Experten zur Analyse von elektronischen Datenträgern in einem Strafverfahren besteht im zürcherischen Recht im Prinzip eine genügende gesetzliche Grundlage (E. 3b und c). Eine solche fehlt jedoch für die Vergabe des Gutachtensauftrags an den Strafantragsteller (E. 3d und e).

124 I 85 () from 23. April 1998
Regeste: Persönliche Freiheit, Verpflichtung der Polizeibeamten zum Tragen von Namensschildern. Die im Polizeigesetz festgelegte Verpflichtung der Polizeibeamten, mit der Uniform ein Namensschild zu tragen, berührt die persönliche Freiheit (E. 2). Sie erweist sich als verfassungsmässig (E. 3).

124 I 176 () from 15. Mai 1998
Regeste: Persönliche Freiheit, Datenschutz; Steuerausweis. § 83 des zürcherischen Steuergesetzes vom 8. Juli 1951 ist eine genügende gesetzliche Grundlage für die Abgabe eines Steuerausweises an Dritte; Vorliegen eines hinreichenden öffentlichen Interesses (E. 5). Es besteht kein Anspruch, dass der Steuerpflichtige vor der Abgabe eines Steuerausweises angehört wird (E. 6).

124 I 304 () from 23. September 1998
Regeste: Art. 4 BV; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege betreffend ein Verfahren, in dem die Zulässigkeit von medizinischen Zwangsmassnahmen in Frage steht. Voraussetzungen des aus Art. 4 BV abgeleiteten Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege; Kognition des Bundesgerichts in Bezug auf Tat- und Rechtsfragen (E. 2). Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Beschwerde unter Berücksichtigung, dass sich schwierige Rechtsfragen stellen und der Kerngehalt der persönlichen Freiheit berührt ist (E. 4).

124 II 293 () from 24. Juni 1998
Regeste: Rahmenkonzession für den Ausbau des Flughafens Zürich. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2). Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Privaten (E. 3a), der schweizerischen Gemeinden (E. 3b) und der deutschen Gemeinwesen im Lärmeinflussbereich des Flughafens Zürich (E. 3c) sowie der Vereinigungen (E. 3d). Kognition des Bundesgerichts, zulässige Rügen (E. 4a). Rüge der Völkerrechtsverletzung, Voraussetzung der Bestimmtheit und unmittelbaren Anwendbarkeit der angerufenen völkerrechtlichen Bestimmungen (E. 4b). Unzulässigkeit der Anrufung ausländischen Rechts (E. 4c). DIE LUFTFAHRTRECHTLICHEN KONZESSIONSVERFAHREN FÜR DEN BAU UND BETRIEB VON FLUGHÄFEN Bau-, Betriebs- und Rahmenkonzessionsverfahren, Entwicklung der Regelung auf Gesetzes- und Verordnungsstufe, Praxis (E. 9). Mängel der gesetzlichen Ordnung, Verhältnis von Bau- und Betriebskonzession (E. 10). UMWELTVERTRÄGLICHKEITSPRÜFUNG UND UMWELTVERTRÄGLICHKEITSBERICHT Mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau und Betrieb von Flughäfen (E. 11). Anfechtbarkeit des Umweltverträglichkeitsberichts, Folgen der Unrichtigkeit einer Prognose im mehrstufigen Verfahren (E. 12). Erhebliche Unrichtigkeit der angestellten Luftverkehrsprognose, Notwendigkeit der Verbesserung (E. 13-15). Zeitlich praktisch zusammenfallenden Konzessionsverfahren müssen die gleichen Annahmen über die Betriebsentwicklung zugrunde gelegt werden (E. 14 und 16b). FLUGLÄRM Beim umstrittenen Ausbau des Flughafens handelt es sich um eine wesentliche Änderung im Sinne von Art. 18 USG bzw. Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV (E. 16). Möglichkeit von Erleichterungen über den Alarmwert hinaus; Erfordernis von passiven Schallschutzmassnahmen (E. 17). Überwiegendes öffentliches Interesse am Flughafen Zürich und an dessen weiteren Ausbau bejaht (E. 18a). Anwendbarkeit der von der Eidgenössischen Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten vorgeschlagenen Immissionsgrenzwerte (E. 18b). Pflicht zur Erfassung der grenzüberschreitenden Lärmbelastung (E. 18c). Verfahren zur Gewährung von Erleichterungen und Anordnung von Schutzmassnahmen an den betroffenen Gebäuden, zeitliche Einordnung in das Rahmen- und Baukonzessionsverfahren, Möglichkeit von "nachlaufenden" Verfahren (E. 19). Begrenzungen der Flugbewegungen oder andere flugbetriebliche Einschränkungen sind nicht in der Rahmenkonzession anzuordnen; erweisen sich aus Umweltschutzgründen betriebliche Einschränkungen als erforderlich, so muss die Betriebskonzession entsprechend geändert werden (E. 20). Der Betreiber einer öffentlichen Anlage, deren Lärm die Immissionsgrenzwerte übersteigt, kann in der Regel nicht vor Ablauf der Sanierungsfrist zur Zahlung einer Enteignungsentschädigung verpflichtet werden (E. 21a). Da die Lärmzonen durch den Lärmbelastungskataster ersetzt werden sollen, erübrigt sich eine Überarbeitung (E. 21b). LUFTREINHALTUNG Flugplatzbauten und -anlagen gelten gesamthaft als Verkehrsanlage im Sinne von Art. 2 Abs. 3 LRV. Für sie gilt hinsichtlich der Luftreinhaltung die Rechtsprechung, die das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau aufgestellt hat (E. 23). Es besteht zur Zeit kein Anlass, die im kantonalen Massnahmenplan für den Flughafen Zürich vorgesehenen Massnahmen zur Luftreinhaltung zu "verschärfen" (E. 24). Bedürfnis nach Parkplätzen, etappenweise Erweiterung der Parkhäuser. Die Aufteilung eines Ausbauvorhabens in verschiedene Teilschritte und Bewilligungsverfahren darf nicht dazu führen, dass die Gesamtauswirkungen des Ausbaus ungeprüft bleiben (E. 26). Die im kantonalen Massnahmenplan vorgesehenen Massnahmen zur Erhöhung des Anteils an öffentlichem Verkehr (Modal-Split) sind im luftfahrtrechtlichen Rahmenkonzessionsverfahren weder finanziell noch rechtlich "abzusichern" (E. 27). Ebensowenig sind in diesem Verfahren Massnahmen zu ergreifen, um ein Ausweichen des motorisierten Verkehrs auf die Quartierstrassen zu verhindern (E. 28). Verlagerung des sog. Luftfrachtersatzverkehrs auf die Schiene (E. 29)? Inwieweit während der Bauphase die Materialtransporte per Bahn zu erfolgen haben, ist nicht im Rahmenkonzessionsverfahren zu entscheiden (E. 30). Die Abstimmung der raumwirksamen Tätigkeiten von Bund, Kantonen und Gemeinden erfolgt im Rahmen der Richtplanung (E. 31a). Auch von den Gemeinden wird erwartet, dass sie auf eine bestehende lärmige Anlage bei der Ortsplanung Rücksicht nehmen (E. 31b). GEWÄSSERSCHUTZ EINZELFRAGEN Sicherheitsrisiko im Warteraum (E. 33a). Verletzung der deutschen Lufthoheit (E. 33b)? Das Rahmenkonzessionsverfahren dient nicht dazu, allgemeine luftfahrtpolitische Fragen zu behandeln (E. 34).

124 II 361 () from 23. Juni 1998
Regeste: Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 105 Abs. 2 OG, Art. 4 ANAG und Art. 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8 EMRK sowie Art. 9, 10 und 12 der UNO-Kinderrechtekonvention; Verweigerung des Nachzugs der Kinder eines Ausländers aus einer früheren Beziehung. Bestätigung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie zur Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz als richterlichen Behörde (E. 1 und 2). Bestätigung der Rechtsprechung, wonach ein Nachzugsrecht bei Kindern getrennt lebender ausländischer Eltern voraussetzt, dass zum in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung besteht. Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit der UNO-Kinderrechtekonvention. Bedeutung des Anspruches der Kinder gemäss diesem Übereinkommen, sich in allen sie berührenden Angelegenheiten frei zu äussern bzw. angehört zu werden (E. 3 und 4).

124 II 543 () from 23. September 1998
Regeste: Formelle Enteignung der Rechte von Flughafen-Nachbarn auf Schutz vor Lärmimmissionen und vor Überflug; Verjährung der Entschädigungsansprüche. Teilentscheid über die Frage der Verjährung (E. 1). Grundlagen der Entschädigungsansprüche von Flughafen-Nachbarn für Lärmimmissionen und Überflug im formellen Enteignungsverfahren; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 3). Bei formeller Enteignung der Rechte, welche die Nachbarn eines öffentlichen Werkes vor Lärmimmissionen und vor überflug schützen, gilt grundsätzlich eine Verjährungsfrist von fünf Jahren ab Entstehung des Entschädigungsanspruchs (E. 4). Festlegung des Beginns des Fristenlaufes bei Entschädigungsansprüchen für Lärmimmissionen im Hinblick auf die Voraussetzung der Spezialität (E. 5a). Angesichts der verschiedenen Verfahren - formelles Enteignungsverfahren, Entschädigungsverfahren für materielle Enteignung infolge des Lärmzonenplans -, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des internationalen Flughafens Genf eröffnet worden sind, drängt sich eine Sonderlösung für die Bestimmung des Fristablaufes auf (E. 5b-c); übernahme dieser Lösung für den Entschädingungstatbestand des überflugs (E. 5d). Missbräuchliche Anrufung der Verjährung (E. 7)? Der Zusprechung einer Entschädigung an die Nachbarn gestützt auf das Bundesgesetz über die Enteignung stehen im vorliegenden Fall die Bestimmungen des eidgenössischen Umweltschutzrechts nicht entgegen (E. 6).

124 III 1 () from 29. August 1997
Regeste: Art. 457 ZGB, Art. 13a SchlT ZGB und Art. 15 SchlT ZGB. Keine Erbberufung im Falle altrechtlicher Zahlvaterschaft. Die Verletzung von Bestimmungen der EMRK kann nicht mit Berufung geltend gemacht werden (E. 1). Die Eigenschaft "Nachkomme" im Sinne von Art. 457 ZGB beurteilt sich nach Familienrecht. Eine Zahlvaterschaft kann nur dann in ein Kindesverhältnis umgewandelt werden, wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 13a SchlT ZGB erfüllt sind (E. 2).

125 I 46 () from 30. November 1998
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Zufallsfunden als Beweismittel im Strafverfahren gegen den von der Abhörung mit erfassten Gesprächspartner, Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund des Berufsgeheimnisses. Die auf dem Berufsgeheimnis beruhende Einschränkung der Verwendung von Abhörprotokollen entfällt, wenn die zur Zeugnisverweigerung berechtigte Person selbst einer überwachungswürdigen Straftat verdächtigt wird. Protokolle über Gespräche einer rechtmässig überwachten Person dürfen daher zu Lasten des mit abgehörten Berufsgeheimnisträgers verwendet werden, sofern bei diesem die Voraussetzungen für eine Telefonabhörung ebenfalls erfüllt gewesen wären (E. 6). Voraussetzung der Schwere des Delikts (E. 7a).

125 I 96 () from 28. Januar 1999
Regeste: Telefonüberwachung. Abwesenheit der überwachten Person. Anspruch auf Einsicht in die Aufzeichnungen. Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK. Ein auf den Namen des Beschuldigten oder Verdächtigten lautender Telefonanschluss darf auch dann überwacht werden, wenn sich der Beschuldigte oder Verdächtigte in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug befindet und seinen Anschluss nicht benützen kann (E. 2). Spätestens beim Abschluss der Strafuntersuchung ist allen Benützern des abgehörten Telefonanschlusses Einsicht in die für die weitere Verwendung im Strafverfahren bestimmten Aufzeichnungen zu gewähren (E. 3).

125 I 394 () from 5. Oktober 1999
Regeste: Art. 88 OG und Art. 5 EMRK; Legitimation zur Haftbeschwerde, Entschädigungsverfahren. Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (E. 3). Nach Beendigung der Untersuchungshaft fehlt es für deren Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde an einem aktuellen praktischen Interesse (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 4). Die Rügen der Verletzung von Art. 5 EMRK sowie der verfassungs- und gesetzmässigen Verteidigungsrechte können im Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden (Präzisierung der Rechtsprechung); Ausgestaltung des Entschädigungsverfahrens (E. 5).

125 II 521 () from 15. Dezember 1999
Regeste: Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG und Art. 11 Abs. 3 ANAG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 3 ANAV; Art. 100bis StGB; Art. 8 EMRK; fremdenpolizeiliche Ausweisung eines Ausländers, der durch Strafurteil in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen wurde. Voraussetzungen der Zulässigkeit der Ausweisung, insbesondere deren Verhältnismässigkeit, nach schweizerischem Recht (E. 2). Der Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG setzt einen gerichtlichen Schuldspruch wegen eines Verbrechens oder Vergehens voraus; ob es sich bei der im Strafurteil ausgesprochenen Sanktion um eine Strafe oder um eine Massnahme handelt, ist unerheblich (E. 3). Vereinbarkeit der Ausweisung mit dem Landesrecht (E. 4) und dem in Art. 8 EMRK garantierten Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (E. 5).

125 II 585 () from 2. November 1999
Regeste: Art. 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8 EMRK; Verweigerung des Nachzugs des jüngsten Sohnes aus der ersten Ehe einer Ausländerin. Die Nachzugsregelung von Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG ist auf den Fall zugeschnitten, dass die eheliche Beziehung der gemeinsamen Eltern intakt ist. Bei einem nachträglichen Nachzug von Kindern getrennt lebender bzw. geschiedener ausländischer Eltern kann es daher zum Vornherein nur um eine analoge Anwendung dieser Bestimmung gehen. Es widerspricht daher dem Gesetzeszweck nicht, wenn für den Nachzug solcher Kinder deren Beziehung zu Drittpersonen mitberücksichtigt wird (E. 2c).

125 II 633 () from 22. Dezember 1999
Regeste: Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 103 lit. b OG, Art. 7 Abs. 1 und 17 Abs. 2 ANAG, Art. 8 EMRK; Bewilligung des nachträglichen Familiennachzugs. Beschwerdelegitimation des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (E. 1a und b). Ein mit einem Schweizer Bürger verheirateter Ausländer, der erst über eine Jahresaufenthaltsbewilligung verfügt (Art. 7 Abs. 1 erster Satz ANAG), hat keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG. Ob sich ein solcher aus Art. 8 EMRK ergibt, ist aufgrund einer Güterabwägung zu prüfen (E. 2 und 3).

125 III 185 () from 2. März 1999
Regeste: Art. 139a OG; Art. 10 EMRK. Revision wegen einer von den Organen der EMRK festgestellten Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäusserung. Voraussetzungen des Revisionsgrundes von Art. 139a OG (E. 2). Verhältnis von Art. 139a OG zu Art. 50 aEMRK (E. 3). Tragweite des Rechts auf freie Meinungsäusserung gegenüber wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen: Gerichtliche Verbote von Äusserungen, welche die Wettbewerbsstellung der Anbieter eines Erzeugnisses beeinträchtigen, sind unter dem Blickwinkel von Art. 10 EMRK im Rahmen des Notwendigen und Verhältnismässigen zulässig (E. 4).

125 III 209 () from 23. März 1999
Regeste: Art. 161 ZBG und Art. 271 ZGB; Verfassungsmässigkeit und EMRK-Konformität des zivilgesetzlichen Bürgerrechtserwerbs durch Heirat und kraft Abstammung. In Zivilstandssachen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (E. 2). Die zivilgesetzlichen Bestimmungen über den Bürgerrechtserwerb durch Heirat und kraft Abstammung widersprechen dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter (E. 3 und 4), sind für Verwaltungsbehörden und Gerichte aber gleichwohl massgebend (E. 5). Der Erwerb eines Kantons- und Gemeindebürgerrechts fällt weder in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens noch in denjenigen der Ehefreiheit, so dass das Diskriminierungsverbot der EMRK nicht mit Erfolg angerufen werden kann (E. 6).

126 I 1 () from 2. Februar 2000
Regeste: Art. 4 Abs. 2 aBV; Art. 30 Abs. 2 und Art. 160 Abs. 1 ZGB; Art. 178 Abs. 2 und Art. 179 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZStV; § 1 lit. d der Aargauer Verordnung über die Gebühren im Personenstandswesen. Tragweite von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 aBV (E. 2a-c). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts betreffend die Verfassungsmässigkeit von kantonalem Recht, das mit einer - gemäss Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 aBV verbindlichen - bundesgesetzlichen Regelung in Zusammenhang steht (E. 2e, f). Kantonale Gebühren für die Bewilligung, von der Trauung an den Namen der Ehefrau als Familiennamen zu führen, verstossen gegen Art. 4 Abs. 2 aBV (E. 2d, g-h).

126 I 7 () from 23. März 2000
Regeste: Art. 10 Abs. 2, 13 Abs. 2 und 29 Abs. 2 BV; Einsicht in Polizeiakten. Abgrenzung zwischen dem aus der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und dem Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten (Art. 13 Abs. 2 BV) abgeleiteten Akteneinsichtsrecht einerseits und dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) andererseits (E. 2). Kann der Betroffene nach dem anwendbaren kantonalen Recht die Berichtigung oder die Löschung unrichtiger Daten in Polizeiakten verlangen, muss er auch die Möglichkeit haben, Einsicht in diese Akten zu nehmen, sofern kein überwiegendes, von der Behörde nachzuweisendes öffentliches Interesse entgegensteht (E. 3).

126 I 50 () from 5. April 2000
Regeste: Fernmeldegeheimnis, Überwachung des E-Mail-Verkehrs als strafprozessuale Zwangsmassnahme; Art. 4 aBV/Art. 9 BV, Art. 36 Abs. 4 aBV/Art. 13 Abs. 1 BV, § 103 und 104 ff. StPO/ZH. Die materielle Grundlage für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis findet sich nicht im (eidgenössischen) Fernmeldegesetz, sondern in den einschlägigen Strafprozessbestimmungen (E. 2). Es hält vor dem Willkürverbot nicht stand, vom Provider die Erforschung und Herausgabe von Angaben über Absender und Sendezeitpunkt eines manipulierten E-Mails gestützt auf § 103 StPO/ZH zu verlangen (E. 4). Die Teilnehmeridentifikation von Telefongesprächen stellt einen Eingriff in das Telefongeheimnis dar und unterliegt den verfassungs- und gesetzmässigen Voraussetzungen (E. 5b). Das verfassungsmässige Fernmeldegeheimnis gilt auch für den E-Mail-Verkehr über Internet; Anforderungen an Eingriffe (E. 6a). Die Erforschung und Herausgabe der Angaben über die Randdaten einer E-Mail-Mitteilung bedarf einer gesetzlichen Grundlage und einer richterlichen Genehmigung (E. 6b und 6c).

126 I 112 () from 23. Mai 2000
Regeste: Persönliche Freiheit (Art. 10 und 36 Abs. 3 BV; Art. 8 EMRK); Zwangsmedikation und Isolierung. Anforderungen an die gesetzliche Grundlage bei medizinischen Zwangseingriffen (E. 3c). Ausnahmsweise Zulässigkeit von Zwangsmassnahmen trotz fehlender formeller Rechtsgrundlage (E. 4c). Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips in sachlicher und zeitlicher Hinsicht (E. 5b - c).

126 II 265 () from 5. Juli 2000
Regeste: Art. 7 sowie Art. 8 Abs. 1 und 3 ANAG, Art. 14 Abs. 3 ANAV; Aufenthaltsbewilligung, Kantonswechsel. Grundsätzliche Zulässigkeit des Kantonswechsels im Falle einer vom schweizerischen Ehemann getrennten Ausländerin: Da der Bewilligungsanspruch (Art. 7 ANAG) nicht vom gemeinsamen Haushalt der Ehegatten abhängt, ist er auch nicht auf den Kanton beschränkt, in dem der schweizerische Ehegatte Wohnsitz hat (E. 2).

126 II 300 () from 3. Mai 2000
Regeste: Art. 7, 11, 13 und 15 USG, Art. 4 LSV; Schiesslärm am Liestaler Banntag; Art. 10 BV, Art. 2 und 8 EMRK; Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Rechtsmittel: Stadträtliche Weisungen können als Allgemeinverfügungen Gegenstand einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde bilden (E. 1a). Zur Zulässigkeit von Feststellungsbegehren (E. 2c und d). Die am Liestaler Banntag verwendeten Gewehre sind als Geräte den Anlagen im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG gleich gestellt (E. 4a). Lärmschutzrechtliche Beurteilung des Schiesslärms am Banntag (E. 4b-e). Die stadträtlichen Weisungen, die das Schiessen am Banntag regeln, verstossen weder gegen Umweltrecht (E. 4e/ee) noch gegen grundrechtliche Schutzpflichten des Staates (E. 5).

126 II 329 () from 26. Juli 2000
Regeste: Art. 17 Abs. 2 ANAG; Familiennachzug bei zusammenlebenden Eltern. Nachträgliche Ausübung des Familiennachzugsrechts für Kinder. Unterschiedliche Voraussetzungen für getrennte Elternteile einerseits und zusammenlebende Eltern andererseits; Vorbehalt des Rechtsmissbrauches (E. 2-4).

126 II 335 () from 9. August 2000
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 26 u. Art. 8a aAsylG; Art. 44 Abs. 2, Art. 51 Abs. 5 u. Art. 54 AsylG; Art. 39 AsylV 1; Art. 14a ff. ANAG; Anspruch eines vorläufig aufgenommenen Flüchtlings auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Familiennachzugs? Der vorläufig aufgenommene Flüchtling verfügt gestützt auf das nationale Recht über kein gesichertes Anwesenheitsrecht, das ihm einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verschaffen würde (E. 1). Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus Art. 8 EMRK, nachdem die Frage des Familiennachzugs heute nicht mehr von der Erteilung einer kantonalen Aufenthaltsbewilligung abhängt, sondern vom Gesetzgeber in Art. 51 Abs. 5 des Asylgesetzes bzw. Art. 39 der Asylverordnung 1 asylrechtlich geregelt wurde. Mit Blick auf Art. 8 EMRK ist allein entscheidend, dass der Ausländer faktisch die Möglichkeit hat, das Verhältnis zu seinen Familienangehörigen in angemessener Weise zu pflegen, wozu jede Anwesenheitsberechtigung genügt, welche dies zulässt (E. 2 u. 3).

126 II 377 () from 11. September 2000
Regeste: Art. 8 Abs. 2, Art. 9, 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 29a, 30 sowie 41 Abs. 1 lit. f und g BV; Art. 8 und 13 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 sowie Art. 86 Abs. 1 OG; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Wieweit lassen sich aus den Grundrechten der Bundesverfassung vom 18. April 1999 Ansprüche auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ableiten, welche den Weg ans Bundesgericht mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde öffnen? - aus dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV: keine Änderung der Rechtsprechung (E. 2b, 2c und 7); - aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) unter bestimmten Voraussetzungen (E. 3); - nicht aus dem Willkürverbot gemäss Art. 9 BV (E. 4); - aus dem Grundrecht auf Schutz von Kindern und Jugendlichen gemäss Art. 11 Abs. 1 BV? Tragweite dieser Bestimmung (E. 5). Begriff der direkten und indirekten Diskriminierung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV: Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines invalid gewordenen Ausländers stellt keine Diskriminierung dar (E. 6). Erschöpfung des Instanzenzuges im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde bei "anspruchsabhängigen" kantonalen Rechtsmitteln (E. 8b und 8e). Art. 13 EMRK sowie Art. 30 BV verlangen keinen generellen gerichtlichen Rechtsschutz (E. 8d/bb).

126 II 425 () from 25. August 2000
Regeste: Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK; Art. 8, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 und Art. 36 BV; Art. 4 ANAG; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Anspruch eines gemischtnationalen, lesbischen Paares, seine Beziehung in der Schweiz leben zu können. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stellen kein Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV dar (E. 4b); die Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung an den ausländischen Partner kann unter gewissen Umständen aber das Recht der Betroffenen auf Privatleben berühren und das Ermessen der Bewilligungsbehörde gemäss Art. 4 ANAG beschränken (E. 4c; Änderung der Rechtsprechung). Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der in einer stabilisierten, sechsjährigen Partnerschaft lebenden Beschwerdeführerinnen ein (E. 4d), erachtet den mit der Verweigerung der Bewilligung verbundenen Eingriff in ihr Privatleben indessen als im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 BV gerechtfertigt (E. 5).

127 I 6 () from 22. März 2001
Regeste: Medikamentöse Zwangsbehandlung in psychiatrischer Klinik während fürsorgerischen Freiheitsentzuges; Art. 7, 10, 13 und 36 BV, Art. 3 und 8 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II. Rechtsgrundlage für die zwangsweise Medikation, Gesetz des Kantons Basel-Stadt über die Behandlung und Einweisung psychisch kranker Personen (Psychiatriegesetz; E. 2a, 4 und 7a). Bedeutung der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV im Vergleich mit dem früheren ungeschriebenen Grundrecht und speziellen Garantien in andern Verfassungsbestimmungen (E. 5a); Tragweite der Garantie der Menschenwürde nach Art. 7 BV (E. 5b); internationale Grundrechtsgewährleistungen im Zusammenhang mit der medikamentösen Zwangsbehandlung (E. 5c-f). Prüfung der Voraussetzungen für medikamentöse Behandlung nach Psychiatriegesetz hinsichtlich Urteilsunfähigkeit (E. 7b), mutmasslichem Willen (E. 7c) und dringender Notwendigkeit (E. 7d). Überwiegende Interessen zur Rechtfertigung von Zwangsbehandlungen (E. 8). Prüfung der Verhältnismässigkeit des Grundrechtseingriffes aufgrund des Psychiatriegesetzes (E. 9b und 9c) sowie anhand von Art. 36 BV (E. 9d).

127 I 115 () from 18. Juni 2001
Regeste: Art. 10 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; richterliche Kontrolle einer Autopsieverfügung. Bestreiten die nahen Angehörigen eines Verstorbenen im Nachhinein die Anordnung einer Autopsie, muss diese grundsätzlich zum Gegenstand einer richterlichen Überprüfung gemacht werden können.

127 I 145 () from 27. Juni 2001
Regeste: Einsicht in archivierte Strafakten durch Drittpersonen; Informations- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 16 und 20 BV. Kantonale Bestimmungen über die Archivierung (E. 2). Keine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung durch den Verordnungsgeber (E. 3). Grundzüge der Kommunikationsfreiheit (E. 4b); die Informations- und Wissenschaftsfreiheit räumen keinen generellen Anspruch auf Beschaffung von Informationen aus nicht allgemein zugänglichen Quellen (archivierten Akten während Schutzfrist) ein (E. 4c und 4d). Prüfung der Anwendung des kantonalen Archivrechts; Persönlichkeitsschutz von Verstorbenen, Angehörigen und Drittpersonen (E. 5).

128 I 63 () from 4. März 2002
Regeste: Persönliche Freiheit (Art. 10 BV, Art. 8 EMRK); Art. 7 Abs. 1 des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes (KRK). Anspruch auf Kenntnis der Abstammung: Der Anspruch, die leiblichen Eltern zu kennen und entsprechend die im Zivilstandsregister überdeckten Eintragungen einzusehen, steht dem volljährigen Adoptivkind unabhängig von einer Abwägung mit entgegenstehenden Interessen zu (E. 2-5).

128 I 167 () from 7. Mai 2002
Regeste: Abstrakte Anfechtbarkeit eines Polizeieinsatzbefehls, Gewährleistung hinreichenden Rechtsschutzes im Anschluss an einen Polizeieinsatz; Art. 84 Abs. 1 OG, Art. 13 EMRK. Anfechtbarkeit von Erlassen und Verwaltungsverordnungen im Allgemeinen (E. 4.3). Gewährleistung hinreichenden Rechtsschutzes im Anschluss an Realakte anlässlich eines Polizeieinsatzes; Ausschluss der abstrakten Anfechtbarkeit eines Polizeieinsatzbefehls (E. 4.5).

128 III 113 () from 6. Dezember 2001
Regeste: Eheverbot zwischen Stiefelter und Stiefkind (Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, Art. 12 EMRK). Das Eheverbot zwischen Stiefelter und Stiefkind, das in seiner heutigen Fassung gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, lässt nach dem Willen des Gesetzgebers die Eheschliessung auch dann nicht zu, wenn aus der Beziehung zwischen Stiefelter und Stiefkind Kinder hervorgegangen sind (E. 2). Das Verbot der Eheschliessung zwischen Stiefelter und Stiefkind ist mit Art. 12 EMRK vereinbar (E. 3-5).

128 IV 154 () from 2. Juli 2002
Regeste: Art. 220 StGB (Entziehen von Unmündigen); faktisches Familienverhältnis, Registerelternschaft. Geschütztes Rechtsgut (E. 3.1). Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Kindesentziehung bzw. zum Besuchsrechtsmissbrauch unter Scheidungsparteien (E. 3.2). Objektiver Tatbestand, Begriff des Inhabers der elterlichen "Gewalt" bzw. Sorge; Anwendbarkeit der familien- bzw. kindesrechtlichen Regeln (E. 3.3). Die elterliche Obhut des Registervaters, die ihm durch richterlichen Entscheid zugewiesen wurde, wird von der Registermutter verletzt, wenn sie das Kind in Überschreitung ihres Besuchsrechts ins Ausland verbringt und es nicht zurückbringt (E. 3.4-3.6). Art. 28 Abs. 1 StGB (Strafantrag); Rechtsmissbrauch. Der gegen die Registermutter erhobene Strafantrag des Registervaters, der während 11 Jahren die Elternfunktion ausgeübt hat, ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Registervater gemeinsam mit der Registermutter den unzutreffenden Registereintrag erschlichen hat (E. 4).

129 I 151 () from 6. November 2002
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK; Art. 32 Abs. 2 BV; § 107 Abs. 2 StPO/AG; Anspruch auf Befragung des minderjährigen Opferzeugen. Der Anspruch, dem Belastungszeugen Fragen stellen zu können, ist dann absoluter Natur, wenn dem Zeugnis ausschlaggebende Bedeutung zukommt (E. 3.1). Dieser Anspruch kann mit Rücksicht auf den Schutz des Opfers allenfalls auch ohne Konfrontation mit dem Angeklagten oder direkte Befragung des Opfers durch den Verteidiger gewährleistet werden (E. 3.2). Die Beantwortung von Fragen der Verteidigung an den ausschlaggebenden Belastungszeugen darf nicht mittels antizipierter Beweiswürdigung für nicht notwendig erklärt werden. Schliessen es die berechtigten Interessen namentlich des minderjährigen Opfers aus, dass ihm der Angeklagte Fragen stellen lässt, darf auf die entsprechende Zeugenaussage grundsätzlich nicht abgestellt werden (E. 4). Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Ersatzmassnahmen für die direkte Konfrontation in Frage kommen, um die Verteidigungsrechte des Angeschuldigten so weit als möglich zu gewährleisten und gleichzeitig den Interessen des Opfers gerecht zu werden (E. 5).

129 II 11 () from 11. Oktober 2002
Regeste: Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG; Familiennachzug im Falle von Teilfamilien; Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch des überlebenden Elternteils auf nachträglichen Nachzug seines minderjährigen Kindes besteht. Beschwerdebefugnis des Bundesamtes für Ausländerfragen (E. 1.1). Wer als verwitweter bzw. wiederverheirateter Elternteil sein Kind jahrelang im Heimatland in der Obhut der Grosseltern oder anderer naher Verwandter lässt, hat - gleich wie ein getrennter oder geschiedener Elternteil - nur dann Anspruch auf nachträglichen Familiennachzug, wenn stichhaltige Gründe eine Änderung der Betreuungsverhältnisse gebieten, wobei wegen der zu erwartenden Integrationsschwierigkeiten an die Stichhaltigkeit dieser Gründe umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je älter das Kind ist (E. 3).

129 II 193 () from 21. Februar 2003
Regeste: Art. 121 Abs. 2, Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV; Art. 189 Abs. 4 BV (Fassung Justizreform); Art. 13 und 8 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 und 4 OG. Vom Bundesrat verhängtes Einreiseverbot gegen einen in der Schweiz niedergelassenen Ausländer aus Gründen der Wahrung der Landesinteressen. Grundsätzliche Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen (unmittelbar auf die Bundesverfassung gestützte) Bundesratsbeschlüsse betreffend Einreisesperren und politische Ausweisungen (E. 2). Anwendbarkeit von Art. 13 EMRK bejaht bei Verhängung eines Einreiseverbots gegen einen niedergelassenen Ausländer, dessen Ehefrau und Kinder in der Schweiz leben, da sich in vertretbarer Weise ein Eingriff ins Familienleben (Art. 8 EMRK) behaupten lässt (E. 3). Hat das Bundesgericht auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten, um seinerseits einen Art. 13 EMRK genügenden Rechtsschutz zu gewährleisten? Frage offen gelassen (E. 4). Das aus Gründen der Wahrung der Landesinteressen (Art. 184 Abs. 3 BV) verhängte Einreiseverbot gegen den in der Schweiz niedergelassenen Ausländer, der in oder für Organisationen tätig gewesen ist, deren Aktivitäten geeignet sind, die Lage im Kosovo und den angrenzenden Gebieten zusätzlich zu destabilisieren und damit die Beziehungen der Schweiz zu Drittstaaten zu gefährden, hält vor Art. 8 EMRK stand (E. 5).

129 II 215 () from 28. März 2003
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA, Richtlinie 64/221 EWG, Art. 10 Abs. 1 lit. a und Art. 11 Abs. 3 ANAG; Ausweisung; gegenwärtige, hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Zulässigkeit der Ausweisung eines aus einem EU-Staat stammenden Betäubungsmittelhändlers nach Massgabe des ANAG, von Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV (E. 3 und 4) sowie unter dem Gesichtspunkt des Freizügigkeitsabkommens (E. 5-7). Gewährt der Strafrichter einem wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilten Ausländer für die Nebenstrafe der Landesverweisung den bedingten Vollzug, so hindert dies eine Ausweisung nicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.2); nichts anderes gilt im Falle von straffälligen Ausländern, deren Aufenthaltsregelung in den Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens fällt (E. 7.4).

129 II 249 () from 17. Januar 2003
Regeste: Art. 1, 7 und 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Art. 191 BV; Art. 3 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1bis BVO; Nachzug von ausländischen Familienangehörigen eines Schweizers nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der EG. Grundsätzlicher Anspruch auf Nachzug des minderjährigen ausländischen Kindes eines Schweizers gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1.2). Verweigerung des nachträglichen Familiennachzugs bei getrennt lebenden Eltern mangels wesentlicher Veränderung der Betreuungsverhältnisse (E. 2). Die Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens (E. 3) findet nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung, weshalb sich aus einem Nichtmitgliedstaat stammende Familienangehörige von Schweizern im Inland grundsätzlich nicht darauf berufen können (E. 4). Angleichung der Rechtsansprüche von Schweizern beim Familiennachzug an die grosszügigere Regelung des Freizügigkeitsabkommens gestützt auf das Rechtsgleichheitsgebot bzw. das Diskriminierungsverbot? Das Bundesgericht bleibt gemäss Art. 191 BV trotz der möglichen Ungleichbehandlung von aus nicht EG- oder EFTA-Mitgliedstaaten stammenden Familienangehörigen von Schweizern an die geltenden Gesetzesbestimmungen (Art. 7 und 17 Abs. 2 ANAG) gebunden. Möglichkeit einer Gleichbehandlung im Rahmen des fremdenpolizeilichen Ermessens (Art. 3 Abs. 1bis BVO; E. 5).

129 II 321 () from 28. März 2003
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; Art. 2, 3 Abs. 3 und Art. 24 ff. RPG; Standplatz für Fahrende. Gegen einen Entscheid, der den Abbruch von Anlagen befiehlt, die ohne Bewilligung in der Landwirtschaftszone errichtet worden sind, steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (E. 1.1). Die Nutzungsplanung muss Zonen und geeignete Plätze vorsehen, die für den Aufenthalt von Schweizer Fahrenden geeignet sind und deren traditioneller Lebensweise entsprechen, die verfassungsrechtlichen Schutz geniesst (E. 3.1 und 3.2). Ein Standplatz für Fahrende von gewisser Bedeutung kann ausserhalb der Bauzone nicht im Wege der Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 ff. RPG bewilligt werden (E. 3.3-3.5).

129 II 420 () from 22. Juli 2003
Regeste: Enteignung, Durchleitungsrecht für eine Hochspannungsleitung, Festsetzung der Entschädigung (Art. 19 und 22 EntG). Verweigerung der Ausdehnung der Enteignung (E. 2). Grundsätze der Festsetzung der Entschädigung bei der Auferlegung einer Dienstbarkeit auf ein Grundstück, die einer Teilenteignung gleichkommt; Berücksichtigung des Schadens, der sich aus dem Entzug oder aus der Verminderung von Vorteilen für das Restgrundstück ergibt (E. 3.1), besonders, wenn der Betrieb der Anlage des Enteigners Immissionen verursacht (E. 4). Anspruch der Nachbarn der Hochspannungsleitung auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK (E. 5). Entschädigung aufgrund des durch die Hochspannungsleitung verursachten Lärms (E. 6). Entschädigung aufgrund der elektromagnetischen Felder (E. 7).

129 III 656 () from 28. Mai 2003
Regeste: Adoption des Kindes des einen durch den andern Konkubinatspartner; Wirkung der Adoption auf das Kindesverhältnis des Adoptierten (Art. 267 Abs. 2 ZGB). Das schweizerische Recht schliesst sowohl die gemeinschaftliche Adoption eines Kindes durch Konkubinatspartner als auch die Adoption des Kindes des einen durch den andern Konkubinatspartner aus. Die Adoption durch einen Konkubinatspartner könnte nur als Einzeladoption im Sinne von Art. 264b Abs. 1 ZGB erfasst werden, die das Kindesverhältnis zum Elternteil aufhebt (Art. 267 Abs. 2 ZGB). Eine analoge Anwendung von Art. 264a Abs. 3 ZGB auf den Konkubinatspartner fällt genauso wenig in Betracht wie die Annahme einer echten Lücke, die gefüllt werden müsste (E. 4). Die Regelung in Art. 267 Abs. 2 ZGB, wonach das bisherige Kindesverhältnis als Folge der Adoption erlischt, verletzt weder Art. 8 noch Art. 12 EMRK (E. 5).

129 IV 246 () from 5. Juni 2003
Regeste: Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 ANAG; wiederholte rechtswidrige Einreise in die Schweiz; Überprüfung der Rechtmässigkeit einer unbegrenzten Einreisesperre. Dreistufige Überprüfungsbefugnis von Verwaltungsverfügungen durch den Strafrichter (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.1). Wenn der Beschuldigte darauf verzichtet hat, beim Verwaltungsgericht Beschwerde zu erheben, oder wenn seine Beschwerde dort noch hängig ist, kann der Strafrichter den Verwaltungsentscheid nur auf offensichtliche Rechtsverletzung und offensichtliche Ermessensüberschreitung hin überprüfen (teilweise Änderung der Rechtsprechung; E. 2.2). Prüfung der Rechtmässigkeit eines Entscheids der Bundesverwaltungsbehörde, die einem Ausländer, der sich schwerer Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht hat, die Einreise in die Schweiz verbietet. Die Angemessenheit des Entscheids kann nicht überprüft werden (E. 2.3).

130 I 16 () from 7. Januar 2004
Regeste: Medikamentöse Zwangsbehandlung in psychiatrischer Klinik während fürsorgerischen Freiheitsentzuges; Art. 7, Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV, Art. 8 EMRK. Eine medikamentöse Zwangsbehandlung stellt einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar und betrifft die Menschenwürde zentral (E. 3). Gesetzliche Grundlage im Kanton Zug (E. 4). Erforderlichkeit einer vollständigen und umfassenden Interessenabwägung: öffentliche Interessen, Notwendigkeit der Behandlung, Auswirkungen einer Nicht-Behandlung, Prüfung von Alternativen, Beurteilung von Selbst- und Fremdgefährdung (E. 5).

130 I 26 () from 27. November 2003
Regeste: Art. 2 FZA; Art. 8 EMRK; Art. 8, 9, 27, 94 Abs. 4, 95 Abs. 2, 191 und 196 Ziff. 5 BV; Art. 55a KVG; Zulassungsbeschränkung für Leistungserbringer zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Zulassungsstopp für Medizinalpersonal); Einführungsverordnung des Kantons Zürich. Legitimation des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte bzw. eines einzelnen Schweizer Arztes zur Rüge der Verletzung des Freizügigkeitsabkommens (E. 1.2). Die vom Bundesrat gestützt auf Art. 55a KVG erlassene und vom Regierungsrat des Kantons Zürich konkretisierte Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verletzt - soweit dies gestützt auf Art. 191 BV geprüft werden kann (E. 2) - weder das Freizügigkeitsabkommen (E. 3) noch die Wirtschaftsfreiheit (E. 4-6), die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen (E. 7), das Prinzip von Treu und Glauben (E. 8) oder das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens (E. 9).

130 I 369 () from 7. Juli 2004
Regeste: Anfechtbarkeit von polizeilichen Realakten, Verweigerung des Zugangs nach Davos gegenüber einem Journalisten anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001; Informationsfreiheit, Einschränkung von Grundrechten; Art. 10 Abs. 2, 16 f. und 36 BV, Art. 8, 10 und 13 EMRK. Die polizeiliche Hinderung des Zugangs nach Davos anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001 berührt den betroffenen Journalisten in der persönlichen Freiheit sowie in der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit (E. 2). Wirksame Beschwerde bei der Regierung im Sinne von Art. 13 EMRK im Anschluss an polizeiliche Realakte (E. 6.1). Beurteilung des durch die polizeilichen Anordnungen bewirkten Grundrechtseingriffs im vorliegenden Fall: Abstützen auf die polizeiliche Generalklausel (E. 7.3); öffentliches Interesse (E. 7.4); Verhältnismässigkeit (E. 7.5).

130 II 1 () from 4. November 2003
Regeste: Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 EMRK; Art. 16 Abs. 2 FZA; Art. 3 Anhang I FZA; persönliche Tragweite der Regelungen des Freizügigkeitsabkommens über den Familiennachzug; Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Verweigerung des auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8 EMRK gestützten nachträglichen Familiennachzugs bei getrennt lebenden Eltern mangels besonderer stichhaltiger Gründe (E. 2). Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens (E. 3). Anwendbarkeit des Abkommens auf EU-Bürger, die sich bei dessen Inkrafttreten bereits in der Schweiz aufhalten (E. 3.4). Anwendbarkeit für leibliche Nachkommen nur eines Ehegatten (E. 3.5)? Die Berufung auf den in Art. 3 Anhang I FZA vorgesehenen Familiennachzug entfällt, wenn sich der nachzuziehende Familienangehörige, der nicht Staatsangehöriger eines Vertragsstaates ist, nicht bereits rechtmässig in einem Vertragsstaat aufhält. Berücksichtigung der nach Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (E. 3.6).

130 II 113 () from 19. Dezember 2003
Regeste: Art. 7 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 7 lit. d und Art. 16 Abs. 2 FZA; Art. 3 Abs. 1, 2 u. 5 Anhang I FZA; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung des (aus einem Drittstaat stammenden) Ehegatten eines EU-Bürgers; Familiennachzug; Rechtsmissbrauch; Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Bedeutung des Zusammenlebens der Ehegatten für den Familiennachzug gemäss Art. 7 Abs. 1 und 17 Abs. 2 ANAG. Begrenzung durch das Rechtsmissbrauchsverbot (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 4). Berücksichtigung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem 21. Juni 1999 gefällten Urteile bei der Auslegung von Art. 3 Abs. 1, 2 u. 5 Anhang I FZA (Art. 16 Abs. 2 FZA; E. 5). Tragweite dieser Rechtsprechung für den Schweizer Richter (E. 6). Rechtsnatur des abgeleiteten Anspruchs der Familienangehörigen eines "Gemeinschaftsarbeitnehmers", bei diesem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA "Wohnung zu nehmen" (E. 7). Für den Ehegatten besteht das Recht während der gesamten formellen Dauer der Ehe (E. 8), vorbehältlich eines Rechtsmissbrauchs (E. 9 u. 10).

130 II 137 () from 16. Januar 2004
Regeste: Art. 103 lit. b und Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 und 191 BV; Art. 8, 13 und 14 EMRK; Art. 3 Anhang I FZA; Nachzug von ausländischen Familienangehörigen eines Schweizers. Beschwerdebefugnis des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (E. 1.1); Zulässigkeit der Behördenbeschwerde bei Beanstandung einer bundesrechtswidrigen Bejahung eines Rechtsanspruches auf Bewilligungserteilung (E. 1.2). Nachträglicher Nachzug des ausländischen Kindes eines vom anderen Elternteil getrennt lebenden Schweizers gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG? Bestätigung der entsprechenden Voraussetzungen (E. 2). Bundesrechtswidrigkeit eines kantonalen Gerichtsurteils (E. 3.1), welches verfassungsrechtlich einen zur Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens analogen Rechtsanspruch auf Nachzug des aus einem Nichtvertragsstaat stammenden Kindes eines Schweizers herleiten will (E. 4.1). Die diesbezügliche bundesgerichtliche Rechtsprechung hält sowohl vor Art. 14 als auch vor Art. 13 EMRK stand (E. 4.2). Es liegt zum Vornherein keine Ungleichbehandlung von Schweizern beim Familiennachzug vor, wenn der aus einem Drittstaat stammende Angehörige sich nicht bereits rechtmässig in einem anderen Vertragsstaat des Freizügigkeitsabkommens aufhält (E. 4.3).

130 II 176 () from 7. April 2004
Regeste: Art. 1 ANAG; Art. 2 FZA; Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1 und 2 Richtlinie 64/221/EWG; Nichtverlängern der Aufenthaltsbewilligung; Freizügigkeitsabkommen; Massnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung; gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung; Ausländer der sog. zweiten Generation. Fortführung von BGE 129 II 215. Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens für die Ausweisung oder das Nichtverlängern der Aufenthaltsbewilligung von EU-Bürgern bzw. von deren Familienangehörigen (E. 2-4). Gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung als besonderes Kriterium (E. 3.4.1, 4.2 und 4.3.1). Berücksichtigung von Äusserungen der Straf- und Strafvollzugsbehörden zur Wiederholungsgefahr sowie von (noch) nicht abgeurteiltem Verhalten des Ausländers (E. 4.3.3). Behandlung von Ausländern der zweiten Generation im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (E. 4.4).

130 II 249 () from 13. April 2004
Regeste: Art. 32 VÜPF; Anfechtung eines Entscheides des Dienstes für Besondere Aufgaben; Umfang des Beschwerderechts der Anbieterinnen von Fernmeldediensten. Die Entscheide des Dienstes für Besondere Aufgaben können an die Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation weitergezogen werden, deren Entscheide der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen (E. 2.1). Die Anbieterinnen von Fernmeldediensten sind nicht befugt, einen Entscheid des Dienstes für Besondere Aufgaben, der sie zur Übermittlung von Mobiltelefon-Daten verpflichtet, mit der Begründung anzufechten, die erlassene Überwachungsanordnung sei rechtswidrig (E. 2.2).

130 II 281 () from 1. Juni 2004
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 4 und 17 Abs. 2 ANAG; Art. 38 und 39 BVO; Familiennachzug; gefestigtes Anwesenheitsrecht im kombinierten Schutzbereich von Privat- und Familienleben. Kennt die kantonale Vorinstanz eine anspruchsabhängige Zugangsregelung, ist die Frage nach dem Bestehen des von ihr verneinten Anspruchs auf die beantragte fremdenpolizeiliche Bewilligung vom Bundesgericht als Eintretensvoraussetzung zu prüfen (E. 1). Weder aus Art. 17 Abs. 2 ANAG noch aus Art. 38 f. BVO ergibt sich für den hier bloss über eine Aufenthaltsbewilligung verfügenden Ausländer ein Anspruch auf Familiennachzug (E. 2). Art. 8 EMRK und Art. 13 BV setzen ihrerseits das Bestehen eines gefestigten Anwesenheitsrechts zumindest eines der Betroffenen voraus (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.1). Vorliegen eines solchen in einem Fall bejaht, in dem sich der Ausländer seit zwanzig Jahren mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz befindet und das Privat- und Familienleben praktisch nirgendwo anders in zumutbarer Weise gelebt werden kann (E. 3.2 und 3.3).

131 I 272 () from 3. Mai 2005
Regeste: Art. 5, 9, 13, 29, 32, 35, 36 BV, Art. 6 und 8 EMRK, § 41 Abs. 1 StPO/ BL; Verwertungsverbot für unrechtmässig erlangte Beweise im Strafprozess. Verfassungsrechtliche Zuordnung des Verwertungsverbots für rechtswidrig erlangte, aber nicht an sich verbotene Beweismittel: Im Vordergrund steht das aus Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleitete Fairnessgebot (E. 3.2). Zulässigkeit einer Interessenabwägung für den Entscheid über die Verwertbarkeit derartiger Beweise (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 4). Es besteht keine verfassungsrechtliche Pflicht, die Regelung des Verwertungsverbots von Art. 7 Abs. 4 BÜPF ausserhalb des Anwendungsbereichs dieses Erlasses beim unbewilligten Einsatz technischer Überwachungsgeräte zu Ermittlungszwecken (z.B. Videoüberwachung) zu übernehmen (E. 4.4).

131 I 476 () from 12. Oktober 2005
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK; Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 5 Abs. 4 und 5, Art. 7 Abs. 2, Art. 10b Abs. 1 und 3 OHG; § 107 Abs. 2 StPO/AG; Anspruch auf Befragung des minderjährigen Opferzeugen; Zeugnisverweigerung. Der Anspruch, dem Belastungszeugen Fragen stellen zu können, ist dann absolut, wenn das Zeugnis für den Schuldspruch ausschlaggebend ist (E. 2.2). Dieser Anspruch wird verletzt, wenn der Zeuge über vier Jahre nach der ersten Befragung jegliche ergänzende Aussage verweigert und das Gericht gleichwohl auf die erste, beweismässig entscheidende Aussage abstellt (E. 2.3.4).

131 II 169 () from 7. Februar 2005
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 UNO-Pakt II; Art. 59 Ziff. 3 StGB; Art. 74a und Art. 80h lit. b IRSG. Derjenige, welcher unter falschem Namen ein Konto eröffnet, ist grundsätzlich nicht zur Beschwerdeführung gegen den Entscheid über die Herausgabe von auf diesem Konto deponierten Guthaben berechtigt; diese Lösung ist mit der in Art. 29 Abs. 1 BV enthaltenen Garantie eines fairen Prozesses vereinbar (E. 2.2). Voraussetzungen der Herausgabe von Guthaben während einem hängigen Strafverfahren im Ausland gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG; Bestätigung der Grundsätze (E. 6). Anwendung im vorliegenden Fall (E. 7). Die Gewinne aus Geschäften, welche unter Ausnutzung von Geldern deliktischen Ursprungs getätigt wurden, sind den unrechtmässigen Vorteilen im Sinn von Art. 74a Abs. 2 lit. b IRSG gleichgestellt (E. 7.3.1). Gelder, die wahrscheinlich aus korrupten, im ersuchenden Staat strafrechtlich nicht verfolgten Geschäftstätigkeiten stammen, können zumindest im jetzigen Zeitpunkt nicht weitergeleitet werden (E. 7.3.2, 7.4.2, 7.5 und 7.6). Wenn das ausländische Gesuch sich auf die Herausgabe von Geldern bezieht, welche von der Tätigkeit einer kriminellen Organisation herrühren, ist die Regel von Art. 59 Ziff. 3 StGB (einschliesslich der Vermutung gemäss dem zweiten Satz dieser Bestimmung) auf die Herausgabe im Sinn von Art. 74a Abs. 3 IRSG anwendbar (E. 9).

131 II 265 () from 18. Februar 2005
Regeste: Art. 7 ANAG und Art. 8 EMRK; Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung. Ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Erleichterung des Besuchs des Ehemannes im Freiheitsentzug kann sich nicht auf Art. 7 Abs. 1 ANAG stützen, weil dies nicht dem vom Gesetzgeber gewollten Normzweck entspricht (E. 4). Befindet sich einer der Ehegatten im Freiheitsentzug, so besteht der durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantierte Schutz des Familienlebens darin, durch geeignete Ausgestaltung der Strafvollzugsbedingungen oder durch entsprechende Anwendung der Verwahrungsmassnahmen einen minimalen Kontakt zwischen den Ehegatten sicherzustellen. Aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK kann kein Anspruch auf Daueraufenthalt abgeleitet werden, um der ausländischen Ehegattin eines Schweizer Häftlings die Ausübung des Besuchsrechts zu erleichtern (E. 5).

131 II 339 () from 29. April 2005
Regeste: Staatsverträge zwischen der Schweiz und Frankreich im Bereich von Aufenthalt und Niederlassung. Personenfreizügigkeitsabkommen. Begriff des Arbeitnehmers gemäss Art. 6 Anhang I FZA. Rechtslage bei einer Person, die Sozialhilfeleistungen bezieht. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der schweizerisch-französischen Staatsverträge im Bereich von Aufenthalt und Niederlassung (E. 1.1). Der Nichteintretensgrund von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG gelangt gegenüber den Angehörigen eines EU-Staates seit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens nicht mehr zur Anwendung (E. 1.2). Ein Angehöriger eines EU-Staates erhält nur dann eine "Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA", wenn bei ihm die Voraussetzungen eines im Freizügigkeitsabkommen vorgesehenen Freizügigkeitstatbestands erfüllt sind (E. 2). Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Freizügigkeitsabkommens (E. 3 und 4). Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 5)?

133 I 27 () from 3. Januar 2007
Regeste: Art. 5 Ziff. 3 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV; persönliche Freiheit, Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft, gesetzliche Grundlage, Verhältnismässigkeit. Der nur wegen Fluchtgefahr inhaftierte Angeschuldigte ist freizulassen, wenn er hinreichende Garantien für seine Anwesenheit am Prozess leistet. Diese Garantien sind nicht auf die Hinterlegung einer Kaution beschränkt; sie können ebenfalls aus gerichtlichen Kontrollmassnahmen wie Pass- oder Schriftensperre bestehen. Da solche Massnahmen die persönliche Freiheit weniger stark beschränken als die Untersuchungshaft, sind sie auch zu ergreifen, wenn keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage dies vorsieht (E. 3.2). Die Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft sind nur zulässig, soweit ein Haftgrund weiterbesteht (E. 3.3) und die Massnahmen verhältnismässig sind (E. 3.4). Sie sind kumulierbar (E. 3.5).

133 I 49 () from 13. November 2006
Regeste: Art. 9, 29 und 35 Abs. 2 BV, Art. 13 EMRK; Verfassungsgericht (Cour constitutionnelle) des Kantons Waadt; Hoheitsakte, welche durch dieses im Rahmen einer (abstrakten) Normenkontrolle überprüft werden können; von der Fondation vaudoise pour l'accueil des requérants d'asile (FAREAS) erlassene Hausordnung für ein Asylbewerber-Zentrum. Beim Waadtländer Verfassungsgericht können bloss solche - im Prinzip publizierte - Hoheitsakte angefochten werden, die von einer der in Art. 3 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über die Verfassungsrechtsprechung (loi cantonale sur la juridiction constitutionnelle) einschränkend und abschliessend aufgezählten Behörde erlassen worden sind; willkürfreie Auslegung der vorgenannten Gesetzesbestimmung (E. 2). Art. 29 BV und Art. 13 EMRK stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen (E. 3.1). Art. 35 Abs. 2 BV gewährleistet, dass gestützt auf die streitige Hausordnung vorgenommene Handlungen ("Realakte") der FAREAS zum Gegenstand einer (konkreten) Rechtskontrolle gemacht werden können, wenn sie zu einer ernsthaften Beeinträchtigung eines Grundrechts führen; massgeblich für diese Rechtskontrolle sind die in BGE 128 II 156 dargelegten Grundsätze (E. 3.2).

133 I 58 () from 3. November 2006
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 9 und 10 BetmG, Art. 48 BetmV, Art. 24 und 26 HMG; Abgabe von Natrium-Pentobarbital für den begleiteten Suizid einer psychisch kranken Person. Natrium-Pentobarbital kann einem Sterbewilligen weder nach dem Betäubungsmittelrecht noch nach dem Heilmittelrecht ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden (E. 4). Art. 8 EMRK bzw. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV verpflichten den Staat nicht dazu, dafür zu sorgen, dass Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwillige Natrium-Pentobarbital rezeptfrei beziehen können (E. 5-6.3.6).

133 I 77 () from 14. Dezember 2006
Regeste: Dauer der Aufbewahrung von Aufzeichnungen aus der Überwachung von öffentlichen Plätzen und Strassen, Polizeireglement der Stadt St. Gallen; Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Aufzeichnungen aus der Überwachung von öffentlichen Plätzen und Strassen und deren Aufbewahrung berühren den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3). Verschiedene Arten von Überwachungsmassnahmen und Datenerhebungen (E. 4). Verhältnismässigkeit der Aufbewahrung von Aufzeichnungen während 100 Tagen vor dem Hintergrund des Zwecks der Überwachung, der Schwere des Grundrechtseingriffs und des Datenschutzes (E. 5).

133 I 110 () from 28. März 2007
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Gültigkeit der kantonalen Volksinitiative "Fumée passive et santé", welche das Rauchen in öffentlichen Räumen und Anlagen verbieten lassen möchte; Art. 10 Abs. 2, 34 Abs. 2, 36 und 49 Abs. 1 BV. Die redaktionelle Änderung des Initiativtextes durch den Genfer Grossen Rat steht im Einklang mit der Kantonsverfassung und entspricht dem Willen der Initianten (E. 3). Die Initiative verletzt die Bundesgesetzgebung über den Arbeitnehmerschutz nicht (E. 4). Es ist fraglich, ob das verfassungsmässige Individualrecht der persönlichen Freiheit einen Anspruch gewährleistet, in öffentlichen Räumen und Anlagen zu rauchen. Die Frage kann hier aber offenbleiben (E. 5). Die mit der Initiative vorgeschlagene Verfassungsbestimmung erscheint ausreichend präzise (E. 6); sie verfolgt ein offensichtlich im öffentlichen Interesse liegendes Ziel (E. 7.1) und trägt auch dem Verhältnismässigkeitsgebot ausreichend Rechnung, zumal Ausnahmen vom Rauchverbot in der Ausführungsgesetzgebung vorgesehen werden können (E. 7.2-7.5). Der zugelassene Initiativtext ist nicht irreführend (E. 8).

133 I 185 (2D_2/2007) from 30. April 2007
Regeste: Art. 9 BV; Art. 113 in Verbindung mit Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 115 lit. b BGG. Ausländerrechtliches Bewilligungsverfahren; keine Legitimation des Ausländers zur subsidiären Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots, wenn kein Rechtsanspruch auf Bewilligung besteht. Verhältnis subsidiäre Verfassungsbeschwerde und Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 2.1 und 2.2); im konkreten Fall kann die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden, weil kein Rechtsanspruch auf die Bewilligung besteht (E. 2.2 und 2.3). Legitimationsvoraussetzungen bei Willkürbeschwerden nach der Rechtsprechung zu Art. 88 OG (E. 4). Entstehungsgeschichte von Art. 115 lit. b BGG; Zusammenhang mit der Rechtsprechung zu Art. 88 OG (E. 5). In Berücksichtigung der Materialien, der Zielsetzungen der Revision der Bundesrechtspflege und des Verhältnisses zu den verschiedenen in Art. 83 BGG enthaltenen Ausschlussgründen setzt die Berechtigung zur Erhebung der Willkürrüge bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde nach Art. 115 lit. b BGG voraus, dass sich der Beschwerdeführer auf eine durch das Gesetz oder ein spezielles Grundrecht geschützte Rechtsstellung berufen kann (E. 6).

133 V 367 () from 9. Mai 2007
Regeste: Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG (in der seit 1. Januar 2003 gültigen Fassung); Art. 2 FZA; Art. 9 Abs. 2 von Anhang I zum FZA; Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68: Rechtliche Natur der Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit und Euro-Kompatibilität der schweizerischen Wohnsitzklausel. Die Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG stellt einen sozialen Vorteil im Sinne des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 und, als Ausfluss davon, des Art. 9 Abs. 2 von Anhang I zum FZA dar (E. 8.8). Als Instrument zur Bestätigung eines realen Bezugs zum schweizerischen Arbeitsmarkt ist die mit Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG eingefügte Bedingung eines schweizerischen Wohnsitzes im konkreten Fall weder objektiv gerechtfertigt noch verhältnismässig (E. 9.8). Das vertragliche Diskriminierungsverbot (Art. 9 Abs. 2 von Anhang I zum FZA) geht vorliegend der Regelung in Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG vor (E. 11.6).

134 I 105 () from 6. März 2008
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 14 und 190 BV; Art. 21 Abs. 2 und 4 IVG; Art. 14 IVV; Art. 2 HVI; Ziff. 14.01, 14.04 und 14.05 HVI Anhang; Kostenübernahme für behinderungsgerechte Anpassungen an einer zweiten Wohnung. Der 1991 geborene Sohn ist seit 2003 Paraplegiker. Er wohnt bei der Mutter in M. und verbringt jedes zweite Wochenende und einen Teil seiner Schulferien in S. bei Vater und Schwester. Die Invalidenversicherung hat sich auch an den Kosten der Anpassungen am Wohnhaus in S. zu beteiligen, wenn ohne behinderungsgerechten Umbau der grundrechtlich geschützte Aufenthalt beim Vater völlig verunmöglicht würde. Da es sich um die zweite vom Versicherten benutzte Wohnung handelt, besteht nur Anspruch auf Anpassung in einfachster Ausführung, welche unter Berücksichtigung der dem Vater zumutbaren Hilfestellungen den Aufenthalt im Haus gerade noch ermöglicht (E. 4-8).

134 I 214 (6C_1/2008) from 9. Mai 2008
Regeste: a Art. 27 BV; Wirtschaftsfreiheit; Bettelei. Die Ausübung der Bettelei wird durch Art. 27 BV nicht gewährleistet (E. 3).

134 II 1 (2C_536/2007) from 25. Februar 2008
Regeste: Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG, Art. 16 Abs. 2 und 3 ANAV; Art. 4 und 63 AuG; Ausweisung eines traditionellen Anschauungen seines heimischen Kulturkreises und seiner Religion verpflichteten Türken. Voraussetzungen für eine Ausweisung gestützt auf Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG (E. 2). Tragweite des Integrationsprinzips. Der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung nach neuem Recht bzw. die Ausweisung nach altem Recht sind nur unter qualifizierten Voraussetzungen zulässig (E. 4). Unverhältnismässigkeit der Ausweisung eines der Zwangsverheiratung seiner Tochter verdächtigten Türken, der seit rund 25 Jahren in der Schweiz lebte (E. 5).

134 II 10 (2C_42/2007) from 30. November 2007
Regeste: Art. 3 Anhang I FZA; zeitlicher und persönlicher Anwendungsbereich der Bestimmungen des Abkommens über die Personenfreizügigkeit zum Familiennachzug; EU-Bürger, dessen Ehepartner nicht Staatsangehöriger eines Vertragsstaates des FZA ist. Das Abkommen ist auch für EU-Bürger anwendbar, die sich bei dessen Inkrafttreten bereits in der Schweiz aufgehalten haben (E. 2). Eine Berufung auf Art. 3 Anhang I FZA ist allerdings nicht möglich für Familienangehörige eines EU-Bürgers, die im Zeitpunkt des Familiennachzuges weder Staatsangehörige eines Vertragsstaates sind noch bereits rechtmässig in einem Vertragsstaat wohnen: Tragweite dieser Einschränkung (E. 3.1 und 3.2) und Bestätigung der Rechtsprechung (BGE 130 II 1), die entsprechend dem Urteil des EuGH vom 23. September 2003 in der Rechtssache Akrich, C-109/2001, ergangen ist (E. 3.3-3.6). Prüfung eines auf Art. 7 Abs. 1 ANAG (mit Blick auf Art. 2 FZA anwendbar) und Art. 8 EMRK gestützten Anspruchs auf Aufenthaltsbewilligung (E. 3.6 und 4.1). Im konkreten Fall kein Bewilligungsanspruch mit Blick auf die Schwere der begangenen Delikte (namentlich eine vollendet versuchte Tötung) und auf andere zu berücksichtigende Umstände; die in der Schweiz illegal oder im Gefängnis oder als lediglich vorläufig geduldeter Ausländer verbrachten Jahre sind bei der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht massgebend (E. 4.2-4.4).

134 III 241 (5A_506/2007) from 28. Februar 2008
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 28 ZGB; Schutz der Identität. Anspruch des volljährigen ehelichen Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (E. 5).

134 IV 297 (6B_627/2007, 6B_629/2007) from 11. August 2008
Regeste: Verfolgungsverjährung; Beginn der Verjährung; Art. 71 aStGB, Art. 98 lit. a StGB. Für den Verjährungsbeginn ist nach dem Wortlaut des Gesetzes auf den Zeitpunkt der Tathandlung und nicht auf denjenigen des Erfolgseintritts der Straftat abzustellen (E. 4.1 und 4.2) mit der Konsequenz, dass Straftaten verjährt sein können, bevor der Erfolg eingetreten ist (E. 4.3). Dieses Ergebnis hält auch vor den Grundrechtsgarantien stand (E. 4.3.5).

135 I 49 (1D_19/2007) from 16. Dezember 2008
Regeste: Nichteinbürgerung wegen Sozialhilfeabhängigkeit einer behinderten Bewerberin; Diskriminierungsverbot; Art. 8 Abs. 2 BV. Bürgerrechtserteilung nach kantonalem Recht (E. 3). Bedeutung des Diskriminierungsverbots (E. 4). Frage offengelassen, ob der Kreis der Sozialhilfeabhängigen eine nach Art. 8 Abs. 2 BV geschützte Gruppe bildet (E. 5). Das Erfordernis der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit für Einbürgerungen trifft Personen mit einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung in spezifischer Weise (E. 6.1). Gewichtung der finanziellen Interessen der Gemeinde; lang andauernder Status der vorläufigen Aufnahme; Bedeutung der Einbürgerung. Verletzung des Diskriminierungsverbotes (E. 6.3).

135 I 143 (2C_693/2008) from 2. Februar 2009
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 126 AuG, Art. 8 EMRK und Art. 13 BV; Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Mutter gestützt auf ihre Beziehung zum schweizerischen Kind. Zulässigkeit und Modalitäten der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1). Voraussetzungen der Verweigerung der Bewilligung bzw. der Zulässigkeit eines Eingriffs in den Anspruch auf Achtung des Familienlebens, Interessenabwägung unter Berücksichtigung spezieller familiärer Verhältnisse: Die Bewilligung kann nur verweigert werden, wenn nebst der Zumutbarkeit der Ausreise aller Beteiligten ordnungs- oder sicherheitspolizeiliche Gründe gegeben sind (E. 2-4).

135 I 153 (2C_353/2008) from 27. März 2009
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 10 Abs. 1 KRK; Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im "umgekehrten Familiennachzug" an die ausländische Mutter eines Schweizer Kindes. Erscheint die Ausreise von anwesenheitsberechtigten Familienangehörigen einer ausländischen Person, welche die Schweiz verlassen muss, nicht ohne Weiteres zumutbar, ist eine Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorzunehmen (E. 2.1). Der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines ausländischen, sorgeberechtigten Elternteils eines Schweizer Kindes ist die Bundeszustimmung zu erteilen, wenn hiergegen über das öffentliche Interesse an einer restriktiven Einwanderungspolitik hinaus keine zusätzlichen ordnungs- oder sicherheitspolizeilichen Gründe sprechen (E. 2.2).

135 I 198 (2C_462/2008) from 20. März 2009
Regeste: Art. 59 Abs. 1 und 2 BGG; Öffentlichkeit von Parteiverhandlungen in Steuersachen. Anders als das frühere Bundesrechtspflegegesetz schliesst das Bundesgerichtsgesetz die Öffentlichkeit von Parteiverhandlungen in Steuersachen nicht mehr von vornherein aus. Allerdings kann das Gericht die Öffentlichkeit ausschliessen, um dem Steuergeheimnis Rechnung zu tragen (E. 1 und 2). Voraussetzungen eines Ausschlusses (E. 3).

135 I 265 (1D_8/2008) from 7. Juli 2009
Regeste: Art. 7-9, 29 und 35 BV, Art. 92 und 115 BGG; Zuständigkeit zur Beurteilung von Einbürgerungsgesuchen, die von der kommunalen Bürgerversammlung zweimal ohne hinreichende Begründung abgewiesen wurden. Anfechtung eines Vor- oder Zwischenentscheids über die Zuständigkeit zur Einbürgerung (E. 1.2). Beschwerdeberechtigung der nicht eingebürgerten Gesuchsteller (E. 1.3). Anwendbares Recht (E. 2). Regelung des Einbürgerungsverfahrens im kan tonalen Recht (E. 3.1 und 3.2). Der im Beschwerdeverfahren zulässige Antrag auf Beurteilung der Einbürgerungsgesuche durch die Beschwerdeinstanz ist keine Angelegenheit der Staatsaufsicht (E. 3.4). Bindung staatlicher Organe an die Grundrechte (E. 4.2). Tragweite der Ansprüche auf Begründung und auf Beurteilung innert angemessener Frist im Einbürgerungsverfahren (E. 4.3-4.5).

135 II 110 (2C_710/2008) from 16. Februar 2009
Regeste: Art. 1, 32 und 33 FK; Art. 10 Abs. 1 lit. a, Art. 11 und 14a-c ANAG; Art. 16 ANAV; Art. 5 und 63 ff. AsylG; Art. 83 AuG; Ausweisung eines anerkannten kambodschanischen Flüchtlings. Verhältnis zwischen ausländerrechtlicher Ausweisung, Widerruf des Asyls und vorläufiger Aufnahme (E. 2 und 3). Die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, dessen Asyl widerrufen worden ist, rechtfertigt sich nur, wenn sie gestützt auf die gesamten wesentlichen Umstände verhältnismässig erscheint; dabei kann bloss die Prüfung von Aspekten, welche die Unzulässigkeit betreffen, in das Verfahren über die vorläufige Aufnahme verwiesen werden (E. 4.2). Die Ausweisung bzw. der Widerruf der Niederlassungsbewilligung trotz anerkanntem Flüchtlingsstatus setzt eine minimal konkretisierte und nicht lediglich rein abstrakte Wiederholungsgefahr voraus (E. 4.3).

135 II 377 (2C_295/2009) from 25. September 2009
Regeste: Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG i.V.m. Art. 62 lit. b erster Satzteil AuG; Art. 96 Abs. 1 AuG; Konkretisierung des Begriffs "längerfristige Freiheitsstrafe"; Verhältnismässigkeit des Bewilligungswiderrufs. Eine längerfristige Freiheitsstrafe und mithin ein Widerrufsgrund gemäss Art. 62 Abs. 1 lit. b erster Satzteil AuG liegt dann vor, wenn eine ausländische Person zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wurde (E. 4.2). In jedem Fall bleibt jedoch die Verhältnismässigkeit eines Widerrufs zu prüfen. Hierzu kann grundsätzlich weiterhin auf die ständige bundesgerichtliche Praxis abgestellt werden, wonach einem Ausländer nach bloss kurzer Aufenthaltsdauer im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr in der Regel selbst dann kein Aufenthaltstitel mehr zu erteilen ist, wenn der schweizerischen Ehepartnerin die Ausreise nicht oder nur schwer zuzumuten ist (sog. "Reneja"-Praxis; E. 4.3 und E. 4.4).

136 I 87 (1C_179/2008) from 30. September 2009
Regeste: Polizeigesetz des Kantons Zürich; Art. 5, 10, 13, 31 und 36 BV, Art. 2, 5 und 8 EMRK. Allgemeine Ausführungen zum Polizeirecht: Legalitätsprinzip (E. 3.1); Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3.2); Prüfung kantonaler Normen (E. 3.3); Polizeirecht und Strafprozessrecht (E. 3.4). Schusswaffengebrauch zur Verfolgung von fliehenden Personen, die durch ein schweres Vergehen oder Verbrechen eine besondere Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft manifestiert haben (E. 4). Personenkontrolle, Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Massnahmen (E. 5). Polizeilicher Gewahrsam: Dauer des Gewahrsams (E. 6.3). Gerichtlicher Rechtsschutz, Erfordernis eines unmittelbaren Zugangs zu einer richterlichen Behörde (E. 6.4 und 6.5). Polizeiliche Vorführung und Zuführung als besondere Form der Amts- und Vollzugshilfe (E. 7). Überwachung des öffentlichen Raums mit technischen Geräten. Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Überwachungsregelung (E. 8.3) und der Ordnung der Aufbewahrung von Aufzeichnungen (E. 8.4). Überwachung im Rahmen der Strafprozessordnung (E. 8.5).

136 I 178 (5A_798/2009) from 4. März 2010
Regeste: Art. 9, 8 und 13 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK, Art. 9 Abs. 1 KRK; Zuteilung der Obhut über ein Kind im Massnahmeverfahren zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft. Die Zuteilung der Obhut über ein Kind auf die Mutter, deren Erziehungsfähigkeit mehr oder weniger gleich wie diejenige des Vaters ist, verletzt im vorliegenden Fall keine Rechte der Verfassung oder diesen entsprechende Konventionsnormen, obwohl die Mutter wahrscheinlich die Kontakte mit dem Vater nicht begünstigt; sie verfügt jedenfalls über mehr Zeit, sich um das Kind zu kümmern, das überdies seit der Trennung der Parteien praktisch immer mit ihr zusammengelebt hat und dessen Verhaltensstörungen sich durch eine Änderung der Betreuungssituation verschlimmern könnten (E. 5).

136 I 254 (8C_724/2009) from 11. Juni 2010
Regeste: Art. 5 Abs. 3, Art. 9 und 12 BV; Art. 2 Abs. 1 Ziff. 4 des Waadtländer Gesetzes über die Hilfe an Asylbewerber und gewisse Ausländerkategorien; Art. 4 Abs. 2 und Art. 4a des Waadtländer Sozialhilfegesetzes; Nothilfe für eine Person ohne Aufenthaltsbewilligung, deren Gesuch um Regelung ihres Aufenthalts aber hängig ist; auf die Person bezogene Kriterien der Nothilfe. Auch ohne Rückweisungsentscheid sind die Waadtländer Behörden befugt, Leistungen für eine ausländische Person ohne Aufenthaltsbewilligung, bei der die Regelung des Aufenthalts im Sinne eines Härtefalles aber hängig ist, auf die Nothilfe zu beschränken (E. 4 und 5). Nach Aufhebung der ordentlichen Sozialhilfe steht der Einrichtung für den Empfang von Migranten im Kanton Waadt ein Ermessen zu, das es erlaubt, bei der Zusprache von Nothilfeleistungen besonderen Situationen Rechnung zu tragen. Die Anfechtung der Beherbergung in einer Massenunterkunft ist daher vorliegend verfrüht (E. 6).

136 I 285 (2C_505/2009) from 29. März 2010
Regeste: Art. 8 EMRK; Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung der ausländischen Mutter gestützt auf ihre Beziehung zu ihrem Kind, das schweizerischer Staatsangehöriger ist. Gesichtspunkte, die in die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen einzubeziehen sind. Einzig ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung von einer gewissen Schwere kann das Recht des Schweizer Kindes überwiegen, in seinem Heimatland mit dem Elternteil zu verbleiben, der sich um es sorgt (E. 5.2). Das deliktische Verhalten der Beschwerdeführerin, das im Wesentlichen in engem Zusammenhang mit ihrem illegalen Aufenthalt in der Schweiz steht, erreicht nicht diesen Schweregrad (E. 5.3).

136 II 5 (2C_196/2009) from 29. September 2009
Regeste: Art. 7 lit. d FZA sowie Art. 3 und 5 Anhang I FZA; Nachzug von Familienmitgliedern mit Drittstaatsangehörigkeit; Anpassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an die geänderte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften; Voraussetzungen, unter denen eine Bewilligung verweigert werden kann. Prozessuales (E. 1). Tatsächliches (E. 2). Regelung des Familiennachzuges nach dem Freizügigkeitsabkommen (E. 3.1-3.3). Berücksichtigung der nachträglichen Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften: Zur Gewährleistung einer parallelen Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und zwischen derselben und der Schweiz kann nicht an der Voraussetzung festgehalten werden, dass sich das Familienmitglied mit Drittstaatsangehörigkeit, das ein Angehöriger eines EU-Staates in die Schweiz nachziehen will, vorgängig bereits rechtmässig in der Schweiz oder einem anderen Vertragsstaat aufgehalten hat (Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 130 II 1 und BGE 134 II 10 in Anpassung an das Urteil des EuGH i.S. Metock; E. 3.4-3.7). Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens für die Verweigerung einer Bewilligung, auf die Anspruch besteht, insbesondere Erfordernis einer gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung (Fortführung von BGE 129 II 215 und BGE 130 II 176; E. 4). Rechtsfolgen (E. 5.1).

136 II 65 (2C_269/2009) from 5. Januar 2010
Regeste: Art. 7 lit. d FZA sowie Art. 3 und 5 Anhang I FZA; Nachzug von Kindern mit Drittstaatsangehörigkeit des Ehegatten des Angehörigen eines Vertragsstaates (Stiefkinder mit Drittstaatsangehörigkeit). Prozessuales (E. 1). Das freizügigkeitsrechtliche Nachzugsrecht hängt nicht von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt des nachzuziehenden Angehörigen in einem Mitgliedstaat ab (Bestätigung von BGE 136 II 5; E. 2). Zur Gewährleistung einer parallelen Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und zwischen derselben und der Schweiz, insbesondere in Analogie zur Rechtsprechung des EuGH (Urteil Baumbast) und aufgrund der systematischen Zusammenhänge, erstreckt sich das Nachzugsrecht auch auf die Stiefkinder mit Drittstaatsangehörigkeit (E. 3 und 4). Voraussetzungen, unter denen dieses Nachzugsrecht geltend gemacht werden kann (E. 5).

136 II 120 (2C_135/2009) from 22. Januar 2010
Regeste: Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK; Art. 8 und 190 BV; Art. 3 Anhang I FZA; Art. 42 AuG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Teilfamiliennachzug zu einem eingebürgerten Schweizer ("Inländerdiskriminierung"). Zusammenfassung der Praxis zum Familiennachzug von Schweizer Bürgern nach Art. 17 Abs. 2 ANAG und zur Problematik der Inländerdiskriminierung (E. 2 und 3). Tragweite von Art. 8 BV (Rechtsgleichheitsgebot; E. 3.3.2) sowie von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK (akzessorisches Diskriminierungsverbot; E. 3.3.3) unter Berücksichtigung von Art. 42 Abs. 2 AuG. "Appellentscheid" im Rahmen von Art. 190 BV, den Familiennachzug von Schweizer Bürgern den neuen Verhältnissen im Bereich des FZA anzupassen (E. 3.5).

136 II 177 (2C_490/2009) from 2. Februar 2010
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 29 BV; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 7 lit. d FZA; Art. 2 und 3 Anhang I FZA; Art. 2 Abs. 2, 43, 47 und Art. 51 AuG; Wiedererwägungsgesuch für Familiennachzug gemäss Freizügigkeitsabkommen. Für das Eintreten auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten genügt ein vertretbar begründeter potentieller Bewilligungsanspruch; ob dessen Voraussetzungen im Einzelnen gegeben sind, ist Frage der materiellen Beurteilung (E. 1). Voraussetzungen, unter denen auf ein ausländerrechtliches Wiedererwägungsgesuch von Bundesrechts wegen eingetreten werden muss (E. 2). Beim Familiennachzug von Stiefkindern im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens zu prüfende Aspekte (E. 3).

136 II 415 (1C_438/2009) from 16. Juni 2010
Regeste: Art. 82 BGG, Art. 115 StGB, Art. 44 BetmV; Vereinbarung über die organisierte Sterbehilfe. Die Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und einer privaten Sterbehilfeorganisation stellt kein zulässiges Anfechtungsobjekt nach Art. 82 BGG dar. Aufgrund des bestehenden Rechtsschutzbedürfnisses ist dennoch zu untersuchen, ob sich die Vereinbarung nicht als geradezu nichtig erweist (E. 1). Verstoss der Vereinbarung insbesondere gegen die abschliessende Regelung der Beihilfe zum Selbstmord durch Art. 115 StGB und gegen das Betäubungsmittelrecht (E. 2.2-2.5). Unzulässigkeit des Abschlusses eines verwaltungsrechtlichen Vertrags in diesem Bereich (E. 2.6). Nichtigkeit in Bezug auf die gesamte Vereinbarung (E. 3).

136 II 497 (2C_84/2010) from 1. Oktober 2010
Regeste: a Art. 42 Abs. 1, Art. 43 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 1 AuG, Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Alters des Kindes als Voraussetzung für den Anspruch auf Familiennachzug. Das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um Bewilligung des Familiennachzugs ist massgebend für den Entscheid über den (materiell-rechtlichen) Anspruch auf Familiennachzug sowie für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, welche diesen Anspruch voraussetzt. Die Praxis zum alten Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer ist entsprechend beizubehalten (E. 3).

136 III 168 (5A_712/2009) from 25. Januar 2010
Regeste: Art. 30 Abs. 1 und Art. 160 ZGB; Art. 23 Abs. 2 und Art. 37 IPRG; Art. 8 und 14 EMRK; Namensänderung eines Ehegatten. Gesuch einer Doppelbürgerin, welche anstelle des mit der Heirat erworbenen Familiennamens nach den Namensregeln von Sri Lanka einzig den Vornamen des Ehemannes als Nachnamen führen will (E. 3).

136 III 410 (5A_57/2010) from 2. Juli 2010
Regeste: Art. 28 Abs. 2 ZGB; Schutz der Persönlichkeit des Versicherten gegen privatdetektivliche Observation; Rechtfertigungsgrund des überwiegenden Interesses. Die von der Haftpflichtversicherung veranlasste Observation der versicherten Person kann deren Privatsphäre wie auch deren Recht am eigenen Bild verletzen. Die Verletzung ist dann nicht widerrechtlich, wenn das Interesse an der Verhinderung eines Versicherungsbetrugs das Interesse des von der Observation Betroffenen auf Unversehrtheit seiner Persönlichkeit überwiegt. Zusammenfassung der Kriterien, die für die Abwägung der Interessen massgebend sein können (E. 2-6).

136 V 117 (8C_84/2009) from 25. Januar 2010
Regeste: a Art. 44 ATSG; Art. 12 lit. e VwVG; Mitwirkungsrechte bei Begutachtung durch die Rehaklinik Bellikon. Die fachmedizinischen Stellungnahmen der Rehaklinik Bellikon, soweit sie von der SUVA verlangt werden, sind nicht als Gutachten unabhängiger Sachverständiger zu betrachten, weshalb vorliegend Art. 44 ATSG nicht anwendbar ist und sich damit aus dieser Bestimmung auch keine Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs ergeben kann (E. 3.4).

136 V 161 (9C_917/2009) from 25. Mai 2010
Regeste: Art. 1a Abs. 1 lit. c Ziff. 1, Abs. 3 lit. b, Abs. 4 lit. c AHVG; Art. 33 Ziff. 1 und Art. 37 Ziff. 1 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen sowie Art. 1a Abs. 2 lit. a AHVG und Art. 1b AHVV; Art. 2 AHVG; Versicherungsunterstellung der Kinder von im Dienste der Eidgenossenschaft im Ausland tätigen Versicherten. Im selben Haushalt lebende - nicht notwendigerweise unmündige - Kinder von im Dienste der Eidgenossenschaft im Ausland tätigen Versicherten, welche die Voraussetzungen für einen Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht erfüllen, können nicht wie der nicht erwerbstätige Ehegatte oder ein nicht erwerbstätiger Studierender, der im Ausland einer Ausbildung nachgeht, der obligatorischen Versicherung beitreten (E. 5.2 und 6).

137 I 86 (9F_9/2009) from 15. September 2010
Regeste: Art. 46 Ziff. 1, Art. 6 und 8 EMRK; Art. 122 BGG; Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 KVG; Transsexualismus; Geschlechtsanpassungsoperation; Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenversicherung. Umsetzung des EGMR-Entscheids vom 8. Januar 2009 betreffend Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 110/05 vom 5. Dezember 2005: Voraussetzungen und Modalitäten der Revision nach Art. 122 BGG (E. 3, 7-9). Auslegung und Konkretisierung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche: Grenzen der Rechtsprechungszuständigkeit des EGMR (E. 7.3.3).

137 I 128 (2D_41/2010) from 15. Dezember 2010
Regeste: Art. 29a und 190 BV; Art. 6, 8 und 13 EMRK; Art. 2 Abs. 3 lit. a und Art. 14 Abs. 1 Uno-Pakt II; Art. 14 Abs. 4 AsylG. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist zulässig, um sich gegen die Verweigerung der Parteistellung nach Art. 14 Abs. 4 AsylG im kantonalen Verfahren zu beschweren (E. 3.1). Das fehlende Rechtsmittel gegen kantonale Entscheide, die ein Aufenthaltsbewilligungsverfahren nach Art. 14 Abs. 4 AsylG verweigern, verstösst gegen die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV. Das Bundesgericht kann dies Art. 190 BV zufolge nur feststellen (E. 4.3). Demgegenüber wird damit weder Art. 6, 8 und 13 EMRK noch Art. 2 Abs. 3 lit. a und Art. 14 Abs. 1 Uno-Pakt II verletzt (E. 4.4).

137 I 154 (5A_640/2010) from 14. April 2011
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 264 ff., 269 ff. ZGB; Anfechtung der Adoption. Die Adoption kann nur durch Anfechtung oder neue Adoption aufgehoben werden. Voraussetzungen und Gründe zur Anfechtung der Adoption (E. 3).

137 I 209 (1B_134/2011) from 14. Juli 2011
Regeste: Art. 17 und 36 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Art. 10 EMRK, § 135 GVG/ZH, Art. 70 StPO; Medienfreiheit, Gerichtsberichterstattung über eine nicht öffentliche strafgerichtliche Hauptverhandlung. Der Berichterstatter, der sich der gerichtlichen Auflage für den Zugang zur Hauptverhandlung (hier: die Wahrung der Anonymität der Verfahrensbeteiligten) nicht unterzieht, darf davon ausgeschlossen werden (E. 4 und 5).

137 I 218 (6B_849/2010) from 14. April 2011
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Beweisverwertungsverbote. Auswertung einer verloren gegangenen Filmkamera ausserhalb einer abzuklärenden Straftat, um ihren Eigentümer zu ermitteln. Frage offengelassen, ob anlehnend an eine verpönte Beweisausforschung ("fishing expedition") auf diese Weise erlangte Indizien auf eine strafbare Handlung unter ein absolutes Beweisverwertungsverbot fallen (E. 2.3.2). Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person an der Unverwertbarkeit der Beweise (E. 2.3.3-2.3.5). Fernwirkung der rechtswidrig erlangten Beweismittel (E. 2.4).

137 I 247 (2C_327/2010, 2C_328/2010) from 19. Mai 2011
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 3 Abs. 1 KRK; Art. 255 i.V.m. Art. 109 Abs. 3 sowie Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZGB; "umgekehrter" Familiennachzug des ausländischen Sorge- und Obhutsberechtigten zu seinem Schweizer Kind. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach es im Rahmen der Interessenabwägung gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK ordnungs- oder sicherheitspolizeilicher Gründe von einem gewissen Gewicht bedarf, um dem sorge- und obhutsberechtigten ausländischen Elternteil den Verbleib im Land zu verweigern und sein Schweizer Kind (im Ergebnis) zu verpflichten, mit ihm auszureisen. Die entsprechende Praxis gilt nicht unbesehen bei niederlassungs- oder aufenthaltsberechtigten ausländischen Kindern aus Drittstaaten (E. 4). Würdigung des konkreten Falles bei mutmasslich missbräuchlichem Verhalten des sorge- und obhutsberechtigten Elternteils (E. 5).

137 I 284 (2C_711/2010) from 1. April 2011
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 44 AuG; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Familiennachzug durch Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung. Kein Anspruch auf Nachzug von Stiefkindern durch Schweizer Bürger gestützt auf Art. 42 Abs. 1 AuG. Auch kein Anspruch im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG für den ausländischen Ehepartner mit einer Aufenthaltsbewilligung bei einem nach Art. 44 AuG begehrten Nachzug seiner Kinder. Allerdings grundsätzlicher Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV (E. 1.2 und 1.3). Nachzug von Kindern durch einen Ausländer, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt und einen Anspruch auf Verlängerung derselben hat. Änderung bzw. Anpassung der Praxis im Zusammenhang mit neuerlichen Entwicklungen auf sozialer und rechtlicher Ebene (E. 2).

137 I 296 (2C_745/2010) from 31. Mai 2011
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 3 BGG; Art. 5 Ziff. 4 und 5, Art. 8 und 13 EMRK; Freilassung während des Rekursverfahrens vor der letzten kantonalen Instanz; aktuelles Rechtsschutzinteresse; Grundsätze der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges und der Einheit des Verfahrens. Der Grundsatz der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 111 Abs. 3 BGG) gilt als eingehalten, wenn der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz sämtliche Rügen vorbringen konnte, die er in der Folge auch vor Bundesgericht erheben kann. Um festzustellen, ob die kantonale Behörde den vorliegenden Rekurs zu Recht nicht materiell behandelt hat, ist zu prüfen, wie das Bundesgericht in einer vergleichbaren Situation vorgegangen wäre. Bei Vorliegen besonderer Umstände nimmt das Bundesgericht eine materielle Prüfung vor, obwohl der Beschwerdeführer kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr hat. Mit Hinblick auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet ("grief défendable"; vgl. Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 5 Ziff. 4 EMRK) (E. 4 und 5). Entsteht bei materieller Prüfung der Eindruck, dass die ausgestandene Haft illegal war, so ist dies festzuhalten. Bezüglich eines allfälligen Entschädigungsbegehrens kann die mit dem Rekurs befasste kantonale Instanz entweder aus verfahrensökonomischen Gründen selbst einen Entscheid fällen oder die Angelegenheit an die für Staatshaftungsfragen zuständige Behörde überweisen (E. 6).

137 I 351 (2C_349/2011) from 23. November 2011
Regeste: Art. 98 Abs. 4 ZGB und Art. 67 Abs. 3 ZStV; Art. 12 EMRK und Art. 14 BV; Art. 14 Abs. 1 AsylG; Verfahren zur Vorbereitung der Eheschliessung und Trauung: Erfordernis, den rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz während des Vorbereitungsverfahrens nachzuweisen; Vereinbarkeit dieses Erfordernisses mit dem Recht auf Ehe; Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens. Vom Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens kann nur bei Vorliegen eines "offensichtlichen" Rechtsanspruches auf eine Aufenthaltsbewilligung abgewichen werden (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 3.1). Kann der Zivilstandsbeamte die Trauung eines ausländischen Verlobten mangels Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz nicht vollziehen (Art. 98 Abs. 4 ZGB und Art. 67 Abs. 3 ZStV), so ist die Migrationsbehörde gehalten, letzterem im Hinblick auf die Heirat einen provisorischen Aufenthaltstitel auszustellen, sofern keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen und klar erscheint, dass der Betroffene - einmal verheiratet - aufgrund seiner persönlichen Situation die Zulassungsvoraussetzungen in der Schweiz erfüllen wird (analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 AuG); diese Auslegung erlaubt die Beachtung von Art. 12 EMRK und Art. 14 BV in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers (E. 3.4-3.7) und steht mit dem Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens im Einklang (E. 3. 8). Anwendung im vorliegenden Fall (E. 3.9).

137 II 393 (2C_276/2011) from 10. Oktober 2011
Regeste: Art. 47 Abs. 1 und 3 lit. b, Art. 126 Abs. 3 AuG; Art. 73 VZAE; Wiederherstellung der Fristen für den Familiennachzug von ausländischen Staatsangehörigen. Anwendbare Gesetzesvorschriften (E. 3.1) und Erwägungen des kantonalen Gerichts (E. 3.2). Ausländer, die ohne entsprechenden Anspruch erfolglos ein erstes Gesuch um Familiennachzug gestellt haben, können in einer späteren Anspruchssituation ein neues Gesuch stellen. Voraussetzung bildet aber, dass das erste Gesuch fristgerecht (Art. 47 AuG; Art. 73 VZAE) und das zweite ebenfalls unter Wahrung der entsprechenden Frist eingereicht worden war (E. 3.3).

137 II 431 (2C_127/2010) from 15. Juli 2011
Regeste: Art. 36 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 3 BV; Art. 25 f. BankG; Art. 10 VwVG und Art. 11 des Organisationsreglements FINMA 2008; Zulässigkeit der Herausgabe von Bankkundendaten der UBS an die amerikanischen Behörden durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Februar 2009. Inhalt und Stellenwert des Bankkundengeheimnisses im schweizerischen Recht (E. 2.1). Bankenrechtliche Schutzmassnahmen müssen das Bankkundengeheimnis wahren und dürfen nicht dazu dienen, die Kompetenzen der Rechtshilfe- oder Steuerbehörden bzw. die von diesen zu prüfenden, für die amtshilfeweise Aufhebung des Bankkundengeheimnisses erforderlichen Voraussetzungen zu umgehen (E. 2.2 und 2.3). Bejahung der Zulässigkeit der Herausgabe der Kundendaten gestützt auf die polizeiliche Generalklausel (E. 3 und 4). Feststellung des Anscheins einer Befangenheit des damaligen Präsidenten der FINMA (E. 5).

137 III 16 (4A_249/2010) from 16. November 2010
Regeste: Beginn der Verjährung des Anspruchs auf Schadenersatz bei Verletzung vertraglicher Pflichten (Art. 130 Abs. 1 OR). Die Forderungen auf Schadenersatz und Genugtuung aus vertragswidriger Körperverletzung werden sogleich mit der Verletzung der vertraglichen Pflicht fällig. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährung zu laufen, nicht erst mit Eintritt des Schadens, auch wenn dieser (wie bei Asbestschäden) erst nach Ablauf von mehr als 10 Jahren eintreten und festgestellt werden kann. Das Institut der Verjährung gilt für alle Schuldner und Gläubiger. Es beruht auf einer Abwägung der Interessen beider Parteien und führt nicht zu einer Diskriminierung der Asbestopfer oder behinderter Personen (E. 2).

137 III 97 (5A_477/2010) from 27. Januar 2011
Regeste: Art. 30 Abs. 1 und Art. 267 Abs. 1 ZGB; Namensänderung bei einem adoptierten Erwachsenen. Der Wunsch einer 56-jährigen Person, nach der Adoption den bisherigen Familiennamen weiterzuführen, bringt die enge Verbindung zwischen dem Namen und der Persönlichkeit zum Ausdruck und genügt als wichtiger Grund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB, um die Namensänderung zu bewilligen (Änderung der Rechtsprechung; E. 3).

137 III 332 (5F_8/2010) from 26. Mai 2011
Regeste: Art. 122 lit. c BGG und Art. 13 BG-KKE; Gesuch um Revision eines Entscheids des Bundesgerichts, der die Rückführung eines Kindes anordnet. Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel; gestattet ein anderer ordentlicher Rechtsweg, einen Zustand mit der EMRK wieder in Übereinstimmung zu bringen, muss dieser gewählt werden. Auf dem Gebiet der internationalen Kindesentführung muss eine dauernde Änderung der Verhältnisse seit dem Rückführungsentscheid im Rahmen eines Gesuchs um Änderung des Entscheids gemäss Art. 13 BG-KKE geltend gemacht werden, so dass der Weg der Revision nicht offensteht (E. 2.4).

137 V 334 (9C_790/2010) from 8. Juli 2011
Regeste: Art. 28a Abs. 3 IVG; Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Bestätigung der Rechtsprechung betreffend die gemischte Methode der Invaliditätsbemessung (E. 5). Die gemischte Methode verletzt weder den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK noch die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots gemäss Art. 8 BV (E. 6).

138 I 6 (1C_289/2009) from 2. November 2011
Regeste: Recht auf Achtung des Privatlebens, Einsicht in Staatsschutzakten, indirektes Auskunftsrecht; Art. 8 und 13 EMRK, Art. 82 lit. a und Art. 83 lit. a BGG. Die Mitteilung des Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne von Art. 18 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) kann im vorliegenden Zusammenhang nach Art. 82 lit. a BGG angefochten werden (E. 1.2). In Anbetracht der gerichtlichen Überprüfung durch den EGMR kann im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit gestützt auf Art. 83 lit. a BGG auf die Beschwerde eingetreten werden (E. 1.3.2). Hinweise zur Beschaffung und Bearbeitung von Informationen im Bereich des Staatsschutzes und zum indirekten Auskunftsrecht nach BWIS (E. 3). Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 4.1); Anforderungen an Eingriffe nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK in formeller und materieller Hinsicht (E. 4.2 und 4.3). Das BWIS stellt eine hinreichende Grundlage für die Beschaffung und Bearbeitung von Informationen und für den Aufschub der Einsicht in der Form des indirekten Auskunftsrechts dar (E. 5.2); es genügt den Bestimmtheitsanforderungen (E. 5.3), enthält Mechanismen zum Schutz der Grundrechte (E. 5.4), dient zulässigen Zwecken (E. 5.5) und erweist sich als verhältnismässig (E. 5.6). Recht auf wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK (E. 6.1); Zulässigkeit von geheimer Überwachung und geheimer Aufbewahrung von Personendaten, Anforderungen an den Aufschub der Auskunft (E. 6.2). Die Ausgestaltung des indirekten Auskunftsrechts, die Beschränkung der Datenaufbewahrung und die parlamentarische Aufsicht stellen Mechanismen zum Schutz der Grundrechte dar (E. 7.1-7.3); Empfehlungen gegenüber den zuständigen Behörden im Rahmen der geheimen Überprüfung kommt verbindlicher Charakter zu (E. 7.4); Anforderungen an die Auskunftserteilung nach Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen (E. 7.5); gesamthaft hält die BWIS-Regelung vor Art. 13 EMRK stand; Rückweisung der Sache zu neuer Prüfung im Sinne der Erwägungen (E. 7.7).

138 I 41 (5A_814/2011) from 17. Januar 2012
Regeste: Art. 98 Abs. 4 ZGB; Art. 12 EMRK und Art. 14 BV; Erfordernis des rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz während des Ehevorbereitungsverfahrens; Vereinbarkeit dieses Erfordernisses mit der Gewährleistung des Rechts auf Ehe. Diesbezügliche Befugnisse des Zivilstandsbeamten sowie der Fremdenpolizei (E. 2-5).

138 I 205 (9C_540/2011) from 15. März 2012
Regeste: Art. 16 ATSG; Art. 27 UNO-Pakt II; Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten; Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 8 Abs. 2 BV; Invaliditätsbemessung bei einer zur Gemeinschaft der Fahrenden gehörenden Person. Im Falle einer zur Gemeinschaft der Fahrenden gehörenden Person wirkt die Bemessung des Invalideneinkommens anhand allgemeiner statistischer Daten indirekt diskriminierend, soweit dieses Vorgehen dazu beiträgt, die versicherte Person der Bevölkerungsmehrheit anzugleichen (E. 6.2).

138 I 225 (9C_881/2011) from 27. Juni 2012
Regeste: Art. 14 ELG; § 8 Abs. 3 ELG/SZ; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten im Rahmen von Ergänzungsleistungen. Die Limitierung der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten in Verweisung auf Art. 14 ELG verletzt weder das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV und Art. 14 EMRK noch das Recht auf Familienleben gemäss Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3.5-3.9).

138 I 246 (2C_459/2011) from 26. April 2012
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 14 und 43 AsylG; Art. 83 AuG; konventionsrechtliche Zulässigkeit des Arbeitsverbots im Asylverfahren. Das Arbeitsverbot von Art. 43 AsylG ist grundsätzlich mit dem Anspruch auf Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK vereinbar (E. 2 und 3). Bei langer Anwesenheit und jahrelanger Nothilfeabhängigkeit eines weggewiesenen Asylbewerbers kann sich in ausserordentlichen Situationen aus dieser Bestimmung jedoch ein Anspruch auf Bereinigung des Anwesenheitsstatus (vorläufige Aufnahme oder asylrechtlicher Härtefall) bzw. auf Erteilung einer Arbeitsbewilligung ergeben (E. 3.3.1); Prüfung der Voraussetzungen im konkreten Fall (E. 3.3.2 und 3.3.3).

138 I 256 (1C_439/2011) from 25. Mai 2012
Regeste: Speicherung von Personendaten im zürcherischen Polizei-Informationssystem POLIS; Art. 13 Abs. 2 BV, Art. 8 EMRK. Betroffene Grundrechte (E. 4). Speicherung und Löschung von Personendaten im Polizei-Informationssystem POLIS (E. 5). Die Speicherung von Personendaten hält im vorliegenden Fall vor Bundesverfassung und Konvention stand: Der Grundrechtseingriff wiegt nicht schwer (Vernichtung der erkennungsdienstlichen Daten, Anmerkung über Einstellung der Strafuntersuchung), das öffentliche Interesse an der Aufklärung der Straftat überwiegt (rascher Zugriff auf vorhandene Daten im Falle von neuen Hinweisen und Erkenntnissen; E. 6).

138 I 331 (8C_949/2011) from 4. September 2012
Regeste: Art. 12, Art. 13 Abs. 1 und 2 BV; Art. 8 EMRK; abstrakte Normenkontrolle; Sozialhilferecht. Die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Änderungen des kantonalbernischen Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (SHG) betreffend Entfallen des Sozialhilfegeheimnisses bei Ermächtigung der betroffenen Person oder der vorgesetzten Stelle zur Auskunftserteilung und bei Anzeige einer Straftat (Art. 8 Abs. 2 lit. a-c SHG), betreffend Einholen einer Vollmacht von den betroffenen Personen (Art. 8b Abs. 3 SHG) sowie betreffend Auskunftspflichten privater Dritter (Art. 8c Abs. 1 lit. c-e SHG) sind verfassungs- und konventionskonform (E. 5-8).

138 I 475 (4A_367/2012) from 10. Oktober 2012
Regeste: Beschwerde- und Klagelegitimation einer Behindertenorganisation (Art. 9 Abs. 1, 2 und 3 lit. a BehiG); Diskriminierung im Sinne von Art. 6 BehiG. Integration Handicap ist berechtigt zur Klage auf Feststellung einer Diskriminierung in einem Zivilverfahren und gegebenenfalls zur Erhebung einer Beschwerde in Zivilsachen (E. 1). Begriff der Diskriminierung gegenüber Behinderten bei Dienstleistungen Privater (E. 3). Bezug zur EMRK (E. 4).

138 II 229 (2C_821/2011) from 22. Juni 2012
Regeste: Art. 3 und 8 EMRK; Art. 7 und 35 Abs. 1 und 3 BV; Art. 50 Abs. 1 lit. a bzw. Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AuG; nachehelicher Härtefall wegen ehelicher Gewalt. Voraussetzungen für einen Bewilligungsanspruch nach gescheiterter Ehe gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (E. 2). Eine psychische Zwangsausübung von einer gewissen Konstanz und Schwere kann einen nachehelichen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG begründen (E. 3.1 und 3.2). Mitwirkungspflicht und Anforderungen an das ausländerrechtliche Beweisverfahren in diesem Fall (E. 3.2.3). Rückweisung an die Vorinstanz zu neuem Entscheid (E. 3.3).

138 II 393 (2C_993/2011) from 10. Juli 2012
Regeste: Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG; Fortsetzung des Aufenthalts in der Schweiz aus wichtigen persönlichen Gründen. Falls keine besonderen Umstände vorliegen, welche Zweifel an der Rechtmässigkeit der Ehe oder an der Intensität der Verbundenheit der Ehegatten aufkommen lassen, so wird vermutet, dass der Tod des schweizerischen Gatten einen schwerwiegenden persönlichen Grund darstellt, welcher den weiteren Aufenthalt des hinterbliebenen ausländischen Gatten in der Schweiz erforderlich macht, ohne dass noch weiter zu prüfen wäre, ob die Wiedereingliederung des Letzteren in seinem Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3).

138 III 157 (6B_368/2011) from 2. Februar 2012
Regeste: Art. 47 OR, Art. 62 Abs. 1 SVG; Genugtuung bei Konkubinatsverhältnis. Ein stabiles Konkubinatsverhältnis kann im Sinne von Art. 47 OR einen Anspruch auf Genugtuung zugunsten des überlebenden Konkubinatspartners begründen; Begriff des stabilen Konkubinatsverhältnisses (E. 2).

139 I 16 (2C_828/2011) from 12. Oktober 2012
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 5, 190 und 121 Abs. 3-6 (Fassung vom 28. November 2010 ["Ausschaffungsinitiative"]) in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 8 BV; Art. 62 lit. b, Art. 63 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2 AuG; direkte Anwendbarkeit neuer verfassungsrechtlicher Vorgaben, die im Widerspruch zu geltendem Gesetzes- und Völkerrecht stehen? Übersicht über die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und der bundesgerichtlichen Praxis zu beachtenden Kriterien bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit aufenthaltsbeendender Massnahmen von straffällig gewordenen Ausländerinnen und Ausländern (E. 2 und 3). Die mit der Ausschaffungsinitiative am 28. November 2010 in die Bundesverfassung aufgenommenen Abs. 3-6 von Art. 121 sind aufgrund einer der praktischen Konkordanz verpflichteten Auslegung und mangels hinreichender Bestimmtheit nicht direkt anwendbar, sondern bedürfen der Umsetzung durch den Gesetzgeber; sie haben keinen Vorrang vor den Grundrechten oder den Garantien der EMRK. Den vom Verfassungsgeber zum Ausdruck gebrachten Wertungen kann insoweit Rechnung getragen werden, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht bzw. zu Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führt, den der EGMR den einzelnen Konventionsstaaten bei der Umsetzung ihrer Migrations- und Ausländerpolitik zugesteht (E. 4 und 5).

139 I 31 (2C_926/2011) from 12. Oktober 2012
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 121 Abs. 3 BV (Fassung vom 28. November 2010); Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b sowie Art. 96 AuG; Widerruf einer Niederlassungsbewilligung bei qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ("Drogenhandel"). Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Widerruf einer Niederlassungsbewilligung bei Straffälligkeit und langjährigem Aufenthalt in der Schweiz; Tragweite von Art. 121 Abs. 3 BV (E. 2). Interessenabwägung im konkreten Fall (E. 3).

139 I 37 (2C_195/2012) from 2. Januar 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 34 Visakodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009); Art. 5, 10 und 17 AuG; Art. 6 und 11 VZAE; Art. 2, 4, 15 i.V.m. 16 VEV; Weigerung der Migrationsbehörde, ein Familiennachzugsgesuch zu prüfen, bei Heirat im Rahmen eines Schengenvisums zu Besuchszwecken. Die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 AuG, wonach der Bewilligungsentscheid grundsätzlich im Ausland abzuwarten ist, muss grundrechtskonform erfolgen (E. 2). Der Anspruch auf Familiennachzug fällt nicht dahin, wenn während der Gültigkeit des Schengenvisums zu Besuchszwecken geheiratet wird, weshalb die zuständige Migrationsbehörde verpflichtet ist, auf rechtzeitiges Gesuch hin das Bewilligungsverfahren zu eröffnen und den Familiennachzug zu prüfen. Ergeht kein positiver erstinstanzlicher Entscheid während des bewilligungsfrei zulässigen Aufenthalts, hat die betroffene Person den Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten, es sei denn, die Zulassungs- bzw. Bewilligungsvoraussetzungen könnten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG als mit grosser Wahrscheinlichkeit erfüllt gelten (E. 3). Beurteilung des konkreten Falles (E. 4).

139 I 145 (2C_240/2012) from 15. März 2013
Regeste: Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b und Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 96 Abs. 1 AuG; Art. 8 Ziff. 1 und 2 EMRK; Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung; Verhältnismässigkeitsprüfung beim Vorliegen von Widerrufsgründen. Wiederholung der massgeblichen Kriterien für die Abwägung zwischen den öffentlichen Fernhalteinteressen und den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz (E. 2.4 und 2.5). Grundsätzliches Festhalten an der sog. "Reneja"-Praxis, wonach einem Ausländer nach bloss kurzer Aufenthaltsdauer und bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr in der Regel selbst dann kein Aufenthaltstitel mehr zu erteilen ist, wenn der schweizerischen Ehepartnerin die Ausreise nicht oder nur schwer zuzumuten ist. Wie bisher stellt diese sog. "Zweijahresregel" aber - ungeachtet der Art der Delinquenz - keine feste Grenze dar. Entscheidend ist stets das Gesamtbild eines jeden Einzelfalles, welches anhand von sämtlichen massgeblichen Kriterien zu bewerten ist. Trotz der Verurteilung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe erweist sich die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung im vorliegenden Fall, namentlich aufgrund der familiären Situation des Betroffenen, als unverhältnismässig (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4-3.9).

139 I 155 (9C_962/2012) from 15. April 2013
Regeste: Art. 8 und 14 EMRK; Art. 39 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 IVG; Erfordernis eines Wohnsitzes in der Schweiz als Voraussetzung für einen Anspruch auf Versicherungsleistungen. Die Aufhebung einer ausserordentlichen Invalidenrente und der Hilflosenentschädigung infolge fehlenden Wohnsitzes in der Schweiz - die Versicherte hat sich in Brasilien niedergelassen, mit welchem Staat die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat - fällt nicht in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK; es ist nicht Zweck der fraglichen Leistungen, das Familienleben zu begünstigen oder auf persönliche oder familiäre Beziehungen einzuwirken. Von daher stellt sich die Frage nach einer Diskriminierung im Sinne von Art. 14 EMRK nicht (E. 4).

139 I 257 (9C_400/2013) from 23. September 2013
Regeste: Art. 23 und 24 AHVG; Art. 8 und 14 EMRK; Art. 9 UNO-Pakt I; Art. 11 lit. e des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; Anspruch auf Witwenrente. Es verletzt kein Bundesrecht, einer unter 45-jährigen, kinderlosen Frau, die eine Erwerbstätigkeit aufgegeben hat, um ihren gesundheitlich schwer beeinträchtigten Ehegatten bis zu dessen Tod zu betreuen, eine Witwenrente zu verweigern (E. 4). Die Verweigerung fällt nicht in den Geltungsbereich des Art. 8 EMRK (E. 5); sie verletzt keine anderweitigen staatsvertraglichen Verpflichtungen der Schweiz (E. 6).

139 I 265 (8C_299/2013) from 23. Oktober 2013
Regeste: Art. 12 BV; Art. 8 EMRK; UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes; Art. 2bis der Verordnung des Kantons St. Gallen vom 3. Dezember 2002 über die Aufnahme von Asylsuchenden; Art. 1 Abs. 1 der Verordnung des Kantons St. Gallen vom 18. Dezember 2007 zur Bundesgesetzgebung über die Ausländerinnen und Ausländer. Im Kanton St. Gallen ist das kantonale Migrationsamt zuständig für den Vollzug der Bundesgesetzgebung über das Asylwesen und damit auch für die Zuweisung betroffener Personen an die Gemeinden zwecks Ausrichtung der Nothilfe. Da die Gemeinden diesbezüglich über keine Kompetenz verfügen, ist das Sozialamt gestützt auf den das verfassungsmässige Recht auf Hilfe in Notlagen beherrschenden allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität berechtigt, auf das Nothilfegesuch eines abgewiesenen Asylbewerbers mit rechtskräftiger Wegweisungsverfügung nicht einzutreten und diesen an die Gemeinde zu verweisen, welcher dieser zugewiesen worden war (E. 5.1). Ist die betroffene Person der Ansicht, sie befinde sich in einer Situation, die gestützt auf völkerrechtliche Bestimmungen eine Änderung der Zuteilung rechtfertige, muss sie sich dafür an das kantonale Migrationsamt wenden (E. 5.2).

139 I 272 (8C_912/2012) from 22. November 2013
Regeste: Art. 7 und 12 BV; Art. 3 und 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 86 Abs. 1 AuG; Art. 82 AsylG; Nothilfe für eine Person mit definitivem und vollziehbarem Rückweisungsentscheid. Für einen ledigen Mann guter Gesundheit steht die Tatsache, dass er die Nacht in einem Luftschutzraum des Zivilschutzes verbringen muss, den durch Art. 12 BV garantierten Minimalanforderungen nicht entgegen und verletzt insbesondere das Recht auf Achtung der Menschenwürde nicht (E. 3). Die mit der provisorischen Unterbringung in einem Luftschutzraum des Zivilschutzes verbundenen Unannehmlichkeiten erreichen die erforderliche Mindestschwere nicht, um unter Art. 3 EMRK zu fallen, welcher unmenschliche und erniedrigende Behandlung untersagt (E. 4). Angesichts der persönlichen und familiären Situation des Betroffenen gefährden sie auch weder dessen Privatleben noch stellen sie das Recht auf Achtung seiner Wohnung im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK in Frage (E. 5).

139 I 280 (2C_794/2012) from 11. Juli 2013
Regeste: Kopftuchverbot für Schülerinnen; gesetzliche Grundlage. Das Verbot des Tragens eines Kopftuches an der Schule ist ein schwerer Eingriff in das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der einer formellgesetzlichen Grundlage bedarf; die allgemeine Volksschulgesetzgebung des Kantons Thurgau stellt keine solche Grundlage dar (E. 5).

139 I 315 (2C_1112/2012) from 14. Juni 2013
Regeste: Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 13 Abs. 1 BV; Voraussetzungen für einen Aufenthaltsanspruch des nicht sorgeberechtigten ausländischen Elternteils eines in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Kindes. Die für einen solchen Anspruch gemäss ständiger Rechtsprechung vorausgesetzte besondere Intensität der affektiven Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ist als Folge der zivilrechtlichen Entwicklung und der zunehmend extensiven Regelung des Besuchsrechts neu zu umschreiben (E. 2.3 und 2.4). Bei nicht sorgeberechtigten ausländischen Elternteilen eines hier aufenthaltsberechtigten Kindes, welche aufgrund einer inzwischen aufgelösten ehelichen Gemeinschaft mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit oder mit Niederlassungsbewilligung bereits eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz besassen, ist das Erfordernis der besonderen Intensität der affektiven Beziehung künftig bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn der persönliche Kontakt im Rahmen eines nach heutigem Massstab üblichen Besuchsrechts ausgeübt wird. Bei Ausländern, welche erstmals um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ersuchen, ist demgegenüber weiterhin erforderlich, dass die affektiven Beziehungen zum Kind deutlich intensiver gelebt werden, als es einem üblichen Besuchsrecht entspricht. In allen Fällen wird zudem vorausgesetzt, dass das Besuchsrecht auch tatsächlich wahrgenommen wird. Festzuhalten ist schliesslich auch an den übrigen bisherigen Voraussetzungen einer Bewilligungsverlängerung bzw. -erteilung, d.h. an einer besonders intensiven wirtschaftlichen Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil sowie an einem tadellosen Verhalten der ausländischen Person (E. 2.4 und 2.5). Anwendung der genannten Voraussetzungen auf den vorliegenden Fall (E. 3).

139 I 330 (2C_983/2012) from 5. September 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 23 FK; Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 83 lit. c Ziff. 2 und lit. d BGG; Art. 14 Abs. 1, Art. 49 ff., 51 sowie 60 AsylG; Art. 44 und 51 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 lit. e AuG; Art. 73 und 74 Abs. 5 VZAE; ausländerrechtlicher Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen mit Asyl in der Schweiz. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid, durch den das Familiennachzugsgesuch eines anerkannten Flüchtlings für einen nach der Flucht geheirateten Partner abgewiesen wird, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (E. 1). Im Rahmen von Art. 8 EMRK und 13 BV zu beachtende Kriterien bei Zuwanderungsfragen mit asyl- und flüchtlingsrechtlichem Hintergrund (E. 2); konventions- und verfassungskonforme Auslegung von Art. 44 AuG in einem solchen Fall (E. 3). Unternimmt ein anerkannter Flüchtling mit Asyl alles ihm Zumutbare, um sich - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - möglichst rasch zu integrieren, kann ihm die Sozialhilfeabhängigkeit des nachzuziehenden Gatten nicht entgegengehalten werden, wenn sich der künftige Fehlbetrag in vertretbarer Höhe hält und in absehbarer Zeit vermutlich ausgeglichen werden kann (Bestätigung von BGE 122 II 1; E. 4).

139 II 384 (2C_721/2012) from 27. Mai 2013
Regeste: Verordnung über Massnahmen gegenüber Syrien; Verfahren zur Anfechtung einer Aufnahme in die Liste der Personen, gegen die sich die Zwangsmassnahmen richten. Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur der Zwangsmassnahmen (E. 2.1 und 2.2). Wer sich gegen seine Aufnahme in den Anhang der Verordnung zur Wehr setzen will, kann nicht die Verordnung als solche anfechten, sondern muss beim zuständigen eidgenössischen Departement die Streichung seines Namens beantragen (E. 2.3).

139 II 393 (2C_65/2012) from 22. März 2013
Regeste: Art. 31 ff. VRK; Art. 2, 7 lit. d, Art. 16 Abs. 1 und 2, Art. 17 und 18 FZA; Art. 3 Abs. 6 und Art. 4 Anhang I FZA; Art. 8 EMRK; Art. 50 AuG; Aufenthaltsrechte von Kindern aus EU-/EFTA-Staaten zu Ausbildungszwecken ("Ibrahim/Teixeira"-Praxis des EuGH). Bestätigung der Rechtsprechung, dass die Familiennachzugsregeln des Freizügigkeitsabkommens nicht dazu dienen, die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen zu schützen, die sich auf eine inhaltsleere, nur noch formell fortbestehende Ehe berufen (E. 2). Das Bundesgericht weicht mit Blick auf die von den Vertragspartnern durch das FZA angestrebte parallele Rechtslage nur aus triftigen Gründen von der Auslegung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen durch den EuGH ab (E. 4.1). Ein Aufenthalt gestützt auf Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA setzt voraus, dass die Rückkehr des Kindes in die Heimat nicht zumutbar erscheint und eine vor dem Dahinfallen der das abgeleitete Anwesenheitsrecht begründenden Familiengemeinschaft begonnene Ausbildung (noch) abgeschlossen werden soll (E. 4.2). Keine Verletzung von Art. 8 EMRK oder Art. 50 AuG im konkreten Fall (E. 5 und 6).

139 II 404 (2C_269/2013) from 5. Juli 2013
Regeste: Art. 43, 84a, 89 Abs. 1 und Art. 103 BGG; Art. 6 EMRK; Art. 26 DBA-USA 96; internationale Amtshilfe in Steuerfragen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Verfahrensgrundsätze: Anwendbares Recht und Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1). Beschwerdelegitimation des Kontoinhabers und des wirtschaftlich Berechtigten (E. 2). Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde von Gesetzes wegen (E. 4). Keine Möglichkeit der nachträglichen Ergänzung der Beschwerdeschrift (E. 5). Die strafprozessualen Garantien sind auf das Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen nicht anwendbar (E. 6). Ein gerichtliches Urteil über die Verweigerung der Amtshilfe entfaltet nur eine eingeschränkte materielle Rechtskraft und hindert den ersuchenden Staat nicht, ein neues, verbessertes Gesuch in der gleichen Sache zu stellen (E. 8). Auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten eingereicht werden, ist nicht einzutreten (E. 11). Verfahren betreffend die internationale Amtshilfe in Steuerfragen sind Streitigkeiten mit Vermögensinteresse (E. 12). Gruppenanfragen: Auf ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, welches die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, ist grundsätzlich einzutreten, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen (E. 7.2). Der nicht namentlich genannte Informationsinhaber muss mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können (E. 7.3). Betrugsdelikte und dergleichen: Die von den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften fällt in den Anwendungsbereich des DBA-USA 96 (E. 9.2). Begriff der Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 DBA-USA 96 (E. 9.3-9.5). Die vom IRS beschriebene Vorgehensweise der betroffenen Steuerpflichtigen erfüllt die Anforderungen des Abgabe- und des Steuerbetrugs; sie war nicht nur darauf ausgerichtet, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern auch den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (E. 9.7 und 9.8); das dazu benutzte Formular hat Urkundencharakter (E. 9.9).

140 I 77 (9C_383/2013) from 6. Dezember 2013
Regeste: Art. 35 AHVG; Rentenplafonierung. Die Rentenplafonierung gemäss Art. 35 AHVG führt zu einer Ungleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen Partnern einerseits sowie Konkubinatspaaren anderseits. Die Schlechterstellung in Bezug auf die Höhe der Altersrente darf nicht isoliert betrachtet werden, es gibt hiefür sachliche Gründe. Auch die EMRK verbietet den Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen zur Behebung "tatsächlicher Ungleichheiten" nicht und belässt den Einzelstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit einen weiten Beurteilungsspielraum. In einer (sozialversicherungs-)rechtlichen Gesamtbetrachtung privilegiert das Gesetz Ehen und eingetragene Partnerschaften in mehrfacher Hinsicht. Auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR bewirkt die Rentenplafonierung keine unzulässige Diskriminierung (E. 6-9). Ob sich aus der EMRK Ansprüche auf positive staatliche Leistungen ableiten lassen, ist fraglich (E. 5.3 und 10).

140 I 145 (2C_652/2013) from 17. Dezember 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 BV; Art. 96 Abs. 1 AuG; Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Im Rahmen der Prüfung der Situation eines Ausländers, der nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit seiner schweizerischen Ehegattin zusammenlebt, aber über das gemeinsame minderjährige Kind mit schweizerischer Nationalität - ohne es in Obhut zu haben - noch die elterliche Sorge ausübt, stellt ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung keine unabhängige Bedingung dar, die zwangsläufig zum Widerruf der Aufenthaltsbewilligung führt. Es handelt sich dabei um ein Kriterium unter anderen, das in der umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, ohne dass ihm jedoch eine geringere Bedeutung einzuräumen wäre, als dies im umgekehrten Familiennachzug für ein Kind mit Schweizer Bürgerrecht der Fall ist (E. 3 und 4).

140 I 305 (9C_810/2013) from 15. September 2014
Regeste: Art. 16b EOG; Art. 8 BV; Art. 8 und 14 EMRK; Vaterschaftsentschädigung. Nach dem klaren Wortlaut und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers kann aus Art. 16b EOG kein Anspruch von Vätern auf eine Erwerbsersatzentschädigung abgeleitet werden (E. 6 und 7). Art. 16b EOG beinhaltet keinen Elternurlaub, wie er in anderen (europäischen) Ländern besteht, sondern regelt ausschliesslich den Entschädigungsanspruch der Mutter nach der Geburt. Eine unzulässige Diskriminierung besteht - auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR - nicht (E. 10.2). Eine Aufteilung des Anspruchs auf beide Elternteile bedürfte einer gesetzlichen Grundlage und fällt im Rahmen der bestehenden Regelung (Anspruch während 14 Wochen) bereits deshalb ausser Betracht, weil ein solches Splitting unvereinbar wäre mit Art. 4 des zur Ratifikation vorgesehenen Übereinkommens Nr. 183 der IAO über den Mutterschutz, welcher den Frauen einen Mindestanspruch von 14 Wochen Mutterschaftsurlaub garantiert, der nicht unterschritten werden kann (E. 10.2).

140 I 353 (1C_653/2012) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Polizeigesetz des Kantons Zürich; verdeckte Vorermittlung, Chatroom-Überwachung, Schutz des Post- und Fernmeldeverkehrs. Zuständigkeit der Kantone zur Regelung der präventiven Polizeitätigkeit, die nicht an einen Tatverdacht anknüpft und sich nicht auf die Strafprozessordnung des Bundes stützt (E. 5). Übersicht über die Regelung der verdeckten Vorermittlung und der Informationsbeschaffung im Internet gemäss dem Polizeigesetz (E. 6). Verdeckte Vorermittlung: Die kantonale Bestimmung (§ 32e PolG/ZH) bezieht sich auf schwere Delikte im Sinne von Art. 286 Abs. 2 StPO. Für die Durchführung wird auf die Art. 151 und 287-298 StPO verwiesen. Damit wird verhindert, dass die verdeckten Vorermittler als "agents provocateurs" tätig werden. Die Regelung entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen in Bezug auf die richterliche Genehmigung sowie die Verfahrensrechte und den Rechtsschutz der betroffenen Personen (E. 7). Chatroom-Überwachung: § 32f Abs. 2 PolG/ZH lässt die Überwachung der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen zu, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind (sog. Closed User Groups). Eine solche Informationsbeschaffung kann mit einem Eingriff in die Privatsphäre und in das Fernmeldegeheimnis verbunden sein (E. 8.4). Sie betrifft grundsätzlich alle Benutzer dieser Kommunikationsmittel. Es handelt sich um eine sehr weit gehende Überwachungsmethode, die das Sammeln und Auswerten von Informationen aus den Privatbereichen einer Vielzahl von Personen erlaubt, gegen die überhaupt kein Verdacht für rechtswidriges Verhalten vorliegt (E. 8.7.2.1). Die Bestimmung ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar, weil keine richterliche Genehmigung der Überwachung vorgeschrieben ist, keine nachträgliche Mitteilung an die Betroffenen erfolgt und ihnen auch kein Rechtsschutz gewährt wird (E. 8.7.2.4). Hinweis auf die Bestimmungen der StPO zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (E. 8.8).

140 II 65 (1C_835/2013) from 14. Februar 2014
Regeste: Art. 27 Abs. 1 sowie Art. 41 Abs. 1 BüG; Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung. Erklärt der Bewerber im Einbürgerungsverfahren wahrheitswidrig unter Verschweigen von noch unentdeckten Straftaten, die schweizerische Rechtsordnung einzuhalten, erfüllt er die Voraussetzungen der Nichtigerklärung der nachmaligen Einbürgerung. Dies verstösst nicht gegen das Verbot der Selbstanzeige, da es sich um ein freiwillig eingeleitetes Verfahren handelt und das Einbürgerungsgesuch jederzeit zurückgezogen werden kann. Die Nichtigerklärung muss verhältnismässig sein (E. 2-4).

140 II 315 (2C_255/2013) from 11. April 2014
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 10 BV; Art. 25a VwVG; Art. 64 Abs. 3 KEG; Verfügung über aufsichtsrechtliche Realakte des ENSI (Störfallvorsorge KKW Mühleberg). Eintreten (E. 1) und Ausgangslage (E. 2). Das Kernenergierecht schliesst die Anwendbarkeit von Art. 25a VwVG gegenüber der Aufsichtstätigkeit des ENSI im Bereich der Störfallvorsorge nicht aus (E. 3). Schutzwürdiges Interesse und Berührtsein in der Rechtsstellung als Voraussetzungen für eine Verfügung über Realakte (E. 4): bejaht bei Anwohnern eines Kernkraftwerkes mit Bezug auf die (auch) ihrem Schutz dienenden kernenergierechtlichen Normen zur Störfallvorsorge (E. 4.6, 4.7 und 5). Beitrag von Art. 25a VwVG zu einem wirksamen Grundrechtsschutz (E. 4.8 und 4.9).

140 IV 181 (1B_19/2014) from 28. Mai 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 263 ff. StPO; Art. 23 ff. VÜPF; Erhebung von E-Mails beim Anbieter von Fernmeldediensten ("Provider"). Vom Beschuldigten auf dem Server abgerufene E-Mails können beschlagnahmt, nicht abgerufene durch eine Echtzeit-Überwachung erhoben werden (E. 2).

140 V 385 (9C_254/2014) from 26. August 2014
Regeste: Art. 6 Abs. 2 und Art. 39 Abs. 3 sowie Art. 42bis Abs. 2 IVG, je in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 IVG; Art. 1a (bis 31. Dezember 2002: Art. 1) Abs. 2 lit. a AHVG; Art. 1b lit. c (bis 31. Dezember 1998: Art. 1 lit. e bzw. lit. c) AHVV sowie Art. 1b IVG; Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 lit. h GSG; Abkommen vom 10. Februar 1987 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zur Regelung der rechtlichen Stellung der Bank in der Schweiz und Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich über den Status der internationalen Beamten schweizerischer Nationalität hinsichtlich der schweizerischen Sozialversicherungen (AHV/IV/EO und ALV); Art. 8 und 14 EMRK; Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 9 UNO-Pakt I. Ist ein ausländischer Beamter der BIZ nicht der obligatorischen AHV/IV unterstellt und der Ehegatte mit Wohnsitz in der Schweiz nicht erwerbstätig, sind auch die von ihnen unterhaltenen, ebenfalls hier lebenden Kinder nicht versichert und haben daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung (Invalidenrente, Hilflosenentschädigung; E. 4). Frage offengelassen, ob und inwieweit sowie nach Massgabe welcher Modalitäten diese Kinder auf freiwilliger Basis der AHV/IV beitreten können (E. 4.3). Art. 1b lit. c AHVV ist nicht völkerrechtswidrig (E. 5).

141 I 49 (2C_16/2014) from 12. Februar 2015
Regeste: Art. 9 und 29 Abs. 1 BV; Art. 83 und 85 Abs. 7 AuG; Art. 74 VZAE; vorläufige Aufnahme; Familiennachzug; Verbot der Rechtsverweigerung und der Willkür. Beschwerde gegen die vom Kantonsgericht bestätigte Ablehnung der kantonalen Migrationsbehörde, die mit ihrer Einschätzung versehenen Akten der Beschwerdeführerinnen an das Staatssekretariat für Migration zur Prüfung und Entscheidung über das Gesuch um Familiennachzug zu ihrem Lebensgefährten bzw. Vater weiterzuleiten, der in der Schweiz vorläufig aufgenommen ist (E. 3.1-3.3). Pflicht der kantonalen Behörde, die mit ihrer Einschätzung versehenen Akten an die Bundesbehörde weiterzuleiten; Verletzung des Verbots der Rechtsverweigerung und der Willkür. Unterschiede zwischen dem Verfahren nach Art. 85 Abs. 7 AuG (in casu) und demjenigen nach Art. 83 Abs. 6 AuG (E. 3.4-3.7). Folgen der Verletzung (E. 3.8).

141 II 169 (2C_146/2014) from 30. März 2015
Regeste: Aufsichtsfunktion des Staatssekretariats; Zustimmungsverfahren; Anforderungen an die Gesetzesdelegation; Beschwerderecht; Art. 99 AuG in Verbindung mit Art. 85 VZAE; Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Art. 89 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 111 Abs. 2 BGG. Die Übertragung der Zustimmungsbefugnis für die Erteilung oder Verlängerung einer ausländerrechtlichen Bewilligung an das Staatssekretariat durch den Bundesrat verletzt in den Fällen von Art. 85 Abs. 1 lit. a und b VZAE die Delegationsgrundsätze von Art. 99 AuG. Nach Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung in einem kantonalen Rechtsmittelverfahren kann das Staatssekretariat die Zustimmung gestützt auf die genannten Verordnungsbestimmungen nicht verweigern (E. 4.4); demgegenüber ist dies im Verfahren vor einer erstinstanzlichen Ausländerbehörde wie nach bisheriger Praxis möglich (E. 4.3). Konsequenzen für die Aufsichtstätigkeit des Staatssekretariats; Verhältnis zwischen Zustimmungsverfahren und Behördenbeschwerde (E. 4.4.3 und 4.4.4).

141 III 312 (5A_748/2014) from 21. Mai 2015
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 2, 3 und 7 KRK; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV; Art. 27 Abs. 1 und Art. 32 IPRG; Eintragung ausländischer Entscheidungen und Urkunden in das Zivilstandsregister; Anerkennung eines Leihmutterschaftsurteils. Ein kalifornisches Vaterschaftsurteil, welches das mittels Leihmutterschaft begründete Kindesverhältnis zu eingetragenen Partnern feststellt, kann bei Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes nur mit Bezug zum genetischen Elternteil anerkannt werden (E. 3-8).

141 III 328 (5A_443/2014) from 14. September 2015
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 2, 3 und 7 KRK; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV; Art. 4 FMedG; Art. 27 Abs. 1, Art. 32 und 70 IPRG; Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 252 Abs. 1 ZGB; Art. 7 und 8 ZStV; Anerkennung und Eintragung ausländischer Geburtsurkunden ins Personenstandsregister bei Leihmutterschaft; Ordre public. Eine kalifornische Geburtsurkunde kann nicht anerkannt werden, wenn die verurkundeten Kindesverhältnisse zu genetisch nicht verwandten Eltern in Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes entstanden sind (E. 2-8).

141 IV 77 (1B_330/2014) from 21. November 2014
Regeste: Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Art. 171 Abs. 1 und 2, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2, Art. 248 und 264 Abs. 1 lit. b und c sowie Abs. 3 StPO; Arzt- und Patientengeheimnis, Entsiegelung von ärztlichen Aufzeichnungen und Unterlagen. Wenn der von den Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Arzt selbst beschuldigt ist, bildet sein Berufsgeheimnis zwar kein absolutes gesetzliches Beschlagnahme- und Entsiegelungshindernis. Damit erhobene ärztliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft durchsucht und ausgewertet werden dürfen, müssen sie jedoch zunächst einen engen Sachzusammenhang zum Gegenstand der Strafuntersuchung aufweisen bzw. für den angestrebten Untersuchungszweck unentbehrlich sein. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Strafverfolgungs- und Geheimnisschutzinteressen ist weiter zu berücksichtigen, dass Zwangsmassnahmen, die auch in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, besonders zurückhaltend einzusetzen sind. Bei ärztlichen Aufzeichnungen (insbesondere Krankengeschichten mit Anamnese-, Diagnose- und Therapieverlaufsberichten) fällt ins Gewicht, dass sie regelmässig sehr sensible höchstpersönliche Informationen aus der Intim- und Privatsphäre von Patientinnen und Patienten enthalten, die von Art. 13 BV in besonderem Masse geschützt sind, weshalb nicht pauschal sämtliche vertraulichen Patienteninformationen eines beschuldigten Arztes zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigegeben werden dürfen, solange keine Entbindung vom Arztgeheimnis erfolgt ist. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Verhältnismässigkeit der konkreten Zwangsmassnahmen ist auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall wurde das kantonale Zwangsmassnahmengericht (in teilweiser Gutheissung der Beschwerde des beschuldigten Arztes) angewiesen, eine Triage der sichergestellten ärztlichen Unterlagen vorzunehmen. Bei den für die Strafuntersuchung unentbehrlichen ärztlichen Aufzeichnungen und Gegenständen hat vor einer Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft eine Anonymisierung der Namen von betroffenen Patientinnen und Patienten zu erfolgen (E. 4 und 5).

141 V 642 (9C_715/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Art. 42sexies Abs. 4 IVG; Art. 39g Abs. 2 lit. b Ziff. 2 IVV; Assistenzbeitrag pro Jahr. Für die Mithilfe von Angehörigen im Rahmen der Schadenminderungspflicht ist entscheidend, wie sich eine vernünftige Familiengemeinschaft einrichten würde, sofern keine Versicherungsleistungen zu erwarten wären (E. 4.3.2). Der standardisierte Einbezug der Schadenminderungspflicht gemäss Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV lässt sich so weit und so lange nicht beanstanden, als eine schadenmindernde Mithilfe Angehöriger im Einzelfall objektiv tatsächlich möglich und zumutbar ist (E. 4.3.3).

141 V 674 (8C_137/2015) from 23. September 2015
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und 2 sowie Art. 14 Abs. 1 AVIG; Art. 8 und 14 EMRK; keine Kumulation von Beitragszeiten und beitragsbefreiten Zeiten. Lücken in der Beitragszeit können nicht mit Perioden der Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit aufgefüllt werden (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).

142 I 135 (2C_207/2016) from 2. Mai 2016
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 und Ziff. 4 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 76a und Art. 80a AuG, Art. 83 lit. d Ziff. 1 BGG; Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Anordnung von Administrativhaft durch das SEM; Anspruch auf möglichst rasche richterliche Prüfung der Haft; Haftvoraussetzungen im Dublin-Verfahren. Gegen die Anordnung von Administrativhaft ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auch dann zulässig, wenn die Haft in funktionellem Zusammenhang mit einem Asylverfahren steht und die richterliche Haftprüfung nicht durch eine kantonale Vorinstanz, sondern durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte (E. 1). Verlangt der Betroffene erstmals die richterliche Prüfung der Haftanordnung, hat diese so rasch wie möglich zu erfolgen. Die 8-tägige Frist gemäss Art. 80a Abs. 4 AuG betrifft nicht die erstmalige richterliche Prüfung der Haft, sondern die Beurteilung eines späteren Haftentlassungsgesuchs (E. 3). Allein der Umstand, dass eine Person in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt hat, rechtfertigt eine Haft nicht. Für eine Haftanordnung gestützt auf Art. 76a AuG müssen konkrete Anzeichen einer erheblichen Gefahr des Untertauchens bestehen (E. 4).

142 I 195 (2C_66/2015) from 13. September 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 15 und 36 BV; Art. 8 und 9 EMRK; Art. 35a des Gesundheitsgesetzes des Kantons Neuenburg. Gesetzliche Verpflichtung der staatlich subventionierten gemeinnützigen Einrichtungen, den begleiteten Suizid bei sich zu dulden; Widerstreit zwischen der Freiheit, die Form und den Zeitpunkt des eigenen Lebensendes selbst zu wählen, und der Glaubens- und Gewissensfreiheit; Grundsatz der Rechtsgleichheit. Übersicht über die Gesetzgebung und Rechtsprechung zum begleiteten Suizid und zum Recht auf Selbstbestimmung (E. 3 und 4). In der Interessenabwägung überwiegt die Freiheit der Bewohner und Patienten des betroffenen Pflegeheims, den Zeitpunkt und die Form ihres Lebensendes selbst zu wählen, gegenüber der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Genossenschaft, die Trägerin des Pflegeheims ist (E. 5). Die Zusprechung von Subventionen kann mit geeigneten Bedingungen verbunden werden; demzufolge ist das Gebot der Rechtsgleichheit nicht verletzt, wenn nur die anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen (nicht aber jene, die nicht anerkannt sind) eine externe Unterstützung zum Zweck der begleiteten Suizidhilfe zulassen müssen (E. 6).

142 II 35 (2C_716/2014) from 26. November 2015
Regeste: Art. 24 Anhang I FZA; Art. 16 Abs. 2 FZA; Art. 26 und 27 VRK; Art. 121a BV; Art. 8 EMRK; Verhältnis von Art. 121a BV zum Freizügigkeitsabkommen und seiner bisherigen Auslegung. Auslegungsgrundsätze völkerrechtlicher Verträge; völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz pacta sunt servanda (E. 3.2). Fehlende direkte Anwendbarkeit von Art. 121a BV und Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die sog. Schubert-Praxis im Freizügigkeitsrecht zwischen der Schweiz und der EU keine Anwendung findet (E. 3.2 und 3.3). Verhältnis von Art. 121a BV zur ständigen Auslegungspraxis des FZA (E. 3.3). Keine Anwendung von Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA unter den Umständen des Falles (E. 4); Bestätigung der Rechtsprechung i.S. Zhu und Chen zu Art. 24 Anhang I FZA (E. 5). Voraussetzungen unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 EMRK bei Ersuchen des sorge- oder obhutsberechtigten Elternteils um Bewilligung (einzig) zwecks Erleichterung der Ausübung des Besuchsrechts zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil (E. 6).

142 III 545 (5A_220/2016) from 15. Juli 2016
Regeste: Art. 308 Abs. 2 ZGB; Vaterschaftsbeistandschaft. Weigert sich die unverheiratete Mutter, die Identität des Vaters bekannt zu geben, muss die Kindesschutzbehörde dem Kind im Grundsatz einen Beistand bestellen, um die Zweckmässigkeit einer Feststellung des Kindesverhältnisses zum Vater zu prüfen (E. 2 und 3).

142 V 457 (9C_282/2016) from 12. September 2016
Regeste: Art. 14 Abs. 4, 5 und 6 ELG; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten. Der bundesrechtliche Mindestansatz von Art. 14 Abs. 3 lit. a Ziff. 1 ELG wird nur erhöht für Personen, die Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Invaliden- oder der Unfallversicherung haben resp. hatten, nicht aber für solche, denen eine Hilflosenentschädigung der AHV ausgerichtet wird (E. 3). Bei Versicherten mit einem Einnahmenüberschuss kann dieser an die anerkannten, d.h. an die auf einen allfälligen kantonalrechtlichen Höchstbetrag im Sinne von Art. 14 Abs. 3 bis 5 ELG reduzierten Krankheits- und Behinderungskosten angerechnet werden (E. 4).

143 I 1 (8C_182/2016) from 6. Dezember 2016
Regeste: a Art. 22, Art. 42 Abs. 2, Art. 87, Art. 95 lit. b und Art. 106 Abs. 2 BGG; Art. 34 BGerR; Beschwerde gegen Erlasse. Zuständigkeit der I. sozialrechtlichen Abteilung (E. 1.1). Mangels kantonalen Verfahrens zur abstrakten Normenkontrolle ist die Beschwerde direkt ans Bundesgericht zulässig (E. 1.2). Internationales Recht muss direkt anwendbar sein, damit es vor Bundesgericht angerufen werden kann (E. 1.3). Begründungserfordernisse (E. 1.4). Überprüfungsbefugnis des Verfassungsrichters im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle (E. 2.3).

143 I 21 (2C_27/2016) from 17. November 2016
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 3, 9 und 18 KRK; Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 36 BV; Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 273 Abs. 1, 298a Abs. 1 und 2, 301 Abs. 1bis, 301a ZGB; ausländerrechtlicher Familiennachzug unter dem neuen zivilrechtlichen Sorge- und Betreuungsrecht. Beim nachehelichen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG stehen die Interessen der gemeinsamen Kinder der Eheleute, deren Beziehung gescheitert ist, im Vordergrund und nicht jene von Kindern aus einer den Behörden verschwiegenen Parallelbeziehung (E. 4). Anspruch auf Schutz des Familienlebens bei umgekehrtem Familiennachzug: Interessenabwägung in Bezug auf eine Mutter, welche die Kinder mehrheitlich betreut und über das gemeinsame Sorgerecht mit dem Vater verfügt, dem ein gefestigtes Anwesenheitsrecht zusteht (E. 5). Im konkreten Fall wird der Nachzug verweigert, da der Vater lediglich einen "besuchsrechtsähnlichen" Umgang mit den Kindern pflegt (keine alternierende Obhut), er seinen finanziellen Pflichten diesen gegenüber nicht in einer Weise nachgekommen ist, dass von einer Kompensation der Geld- durch eine entsprechende Naturalleistung gesprochen werden könnte, die Mutter ihrerseits ohne absehbare Aussichten auf Besserung auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist und die Migrationsbehörden im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt getäuscht wurden (E. 6).

143 I 50 (9F_8/2016) from 20. Dezember 2016
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 122 BGG; Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a IVG; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Umsetzung des EGMR-Urteils vom 2. Februar 2016 betreffend das Urteil des Bundesgerichts 9C_49/2008 vom 28. Juli 2008: Die revisionsweise Aufhebung einer Invalidenrente ist EMRK-widrig, wenn allein familiäre Gründe (die Geburt von Kindern und die damit einhergehende Reduktion des Erwerbspensums) für einen Statuswechsel von "vollerwerbstätig" zu "teilerwerbstätig" (mit Aufgabenbereich) sprechen. Der Versicherten ist die laufende Rente weiterhin auszurichten (E. 4).

143 I 60 (9C_604/2016) from 1. Februar 2017
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a IVG; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Wie die revisionsweise Aufhebung der Invalidenrente (dazu BGE 143 I 50 bzw. EGMR-Urteil vom 2. Februar 2016 [7186/09]) ist auch die revisionsweise Rentenherabsetzung EMRK-widrig, wenn allein familiäre Gründe (die Geburt von Kindern und die damit einhergehende Reduktion des Erwerbspensums) für einen Statuswechsel von "vollerwerbstätig" zu "teilerwerbstätig" (mit Aufgabenbereich) sprechen. Der Versicherten ist die laufende Rente weiterhin auszurichten (E. 3.3.4).

143 I 194 (1B_349/2016, 1B_350/2016) from 22. Februar 2017
Regeste: Art. 16, 17, 30 Abs. 3 und 36 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 UNO-Pakt II; Art. 69 und 70 StPO; § 11 Abs. 2 AEV/ZH; Ausschluss der Medien von der Berufungsverhandlung und Urteilseröffnung. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Justizöffentlichkeit gebietet, einen Ausschluss des Publikums und der Medienschaffenden in gerichtlichen Strafverfahren nur sehr restriktiv, mithin bei überwiegenden entgegenstehenden Interessen, zuzulassen (E. 3.1). Zur Wahrung gewichtiger Anliegen des Kinder-, Jugend- oder Opferschutzes kommt eine Zugangsverweigerung nur dann in Frage, wenn sich weniger weitgehende Einschränkungen als zweckuntauglich erweisen; sie ist auf diejenigen Verfahrensabschnitte zu beschränken, in denen schwergewichtig besonders sensible Umstände thematisiert werden, die in der Öffentlichkeit auszubreiten den betroffenen Personen nicht zugemutet werden kann (E. 3.6.1). Im vorliegenden Fall verletzte der vollständige Ausschluss der akkreditierten Gerichtsberichterstatterinnen und -erstatter von der Berufungsverhandlung und mündlichen Urteilsverkündung den Grundsatz der Justizöffentlichkeit und die Medien- und Informationsfreiheit, zumal die Interessen am Schutz der Privatkläger nicht gegen die Interessen der Medienschaffenden an der Informationsbeschaffung bzw. -verbreitung und an einer wirksamen Justizkontrolle aufzukommen vermochten (E. 3.6 und 3.7).

143 I 241 (1B_34/2017) from 18. April 2017
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 14, Art. 32 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 1, 2, 3 und 4 BV; Art. 78 Abs. 1, Art. 80, Art. 81 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 220 Abs. 2, Art. 235 Abs. 1, 2 und 5 sowie Art. 236 Abs. 1 und 4 StPO; Besuchsrecht unter strafprozessual inhaftierten Lebenspartnern. Sachurteilsvoraussetzungen bei Beschwerden in Strafsachen gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend den Vollzug von strafprozessualer Haft (E. 1). Vom Besuchsrecht unter Lebenspartnern tangierte Grundrechte; Sicherheitshaft und vorzeitiger Sanktionsvollzug als strafprozessuale Haftarten; gesetzliche Vorschriften und Praxis zum strafprozessualen Haftvollzugs- und Besuchsrecht. Mangels entgegenstehender gewichtiger öffentlicher Interessen haben auch strafprozessuale Häftlinge das Recht auf angemessenen regelmässigen Kontakt zu ihrer Familie, wozu auch unverheiratete Lebenspartner gehören. Dies gilt besonders nach länger andauernder strafprozessualer Haft und Wegfall von Kollusionsgefahr (E. 3). Besondere Konstellation, wenn zwei strafprozessuale Häftlinge in Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug beantragen, sich gegenseitig besuchen zu dürfen; Verhältnis zwischen den beiden Haftregimes. Im vorliegenden Fall haben die kantonalen Behörden ein angemessenes Besuchsrecht des Beschuldigten in der Haftvollzugsanstalt seiner mitbeschuldigten Lebensgefährtin zu gewährleisten (E. 4).

143 I 292 (1B_115/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 113 Abs. 1 und Art. 280 f. i.V.m. Art. 269 ff. StPO; Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten. Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten von Eltern, die beschuldigt werden, ihren beiden Kleinkindern schwere Körperverletzungen zugefügt und eines davon getötet zu haben. Überwachung als rechtmässig beurteilt. Diese war verhältnismässig und verletzte den Kerngehalt der verfassungsmässigen Rechte der Beschuldigten nicht (E. 2).

143 I 310 (1B_118/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 151 Abs. 2 und Art. 297 Abs. 3 StPO; Art. 13 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Entdeckung der verdeckten Ermittlung durch die Beschuldigte, Schutz der verdeckten Ermittler. Für die sofortige und unwiederbringliche Löschung von Bildaufnahmen der verdeckten Ermittler auf Datenträgern der Beschuldigten bestand eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 3.3). Die Massnahme war jedoch unverhältnismässig. Die Staatsanwaltschaft hätte zumindest Kopien der Aufnahmen sicherstellen und zu den Akten geben müssen (E. 3.4).

143 I 377 (9C_806/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 59 Abs. 5 IVG; Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Zulässigkeit und Verwertbarkeit einer im Invalidenversicherungsverfahren angeordneten Observation. Eine von der IV-Stelle angeordnete Observation entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage und verletzt daher Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (E. 4). Das Beweismaterial, das im Rahmen einer rechtswidrig angeordneten Observation im öffentlich frei einsehbaren Raum gewonnen wurde, ist im Invalidenversicherungsverfahren gestützt auf eine Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen verwertbar. In casu überwiegt das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs den hier relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position der versicherten Person (E. 5).

143 I 437 (2C_1052/2016, 2C_1053/2016) from 26. April 2017
Regeste: Art. 3, Art. 5 Ziff. 1 lit. f, Art. 8 EMRK; Art. 10 Abs. 3, Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 76a, Art. 80a Abs. 5 AuG; Art. 1 Abs. 3, Art. 4 Dublin-Assoziierungsabkommen; Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung. Ein durch das Folterverbot bzw. das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) untersagtes Verhalten kann auch in einer Inhaftierung von Kindern in einer nicht kindergerecht ausgestalteten Umgebung liegen, wodurch sowohl die Rechtsstellung der Kinder wie auch diejenige naher Familienangehöriger tangiert sein kann (E. 2.2 und 2.3). Die getrennte Inhaftierung der Eltern unter Platzierung ihrer älteren drei Kinder in einem Heim ohne Möglichkeit eines telefonischen Kontakts erreicht die Schwelle von Art. 3 EMRK knapp noch nicht (E. 2.4). Frage offengelassen, ob die Ausschaffungshaft der Eltern im Lichte von Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK und die als rechtlicher Freiheitsentzug zu qualifizierende Heimeinweisung der Kinder rechtmässig war (E. 3). Werden Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, die nach innerstaatlichem Recht nicht in ausländerrechtliche Dublin-Haft genommen werden können, im Zusammenhang der Inhaftierung ihrer Eltern in ein Heim eingewiesen, führt die Behörde deren Status als unbegleitete Minderjährige herbei und vereitelt eine Zusammenführung mit nahen Familienangehörigen, wozu sie unter Art. 8 EMRK geradezu verpflichtet wäre. Ein solcher Eingriff in das Familienleben erweist sich unter Berücksichtigung des Kindeswohls nur als verhältnismässig im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK, wenn die Inhaftierung als ultima ratio und nach gründlicher Prüfung weniger einschneidender Massnahmen sowie akribischer Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots angeordnet wird. Fehlende Prüfung weniger einschneidender Massnahmen als einer Inhaftierung im vorliegenden Fall, weshalb Art. 8 EMRK verletzt worden ist (E. 4).

143 II 185 (2C_411/2016 und andere) from 13. Februar 2017
Regeste: Art. 28 Abs. 1 und 3 DBA CH-FR; Art. 3 lit. a StAhiG; internationale Steueramtshilfe; voraussichtliche Erheblichkeit von Informationen zur Überprüfung von Verrechnungspreisen innerhalb einer Konzerngruppe. Zum Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit (E. 3.3.1-3.3.3). Die voraussichtliche Erheblichkeit ist bezüglich Bilanzen und Angaben betreffend die Betriebsstätten und deren Gewinnausscheidung (E. 4.2) sowie die Erfolgsrechnungen (E. 4.3) zu bejahen. Informationen über verbundene Unternehmen, insbesondere die Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften, können sich als relevant erweisen, um Gewinnverschiebungen innerhalb des Konzerns zu überprüfen, die sich wiederum auf die Transferpreispolitik des Konzerns auswirken können. Die ersuchten Informationen über Steuerregime, Steuerfaktoren, die angewandten Steuersätze und die Höhe der in der Schweiz entrichteten Steuern weisen einen Zusammenhang zur Untersuchung der französischen Steuerbehörden auf, weshalb die voraussichtliche Erheblichkeit auch diesbezüglich zu bejahen ist (E. 4.4).

143 III 3 (5A_113/2016) from 27. Oktober 2016
Regeste: Art. 39 Abs. 1 und 2 Ziff. 3, Art. 48 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB; Art. 8 lit. c ZStV; Eintragung des Rufnamens im Personenstandsregister. Im Personenstandsregister werden amtliche Namen beurkundet. Der Rufname ist kein amtlicher Name und wird im Fall, dass eine Person mehrere Vornamen trägt, im Personenstandsregister nicht bezeichnet (E. 3).

143 III 193 (5A_619/2016) from 23. März 2017
Regeste: Art. 5 Abs. 2 HKsÜ; Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 450c ZGB; Art. 30 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 440 ZGB; Art. 29a BV; Art. 13 i.V.m. Art. 8 EMRK und Art. 301a Abs. 2 ZGB; Erlaubnis der Auswanderung des Kindes; Entzug der aufschiebenden Wirkung; Unabhängigkeit der KESB; Rechtsweggarantie; wirksame Beschwerde. Mit der Begründung gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in einem anderen HKsÜ-Staat fällt die schweizerische Entscheidzuständigkeit dahin (E. 2 und 3). Bei Dringlichkeit kann der Beschwerde gegen den die Aufenthaltsverlegung erlaubenden Entscheid die aufschiebende Wirkung entzogen werden (E. 4). Dies verstösst - unabhängig von der Ausgestaltung der KESB als unabhängiges Gericht oder als Verwaltungseinheit (E. 5.1-5.4) - weder gegen die Rechtsweggarantie (E. 5.4-6) noch gegen den Anspruch auf eine wirksame Beschwerde (E. 6). Materielle Beurteilung der Auswanderung (E. 7).

143 III 284 (5A_390/2016) from 17. Mai 2017
Regeste: Art. 32 IPRG; Eintragung einer ausländischen Entscheidung oder Urkunde über eine Geschlechtsumwandlung in die schweizerischen Zivilstandsregister. Die Geschlechtsumwandlung, die durch den Konsul eines ausländischen Staates in der Schweiz ausgesprochen wurde, kann in die schweizerischen Zivilstandsregister nicht eingetragen werden (E. 4 und 5).

143 III 297 (5A_256/2016) from 9. Juni 2017
Regeste: Art. 28 und 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; Persönlichkeitsverletzung durch Mitwirkung an einer Medienkampagne. Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 42 Abs. 2 und Art. 423 OR sowie Art. 85 ZPO; Substanziierung des Gewinnherausgabeanspruchs. Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 49 OR sowie Art. 152, 157 und 168 Abs. 1 lit. f ZPO; Nachweis erlittener seelischer Unbill. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Beteiligung an einer Medienkampagne einer übermässigen Einmischung in die Individualität des Betroffenen gleichkommt und eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung darstellt, die sich auch durch ein öffentliches Informationsinteresse nicht rechtfertigen lässt (E. 6). Zum (Neben-)Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung, der dem Verletzten mit Blick auf die Substanziierung seines (nach Massgabe von Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzenden) Gewinnherausgabeanspruchs zusteht (E. 8). Zur Tauglichkeit von Parteiverhör und Beweisaussage als Beweismittel im Streit um die infolge der Persönlichkeitsverletzung erlittene seelische Unbill (E. 9).

143 III 624 (5A_590/2016) from 12. Oktober 2017
Regeste: Art. 260a Abs. 1 ZGB; Art. 260b Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 296 ZPO; Aktivlegitimation zur Anfechtung einer Kindesanerkennung; Beweisfragen im Abstammungsprozess. Voraussetzungen, unter denen die Heimat- und die Wohnsitzgemeinde des Anerkennenden oder die kantonale Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen auf Anfechtung einer Kindesanerkennung klagen dürfen (E. 3 und 4). Beweis, insbesondere durch DNA-Gutachten, dass der Anerkennende nicht der Vater des Kindes ist. Zulässigkeit und Voraussetzungen einer zwangsweisen Durchsetzung der gerichtlich angeordneten DNA-Begutachtung (E. 5 und 6).

143 IV 387 (1B_75/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2, 197 Abs. 1 lit. a, 248, 282 StPO; Observationen durch Privatdetektive; Verwertbarkeit im Entsiegelungs- und Untersuchungsverfahren. Für systematische private Observationen im Strafprozess besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Frage, ob die insofern rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Entsiegelungsverfahren verwertbar oder bereits im Vorverfahren auszuscheiden sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen. Falls die Beweismittel nicht klarerweise unverwertbar sind, besteht kein Entsiegelungshindernis und ist die abschliessende Prüfung der Verwertbarkeit dem Sachrichter im Endentscheid vorzubehalten (E. 4).

143 V 77 (9C_297/2016) from 7. April 2017
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); Art. 28a IVG; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Im Rahmen einer Anspruchsüberprüfung nach den Schlussbestimmungen der 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket, hat ein rein familiär bedingter Statuswechsel, auch wenn er nicht den Anlass für die Einleitung des Verfahrens zur Rentenüberprüfung bildete, unberücksichtigt zu bleiben, so dass der von der versicherten Person bisher innegehabte Status für die Invaliditätsbemessung beizubehalten ist (E. 3.2.3).

143 V 114 (9C_56/2017) from 23. Mai 2017
Regeste: Art. 13 Abs. 2 ATSG; Art. 6 Abs. 2, Art. 9 Abs. 3 lit. a und b sowie Art. 13 IVG; versicherungsmässige Voraussetzungen in Bezug auf Eingliederungsmassnahmen bei im Ausland invalid geborenen Kindern. Nach Art. 9 Abs. 3 lit. b Satz 2 IVG haben Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen namentlich unter zwanzigjährige ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, wenn sie - nebst anderen versicherungsmässigen Voraussetzungen - selber im Ausland invalid geboren sind und ihre Mutter sich dort unmittelbar vor der Geburt während höchstens zwei Monaten aufgehalten hat (E. 2). Für die Berechnung der zweimonatigen Aufenthaltsdauer ist vom Tag der tatsächlichen Niederkunft zwei Monate zurückzurechnen (E. 4). Das Tatbestandsmerkmal des "sich Aufhaltens" ist im Sinne einer blossen (physischen) Anwesenheit, nicht aber als qualifizierter(er) "gewöhnlicher Aufenthalt" gemäss Art. 13 Abs. 2 ATSG zu verstehen (E. 5).

143 V 130 (9C_711/2016, 9C_716/2016) from 9. Mai 2017
Regeste: Art. 32 KVG; Art. 71b Abs. 2 KVV in der bis zum 28. Februar 2017 gültigen Fassung: SCENESSE® als Arzneimittel (orphan drug) zur Behandlung der Erythropoetischen Protoporphyrie (EPP); nicht in die Spezialitätenliste aufgenommenes und vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) nicht zugelassenes Arzneimittel; Voraussetzungen für dessen Übernahme, insbesondere generelle sowie einzelfallweise Prüfung eines grossen therapeutischen Nutzens. Ein grosser therapeutischer Nutzen von SCENESSE® ist Voraussetzung dafür, dass die Kosten für dieses Arzneimittel, das zwar nicht von Swissmedic, aber von einem Staat mit einem durch Swissmedic als gleichwertig anerkannten Zulassungssystem (hier Deutschland) zugelassen ist, ausserhalb der Spezialitätenliste übernommen werden (E. 11.3.1). Diese Voraussetzung wird im Allgemeinen und für den Einzelfall beurteilt (E. 11.2 am Ende). SCENESSE® weist einen generellen therapeutischen Nutzen auf (E. 11.3.1); die Anerkennung eines einzelfallbezogenen Nutzens setzt weitere Abklärungen voraus (E. 11.3.2 und 11.3.3), hier in Gestalt eines ärztlichen Gerichtsgutachtens (E. 11.4).

144 I 21 (9C_752/2016) from 6. September 2017
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a IVG; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Die revisionsweise Aufhebung oder Herabsetzung einer Invalidenrente ist auch dann EMRK-widrig, wenn allein familiäre Gründe (hier: die Aufnahme einer Teilerwerbstätigkeit zufolge abnehmenden Betreuungsaufwandes) für einen Statuswechsel von "nichterwerbstätig" zu "teilerwerbstätig" (mit Aufgabenbereich) sprechen. Der Versicherten ist die laufende Rente weiterhin auszurichten (E. 4.3-4.7).

144 I 28 (8C_429/2017) from 20. Dezember 2017
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a Abs. 2 IVG; Art. 27 IVV; spezifische Methode der Invaliditätsbemessung. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Di Trizio gegen die Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) und die im Anschluss dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten ausschliesslich bei Anwendung der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung und nicht analog auch bei der spezifischen Methode (Betätigungsvergleich). Der Verlust einer Invalidenrente zufolge familiär bedingten Statuswechsels hin zur Nichterwerbstätigkeit und daraus resultierender Anwendbarkeit der spezifischen Methode der Invaliditätsbemessung ist mit Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK vereinbar (E. 4.5 und 4.6).

144 I 91 (2C_821/2016) from 2. Februar 2018
Regeste: Art. 2 Abs. 1 AuG, Art. 8 EMRK, Art. 3 KRK; Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung; ausländischer Elternteil, der weder über das Sorgerecht noch über die Obhut eines minderjährigen Kindes mit gefestigtem Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügt, aber bereits im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf eine nachträglich aufgelöste Ehe mit einem Schweizer Bürger bzw. einer Schweizer Bürgerin oder einer niederlassungsberechtigten Person war (Zusammenfassung der Rechtsprechung). Tragweite von Art. 8 EMRK (Schutz des Familienlebens) im Ausländerrecht (E. 4). Es ist zur Wahrnehmung des Besuchsrechts grundsätzlich nicht erforderlich, dass der ausländische Elternteil über ein dauerndes Aufenthaltsrecht in der Schweiz verfügt (E. 5.1). Anforderungen an die affektive und wirtschaftliche Bindung, die geographische Distanz und das tadellose Verhalten, welche unter Umständen eine grosszügigere Behandlung rechtfertigen; Definitionen, Verhältnis der verschiedenen Aspekte zueinander und Bedeutung des Zeitablaufs (E. 5.2). Im vorliegenden Fall besteht ein geschütztes Familienleben, sodass die Verweigerung der Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung einen Eingriff in den Schutzbereich des Familienlebens bildet (E. 6.1). Überprüfung der gesamthaft vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK; Rückweisung zu neuem Entscheid: Indem die Vorinstanz den Naturalleistungen keine Rechnung trug und davon ausging, dass die strafrechtliche Verurteilung die Erneuerung der Bewilligung notwendigerweise auschliesse, hat sie die relevanten Interessen nicht umfassend geprüft sowie dem Zeitablauf und der Intensivierung der wirtschaftlichen Bindungen, sollten sich diese bestätigen, zu wenig Rechnung getragen (E. 6.2).

144 I 103 (9C_358/2017) from 2. Mai 2018
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 17 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 2 ATSG; Art. 28a Abs. 3 IVG; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung im Rahmen einer Wiedererwägung (Motivsubstitution). Fällt eine revisionsweise Rentenherabsetzung oder -aufhebung nach der Rechtsprechung Di Trizio (vgl. BGE 143 I 50) ausser Betracht und sind die Voraussetzungen für eine wiedererwägungsweise Prüfung der ursprünglichen Rentenzusprache gegeben, darf auch in deren Rahmen der allein familiär bedingte Statuswechsel von "vollerwerbstätig" zu "teilerwerbstätig" (mit Aufgabenbereich) nicht berücksichtigt werden (E. 4.5). Der Invaliditätsgrad ist diesfalls anhand der bisherigen Bemessungsmethode festzusetzen, das heisst mittels Einkommensvergleichs (E. 4.6).

144 I 126 (1C_598/2016) from 2. März 2018
Regeste: Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation. Streitgegenstand bildet die verwaltungsrechtliche Frage, ob die Speicherung und Aufbewahrung von mit dem Fernmeldeverkehr verbundenen Randdaten konform mit der Verfassung bzw. der EMRK sind (E. 2.2). Art. 15 Abs. 3 des bis zum 28. Februar 2018 geltenden Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (aBÜPF) verpflichtete die Fernmeldedienstanbieter - gleich wie das heute geltende BÜPF -, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten ihrer Kunden zu speichern und während sechs Monaten aufzubewahren (E. 3). Die Speicherung und die Aufbewahrung von Randdaten stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Achtung des Privatlebens, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 4). Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings zu relativieren: Die gespeicherten Daten betreffen nicht den Inhalt der Kommunikation und werden von den Fernmeldeunternehmen weder gesichtet noch miteinander verknüpft; für einen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden müssen die qualifizierten gesetzlichen Voraussetzungen der Strafprozessordnung erfüllt sein (E. 5). Art. 15 Abs. 3 aBÜPF bildete für die Randdatenspeicherung eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 6). Die Randdatenspeicherung und -aufbewahrung dient namentlich der Aufklärung von Straftaten; damit liegt ein gewichtiges öffentliches Interesse vor (E. 7). Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sehen wirksame und angemessene Garantien zum Schutz vor Missbrauch und behördlicher Willkür vor. Unter diesen Rahmenbedingungen ist auch die sechsmonatige Aufbewahrungsdauer verhältnismässig (E. 8).

144 I 266 (2C_105/2017) from 8. Mai 2018
Regeste: Art. 50 AuG; Art. 8 EMRK. Konkubinat; Anspruch auf ausländerrechtliche Bewilligung gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Ansprüche nach Art. 50 Abs. 1 AuG sind dem ausländischen (ehemaligen) Konkubinatspartner nicht zugänglich (E. 2). Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Aufenthaltsrecht gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens ausserhalb des kombinierten Schutzbereichs von Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3.5-3.7). Die Trennung zwischen Schutzbereich und Eingriff erscheint künstlich, da für beide Fragen die gleichen Kriterien (Aufenthaltsdauer und Integration) herangezogen werden (E. 3.8). Nach einer rechtmässigen Anwesenheit von zehn Jahren bedarf die Beendigung des Aufenthalts besonderer Gründe, da nach dieser Zeitspanne regelmässig eine gute Integration vorausgesetzt werden kann. Bei ausgeprägter Integration kann ein Anspruch gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK vor Ablauf dieser Dauer bejaht werden (E. 3.9). Die Zumutbarkeit der Rückkehr ist für sich genommen kein Grund, das Aufenthaltsrecht zu entziehen, ebenso wenig das öffentliche Interesse an einer Steuerung der Zuwanderung (E. 4.3).

144 I 281 (1C_211/2016, 1C_212/2016) from 20. September 2018
Regeste: Art. 13 Abs. 2, 16, 22, 27, 49 Abs. 1 BV; Kanton Tessin; Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Die Tessiner Gesetze über die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum und über die öffentliche Ordnung sehen eine abschliessende Liste mit Ausnahmen zum Gesichtsverhüllungsverbot vor. Politische, gewerbliche oder Werbeveranstaltungen kommen auf dieser Liste nicht vor (E. 3.4). Im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 117 Ia 472) erscheint das so formulierte Verbot unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Wirtschaftsfreiheit als unverhältnismässig (E. 5.3 und 7). Um es mit diesen Grundrechten vereinbar zu machen, wird der Grosse Rat die Gesetze ergänzen und zusätzliche Ausnahmen für die betreffenden Veranstaltungen vorsehen müssen (E. 5.4.3- 5.5 und 7.4). Das im Gesetz über die öffentliche Ordnung vorgesehene Gesichtsverhüllungsverbot verstösst weder gegen den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (E. 4) noch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (E. 6). Die Vereinbarkeit der neuen Bestimmungen mit der Religionsfreiheit wurde nicht bestritten und daher vom Bundesgericht nicht geprüft (E. 3).

144 I 340 (2C_287/2018) from 21. September 2018
Regeste: Art. 56 VwVG; Art. 98 BGG; Art. 86 Abs. 2-5 MWSTG; Art. 6 Ziff. 1, 8 Ziff. 1, 13 und 14 EMRK. Es ist mit der EMRK vereinbar, dass über den einspracheweise festgesetzten provisorisch geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag keine verwaltungsunabhängige Instanz entscheiden kann. Unterscheidung zwischen definitiver Steuerforderung und bloss provisorisch geschuldetem Steuerbetrag. Dieser wird gemäss Art. 86 Abs. 2 MWSTG in einem präliminaren Verfahren sui generis erhoben und stellt eine vorsorgliche Massnahme dar. Der Einspracheentscheid der ESTV hierüber unterliegt grundsätzlich keinem Rechtsmittel (E. 2.2). Abgaberechtliche Verpflichtungen sind, vorbehältlich des Steuerstrafrechts, von Art. 6 EMRK ausgenommen. Folglich gilt auch deren Vollstreckung nicht als zivilrechtlicher Anspruch im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sodass kein konventionsrechtliches Recht auf Zugang zu einem Gericht besteht. Dies trifft auch auf Art. 86 Abs. 2 MWSTG zu, zumal es sich dabei um eine (die Hauptsache nicht präjudizierende) vorsorgliche Massnahme handelt (E. 3.3). Akzessorische Natur des Anspruchs auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK; E. 3.4) und des Diskriminierungsverbots (Art. 14 i.V.m. Art. 8 Ziff. 1 EMRK). Mangels hinreichender Rügen keine Prüfung von Art. 86 MWSTG unter diesen Gesichtspunkten (E. 3.5).

144 II 1 (2C_222/2017) from 29. November 2017
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 2 FZA, Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA, Art. 12 KRK, Art. 11 BV und Art. 50 AuG; keine Aufenthaltsbewilligung für eine drittstaatsangehörige Ehefrau (mit Tochter) nach Auflösung der Ehegemeinschaft mit einem EU-Angehörigen, der kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz (mehr) hat. Rechtsansprüche auf Aufenthaltsbewilligung für die Ehefrau eines EU-Angehörigen und ihr Kind (E. 2). Auf Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA können sich Frau und Tochter wegen des Getrenntlebens vom Ehemann nicht berufen, ebenso wenig auf Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA, weil die Tochter nicht das Kind eines Staatsangehörigen einer Vertragspartei ist (E. 3). Im Lichte des Diskriminierungsverbots von Art. 2 FZA rechtfertigt es sich zwar, ehemalige Ehegatten von EU-Angehörigen gleich zu behandeln wie die ehemaligen Ehegatten von Schweizer Bürgern, d.h., Art. 50 AuG auch dann anzuwenden, wenn der Ex-Ehegatte nur eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und nicht eine Niederlassungsbewilligung besass. Indessen ist der Anwendungsbereich von Art. 2 FZA abhängig von einem Aufenthaltsanspruch des EU-angehörigen Ex-Ehegatten; hat dieser - wie hier - kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz (mehr), entfällt auch das Diskriminierungsverbot für die Regelung seiner familiären Beziehungen (E. 4). Art. 11 BV vermittelt keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (E. 5), und im konkret beurteilten Fall ergeben sich auch keine solchen aus Art. 8 EMRK; Art. 12 KRK ist nicht verletzt (E. 6).

144 III 1 (5A_332/2017) from 18. Dezember 2017
Regeste: Art. 28, 252 und 256 ZGB; Art. 8 EMRK; Frage des Anspruches auf Kenntnis seiner Nachkommen. Der Ehemann der gebärenden Mutter ist ex lege rechtlicher Vater des Kindes (E. 4.1). Der Dritterzeuger des Kindes ist weder zur Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes noch zur eigenen Anerkennungserklärung befugt (E. 4.2). Aus der betreffenden Gesetzeslage resultiert keine Persönlichkeitsverletzung (E. 4.4.1), ebenso wenig aus der unterlassenen Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann (E. 4.4.2). Anspruch auf Kenntnis seiner Deszendenten (E. 4.4.3)?

144 IV 332 (6B_209/2018) from 23. November 2018
Regeste: Art. 66a Abs. 2 StGB; Landesverweisung, Härtefallklausel, Berücksichtigung der besonderen Situation von Ausländern, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind. Das Gericht muss bei der Ausübung seines ihm durch Art. 66a Abs. 2 StGB übertragenen Ermessens die Verfassungsprinzipien respektieren. Sind die Voraussetzungen der Härtefallklausel erfüllt, verlangt das in Art. 5 Abs. 2 BV verankerte Verhältnismässigkeitsprinzip, von einer Landesverweisung abzusehen. Das Gesetz definiert jedoch nicht, was unter einem persönlichen Härtefall zu verstehen ist, noch bezeichnet es die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien. Zur Bestimmung des Härtefalls rechtfertigt sich grundsätzlich eine Orientierung an den Kriterien zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bei Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls (vgl. Art. 31 VZAE). Zur Beurteilung der Situation von in der Schweiz geborenen oder aufgewachsenen Ausländern sind die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines Ausländers der zweiten Generation zu berücksichtigen, unter Beachtung der mit der Einführung der Art. 121 Abs. 3-6 BV sowie Art. 66a ff. StGB beabsichtigten Verschärfung der bestehenden Ordnung (E. 3).

144 V 50 (8C_409/2017) from 21. März 2018
Regeste: Lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); Aufhebung einer Invalidenrente. Anwendungsbeispiel für die Indikatorenprüfung nach BGE 141 V 281 auf der Grundlage eines Gutachtens, das bereits nach den Vorgaben von BGE 141 V 281 erstellt wurde (E. 3-6).

144 V 319 (9C_904/2017, 9C_905/2017) from 5. September 2018
Regeste: Art. 21 IVG; Art. 2 Abs. 1 HVI; Ziff. 14.01 und 14.04 Anhang HVI; Anspruch auf Hilfsmittel. Anspruch auf eine WC-Dusch- und Trockenanlage besteht auch, wenn zu deren Benutzung Assistenz notwendig ist (E. 3.5). Auch im Rahmen der Austauschbefugnis müssen die eindeutig und einzeln umschriebenen baulichen Anpassungen funktionell einer Ziffer des Anhangs HVI zugeordnet werden können; massgeblich sind die konkreten Verhältnisse im realisierten Bauprojekt (E. 4.4). Der schwellenlose Zugang zur Terrasse, die an das Wohnzimmer anschliesst, kann unter Ziff. 14.04 Anhang HVI fallen (E. 4.6).

145 I 73 (1C_188/2018) from 13. Februar 2019
Regeste: Art. 4 und 5 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, Art. 17 und 27 UNO-Pakt II, Art. 2 FZA, Art. 6 und 8 EMRK, Art. 8, 9, 13, 24, 26, 27, 29, 29a und 30 BV; abstrakte Kontrolle des Neuenburger Gesetzes über Lagerplätze fahrender Gemeinschaften (LSCN). Konventions- und verfassungsrechtlicher Rahmen zum Schutz fahrender Gemeinschaften (E. 4). Das LSCN begründet keine Ungleichbehandlung zwischen den fahrenden Gemeinschaften und der sesshaften Bevölkerung (E. 5.2); es verletzt das Diskriminierungsverbot nicht, indem es Plätze für den Aufenthalt und die Durchreise von "schweizerischen fahrenden Gemeinschaften" und Plätze für die Durchreise von "anderen fahrenden Gemeinschaften" vorsieht (E. 5.3). Das LSCN ist sowohl mit der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) als auch mit der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) vereinbar (E. 6). Die Räumung eines rechtswidrigen Lagers - vorgesehen in den Art. 24 bis 28 LSCN - verletzt weder den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) noch die Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) noch die Allgemeinen Verfahrensgarantien (Art. 29 BV) noch die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) noch die gerichtlichen Verfahrensgarantien (Art. 30 BV) (E. 7).

145 I 318 (1B_146/2019) from 20. Mai 2019
Regeste: Art. 10 Abs. 2, 13, 36 BV, 8 EMRK, 235, 236 StPO, 74, 84 StGB und 89 des Waadtländer Reglements über die Stellung verurteilter Personen im Straf- oder Massnahmenvollzug (RSPC); Kontrolle der - ein- und ausgehenden - Post eines dem ordentlichen Vollzugsregime unterstehenden Beschuldigten im vorzeitigen Strafvollzug. Für die Personen im vorzeitigen Strafvollzug, die dem ordentlichen Vollzugsregime unterstehen (Art. 235 Abs. 2 und 3 sowie Art. 236 Abs. 4 StPO), stellt die systematische Öffnung ihrer - ein- und ausgehenden - Briefe und die Kenntnisnahme deren Inhalts (Art. 89 Abs. 3 und 5 RSPC) einen Eingriff in ihr Recht auf Achtung der Vertraulichkeit der Korrespondenz dar. Diese Kontrollmassnahme, die auf einer genügenden Grundlage in einem Reglement beruht, bezweckt vor allem die Wahrung eines öffentlichen Interesses, d.h. das gute Funktionieren der Strafanstalt insbesondere in sicherheitsmässiger Hinsicht, welche Notwendigkeit auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die herrschende Lehre anerkennen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit wird ebenfalls gewahrt, da sich die allgemeine Kontrolle auf die Öffnung der Briefe beschränkt, die keinen Schutz nach Art. 89 Abs. 4 RSPC geniessen, also namentlich nicht den Verkehr des Gefangenen mit einem Anwalt sowie den Aufsichts- oder Strafbehörden betreffen. Dieses Vorgehen erlaubt auch die Gleichbehandlung sämtlicher Gefangener. Schliesslich muss jede allfällige Zensur dem Gefangenen mitgeteilt werden (Art. 89 Abs. 6 RSPC). Die in Art. 89 Abs. 3 und 5 RSPC vorgesehene systematische Kontrolle des Briefverkehrs verletzt damit kein Konventions-, Verfassungs- oder Bundesrecht (E. 2).

145 II 105 (2C_409/2018) from 23. Januar 2019
Regeste: Art. 47 Abs. 1 und 3 lit. b AIG; Art. 51 AsylG; Art. 73 VZAE; Flüchtling mit Asyl; Familiennachzug; Auswirkungen eines Gesuchs um Familienasyl nach Art. 51 AsylG auf Art. 47 AIG. Die Fristen nach Art. 47 AIG sind eingehalten, wenn das erste erfolglose Gesuch gestützt auf Art. 51 AsylG innert dieser Fristen gestellt wurde und das zweite ebenfalls innerhalb dieser Fristen. Das für das zweite Gesuch massgebende Element, das die Fristen wieder aufleben lässt, ist das Inkrafttreten der abweisenden Entscheidung des Familienasyl nach dem AsylG (E. 3).

145 IV 161 (6B_344/2019) from 6. Mai 2019
Regeste: Andere Verfahrensbeteiligte und Beschwerdelegitimation; Familienmitglieder der beschuldigten Person, gegen die eine Landesverweisung ausgesprochen wurde. Wird gegen eine beschuldigte Person eine Landesverweisung ausgesprochen, sind deren Familienmitglieder - im vorliegenden Fall die Lebensgefährtin und ihr Kind - davon höchstens indirekt betroffen. Die Familienmitglieder gelten daher nicht als andere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 105 Abs. 2 StPO. Sie haben kein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung der Landesverweisung - im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO - und können dagegen somit kein Rechtsmittel ergreifen. Ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK wird zumindest indirekt im Rahmen der Entscheidung über die Landesverweisung berücksichtigt (E. 3).

145 IV 263 (1B_17/2019) from 24. April 2019
Regeste: Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten. Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2 sowie Art. 36 BV; Art. 197 Abs. 1, Art. 255 Abs. 1 lit. a und Art. 259 StPO; Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 16 DNA-Profil-Gesetz. Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO bildet (auch) eine gesetzliche Grundlage für die Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.3). Die Verhältnismässigkeit der Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten setzt insbesondere erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass die beschuldigte Person in solche Delikte verwickelt sein könnte, wobei diese von einer gewissen Schwere sein müssen. Ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 StPO kann und muss insoweit nicht bestehen. Er ist jedoch erforderlich hinsichtlich der Tat, die Anlass zur Probenahme oder Profilerstellung gibt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4).

145 IV 491 (6B_1326/2018) from 16. Oktober 2019
Regeste: Art. 86 Abs. 1 EBG; Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 115 Abs. 1 StPO; Betreten des Bahnbetriebsgebiets ohne Erlaubnis, Legitimation der SBB AG zur Berufung gegen ein freisprechendes Strafurteil. Werden durch Straftaten nur öffentliche Interessen verletzt und private Interessen bloss mittelbar beeinträchtigt, ist die mittelbar beeinträchtigte Person nicht Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO (E. 2.3.3). Die Rechtsmittelberechtigung im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO entscheidet sich nach der Rechtsgutsqualifizierung (E. 2.4.1 und 2.4.2). Die SBB AG kann im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO grundsätzlich durch ihre Bevollmächtigten ein Rechtsmittel ergreifen; die Berechtigung im Sinne der Sachurteilsvoraussetzung steht ihr aber einzig unter den Bedingungen von Art. 115 StPO zu (E. 2.4.7). Art. 86 Abs. 1 EBG dient der Sicherheit des Bahnbetriebs auf dem Bahnbetriebsgebiet und damit öffentlichen Interessen. Die SBB AG ist in casu nicht als Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO anzuerkennen (E. 2.4.13).

146 I 20 (2C_1005/2018) from 22. August 2019
Regeste: Art. 8 EMRK und Art. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (ZP 1 EMRK); Art. 13 Abs. 1, 19 und 62 Abs. 2 BV; § 135 des Schulgesetzes vom 4. April 1929 des Kantons Basel-Stadt (Schulgesetz/BS); häuslicher Privatunterricht (Homeschooling); Vereinbarkeit von § 135 Schulgesetz/BS mit dem Bundesrecht. Rechtsgrundlagen des häuslichen Privatunterrichts im Kanton Basel-Stadt (E. 3). Art. 19 i.V.m. Art. 62 Abs. 2 BV gewährt keinen Anspruch auf privaten Einzelunterricht (E. 4; Bestätigung der Rechtsprechung). Das Erziehungsrecht der Eltern fällt zwar in den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 BV und 8 Ziff. 1 EMRK, es steht jedoch unter Vorbehalt des kantonalen Schulrechts und des Kindeswohls (E. 5.1 und 5.2). Ein Anspruch auf häuslichen Privatunterricht ergibt sich weder aus Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 2 ZP 1 EMRK noch aus einem anderen Staatsvertrag. Es besteht derzeit kein Anlass, einen solchen Anspruch gestützt auf Art. 13 Abs. 1 BV anzuerkennen. Folglich verstossen selbst sehr restriktive Regelungen des häuslichen Privatunterrichts wie jene des Kantons Basel-Stadt nicht gegen den verfassungsmässigen Anspruch auf Schutz des Privat- und Familienlebens. Es ist Sache der Kantone, unter Beachtung von Art. 19 und 62 Abs. 2 BV zu regeln, ob und in welchem Umfang Homeschooling zugelassen werden soll (E. 5.3-5.5).

146 I 145 (1C_37/2019) from 5. Mai 2020
Regeste: Art. 25a VwVG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Gesuch um Erlass einer Verfügung über Realakte im Zusammenhang mit dem Klimaschutz; Zulässigkeit des Nichteintretens der Gesuchsadressaten. Der Begriff der Handlungen im Sinne von Art. 25a VwVG ist weit auszulegen und umfasst neben individuell-konkreten Realakten grundsätzlich auch generell-abstrakte (E. 4.2). Über den Gesetzeswortlaut hinaus kann auch behördliches Unterlassen gerügt werden (E. 4.1). Trotz des weiten Begriffsverständnisses kann sich die Frage stellen, ob - wie im vorliegenden Fall - gestützt auf Art. 25a VwVG eine Reihe von staatlichen Massnahmen zu einer bestimmten Problematik gefordert werden kann. Anträge auf eine bestimmte Gestaltung aktueller Politikbereiche sind nach dem schweizerischen Verfassungsrecht grundsätzlich auf dem Weg der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten einzubringen (E. 4.3). Das Berührtsein in Rechten gemäss Art. 25a VwVG setzt voraus, dass die gesuchstellende Person mit einer gewissen Intensität in der persönlichen Rechtssphäre betroffen ist (E. 4.1 und 4.4). Die Beschwerdeführerinnen sind - wie die restliche Bevölkerung auch - durch die gerügten Unterlassungen nicht mit hinreichender Intensität in den angerufenen (Grund-)Rechten betroffen. Ihr Begehren ist als Popularbeschwerde zu beurteilen und nach Art. 25a VwVG, der einzig den Individualrechtsschutz gewährleistet, unzulässig (E. 5). Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK muss die Rechtsauffassung, dass der strittige Anspruch nach innerstaatlichem Recht besteht, zumindest vertretbar ("arguable") sein (E. 6.1). Dies ist vorliegend nicht der Fall (E. 6.2).

146 I 157 (2C_572/2019) from 11. März 2020
Regeste: Art. 13, 26, 27 BV; Art. 8 EMRK; Art. 3 SRVG; Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen; Verordnung über die Sperrung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Ukraine (V-Ukraine); Ablehnung der Streichung eines Namens von der Liste der mit der Verordnung anvisierten Personen; Aufhebung der Sperrung; Verhältnismässigkeit der Massnahme. Die Ablehnung der Streichung des Beschwerdeführers von der Liste der durch die V-Ukraine anvisierten Personen, was die Einfrierung seines gesamten Vermögens in der Schweiz zur Folge hat, steht im Einklang mit den rechtlichen Voraussetzungen und Anforderungen von Art. 3 Abs. 2 und 3 SRVG (E. 4). Der Umstand der Streichung des Betroffenen im Ausland aufgrund anderer Regelungen entkräftet weder den Verdacht der Unrechtmässigkeit des Erwerbs des blockierten Vermögens (E. 4.2), noch bedeutet er eine mangelhafte internationale Abstimmung (E. 4.3). Die Vermögenssperre liegt ausserdem im öffentlichen Interesse und bleibt vorliegend verhältnismässig, selbst wenn sie eine strafrechtliche Beschlagnahme überlagert (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5).

146 IV 105 (6B_690/2019) from 4. Dezember 2019
Regeste: Art. 66a Abs. 2 StGB, Art. 8 EMRK; Landesverweis, Härtefallprüfung bei in der Schweiz geborenen oder aufgewachsenen Ausländern, Vereinbarkeit mit dem Konventionsrecht. Ob ein Härtefall vorliegt, bestimmt sich weder anhand von starren Altersvorgaben, noch führt eine bestimmte Anwesenheitsdauer automatisch zur Annahme eines Härtefalls. Die Härtefallprüfung ist in jedem Fall anhand der gängigen Integrationskriterien vorzunehmen. Der besonderen Situation von in der Schweiz geborenen oder aufgewachsenen Ausländern wird dabei Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration, in aller Regel als starke Indizien für ein gewichtiges Interesse an einem Verbleib in der Schweiz und damit für das Vorliegen eines Härtefalls zu werten sind. Bei der anschliessenden Interessenabwägung ist der betroffenen Person mit zunehmender Anwesenheitsdauer ein gewichtigeres privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz zuzubilligen (E. 3.4). Härtefall bei einem chilenischen Staatsangehörigen verneint, der im Alter von 13 Jahren in die Schweiz kam (E. 3.5). Prüfung der Vereinbarkeit der Landesverweisung mit den Garantien von Art. 8 EMRK (E. 4).

146 IV 267 (6B_40/2020) from 17. August 2020
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 EMRK; Art. 11 BV; Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 KRK; Art. 372 Abs. 1 und 3 StGB; Art. 439 Abs. 2 StPO; Strafvollzug, Vollzugsbefehl, Kindeswohl. Der Strafvollzug ist die zwingende gesetzliche Rechtsfolge der Straftat (E. 3.2.1). Die Trennung der Mutter von ihrem Kind ist eine zwangsläufige, unmittelbar gesetzmässige Folge des Vollzugs der Freiheitsstrafe und der damit verbundenen Nebenfolgen (E. 3.2.2). Das StGB und das kantonale Konkordatsrecht kennen zahlreiche Vollzugsformen für Freiheitsstrafen (E. 3.2.4). Weder die Bestimmungen der BV noch jene der KRK und der anderen menschenrechtlichen Übereinkommen hindern den Vollzug der gesetzmässigen Freiheitsstrafe. Der verurteilte Elternteil ist nicht berechtigt, gegen die Vollzugsverfügung Rechte der Kinder in eigenem Namen geltend zu machen (E. 3.3.3). Soweit die verurteilte Person nicht selber eine Betreuung ihrer Kinder organisiert, wird dies Aufgabe der Kindesschutzbehörde (KESB) sein. Das ist keine Frage des Vollzugsrechts (E. 3.4.3).

146 V 210 (8C_435/2019) from 11. Februar 2020
Regeste: Art. 8 Abs. 2 und 3 BV; Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15 AVIG; Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG. Bei einer schwangeren Frau, die sich auf unbefristete Stellen bewirbt, kann für die Frage der Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich nicht nur der Zeitraum bis zum Geburtstermin betrachtet werden. Die Vermittlungsfähigkeit kann nicht generell unter Hinweis auf die zu geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitgeber die Versicherte siebeneinhalb Wochen vor der Geburt anstellen würde, verneint werden. Damit würde den in Frage kommenden Arbeitgebern eine diskriminierende Haltung unterstellt, die als gesetzwidriges Verhalten nicht zur Begründung beigezogen werden darf (E. 5.1 und 5.2).

146 V 378 (9C_737/2019) from 22. Juni 2020
Regeste: Art. 8 und Art. 14 EMRK; Art. 8 Abs. 3 und Art. 190 BV; Art. 8 Abs. 1 und Art. 16b-h EOG; kein Anspruch auf Betriebszulagen bei Mutterschaft. Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers besteht bei Mutterschaft selbständig erwerbender Frauen, anders als bei selbständig erwerbenden Dienstleistenden, kein Anspruch auf Betriebszulagen zusätzlich zur Mutterschaftsentschädigung (E. 3). Mangels vergleichbarer Sachverhalte innerhalb des Schutzbereichs einer Konventionsgarantie ist Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK nicht anwendbar und liegt keine verpönte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor (E. 4).

147 I 103 (1C_181/2019) from 29. April 2020
Regeste: a Art. 10 und 22 BV; Art. 11 EMRK; Art. 84 Abs. 1 PolG/BE; Unverhältnismässigkeit der Verbindung der Wegweisungs- und Fernhaltungsmassnahmen mit einer Strafdrohung nach Art. 292 StGB. Die automatische Verbindung zwischen den Wegweisungs- und Fernhaltungsmassnahmen mit der Strafdrohung nach Art. 292 StGB ist weder erforderlich noch verhältnismässig im engeren Sinne (E. 10.4).

147 I 149 (2C_1026/2019) from 16. Juli 2020
Regeste: Art. 12 KRK; Art. 8 EMRK; persönliches Anhörungsrecht des Kindes; umgekehrter Familiennachzug. Grundsätzlich besteht kein persönliches Anhörungsrecht, namentlich bei gleichläufigen Interessen mit dem betroffenen Elternteil. Hier war aber nicht klar, ob die Interessen gleich- oder gegenläufig waren. Das Kind muss befragt werden (E. 3). Die Voraussetzungen für den umgekehrten Familiennachzug (BGE 144 I 91) müssen gerichtlich abgeklärt werden. Namentlich zur Abklärung des bisher persönlich ausgeübten Kontaktes ist die Befragung des Sohnes zweckdienlich. Auch aus diesem Grund Rückweisung zu neuem Entscheid (E. 4).

147 I 268 (2C_175/2020) from 24. November 2020
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 8 EMRK; prekärer Aufenthalt; Umwandlung des Status der vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung im Lichte des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestützt auf einen potenziellen konventionsrechtlichen Anspruch auf Regularisierung der Anwesenheit in der Schweiz bejaht (E. 1). Frage des Vorliegens eines Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK aufgrund der Nachteile des Status der vorläufigen Aufnahme im Vergleich zur Aufenthaltsbewilligung offengelassen (E. 4). Die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung hält den Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK stand, womit ein allfälliger Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens gerechtfertigt ist (E. 5).

147 I 280 (1C_377/2019) from 1. Dezember 2020
Regeste: Unterlassungs- und Feststellungsgesuche betreffend Funk- und Kabelaufklärung (Art. 38 ff. NDG); Anspruch auf materielle Beurteilung der Gesuche (Art. 25 Abs. 1 DSG; Art. 13 EMRK). Bei der Funk- und Kabelaufklärung werden Personendaten bearbeitet, unabhängig davon, ob Informationen durch den NDB gespeichert werden (E. 6.1). Die Beschwerdeführenden sind potenziell in gleicher Weise von der Funk- und Kabelaufklärung betroffen wie alle Kommunikationsteilnehmer (E. 6.2.2). Speziell betroffen sind Medienschaffende sowie Anwälte und Anwältinnen (E. 6.2.3). Das Recht auf wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK kann bei geheimen Überwachungsmassnahmen eingeschränkt oder aufgeschoben werden, wenn überwiegende Geheimhaltungsinteressen dies rechtfertigen und das System insgesamt mit Art. 8 EMRK vereinbar ist (E. 7.1). Dies muss von einer unabhängigen Instanz innerstaatlich überprüft werden können (E. 7.2). Für die "Opferstellung" i.S.v. Art. 34 EMRK genügt nach der EGMR-Rechtsprechung die hinreichende Wahrscheinlichkeit, einer geheimen Überwachung ausgesetzt zu sein, wenn es nicht möglich oder zumutbar ist, Beschwerde gegen konkrete Überwachungsmassnahmen zu ergreifen (E. 7.2.2). Die Beschwerdeführenden werden durch die Funk- und Kabelaufklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 8 EMRK und Art. 13 BV) tangiert (E. 8). Sie haben keine Möglichkeit, Kenntnis von sie betreffenden Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung zu erhalten (E. 9.2) und sind daher darauf angewiesen, das System der Funk- und Kabelaufklärung in der Schweiz auf seine Verfassungs- und EMRK-Konformität überprüfen zu lassen. Dies stellt keine abstrakte Normenkontrolle dar: Gegenstand der Prüfung ist nicht das Gesetz als solches, sondern die (vermutete) Erfassung von Daten der Beschwerdeführenden (E. 9.3). Auf die Gesuche ist daher grundsätzlich nach Art. 25 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 13 EMRK einzutreten (E. 9.4).

147 II 13 (2C_537/2019) from 13. Juli 2020
Regeste: aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US; Art. 84a BGG; Steueramtshilfe; personelles Spezialitätsprinzip; Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Ob dem Spezialitätsprinzip eine persönliche Dimension zukommt, ist eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3). Auslegung völkerrechtlicher Verträge (E. 3.3). Die Amtshilfe nach aArt. 26 DBA CH-US und vergleichbaren Bestimmungen unterliegt der persönlichen Spezialität (E. 3.4-3.6). Spezialitätsvorbehalte brauchen zwar von Völkerrechts wegen grundsätzlich nicht speziell angezeigt zu werden. Aufgrund der bestehenden Unsicherheit rechtfertigt sich hier ein entsprechender Hinweis zuhanden der ersuchenden Behörde (E. 3.7).

147 III 49 (4A_248/2019, 4A_398/2019) from 25. August 2020
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; "Eligibility Regulations for the Female Classification (Athletes with Differences of Sex Development)" (DSD-Reglement); materieller Ordre public (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG). Der Schiedsentscheid des Internationalen Sportschiedsgerichts, mit dem das DSD-Reglement für gültig erklärt wurde, verstösst nicht gegen den materiellen Ordre public (E. 9.4-9.6 und 9.8.3).

147 IV 27 (1B_545/2019) from 14. Oktober 2020
Regeste: Art. 13, Art. 49 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV; Art. 171 Abs. 1 und 2 lit. a und b, Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 321 Ziff. 2 und 3 StGB; Arztgeheimnis als Entsiegelungs- und Durchsuchungshindernis; Entbindung vom Berufsgeheimnis; Verhältnis des Bundesrechts zu kantonalen gesundheitsrechtlichen Verwaltungsvorschriften. Kantonale Verwaltungsnormen (wie etwa das schaffhausische Gesundheitsgesetz) dürfen die bundesgesetzlichen Vorschriften über den Schutz der Berufsgeheimnisse und über die strafprozessualen Editions- und Zeugnispflichten nicht unterlaufen. Dies gilt namentlich für die in Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB abschliessend geregelten Modalitäten einer Entbindung vom Berufsgeheimnis. Mangels einer gesetzeskonformen Entbindung vom Arztgeheimnis verletzte der hier angefochtene Entsiegelungsentscheid das Bundesrecht (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3 und 4).

147 V 124 (9C_82/2020) from 27. Oktober 2020
Regeste: Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a Abs. 3 IVG; Art. 27bis Abs. 2-4 IVV (in Kraft seit 1. Januar 2018); gemischte Bemessungsmethode. Ein familiär bedingter Statuswechsel hin zu einer teilzeitlichen Erwerbstätigkeit gilt seit der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Verordnungsänderung auch bei einer dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Sachen Di Trizio gegen Schweiz (7186/09) vom 2. Februar 2016 analogen Konstellation als Revisionsgrund (E. 5 und 6).

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