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Art. 89
d. Nichtbewährung 1 Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht die Rückversetzung an. 2 Ist trotz des während der Probezeit begangenen Verbrechens oder Vergehens nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf eine Rückversetzung. Es kann den Verurteilten verwarnen und die Probezeit um höchstens die Hälfte der von der zuständigen Behörde ursprünglich festgesetzten Dauer verlängern. Erfolgt die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anordnung. Die Bestimmungen über die Bewährungshilfe und die Weisungen sind anwendbar (Art. 93–95). 3 Entzieht sich der bedingt Entlassene der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen, so sind die Artikel 95 Absätze 3–5 anwendbar. 4 Die Rückversetzung darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der Probezeit drei Jahre vergangen sind. 5 Die Untersuchungshaft, die der Täter während des Verfahrens der Rückversetzung ausgestanden hat, ist auf den Strafrest anzurechnen. 6 Sind auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt und trifft diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe zusammen, so bildet das Gericht in Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe. Auf diese sind die Regeln der bedingten Entlassung erneut anwendbar. Wird nur die Reststrafe vollzogen, so ist Artikel 86 Absätze 1–4 anwendbar. 7 Trifft eine durch den Entscheid über die Rückversetzung vollziehbar gewordene Reststrafe mit dem Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59–61 zusammen, so ist Artikel 57 Absätze 2 und 3 anwendbar. BGE
88 IV 72 () from 29. Juni 1962
Regeste: Art. 59 Abs. 2 MFG. Die Bestimmungen der Art. 89 bis 99 StGB stehen der Annahme nicht im Wege, dass wegen Rückfalles bei Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustande auch strafbar ist, wer die frühere Verurteilung als Jugendlicher erlitt.
92 IV 81 () from 13. Mai 1966
Regeste: Art. 89, 91 und 93 Abs. 2 StGB. 1. Massgebend für die Frage, ob Jugend- oder Erwachsenenrecht anzuwenden sei, ist das Alter zur Zeit der Tat, nicht das Alter zur Zeit der Aburteilung. 2. Hat ein Jugendlicher sich teils vor und teils nach Erreichung des achtzehnten Altersjahres strafbar gemacht, so ist ein einheitliches, dem Zustand des Fehlbaren angepasstes Urteil zu fällen (Erw. 1). 3. Bei fortgeschrittener Fehlentwicklung des Jugendlichen kommt in erster Linie die Einweisung in eine Erziehungsanstalt in Betracht. 4. Der Eingewiesene soll sich der Anstaltserziehung nicht durch schlechte Führung entziehen und die Familienversorgung erzwingen können, wenn er diese für vorteilhafter hält (Erw. 2).
94 IV 56 () from 13. Februar 1968
Regeste: Art. 95 Abs. 1 StGB. Die auszufällende Strafe richtet sich vor allem nach dem Alter und der Persönlichkeit des jugendlichen Täters und erst in zweiter Linie nach seinem Verschulden. Der Verweis ist auch bei Verfehlungen zulässig, die objektiv nicht zu den leichtesten gehören, nach den gesamten Umständen des Einzelfalles aber nicht als schwer zu würdigen sind.
118 IV 61 () from 16. Januar 1992
Regeste: Art. 220, 183 Ziff. 2 StGB; Entziehen von Unmündigen/Entführung. 1. Aufgrund der Verschiedenheit der durch Art. 220 und 183 Ziff. 2 StGB geschützten Rechtsgüter ist für die Annahme echter Gesetzeskonkurrenz entscheidend, ob sich das Verhalten des Täters im konkreten Fall gegen den (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt oder auch gegen die Freiheit des Kindes richtet (E. 2). 2. Der strafrechtliche Schutz der Freiheit des Kindes bezüglich der Wahl seines Aufenthaltsortes unterliegt den sich aus der elterlichen Gewalt ergebenden Einschränkungen; Entführung im konkreten Fall verneint (E. 3).
119 IA 99 () from 17. März 1993
Regeste: Persönliche Freiheit, § 59 KV/ZG und Art. 6 Ziff. 1 EMRK: Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren. 1. Der Angeschuldigte kann sich für ein Begehren um Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren grundsätzlich auf die persönliche Freiheit berufen (E. 2b). 2. Bedeutung und Tragweite des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (E. 4a). 3. Abwägung der Interessen für und gegen die Zulassung der Öffentlichkeit (E. 4b-4f).
129 II 100 () from 14. Januar 2003
Regeste: Art. 1 und 2 EAUe; Art. 37 Abs. 1 IRSG; Art. 3 und 8 EMRK. Art. 37 Abs. 1 IRSG findet keine Anwendung gegenüber einem Staat, der Vertragspartei des EAUe ist (E. 3.1). Auch bei Anwendung der Vorbehalte Frankreichs zu Art. 1 und 2 EAUe durch die Schweiz kann dem jugendlichen Alter der auszuliefernden Person keine Rechnung getragen werden (E. 3.2). Die Bestimmungen von Art. 3 und 8 EMRK verschaffen kein Recht auf Aburteilung im Staat, der die besseren Resozialisierungsmöglichkeiten bietet (E. 3.3-3.5).
134 IV 289 (6B_348/2008) from 29. August 2008
Regeste: Art. 75a in Verbindung mit Art. 62d StGB, Art. 29 Abs. 1 BV; Ablehnung der Mitglieder einer Kommission nach Art. 62d Abs. 2 StGB. Der Inhaftierte, der um bedingte Entlassung ersucht, kann die Mitglieder der zur Beurteilung seiner Gemeingefährlichkeit gemäss Art. 75a StGB zuständigen Kommission in analoger Weise wie einen Sachverständigen ablehnen (E. 5). Der in Art. 62d Abs. 2 StGB vorgesehene Ausschluss gilt nur für den Vertreter der Psychiatrie und nicht auch für die übrigen Mitglieder der Kommission (E. 6.1). Die Kommissionszugehörigkeit eines Richters, welcher den um bedingte Entlassung ersuchenden Täter verurteilt hat, verstösst nicht gegen Art. 29 Abs. 1 BV (E. 6.2). Der Inhaftierte kann den öffentlichen Ankläger als Mitglied der Kommission nach Art. 62d Abs. 2 StGB ablehnen, wenn dieser die Anklage im Verfahren vertreten hatte, das zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte, aus deren Vollzug der Betroffene bedingt entlassen werden möchte. Hingegen genügt es für die Ablehnung nicht, dass der öffentliche Ankläger die Anklage vertreten hatte in anderen Prozessen, die zu einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder zur Verurteilung zu einer Strafe geführt haben, die bereits verbüsst oder verjährt ist oder aus andern Gründen nicht vollzogen werden kann (E. 6.3).
135 IV 146 (6B_765/2008) from 7. April 2009
Regeste: Art. 87, Art. 388 Abs. 1 und 3, Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 StGB; Übergangsrecht, Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren, Vollzug der Gesamtstrafe. Die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts rechtskräftig gewordene Verfügung der Verwaltungsbehörde betreffend die Probezeit bei einer bedingten Entlassung bleibt auch in Bezug auf die verhängte Dauer bestehen. Es erfolgt keine Anpassung an das neue Recht (E. 1). Voraussetzungen und Methodik der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren nach Art. 89 Abs. 6 StGB (E. 2.4). Die Gesamtstrafe kann weder bedingt noch teilbedingt ausgesprochen werden (E. 2.4.2).
137 IV 312 (6B_1090/2010) from 14. Juli 2011
Regeste: Art. 89 Abs. 6 StGB; Bildung einer Gesamtstrafe. Eine Gesamtstrafe nach Art. 89 Abs. 6 StGB kann nur ausgefällt werden, wenn sowohl bei der neuen Strafe als auch bei der Reststrafe die Voraussetzungen des unbedingten Vollzugs gegeben sind. Da beide Strafen zusammen vollzogen werden, ist auf ihre Gesamtdauer abzustellen. Beträgt die Gesamtstrafe mindestens sechs Monate, findet Art. 41 StGB, der eine gesetzliche Prioritätsordnung zugunsten nicht freiheitsentziehender Sanktionen vorsieht, keine Anwendung (E. 2.3 und 2.4).
138 IV 65 (6B_588/2011) from 16. März 2012
Regeste: Art. 89 Abs. 3 und Art. 95 Abs. 3-5 StGB; Nichtbewährung, Rückversetzung des bedingt Entlassenen. Die Durchführbarkeit von Bewährungshilfe und Weisungen darf nicht einzig unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Anordnungen durch den Verurteilten geprüft worden, sondern muss auch dem Schutz der öffentlichen Sicherheit Rechnung tragen. Kann die Anordnung diesen objektiven Zweck nicht erreichen, ist sie als nicht durchführbar im Sinne von Art. 95 Abs. 3 StGB zu betrachten. In diesem Fall sind die in Art. 95 Abs. 4 und 5 StGB vorgesehenen Anordnungen zu treffen (E. 4).
138 IV 113 (6B_180/2011) from 5. April 2012
Regeste: Art. 49 Abs. 2 StGB; retrospektive Konkurrenz; Kassation des Ersturteils. Für die Frage, ob und in welchem Umfang (d.h. ganz oder teilweise) das Gericht eine Zusatzstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB aussprechen muss, ist auf das Datum der ersten Verurteilung im ersten Verfahren (sog. Ersturteil) abzustellen. Demgegenüber ist für die Bemessung bzw. die Höhe der Zusatzstrafe das rechtskräftige Urteil im ersten Verfahren massgebend (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4.2). Für die Beantwortung der ersten Frage (Anwendbarkeit des Asperationsprinzips) ist unerheblich, ob das Ersturteil oder ein Urteil der Rechtsmittelinstanz in Rechtskraft erwächst oder ob nach einer Kassation neu entschieden werden muss. Dies gilt auch, wenn im Rahmen der Neubeurteilung zuungunsten des Verurteilten für die gleiche Tat eine härtere Strafe verhängt wird als im Ersturteil (E. 3.4.3). Eine Gesamtstrafe gestützt auf Art. 46 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 62a Abs. 2 und Art. 89 Abs. 6 StGB kommt nicht in Betracht, wenn aufgrund einer erneuten Delinquenz in der Zeit zwischen dem Ersturteil und dem Vollzug der ersten Strafe zwei Freiheitsstrafen zum Vollzug anstehen (E. 4).
141 IV 55 (6B_840/2014) from 6. Februar 2015
Regeste: Widerruf einer bedingten Entlassung. Der Widerruf einer als ursprünglich fehlerhaft erkannten Verfügung betreffend bedingte Entlassung hat sich jedenfalls an den zeitlichen Grenzen von Art. 89 Abs. 4 StGB zu orientieren (E. 3).
142 IV 56 (6B_513/2015) from 4. Februar 2016
Regeste: Lebenslängliche Freiheitsstrafe, Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 StGB); Verhältnis. Die Verwahrung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB ist auch bei Ausfällung einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe anzuordnen, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind (E. 2).
142 IV 265 (6B_829/2014) from 30. Juni 2016
Regeste: Art. 49 Abs. 1 und 2 StGB; Zusatzstrafe (retrospektive Konkurrenz). Methodik der Zusatzstrafenbildung; Art. 49 Abs. 2 StGB erlaubt keine erneute Beurteilung der in Rechtskraft erwachsenen Grundstrafe (E. 2.4.1). Die Zusatzstrafe ist die infolge Asperation mit der Grundstrafe reduzierte Strafe für die neu zu beurteilenden Taten (E. 2.4.4).
145 IV 146 (6B_932/2018) from 24. Januar 2019
Regeste: Art. 46 Abs. 1 Satz 2, Art. 49 StGB; Bildung einer Gesamtstrafe bei Widerruf der bedingten Strafe (Änderung der Rechtsprechung). Am 1. Januar 2018 ist die revidierte Bestimmung von Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB in Kraft getreten. Bei Widerruf des bedingten Strafvollzugs hat das Gericht nunmehr mit der widerrufenen und der neuen Strafe eine Gesamtstrafe zu bilden. Die Gesamtstrafenbildung setzt voraus, dass die widerrufene und die neue Strafe gleichartig sind (E. 2.1-2.3). Bei der Bildung der Gesamtstrafe ist die neue Strafe als "Einsatzstrafe" in sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips (Art. 49 StGB) durch die widerrufene Strafe zu erhöhen (E. 2.4). |