Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 173 Zeugnisverweigerungsrecht bei weiteren Geheimhaltungspflichten

1 Wer nach ei­ner der fol­gen­den Be­stim­mun­gen Be­rufs­ge­heim­nis­se wah­ren muss, hat nur aus­zu­sa­gen, wenn das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung das Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se über­wiegt:

a.
Ar­ti­kel 321bis StGB57;
b.
Ar­ti­kel 139 Ab­satz 3 des Zi­vil­ge­setz­buchs58;
c.
Ar­ti­kel 2 des Bun­des­ge­set­zes vom 9. Ok­to­ber 198159 über die Schwan­ger­schafts­be­ra­tungs­stel­len;
d.60
Ar­ti­kel 11 des Op­fer­hil­fe­ge­set­zes vom 23. März 200761;
e.62
Ar­ti­kel 3c Ab­satz 4 des Be­täu­bungs­mit­tel­ge­set­zes vom 3. Ok­to­ber 195163;
f.64
Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be f des Ge­sund­heits­be­ru­fe­ge­set­zes vom 30. Sep­tem­ber 201665.

2 Trä­ge­rin­nen und Trä­ger an­de­rer ge­setz­lich ge­schütz­ter Ge­heim­nis­se sind zur Aus­sa­ge ver­pflich­tet. Die Ver­fah­rens­lei­tung kann sie von der Zeug­nis­pflicht be­frei­en, wenn sie glaub­haft ma­chen kön­nen, dass das Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung über­wiegt.

57 SR 311.0

58 SR 210. Die­ser Art. ist heu­te auf­ge­ho­ben.

59 SR 857.5

60 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

61 SR 312.5

62 Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 19. Sept. 2011, ver­öf­fent­licht am 4. Okt. 2011 (AS 2011 4487).

63 SR 812.121

64 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des Ge­sund­heits­be­ru­fe­ge­set­zes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Fe­br. 2020 (AS 2020 57; BBl 2015 8715).

65 SR 811.21

BGE

138 IV 225 (1B_397/2012) from 10. Oktober 2012
Regeste: a Art. 171 Abs. 1, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2, Art. 248 Abs. 1, Art. 264 Abs. 1 lit. a und c StPO; Berufsgeheimnis, Entsiegelung von Anwaltsakten. Ein in der Sache selbst mitbeschuldigter Anwalt kann untersuchungsrelevante Beweisunterlagen aus dem Mandatsverhältnis nicht dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörde entziehen, indem er Büropartner oder ausländische Korrespondenzanwälte mit dem Fall substituiert (E. 6). Anforderungen an die Darlegung (und Bestreitung) der sachlichen Konnexität zwischen den entsiegelten Aufzeichnungen und dem Gegenstand der Strafuntersuchung (E. 7).

140 IV 28 (1B_231/2013) from 25. November 2013
Regeste: Art. 248 Abs. 1 StPO; Berechtigung zum Siegelungsantrag. Zum Zweck eines wirksamen Geheimnisschutzes ist das Recht auf Siegelung gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO auf die Berechtigung, sich nach Art. 264 Abs. 3 StPO gegen eine Beschlagnahme zu wehren, abzustimmen. Berechtigt im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO, die Siegelung zu beantragen, sind Personen, welche unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts der Aufzeichnungen haben (E. 4.3.4). Die Strafbehörde hat vor der Durchsuchung der Aufzeichnungen von Amtes wegen den geheimnisschutzberechtigten Personen die Möglichkeit einzuräumen, ein Siegelungsbegehren zu stellen (E. 4.3.5).

145 IV 273 (1B_71/2019) from 3. Juli 2019
Regeste: Art. 50 Abs. 2 VStrR, 321 Ziff. 1 StGB, 171 Abs. 1, 173 StPO, 730b Abs. 2 OR; Entsiegelung und Berufsgeheimnis des Revisors. Das Berufsgeheimnis des Revisors im Sinne von Art. 730b Abs. 2 OR kann einem Entsiegelungsgesuch nicht entgegengehalten werden (vgl. Art. 50 Abs. 2 VStrR, 321 Ziff. 1 StGB und, unter Bezugnahme auf Art. 41 Abs. 2 VStrR, 171 Abs. 1 und 173 Abs. 1 StPO). Der Revisor ist daher zur Aussage verpflichtet, es sei denn, er kann glaubhaft machen, dass das Geheimhaltungsinteresse das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt (vgl. Art. 41 Abs. 2 VStrR i.V.m. Art. 173 Abs. 2 StPO; E. 3.1-3.4).

147 IV 27 (1B_545/2019) from 14. Oktober 2020
Regeste: Art. 13, Art. 49 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV; Art. 171 Abs. 1 und 2 lit. a und b, Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 321 Ziff. 2 und 3 StGB; Arztgeheimnis als Entsiegelungs- und Durchsuchungshindernis; Entbindung vom Berufsgeheimnis; Verhältnis des Bundesrechts zu kantonalen gesundheitsrechtlichen Verwaltungsvorschriften. Kantonale Verwaltungsnormen (wie etwa das schaffhausische Gesundheitsgesetz) dürfen die bundesgesetzlichen Vorschriften über den Schutz der Berufsgeheimnisse und über die strafprozessualen Editions- und Zeugnispflichten nicht unterlaufen. Dies gilt namentlich für die in Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB abschliessend geregelten Modalitäten einer Entbindung vom Berufsgeheimnis. Mangels einer gesetzeskonformen Entbindung vom Arztgeheimnis verletzte der hier angefochtene Entsiegelungsentscheid das Bundesrecht (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3 und 4).

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