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Art. 26 Vorbereitungsphase 77
1 Nach Einreichung des Asylgesuchs beginnt die Vorbereitungsphase. Sie dauert im Dublin-Verfahren höchstens 10 Tage und in den übrigen Verfahren höchstens 21 Tage. 2 In der Vorbereitungsphase erhebt das SEM die Personalien und erstellt in der Regel Fingerabdruckbogen und Fotografien. Es kann weitere biometrische Daten erheben, Altersgutachten (Art. 17 Abs. 3bis) erstellen, Beweismittel und Reise- und Identitätspapiere überprüfen und herkunfts- sowie identitätsspezifische Abklärungen treffen. 3 Das SEM weist die Asylsuchenden auf ihre Rechte und Pflichten im Asylverfahren hin. Es kann die Asylsuchenden zu ihrer Identität, zum Reiseweg und summarisch zu den Gründen befragen, warum sie ihr Land verlassen haben. Dabei kann das SEM Asylsuchende über einen möglichen gewerbsmässigen Menschenschmuggel befragen. Es klärt mit der asylsuchenden Person ab, ob ihr Asylgesuch hinreichend begründet ist. Sollte dies nicht der Fall sein und zieht die asylsuchende Person ihr Gesuch zurück, so wird dieses formlos abgeschrieben und die Rückreise eingeleitet. 4 Der Abgleich der Daten nach Artikel 102abis Absätze 2–3, die Überprüfung der Fingerabdrücke nach Artikel 102ater Absatz 1 sowie die Anfrage zur Aufnahme oder Wiederaufnahme an den zuständigen durch eines der Dublin-Assoziierungsabkommen gebundenen Staat werden während der Vorbereitungsphase vorgenommen. 5 Das SEM kann Dritte mit Aufgaben nach Absatz 2 beauftragen. Die beauftragten Dritten unterstehen der gleichen Schweigepflicht wie das Bundespersonal.
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Art. 26a Feststellung des medizinischen Sachverhalts 78
1 Asylsuchende müssen die für das Asyl- und Wegweisungsverfahren massgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihnen bereits zum Zeitpunkt der Einreichung des Asylgesuches bekannt waren, unmittelbar nach der Gesuchseinreichung, spätestens jedoch bei der Anhörung zu den Asylgründen nach Artikel 36 Absatz 2 oder der Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 36 Absatz 1, geltend machen. 2 Für die Vorbringen nach Absatz 1 bezeichnet das SEM die für die Untersuchung zuständige medizinische Fachperson. Artikel 82a gilt sinngemäss. Das SEM kann die notwendigen medizinischen Aufgaben Dritten übertragen. 3 Später geltend gemachte oder von einer anderen medizinischen Fachperson festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigungen können im Asyl- und Wegweisungsverfahren berücksichtigt werden, wenn sie nachgewiesen werden. Eine Glaubhaftmachung reicht ausnahmsweise aus, wenn entschuldbare Gründe für die Verspätung vorliegen oder im Einzelfall ein Nachweis aus medizinischen Gründen nicht erbracht werden kann. Das SEM kann eine Vertrauensärztin oder einen Vertrauensarzt beiziehen. 78 Ursprünglich Art. 26bis. Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012, in Kraft seit 1. Febr. 2014 (AS 2013 43755357; BBl 2010 4455, 2011 7325). Siehe auch die UeB dieser Änd. am Schluss des Textes.
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Art. 26b Dublin-Verfahren 79
Das Verfahren im Hinblick auf einen Entscheid nach Artikel 31a Absatz 1 Buchstabe b beginnt mit der Einreichung des Gesuchs an einen Dublin-Staat um Aufnahme oder Wiederaufnahme der asylsuchenden Person. Es dauert bis zur Überstellung in den zuständigen Dublin-Staat oder bis zu seinem Abbruch und zum Entscheid über die Durchführung eines beschleunigten oder erweiterten Verfahrens.
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Art. 26c Beschleunigtes Verfahren 80
Nach Abschluss der Vorbereitungsphase folgt das beschleunigte Verfahren umgehend mit der Anhörung zu den Asylgründen oder der Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 36. Der Bundesrat legt die einzelnen Verfahrensschritte fest.
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Art. 26d Erweitertes Verfahren 81
Steht nach der Anhörung zu den Asylgründen fest, dass ein Entscheid im Rahmen des beschleunigten Verfahrens nicht möglich ist, namentlich weil weitere Abklärungen erforderlich sind, erfolgen die Zuteilung in das erweiterte Verfahren und eine Zuweisung auf die Kantone nach Artikel 27.
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Art. 27 Verteilung und Zuweisung auf die Kantone 82
1 Die Kantone verständigen sich über die Verteilung der Asylsuchenden. 1bis Besondere Leistungen, welche Standortkantone von Zentren des Bundes oder Flughafenkantone erbringen, werden bei der Verteilung von Asylsuchenden angemessen berücksichtigt.83 2 Können sich die Kantone nicht einigen, so legt der Bundesrat nach ihrer Anhörung in einer Verordnung die Kriterien für die Verteilung fest. 3 Das SEM weist die Asylsuchenden den Kantonen zu (Zuweisungskantone).84 Es trägt dabei den schützenswerten Interessen der Kantone und der Asylsuchenden Rechnung. Der Zuweisungsentscheid kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie. 4 Nicht zugewiesen werden Personen, bei denen der Vollzug der Wegweisung angeordnet worden ist und deren Asylentscheid in einem Zentrum des Bundes in Rechtskraft erwachsen ist oder deren Asylgesuch in einem Zentrum des Bundes abgeschrieben wurde.85
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Art. 28 Zuweisung eines Aufenthaltsortes und Unterbringung
1 Das SEM oder die kantonalen Behörden können Asylsuchenden einen Aufenthaltsort zuweisen. 2 Sie können Asylsuchenden eine Unterkunft zuweisen, insbesondere sie kollektiv unterbringen. Die Kantone stellen einen geordneten Betrieb sicher; sie können dazu Bestimmungen erlassen und Massnahmen ergreifen.86
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Art. 29 Anhörung zu den Asylgründen 87
1 Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes. 1bis Es zieht nötigenfalls eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher bei. 2 Die Asylsuchenden können sich zusätzlich auf eigene Kosten von einer Person und einer Dolmetscherin oder einem Dolmetscher ihrer Wahl, die selber nicht Asylsuchende sind, begleiten lassen. 3 Über die Anhörung wird ein Protokoll geführt. Dieses wird von den Beteiligten unterzeichnet.
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Art. 29a Zusammenarbeit bei der Ermittlung des Sachverhalts 88
Der Bundesrat kann mit Drittstaaten und internationalen Organisationen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit bei der Ermittlung des Sachverhalts abschliessen. Er kann insbesondere Vereinbarungen über den gegenseitigen Informationsaustausch zur Abklärung der Fluchtgründe einer asylsuchenden Person im Heimat- oder Herkunftsstaat, ihres Reiseweges und ihres Aufenthalts in einem Drittstaat abschliessen.
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Art. 31 Entscheidvorbereitung durch die Kantone 90
Das EJPD kann im Einverständnis mit den Kantonen festlegen, dass Angestellte kantonaler Behörden unter der Leitung des SEM Entscheide zuhanden des SEM vorbereiten.
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Art. 31a Entscheide des SEM 91
1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende: - a.
- in einen sicheren Drittstaat nach Artikel 6a Absatz 2 Buchstabe b zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
- b.
- in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist;
- c.
- in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
- d.
- in einen Drittstaat weiterreisen können, für welchen sie ein Visum besitzen und in welchem sie um Schutz nachsuchen können;
- e.
- in einen Drittstaat weiterreisen können, in dem Personen, zu denen sie enge Beziehungen haben, oder nahe Angehörige leben;
- f.92
- nach Artikel 31b in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden können.
2 Absatz 1 Buchstaben c–e findet keine Anwendung, wenn Hinweise bestehen, dass im Einzelfall im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung nach Artikel 5 Absatz 1 besteht. 3 Das SEM tritt auf ein Gesuch nicht ein, welches die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllt. Dies gilt namentlich, wenn das Asylgesuch ausschliesslich aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen eingereicht wird. 4 In den übrigen Fällen lehnt das SEM das Asylgesuch ab, wenn die Flüchtlingseigenschaft weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist oder ein Asylausschlussgrund nach den Artikeln 53 und 54 vorliegt.93
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Art. 31b Anerkennung von Asyl- und Wegweisungsentscheiden der Dublin-Staaten 94
1 Eine asylsuchende Person, gegen die in einem Staat, der durch eines der Dublin-Assoziierungsabkommen gebunden ist (Dublin-Staat), ein ablehnender Asyl- und ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid ergangen ist, kann nach den Voraussetzungen der Richtlinie 2001/40/EG95 direkt in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden, wenn: - a.
- der zuständige Dublin-Staat während längerer Zeit keine Wegweisungen in den Heimat- oder Herkunftsstaat der asylsuchenden Person vollzieht; und
- b.
- die Wegweisung aus der Schweiz voraussichtlich rasch vollzogen werden kann.
2 Das SEM holt bei den zuständigen Behörden des betroffenen Dublin-Staates die zum Vollzug der Wegweisung notwendigen Auskünfte ein und trifft die erforderlichen Absprachen. 94 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. Juli 2015 (AS 2015 1871; BBl 2014 3373). 95 Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen, ABl. L 149 vom 2.6.2001, S. 34.
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Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens 97
Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/201398 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde. 97 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 16. Dez. 2005 (AS 2006 4745; BBl 20026845). Fassung gemäss Anhang Ziff. I 2 des BB vom 26. Sept. 2014 (Übernahme der V[EU] Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist), in Kraft seit 1. Juli 2015 (AS 2015 1841; BBl 2014 2675). 98 Siehe Fussnote zu Art. 22 Abs. 1ter.
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Art. 36 Verfahren vor Entscheiden 99
1 Bei Nichteintretensentscheiden nach Artikel 31a Absatz 1 wird der asylsuchenden Person das rechtliche Gehör gewährt. Dasselbe gilt, wenn die asylsuchende Person: - a.
- die Behörden über ihre Identität täuscht und diese Täuschung aufgrund der Ergebnisse der erkennungsdienstlichen Behandlung oder anderer Beweismittel feststeht;
- b.
- ihr Gesuch massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt;
- c.
- ihre Mitwirkungspflicht schuldhaft auf andere Weise grob verletzt.
2 In den übrigen Fällen findet eine Anhörung nach Artikel 29 statt.
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Art. 37 Erstinstanzliche Verfahrensfristen 100
1 Entscheide im Dublin-Verfahren (Art. 26b) sind innerhalb von drei Arbeitstagen zu eröffnen, nachdem der angefragte Dublin-Staat dem Ersuchen um Überstellung nach den Artikeln 21 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 zugestimmt hat. 2 Entscheide im beschleunigten Verfahren (Art. 26c) sind innerhalb von acht Arbeitstagen nach Abschluss der Vorbereitungsphase zu eröffnen. 3 Liegen triftige Gründe vor und ist absehbar, dass der Entscheid im Zentrum des Bundes getroffen werden kann, so können die Fristen nach den Absätzen 1 und 2 um einige Tage überschritten werden. 4 Entscheide im erweiterten Verfahren (Art. 26d) sind innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Vorbereitungsphase zu treffen. 5 In den übrigen Fällen sind Nichteintretensentscheide innerhalb von fünf Arbeitstagen und Entscheide innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Gesuchstellung zu treffen. 6 Das SEM entscheidet ausserhalb der Reihe und unverzüglich, wenn die asylsuchende Person auf der Grundlage eines Ersuchens des Staates, vor welchem diese Schutz in der Schweiz sucht, in Auslieferungshaft ist. Dies gilt auch, wenn gegen sie eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis des Strafgesetzbuchs (StGB)102 oder Artikel 49a oder 49abis des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927103 (MStG) oder eine Ausweisung nach Artikel 68 AIG104 ausgesprochen wurde.105 100 Fassung gemäss Ziff. I, Abs. 4 und 6gemäss Ziff. IV 2 des BG vom 25. Sept. 2015, in Kraft seit 1. März 2019 (AS 2016 3101, 2018 2855; BBl 2014 7991). 101 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), Fassung gemäss ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31. 102 SR 311.0 103 SR 321.0 104 SR 142.20 105 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 25. Sept. 2020 über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus, in Kraft seit 1. Juni 2022 (AS 2021 565; 2022 300; BBl 2019 4751).
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Art. 37a Begründung 106
Nichteintretensentscheide sind summarisch zu begründen.
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Art. 37b Behandlungsstrategie des SEM 107
Das SEM legt in einer Behandlungsstrategie fest, welche Asylgesuche prioritär behandelt werden. Es berücksichtigt dabei insbesondere die gesetzlichen Behandlungsfristen, die Situation in den Herkunftsstaaten, die offensichtliche Begründetheit oder Unbegründetheit der Gesuche sowie das Verhalten der asylsuchenden Personen.
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Art. 39 Gewährung vorübergehenden Schutzes 109
Wird aufgrund der Befragung in einem Zentrum des Bundes oder der Anhörung offenkundig, dass Asylsuchende zu einer Gruppe Schutzbedürftiger nach Artikel 66 gehören, so wird ihnen vorübergehender Schutz gewährt.
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Art. 40 Ablehnung ohne weitere Abklärungen
1 Wird aufgrund der Anhörung offenkundig, dass Asylsuchende ihre Flüchtlingseigenschaft weder beweisen noch glaubhaft machen können und ihrer Wegweisung keine Gründe entgegenstehen, so wird das Gesuch ohne weitere Abklärungen abgelehnt. 2 Der Entscheid muss zumindest summarisch begründet werden.110
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Art. 41a Koordination mit dem Auslieferungsverfahren 112
Liegt gegen die asylsuchende Person ein Auslieferungsersuchen im Sinne des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981113 vor, so zieht das SEM für den Entscheid über das Asylgesuch die Akten aus dem Auslieferungsverfahren bei. 112 Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 1. Okt 2010 über die Koordination des Asyl- und des Auslieferungsverfahrens, in Kraft seit 1. April 2011 (AS 2011 925; BBl 2010 1467). 113 SR 351.1
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