Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 126 Entscheid

1 Das Ge­richt ent­schei­det über die an­hän­gig ge­mach­te Zi­vil­kla­ge, wenn es die be­schul­dig­te Per­son:

a.
schul­dig spricht;
b.
frei­spricht und der Sach­ver­halt spruch­reif ist.

2 Die Zi­vil­kla­ge wird auf den Zi­vil­weg ver­wie­sen, wenn:

a.
das Straf­ver­fah­ren ein­ge­stellt oder im Straf­be­fehls­ver­fah­ren er­le­digt wird;
b.
die Pri­vat­klä­ger­schaft ih­re Kla­ge nicht hin­rei­chend be­grün­det oder be­zif­fert hat;
c.
die Pri­vat­klä­ger­schaft die Si­cher­heit für die An­sprü­che der be­schul­dig­ten Per­son nicht leis­tet;
d.
die be­schul­dig­te Per­son frei­ge­spro­chen wird, der Sach­ver­halt aber nicht spruch­reif ist.

3 Wä­re die voll­stän­di­ge Be­ur­tei­lung des Zi­vil­an­spruchs un­ver­hält­nis­mäs­sig auf­wen­dig, so kann das Ge­richt die Zi­vil­kla­ge nur dem Grund­satz nach ent­schei­den und sie im Üb­ri­gen auf den Zi­vil­weg ver­wei­sen. An­sprü­che von ge­rin­ger Hö­he be­ur­teilt das Ge­richt nach Mög­lich­keit selbst.

4 In Fäl­len, in de­nen Op­fer be­tei­ligt sind, kann das Ge­richt vor­erst nur den Schuld- und Straf­punkt be­ur­tei­len; an­sch­lies­send be­ur­teilt die Ver­fah­rens­lei­tung als Ein­zel­ge­richt nach ei­ner wei­te­ren Par­teiver­hand­lung die Zi­vil­kla­ge, un­ge­ach­tet des Streit­werts.

BGE

139 IV 102 (6B_310/2012) from 11. Dezember 2012
Regeste: Parteientschädigung der Privatklägerschaft bei Erlass eines Strafbefehls und Verweisung der Zivilforderungen auf den Zivilweg; Legitimation der Privatklägerschaft zur Einsprache gegen den Strafbefehl; Art. 353 Abs. 1 lit. g, Art. 354 Abs. 1 lit. b, Art. 416, Art. 432 Abs. 1 und Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO. Kommt es zu einer Verurteilung der beschuldigten Person durch Strafbefehl, obsiegt die Privatklägerschaft als Strafklägerin, weshalb sie für die ihr im Zusammenhang mit der Strafklage erwachsenen Kosten der privaten Verteidigung zu entschädigen ist (E. 4.3). Wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, kann die Privatklägerschaft in ihrer Funktion als Zivilklägerin nicht als obsiegende und jedenfalls bei Erlass eines Strafbefehls auch nicht als unterliegende Partei gelten. Ausschliesslich mit der Zivilklage zusammenhängende Anwaltskosten oder anderweitige Auslagen der Privatklägerschaft, die einzig den Zivilpunkt betreffen, sind im Falle der Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg nicht im Strafverfahren zu entschädigen (E. 4.4). Die Privatklägerschaft ist als weitere Betroffene im Sinne von Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO zur Einsprache legitimiert, wenn ihr im Strafbefehl eine Parteientschädigung ganz oder teilweise verweigert wurde (E. 5.2).

140 IV 162 (1B_57/2014) from 20. Oktober 2014
Regeste: Art. 115 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1 und Art. 121 StPO, Art. 22 Abs. 1 FusG; Privatklägerschaft einer juristischen Person per Rechtsnachfolge (nach Fusion). Rechtsnachfolger einer geschädigten natürlichen oder juristischen Person sind als mittelbar Geschädigte einzustufen, die sich grundsätzlich, vorbehältlich der Ausnahmefälle von Art. 121 Abs. 1 und 2 StPO, nicht als Privatkläger im Strafverfahren konstituieren können. Insbesondere führt die privatrechtliche Universalsukzession aufgrund von Art. 22 Abs. 1 FusG nicht (per se) zur Parteistellung der übernehmenden Gesellschaft im Strafprozess. Auslegung von Art. 121 StPO (Wortlaut, Systematik, Materialien, Teleologie). Art. 121 Abs. 1 StPO ist nur auf natürliche Personen anwendbar. Die vom Gesetzgeber (in Abs. 1) angestrebte Privilegierung der engsten Angehörigen eines verstorbenen Geschädigten (als rechtsnachfolgende Privatstrafkläger im Straf- und Zivilpunkt) rechtfertigt sich sachlich aufgrund der verwandtschaftlichen bzw. lebenspartnerschaftlichen affektiven Nähe und Solidarität der betroffenen natürlichen Personen untereinander. Damit führt Abs. 1 nicht zu einer stossenden Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen. In Art. 121 Abs. 2 StPO hat der Gesetzgeber eine zweite Ausnahme vom Grundsatz vorgesehen, dass Rechtsnachfolger (als bloss indirekt Geschädigte) keine Parteistellung im Strafprozess haben, nämlich (eingeschränkt auf die Verfahrensrechte zur adhäsionsweisen Durchsetzung der Zivilklage) für natürliche und juristische Personen, die von Gesetzes wegen, per Legalzession bzw. Subrogation, in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten sind. Bei Zivilansprüchen, die auf rechtsgeschäftlichem Erwerb (insbesondere per Fusionsvertrag) beruhen, sieht Abs. 2 hingegen keine (weitere) Ausnahme vor. Verneinung des Vorliegens einer Gesetzeslücke (E. 4).

142 III 653 (4A_179/2016) from 30. August 2016
Regeste: Art. 90 BGG, Art. 126 Abs. 3 StPO; Beschwerde an das Bundesgericht gegen ein Strafurteil, mit dem die adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage "dem Grundsatz nach" beurteilt wird. Bei einem Strafurteil, das Zivilansprüche "dem Grundsatz nach" anerkennt, die Privatklägerschaft im Übrigen aber auf den Zivilweg verweist, handelt es sich um einen Endentscheid i.S. von Art. 90 BGG (E. 1).

146 IV 211 (6B_1202/2019) from 9. Juli 2020
Regeste: Art. 122 Abs. 1, 126 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 305bis Ziff. 2 StGB; Art. 41, 50 Abs. 3 OR; Zivilklage, Schadenersatzforderung aus Geldwäscherei. Soweit das Gericht die beschuldigte Person schuldig spricht, ist der Entscheid über die anhängig gemachten Schadenersatzforderungen, soweit sie hinreichend begründet und beziffert sind, zwingend (E. 3). Der Tatbestand der Geldwäscherei dient in Fällen, in denen die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte aus Delikten gegen das Vermögen herrühren, neben dem Einziehungsinteresse des Staates auch dem Schutz der individuell durch die Vortat geschädigten Person. Die Haftung des Geldwäschers erstreckt sich auch auf den durch die Vortat verursachten Schaden im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist (E. 4).

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