Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 388 Verfahrensleitende und vorsorgliche Massnahmen

Die Ver­fah­rens­lei­tung der Rechts­mit­tel­in­stanz trifft die not­wen­di­gen und un­auf­schieb­ba­ren ver­fah­rens­lei­ten­den und vor­sorg­li­chen Mass­nah­men. Sie kann na­ment­lich:

a.
die Staats­an­walt­schaft mit un­auf­schieb­ba­ren Be­weis­er­he­bun­gen be­auf­tra­gen;
b.
die Haft an­ord­nen;
c.
ei­ne amt­li­che Ver­tei­di­gung be­stel­len.

BGE

119 IV 277 () from 21. Dezember 1993
Regeste: Art. 64bis Abs. 2 BV, Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 63 StGB; Grenzen der kantonalen Kompetenz zur Organisation der Gerichte. Die kantonale Zuständigkeitsordnung muss von Bundesrechts wegen so umgestaltet sein, dass der Richter in seinem Strafzumessungermessen nicht eingeschränkt ist.

137 IV 230 (1B_232/2011) from 12. Juli 2011
Regeste: Art. 81 BGG, Art. 222, 226 Abs. 5 und Art. 388 StPO; Untersuchungshaft, Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen Freilassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts. Rechtsschutzinteresse der Staatsanwaltschaft an der Beschwerdeführung gegen die Beendigung der Untersuchungshaft (E. 1). Die Beschwerdeinstanz kann ohne vorherige Anhörung der beschuldigten Person die vorläufige Weiterführung der Haft anordnen, wenn dies zum Schutz des Untersuchungszwecks notwendig ist (E. 2.2.1). Die Nichtbehandlung des Gesuchs um vorläufige Weiterführung der Untersuchungshaft führt zur Vereitelung des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft (E. 2.3).

137 IV 237 (1B_273/2011) from 31. August 2011
Regeste: Art. 81 und 93 BGG, Art. 222, 226 Abs. 5 und Art. 387 f. StPO; Untersuchungshaft, Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Freilassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts, aufschiebende Wirkung. Beschwerde der Staatsanwaltschaft wegen Verweigerung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf eine Beschwerde gegen die Beendigung der Untersuchungshaft. Nicht wieder gutzumachender Nachteil bejaht, da die sofortige Freilassung des Beschuldigten die Fortführung des Strafverfahrens erschweren oder vereiteln kann, wenn ein besonderer Haftgrund vorliegt (E. 1.1). Die wirksame Geltendmachung des Beschwerderechts durch die Staatsanwaltschaft setzt voraus, dass die beschuldigte Person in Haft bleibt, bis die Beschwerdeinstanz über die Weiterführung der Haft (superprovisorisch) entscheiden kann (E. 2.4). In diesem zeitlich begrenzten Umfang ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels Teil des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft (E. 2.5).

138 I 425 (6B_814/2011) from 30. August 2012
Regeste: Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, Vorführung als Ausstandsgrund? Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 56 und 232 Abs. 1 StPO. Entscheidet der Präsident des Berufungsgerichts während der Berufungsverhandlung, die in Haft zu setzende Person vorführen zu lassen, muss er deswegen für den Sachentscheid nicht in den Ausstand treten (E. 4).

138 IV 92 (1B_442/2011) from 4. Januar 2012
Regeste: Art. 5 Abs. 2, Art. 222, 224 ff., 388 lit. b und Art. 393 StPO; Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtanordnung der Untersuchungshaft durch das Zwangsmassnahmengericht. Vorgehen der Staatsanwaltschaft, damit sie die Freilassung des Beschuldigten bis zum Entscheid der Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz über die vorsorgliche Inhaftierung während des Beschwerdeverfahrens verhindern kann (E. 3). Lehnt die Verfahrensleitung die vorsorgliche Inhaftierung ab, kann die Staatsanwaltschaft diesen Entscheid nicht beim Bundesgericht anfechten (E. 2).

138 IV 148 (1B_254/2012) from 24. Mai 2012
Regeste: Telefonische Mitteilung des Haftentscheids an die Staatsanwaltschaft, wenn keine Untersuchungshaft angeordnet wird; Art. 222, 225 Abs. 1 und Art. 226 Abs. 2 und 5 StPO; Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV; Art. 5 EMRK. Beantragt die Staatsanwaltschaft für eine beschuldigte Person die Anordnung bzw. Verlängerung von Untersuchungshaft, kann ihr das Zwangsmassnahmengericht einen negativen Entscheid telefonisch mitteilen, wenn die Staatsanwaltschaft nicht an der Verhandlung vor dem Zwangsmassnahmengericht teilnimmt. Einen gesetzlichen Anspruch darauf hat die Staatsanwaltschaft allerdings nicht. Die vorläufige Fortdauer der Haft, bis die Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz über die vorsorgliche Inhaftierung während des Beschwerdeverfahrens entscheiden kann, ist in einem solchen Fall unter bestimmten Voraussetzungen rechtmässig (E. 3.1-3.4).

139 IV 270 (1B_338/2013) from 16. Oktober 2013
Regeste: Art. 231 und 233 StPO; Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK; Sicherheitshaft während des Verfahrens vor dem Berufungsgericht; Zuständigkeit und Verhältnismässigkeit. Trotz des Wortlauts von Art. 233 StPO widerspricht es Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht, wenn die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts als Gremium verstanden wird, deren Mitglieder innerhalb derselben Gerichtsinstanz entweder über Haftfragen entscheiden oder die Berufung in der Sache prüfen (E. 2). Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Haft im Verfahren des Berufungsgerichts hat der Haftrichter nach Art. 231 ff. StPO zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft mit der Berufung eine Strafverschärfung verlangt. Dies obwohl er grundsätzlich das angefochtene Strafurteil und die erstinstanzlich ausgesprochene Strafe nicht im Detail überprüft, sondern die Erfolgsaussichten des Vorgehens der Anklagebehörde lediglich prima facie beurteilt (E. 3).

139 IV 277 (1B_407/2013) from 16. Dezember 2013
Regeste: Art. 232 und 388 lit. b StPO; Haft nach Erlass des Berufungsurteils. Das Berufungsgericht muss sich im Urteil zur Frage der Haft aussprechen (E. 2.1-2.3). Die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts kann noch nachträglich über diese Frage entscheiden, gestützt auf Art. 232 StPO (E. 2.4). Sie kann zuvor vorsorgliche Massnahmen i.S.von Art. 388 lit. b StPO anordnen (E. 2.5).

139 IV 314 (1B_270/2013) from 22. Oktober 2013
Regeste: Art. 188 Abs. 1 BV; Art. 1, 12 und 13 StPO; Art. 103 f. BGG; Beschwerde in Strafsachen der Staatsanwaltschaft gegen eine (umgehend vollzogene) Haftentlassung durch die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts. Anders als bei der Anfechtung eines Haftentlassungsentscheids des Zwangsmassnahmengerichts oder des erstinstanzlichen Strafrichters (E. 2.2), kann mit einer Beschwerde in Strafsachen gegen eine Haftentlassung durch die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts in der Regel nicht verhindert werden, dass die Haftentlassung sofort vollzogen wird (E. 2.3).

144 IV 321 (6B_714/2018) from 14. August 2018
Regeste: Art. 65 Abs. 2 StGB; Art. 410 ff. StPO; nachträgliche Verwahrung, neues Gutachten. Art. 65 Abs. 2 StGB verweist für die Zuständigkeit und das Verfahren bei der nachträglichen Anordnung einer Verwahrung nach dem Inkrafttreten der StPO am 1. Januar 2011 auf die Art. 410 ff. StPO. Das Revisionsverfahren ist nach den Regeln der StPO durchzuführen (E. 1.3 und 1.5; Klarstellung der Rechtsprechung). Der Entscheid des Berufungsgerichts über das Vorliegen von Revisionsgründen unter gleichzeitiger Rückweisung der Sache an die von ihm bezeichnete Behörde zur neuen Behandlung und Beurteilung gemäss Art. 413 Abs. 2 lit. a StPO ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG (E. 2.3). Die nachträgliche Verwahrung in Durchbrechung der Rechtskraft des Strafurteils kann gestützt auf ein neues Gutachten nur sehr restriktiv angeordnet werden. Die Revision kommt ausschliesslich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln in Betracht, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bestanden haben, ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte (E. 3.1). Bildete die Anordnung der Verwahrung bereits Gegenstand des ursprünglichen Strafverfahrens, kann ein neues Gutachten, welches lediglich von den Einschätzungen und Schlussfolgerungen des früheren Gutachtens abweicht, in aller Regel keinen Revisionsgrund begründen (E. 3.2).

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