Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

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Art. 6

Ei­ne Per­son, die ih­ren Wohn­sitz im Ho­heits­ge­biet ei­nes durch die­ses Über­ein­kom­men ge­bun­de­nen Staa­tes hat, kann auch ver­klagt wer­den:

1.
wenn meh­re­re Per­so­nen zu­sam­men ver­klagt wer­den, vor dem Ge­richt des Or­tes, an dem ei­ner der Be­klag­ten sei­nen Wohn­sitz hat, so­fern zwi­schen den Kla­gen ei­ne so en­ge Be­zie­hung ge­ge­ben ist, dass ei­ne ge­mein­sa­me Ver­hand­lung und Ent­schei­dung ge­bo­ten er­scheint, um zu ver­mei­den, dass in ge­trenn­ten Ver­fah­ren wi­der­spre­chen­de Ent­schei­dun­gen er­ge­hen könn­ten;
2.
wenn es sich um ei­ne Kla­ge auf Ge­währ­leis­tung oder um ei­ne In­ter­ven­ti­ons­kla­ge han­delt, vor dem Ge­richt des Haupt­pro­zes­ses, es sei denn, dass die Kla­ge nur er­ho­ben wor­den ist, um die­se Per­son dem für sie zu­stän­di­gen Ge­richt zu ent­zie­hen;
3.
wenn es sich um ei­ne Wi­der­kla­ge han­delt, die auf den­sel­ben Ver­trag oder Sach­ver­halt wie die Kla­ge selbst ge­stützt wird, vor dem Ge­richt, bei dem die Kla­ge selbst an­hän­gig ist;
4.
wenn ein Ver­trag oder An­sprü­che aus ei­nem Ver­trag den Ge­gen­stand des Ver­fah­rens bil­den und die Kla­ge mit ei­ner Kla­ge we­gen ding­li­cher Rech­te an un­be­weg­li­chen Sa­chen ge­gen den­sel­ben Be­klag­ten ver­bun­den wer­den kann, vor dem Ge­richt des durch die­ses Über­ein­kom­men ge­bun­de­nen Staa­tes, in des­sen Ho­heits­ge­biet die un­be­weg­li­che Sa­che be­le­gen ist.

BGE

123 III 35 () from 20. August 1996
Regeste: Internationales Privatrecht; Konsens und Auslegung eines Verweisungsvertrags; Widerklage und Zuständigkeit. Ob ein Verweisungsvertrag zustande gekommen ist, ist vorliegend altrechtlich zu beurteilen, was zur Anwendung der lex fori führt (E. 2a). Auslegungsregeln, massgebende Vertragsgrundlage und Rechtswahl aus normativer Bindung (E. 2b-d). Die ausschliessliche Gerichtsstandsvereinbarung für eine mit Widerklage geltend gemachte Forderung derogiert der gesetzlichen Widerklagezuständigkeit. Für die Widerklage ist eine vorbehaltlose Einlassung gemäss Art. 6 IPRG möglich (E. 3).

129 III 80 () from 24. September 2002
Regeste: Art. 38 GestG; Anwendbarkeit des Gerichtsstandsgesetzes auf hängige Verfahren. Eine bei Inkrafttreten des GestG hängige Klage darf wegen örtlicher Unzuständigkeit nur zurückgewiesen werden, wenn weder nach altem noch nach neuem Recht ein Gerichtsstand gegeben ist (E. 1). Art. 7 Abs. 1 und Art. 39 GestG; einheitlicher bundesrechtlicher Gerichtsstand bei subjektiver Klagenhäufung; Gerichtsstandsvereinbarung. Art. 7 Abs. 1 GestG erfasst auch die einfache passive Streitgenossenschaft, die auf einem gewissen Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Ansprüchen gegen verschiedene Beklagte beruht. Umschreibung des geforderten Zuammenhangs (E. 2.2). Die Inanspruchnahme aller passiven Streitgenossen vor dem für einen Beklagten zuständigen Gericht ist auch zuzulassen, wenn sich die Zuständigkeit für diesen aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergibt (E. 2.3). Beurteilung von Gültigkeit und Wirkungen einer altrechtlichen Gerichtsstandsklausel (E. 2.4).

129 III 230 () from 24. Januar 2003
Regeste: Gerichtsstand der Widerklage (Art. 6 Abs. 1 und Art. 38 GestG; Art. 30 Abs. 2 BV). Erfordernis der Konnexität mit der Hauptklage nach Art. 6 GestG; blosse Verrechenbarkeit der streitigen Ansprüche genügt nicht (E. 3). Vereinbarkeit des nach Art. 38 GestG massgebenden kantonalen Widerklagegerichtsstandes mit Art. 30 Abs. 2 BV (E. 4).

129 III 626 () from 30. Juli 2003
Regeste: Vollstreckung einer ausländischen vorsorglichen Sicherungsmassnahme; Lugano-Übereinkommen (LugÜ). Begriff der englischen "Freezing (Mareva) Injunction" sowie der englischen "world-wide Mareva Injunction" (E. 1). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG; E. 2). Begründungspflicht des Beschwerdeführers (E. 4). Die englische "Freezing Injunction" ist ein Entscheid im Sinne von Art. 25 LugÜ und kann in der Schweiz vollstreckbar sein (Art. 31 Abs. 1 LugÜ; E. 5). Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bei der Anwendung des LugÜ, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gehörsanspruch des Schuldners (E. 5.2) und der Zuständigkeit zur Anordnung einstweiliger Massnahmen (Art. 24 LugÜ; E. 5.3).

130 III 285 () from 23. Dezember 2003
Regeste: Lugano-Übereinkommen; Wohnsitzgerichtsstand des Beklagten; Aberkennungsklage. Wenn der Gläubiger mit Sitz in einem Mitgliedstaat des Lugano-Übereinkommens nicht eine Forderungsklage erhebt, sondern den Weg der Schuldbetreibung am schweizerischen Wohnsitz des Schuldners wählt, verstösst es nicht gegen Art. 2 Abs. 1 LugÜ anzunehmen, dass die Aberkennungsklage nach Art. 83 Abs. 2 SchKG vom betriebenen Schuldner auch in der Schweiz erhoben werden kann (E. 2-5).

132 III 778 () from 23. Oktober 2006
Regeste: Art. 2 Abs. 1 und 5 Ziff. 3 LugÜ; örtliche Zuständigkeit bei negativer Feststellungsklage. Nach Art. 2 Abs. 1 LugÜ ist unabhängig davon, ob der Ansprecher eine Leistungsklage oder der Anspruchsgegner eine negative Feststellungsklage erhebt, der Wohnsitz des Beklagten massgebend für die örtliche Zuständigkeit. Es bedarf ganz besonderer Umstände, um von der zentralen Anknüpfung an den Wohnsitz bzw. Sitz des im Verfahren formell Beklagten abzuweichen, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind (E. 2). Für die Feststellung der Verletzung ausländischer Patente besteht keine Zuständigkeit der inländischen Gerichte am Deliktsort nach Art. 5 Ziff. 3 LugÜ, da der Erfolgsort nur im Staat, für den das Patent erteilt wurde, liegen kann und der inländische Handlungsort nicht die erforderliche besondere Nähe zum Streitgegenstand aufweist (E. 3).

134 III 27 (4A_155/2007) from 9. Oktober 2007
Regeste: Gerichtsstand der Streitgenossenschaft; doppelrelevante Tatsachen (Art. 6 Ziff. 1 LugÜ; Art. 129 Abs. 3 IPRG und Art. 7 Abs. 1 GestG). Gerichtsstand der Streitgenossenschaft: Gefahr sich widersprechender Urteile (E. 5). Bei freiwilliger passiver Streitgenossenschaft kann die nicht an ihrem ordentlichen Gerichtsstand belangte Partei nach Art. 6 Ziff. 1 LugÜ die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch gestützt auf Umstände bestreiten, aus denen sich die Unbegründetheit der Klage gegenüber dem Streitgenossen ergibt, sofern es sich dabei um mit Blick auf die gegen sie selbst gerichteten Ansprüche nicht doppelrelevante Tatsachen handelt (E. 6).

145 III 303 (4A_446/2018, 4A_448/2018) from 21. Mai 2019
Regeste: Art. 5 Ziff. 3 des Lugano-Übereinkommens (LugÜ). Internationale und örtliche Zuständigkeit bei negativer Feststellungsklage; Handlungsort bei kartellrechtlichen Ansprüchen aufgrund der Einführung und Umsetzung eines selektiven Vertriebssystems in einem Konzern. Ist ein Gerichtsstand aufgrund des Handlungs- oder Erfolgsorts identifiziert, bleibt kein Raum für eine einzelfallbezogene Prüfung der Sach- und Beweisnähe (Änderung der Rechtsprechung; E. 4.1). Der negative Feststellungskläger kann sich ebenso auf die Wahlgerichtsstände gemäss Art. 5 Ziff. 3 LugÜ berufen wie der Leistungskläger unabhängig davon, ob eine spiegelbildliche Leistungsklage gestützt auf Art. 5 Ziff. 3 LugÜ am angerufenen Gericht ebenfalls möglich wäre (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.2). Bilden bei der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung die zur praktischen Umsetzung nötigen Handlungen Teil einer gemeinsamen Strategie, ist zur Bestimmung des Handlungsorts i.S.v. Art. 5 Ziff. 3 LugÜ das Ereignis zu ermitteln, dem eine besonders grosse Bedeutung zukommt. Anwendung im konkreten Fall (E. 7).

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