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Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil
des Sozialversicherungsrechts
(ATSG)

vom 6. Oktober 2000 (Stand am 1. Januar 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 112 Absatz 1, 114 Absatz 1 und 117 Absatz 1
der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in den Bericht einer Kommission des Ständerates
vom 27. September 19902
und in die Stellungnahmen des Bundesrates vom 17. April 19913,
vom 17. August 19944 und vom 26. Mai 19995
und in den Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des
Nationalrates vom 26. März 19996,

beschliesst:

1 SR 101

2 BBl 1991 II 185

3 BBl 1991 II 910

4 BBl 1994 V 921

5 Im Bundesblatt nicht veröffentlicht; siehe AB 1999 N 1241 und 1244.

6 BBl 1999 4523

1. Kapitel: Anwendungsbereich

Art. 1 Zweck und Gegenstand  

Die­ses Ge­setz ko­or­di­niert das So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht des Bun­des, in­dem es:

a.
Grund­sät­ze, Be­grif­fe und In­sti­tu­te des So­zi­al­ver­si­che­rungs­rechts de­fi­niert;
b.
ein ein­heit­li­ches So­zi­al­ver­si­che­rungs­ver­fah­ren fest­legt und die Rechts­pfle­ge re­gelt;
c.
die Leis­tun­gen auf­ein­an­der ab­stimmt;
d.
den Rück­griff der So­zi­al­ver­si­che­run­gen auf Drit­te ord­net.
Art. 2 Geltungsbereich und Verhältnis zu den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen  

Die Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes sind auf die bun­des­ge­setz­lich ge­re­gel­ten So­zi­al­ver­si­che­run­gen an­wend­bar, wenn und so­weit die ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­rungs­ge­set­ze es vor­se­hen.

2. Kapitel: Definitionen allgemeiner Begriffe

Art. 3 Krankheit  

1 Krank­heit ist je­de Be­ein­träch­ti­gung der kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder psy­chi­schen Ge­sund­heit, die nicht Fol­ge ei­nes Un­fal­les ist und die ei­ne me­di­zi­ni­sche Un­ter­su­chung oder Be­hand­lung er­for­dert oder ei­ne Ar­beits­un­fä­hig­keit zur Fol­ge hat.7

2 Als Ge­burts­ge­bre­chen gel­ten die­je­ni­gen Krank­hei­ten, die bei vollen­de­ter Ge­burt be­ste­hen.

7 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 21. März 2003 (4. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3837; BBl 2001 3205).

Art. 4 Unfall 8  

Un­fall ist die plötz­li­che, nicht be­ab­sich­tig­te schä­di­gen­de Ein­wir­kung ei­nes un­ge­wöhn­li­chen äus­se­ren Fak­tors auf den mensch­li­chen Kör­per, die ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder psy­chi­schen Ge­sund­heit oder den Tod zur Fol­ge hat.

8 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 21. März 2003 (4. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3837; BBl 2001 3205).

Art. 5 Mutterschaft  

Mut­ter­schaft um­fasst Schwan­ger­schaft und Nie­der­kunft so­wie die nach­fol­gen­de Er­ho­lungs­zeit der Mut­ter.

Art. 6 Arbeitsunfähigkeit  

Ar­beits­un­fä­hig­keit ist die durch ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder psy­chi­schen Ge­sund­heit be­ding­te, vol­le oder teil­wei­se Un­fä­hig­keit, im bis­he­ri­gen Be­ruf oder Auf­ga­ben­be­reich zu­mut­ba­re Ar­beit zu leis­ten.9 Bei lan­ger Dau­er wird auch die zu­mut­ba­re Tä­tig­keit in ei­nem an­de­ren Be­ruf oder Auf­ga­ben­be­reich be­rück­sich­tigt.

9 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 21. März 2003 (4. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3837; BBl 2001 3205).

Art. 7 Erwerbsunfähigkeit 10  

1Er­werbs­un­fä­hig­keit ist der durch Be­ein­träch­ti­gung der kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder psy­chi­schen Ge­sund­heit ver­ur­sach­te und nach zu­mut­ba­rer Be­hand­lung und Ein­glie­de­rung ver­blei­ben­de gan­ze oder teil­wei­se Ver­lust der Er­werbs­mög­lich­kei­ten auf dem in Be­tracht kom­men­den aus­ge­gli­che­nen Ar­beits­markt.

2 Für die Be­ur­tei­lung des Vor­lie­gens ei­ner Er­werbs­un­fä­hig­keit sind aus­sch­liess­lich die Fol­gen der ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gung zu be­rück­sich­ti­gen. Ei­ne Er­werbs­un­fä­hig­keit liegt zu­dem nur vor, wenn sie aus ob­jek­ti­ver Sicht nicht über­wind­bar ist.11

10 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 21. März 2003 (4. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3837; BBl 2001 3205).

11 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459).

Art. 8 Invalidität  

1 In­va­li­di­tät ist die vor­aus­sicht­lich blei­ben­de oder län­ge­re Zeit dau­ern­de gan­ze oder teil­wei­se Er­werbs­un­fä­hig­keit.

2 Nicht er­werbs­tä­ti­ge Min­der­jäh­ri­ge gel­ten als in­va­lid, wenn die Be­ein­träch­ti­gung ih­rer kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder psy­chi­schen Ge­sund­heit vor­aus­sicht­lich ei­ne gan­ze oder teil­wei­se Er­werbs­un­fä­hig­keit zur Fol­ge ha­ben wird.12

3 Voll­jäh­ri­ge, die vor der Be­ein­träch­ti­gung ih­rer kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder psy­chi­schen Ge­sund­heit nicht er­werbs­tä­tig wa­ren und de­nen ei­ne Er­werbs­tä­tig­keit nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann, gel­ten als in­va­lid, wenn ei­ne Un­mög­lich­keit vor­liegt, sich im bis­he­ri­gen Auf­ga­ben­be­reich zu be­tä­ti­gen. Ar­ti­kel 7 Ab­satz 2 ist sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.13 14

12 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 21. März 2003 (4. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3837; BBl 2001 3205).

13 Zwei­ter Satz ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459).

14 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 21. März 2003 (4. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2004 (AS 2003 3837; BBl 2001 3205).

Art. 9 Hilflosigkeit  

Als hilf­los gilt ei­ne Per­son, die we­gen der Be­ein­träch­ti­gung der Ge­sund­heit für all­täg­li­che Le­bens­ver­rich­tun­gen dau­ernd der Hil­fe Drit­ter oder der per­sön­li­chen Über­wa­chung be­darf.

Art. 10 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer  

Als Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer gel­ten Per­so­nen, die in un­selbst­stän­di­ger Stel­lung Ar­beit leis­ten und da­für mass­ge­ben­den Lohn nach dem je­wei­li­gen Ein­zel­ge­setz be­zie­hen.

Art. 11 Arbeitgeber  

Ar­beit­ge­ber ist, wer Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer be­schäf­tigt.

Art. 12 Selbstständigerwerbende  

1 Selbst­stän­di­g­er­wer­bend ist, wer Er­w­erb­sein­kom­men er­zielt, das nicht Ent­gelt für ei­ne als Ar­beit­neh­me­rin oder Ar­beit­neh­mer ge­leis­te­te Ar­beit dar­stellt.

2 Selbst­stän­di­g­er­wer­ben­de kön­nen gleich­zei­tig auch Ar­beit­neh­me­rin­nen oder Ar­beit­neh­mer sein, wenn sie ent­spre­chen­des Er­w­erb­sein­kom­men er­zie­len.

Art. 13 Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt  

1 Der Wohn­sitz ei­ner Per­son be­stimmt sich nach den Ar­ti­keln 23–26 des Zi­vil­ge­setz­bu­ches15.

2 Ih­ren ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt hat ei­ne Per­son an dem Ort, an dem sie wäh­rend län­ge­rer Zeit lebt, selbst wenn die­se Zeit zum Vorn­her­ein be­fris­tet ist.

Art. 13a Eingetragene Partnerschaft 16  

1 So­lan­ge ei­ne ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft dau­ert, ist sie im So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht ei­ner Ehe gleich­ge­stellt.

2 Stirbt ei­ne Part­ne­rin oder ein Part­ner, so ist die über­le­ben­de Per­son ei­nem Wit­wer gleich­ge­stellt.

3 Die ge­richt­li­che Auf­lö­sung ei­ner ein­ge­tra­ge­nen Part­ner­schaft ist ei­ner Schei­dung gleich­ge­stellt.

16 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 28 des Part­ner­schafts­ge­set­zes vom 18. Ju­ni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288).

3. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen über Leistungen und Beiträge

1. Abschnitt: Sachleistungen

Art. 14  

Sach­leis­tun­gen sind ins­be­son­de­re die Heil­be­hand­lung (Kran­ken­pfle­ge), die Hilfs­mit­tel, die in­di­vi­du­el­len Vor­sor­ge- und Ein­glie­de­rungs­mass­nah­men so­wie Auf­wen­dun­gen für Trans­por­te und ähn­li­che Leis­tun­gen, die von den ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen ge­schul­det oder er­stat­tet wer­den.

2. Abschnitt: Geldleistungen

Art. 15 Allgemeines  

Geld­leis­tun­gen sind ins­be­son­de­re Tag­gel­der, Ren­ten, jähr­li­che Er­gän­zungs­leis­tun­gen, Hilflo­sen­ent­schä­di­gun­gen und Zu­la­gen zu sol­chen, nicht aber der Er­satz für ei­ne von der Ver­si­che­rung zu er­brin­gen­de Sach­leis­tung.

Art. 16 Grad der Invalidität  

Für die Be­stim­mung des In­va­li­di­täts­gra­des wird das Er­w­erb­sein­kom­men, das die ver­si­cher­te Per­son nach Ein­tritt der In­va­li­di­tät und nach Durch­füh­rung der me­di­zi­ni­schen Be­hand­lung und all­fäl­li­ger Ein­glie­de­rungs­mass­nah­men durch ei­ne ihr zu­mut­ba­re Tä­tig­keit bei aus­ge­gli­che­ner Ar­beits­markt­la­ge er­zie­len könn­te, in Be­zie­hung ge­setzt zum Er­w­erb­sein­kom­men, das sie er­zie­len könn­te, wenn sie nicht in­va­lid ge­wor­den wä­re.

Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen  

1 Die In­va­li­den­ren­te wird von Am­tes we­gen oder auf Ge­such hin für die Zu­kunft er­höht, her­ab­ge­setzt oder auf­ge­ho­ben, wenn der In­va­li­di­täts­grad ei­ner Ren­ten­be­zü­ge­rin oder ei­nes Ren­ten­be­zü­gers sich:

a.
um min­des­tens fünf Pro­zent­punk­te än­dert; oder
b.
auf 100 Pro­zent er­höht.17

2 Auch je­de an­de­re for­mell rechts­kräf­tig zu­ge­spro­che­ne Dau­er­leis­tung wird von Am­tes we­gen oder auf Ge­such hin er­höht, her­ab­ge­setzt oder auf­ge­ho­ben, wenn sich der ihr zu Grun­de lie­gen­de Sach­ver­halt nach­träg­lich er­heb­lich ver­än­dert hat.

17 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 1 des BG vom 19. Ju­ni 2020 (Wei­ter­ent­wick­lung der IV), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 705; BBl 2017 2535).

Art. 18 Höchstbetrag des versicherten Verdienstes  

Für So­zi­al­ver­si­che­run­gen mit Geld­leis­tun­gen, die ge­setz­lich in Pro­zen­ten des ver­si­cher­ten Ver­diens­tes fest­ge­setzt sind, be­stimmt der Bun­des­rat des­sen Höchst­be­trag.

Art. 19 Auszahlung von Geldleistungen  

1 Die pe­ri­odi­schen Geld­leis­tun­gen wer­den in der Re­gel mo­nat­lich aus­be­zahlt.

2 Tag­gel­der und ähn­li­che Ent­schä­di­gun­gen kom­men in dem Aus­mass dem Ar­beit­ge­ber zu, als er der ver­si­cher­ten Per­son trotz der Tag­geld­be­rech­ti­gung Lohn zahlt.

3 Ren­ten und Hilflo­sen­ent­schä­di­gun­gen wer­den stets für den gan­zen Ka­len­der­mo­nat im Vor­aus aus­be­zahlt. Ei­ne Leis­tung, die ei­ne vor­an­ge­hen­de ab­löst, wird erst für den Fol­ge­mo­nat aus­ge­rich­tet.

4 Er­scheint der An­spruch auf Leis­tun­gen nach­ge­wie­sen und ver­zö­gert sich de­ren Aus­rich­tung, so kön­nen Vor­schuss­zah­lun­gen aus­ge­rich­tet wer­den.

Art. 20 Gewährleistung zweckgemässer Verwendung  

1 Geld­leis­tun­gen kön­nen ganz oder teil­wei­se ei­nem ge­eig­ne­ten Drit­ten oder ei­ner Be­hör­de aus­be­zahlt wer­den, der oder die der be­rech­tig­ten Per­son ge­gen­über ge­setz­lich oder sitt­lich un­ter­stüt­zungs­pflich­tig ist oder die­se dau­ernd für­sor­ge­risch be­treut, so­fern:

a.
die be­rech­tig­te Per­son die Geld­leis­tun­gen nicht für den ei­ge­nen Un­ter­halt oder für den Un­ter­halt von Per­so­nen, für die sie zu sor­gen hat, ver­wen­det oder da­zu nach­weis­bar nicht im Stan­de ist; und
b.
die be­rech­tig­te Per­son oder Per­so­nen, für die sie zu sor­gen hat, aus ei­nem Grund nach Buch­sta­be a auf die Hil­fe der öf­fent­li­chen oder pri­va­ten Für­sor­ge an­ge­wie­sen sind.

2 Die­se Drit­ten oder die­se Be­hör­de kön­nen die Leis­tun­gen, die ih­nen aus­be­zahlt wer­den, nicht mit For­de­run­gen ge­gen­über der be­rech­tig­ten Per­son ver­rech­nen. Aus­ge­nom­men ist die Ver­rech­nung bei Nach­zah­lun­gen von Leis­tun­gen im Sin­ne von Ar­ti­kel 22 Ab­satz 2.

3. Abschnitt: Kürzung und Verweigerung von Leistungen

Art. 21  

1 Hat die ver­si­cher­te Per­son den Ver­si­che­rungs­fall vor­sätz­lich oder bei vor­sätz­li­cher Aus­übung ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens her­bei­ge­führt oder ver­schlim­mert, so kön­nen ihr die Geld­leis­tun­gen vor­über­ge­hend oder dau­ernd ge­kürzt oder in schwe­ren Fäl­len ver­wei­gert wer­den.

2 Geld­leis­tun­gen für An­ge­hö­ri­ge oder Hin­ter­las­se­ne wer­den nur ge­kürzt oder ver­wei­gert, wenn die­se den Ver­si­che­rungs­fall vor­sätz­lich oder bei vor­sätz­li­cher Aus­übung ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens her­bei­ge­führt ha­ben.

3 So­weit So­zi­al­ver­si­che­run­gen mit Er­w­erb­ser­satz­cha­rak­ter kei­ne Geld­leis­tun­gen für An­ge­hö­ri­ge vor­se­hen, kann höchs­tens die Hälf­te der Geld­leis­tun­gen nach Ab­satz 1 ge­kürzt wer­den. Für die an­de­re Hälf­te bleibt die Kür­zung nach Ab­satz 2 vor­be­hal­ten.

4 Ent­zieht oder wi­der­setzt sich ei­ne ver­si­cher­te Per­son ei­ner zu­mut­ba­ren Be­hand­lung oder Ein­glie­de­rung ins Er­werbs­le­ben, die ei­ne we­sent­li­che Ver­bes­se­rung der Er­werbs­fä­hig­keit oder ei­ne neue Er­werbs­mög­lich­keit ver­spricht, oder trägt sie nicht aus ei­ge­nem An­trieb das ihr Zu­mut­ba­re da­zu bei, so kön­nen ihr die Leis­tun­gen vor­über­ge­hend oder dau­ernd ge­kürzt oder ver­wei­gert wer­den. Sie muss vor­her schrift­lich ge­mahnt und auf die Rechts­fol­gen hin­ge­wie­sen wer­den; ihr ist ei­ne an­ge­mes­se­ne Be­denk­zeit ein­zuräu­men. Be­hand­lungs- oder Ein­glie­de­rungs­mass­nah­men, die ei­ne Ge­fahr für Le­ben und Ge­sund­heit dar­stel­len, sind nicht zu­mut­bar.

5 Be­fin­det sich die ver­si­cher­te Per­son im Straf- oder Mass­nah­men­voll­zug, so kann wäh­rend die­ser Zeit die Aus­zah­lung von Geld­leis­tun­gen mit Er­w­erb­ser­satz­cha­rak­ter ganz oder teil­wei­se ein­ge­stellt wer­den. Ent­zieht sich die ver­si­cher­te Per­son dem Straf- oder Mass­nah­men­voll­zug, so wird die Aus­zah­lung ab dem Zeit­punkt ein­ge­stellt, in dem der Straf- oder Mass­nah­men­voll­zug hät­te be­gin­nen sol­len.Aus­ge­nom­men sind die Geld­leis­tun­gen für An­ge­hö­ri­ge im Sin­ne von Ab­satz 3.18

18 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

4. Abschnitt: Spezielle Bestimmungen

Art. 22 Sicherung der Leistung  

1 Der An­spruch auf Leis­tun­gen ist we­der ab­tret­bar noch ver­pfänd­bar. Je­de Ab­tre­tung oder Ver­pfän­dung ist nich­tig.

2 Nach­zah­lun­gen von Leis­tun­gen des So­zi­al­ver­si­che­rers kön­nen je­doch ab­ge­tre­ten wer­den:

a.
dem Ar­beit­ge­ber oder der öf­fent­li­chen oder pri­va­ten Für­sor­ge, so­weit die­se Vor­schuss­zah­lun­gen leis­ten;
b.
ei­ner Ver­si­che­rung, die Vor­leis­tun­gen er­bringt.
Art. 23 Verzicht auf Leistungen  

1 Die be­rech­tig­te Per­son kann auf Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen ver­zich­ten. Sie kann den Ver­zicht je­der­zeit mit Wir­kung für die Zu­kunft wi­der­ru­fen. Ver­zicht und Wi­der­ruf sind schrift­lich zu er­klä­ren.

2 Ver­zicht und Wi­der­ruf sind nich­tig, wenn die schutz­wür­di­gen In­ter­es­sen von an­dern Per­so­nen, von Ver­si­che­run­gen oder Für­sor­ge­stel­len be­ein­träch­tigt wer­den oder wenn da­mit ei­ne Um­ge­hung ge­setz­li­cher Vor­schrif­ten bezweckt wird.

3 Der Ver­si­che­rer hat der be­rech­tig­ten Per­son Ver­zicht und Wi­der­ruf schrift­lich zu be­stä­ti­gen. In der Be­stä­ti­gung sind Ge­gen­stand, Um­fang und Fol­gen des Ver­zichts und des Wi­der­rufs fest­zu­hal­ten.

Art. 24 Erlöschen des Anspruchs  

1 Der An­spruch auf aus­ste­hen­de Leis­tun­gen oder Bei­trä­ge er­lischt fünf Jah­re nach dem En­de des Mo­nats, für wel­chen die Leis­tung, und fünf Jah­re nach dem En­de des Ka­len­der­jah­res, für wel­ches der Bei­trag ge­schul­det war.

2 Hat sich ei­ne bei­trags­pflich­ti­ge Per­son ih­ren Ver­pflich­tun­gen durch ei­ne straf­ba­re Hand­lung ent­zo­gen, für die das Straf­recht ei­ne län­ge­re Ver­jäh­rungs­frist fest­setzt, so ist für das Er­lö­schen der Bei­trags­for­de­rung die­se Frist mass­ge­bend.

Art. 25 Rückerstattung  

1 Un­recht­mäs­sig be­zo­ge­ne Leis­tun­gen sind zu­rück­zu­er­stat­ten. Wer Leis­tun­gen in gu­tem Glau­ben emp­fan­gen hat, muss sie nicht zu­rück­er­stat­ten, wenn ei­ne gros­se Här­te vor­liegt.

2 Der Rück­for­de­rungs­an­spruch er­lischt drei Jah­re, nach­dem die Ver­si­che­rungs­ein­rich­tung da­von Kennt­nis er­hal­ten hat, spä­tes­tens aber fünf Jah­re seit der Aus­zah­lung der ein­zel­nen Leis­tung.19 Wird der Rück­­er­stat­tungs­an­spruch aus ei­ner straf­ba­ren Hand­lung her­ge­lei­tet, für wel­che das Straf­recht ei­ne län­ge­re Ver­jäh­rungs­frist vor­sieht, so ist die­se Frist mass­ge­bend.

3 Zu­viel be­zahl­te Bei­trä­ge kön­nen zu­rück­ge­for­dert wer­den. Der An­spruch er­lischt mit dem Ab­lauf ei­nes Jah­res, nach­dem der Bei­trags­pflich­ti­ge von sei­nen zu ho­hen Zah­lun­gen Kennt­nis er­hal­ten hat, spä­tes­tens aber fünf Jah­re nach Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res, in dem die Bei­trä­ge be­zahlt wur­den.

19 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 26 Verzugs- und Vergütungszinsen  

1 Für fäl­li­ge Bei­trags­for­de­run­gen und Bei­trags­rück­er­stat­tungs­an­sprü­che sind Ver­zugs- und Ver­gü­tungs­zin­sen zu leis­ten. Der Bun­des­rat kann für ge­rin­ge Be­trä­ge und kurz­fris­ti­ge Aus­stän­de Aus­nah­men vor­se­hen.

2 So­fern die ver­si­cher­te Per­son ih­rer Mit­wir­kungs­pflicht voll­um­fäng­lich nach­ge­kom­men ist, wer­den die So­zi­al­ver­si­che­run­gen für ih­re Leis­tun­gen nach Ab­lauf von 24 Mo­na­ten nach der Ent­ste­hung des An­spruchs, frü­he­s­tens aber 12 Mo­na­te nach des­sen Gel­tend­ma­chung ver­zugs­zins­pflich­tig.

3 Kei­ne Ver­zugs­zins­pflicht ent­steht durch Ver­zö­ge­run­gen, die von aus­län­di­schen Ver­si­che­rungs­trä­gern ver­ur­sacht wer­den.20

4 Kei­nen An­spruch auf Ver­zugs­zin­sen ha­ben:

a.
die be­rech­tig­te Per­son oder de­ren Er­ben, wenn die Nach­zah­lung an Drit­te er­folgt;
b.
Drit­te, wel­che Vor­schuss­zah­lun­gen oder Vor­leis­tun­gen nach Ar­ti­kel 22 Ab­satz 2 er­bracht ha­ben und de­nen die Nach­zah­lun­gen ab­ge­tre­ten wor­den sind;
c.
an­de­re So­zi­al­ver­si­che­run­gen, wel­che Vor­leis­tun­gen nach Ar­ti­kel 70 er­bracht ha­ben.21

20 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459).

21 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459).

4. Kapitel: Allgemeine Verfahrensbestimmungen

1. Abschnitt: Auskunft, Verwaltungshilfe, Schweigepflicht

Art. 27 Aufklärung und Beratung  

1 Die Ver­si­che­rungs­trä­ger und Durch­füh­rungs­or­ga­ne der ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen sind ver­pflich­tet, im Rah­men ih­res Zu­stän­dig­keits­be­rei­ches die in­ter­es­sier­ten Per­so­nen über ih­re Rech­te und Pflich­ten auf­zu­klä­ren.

2 Je­de Per­son hat An­spruch auf grund­sätz­lich un­ent­gelt­li­che Be­ra­tung über ih­re Rech­te und Pflich­ten. Da­für zu­stän­dig sind die Ver­si­che­rungs­trä­ger, de­nen ge­gen­über die Rech­te gel­tend zu ma­chen oder die Pflich­ten zu er­fül­len sind. Für Be­ra­tun­gen, die auf­wen­di­ge Nach­for­schun­gen er­for­dern, kann der Bun­des­rat die Er­he­bung von Ge­büh­ren vor­se­hen und den Ge­büh­ren­ta­rif fest­le­gen.

3 Stellt ein Ver­si­che­rungs­trä­ger fest, dass ei­ne ver­si­cher­te Per­son oder ih­re An­ge­hö­ri­gen Leis­tun­gen an­de­rer So­zi­al­ver­si­che­run­gen be­an­spru­chen kön­nen, so gibt er ih­nen un­ver­züg­lich da­von Kennt­nis.

Art. 28 Mitwirkung beim Vollzug  

1 Die Ver­si­cher­ten und ih­re Ar­beit­ge­ber ha­ben beim Voll­zug der So­zi­al­ver­si­che­rungs­ge­set­ze un­ent­gelt­lich mit­zu­wir­ken.

2 Wer Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen be­an­sprucht, muss un­ent­gelt­lich al­le Aus­künf­te er­tei­len, die zur Ab­klä­rung des An­spruchs, zur Fest­set­zung der Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen und zur Durch­set­zung des Re­gress­an­spruchs er­for­der­lich sind.22

3 Per­so­nen, die Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen be­an­spru­chen, ha­ben al­le be­trof­fe­nen Per­so­nen und Stel­len, na­ment­lich Ar­beit­ge­ber, Ärz­tin­nen und Ärz­te, Ver­si­che­run­gen so­wie Amts­stel­len im Ein­zel­fall zu er­mäch­ti­gen, die Aus­künf­te zu er­tei­len, die für die Ab­klä­rung des Leis­tungs­an­spruchs und für die Durch­set­zung des Re­gress­an­spruchs er­for­der­lich sind.23 Die­se Per­so­nen und Stel­len sind zur Aus­kunft ver­pflich­tet.

22 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

23 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 29 Geltendmachung des Leistungsanspruchs  

1 Wer ei­ne Ver­si­che­rungs­leis­tung be­an­sprucht, hat sich beim zu­stän­di­gen Ver­si­che­rungs­trä­ger in der für die je­wei­li­ge So­zi­al­ver­si­che­rung gül­ti­gen Form an­zu­mel­den.

2 Für die An­mel­dung und zur Ab­klä­rung des An­spru­ches auf Leis­tun­gen ge­ben die Ver­si­che­rungs­trä­ger un­ent­gelt­lich For­mu­la­re ab, die vom An­spre­cher oder sei­nem Ar­beit­ge­ber und al­len­falls vom be­han­deln­den Arzt voll­stän­dig und wahr­heits­ge­treu aus­zu­fül­len und dem zu­stän­di­gen Ver­si­che­rungs­trä­ger zu­zu­stel­len sind.

3 Wird ei­ne An­mel­dung nicht form­ge­recht oder bei ei­ner un­zu­stän­di­gen Stel­le ein­ge­reicht, so ist für die Ein­hal­tung der Fris­ten und für die an die An­mel­dung ge­knüpf­ten Rechts­wir­kun­gen trotz­dem der Zeit­punkt mass­ge­bend, in dem sie der Post über­ge­ben oder bei der un­zu­stän­di­gen Stel­le ein­ge­reicht wird.

Art. 30 Weiterleitungspflicht  

Al­le Stel­len, die mit der Durch­füh­rung der So­zi­al­ver­si­che­rung be­traut sind, ha­ben ver­se­hent­lich an sie ge­lang­te An­mel­dun­gen, Ge­su­che und Ein­ga­ben ent­ge­gen­zu­neh­men. Sie hal­ten das Da­tum der Ein­rei­chung fest und lei­ten die ent­spre­chen­den Un­ter­la­gen an die zu­stän­di­ge Stel­le wei­ter.

Art. 31 Meldung bei veränderten Verhältnissen  

1 Je­de we­sent­li­che Än­de­rung in den für ei­ne Leis­tung mass­ge­ben­den Ver­hält­nis­sen ist von den Be­zü­ge­rin­nen und Be­zü­gern, ih­ren An­ge­hö­ri­gen oder Drit­ten, de­nen die Leis­tung zu­kommt, dem Ver­si­che­rungs­trä­ger oder dem je­weils zu­stän­di­gen Durch­füh­rungs­or­gan zu mel­den.

2 Er­hält ei­ne an der Durch­füh­rung der So­zi­al­ver­si­che­rung be­tei­lig­te Per­son oder Stel­le Kennt­nis da­von, dass sich die für die Leis­tung mass­ge­ben­den Ver­hält­nis­se ge­än­dert ha­ben, so ist dies dem Ver­si­che­rungs­trä­ger zu mel­den.

Art. 32 Amts- und Verwaltungshilfe  

1 Die Ver­wal­tungs- und Rechts­pfle­ge­be­hör­den des Bun­des, der Kan­to­ne, Be­zir­ke, Krei­se und Ge­mein­den ge­ben den Or­ga­nen der ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen auf schrift­li­che und be­grün­de­te An­fra­ge im Ein­zel­fall kos­ten­los die­je­ni­gen Da­ten be­kannt, die er­for­der­lich sind für:

a.24
die Fest­set­zung, Än­de­rung oder Rück­for­de­rung von Leis­tun­gen;
b.
die Ver­hin­de­rung un­ge­recht­fer­tig­ter Be­zü­ge;
c.
die Fest­set­zung und den Be­zug der Bei­trä­ge;
d.
den Rück­griff auf haft­pflich­ti­ge Drit­te.

2 Un­ter den glei­chen Be­din­gun­gen leis­ten die Or­ga­ne der ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen ein­an­der Ver­wal­tungs­hil­fe.

2bis Er­fah­ren die Or­ga­ne ei­ner So­zi­al­ver­si­che­rung, die Ver­wal­tungs- und Rechts­pfle­ge­be­hör­den des Bun­des, der Kan­to­ne, Be­zir­ke, Krei­se oder Ge­mein­den im Rah­men ih­rer Funk­tio­nen, dass ei­ne ver­si­cher­te Per­son un­ge­recht­fer­tig­te Leis­tun­gen be­zieht, so kön­nen sie die Or­ga­ne der be­trof­fe­nen So­zi­al­ver­si­che­rung so­wie der be­trof­fe­nen Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen dar­über in­for­mie­ren.25

3 Die Stel­len nach Ar­ti­kel 75a ge­ben sich ge­gen­sei­tig die­je­ni­gen Da­ten be­kannt, die zur Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben nach An­hang II des Ab­kom­mens vom 21. Ju­ni 199926 zwi­schen der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft ei­ner­seits und der Eu­ro­päi­schen Ge­mein­schaft und ih­ren Mit­glied­staa­ten an­de­rer­seits über die Frei­zü­gig­keit (Frei­zü­gig­keits­ab­kom­men) so­wie an­de­rer in­ter­na­tio­na­ler Ab­kom­men über die so­zia­le Si­cher­heit not­wen­dig sind.27

24 Die Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 3. Nov. 2021, pu­bli­ziert am 10. Nov. 2021 be­trifft nur den ita­lie­ni­schen Text (AS 2021 658).

25 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 1 des BG vom 19. Ju­ni 2020 (Wei­ter­ent­wick­lung der IV), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 705; BBl 2017 2535).

26 SR 0.142.112.681

27 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 33 Schweigepflicht  

Per­so­nen, die an der Durch­füh­rung so­wie der Kon­trol­le oder der Be­auf­sich­ti­gung der Durch­füh­rung der So­zi­al­ver­si­che­rungs­ge­set­ze be­tei­ligt sind, ha­ben ge­gen­über Drit­ten Ver­schwie­gen­heit zu be­wah­ren.

2. Abschnitt: Sozialversicherungsverfahren

Art. 34 Parteien  

Als Par­tei­en gel­ten Per­so­nen, die aus der So­zi­al­ver­si­che­rung Rech­te oder Pflich­ten ab­lei­ten, so­wie Per­so­nen, Or­ga­ni­sa­tio­nen oder Be­hör­den, de­nen ein Rechts­mit­tel ge­gen die Ver­fü­gung ei­nes Ver­si­che­rungs­trä­gers oder ei­nes ihm gleich­ge­stell­ten Durch­füh­rungs­or­gans zu­steht.

Art. 35 Zuständigkeit  

1 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger prüft sei­ne Zu­stän­dig­keit von Am­tes we­gen.

2 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger, der sich als zu­stän­dig er­ach­tet, stellt dies durch Ver­fü­gung fest, wenn ei­ne Par­tei die Zu­stän­dig­keit be­strei­tet.

3 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger, der sich als un­zu­stän­dig er­ach­tet, tritt durch Ver­fü­gung auf die Sa­che nicht ein, wenn ei­ne Par­tei die Zu­stän­dig­keit be­haup­tet.

Art. 36 Ausstand  

1 Per­so­nen, die Ent­schei­dun­gen über Rech­te und Pflich­ten zu tref­fen oder vor­zu­be­rei­ten ha­ben, tre­ten in Aus­stand, wenn sie in der Sa­che ein per­sön­li­ches In­ter­es­se ha­ben oder aus an­de­ren Grün­den in der Sa­che be­fan­gen sein könn­ten.

2 Ist der Aus­stand strei­tig, so ent­schei­det die Auf­sichts­be­hör­de. Han­delt es sich um den Aus­stand ei­nes Mit­glie­des ei­nes Kol­le­gi­ums, so ent­schei­det das Kol­le­gi­um un­ter Aus­schluss des be­tref­fen­den Mit­glie­des.

Art. 37 Vertretung und Verbeiständung  

1 Die Par­tei kann sich, wenn sie nicht per­sön­lich zu han­deln hat, je­der­zeit ver­tre­ten oder, so­weit die Dring­lich­keit ei­ner Un­ter­su­chung es nicht aus­sch­liesst, ver­bei­stän­den las­sen.

2 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann die Ver­tre­tung auf­for­dern, sich durch schrift­li­che Voll­macht aus­zu­wei­sen.

3 So­lan­ge die Par­tei die Voll­macht nicht wi­der­ruft, macht der Ver­si­che­rungs­trä­ger sei­ne Mit­tei­lun­gen an die Ver­tre­tung.

4 Wo die Ver­hält­nis­se es er­for­dern, wird der ge­such­stel­len­den Per­son ein un­ent­gelt­li­cher Rechts­bei­stand be­wil­ligt.

Art. 38 Berechnung und Stillstand der Fristen  

1 Be­rech­net sich ei­ne Frist nach Ta­gen oder Mo­na­ten und be­darf sie der Mit­tei­lung an die Par­tei­en, so be­ginnt sie am Tag nach ih­rer Mit­tei­lung zu lau­fen.

2 Be­darf sie nicht der Mit­tei­lung an die Par­tei­en, so be­ginnt sie am Tag nach ih­rer Aus­lö­sung zu lau­fen.

2bis Ei­ne Mit­tei­lung, die nur ge­gen Un­ter­schrift des Adres­sa­ten be­zie­hungs­wei­se der Adres­sa­tin oder ei­ner an­de­ren be­rech­tig­ten Per­son über­bracht wird, gilt spä­tes­tens am sie­ben­ten Tag nach dem ers­ten er­folg­lo­sen Zu­stel­lungs­ver­such als er­folgt.28

3 Ist der letz­te Tag der Frist ein Sams­tag, ein Sonn­tag oder ein vom Bun­des­recht oder vom kan­to­na­len Recht an­er­kann­ter Fei­er­tag, so en­det sie am nächst­fol­gen­den Werk­tag. Mass­ge­bend ist das Recht des Kan­tons, in dem die Par­tei oder ihr Ver­tre­ter be­zie­hungs­wei­se ih­re Ver­tre­te­rin Wohn­sitz oder Sitz hat.29

4 Ge­setz­li­che oder be­hörd­li­che Fris­ten, die nach Ta­gen oder Mo­na­ten be­stimmt sind, ste­hen still:

a.
vom sieb­ten Tag vor Os­tern bis und mit dem sieb­ten Tag nach Os­tern;
b.
vom 15. Ju­li bis und mit dem 15. Au­gust;
c.30
vom 18. De­zem­ber bis und mit dem 2. Ja­nu­ar.

28 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 106 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

29 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 106 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

30 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 106 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

Art. 39 Einhaltung der Fristen  

1 Schrift­li­che Ein­ga­ben müs­sen spä­tes­tens am letz­ten Tag der Frist dem Ver­si­che­rungs­trä­ger ein­ge­reicht oder zu des­sen Han­den der Schwei­ze­ri­schen Post oder ei­ner schwei­ze­ri­schen di­plo­ma­ti­schen oder kon­su­la­ri­schen Ver­tre­tung über­ge­ben wer­den.

2 Ge­langt die Par­tei recht­zei­tig an einen un­zu­stän­di­gen Ver­si­che­rungs­trä­ger, so gilt die Frist als ge­wahrt.

Art. 40 Fristerstreckung und Säumnisfolgen  

1 Ei­ne ge­setz­li­che Frist kann nicht er­streckt wer­den.

2 Setzt der Ver­si­che­rungs­trä­ger ei­ne Frist für ei­ne be­stimm­te Hand­lung an, so droht er gleich­zei­tig die Fol­gen ei­nes Ver­säum­nis­ses an. An­de­re als die an­ge­droh­ten Fol­gen tre­ten nicht ein.

3 Ei­ne vom Ver­si­che­rungs­trä­ger an­ge­setz­te Frist kann aus zu­rei­chen­den Grün­den er­streckt wer­den, wenn die Par­tei vor Ab­lauf der Frist dar­um nach­sucht.

Art. 41 Wiederherstellung der Frist 31  

Ist die ge­such­stel­len­de Per­son oder ih­re Ver­tre­tung un­ver­schul­de­ter­wei­se ab­ge­hal­ten wor­den, bin­nen Frist zu han­deln, so wird die­se wie­der her­ge­stellt, so­fern sie un­ter An­ga­be des Grun­des in­nert 30 Ta­gen nach Weg­fall des Hin­der­nis­ses dar­um er­sucht und die ver­säum­te Rechts­hand­lung nach­holt.

31 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 106 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

Art. 42 Rechtliches Gehör  

Die Par­tei­en ha­ben An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör. Sie müs­sen nicht an­ge­hört wer­den vor Ver­fü­gun­gen, die durch Ein­spra­che an­fecht­bar sind.

Art. 43 Abklärung  

1 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger prüft die Be­geh­ren, nimmt die not­wen­di­gen Ab­klä­run­gen von Am­tes we­gen vor und holt die er­for­der­li­chen Aus­künf­te ein. Münd­lich er­teil­te Aus­künf­te sind schrift­lich fest­zu­hal­ten.

1bis Der Ver­si­che­rungs­trä­ger be­stimmt die Art und den Um­fang der not­wen­di­gen Ab­klä­run­gen.32

2 So­weit ärzt­li­che oder fach­li­che Un­ter­su­chun­gen für die Be­ur­tei­lung not­wen­dig und zu­mut­bar sind, hat sich die ver­si­cher­te Per­son die­sen zu un­ter­zie­hen.

3 Kom­men die ver­si­cher­te Per­son oder an­de­re Per­so­nen, die Leis­tun­gen be­an­spru­chen, den Aus­kunfts- oder Mit­wir­kungs­pflich­ten in un­ent­schuld­ba­rer Wei­se nicht nach, so kann der Ver­si­che­rungs­trä­ger auf Grund der Ak­ten ver­fü­gen oder die Er­he­bun­gen ein­stel­len und Nicht­ein­tre­ten be­schlies­sen. Er muss die­se Per­so­nen vor­her schrift­lich mah­nen und auf die Rechts­fol­gen hin­wei­sen; ih­nen ist ei­ne an­ge­mes­se­ne Be­denk­zeit ein­zuräu­men.

32 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 1 des BG vom 19. Ju­ni 2020 (Wei­ter­ent­wick­lung der IV), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 705; BBl 2017 2535).

Art. 43a Observation 33  

1 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann ei­ne ver­si­cher­te Per­son ver­deckt ob­ser­vie­ren und da­bei Bild- und Tonauf­zeich­nun­gen ma­chen und tech­ni­sche In­stru­men­te zur Stand­ort­be­stim­mung ein­set­zen, wenn:

a.
auf­grund kon­kre­ter An­halts­punk­te an­zu­neh­men ist, dass die ver­si­cher­te Per­son un­recht­mäs­sig Leis­tun­gen be­zieht oder zu er­hal­ten ver­sucht; und
b.
die Ab­klä­run­gen sonst aus­sichts­los wä­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­den.

2 Für die An­ord­nung der Ob­ser­va­ti­on ist ei­ne Per­son mit Di­rek­ti­ons­funk­ti­on im fall­be­ar­bei­ten­den Be­reich oder im Be­reich Leis­tun­gen des Ver­si­che­rungs­trä­gers zu­stän­dig.

3 Der Ein­satz von tech­ni­schen In­stru­men­ten zur Stand­ort­be­stim­mung ist ge­neh­mi­gungs­pflich­tig.

4 Die ver­si­cher­te Per­son darf nur ob­ser­viert wer­den, wenn sie sich:

a.
an ei­nem all­ge­mein zu­gäng­li­chen Ort be­fin­det; oder
b.
an ei­nem Ort be­fin­det, der von ei­nem all­ge­mein zu­gäng­li­chen Ort aus frei ein­seh­bar ist.

5 Ei­ne Ob­ser­va­ti­on darf an höchs­tens 30 Ta­gen in­ner­halb von sechs Mo­na­ten ab dem ers­ten Ob­ser­va­ti­ons­tag statt­fin­den. Die­ser Zeit­raum kann um höchs­tens wei­te­re sechs Mo­na­te ver­län­gert wer­den, wenn hin­rei­chen­de Grün­de da­für be­ste­hen.

6 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann ex­ter­ne Spe­zia­lis­tin­nen und Spe­zia­lis­ten mit der Ob­ser­va­ti­on be­auf­tra­gen. Die­se un­ter­lie­gen der Schwei­ge­pflicht nach Ar­ti­kel 33 und dür­fen die ge­sam­mel­ten In­for­ma­tio­nen aus­sch­liess­lich im Rah­men ih­res Auf­trags ver­wen­den. Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann das Ma­te­ri­al ei­ner Ob­ser­va­ti­on, die von ei­nem an­de­ren Ver­si­che­rungs­trä­ger oder ei­nem Ver­si­che­rer nach dem Ver­si­che­rungs­auf­sichts­ge­setz vom 17. De­zem­ber 200434 selbst oder in de­ren Auf­trag durch­ge­führt wur­de, ver­wen­den, wenn bei der Ob­ser­va­ti­on die Vor­aus­set­zun­gen nach den Ab­sät­zen 1–5 er­füllt wa­ren.

7 Spä­tes­tens vor Er­lass der Ver­fü­gung über die Leis­tung in­for­miert der Ver­si­che­rungs­trä­ger die be­trof­fe­ne Per­son über den Grund, die Art und die Dau­er der er­folg­ten Ob­ser­va­ti­on.

8 Konn­ten die An­halts­punk­te nach Ab­satz 1 Buch­sta­be a durch die Ob­ser­va­ti­on nicht be­stä­tigt wer­den, so:

a.
er­lässt der Ver­si­che­rungs­trä­ger ei­ne Ver­fü­gung über den Grund, die Art und die Dau­er der er­folg­ten Ob­ser­va­ti­on;
b.
ver­nich­tet der Ver­si­che­rungs­trä­ger nach Rechts­kraft der Ver­fü­gung das Ob­ser­va­ti­ons­ma­te­ri­al, so­fern die ver­si­cher­te Per­son nicht aus­drück­lich be­an­tragt hat, dass das Ob­ser­va­ti­ons­ma­te­ri­al in den Ak­ten ver­bleibt.

9 Der Bun­des­rat re­gelt:

a.
das Ver­fah­ren zur Ein­sicht­nah­me des voll­stän­di­gen Ob­ser­va­ti­ons­ma­te­ri­als durch die ver­si­cher­te Per­son;
b.
die Auf­be­wah­rung und Ver­nich­tung des Ob­ser­va­ti­ons­ma­te­ri­als;
c.
die An­for­de­run­gen an die Spe­zia­lis­tin­nen und Spe­zia­lis­ten, die mit der Ob­ser­va­ti­on be­auf­tragt wer­den.

33 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018 (Ge­setz­li­che Grund­la­ge für die Über­wa­­­chung von Ver­si­cher­ten), in Kraft seit 1. Okt. 2019 (AS 2019 2829; BBl 2017 74037421).

34 SR 961.01

Art. 43b Observation: Genehmigung des Einsatzes von technischen Instrumenten zur Standortbestimmung 35  

1 Be­ab­sich­tigt der Ver­si­che­rungs­trä­ger, ei­ne Ob­ser­va­ti­on mit tech­ni­schen In­stru­men­ten zur Stand­ort­be­stim­mung an­zu­ord­nen, so un­ter­brei­tet er dem zu­stän­di­gen Ge­richt einen An­trag mit:

a.
der An­ga­be des spe­zi­fi­schen Ziels der Ob­ser­va­ti­on;
b.
den An­ga­ben zu den von der Ob­ser­va­ti­on be­trof­fe­nen Per­so­nen;
c.
den vor­ge­se­he­nen Ob­ser­va­ti­ons­mo­da­li­tä­ten;
d.
der Be­grün­dung der Not­wen­dig­keit des Ein­sat­zes tech­ni­scher In­stru­men­te zur Stand­ort­be­stim­mung und der Er­läu­te­rung, warum bis­he­ri­ge Ab­klä­run­gen oh­ne die­se In­stru­men­te er­folg­los wa­ren, aus­sichts­los wä­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­den;
e.
der An­ga­be von Be­ginn und En­de der Ob­ser­va­ti­on so­wie der Frist, in­ner­halb de­ren sie durch­zu­füh­ren ist;
f.
den für die Ge­neh­mi­gung we­sent­li­chen Ak­ten.

2 Die Prä­si­den­tin oder der Prä­si­dent der zu­stän­di­gen Ab­tei­lung des zu­stän­di­gen Ge­richts ent­schei­det als Ein­zel­rich­te­rin be­zie­hungs­wei­se als Ein­zel­rich­ter in­ner­halb von fünf Ar­beits­ta­gen nach Er­halt mit kur­z­er Be­grün­dung über den An­trag des Ver­si­che­rungs­trä­gers; sie oder er kann die Auf­ga­be an ei­ne an­de­re Rich­te­rin oder einen an­de­ren Rich­ter über­tra­gen.

3 Sie oder er kann die Ge­neh­mi­gung be­fris­tet oder mit Auf­la­gen er­tei­len oder ei­ne Er­gän­zung der Ak­ten oder wei­te­re In­for­ma­tio­nen ver­lan­gen.

4 Zu­stän­di­ges Ge­richt ist:

a.
das kan­to­na­le Ver­si­che­rungs­ge­richt des Wohn­kan­tons der ver­si­cher­ten Per­son;
b.
das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, falls die ver­si­cher­te Per­son ih­ren Wohn­sitz im Aus­land hat.

35 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018 (Ge­setz­li­che Grund­la­ge für die Über­wa­­­chung von Ver­si­cher­ten), in Kraft seit 1. Okt. 2019 (AS 2019 2829; BBl 2017 74037421).

Art. 44 Gutachten 36  

1 Er­ach­tet der Ver­si­che­rungs­trä­ger im Rah­men von me­di­zi­ni­schen Ab­klä­run­gen ein Gut­ach­ten als not­wen­dig, so legt er je nach Er­for­der­nis ei­ne der fol­gen­den Ar­ten fest:

a.
mon­odis­zi­pli­näres Gut­ach­ten;
b.
bi­dis­zi­pli­näres Gut­ach­ten;
c.
po­ly­dis­zi­pli­näres Gut­ach­ten.

2 Muss der Ver­si­che­rungs­trä­ger zur Ab­klä­rung des Sach­ver­hal­tes ein Gut­ach­ten bei ei­nem oder meh­re­ren un­ab­hän­gi­gen Sach­ver­stän­di­gen ein­ho­len, so gibt er der Par­tei de­ren Na­men be­kannt. Die­se kann in­nert zehn Ta­gen aus den Grün­den nach Ar­ti­kel 36 Ab­satz 1 Sach­ver­stän­di­ge ab­leh­nen und Ge­gen­vor­schlä­ge ma­chen.

3 Mit der Be­kannt­ga­be der Na­men stellt der Ver­si­che­rungs­trä­ger der Par­tei auch die Fra­gen an den oder die Sach­ver­stän­di­gen zu und weist sie auf die Mög­lich­keit hin, in­nert der glei­chen Frist Zu­satz­fra­gen in schrift­li­cher Form ein­zu­rei­chen. Der Ver­si­che­rungs­trä­ger ent­schei­det ab­sch­lies­send über die Fra­gen an den oder die Sach­ver­stän­di­gen.

4 Hält der Ver­si­che­rungs­trä­ger trotz Ab­leh­nungs­an­trag an den vor­ge­se­he­nen Sach­ver­stän­di­gen fest, so teilt er dies der Par­tei durch Zwi­schen­ver­fü­gung mit.

5 Bei Gut­ach­ten nach Ab­satz 1 Buch­sta­ben a und b wer­den die Fach­dis­zi­pli­nen vom Ver­si­che­rungs­trä­ger, bei Gut­ach­ten nach Ab­satz 1 Buch­sta­be c von der Gut­achter­stel­le ab­sch­lies­send fest­ge­legt.

6 So­fern die ver­si­cher­te Per­son es nicht an­ders be­stimmt, wer­den die In­ter­views in Form von Ton­auf­nah­men zwi­schen der ver­si­cher­ten Per­son und dem Sach­ver­stän­di­gen er­stellt und in die Ak­ten des Ver­si­che­rungs­trä­gers auf­ge­nom­men.

7 Der Bun­des­rat:

a.
kann für Gut­ach­ten nach Ab­satz 1 die Art der Ver­ga­be des Auf­tra­ges an ei­ne Gut­achter­stel­le re­geln;
b.
er­lässt Kri­te­ri­en für die Zu­las­sung von me­di­zi­ni­schen und neu­ro­psy­cho­lo­gi­schen Sach­ver­stän­di­gen für al­le Gut­ach­ten nach Ab­satz 1;
c.
schafft ei­ne Kom­mis­si­on mit Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern der ver­schie­de­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen, der Gut­achter­stel­len, der Ärz­te­schaft, der Neu­ro­psy­cho­lo­gin­nen und Neu­ro­psy­cho­lo­gen, der Wis­sen­schaft so­wie der Pa­ti­en­ten- und Be­hin­der­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen, wel­che die Zu­las­sung als Gut­achter­stel­le, das Ver­fah­ren zur Gut­ach­ten­er­stel­lung und die Er­geb­nis­se der me­di­zi­ni­schen Gut­ach­ten über­wacht. Die Kom­mis­si­on spricht öf­fent­li­che Emp­feh­lun­gen aus.

36 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 1 des BG vom 19. Ju­ni 2020 (Wei­ter­ent­wick­lung der IV), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 705; BBl 2017 2535).

Art. 45 Kosten der Abklärung  

1 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger über­nimmt die Kos­ten der Ab­klä­rung, so­weit er die Mass­nah­men an­ge­ord­net hat. Hat er kei­ne Mass­nah­men an­ge­ord­net, so über­nimmt er de­ren Kos­ten den­noch, wenn die Mass­nah­men für die Be­ur­tei­lung des An­spruchs un­er­läss­lich wa­ren oder Be­stand­teil nach­träg­lich zu­ge­spro­che­ner Leis­tun­gen bil­den.

2 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger ent­schä­digt die Par­tei und die Aus­kunfts­per­so­nen für Er­werbs­aus­fall und Spe­sen.

3 Die Kos­ten kön­nen der Par­tei auf­er­legt wer­den, wenn sie trotz Auf­for­de­rung und An­dro­hung der Fol­gen die Ab­klä­rung in un­ent­schuld­ba­rer Wei­se ver­hin­dert oder er­schwert hat.

4 Hat ei­ne ver­si­cher­te Per­son wis­sent­lich mit un­wah­ren An­ga­ben oder in an­de­rer rechts­wid­ri­ger Wei­se ei­ne Ver­si­che­rungs­leis­tung er­wirkt oder zu er­wir­ken ver­sucht, so kann ihr der Ver­si­che­rungs­trä­ger die Mehr­kos­ten auf­er­le­gen, die ihm durch den Bei­zug von Spe­zia­lis­tin­nen und Spe­zia­lis­ten, die zur Be­kämp­fung des un­recht­mäs­si­gen Leis­tungs­be­zugs mit der Durch­füh­rung der Ob­ser­va­tio­nen be­auf­tragt wur­den, ent­stan­den sind.37 38

37 Be­rich­tigt von der Re­dak­ti­ons­kom­mis­si­on der BVers (Art. 58 Abs. 1 ParlG; SR 171.10).

38 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 46 Aktenführung  

Für je­des So­zi­al­ver­si­che­rungs­ver­fah­ren sind al­le Un­ter­la­gen, die mass­ge­blich sein kön­nen, vom Ver­si­che­rungs­trä­ger sys­te­ma­tisch zu er­fas­sen.

Art. 47 Akteneinsicht  

1 So­fern über­wie­gen­de Pri­vat­in­ter­es­sen ge­wahrt blei­ben, steht die Ak­ten­ein­sicht zu:

a.
der ver­si­cher­ten Per­son für die sie be­tref­fen­den Da­ten;
b.
den Par­tei­en für die Da­ten, die sie be­nö­ti­gen, um einen An­spruch oder ei­ne Ver­pflich­tung nach ei­nem So­zi­al­ver­si­che­rungs­ge­setz zu wah­ren oder zu er­fül­len oder um ein Rechts­mit­tel ge­gen ei­ne auf Grund des­sel­ben Ge­set­zes er­las­se­ne Ver­fü­gung gel­tend zu ma­chen;
c.
Be­hör­den, die zu­stän­dig sind für Be­schwer­den ge­gen auf Grund ei­nes So­zi­al­ver­si­che­rungs­ge­set­zes39 er­las­se­ne Ver­fü­gun­gen, für die zur Er­fül­lung die­ser Auf­ga­be er­for­der­li­chen Da­ten;
d.
der haft­pflich­ti­gen Per­son und ih­rem Ver­si­che­rer für die Da­ten, die sie be­nö­ti­gen, um ei­ne Rück­griffs­for­de­rung der So­zi­al­ver­si­che­rung zu be­ur­tei­len.

2 Han­delt es sich um Ge­sund­heits­da­ten, de­ren Be­kannt­ga­be sich für die zur Ein­sicht be­rech­tig­te Per­son ge­sund­heit­lich nach­tei­lig aus­wir­ken könn­te, so kann von ihr ver­langt wer­den, dass sie einen Arzt oder ei­ne Ärz­tin be­zeich­net, der oder die ihr die­se Da­ten be­kannt gibt.

39 Be­rich­tigt von der Re­dak­ti­ons­kom­mis­si­on der BVers (Art. 33 GVG – AS 1974 1051).

Art. 48 Massgeblichkeit geheimer Akten  

Wird ei­ner Par­tei die Ein­sicht­nah­me in ein Ak­ten­stück ver­wei­gert, so darf auf die­ses zum Nach­teil der Par­tei nur ab­ge­stellt wer­den, wenn ihr der Ver­si­che­rungs­trä­ger von sei­nem für die Sa­che we­sent­li­chen In­halt münd­lich oder schrift­lich Kennt­nis und ihr aus­ser­dem Ge­le­gen­heit ge­ge­ben hat, sich zu äus­sern und Ge­gen­be­weis­mit­tel zu be­zeich­nen.

Art. 49 Verfügung  

1 Über Leis­tun­gen, For­de­run­gen und An­ord­nun­gen, die er­heb­lich sind oder mit de­nen die be­trof­fe­ne Per­son nicht ein­ver­stan­den ist, hat der Ver­si­che­rungs­trä­ger schrift­lich Ver­fü­gun­gen zu er­las­sen.

2 Dem Be­geh­ren um Er­lass ei­ner Fest­stel­lungs­ver­fü­gung ist zu ent­spre­chen, wenn die ge­such­stel­len­de Per­son ein schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se glaub­haft macht.

3 Die Ver­fü­gun­gen wer­den mit ei­ner Rechts­mit­tel­be­leh­rung ver­se­hen. Sie sind zu be­grün­den, wenn sie den Be­geh­ren der Par­tei­en nicht voll ent­spre­chen. Aus ei­ner man­gel­haf­ten Er­öff­nung ei­ner Ver­fü­gung darf der be­trof­fe­nen Per­son kein Nach­teil er­wach­sen.

4 Er­lässt ein Ver­si­che­rungs­trä­ger ei­ne Ver­fü­gung, wel­che die Leis­tungs­pflicht ei­nes an­de­ren Trä­gers be­rührt, so hat er auch ihm die Ver­fü­gung zu er­öff­nen. Die­ser kann die glei­chen Rechts­mit­tel er­grei­fen wie die ver­si­cher­te Per­son.

5 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann in sei­ner Ver­fü­gung ei­ner Ein­spra­che oder Be­schwer­de die auf­schie­ben­de Wir­kung ent­zie­hen, auch wenn die Ver­fü­gung ei­ne Geld­leis­tung zum Ge­gen­stand hat. Aus­ge­nom­men sind Ver­fü­gun­gen über die Rück­er­stat­tung un­recht­mäs­sig be­zo­ge­ner Leis­tun­gen.40

40 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 50 Vergleich  

1 Strei­tig­kei­ten über so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Leis­tun­gen kön­nen durch Ver­gleich er­le­digt wer­den.

2 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger hat den Ver­gleich in Form ei­ner an­fecht­ba­ren Ver­fü­gung zu er­öff­nen.

3 Die Ab­sät­ze 1 und 2 gel­ten sinn­ge­mä­ss im Ein­spra­che- und in den Be­schwer­de­ver­fah­ren.

Art. 51 Formloses Verfahren  

1 Leis­tun­gen, For­de­run­gen und An­ord­nun­gen, die nicht un­ter Ar­ti­kel 49 Ab­satz 1 fal­len, kön­nen in ei­nem form­lo­sen Ver­fah­ren be­han­delt wer­den.

2 Die be­trof­fe­ne Per­son kann den Er­lass ei­ner Ver­fü­gung ver­lan­gen.

Art. 52 Einsprache  

1 Ge­gen Ver­fü­gun­gen kann in­ner­halb von 30 Ta­gen bei der ver­fü­gen­den Stel­le Ein­spra­che er­ho­ben wer­den; da­von aus­ge­nom­men sind pro­zess- und ver­fah­rens­lei­ten­de Ver­fü­gun­gen.

2 Die Ein­spra­cheent­schei­de sind in­nert an­ge­mes­se­ner Frist zu er­las­sen. Sie wer­den be­grün­det und mit ei­ner Rechts­mit­tel­be­leh­rung ver­se­hen.

3 Das Ein­spra­che­ver­fah­ren ist kos­ten­los. Par­tei­ent­schä­di­gun­gen wer­den in der Re­gel nicht aus­ge­rich­tet.

4 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann in sei­nem Ein­spra­cheent­scheid ei­ner all­fäl­li­gen Be­schwer­de die auf­schie­ben­de Wir­kung ent­zie­hen, auch wenn der Ein­spra­cheent­scheid ei­ne Geld­leis­tung zum Ge­gen­stand hat. Aus­ge­nom­men sind Ein­spra­cheent­schei­de über die Rück­er­stat­tung un­recht­mäs­sig be­zo­ge­ner Leis­tun­gen.41

41 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 52a Vorsorgliche Einstellung von Leistungen 42  

Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann die Aus­rich­tung von Leis­tun­gen vor­sorg­lich ein­stel­len, wenn die ver­si­cher­te Per­son die Mel­de­pflicht nach Ar­ti­kel 31 Ab­satz 1 ver­letzt hat, ei­ner Le­bens- oder Zi­vil­stands­kon­trol­le nicht frist­ge­recht nach­ge­kom­men ist oder der be­grün­de­te Ver­dacht be­steht, dass sie die Leis­tun­gen un­recht­mäs­sig er­wirkt.

42 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 53 Revision und Wiedererwägung  

1 For­mell rechts­kräf­ti­ge Ver­fü­gun­gen und Ein­spra­cheent­schei­de müs­sen in Re­vi­si­on ge­zo­gen wer­den, wenn die ver­si­cher­te Per­son oder der Ver­si­che­rungs­trä­ger nach de­ren Er­lass er­heb­li­che neue Tat­sa­chen ent­deckt oder Be­weis­mit­tel auf­fin­det, de­ren Bei­brin­gung zu­vor nicht mög­lich war.

2 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann auf for­mell rechts­kräf­ti­ge Ver­fü­gun­gen oder Ein­spra­cheent­schei­de zu­rück­kom­men, wenn die­se zwei­fel­los un­rich­tig sind und wenn ih­re Be­rich­ti­gung von er­heb­li­cher Be­deu­tung ist.

3 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann ei­ne Ver­fü­gung oder einen Ein­spra­cheent­scheid, ge­gen die Be­schwer­de er­ho­ben wur­de, so lan­ge wie­der­er­wä­gen, bis er ge­gen­über der Be­schwer­de­be­hör­de Stel­lung nimmt.

Art. 54 Vollstreckung  

1 Ver­fü­gun­gen und Ein­spra­cheent­schei­de sind voll­streck­bar, wenn:

a.
sie nicht mehr durch Ein­spra­che oder Be­schwer­de an­ge­foch­ten wer­den kön­nen;
b.
sie zwar noch an­ge­foch­ten wer­den kön­nen, die zu­läs­si­ge Ein­spra­che oder Be­schwer­de aber kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung hat;
c.
ei­ner Ein­spra­che oder Be­schwer­de die auf­schie­ben­de Wir­kung ent­zo­gen wird.

2 Voll­streck­ba­re Ver­fü­gun­gen und Ein­spra­cheent­schei­de, die auf Geld­zah­lung oder Si­cher­heits­leis­tung ge­rich­tet sind, ste­hen voll­streck­ba­ren Ur­tei­len im Sin­ne von Ar­ti­kel 80 des Bun­des­ge­set­zes vom 11. April 188943 über Schuld­be­trei­bung und Kon­kurs gleich.

Art. 55 Besondere Verfahrensregeln  

1 In den Ar­ti­keln 27–54 oder in den Ein­zel­ge­set­zen nicht ab­sch­lies­send ge­re­gel­te Ver­fah­rens­be­rei­che be­stim­men sich nach dem Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­setz vom 20. De­zem­ber 196844.

1bis Der Bun­des­rat kann vor­se­hen, dass die Be­stim­mun­gen des Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­set­zes vom 20. De­zem­ber 1968 über den elek­tro­ni­schen Ver­kehr mit Be­hör­den auch für Ver­fah­ren nach die­sem Ge­setz gel­ten.45

2 Das Ver­fah­ren vor ei­ner Bun­des­be­hör­de rich­tet sich nach dem Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­setz vom 20. De­zem­ber 1968, aus­ser wenn sie über so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Leis­tun­gen, For­de­run­gen und An­ord­nun­gen ent­schei­det.

44 SR 172.021

45 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 106 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

3. Abschnitt: Rechtspflegeverfahren

Art. 56 Beschwerderecht  

1 Ge­gen Ein­spra­cheent­schei­de oder Ver­fü­gun­gen, ge­gen wel­che ei­ne Ein­spra­che aus­ge­schlos­sen ist, kann Be­schwer­de er­ho­ben wer­den.

2 Be­schwer­de kann auch er­ho­ben wer­den, wenn der Ver­si­che­rungs­trä­ger ent­ge­gen dem Be­geh­ren der be­trof­fe­nen Per­son kei­ne Ver­fü­gung oder kei­nen Ein­spra­cheent­scheid er­lässt.

Art. 57 Kantonales Versicherungsgericht  

Je­der Kan­ton be­stellt ein Ver­si­che­rungs­ge­richt als ein­zi­ge In­stanz zur Be­ur­tei­lung von Be­schwer­den aus dem Be­reich der So­zi­al­ver­si­che­rung.

Art. 58 Zuständigkeit  

1 Zu­stän­dig ist das Ver­si­che­rungs­ge­richt des­je­ni­gen Kan­tons, in dem die ver­si­cher­te Per­son oder der Be­schwer­de füh­ren­de Drit­te zur Zeit der Be­schwer­de­er­he­bung Wohn­sitz hat.

2 Be­fin­det sich der Wohn­sitz der ver­si­cher­ten Per­son oder des Be­schwer­de füh­ren­den Drit­ten im Aus­land, so ist das Ver­si­che­rungs­ge­richt des­je­ni­gen Kan­tons zu­stän­dig, in dem sich ihr letz­ter schwei­ze­ri­scher Wohn­sitz be­fand oder in dem ihr letz­ter schwei­ze­ri­scher Ar­beit­ge­ber Wohn­sitz hat; lässt sich kei­ner die­ser Or­te er­mit­teln, so ist das Ver­si­che­rungs­ge­richt des­je­ni­gen Kan­tons zu­stän­dig, in dem das Durch­füh­rungs­or­gan sei­nen Sitz hat.

3 Die Be­hör­de, die sich als un­zu­stän­dig er­ach­tet, über­weist die Be­schwer­de oh­ne Ver­zug dem zu­stän­di­gen Ver­si­che­rungs­ge­richt.

Art. 59 Legitimation  

Zur Be­schwer­de ist be­rech­tigt, wer durch die an­ge­foch­te­ne Ver­fü­gung oder den Ein­spra­cheent­scheid be­rührt ist und ein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se an de­ren Auf­he­bung oder Än­de­rung hat.

Art. 60 Beschwerdefrist  

1 Die Be­schwer­de ist in­ner­halb von 30 Ta­gen nach der Er­öff­nung des Ein­spra­cheent­schei­des oder der Ver­fü­gung, ge­gen wel­che ei­ne Ein­spra­che aus­ge­schlos­sen ist, ein­zu­rei­chen.

2 Die Ar­ti­kel 38–41 sind sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

Art. 61 Verfahrensregeln  

Das Ver­fah­ren vor dem kan­to­na­len Ver­si­che­rungs­ge­richt be­stimmt sich un­ter Vor­be­halt von Ar­ti­kel 1 Ab­satz 3 des Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­set­zes vom 20. De­zem­ber 196846 nach kan­to­na­lem Recht. Es hat fol­gen­den An­for­de­run­gen zu ge­nü­gen:

a.47
Das Ver­fah­ren muss ein­fach, rasch und in der Re­gel öf­fent­lich sein.
b.
Die Be­schwer­de muss ei­ne ge­dräng­te Dar­stel­lung des Sach­ver­hal­tes, ein Rechts­be­geh­ren und ei­ne kur­ze Be­grün­dung ent­hal­ten. Ge­nügt sie die­sen An­for­de­run­gen nicht, so setzt das Ver­si­che­rungs­ge­richt der Be­schwer­de füh­ren­den Per­son ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Ver­bes­se­rung und ver­bin­det da­mit die An­dro­hung, dass sonst auf die Be­schwer­de nicht ein­ge­tre­ten wird.
c.
Das Ver­si­che­rungs­ge­richt stellt un­ter Mit­wir­kung der Par­tei­en die für den Ent­scheid er­heb­li­chen Tat­sa­chen fest; es er­hebt die not­wen­di­gen Be­wei­se und ist in der Be­weis­wür­di­gung frei.
d.
Das Ver­si­che­rungs­ge­richt ist an die Be­geh­ren der Par­tei­en nicht ge­bun­den. Es kann ei­ne Ver­fü­gung oder einen Ein­spra­cheent­scheid zu Un­guns­ten der Be­schwer­de füh­ren­den Per­son än­dern oder die­ser mehr zu­spre­chen, als sie ver­langt hat, wo­bei den Par­tei­en vor­her Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me so­wie zum Rück­zug der Be­schwer­de zu ge­ben ist.
e.
Recht­fer­ti­gen es die Um­stän­de, so kön­nen die Par­tei­en zur Ver­hand­lung vor­ge­la­den wer­den.
f.
Das Recht, sich ver­bei­stän­den zu las­sen, muss ge­währ­leis­tet sein. Wo die Ver­hält­nis­se es recht­fer­ti­gen, wird der Be­schwer­de füh­ren­den Per­son ein un­ent­gelt­li­cher Rechts­bei­stand be­wil­ligt.
fbis.48
Bei Strei­tig­kei­ten über Leis­tun­gen ist das Ver­fah­ren kos­ten­pflich­tig, wenn dies im je­wei­li­gen Ein­zel­ge­setz vor­ge­se­hen ist; sieht das Ein­zel­ge­setz kei­ne Kos­ten­pflicht bei sol­chen Strei­tig­kei­ten vor, so kann das Ge­richt ei­ner Par­tei, die sich mut­wil­lig oder leicht­sin­nig ver­hält, Ge­richts­kos­ten auf­er­le­gen.
g.
Die ob­sie­gen­de Be­schwer­de füh­ren­de Per­son hat An­spruch auf Er­satz der Par­tei­kos­ten. Die­se wer­den vom Ver­si­che­rungs­ge­richt fest­ge­setzt und oh­ne Rück­sicht auf den Streit­wert nach der Be­deu­tung der Streit­sa­che und nach der Schwie­rig­keit des Pro­zes­ses be­mes­sen.
h.
Die Ent­schei­de wer­den, ver­se­hen mit ei­ner Be­grün­dung und ei­ner Rechts­mit­tel­be­leh­rung so­wie mit den Na­men der Mit­glie­der des Ver­si­che­rungs­ge­richts schrift­lich er­öff­net.
i.
Die Re­vi­si­on von Ent­schei­den we­gen Ent­de­ckung neu­er Tat­sa­chen oder Be­weis­mit­tel oder we­gen Ein­wir­kung durch Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen muss ge­währ­leis­tet sein.

46 SR 172.021

47 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

48 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 62 Bundesgericht 49  

1 Ge­gen Ent­schei­de der kan­to­na­len Ver­si­che­rungs­ge­rich­te kann nach Mass­ga­be des Bun­des­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 200550 beim Bun­des­ge­richt Be­schwer­de ge­führt wer­den.

1bis Der Bun­des­rat re­gelt das Be­schwer­de­recht der Durch­füh­rungs­or­ga­ne der ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen vor dem Bun­des­ge­richt.

2 Für die Voll­streck­bar­keit der vor­in­stanz­li­chen Be­schwer­de­ent­schei­de ist Ar­ti­kel 54 sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

49 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 106 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

50 SR 173.110

5. Kapitel: Koordinationsregeln

1. Abschnitt: Leistungskoordination

Art. 63 Allgemeines  

1 Die Ko­or­di­na­ti­ons­be­stim­mun­gen die­ses Ab­schnitts be­zie­hen sich auf Leis­tun­gen ver­schie­de­ner So­zi­al­ver­si­che­run­gen.

2 Die Al­ters- und Hin­ter­las­se­nen­ver­si­che­rung und die In­va­li­den­ver­si­che­rung gel­ten zu­sam­men als ei­ne So­zi­al­ver­si­che­rung.

3 Die Ko­or­di­na­ti­on von Leis­tun­gen in­ner­halb ei­ner So­zi­al­ver­si­che­rung rich­tet sich nach dem je­wei­li­gen Ein­zel­ge­setz.

Art. 64 Heilbehandlung  

1 Die Heil­be­hand­lung wird, so­weit die Leis­tun­gen ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben sind, aus­sch­liess­lich von ei­ner ein­zi­gen So­zi­al­ver­si­che­rung über­nom­men.

2 Sind die Vor­aus­set­zun­gen des je­wei­li­gen Ein­zel­ge­set­zes er­füllt, so geht die Heil­be­hand­lung im ge­setz­li­chen Um­fang und in nach­ste­hen­der Rei­hen­fol­ge zu Las­ten:

a.
der Mi­li­tär­ver­si­che­rung;
b.
der Un­fall­ver­si­che­rung;
c.
der In­va­li­den­ver­si­che­rung;
d.
der Kran­ken­ver­si­che­rung.

3 Der leis­tungs­pflich­ti­ge So­zi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger über­nimmt auch dann al­lein und un­ein­ge­schränkt die Hei­lungs­kos­ten bei sta­tio­närer Be­hand­lung, wenn der Ge­sund­heits­scha­den nur zum Teil auf einen von ihm zu de­cken­den Ver­si­che­rungs­fall zu­rück­zu­füh­ren ist.

4 Der leis­tungs­pflich­ti­ge So­zi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger kommt fer­ner für aus­ser­halb sei­nes Leis­tungs­be­reichs lie­gen­de Ge­sund­heits­schä­den auf, die wäh­rend ei­ner sta­tio­nären Heil­be­hand­lung auf­tre­ten und nicht ge­trennt be­han­delt wer­den kön­nen.

Art. 65 Andere Sachleistungen  

An­de­re Sach­leis­tun­gen, na­ment­lich Hilfs­mit­tel oder Ein­glie­de­rungs­mass­nah­men, ge­hen nach den Be­stim­mun­gen des je­wei­li­gen Ein­zel­ge­set­zes und in nach­ste­hen­der Rei­hen­fol­ge zu Las­ten:

a.
der Mi­li­tär­ver­si­che­rung oder der Un­fall­ver­si­che­rung;
b.
der In­va­li­den­ver­si­che­rung oder der Al­ters- und Hin­ter­las­se­nen­ver­si­che­rung;
c.
der Kran­ken­ver­si­che­rung.
Art. 66 Renten und Hilflosenentschädigungen  

1 Ren­ten und Ab­fin­dun­gen ver­schie­de­ner So­zi­al­ver­si­che­run­gen wer­den un­ter Vor­be­halt der Über­ent­schä­di­gung ku­mu­la­tiv ge­währt.

2 Ren­ten und Ab­fin­dun­gen wer­den nach den Be­stim­mun­gen des je­wei­li­gen Ein­zel­ge­set­zes und in nach­ste­hen­der Rei­hen­fol­ge ge­währt:

a.
von der Al­ters- und Hin­ter­las­se­nen­ver­si­che­rung oder der In­va­li­den­ver­si­che­rung;
b.
von der Mi­li­tär­ver­si­che­rung oder der Un­fall­ver­si­che­rung;
c.
von der be­ruf­li­chen Al­ters-, Hin­ter­las­se­nen- und In­va­li­den­vor­sor­ge nach dem Bun­des­ge­setz vom 25. Ju­ni 198251 über die be­ruf­li­che Al­ters‑, Hin­ter­las­se­nen- und In­va­li­den­vor­sor­ge (BVG).

3 Hilflo­sen­ent­schä­di­gun­gen wer­den nach den Be­stim­mun­gen des je­wei­li­gen Ein­zel­ge­set­zes und in nach­ste­hen­der Rei­hen­fol­ge aus­sch­liess­lich ge­währt:

a.
von der Mi­li­tär­ver­si­che­rung oder der Un­fall­ver­si­che­rung;
b.
von der In­va­li­den­ver­si­che­rung oder der Al­ters- und Hin­ter­las­se­nen­ver­si­che­rung.
Art. 67 Heilbehandlung und Geldleistungen  

1 Hält sich ei­ne tag­geld- oder ren­ten­be­rech­tig­te Per­son zu Las­ten der So­zi­al­ver­si­che­rung in ei­ner Heil­an­stalt auf, so kann der für die Heil­be­hand­lung leis­tungs­pflich­ti­ge So­zi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger je nach den Fa­mi­li­en­las­ten der ver­si­cher­ten Per­son die Ver­gü­tung für die Un­ter­halts­kos­ten in der Heil­an­stalt um einen fes­ten Be­trag her­ab­set­zen. Die­ser Ab­zug kann auf dem Tag­geld oder der Ren­te ein­be­hal­ten wer­den.

2 Hält sich ei­ne Be­zü­ge­rin oder ein Be­zü­ger ei­ner Hilflo­sen­ent­schä­di­gung zu Las­ten der So­zi­al­ver­si­che­rung in ei­ner Heil­an­stalt auf, so ent­fällt der An­spruch auf die Ent­schä­di­gung für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat des Auf­ent­halts in der Heil­an­stalt.52

52 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459).

Art. 68 Taggelder und Renten  

Tag­gel­der wer­den un­ter Vor­be­halt der Über­ent­schä­di­gung ku­mu­la­tiv zu Ren­ten an­de­rer So­zi­al­ver­si­che­run­gen ge­währt.

Art. 69 Überentschädigung  

1 Das Zu­sam­men­tref­fen von Leis­tun­gen ver­schie­de­ner So­zi­al­ver­si­che­run­gen darf nicht zu ei­ner Über­ent­schä­di­gung der be­rech­tig­ten Per­son füh­ren. Bei der Be­rech­nung der Über­ent­schä­di­gung wer­den nur Leis­tun­gen glei­cher Art und Zweck­be­stim­mung be­rück­sich­tigt, die der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son auf Grund des schä­di­gen­den Er­eig­nis­ses ge­währt wer­den.

2 Ei­ne Über­ent­schä­di­gung liegt in dem Mas­se vor, als die ge­setz­li­chen So­zi­al­ver­si­che­rungs­leis­tun­gen den we­gen des Ver­si­che­rungs­falls mut­mass­lich ent­gan­ge­nen Ver­dienst zu­züg­lich der durch den Ver­si­che­rungs­fall ver­ur­sach­ten Mehr­kos­ten und all­fäl­li­ger Ein­kom­men­sein­bus­sen von An­ge­hö­ri­gen über­stei­gen.

3 Die Leis­tun­gen wer­den um den Be­trag der Über­ent­schä­di­gung ge­kürzt. Von ei­ner Kür­zung aus­ge­schlos­sen sind die Ren­ten der Al­ters- und Hin­ter­las­se­nen­ver­si­che­rung und der In­va­li­den­ver­si­che­rung so­wie al­le Hilflo­sen- und In­te­gri­täts­ent­schä­di­gun­gen. Bei Ka­pi­tal­leis­tun­gen wird der Ren­ten­wert be­rück­sich­tigt.

Art. 70 Vorleistung  

1 Be­grün­det ein Ver­si­che­rungs­fall einen An­spruch auf So­zi­al­ver­si­che­rungs­leis­tun­gen, be­ste­hen aber Zwei­fel dar­über, wel­che So­zi­al­ver­si­che­rung die Leis­tun­gen zu er­brin­gen hat, so kann die be­rech­tig­te Per­son Vor­leis­tung ver­lan­gen.

2 Vor­leis­tungs­pflich­tig sind:

a.
die Kran­ken­ver­si­che­rung für Sach­leis­tun­gen und Tag­gel­der, de­ren Über­nah­me durch die Kran­ken­ver­si­che­rung, die Un­fall­ver­si­che­rung, die Mi­li­tär­ver­si­che­rung oder die In­va­li­den­ver­si­che­rung um­strit­ten ist;
b.53
die Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung für Leis­tun­gen, de­ren Über­nah­me durch die Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung, die Kran­ken­ver­si­che­rung, die Un­fall­ver­si­che­rung, die Mi­li­tär­ver­si­che­rung oder die In­va­li­den­ver­si­che­rung um­strit­ten ist;
c.
die Un­fall­ver­si­che­rung für Leis­tun­gen, de­ren Über­nah­me durch die Un­fall­ver­si­che­rung oder die Mi­li­tär­ver­si­che­rung um­strit­ten ist;
d.
die be­ruf­li­che Al­ters-, Hin­ter­las­se­nen- und In­va­li­den­vor­sor­ge nach BVG54 für Ren­ten, de­ren Über­nah­me durch die Un­fall‑ be­zie­hungs­wei­se Mi­li­tär­ver­si­che­rung oder die be­ruf­li­che Al­ters‑, Hin­ter­las­se­nen‑ und In­va­li­den­vor­sor­ge nach BVG um­strit­ten ist.

3 Die be­rech­tig­te Per­son hat sich bei den in Fra­ge kom­men­den So­zi­al­ver­si­che­run­gen an­zu­mel­den.

53 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

54 SR 831.40

Art. 71 Rückerstattung von Vorleistungen  

Der vor­leis­tungs­pflich­ti­ge Ver­si­che­rungs­trä­ger er­bringt die Leis­tun­gen nach den für ihn gel­ten­den Be­stim­mun­gen. Wird der Fall von ei­nem an­de­ren Trä­ger über­nom­men, so hat die­ser die Vor­leis­tun­gen im Rah­men sei­ner Leis­tungs­pflicht zu­rück­zu­er­stat­ten.

2. Abschnitt: Rückgriff

Art. 72 Grundsatz  

1 Ge­gen­über ei­nem Drit­ten, der für den Ver­si­che­rungs­fall haf­tet, tritt der Ver­si­che­rungs­trä­ger im Zeit­punkt des Er­eig­nis­ses bis auf die Hö­he der ge­setz­li­chen Leis­tun­gen in die An­sprü­che der ver­si­cher­ten Per­son und ih­rer Hin­ter­las­se­nen ein.

2 Meh­re­re Haft­pflich­ti­ge haf­ten für Rück­griffs­an­sprü­che der Ver­si­che­rungs­trä­ger so­li­da­risch.

3 Auf die über­ge­gan­ge­nen An­sprü­che blei­ben die ih­rer Na­tur ent­spre­chen­den Ver­jäh­rungs­fris­ten an­wend­bar. Für den Re­gress­an­spruch des Ver­si­che­rungs­trä­gers be­gin­nen je­doch die re­la­ti­ven Fris­ten erst mit des­sen Kennt­nis sei­ner Leis­tun­gen und der Per­son des Er­satz­pflich­ti­gen zu lau­fen.

4 Be­steht ein di­rek­tes For­de­rungs­recht der ge­schä­dig­ten Per­son ge­gen­über dem Haft­pflicht­ver­si­che­rer, so steht die­ses auch dem in ih­re Rech­te ein­ge­tre­te­nen Ver­si­che­rungs­trä­ger zu. Ein­re­den aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag, die der ge­schä­dig­ten Per­son nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den dür­fen, kön­nen auch ge­gen­über dem Re­gress­an­spruch des Ver­si­che­rungs­trä­gers nicht vor­ge­bracht wer­den.

5 Der Bun­des­rat er­lässt Vor­schrif­ten über die Aus­übung des Rück­griffs­rech­tes. Ins­be­son­de­re kann er an­ord­nen, dass bei Re­gress­nah­me ge­gen einen Haft­pflich­ti­gen, der nicht haft­pflicht­ver­si­chert ist, meh­re­re am Rück­griff be­tei­lig­te Ver­si­che­rer ih­re Re­gress­an­sprü­che von ei­nem ein­zi­gen Ver­si­che­rer für al­le gel­tend ma­chen las­sen. Der Bun­des­rat re­gelt die Ver­tre­tung nach aus­sen für den Fall, dass die be­trof­fe­nen Ver­si­che­rer sich dar­über nicht ei­ni­gen kön­nen.

Art. 73 Umfang  

1 Die An­sprü­che der ver­si­cher­ten Per­son und ih­rer Hin­ter­las­se­nen ge­hen nur so weit auf den Ver­si­che­rungs­trä­ger über, als des­sen Leis­tun­gen zu­sam­men mit dem vom Drit­ten für den glei­chen Zeit­raum ge­schul­de­ten Er­satz den ent­spre­chen­den Scha­den über­stei­gen.

2 Hat je­doch der Ver­si­che­rungs­trä­ger sei­ne Leis­tun­gen im Sin­ne von Ar­ti­kel 21 Ab­satz 1, 2 oder 4 ge­kürzt, so ge­hen die An­sprü­che der ver­si­cher­ten Per­son und ih­rer Hin­ter­las­se­nen so weit auf den Ver­si­che­rungs­trä­ger über, als des­sen un­ge­kürz­te Leis­tun­gen zu­sam­men mit dem vom Drit­ten für den glei­chen Zeit­raum ge­schul­de­ten Er­satz den ent­spre­chen­den Scha­den über­stei­gen wür­den.55

3 Die An­sprü­che, die nicht auf den Ver­si­che­rungs­trä­ger über­ge­hen, blei­ben der ver­si­cher­ten Per­son und ih­ren Hin­ter­las­se­nen ge­wahrt. Kann nur ein Teil des vom Drit­ten ge­schul­de­ten Er­sat­zes ein­ge­bracht wer­den, so sind dar­aus zu­erst die An­sprü­che der ver­si­cher­ten Per­son und ih­rer Hin­ter­las­se­nen zu be­frie­di­gen.

55 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 74 Gliederung der Ansprüche  

1 Die An­sprü­che ge­hen für Leis­tun­gen glei­cher Art auf den Ver­si­che­rungs­trä­ger über.

2 Leis­tun­gen glei­cher Art sind na­ment­lich:

a.
vom Ver­si­che­rungs­trä­ger und von Drit­ten zu er­brin­gen­de Ver­gü­tun­gen für Hei­lungs- und Ein­glie­de­rungs­kos­ten;
b.
Tag­geld und Er­satz für Ar­beits­un­fä­hig­keit;
c.56
In­va­li­den­ren­ten be­zie­hungs­wei­se an de­ren Stel­le aus­ge­rich­te­te Al­ters­ren­ten und Er­satz für Er­werbs­un­fä­hig­keit so­wie Er­satz für Ren­ten­scha­den;
d.57
Leis­tun­gen für Hilf­lo­sig­keit, As­sis­tenz­bei­trag und Ver­gü­tun­gen für Pfle­ge­kos­ten so­wie an­de­re aus der Hilf­lo­sig­keit er­wach­sen­de Kos­ten;
e.
In­te­gri­täts­ent­schä­di­gung und Ge­nug­tu­ung;
f.
Hin­ter­las­se­nen­ren­ten und Er­satz für Ver­sor­ger­scha­den;
g.
Be­stat­tungs- und To­des­fall­kos­ten;
h.58
Ab­klä­rungs­kos­ten und Kos­ten der Scha­dener­mitt­lung.

56 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

57 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 18. März 2011 (6. IV-Re­vi­si­on, ers­tes Mass­nah­me­pa­ket), in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 5659; BBl 2010 1817).

58 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 75 Einschränkung des Rückgriffs  

1 Ein Rück­griffs­recht ge­gen den Ehe­gat­ten der ver­si­cher­ten Per­son, de­ren Ver­wand­te in auf- und ab­stei­gen­der Li­nie oder mit ihr in ge­mein­sa­mem Haus­halt le­ben­de Per­so­nen steht dem Ver­si­che­rungs­trä­ger nur zu, wenn sie den Ver­si­che­rungs­fall ab­sicht­lich oder grob­fahr­läs­sig her­bei­ge­führt ha­ben.

2 Die glei­che Ein­schrän­kung gilt für den Rück­griffs­an­spruch aus ei­nem Be­rufs­un­fall ge­gen den Ar­beit­ge­ber der ver­si­cher­ten Per­son, ge­gen des­sen Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge und ge­gen des­sen Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer.

3 Die Ein­schrän­kung des Rück­griffs­rechts des Ver­si­che­rungs­trä­gers ent­fällt, wenn und so­weit die Per­son, ge­gen wel­che Rück­griff ge­nom­men wird, ob­li­ga­to­risch haft­pflicht­ver­si­chert ist.59

59 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Re­vi­si­on), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459).

5a. Kapitel: Durchführung internationaler Sozialversicherungsabkommen60

60 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 21. Juni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607).

Art. 75a Zuständige Stellen  

Der Bun­des­rat be­stimmt die Stel­len, die da­mit be­auf­tragt sind, für die ein­zel­nen So­zi­al­ver­si­che­run­gen die Auf­ga­ben, ins­be­son­de­re als zu­stän­di­ge Be­hör­de, Ver­bin­dungs­stel­le und zu­stän­di­ger Trä­ger, ge­mä­ss den Er­las­sen in der für die Schweiz ver­bind­li­chen Fas­sung von An­hang II des Frei­zü­gig­keits­ab­kom­mens61 und ge­mä­ss an­de­ren in­ter­na­tio­na­len Ab­kom­men über die so­zia­le Si­cher­heit wahr­zu­neh­men.

Art. 75b Infrastruktur für die Durchführung  

1 Der Bun­des­rat be­stimmt die Bun­des­stel­len, die zu­stän­dig sind für die Ein­rich­tung und den Be­trieb der In­fra­struk­tur zum Zweck des elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tau­sches mit dem Aus­land, ins­be­son­de­re der nö­ti­gen elek­tro­ni­schen Zu­gangs­stel­len und Schnitt­stel­len zwi­schen dem na­tio­na­len und dem in­ter­na­tio­na­len Da­ten­aus­tausch­sys­tem.

2 Die Bun­des­stel­len nach Ab­satz 1 dür­fen den Stel­len nach Ar­ti­kel 75a Zu­griff auf die in ih­ren Zu­stän­dig­keits­be­reich fal­len­den Da­ten mit­tels Ab­ruf­ver­fah­ren ge­wäh­ren.

Art. 75c Finanzierung der Infrastruktur  

1 Die Bun­des­stel­len nach Ar­ti­kel 75b er­he­ben bei den zu­stän­di­gen Trä­gern nach Ar­ti­kel 75a Ge­büh­ren für den An­schluss an die In­fra­struk­tur zum Zweck des elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tau­sches mit dem Aus­land und für de­ren Be­nut­zung.

2 Der Bun­des­rat re­gelt die Ge­büh­ren im Rah­men von Ar­ti­kel 46a des Re­gie­rungs- und Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 21. März 199762. Er hört vor­gän­gig die be­trof­fe­nen Stel­len an. Er be­rück­sich­tigt bei der Be­mes­sung der Ge­büh­ren den Um­fang der Be­nut­zung der In­fra­struk­tur.

6. Kapitel: Verschiedene Bestimmungen

Art. 76 Aufsichtsbehörde  

1 Der Bun­des­rat über­wacht die Durch­füh­rung der So­zi­al­ver­si­che­run­gen und er­stat­tet hier­über re­gel­mäs­sig Be­richt.

2 In Fäl­len wie­der­hol­ter schwe­rer Miss­ach­tung der ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten durch einen Ver­si­che­rungs­trä­ger ord­net der Bun­des­rat die not­wen­di­gen Mass­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung der ge­setz­mäs­si­gen Ver­wal­tung an.

Art. 77 Berichterstattung und Statistik  

Die Trä­ger der So­zi­al­ver­si­che­rung ha­ben den Auf­sichts­be­hör­den al­le Aus­künf­te zu er­tei­len, die die­se für die Über­prü­fung der Tä­tig­keit und für die Er­stel­lung aus­sa­ge­kräf­ti­ger Sta­tis­ti­ken be­nö­ti­gen. Sie ha­ben je­weils Jah­res­be­rich­te und Jah­res­rech­nun­gen ein­zu­rei­chen.

Art. 78 Verantwortlichkeit  

1 Für Schä­den, die von Durch­füh­rungs­or­ga­nen oder ein­zel­nen Funk­tio­nären von Ver­si­che­rungs­trä­gern ei­ner ver­si­cher­ten Per­son oder Drit­ten wi­der­recht­lich zu­ge­fügt wur­den, haf­ten die öf­fent­li­chen Kör­per­schaf­ten, pri­va­ten Trä­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen oder Ver­si­che­rungs­trä­ger, die für die­se Or­ga­ne ver­ant­wort­lich sind.

2 Die zu­stän­di­ge Be­hör­de ent­schei­det durch Ver­fü­gung über Er­satz­for­de­run­gen.

3 Die sub­si­di­äre Haf­tung des Bun­des für aus­ser­halb der or­dent­li­chen Bun­des­ver­wal­tung ste­hen­de Or­ga­ni­sa­tio­nen rich­tet sich nach Ar­ti­kel 19 des Ver­ant­wort­lich­keits­ge­set­zes vom 14. März 195863.

4 Für die Ver­fah­ren nach den Ab­sät­zen 1 und 3 gel­ten die Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes. Ein Ein­spra­che­ver­fah­ren wird nicht durch­ge­führt. Die Ar­ti­kel 3–9, 11, 12, 20 Ab­satz 1, 21 und 23 des Ver­ant­wort­lich­keits­ge­set­zes vom 14. März 1958 sind sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

5 Per­so­nen, die als Or­ga­ne oder Funk­tio­näre ei­nes Ver­si­che­rungs­trä­gers, ei­ner Re­vi­si­ons- oder Kon­troll­stel­le han­deln oder de­nen durch die Ein­zel­ge­set­ze be­stimm­te Auf­ga­ben über­tra­gen wur­den, un­ter­lie­gen der glei­chen straf­recht­li­chen Ver­ant­wort­lich­keit wie Be­hör­de­mit­glie­der und Be­am­te nach dem Straf­ge­setz­buch64.

Art. 79 Strafbestimmungen  

1 Die Be­stim­mun­gen des All­ge­mei­nen Teils des Straf­ge­setz­bu­ches65 so­wie Ar­ti­kel 6 des Bun­des­ge­set­zes vom 22. März 197466 über das Ver­wal­tungs­straf­recht fin­den An­wen­dung.67

2 Die Straf­ver­fol­gung ist Sa­che der Kan­to­ne.

3 Der Ver­si­che­rungs­trä­ger kann in Straf­ver­fah­ren we­gen Ver­let­zung von Ar­ti­kel 148ades Straf­ge­setz­bu­ches und Ar­ti­kel 87 des Bun­des­ge­set­zes vom 20. De­zem­ber 194668 über die Al­ters- und Hin­ter­las­se­nen­ver­si­che­rung die Rech­te ei­ner Pri­vat­klä­ger­schaft wahr­neh­men.69

65 SR 311.0

66 SR 313.0

67 Fas­sung ge­mä­ss An­hang 1 Ziff. II 28 der Straf­pro­zess­ord­nung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

68 SR 831.10

69 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018 (Ge­setz­li­che Grund­la­ge für die Über­wa­­­chung von Ver­si­cher­ten), in Kraft seit 1. Okt. 2019 (AS 2019 2829; BBl 2017 74037421).

Art. 80 Steuerfreiheit der Versicherungsträger  

1 Die Ver­si­che­rungs­trä­ger und Durch­füh­rungs­or­ga­ne sind, so­weit ih­re Ein­künf­te und Ver­mö­gens­wer­te aus­sch­liess­lich der Durch­füh­rung der So­zi­al­ver­si­che­rung, der Er­brin­gung oder der Si­cher­stel­lung von So­zi­al­ver­si­che­rungs­leis­tun­gen die­nen, von den di­rek­ten Steu­ern des Bun­des, der Kan­to­ne und der Ge­mein­den und von Erb­schafts- und Schen­kungs­steu­ern der Kan­to­ne und Ge­mein­den be­freit.

2 Ur­kun­den, die bei der Durch­füh­rung der So­zi­al­ver­si­che­rung im Ver­kehr mit den Ver­si­cher­ten oder mit Dritt­per­so­nen und an­de­ren Or­ga­ni­sa­tio­nen ver­wen­det wer­den, sind von den öf­fent­li­chen Ab­ga­ben und Ge­büh­ren be­freit. Der Be­zug der ge­setz­li­chen Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge un­ter­liegt der eid­ge­nös­si­schen Stem­pe­l­ab­ga­be auf Prä­mi­en­quit­tun­gen nicht.

7. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 81 Vollzug  

Der Bun­des­rat wird mit dem Voll­zug be­auf­tragt. Er er­lässt die Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen.

Art. 82 Übergangsbestimmungen  

1 Ma­te­ri­el­le Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes sind auf die bei sei­nem In­kraft­tre­ten lau­fen­den Leis­tun­gen und fest­ge­setz­ten For­de­run­gen nicht an­wend­bar. We­gen Selbst­ver­schul­den ge­kürz­te oder ver­wei­ger­te In­va­li­den- oder Hin­ter­las­se­nen­ren­ten


wer­den je­doch auf An­trag über­prüft und ge­ge­be­nen­falls frü­he­s­tens vom In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes an auf Grund von Ar­ti­kel 21 Ab­satz 1 und 2 neu fest­ge­setzt.

2 ...70

70 Auf­ge­ho­ben durch Ziff. II 38 des BG vom 20. März 2008 zur for­mel­len Be­rei­ni­gung des Bun­des­rechts, mit Wir­kung seit 1. Aug. 2008 (AS 2008 3437; BBl 2007 6121).

Art. 82a Übergangsbestimmung zur Änderung vom
21. Juni 2019
71  

Für im Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens der Än­de­rung vom 21. Ju­ni 2019 beim ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt hän­gi­ge Be­schwer­den gilt das bis­he­ri­ge Recht.

71 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5137; BBl 2018 1607). Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 19. Mai 2021, pu­bli­ziert am 18. Ju­ni 2021 (AS 2021 358).

Art. 83 Änderung bisherigen Rechts  

1 Die im An­hang auf­ge­führ­ten Ar­ti­kel wer­den auf­ge­ho­ben oder ge­än­dert.

2 Die Bun­des­ver­samm­lung kann vor In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes auf dem Ver­ord­nungs­weg den An­hang än­dern, um die­sen an Än­de­run­gen an­zu­pas­sen, die in den be­trof­fe­nen Ge­set­zen vor­ge­nom­men wur­den und seit der Ver­ab­schie­dung die­ses Ge­set­zes in Kraft ge­tre­ten sind.

Art. 84 Referendum und Inkrafttreten  

1 Die­ses Ge­setz un­ter­steht dem fa­kul­ta­ti­ven Re­fe­ren­dum.

2 Der Bun­des­rat be­stimmt den Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens.

3 Ar­ti­kel 83 Ab­satz 2 tritt am ers­ten Tag des zwei­ten Mo­nats nach dem un­be­nütz­ten Ab­lauf der Re­fe­ren­dums­frist oder mit sei­ner An­nah­me in der Volks­ab­stim­mung in Kraft.

Da­tum des In­kraft­tre­tens:72 1. Ja­nu­ar 2003
Art. 83 Abs. 2: 1. März 2001

72 BRB vom 11. Sept. 2002

Anhang

Änderung bisherigen Rechts

...73

73 Die Änd. können unter AS 2002 3453347234753371konsultiert werden.

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