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Art. 1
Angehörige eines Vertragsstaats und Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat haben, werden zur unentgeltlichen Rechtspflege in Zivil- und Handelssachen in jedem Vertragsstaat unter denselben Voraussetzungen zugelassen wie Angehörige dieses Staates, die dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Personen, auf die Absatz 1 keine Anwendung findet, die jedoch früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hatten, in dem ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll, werden gleichwohl unter den in Absatz 1 vorgesehenen Voraussetzungen zur unentgeltlichen Rechtspflege zugelassen, wenn der geltend gemachte Anspruch mit dem früheren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat in Zusammenhang steht. In Staaten, in denen die unentgeltliche Rechtspflege in verwaltungs-, sozial- oder steuerrechtlichen Verfahren gewährt wird, findet dieser Artikel auf Angelegenheiten Anwendung, die vor die hierfür zuständigen Gerichte gebracht werden.
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Art. 2
Artikel 1 findet auf die unentgeltliche Rechtsberatung Anwendung, wenn sich der Antragsteller in dem Staat aufhält, in dem sie beantragt wird.
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Art. 3
Jeder Vertragsstaat bestimmt eine zentrale Behörde, welche die ihr nach diesem Übereinkommen übermittelten Anträge auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege entgegennimmt und das Weitere veranlasst. Bundesstaaten und Staaten mit mehreren Rechtssystemen steht es frei, mehrere zentrale Behörden zu bestimmen. Ist die zentrale Behörde, der ein Antrag unterbreitet wird, nicht zuständig, so leitet sie ihn an die zuständige zentrale Behörde in demselben Vertragsstaat weiter.
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Art. 4
Jeder Vertragsstaat bestimmt eine oder mehrere Übermittlungsbehörden, welche die Anträge auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege an die im ersuchten Staat zuständige zentrale Behörde weiterleiten. Die Anträge auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege werden ohne Beteiligung einer weiteren Behörde unter Verwendung des diesem Übereinkommen beigefügten Musters übermittelt. Jedem Vertragsstaat steht es frei, einen Antrag auf diplomatischem Weg zu übermitteln.
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Art. 5
Befindet sich die Person, die unentgeltliche Rechtspflege begehrt, nicht im ersuchten Staat, so kann sie ihren Antrag einer Übermittlungsbehörde des Vertragsstaats vorlegen, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; alle sonstigen Übermittlungswege, die ihr zur Einreichung des Antrags bei der zuständigen Behörde des ersuchten Staates offen stehen, bleiben unberührt. Der Antrag ist nach dem Muster zu stellen, das diesem Übereinkommen beigefügt ist. Ihm sind alle notwendigen Schriftstücke beizufügen; dem ersuchten Staat bleibt vorbehalten, erforderlichenfalls ergänzende Angaben oder Schriftstücke zu verlangen. Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass seine zentrale Empfangsbehörde auch Anträge entgegennimmt, die ihr auf anderem Weg oder in anderer Weise übermittelt werden.
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Art. 6
Die Übermittlungsbehörde ist dem Antragsteller behilflich, um sicherzustellen, dass der Antrag alle Schriftstücke und Angaben umfasst, die nach Kenntnis dieser Behörde für seine Beurteilung notwendig sind. Sie prüft, ob die Formerfordernisse erfüllt sind. Die Übermittlungsbehörde kann die Weiterleitung des Antrags ablehnen, falls sie ihn für offensichtlich unbegründet hält. Sie ist dem Antragsteller gegebenenfalls beim Beschaffen einer kostenlosen Übersetzung der Schriftstücke behilflich. Sie beantwortet Anfragen, mit denen die zentrale Empfangsbehörde des ersuchten Staates ergänzende Angaben verlangt.
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Art. 7
Die Anträge auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege, die hierfür beizubringenden Schriftstücke sowie die Mitteilungen auf Anfragen, mit denen ergänzende Angaben verlangt werden, müssen in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des ersuchten Staates abgefasst oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet sein. Ist jedoch im ersuchenden Staat eine Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates nur schwer erhältlich, so nimmt dieser Staat Schriftstücke entgegen, die in französischer oder englischer Sprache abgefasst sind oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet sind. Mitteilungen, die von der zentralen Empfangsbehörde ausgehen, können in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des ersuchten Staates oder in Englisch oder Französisch abgefasst sein. Ist jedoch der von der Übermittlungsbehörde übersandte Antrag in Französisch oder Englisch abgefasst oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet, so werden die Mitteilungen der zentralen Empfangsbehörde ebenfalls in einer dieser Sprachen abgefasst. Übersetzungskosten, die durch die Anwendung der Absätze 1 bis 3 entstehen, werden vom ersuchenden Staat getragen. Kosten für Übersetzungen, die gegebenenfalls im ersuchten Staat erstellt werden, werden von diesem Staat getragen.
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Art. 8
Die zentrale Empfangsbehörde entscheidet über den Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege oder veranlasst das Erforderliche, damit die zuständige Behörde des ersuchten Staates über den Antrag entscheiden kann. Sie leitet Anfragen, mit denen ergänzende Angaben verlangt werden, an die Übermittlungsbehörde weiter und unterrichtet diese über Schwierigkeiten bei der Prüfung des Antrags sowie über die getroffene Entscheidung.
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Art. 9
Hat die Person, die unentgeltliche Rechtspflege begehrt, ihren Aufenthalt nicht in einem Vertragsstaat, so kann sie den Antrag auf dem konsularischen Weg einreichen; alle sonstigen Übermittlungswege, die ihr zur Einreichung des Antrags bei der zuständigen Behörde des ersuchten Staates offen stehen, bleiben unberührt. Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass seine zentrale Empfangsbehörde auch Anträge entgegennimmt, die ihr auf anderem Weg oder in anderer Weise übermittelt werden.
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Art. 10
Alle nach diesem Kapitel übermittelten Schriftstücke sind von der Beglaubigung oder jeder ähnlichen Förmlichkeit befreit.
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Art. 11
Die Übermittlung und die Entgegennahme von Anträgen auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie die Entscheidungen über solche Anträge nach diesem Kapitel sind kostenfrei.
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Art. 12
Die Anträge auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege sind mit der gebotenen Eile zu bearbeiten.
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Art. 13
Ist einer Person unentgeltliche Rechtspflege nach Artikel 1 bewilligt worden, so sind für Zustellungen jeglicher Art, die sich auf das Verfahren dieser Person beziehen und die in einem anderen Vertragsstaat zu bewirken sind, keine Kosten zu erstatten. Das gleiche gilt für Rechtshilfeersuchen und Sozialberichte mit Ausnahme der Entschädigungen, die an Sachverständige und Dolmetscher gezahlt werden. Ist einer Person nach Artikel 1 in einem Vertragsstaat unentgeltliche Rechtspflege für ein Verfahren bewilligt worden und ist in diesem Verfahren eine Entscheidung ergangen, so erhält diese Person ohne weitere Prüfung der Umstände die unentgeltliche Rechtspflege auch in jedem anderen Vertragsstaat, in dem sie die Anerkennung oder Vollstreckung dieser Entscheidung begehrt.
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