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3. Kapitel: Zeuginnen und Zeugen

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 162 Begriff  

Zeu­gin oder Zeu­ge ist ei­ne an der Be­ge­hung ei­ner Straf­tat nicht be­tei­lig­te Per­son, die der Auf­klä­rung die­nen­de Aus­sa­gen ma­chen kann und nicht Aus­kunfts­per­son ist.

Art. 163 Zeugnisfähigkeit und Zeugnispflicht  

1 Zeug­nis­fä­hig ist ei­ne Per­son, die äl­ter als 15 Jah­re und hin­sicht­lich des Ge­gen­stands der Ein­ver­nah­me ur­teils­fä­hig ist.

2 Je­de zeug­nis­fä­hi­ge Per­son ist zum wahr­heits­ge­mäs­sen Zeug­nis ver­pflich­tet; vor­be­hal­ten blei­ben die Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rech­te.

Art. 164 Abklärungen über die Zeugin oder den Zeugen  

1 Das Vor­le­ben und die per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se ei­ner Zeu­gin oder ei­nes Zeu­gen wer­den nur ab­ge­klärt, so­weit dies zur Prü­fung ih­rer Glaub­wür­dig­keit er­for­der­lich ist.

2 Be­ste­hen Zwei­fel an der Ur­teils­fä­hig­keit oder lie­gen An­halts­punk­te für psy­chi­sche Stö­run­gen vor, so kann die Ver­fah­rens­lei­tung ei­ne am­bu­lan­te Be­gut­ach­tung der Zeu­gin oder des Zeu­gen an­ord­nen, wenn die Be­deu­tung des Straf­ver­fah­rens und des Zeug­nis­ses dies recht­fer­tigt.

Art. 165 Schweigegebot für die Zeugin oder den Zeugen  

1 Die ein­ver­neh­men­de Be­hör­de kann ei­ne Zeu­gin oder einen Zeu­gen un­ter Hin­weis auf die Straf­dro­hung von Ar­ti­kel 292 StGB44 ver­pflich­ten, über die be­ab­sich­tig­te oder die er­folg­te Ein­ver­nah­me und de­ren Ge­gen­stand Still­schwei­gen zu be­wah­ren.

2 Die Ver­pflich­tung wird be­fris­tet.

3 Die An­ord­nung kann mit der Vor­la­dung der Zeu­gin oder des Zeu­gen ver­bun­den wer­den.

Art. 166 Einvernahme der geschädigten Person  

1 Die ge­schä­dig­te Per­son wird als Zeu­gin oder Zeu­ge ein­ver­nom­men.

2 Vor­be­hal­ten bleibt die Ein­ver­nah­me als Aus­kunfts­per­son nach Ar­ti­kel 178.

Art. 167 Entschädigung  

Die Zeu­gin oder der Zeu­ge hat An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Ent­schä­di­gung für Er­werbs­aus­fall und Spe­sen.

2. Abschnitt: Zeugnisverweigerungsrechte

Art. 168 Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund persönlicher Beziehungen  

1 Das Zeug­nis kön­nen ver­wei­gern:

a.
die Ehe­gat­tin oder der Ehe­gat­te der be­schul­dig­ten Per­son oder wer mit die­ser ei­ne fak­ti­sche Le­bens­ge­mein­schaft führt;
b.
wer mit der be­schul­dig­ten Per­son ge­mein­sa­me Kin­der hat;
c.
die in ge­ra­der Li­nie Ver­wand­ten oder Ver­schwä­ger­ten der be­schul­dig­ten Per­son;
d.
die Ge­schwis­ter und Stief­ge­schwis­ter der be­schul­dig­ten Per­son so­wie die Ehe­gat­tin oder der Ehe­gat­te ei­nes Ge­schwis­ters oder Stief­ge­schwis­ters;
e.
die Ge­schwis­ter und Stief­ge­schwis­ter der durch Ehe mit der be­schul­dig­ten Per­son ver­bun­de­nen Per­son, so­wie die Ehe­gat­tin oder der Ehe­gat­te ei­nes Ge­schwis­ters oder Stief­ge­schwis­ters;
f.
die Pfle­ge­el­tern, die Pfle­ge­kin­der und die Pfle­ge­ge­schwis­ter der be­schul­dig­ten Per­son;
g.45
die für die be­schul­dig­te Per­son zur Vor­mund­schaft oder zur Bei­stand­schaft ein­ge­setz­te Per­son.

2 Das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht nach Ab­satz 1 Buch­sta­ben a und f be­steht fort, wenn die Ehe auf­ge­löst wird oder wenn bei ei­ner Fa­mi­li­en­pfle­ge46 das Pfle­ge­ver­hält­nis nicht mehr be­steht.

3 Die ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft ist der Ehe gleich­ge­stellt.

4 Das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht ent­fällt, wenn:

a.47
sich das Straf­ver­fah­ren auf ei­ne Straf­tat nach den Ar­ti­keln 111–113, 122, 124, 140, 184, 185, 187, 189, 190 oder 191 StGB48 be­zieht; und
b.
sich die Tat ge­gen ei­ne Per­son rich­te­te, zu der die Zeu­gin oder der Zeu­ge nach den Ab­sät­zen 1–3 in Be­zie­hung steht.

45Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

46 Art. 4–11 der V vom 19. Okt. 1977 über die Auf­nah­me von Kin­dern zur Pfle­ge und zur Ad­op­ti­on (SR 211.222.338).

47 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. III des BG vom 30. Sept. 2011, in Kraft seit 1. Ju­li 2012 (AS 2012 2575; BBl 2010 56515677).

48 SR 311.0

Art. 169 Zeugnisverweigerungsrecht zum eigenen Schutz oder zum Schutz nahe stehender Personen  

1 Ei­ne Per­son kann das Zeug­nis ver­wei­gern, wenn sie sich mit ih­rer Aus­sa­ge selbst der­art be­las­ten wür­de, dass sie:

a.
straf­recht­lich ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den könn­te;
b.
zi­vil­recht­lich ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den könn­te, und wenn das Schut­z­in­ter­es­se das Straf­ver­fol­gungs­in­ter­es­se über­wiegt.

2 Das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht be­steht auch dann, wenn die Per­son mit ih­rer Aus­sa­ge ei­ne ihr im Sin­ne von Ar­ti­kel 168 Ab­sät­ze 1–3 na­he ste­hen­de Per­son be­las­ten wür­de; vor­be­hal­ten bleibt Ar­ti­kel 168 Ab­satz 4.

3 Ei­ne Per­son kann das Zeug­nis ver­wei­gern, wenn ihr oder ei­ner ihr im Sin­ne von Ar­ti­kel 168 Ab­sät­ze 1–3 na­he ste­hen­den Per­son durch ih­re Aus­sa­ge ei­ne er­heb­li­che Ge­fahr für Leib und Le­ben oder ein an­de­rer schwe­rer Nach­teil droht, wel­cher mit Schutz­mass­nah­men nicht ab­ge­wen­det wer­den kann.

4 Ein Op­fer ei­ner Straf­tat ge­gen die se­xu­el­le In­te­gri­tät kann in je­dem Fall die Aus­sa­ge zu Fra­gen ver­wei­gern, die sei­ne In­tim­sphä­re be­tref­fen.

Art. 170 Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund eines Amtsgeheimnisses  

1 Be­am­tin­nen und Be­am­te im Sin­ne von Ar­ti­kel 110 Ab­satz 3 StGB49 so­wie Mit­glie­der von Be­hör­den kön­nen das Zeug­nis über Ge­heim­nis­se ver­wei­gern, die ih­nen in ih­rer amt­li­chen Ei­gen­schaft an­ver­traut wor­den sind oder die sie bei der Aus­übung ih­res Am­tes wahr­ge­nom­men ha­ben.

2 Sie ha­ben aus­zu­sa­gen, wenn sie von ih­rer vor­ge­setz­ten Be­hör­de zur Aus­sa­ge schrift­lich er­mäch­tigt wor­den sind.

3 Die vor­ge­setz­te Be­hör­de er­teilt die Er­mäch­ti­gung zur Aus­sa­ge, wenn das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung das Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se über­wiegt.

Art. 171 Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund eines Berufsgeheimnisses  

1 Geist­li­che, Rechts­an­wäl­tin­nen und Rechts­an­wäl­te, Ver­tei­di­ge­rin­nen und Ver­tei­di­ger, No­ta­rin­nen und No­ta­re, Pa­ten­t­an­wäl­tin­nen und Pa­ten­t­an­wäl­te, Ärz­tin­nen und Ärz­te, Zahn­ärz­tin­nen und Zahn­ärz­te, Chi­ro­prak­to­rin­nen und Chi­ro­prak­to­ren, Apo­the­ke­rin­nen und Apo­the­ker, Psy­cho­lo­gin­nen und Psy­cho­lo­gen so­wie ih­re Hilfs­per­so­nen kön­nen das Zeug­nis über Ge­heim­nis­se ver­wei­gern, die ih­nen auf­grund ih­res Be­ru­fes an­ver­traut wor­den sind oder die sie in des­sen Aus­übung wahr­ge­nom­men ha­ben.50

2 Sie ha­ben aus­zu­sa­gen, wenn sie:

a.
ei­ner An­zei­ge­pflicht un­ter­lie­gen; oder
b.
nach Ar­ti­kel 321 Zif­fer 2 StGB51 von der Ge­heim­nis­her­rin, dem Ge­heim­nis­herrn oder schrift­lich von der zu­stän­di­gen Stel­le von der Ge­heim­nis­pflicht ent­bun­den wor­den sind.

3 Die Straf­be­hör­de be­ach­tet das Be­rufs­ge­heim­nis auch bei Ent­bin­dung von der Ge­heim­nis­pflicht, wenn die Ge­heim­nis­trä­ge­rin oder der Ge­heim­nis­trä­ger glaub­haft macht, dass das Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se der Ge­heim­nis­her­rin oder des Ge­heim­nis­herrn das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung über­wiegt.

4 Das An­walts­ge­setz vom 23. Ju­ni 200052 bleibt vor­be­hal­ten.

50 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des Ge­sund­heits­be­ru­fe­ge­set­zes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Fe­br. 2020 (AS 2020 57; BBl 2015 8715).

51 SR 311.0

52 SR 935.61

Art. 172 Quellenschutz der Medienschaffenden  

1 Per­so­nen, die sich be­ruf­lich mit der Ver­öf­fent­li­chung von In­for­ma­tio­nen im re­dak­tio­nel­len Teil ei­nes pe­ri­odisch er­schei­nen­den Me­di­ums be­fas­sen, so­wie ih­re Hilfs­per­so­nen kön­nen das Zeug­nis über die Iden­ti­tät der Au­to­rin oder des Au­tors oder über In­halt und Quel­len ih­rer In­for­ma­tio­nen ver­wei­gern.

2 Sie ha­ben aus­zu­sa­gen, wenn:

a.
das Zeug­nis er­for­der­lich ist, um ei­ne Per­son aus ei­ner un­mit­tel­ba­ren Ge­fahr für Leib und Le­ben zu ret­ten;
b.
oh­ne das Zeug­nis ei­ne der fol­gen­den Straf­ta­ten nicht auf­ge­klärt wer­den oder die ei­ner sol­chen Tat be­schul­dig­te Per­son nicht er­grif­fen wer­den kann:
1.
Tö­tungs­de­lik­te im Sin­ne der Ar­ti­kel 111–113 StGB53,
2.
Ver­bre­chen, die mit ei­ner Frei­heits­s­tra­fe von min­des­tens 3 Jah­ren be­droht sind,
3.54
Straf­ta­ten nach den Ar­ti­keln 187, 189, 190, 191, 197 Ab­satz 4, 260ter, 260quin­quies, 260se­xies, 305bis, 305ter und 322ter–322sep­tiesStGB,
4.55
Straf­ta­ten nach Ar­ti­kel 19 Ab­satz 2 des Be­täu­bungs­mit­tel­ge­set­zes vom 3. Ok­to­ber 195156.

53 SR 311.0

54 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

55 Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 19. Sept. 2011, ver­öf­fent­licht am 4. Okt. 2011 (AS 2011 4487).

56 SR 812.121

Art. 173 Zeugnisverweigerungsrecht bei weiteren Geheimhaltungspflichten  

1 Wer nach ei­ner der fol­gen­den Be­stim­mun­gen Be­rufs­ge­heim­nis­se wah­ren muss, hat nur aus­zu­sa­gen, wenn das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung das Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se über­wiegt:

a.
Ar­ti­kel 321bis StGB57;
b.
Ar­ti­kel 139 Ab­satz 3 des Zi­vil­ge­setz­buchs58;
c.
Ar­ti­kel 2 des Bun­des­ge­set­zes vom 9. Ok­to­ber 198159 über die Schwan­ger­schafts­be­ra­tungs­stel­len;
d.60
Ar­ti­kel 11 des Op­fer­hil­fe­ge­set­zes vom 23. März 200761;
e.62
Ar­ti­kel 3c Ab­satz 4 des Be­täu­bungs­mit­tel­ge­set­zes vom 3. Ok­to­ber 195163;
f.64
Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be f des Ge­sund­heits­be­ru­fe­ge­set­zes vom 30. Sep­tem­ber 201665.

2 Trä­ge­rin­nen und Trä­ger an­de­rer ge­setz­lich ge­schütz­ter Ge­heim­nis­se sind zur Aus­sa­ge ver­pflich­tet. Die Ver­fah­rens­lei­tung kann sie von der Zeug­nis­pflicht be­frei­en, wenn sie glaub­haft ma­chen kön­nen, dass das Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung über­wiegt.

57 SR 311.0

58 SR 210. Die­ser Art. ist heu­te auf­ge­ho­ben.

59 SR 857.5

60 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

61 SR 312.5

62 Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 19. Sept. 2011, ver­öf­fent­licht am 4. Okt. 2011 (AS 2011 4487).

63 SR 812.121

64 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des Ge­sund­heits­be­ru­fe­ge­set­zes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Fe­br. 2020 (AS 2020 57; BBl 2015 8715).

65 SR 811.21

Art. 174 Entscheid über die Zulässigkeit der Zeugnisverweigerung  

1 Über die Zu­läs­sig­keit der Zeug­nis­ver­wei­ge­rung ent­schei­det:

a.
im Vor­ver­fah­ren: die ein­ver­neh­men­de Be­hör­de;
b.
nach An­kla­ge­er­he­bung: das Ge­richt.

2 Die Zeu­gin oder der Zeu­ge kann so­fort nach der Er­öff­nung des Ent­schei­des die Be­ur­tei­lung durch die Be­schwer­de­in­stanz ver­lan­gen.

3 Bis zum Ent­scheid der Be­schwer­de­in­stanz hat die Zeu­gin oder der Zeu­ge ein Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht.

Art. 175 Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts  

1 Die Zeu­gin oder der Zeu­ge kann sich je­der­zeit auf sein Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht be­ru­fen oder den Ver­zicht dar­auf wi­der­ru­fen.

2 Aus­sa­gen, die ei­ne Zeu­gin oder ein Zeu­ge nach Be­leh­rung über das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht ge­macht hat, kön­nen auch dann als Be­weis ver­wer­tet wer­den, wenn sich die Zeu­gin oder der Zeu­ge zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt auf das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht be­ruft oder den Ver­zicht auf das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht wi­der­ruft.

Art. 176 Unberechtigte Zeugnisverweigerung  

1 Wer das Zeug­nis ver­wei­gert, oh­ne da­zu be­rech­tigt zu sein, kann mit Ord­nungs­bus­se be­straft und zur Tra­gung der Kos­ten und Ent­schä­di­gun­gen ver­pflich­tet wer­den, die durch die Ver­wei­ge­rung ver­ur­sacht wor­den sind.

2 Be­harrt die zum Zeug­nis ver­pflich­te­te Per­son auf ih­rer Wei­ge­rung, so wird sie un­ter Hin­weis auf Ar­ti­kel 292 StGB66 noch­mals zur Aus­sa­ge auf­ge­for­dert. Bei er­neu­ter Ver­wei­ge­rung wird ein Straf­ver­fah­ren er­öff­net.

3. Abschnitt: Zeugeneinvernahme

Art. 177  

1 Die ein­ver­neh­men­de Be­hör­de macht die Zeu­gin oder den Zeu­gen zu Be­ginn je­der Ein­ver­nah­me auf die Zeug­nis- und die Wahr­heits­pflich­ten und auf die Straf­bar­keit ei­nes falschen Zeug­nis­ses nach Ar­ti­kel 307 StGB67 auf­merk­sam. Un­ter­bleibt die Be­leh­rung, so ist die Ein­ver­nah­me un­gül­tig.

2 Die ein­ver­neh­men­de Be­hör­de be­fragt die Zeu­gin oder den Zeu­gen zu Be­ginn der ers­ten Ein­ver­nah­me über ih­re Be­zie­hun­gen zu den Par­tei­en so­wie zu wei­te­ren Um­stän­den, die für ih­re Glaub­wür­dig­keit von Be­deu­tung sein kön­nen.

3 Sie macht sie auf ih­re Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rech­te auf­merk­sam, so­bald sie auf­grund der Be­fra­gung und der Ak­ten sol­che Rech­te er­kennt. Un­ter­bleibt der Hin­weis und be­ruft sich die Zeu­gin oder der Zeu­ge nach­träg­lich auf das Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht, so ist die Ein­ver­nah­me nicht ver­wert­bar.

4. Kapitel: Auskunftspersonen

Art. 178 Begriff  

Als Aus­kunfts­per­son wird ein­ver­nom­men, wer:

a.
sich als Pri­vat­klä­ger­schaft kon­sti­tu­iert hat;
b.
zur Zeit der Ein­ver­nah­me das 15. Al­ters­jahr noch nicht zu­rück­ge­legt hat;
c.
we­gen ein­ge­schränk­ter Ur­teils­fä­hig­keit nicht in der La­ge ist, den Ge­gen­stand der Ein­ver­nah­me zu er­fas­sen;
d.
oh­ne sel­ber be­schul­digt zu sein, als Tä­te­rin, Tä­ter, Teil­neh­me­rin oder Teil­neh­mer der ab­zu­klä­ren­den Straf­tat oder ei­ner an­de­ren da­mit zu­sam­men­hän­gen­den Straf­tat nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann;
e.
als mit­be­schul­dig­te Per­son zu ei­ner ihr nicht sel­ber zur Last ge­leg­ten Straf­tat zu be­fra­gen ist;
f.
in ei­nem an­dern Ver­fah­ren we­gen ei­ner Tat, die mit der ab­zu­klä­ren­den Straf­tat in Zu­sam­men­hang steht, be­schul­digt ist;
g.
in ei­nem ge­gen ein Un­ter­neh­men ge­rich­te­ten Straf­ver­fah­ren als Ver­tre­te­rin oder Ver­tre­ter des Un­ter­neh­mens be­zeich­net wor­den ist oder be­zeich­net wer­den könn­te, so­wie ih­re oder sei­ne Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter.
Art. 179 Auskunftspersonen bei polizeilichen Einvernahmen  

1 Die Po­li­zei be­fragt ei­ne Per­son, die nicht als be­schul­dig­te Per­son in Be­tracht kommt, als Aus­kunfts­per­son.

2 Vor­be­hal­ten bleibt die Ein­ver­nah­me als Zeu­gin oder Zeu­ge ge­mä­ss Ar­ti­kel 142 Ab­satz 2.

Art. 180 Stellung  

1 Die Aus­kunfts­per­so­nen nach Ar­ti­kel 178 Buch­sta­ben b–g sind nicht zur Aus­sa­ge ver­pflich­tet; für sie gel­ten sinn­ge­mä­ss die Be­stim­mun­gen über die Ein­ver­nah­me der be­schul­dig­ten Per­son.

2 Die Pri­vat­klä­ger­schaft (Art. 178 Bst. a) ist vor der Staats­an­walt­schaft, vor den Ge­rich­ten so­wie vor der Po­li­zei, die sie im Auf­trag der Staats­an­walt­schaft ein­ver­nimmt, zur Aus­sa­ge ver­pflich­tet. Im Üb­ri­gen sind die Be­stim­mun­gen über die Zeu­gin­nen und Zeu­gen sinn­ge­mä­ss an­wend­bar, mit Aus­nah­me von Ar­ti­kel 176.

Art. 181 Einvernahme  

1 Die Straf­be­hör­den ma­chen die Aus­kunfts­per­so­nen zu Be­ginn der Ein­ver­nah­me auf ih­re Aus­sa­ge­pflicht oder ih­re Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rech­te auf­merk­sam.

2 Sie wei­sen Aus­kunfts­per­so­nen, die zur Aus­sa­ge ver­pflich­tet sind oder sich be­reit er­klä­ren aus­zu­sa­gen, auf die mög­li­chen Straf­fol­gen ei­ner falschen An­schul­di­gung, ei­ner Ir­re­füh­rung der Rechts­pfle­ge und ei­ner Be­güns­ti­gung hin.

5. Kapitel: Sachverständige

Art. 182 Voraussetzungen für den Beizug einer sachverständigen Person  

Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te zie­hen ei­ne oder meh­re­re sach­ver­stän­di­ge Per­so­nen bei, wenn sie nicht über die be­son­de­ren Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten ver­fü­gen, die zur Fest­stel­lung oder Be­ur­tei­lung ei­nes Sach­ver­halts er­for­der­lich sind.

Art. 183 Anforderungen an die sachverständige Person  

1 Als Sach­ver­stän­di­ge kön­nen na­tür­li­che Per­so­nen er­nannt wer­den, die auf dem be­tref­fen­den Fach­ge­biet die er­for­der­li­chen be­son­de­ren Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten be­sit­zen.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen für be­stimm­te Ge­bie­te dau­ernd be­stell­te oder amt­li­che Sach­ver­stän­di­ge vor­se­hen.

3 Für Sach­ver­stän­di­ge gel­ten die Aus­stands­grün­de nach Ar­ti­kel 56.

Art. 184 Ernennung und Auftrag  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung er­nennt die sach­ver­stän­di­ge Per­son.

2 Sie er­teilt ihr einen schrift­li­chen Auf­trag; die­ser ent­hält:

a.
die Be­zeich­nung der sach­ver­stän­di­gen Per­son;
b.
al­len­falls den Ver­merk, dass die sach­ver­stän­di­ge Per­son für die Aus­ar­bei­tung des Gut­ach­tens wei­te­re Per­so­nen un­ter ih­rer Ver­ant­wor­tung ein­set­zen kann;
c.
die prä­zis for­mu­lier­ten Fra­gen;
d.
die Frist zur Er­stat­tung des Gut­ach­tens;
e.
den Hin­weis auf die Ge­heim­hal­tungs­pflicht der sach­ver­stän­di­gen Per­son und ih­rer all­fäl­li­gen Hilfs­per­so­nen;
f.
den Hin­weis auf die Straf­fol­gen ei­nes falschen Gut­ach­tens nach Ar­ti­kel 307 StGB68.

3 Die Ver­fah­rens­lei­tung gibt den Par­tei­en vor­gän­gig Ge­le­gen­heit, sich zur sach­ver­stän­di­gen Per­son und zu den Fra­gen zu äus­sern und da­zu ei­ge­ne An­trä­ge zu stel­len. Sie kann bei La­bor­un­ter­su­chun­gen da­von ab­se­hen, na­ment­lich wenn es um die Be­stim­mung der Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­ti­on oder des Rein­heits­gra­des von Stof­fen, den Nach­weis von Be­täu­bungs­mit­teln im Blut oder die Er­stel­lung ei­nes DNA-Pro­fils geht.

4 Sie über­gibt der sach­ver­stän­di­gen Per­son zu­sam­men mit dem Auf­trag die zur Er­stel­lung des Gut­ach­tens not­wen­di­gen Ak­ten und Ge­gen­stän­de.

5 Sie kann einen Auf­trag je­der­zeit wi­der­ru­fen und neue Sach­ver­stän­di­ge er­nen­nen, wenn es im In­ter­es­se der Strafsa­che liegt.

6 Sie kann vor der Er­tei­lung des Auf­trags einen Kos­ten­vor­an­schlag ver­lan­gen.

7 Be­an­tragt die Pri­vat­klä­ger­schaft ein Gut­ach­ten, so kann die Ver­fah­rens­lei­tung die Er­tei­lung des Auf­tra­ges von der Leis­tung ei­nes Kos­ten­vor­schus­ses durch die Pri­vat­klä­ger­schaft ab­hän­gig ma­chen.

Art. 185 Ausarbeitung des Gutachtens  

1 Die sach­ver­stän­di­ge Per­son ist für das Gut­ach­ten per­sön­lich ver­ant­wort­lich.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann die sach­ver­stän­di­ge Per­son zu Ver­fah­rens­hand­lun­gen bei­zie­hen und sie er­mäch­ti­gen, den ein­zu­ver­neh­men­den Per­so­nen Fra­gen zu stel­len.

3 Hält die sach­ver­stän­di­ge Per­son Er­gän­zun­gen der Ak­ten für not­wen­dig, so stellt sie der Ver­fah­rens­lei­tung einen ent­spre­chen­den An­trag.

4 Die sach­ver­stän­di­ge Per­son kann ein­fa­che Er­he­bun­gen, die mit dem Auf­trag in en­gem Zu­sam­men­hang ste­hen, sel­ber vor­neh­men und zu die­sem Zweck Per­so­nen auf­bie­ten. Die­se ha­ben dem Auf­ge­bot Fol­ge zu leis­ten. Wei­gern sie sich, so kön­nen sie po­li­zei­lich vor­ge­führt wer­den.

5 Bei Er­he­bun­gen durch die sach­ver­stän­di­ge Per­son kön­nen die be­schul­dig­te Per­son und, im Um­fang ih­res Ver­wei­ge­rungs­rechts, Per­so­nen, die zur Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rung be­rech­tigt sind, die Mit­wir­kung oder Aus­sa­ge ver­wei­gern. Die sach­ver­stän­di­ge Per­son weist die be­trof­fe­nen Per­so­nen zu Be­ginn der Er­he­bun­gen auf die­ses Recht hin.

Art. 186 Stationäre Begutachtung  

1 Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te kön­nen ei­ne be­schul­dig­te Per­son in ein Spi­tal ein­wei­sen, wenn dies für die Aus­ar­bei­tung ei­nes ärzt­li­chen Gut­ach­tens er­for­der­lich ist.

2 Die Staats­an­walt­schaft be­an­tragt dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt die Spi­tal­ein­wei­sung, wenn sich die be­tref­fen­de be­schul­dig­te Per­son nicht be­reits in Un­ter­su­chungs­haft be­fin­det. Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det dar­über in ei­nem schrift­li­chen Ver­fah­ren end­gül­tig.

3 Er­weist sich ei­ne sta­tio­näre Be­gut­ach­tung wäh­rend des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens als not­wen­dig, so ent­schei­det dar­über das be­tref­fen­de Ge­richt in ei­nem schrift­li­chen Ver­fah­ren end­gül­tig.

4 Der Spi­tal­auf­ent­halt ist auf die Stra­fe an­zu­rech­nen.

5 Im Üb­ri­gen rich­tet sich die sta­tio­näre Be­gut­ach­tung sinn­ge­mä­ss nach den Vor­schrif­ten über die Un­ter­su­chungs- und die Si­cher­heits­haft.

Art. 187 Form des Gutachtens  

1 Die sach­ver­stän­di­ge Per­son er­stat­tet das Gut­ach­ten schrift­lich. Wa­ren an der Aus­ar­bei­tung wei­te­re Per­so­nen be­tei­ligt, so sind ih­re Na­men und die Funk­ti­on, die sie bei der Er­stel­lung des Gut­ach­tens hat­ten, zu nen­nen.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann an­ord­nen, dass das Gut­ach­ten münd­lich er­stat­tet oder dass ein schrift­lich er­stat­te­tes Gut­ach­ten münd­lich er­läu­tert oder er­gänzt wird; in die­sem Fal­le sind die Vor­schrif­ten über die Zeu­gen­ein­ver­nah­me an­wend­bar.

Art. 188 Stellungnahme der Parteien  

Die Ver­fah­rens­lei­tung bringt den Par­tei­en das schrift­lich er­stat­te­te Gut­ach­ten zur Kennt­nis und setzt ih­nen ei­ne Frist zur Stel­lung­nah­me.

Art. 189 Ergänzung und Verbesserung des Gutachtens  

Die Ver­fah­rens­lei­tung lässt das Gut­ach­ten von Am­tes we­gen oder auf An­trag ei­ner Par­tei durch die glei­che sach­ver­stän­di­ge Per­son er­gän­zen oder ver­bes­sern oder be­stimmt wei­te­re Sach­ver­stän­di­ge, wenn:

a.
das Gut­ach­ten un­voll­stän­dig oder un­klar ist;
b.
meh­re­re Sach­ver­stän­di­ge in ih­ren Er­geb­nis­sen er­heb­lich von­ein­an­der ab­wei­chen; oder
c.
Zwei­fel an der Rich­tig­keit des Gut­ach­tens be­ste­hen.
Art. 190 Entschädigung  

Die sach­ver­stän­di­ge Per­son hat An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Ent­schä­di­gung.

Art. 191 Pflichtversäumnis  

Kommt ei­ne sach­ver­stän­di­ge Per­son ih­ren Pflich­ten nicht oder nicht recht­zei­tig nach, so kann die Ver­fah­rens­lei­tung:

a.
sie mit ei­ner Ord­nungs­bus­se be­stra­fen;
b.
den Auf­trag oh­ne Ent­schä­di­gung für die bis­he­ri­gen Be­mü­hun­gen wi­der­ru­fen.

6. Kapitel: Sachliche Beweismittel

Art. 192 Beweisgegenstände  

1 Die Straf­be­hör­den neh­men die Be­weis­ge­gen­stän­de voll­stän­dig und im Ori­gi­nal zu den Ak­ten.

2 Von Ur­kun­den und wei­te­ren Auf­zeich­nun­gen wer­den Ko­pi­en er­stellt, wenn dies für die Zwe­cke des Ver­fah­rens ge­nügt. Die Ko­pi­en sind nö­ti­gen­falls zu be­glau­bi­gen.

3 Die Par­tei­en kön­nen im Rah­men der Vor­schrif­ten über die Ak­ten­ein­sicht die Be­weis­ge­gen­stän­de ein­se­hen.

Art. 193 Augenschein  

1 Die Staats­an­walt­schaft, die Ge­rich­te und, in ein­fa­chen Fäl­len, die Po­li­zei be­sich­ti­gen Ge­gen­stän­de, Ört­lich­kei­ten und Vor­gän­ge, die für die Be­ur­tei­lung ei­nes Sach­ver­halts be­deut­sam sind, aber nicht un­mit­tel­bar als Be­weis­ge­gen­stän­de vor­lie­gen, in ei­nem Au­gen­schein an Ort und Stel­le.

2 Je­de Per­son hat den Au­gen­schein zu dul­den und den Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern den er­for­der­li­chen Zu­tritt zu ge­wäh­ren.

3 Müs­sen Häu­ser, Woh­nun­gen oder an­de­re nicht all­ge­mein zu­gäng­li­che Räu­me be­tre­ten wer­den, so be­ach­ten die Be­hör­den die für die Haus­durch­su­chung gel­ten­den Vor­schrif­ten.

4 Au­gen­schei­ne wer­den mit­tels Bild- oder Ton­auf­nah­men, Plä­nen, Zeich­nun­gen oder Be­schrei­bun­gen oder in an­de­rer Wei­se ak­ten­kun­dig ge­macht.

5 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann an­ord­nen, dass:

a.
an­de­re Ver­fah­rens­hand­lun­gen an den Ort des Au­gen­scheins ver­legt wer­den;
b.
der Au­gen­schein mit ei­ner Re­kon­struk­ti­on der Tat oder ei­ner Kon­fron­ta­ti­on ver­bun­den wird; in die­sem Fall sind die be­schul­dig­te Per­son, die Zeu­gin­nen, Zeu­gen und die Aus­kunfts­per­so­nen ver­pflich­tet, dar­an teil­zu­neh­men; ih­re Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs­rech­te blei­ben vor­be­hal­ten.
Art. 194 Beizug von Akten  

1 Die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te zie­hen Ak­ten an­de­rer Ver­fah­ren bei, wenn dies für den Nach­weis des Sach­ver­halts oder die Be­ur­tei­lung der be­schul­dig­ten Per­son er­for­der­lich ist.

2 Ver­wal­tungs- und Ge­richts­be­hör­den stel­len ih­re Ak­ten zur Ein­sicht­nah­me zur Ver­fü­gung, wenn der Her­aus­ga­be kei­ne über­wie­gen­den öf­fent­li­chen oder pri­va­ten Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

3 Kon­flik­te zwi­schen Be­hör­den des glei­chen Kan­tons ent­schei­det die Be­schwer­de­in­stanz des je­wei­li­gen Kan­tons, sol­che zwi­schen Be­hör­den ver­schie­de­ner Kan­to­ne oder zwi­schen kan­to­na­len und eid­ge­nös­si­schen Be­hör­den das Bun­dess­traf­ge­richt.

Art. 195 Einholen von Berichten und Auskünften  

1 Die Straf­be­hör­den ho­len amt­li­che Be­rich­te und Arzt­zeug­nis­se über Vor­gän­ge ein, die im Straf­ver­fah­ren be­deut­sam sein kön­nen.

2 Zur Ab­klä­rung der per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se der be­schul­dig­ten Per­son ho­len Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te Aus­künf­te über Vor­stra­fen und den Leu­mund so­wie wei­te­re sach­dien­li­che Be­rich­te von Amts­stel­len und Pri­va­ten ein.

5. Titel: Zwangsmassnahmen

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 196 Begriff  

Zwangs­mass­nah­men sind Ver­fah­rens­hand­lun­gen der Straf­be­hör­den, die in Grund­rech­te der Be­trof­fe­nen ein­grei­fen und die da­zu die­nen:

a.
Be­wei­se zu si­chern;
b.
die An­we­sen­heit von Per­so­nen im Ver­fah­ren si­cher­zu­stel­len;
c.
die Voll­stre­ckung des En­dent­schei­des zu ge­währ­leis­ten.
Art. 197 Grundsätze  

1 Zwangs­mass­nah­men kön­nen nur er­grif­fen wer­den, wenn:

a.
sie ge­setz­lich vor­ge­se­hen sind;
b.
ein hin­rei­chen­der Tat­ver­dacht vor­liegt;
c.
die da­mit an­ge­streb­ten Zie­le nicht durch mil­de­re Mass­nah­men er­reicht wer­den kön­nen;
d.
die Be­deu­tung der Straf­tat die Zwangs­mass­nah­me recht­fer­tigt.

2 Zwangs­mass­nah­men, die in die Grund­rech­te nicht be­schul­dig­ter Per­so­nen ein­grei­fen, sind be­son­ders zu­rück­hal­tend ein­zu­set­zen.

Art. 198 Zuständigkeit  

1 Zwangs­mass­nah­men kön­nen an­ord­nen:

a.
die Staats­an­walt­schaft;
b.
die Ge­rich­te, in drin­gen­den Fäl­len ih­re Ver­fah­rens­lei­tung;
c.
die Po­li­zei in den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Fäl­len.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen die Be­fug­nis der Po­li­zei, Zwangs­mass­nah­men an­zu­ord­nen und durch­zu­füh­ren, Po­li­zei­an­ge­hö­ri­gen mit ei­nem be­stimm­ten Grad oder ei­ner be­stimm­ten Funk­ti­on vor­be­hal­ten.

Art. 199 Eröffnung der Anordnung  

Ist ei­ne Zwangs­mass­nah­me schrift­lich an­zu­ord­nen und ist sie nicht ge­heim zu hal­ten, so wird den di­rekt be­trof­fe­nen Per­so­nen ge­gen Emp­fangs­be­stä­ti­gung ei­ne Ko­pie des Be­fehls und ei­nes all­fäl­li­gen Voll­zugs­pro­to­kolls über­ge­ben.

Art. 200 Gewaltanwendung  

Zur Durch­set­zung von Zwangs­mass­nah­men darf als äus­sers­tes Mit­tel Ge­walt an­ge­wen­det wer­den; die­se muss ver­hält­nis­mäs­sig sein.

2. Kapitel: Vorladung, Vorführung und Fahndung

1. Abschnitt: Vorladung

Art. 201 Form und Inhalt  

1 Die Vor­la­dun­gen von Staats­an­walt­schaft, Über­tre­tungs­straf­be­hör­den und Ge­rich­ten er­ge­hen schrift­lich.

2 Sie ent­hal­ten:

a.
die Be­zeich­nung der vor­la­den­den Straf­be­hör­de und der Per­so­nen, wel­che die Ver­fah­rens­hand­lung vor­neh­men wer­den;
b.
die Be­zeich­nung der vor­ge­la­de­nen Per­son und der Ei­gen­schaft, in der sie an der Ver­fah­rens­hand­lung teil­neh­men soll;
c.
den Grund der Vor­la­dung, so­fern der Un­ter­su­chungs­zweck die­sen Hin­weis nicht ver­bie­tet;
d.
Ort, Da­tum und Zeit des Er­schei­nens;
e.
die Auf­for­de­rung, per­sön­lich zu er­schei­nen;
f.
den Hin­weis auf die Rechts­fol­gen des un­ent­schul­dig­ten Fern­blei­bens;
g.
das Da­tum der Aus­stel­lung der Vor­la­dung;
h.
die Un­ter­schrift der vor­la­den­den Per­son.
Art. 202 Frist  

1 Vor­la­dun­gen wer­den zu­ge­stellt:

a.
im Vor­ver­fah­ren: min­des­tens 3 Ta­ge vor der Ver­fah­rens­hand­lung;
b.
im Ver­fah­ren vor Ge­richt: min­des­tens 10 Ta­ge vor der Ver­fah­rens­hand­lung.

2 Öf­fent­li­che Vor­la­dun­gen wer­den min­des­tens einen Mo­nat vor der Ver­fah­rens­hand­lung pu­bli­ziert.

3 Bei der Fest­le­gung des Zeit­punkts wird auf die Ab­kömm­lich­keit der vor­zu­la­den­den Per­so­nen an­ge­mes­sen Rück­sicht ge­nom­men.

Art. 203 Ausnahmen  

1 Ei­ne Vor­la­dung kann in an­de­rer als der vor­ge­schrie­be­nen Form und mit ab­ge­kürz­ten Fris­ten er­ge­hen:

a.
in drin­gen­den Fäl­len; oder
b.
mit dem Ein­ver­ständ­nis der vor­zu­la­den­den Per­son.

2 Wer sich am Or­te der Ver­fah­rens­hand­lung oder in Haft be­fin­det, kann so­fort und oh­ne Vor­la­dung ein­ver­nom­men wer­den.

Art. 204 Freies Geleit  

1 Sind Per­so­nen vor­zu­la­den, die sich im Aus­land be­fin­den, so kann ih­nen die Staats­an­walt­schaft oder die Ver­fah­rens­lei­tung des Ge­richts frei­es Ge­leit zu­si­chern.

2 Per­so­nen, de­nen frei­es Ge­leit zu­ge­si­chert wur­de, kön­nen in der Schweiz we­gen Hand­lun­gen oder Ver­ur­tei­lun­gen aus der Zeit vor ih­rer Ab­rei­se nicht ver­haf­tet oder an­de­ren frei­heits­be­schrän­ken­den Mass­nah­men un­ter­wor­fen wer­den.

3 Das freie Ge­leit kann an Be­din­gun­gen ge­knüpft wer­den. In die­sem Fall sind die be­trof­fe­nen Per­so­nen dar­auf auf­merk­sam zu ma­chen, dass das freie Ge­leit er­lischt, wenn sie die dar­an ge­knüpf­ten Be­din­gun­gen miss­ach­ten.

Art. 205 Erscheinungspflicht, Verhinderung und Säumnis  

1 Wer von ei­ner Straf­be­hör­de vor­ge­la­den wird, hat der Vor­la­dung Fol­ge zu leis­ten.

2 Wer ver­hin­dert ist, ei­ner Vor­la­dung Fol­ge zu leis­ten, hat dies der vor­la­den­den Be­hör­de un­ver­züg­lich mit­zu­tei­len; er oder sie hat die Ver­hin­de­rung zu be­grün­den und so­weit mög­lich zu be­le­gen.

3 Ei­ne Vor­la­dung kann aus wich­ti­gen Grün­den wi­der­ru­fen wer­den. Der Wi­der­ruf wird erst dann wirk­sam, wenn er der vor­ge­la­de­nen Per­son mit­ge­teilt wor­den ist.

4 Wer ei­ner Vor­la­dung von Staats­an­walt­schaft, Über­tre­tungs­straf­be­hör­de oder Ge­richt un­ent­schul­digt nicht oder zu spät Fol­ge leis­tet, kann mit Ord­nungs­bus­se be­straft und über­dies po­li­zei­lich vor­ge­führt wer­den.

5 Vor­be­hal­ten blei­ben die Be­stim­mun­gen über das Ab­we­sen­heits­ver­fah­ren.

Art. 206 Polizeiliche Vorladungen  

1 Im po­li­zei­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren kann die Po­li­zei Per­so­nen zum Zwe­cke der Be­fra­gung, der Iden­ti­täts­fest­stel­lung oder der er­ken­nungs­dienst­li­chen Be­hand­lung oh­ne Be­ach­tung be­son­de­rer For­men und Fris­ten vor­la­den.

2 Wer ei­ner po­li­zei­li­chen Vor­la­dung kei­ne Fol­ge leis­tet, kann mit Be­fehl der Staats­an­walt­schaft vor­ge­führt wer­den, wenn die­se Mass­nah­me der vor­ge­la­de­nen Per­son schrift­lich an­ge­droht wor­den ist.

2. Abschnitt: Polizeiliche Vorführung

Art. 207 Voraussetzungen und Zuständigkeit  

1 Ei­ne Per­son kann po­li­zei­lich vor­ge­führt wer­den, wenn:

a.
sie ei­ner Vor­la­dung nicht Fol­ge ge­leis­tet hat;
b.
auf­grund kon­kre­ter An­halts­punk­te an­zu­neh­men ist, sie wer­de ei­ner Vor­la­dung nicht Fol­ge leis­ten;
c.
bei Ver­fah­ren we­gen Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen ihr so­for­ti­ges Er­schei­nen im In­ter­es­se des Ver­fah­rens un­er­läss­lich ist;
d.
sie ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens drin­gend ver­däch­tigt wird und Haft­grün­de zu ver­mu­ten sind.

2 Die Vor­füh­rung wird von der Ver­fah­rens­lei­tung an­ge­ord­net.

Art. 208 Form der Anordnung  

1 Die Vor­füh­rung wird in ei­nem schrift­li­chen Be­fehl an­ge­ord­net. In drin­gen­den Fäl­len kann sie münd­lich an­ge­ord­net wer­den; sie ist aber nach­träg­lich schrift­lich zu be­stä­ti­gen.

2 Der Be­fehl ent­hält die glei­chen An­ga­ben wie ei­ne Vor­la­dung und zu­dem die aus­drück­li­che Er­mäch­ti­gung der Po­li­zei, zum Voll­zug wenn nö­tig Ge­walt an­zu­wen­den so­wie Häu­ser, Woh­nun­gen und an­de­re nicht all­ge­mein zu­gäng­li­che Räu­me zu be­tre­ten.

Art. 209 Vorgehen  

1 Die Po­li­zei führt den Vor­füh­rungs­be­fehl un­ter grösst­mög­li­cher Scho­nung der be­trof­fe­nen Per­so­nen aus.

2 Sie weist der vor­zu­füh­ren­den Per­son den Vor­füh­rungs­be­fehl vor und führt sie un­ver­züg­lich oder zu der im Vor­füh­rungs­be­fehl ge­nann­ten Zeit der Be­hör­de zu.

3 Die Be­hör­de in­for­miert die vor­ge­führ­te Per­son un­ver­züg­lich und in ei­ner ihr ver­ständ­li­chen Spra­che über den Grund der Vor­füh­rung, nimmt die Ver­fah­rens­hand­lung vor und ent­lässt sie da­nach un­ver­züg­lich, es sei denn, sie be­an­tra­ge die An­ord­nung der Un­ter­su­chungs- oder der Si­cher­heits­haft.

3. Abschnitt: Fahndung

Art. 210 Grundsätze  

1 Staats­an­walt­schaft, Über­tre­tungs­straf­be­hör­den und Ge­rich­te kön­nen Per­so­nen, de­ren Auf­ent­halt un­be­kannt und de­ren An­we­sen­heit im Ver­fah­ren er­for­der­lich ist, zur Er­mitt­lung des Auf­ent­halts­or­tes aus­schrei­ben. In drin­gen­den Fäl­len kann die Po­li­zei ei­ne Aus­schrei­bung von sich aus ver­an­las­sen.

2 Ei­ne be­schul­dig­te Per­son kann zur Ver­haf­tung und Zu­füh­rung aus­ge­schrie­ben wer­den, wenn sie ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens drin­gend ver­däch­tigt wird und Haft­grün­de zu ver­mu­ten sind.

3 Ord­net die Staats­an­walt­schaft, die Über­tre­tungs­straf­be­hör­de oder das Ge­richt nichts an­de­res an, so ist für die Durch­füh­rung der Aus­schrei­bung die Po­li­zei zu­stän­dig.

4 Die Ab­sät­ze 1 und 3 gel­ten sinn­ge­mä­ss für die Fahn­dung nach Ge­gen­stän­den und Ver­mö­gens­wer­ten.

Art. 211 Mithilfe der Öffentlichkeit  

1 Die Öf­fent­lich­keit kann zur Mit­hil­fe bei der Fahn­dung auf­ge­for­dert wer­den.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen Be­stim­mun­gen er­las­sen, wo­nach Pri­va­ten für die er­folg­rei­che Mit­wir­kung bei der Fahn­dung Be­loh­nun­gen aus­ge­rich­tet wer­den kön­nen.

3. Kapitel: Freiheitsentzug, Untersuchungs- und Sicherheitshaft

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 212 Grundsätze  

1 Die be­schul­dig­te Per­son bleibt in Frei­heit. Sie darf nur im Rah­men der Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes frei­heits­ent­zie­hen­den Zwangs­mass­nah­men un­ter­wor­fen wer­den.

2 Frei­heits­ent­zie­hen­de Zwangs­mass­nah­men sind auf­zu­he­ben, so­bald:

a.
ih­re Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr er­füllt sind;
b.
die von die­sem Ge­setz vor­ge­se­he­ne oder von ei­nem Ge­richt be­wil­lig­te Dau­er ab­ge­lau­fen ist; oder
c.
Er­satz­mass­nah­men zum glei­chen Ziel füh­ren.

3 Un­ter­su­chungs- und Si­cher­heits­haft dür­fen nicht län­ger dau­ern als die zu er­war­ten­de Frei­heits­s­tra­fe.

Art. 213 Betreten von Räumlichkeiten  

1 Müs­sen zur An­hal­tung oder Fest­nah­me ei­ner Per­son Häu­ser, Woh­nun­gen oder an­de­re nicht all­ge­mein zu­gäng­li­che Räu­me be­tre­ten wer­den, so sind die Be­stim­mun­gen über die Haus­durch­su­chung zu be­ach­ten.

2 Ist Ge­fahr im Ver­zug, so kann die Po­li­zei Räum­lich­kei­ten auch oh­ne Haus­durch­su­chungs­be­fehl be­tre­ten.

Art. 214 Benachrichtigung  

1 Wird ei­ne Per­son vor­läu­fig fest­ge­nom­men oder in Un­ter­su­chungs- oder Si­cher­heits­haft ge­setzt, so be­nach­rich­tigt die zu­stän­di­ge Straf­be­hör­de um­ge­hend:

a.
ih­re An­ge­hö­ri­gen;
b.
auf ih­ren Wunsch ih­ren Ar­beit­ge­ber oder die für sie zu­stän­di­ge aus­län­di­sche Ver­tre­tung.

2 Von ei­ner Be­nach­rich­ti­gung wird ab­ge­se­hen, wenn der Un­ter­su­chungs­zweck sie ver­bie­tet oder die be­trof­fe­ne Per­son sie aus­drück­lich ab­lehnt.

3 Ge­rät ei­ne Per­son, die von der fest­ge­nom­me­nen Per­son ab­hän­gig ist, we­gen der frei­heits­ent­zie­hen­den Zwangs­mass­nah­me in Schwie­rig­kei­ten, so be­nach­rich­tigt die Straf­be­hör­de die zu­stän­di­gen So­zi­al­be­hör­den.

4 Das Op­fer wird über die An­ord­nung und die Auf­he­bung der Un­ter­su­chungs- oder Si­cher­heits­haft und ei­ner Er­satz­mass­nah­me nach Ar­ti­kel 237 Ab­satz 2 Buch­sta­be c oder g so­wie über ei­ne Flucht der be­schul­dig­ten Per­son ori­en­tiert, es sei denn, es ha­be aus­drück­lich dar­auf ver­zich­tet.69 Die Ori­en­tie­rung über die Auf­he­bung der Haft kann un­ter­blei­ben, wenn die be­schul­dig­te Per­son da­durch ei­ner ernst­haf­ten Ge­fahr aus­ge­setzt wür­de.

69 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 1 des BG vom 13. Dez. 2013 über das Tä­tig­keits­ver­bot und das Kon­takt- und Ray­on­ver­bot, in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 2055; BBl 20128819).

2. Abschnitt: Polizeiliche Anhaltung und Nacheile

Art. 215 Polizeiliche Anhaltung  

1 Die Po­li­zei kann im In­ter­es­se der Auf­klä­rung ei­ner Straf­tat ei­ne Per­son an­hal­ten und wenn nö­tig auf den Po­li­zei­pos­ten brin­gen, um:

a.
ih­re Iden­ti­tät fest­zu­stel­len;
b.
sie kurz zu be­fra­gen;
c.
ab­zu­klä­ren, ob sie ei­ne Straf­tat be­gan­gen hat;
d.
ab­zu­klä­ren, ob nach ihr oder nach Ge­gen­stän­den, die sich in ih­rem Ge­wahr­sam be­fin­den, ge­fahn­det wird.

2 Sie kann die an­ge­hal­te­ne Per­son ver­pflich­ten:

a.
ih­re Per­so­na­li­en an­zu­ge­ben;
b.
Aus­weis­pa­pie­re vor­zu­le­gen;
c.
mit­ge­führ­te Sa­chen vor­zu­zei­gen;
d.
Be­hält­nis­se oder Fahr­zeu­ge zu öff­nen.

3 Sie kann Pri­vat­per­so­nen auf­for­dern, sie bei der An­hal­tung zu un­ter­stüt­zen.

4 Ist auf­grund kon­kre­ter An­halts­punk­te an­zu­neh­men, dass an ei­nem be­stimm­ten Ort Straf­ta­ten im Gan­ge sind oder sich dort be­schul­dig­te Per­so­nen auf­hal­ten, so kann die Po­li­zei die­sen Ort ab­sper­ren und die sich dort auf­hal­ten­den Per­so­nen an­hal­ten.

Art. 216 Nacheile  

1 Die Po­li­zei ist be­rech­tigt, in drin­gen­den Fäl­len ei­ne be­schul­dig­te Per­son auf das Ge­biet ei­ner an­de­ren Ge­mein­de, ei­nes an­de­ren Kan­tons und, im Rah­men völ­ker­recht­li­cher Ver­trä­ge, ins Aus­land zu ver­fol­gen und dort an­zu­hal­ten.

2 Soll die an­ge­hal­te­ne Per­son an­sch­lies­send fest­ge­nom­men wer­den, so wird sie un­ver­züg­lich der am Ort der An­hal­tung zu­stän­di­gen Be­hör­de über­ge­ben.

3. Abschnitt: Vorläufige Festnahme

Art. 217 Durch die Polizei  

1 Die Po­li­zei ist ver­pflich­tet, ei­ne Per­son vor­läu­fig fest­zu­neh­men und auf den Po­li­zei­pos­ten zu brin­gen, die:

a.
sie bei ei­nem Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen auf fri­scher Tat er­tappt oder un­mit­tel­bar nach der Be­ge­hung ei­ner sol­chen Tat an­ge­trof­fen hat;
b.
zur Ver­haf­tung aus­ge­schrie­ben ist.

2 Sie kann ei­ne Per­son vor­läu­fig fest­neh­men und auf den Po­li­zei­pos­ten brin­gen, die ge­stützt auf Er­mitt­lun­gen oder an­de­re zu­ver­läs­si­ge In­for­ma­tio­nen ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens ver­däch­tig ist.

3 Sie kann ei­ne Per­son, die sie bei der Be­ge­hung ei­ner Über­tre­tung auf fri­scher Tat er­tappt oder un­mit­tel­bar nach Be­ge­hung ei­ner sol­chen Tat an­ge­trof­fen hat, vor­läu­fig fest­neh­men und auf den Po­li­zei­pos­ten brin­gen, wenn:

a.
die Per­son ih­re Per­so­na­li­en nicht be­kannt gibt;
b.
die Per­son nicht in der Schweiz wohnt und nicht un­ver­züg­lich ei­ne Si­cher­heit für die zu er­war­ten­de Bus­se leis­tet;
c.
die Fest­nah­me nö­tig ist, um die Per­son von wei­te­ren Über­tre­tun­gen ab­zu­hal­ten.
Art. 218 Durch Privatpersonen  

1 Kann po­li­zei­li­che Hil­fe nicht recht­zei­tig er­langt wer­den, so sind Pri­va­te be­rech­tigt, ei­ne Per­son vor­läu­fig fest­zu­neh­men, wenn:

a.
sie die­se bei ei­nem Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen auf fri­scher Tat er­tappt oder un­mit­tel­bar nach der Be­ge­hung ei­ner sol­chen Tat an­ge­trof­fen ha­ben; oder
b.
die Öf­fent­lich­keit zur Mit­hil­fe bei de­ren Fahn­dung auf­ge­for­dert wor­den ist.

2 Bei der Fest­nah­me dür­fen Pri­vat­per­so­nen nur nach Mass­ga­be von Ar­ti­kel 200 Ge­walt an­wen­den.

3 Fest­ge­nom­me­ne Per­so­nen sind so rasch als mög­lich der Po­li­zei zu über­ge­ben.

Art. 219 Vorgehen der Polizei  

1 Die Po­li­zei stellt nach der Fest­nah­me un­ver­züg­lich die Iden­ti­tät der fest­ge­nom­me­nen Per­son fest, in­for­miert die­se in ei­ner ihr ver­ständ­li­chen Spra­che über die Grün­de der Fest­nah­me und klärt sie im Sin­ne von Ar­ti­kel 158 über ih­re Rech­te auf. Da­nach in­for­miert sie un­ver­züg­lich die Staats­an­walt­schaft über die Fest­nah­me.

2 An­sch­lies­send be­fragt sie die fest­ge­nom­me­ne Per­son in An­wen­dung von Ar­ti­kel 159 zu dem ge­gen sie be­ste­hen­den Ver­dacht und trifft un­ver­züg­lich die ge­eig­ne­ten Ab­klä­run­gen, um den Tat­ver­dacht und die wei­te­ren Haft­grün­de zu er­här­ten oder zu ent­kräf­ten.

3 Er­ge­ben die Ab­klä­run­gen, dass Haft­grün­de nicht oder nicht mehr be­ste­hen, so lässt sie die fest­ge­nom­me­ne Per­son so­fort frei. Be­stä­ti­gen die Ab­klä­run­gen den Tat­ver­dacht und einen Haft­grund, so führt sie die Per­son un­ver­züg­lich der Staats­an­walt­schaft zu.

4 Ent­las­sung oder Zu­füh­rung er­fol­gen in je­dem Fal­le spä­tes­tens nach 24 Stun­den; ging der Fest­nah­me ei­ne An­hal­tung vor­aus, so ist de­ren Dau­er an die Frist an­zu­rech­nen.

5 Hat die Po­li­zei ei­ne Per­son im Sin­ne von Ar­ti­kel 217 Ab­satz 3 vor­läu­fig fest­ge­nom­men und soll die Per­son län­ger als 3 Stun­den fest­ge­hal­ten wer­den, so muss dies von Po­li­zei­an­ge­hö­ri­gen an­ge­ord­net wer­den, die da­zu vom Bund oder vom Kan­ton er­mäch­tigt sind.

4. Abschnitt: Untersuchungs- und Sicherheitshaft: Allgemeine Bestimmungen

Art. 220 Begriffe  

1 Die Un­ter­su­chungs­haft be­ginnt mit ih­rer An­ord­nung durch das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt und en­det mit dem Ein­gang der An­kla­ge beim ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt, dem vor­zei­ti­gen An­tritt ei­ner frei­heits­ent­zie­hen­den Sank­ti­on oder mit der Ent­las­sung der be­schul­dig­ten Per­son wäh­rend der Un­ter­su­chung.

2 Als Si­cher­heits­haft gilt die Haft wäh­rend der Zeit zwi­schen dem Ein­gang der An­kla­ge­schrift beim ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt und der Rechts­kraft des Ur­teils, dem An­tritt ei­ner frei­heits­ent­zie­hen­den Sank­ti­on, dem Voll­zug der Lan­des­ver­wei­sung oder der Ent­las­sung.70

70 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 5 des BG vom 20. März 2015 (Um­set­zung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Aus­schaf­fung kri­mi­nel­ler Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).

Art. 221 Voraussetzungen  

1 Un­ter­su­chungs- und Si­cher­heits­haft sind nur zu­läs­sig, wenn die be­schul­dig­te Per­son ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens drin­gend ver­däch­tig ist und ernst­haft zu be­fürch­ten ist, dass sie:

a.
sich durch Flucht dem Straf­ver­fah­ren oder der zu er­war­ten­den Sank­ti­on ent­zieht;
b.
Per­so­nen be­ein­flusst oder auf Be­weis­mit­tel ein­wirkt, um so die Wahr­heits­fin­dung zu be­ein­träch­ti­gen; oder
c.
durch schwe­re Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen die Si­cher­heit an­de­rer er­heb­lich ge­fähr­det, nach­dem sie be­reits frü­her gleich­ar­ti­ge Straf­ta­ten ver­übt hat.

2 Haft ist auch zu­läs­sig, wenn ernst­haft zu be­fürch­ten ist, ei­ne Per­son wer­de ih­re Dro­hung, ein schwe­res Ver­bre­chen aus­zu­füh­ren, wahr­ma­chen.

Art. 222 Rechtsmittel 71  

Die ver­haf­te­te Per­son kann Ent­schei­de über die An­ord­nung, die Ver­län­ge­rung und die Auf­he­bung der Un­ter­su­chungs- oder Si­cher­heits­haft bei der Be­schwer­de­in­stanz an­fech­ten. Vor­be­hal­ten bleibt Ar­ti­kel 233.

71 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

Art. 223 Verkehr mit der Verteidigung im Haftverfahren  

1 Die Ver­tei­di­gung kann im Haft­ver­fah­ren den Ein­ver­nah­men der be­schul­dig­ten Per­son und wei­te­ren Be­weis­er­he­bun­gen bei­woh­nen.

2 Die be­schul­dig­te Per­son kann im Ver­fah­ren vor der Staats­an­walt­schaft und den Ge­rich­ten um An­ord­nung von Haft je­der­zeit oh­ne Auf­sicht mit der Ver­tei­di­gung schrift­lich oder münd­lich ver­keh­ren.

5. Abschnitt: Untersuchungshaft

Art. 224 Haftverfahren vor der Staatsanwaltschaft  

1 Die Staats­an­walt­schaft be­fragt die be­schul­dig­te Per­son un­ver­züg­lich und gibt ihr Ge­le­gen­heit, sich zum Tat­ver­dacht und zu den Haft­grün­den zu äus­sern. Sie er­hebt un­ver­züg­lich je­ne Be­wei­se, die zur Er­här­tung oder Ent­kräf­tung des Tat­ver­dachts und der Haft­grün­de ge­eig­net und oh­ne Wei­te­res ver­füg­bar sind.

2 Be­stä­ti­gen sich der Tat­ver­dacht und die Haft­grün­de, so be­an­tragt die Staats­an­walt­schaft dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt un­ver­züg­lich, spä­tes­tens aber in­nert 48 Stun­den seit der Fest­nah­me, die An­ord­nung der Un­ter­su­chungs­haft oder ei­ner Er­satz­mass­nah­me. Sie reicht ih­ren An­trag schrift­lich ein, be­grün­det ihn kurz und legt die we­sent­li­chen Ak­ten bei.

3 Ver­zich­tet sie auf einen Haft­an­trag, so ver­fügt sie die un­ver­züg­li­che Frei­las­sung. Be­an­tragt sie ei­ne Er­satz­mass­nah­me, so trifft sie die er­for­der­li­chen si­chern­den Mass­nah­men.

Art. 225 Haftverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht  

1 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt setzt nach Ein­gang des An­trags der Staats­an­walt­schaft un­ver­züg­lich ei­ne nicht öf­fent­li­che Ver­hand­lung mit der Staats­an­walt­schaft, der be­schul­dig­ten Per­son und de­ren Ver­tei­di­gung an; es kann die Staats­an­walt­schaft ver­pflich­ten, dar­an teil­zu­neh­men.

2 Es ge­währt der be­schul­dig­ten Per­son und der Ver­tei­di­gung auf Ver­lan­gen vor­gän­gig Ein­sicht in die ihm vor­lie­gen­den Ak­ten.

3 Wer der Ver­hand­lung be­rech­tig­ter­wei­se fern bleibt, kann An­trä­ge schrift­lich ein­rei­chen oder auf frü­he­re Ein­ga­ben ver­wei­sen.

4 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt er­hebt die so­fort ver­füg­ba­ren Be­wei­se, die ge­eig­net sind, den Tat­ver­dacht oder die Haft­grün­de zu er­här­ten oder zu ent­kräf­ten.

5 Ver­zich­tet die be­schul­dig­te Per­son aus­drück­lich auf ei­ne Ver­hand­lung, so ent­schei­det das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt in ei­nem schrift­li­chen Ver­fah­ren auf­grund des An­trags der Staats­an­walt­schaft und der Ein­ga­ben der be­schul­dig­ten Per­son.

Art. 226 Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts  

1 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det un­ver­züg­lich, spä­tes­tens aber in­nert 48 Stun­den nach Ein­gang des An­trags.

2 Es er­öff­net sei­nen Ent­scheid der Staats­an­walt­schaft, der be­schul­dig­ten Per­son und ih­rer Ver­tei­di­gung un­ver­züg­lich münd­lich oder, falls sie ab­we­send sind, schrift­lich. An­sch­lies­send stellt es ih­nen ei­ne kur­ze schrift­li­che Be­grün­dung zu.

3 Ord­net es die Un­ter­su­chungs­haft an, so weist es die be­schul­dig­te Per­son dar­auf hin, dass sie je­der­zeit ein Haft­ent­las­sungs­ge­such stel­len kann.

4 Es kann in sei­nem Ent­scheid:

a.
ei­ne Höchst­dau­er der Un­ter­su­chungs­haft fest­le­gen;
b.
die Staats­an­walt­schaft an­wei­sen, be­stimm­te Un­ter­su­chungs­hand­lun­gen vor­zu­neh­men;
c.
an Stel­le der Un­ter­su­chungs­haft Er­satz­mass­nah­men an­ord­nen.

5 Ord­net es die Un­ter­su­chungs­haft nicht an, so wird die be­schul­dig­te Per­son un­ver­züg­lich frei­ge­las­sen.

Art. 227 Haftverlängerungsgesuch  

1 Läuft die vom Zwangs­mass­nah­men­ge­richt fest­ge­setz­te Dau­er der Un­ter­su­chungs­haft ab, so kann die Staats­an­walt­schaft ein Haft­ver­län­ge­rungs­ge­such stel­len. Hat das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt die Haft­dau­er nicht be­schränkt, so ist das Ge­such vor Ab­lauf von 3 Mo­na­ten Haft zu stel­len.

2 Die Staats­an­walt­schaft reicht dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt das schrift­li­che und be­grün­de­te Ge­such spä­tes­tens 4 Ta­ge vor Ab­lauf der Haft­dau­er ein und legt ihm die we­sent­li­chen Ak­ten bei.

3 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt gibt der be­schul­dig­ten Per­son und ih­rer Ver­tei­di­gung Ge­le­gen­heit, die ihm vor­lie­gen­den Ak­ten ein­zu­se­hen und in­nert 3 Ta­gen schrift­lich zum Ge­such Stel­lung zu neh­men.

4 Es kann die pro­vi­so­ri­sche Fort­dau­er der Un­ter­su­chungs­haft bis zu sei­nem Ent­scheid an­ord­nen.

5 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det spä­tes­tens in­nert 5 Ta­gen nach Ein­gang der Stel­lung­nah­me be­zie­hungs­wei­se Ab­lauf der in Ab­satz 3 ge­nann­ten Frist. Es kann die Staats­an­walt­schaft an­wei­sen, be­stimm­te Un­ter­su­chungs­hand­lun­gen vor­zu­neh­men, oder ei­ne Er­satz­mass­nah­me an­ord­nen.

6 Das Ver­fah­ren ist in der Re­gel schrift­lich, doch kann das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ei­ne Ver­hand­lung an­ord­nen; die­se ist nicht öf­fent­lich.

7 Die Ver­län­ge­rung der Un­ter­su­chungs­haft wird je­weils für längs­tens 3 Mo­na­te, in Aus­nah­me­fäl­len für längs­tens 6 Mo­na­te be­wil­ligt.

Art. 228 Haftentlassungsgesuch  

1 Die be­schul­dig­te Per­son kann bei der Staats­an­walt­schaft je­der­zeit schrift­lich oder münd­lich zu Pro­to­koll ein Ge­such um Haft­ent­las­sung stel­len; vor­be­hal­ten bleibt Ab­satz 5. Das Ge­such ist kurz zu be­grün­den.

2 Ent­spricht die Staats­an­walt­schaft dem Ge­such, so ent­lässt sie die be­schul­dig­te Per­son un­ver­züg­lich aus der Haft. Will sie dem Ge­such nicht ent­spre­chen, so lei­tet sie es zu­sam­men mit den Ak­ten spä­tes­tens 3 Ta­ge nach des­sen Ein­gang mit ei­ner be­grün­de­ten Stel­lung­nah­me an das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt wei­ter.

3 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt stellt die Stel­lung­nah­me der be­schul­dig­ten Per­son und ih­rer Ver­tei­di­gung zu und setzt ih­nen ei­ne Frist von 3 Ta­gen zur Re­plik.

4 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det spä­tes­tens in­nert 5 Ta­gen nach Ein­gang der Re­plik be­zie­hungs­wei­se Ab­lauf der in Ab­satz 3 ge­nann­ten Frist in ei­ner nicht öf­fent­li­chen Ver­hand­lung. Ver­zich­tet die be­schul­dig­te Per­son aus­drück­lich auf ei­ne Ver­hand­lung, so kann der Ent­scheid im schrift­li­chen Ver­fah­ren er­ge­hen. Im Üb­ri­gen ist Ar­ti­kel 226 Ab­sät­ze 2–5 sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

5 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt kann in sei­nem Ent­scheid ei­ne Frist von längs­tens ei­nem Mo­nat set­zen, in­ner­halb de­rer die be­schul­dig­te Per­son kein Ent­las­sungs­ge­such stel­len kann.

6. Abschnitt: Sicherheitshaft

Art. 229 Entscheid über die Anordnung der Sicherheitshaft  

1 Über die An­ord­nung der Si­cher­heits­haft bei vor­be­ste­hen­der Un­ter­su­chungs­haft ent­schei­det das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt auf schrift­li­ches Ge­such der Staats­an­walt­schaft.

2 Er­ge­ben sich erst nach der An­kla­ge­er­he­bung Haft­grün­de, so führt die Ver­fah­rens­lei­tung des ers­tin­stanz­li­chen Ge­richts in sinn­ge­mäs­ser An­wen­dung von Ar­ti­kel 224 ein Haft­ver­fah­ren durch und be­an­tragt dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt die An­ord­nung der Si­cher­heits­haft.

3 Das Ver­fah­ren vor dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt rich­tet sich:

a.
oh­ne vor­be­ste­hen­de Un­ter­su­chungs­haft: sinn­ge­mä­ss nach den Ar­ti­keln 225 und 226;
b.
bei vor­be­ste­hen­der Un­ter­su­chungs­haft: sinn­ge­mä­ss nach Ar­ti­kel 227.
Art. 230 Entlassung aus der Sicherheitshaft während des erstinstanzlichen Verfahrens  

1 Die be­schul­dig­te Per­son und die Staats­an­walt­schaft kön­nen wäh­rend des ers­tin­stanz­li­chen Ver­fah­rens ein Haft­ent­las­sungs­ge­such stel­len.

2 Das Ge­such ist an die Ver­fah­rens­lei­tung des ers­tin­stanz­li­chen Ge­richts zu rich­ten.

3 Ent­spricht die Ver­fah­rens­lei­tung dem Ge­such, so ent­lässt sie die be­schul­dig­te Per­son un­ver­züg­lich aus der Haft. Will sie dem Ge­such nicht ent­spre­chen, so lei­tet sie es an das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt zum Ent­scheid wei­ter.

4 Die Ver­fah­rens­lei­tung des ers­tin­stanz­li­chen Ge­richts kann mit Zu­stim­mung der Staats­an­walt­schaft die Haft­ent­las­sung auch selbst an­ord­nen. Stimmt die Staats­an­walt­schaft nicht zu, so ent­schei­det das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt.

5 Im Üb­ri­gen gel­ten die Be­stim­mun­gen von Ar­ti­kel 228 sinn­ge­mä­ss.

Art. 231 Sicherheitshaft nach dem erstinstanzlichen Urteil  

1 Das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt ent­schei­det mit dem Ur­teil, ob ei­ne ver­ur­teil­te Per­son in Si­cher­heits­haft zu set­zen oder zu be­hal­ten ist:

a.
zur Si­che­rung des Straf- oder Mass­nah­men­voll­zu­ges;
b.
im Hin­blick auf das Be­ru­fungs­ver­fah­ren.

2 Wird die in­haf­tier­te be­schul­dig­te Per­son frei­ge­spro­chen und ver­fügt das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt de­ren Frei­las­sung, so kann die Staats­an­walt­schaft beim ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt zu Han­den der Ver­fah­rens­lei­tung des Be­ru­fungs­ge­richts die Fort­set­zung der Si­cher­heits­haft be­an­tra­gen. In die­sem Fall bleibt die be­tref­fen­de Per­son bis zum Ent­scheid der Ver­fah­rens­lei­tung des Be­ru­fungs­ge­richts in Haft. Die Ver­fah­rens­lei­tung des Be­ru­fungs­ge­richts ent­schei­det über den An­trag der Staats­an­walt­schaft in­nert 5 Ta­gen seit An­trag­stel­lung.

3 Wird ei­ne Be­ru­fung zu­rück­ge­zo­gen, so ent­schei­det das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt über die An­rech­nung der Haft­dau­er nach dem Ur­teil.

Art. 232 Sicherheitshaft während eines Verfahrens vor dem Berufungsgericht  

1 Er­ge­ben sich Haft­grün­de erst wäh­rend ei­nes Ver­fah­rens vor dem Be­ru­fungs­ge­richt, so lässt die Ver­fah­rens­lei­tung des Be­ru­fungs­ge­richts die in Haft zu set­zen­de Per­son un­ver­züg­lich vor­füh­ren und hört sie an.

2 Sie ent­schei­det in­nert 48 Stun­den seit der Zu­füh­rung; die­ser Ent­scheid ist nicht an­fecht­bar.

Art. 233 Haftentlassungsgesuch während eines Verfahrens vor dem Berufungsgericht  

Die Ver­fah­rens­lei­tung des Be­ru­fungs­ge­richts ent­schei­det über Haft­ent­las­sungs­ge­su­che in­nert 5 Ta­gen; die­ser Ent­scheid ist nicht an­fecht­bar.

7. Abschnitt: Vollzug der Untersuchungs- und der Sicherheitshaft

Art. 234 Haftanstalt  

1 Un­ter­su­chungs- und Si­cher­heits­haft wer­den in der Re­gel in Haft­an­stal­ten voll­zo­gen, die die­sem Zwe­cke vor­be­hal­ten sind und die da­ne­ben nur dem Voll­zug kur­z­er Frei­heits­s­tra­fen die­nen.

2 Ist es aus me­di­zi­ni­schen Grün­den an­ge­zeigt, so kann die zu­stän­di­ge kan­to­na­le Be­hör­de die in­haf­tier­te Per­son in ein Spi­tal oder ei­ne psych­ia­tri­sche Kli­nik ein­wei­sen.

Art. 235 Vollzug der Haft  

1 Die in­haf­tier­te Per­son darf in ih­rer per­sön­li­chen Frei­heit nicht stär­ker ein­ge­schränkt wer­den, als es der Haft­zweck so­wie die Ord­nung und Si­cher­heit in der Haft­an­stalt er­for­dern.

2 Die Kon­tak­te zwi­schen der in­haf­tier­ten Per­son und an­de­ren Per­so­nen be­dür­fen der Be­wil­li­gung der Ver­fah­rens­lei­tung. Be­su­che fin­den wenn nö­tig un­ter Auf­sicht statt.

3 Die Ver­fah­rens­lei­tung kon­trol­liert die ein- und aus­ge­hen­de Post, mit Aus­nah­me der Kor­re­spon­denz mit Auf­sichts- und Straf­be­hör­den. Wäh­rend der Si­cher­heits­haft kann sie die­se Auf­ga­be der Staats­an­walt­schaft über­tra­gen.

4 Die in­haf­tier­te Per­son kann mit der Ver­tei­di­gung frei und oh­ne in­halt­li­che Kon­trol­le ver­keh­ren. Be­steht be­grün­de­ter Ver­dacht auf Miss­brauch, so kann die Ver­fah­rens­lei­tung mit Ge­neh­mi­gung des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts den frei­en Ver­kehr be­fris­tet ein­schrän­ken; sie er­öff­net die Be­schrän­kun­gen der in­haf­tier­ten Per­son und der Ver­tei­di­gung vor­gän­gig.

5 Die Kan­to­ne re­geln die Rech­te und Pflich­ten der in­haf­tier­ten Per­so­nen, ih­re Be­schwer­de­mög­lich­kei­ten, die Dis­zi­plin­ar­mass­nah­men so­wie die Auf­sicht über die Haft­an­stal­ten.

Art. 236 Vorzeitiger Straf- und Massnahmenvollzug  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann der be­schul­dig­ten Per­son be­wil­li­gen, Frei­heits­s­tra­fen oder frei­heits­ent­zie­hen­de Mass­nah­men vor­zei­tig an­zu­tre­ten, so­fern der Stand des Ver­fah­rens es er­laubt.

2 Ist be­reits An­kla­ge er­ho­ben wor­den, so gibt die Ver­fah­rens­lei­tung der Staats­an­walt­schaft Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me.

3 Bund und Kan­to­ne kön­nen vor­se­hen, dass der vor­zei­ti­ge Mass­nah­men­voll­zug der Zu­stim­mung der Voll­zugs­be­hör­den be­darf.

4 Mit dem Ein­tritt in die Voll­zugs­an­stalt tritt die be­schul­dig­te Per­son ih­re Stra­fe oder Mass­nah­me an; sie un­ter­steht von die­sem Zeit­punkt an dem Voll­zugs­re­gime, wenn der Zweck der Un­ter­su­chungs- oder der Si­cher­heits­haft dem nicht ent­ge­gen­steht.

8. Abschnitt: Ersatzmassnahmen

Art. 237 Allgemeine Bestimmungen  

1 Das zu­stän­di­ge Ge­richt ord­net an Stel­le der Un­ter­su­chungs- oder der Si­cher­heits­haft ei­ne oder meh­re­re mil­de­re Mass­nah­men an, wenn sie den glei­chen Zweck wie die Haft er­fül­len.

2 Er­satz­mass­nah­men sind na­ment­lich:

a.
die Si­cher­heits­leis­tung;
b.
die Aus­weis- und Schrif­ten­sper­re;
c.
die Auf­la­ge, sich nur oder sich nicht an ei­nem be­stimm­ten Ort oder in ei­nem be­stimm­ten Haus auf­zu­hal­ten;
d.
die Auf­la­ge, sich re­gel­mäs­sig bei ei­ner Amts­stel­le zu mel­den;
e.
die Auf­la­ge, ei­ner ge­re­gel­ten Ar­beit nach­zu­ge­hen;
f.
die Auf­la­ge, sich ei­ner ärzt­li­chen Be­hand­lung oder ei­ner Kon­trol­le zu un­ter­zie­hen;
g.
das Ver­bot, mit be­stimm­ten Per­so­nen Kon­tak­te zu pfle­gen.

3 Das Ge­richt kann zur Über­wa­chung sol­cher Er­satz­mass­nah­men den Ein­satz tech­ni­scher Ge­rä­te und de­ren fes­te Ver­bin­dung mit der zu über­wa­chen­den Per­son an­ord­nen.

4 An­ord­nung und An­fech­tung von Er­satz­mass­nah­men rich­ten sich sinn­ge­mä­ss nach den Vor­schrif­ten über die Un­ter­su­chungs- und die Si­cher­heits­haft.

5 Das Ge­richt kann die Er­satz­mass­nah­men je­der­zeit wi­der­ru­fen, an­de­re Er­satz­mass­nah­men oder die Un­ter­su­chungs- oder die Si­cher­heits­haft an­ord­nen, wenn neue Um­stän­de dies er­for­dern oder die be­schul­dig­te Per­son die ihr ge­mach­ten Auf­la­gen nicht er­füllt.

Art. 238 Sicherheitsleistung  

1 Bei Flucht­ge­fahr kann das zu­stän­di­ge Ge­richt die Leis­tung ei­nes Geld­be­tra­ges vor­se­hen, der si­cher­stel­len soll, dass die be­schul­dig­te Per­son sich je­der­zeit zu Ver­fah­rens­hand­lun­gen oder zum An­tritt ei­ner frei­heits­ent­zie­hen­den Sank­ti­on ein­stellt.

2 Die Hö­he der Si­cher­heits­leis­tung be­misst sich nach der Schwe­re der Ta­ten, die der be­schul­dig­ten Per­son vor­ge­wor­fen wer­den, und nach ih­ren per­sön­li­chen Ver­hält­nis­sen.

3 Die Si­cher­heits­leis­tung kann in bar oder durch Ga­ran­tie ei­ner in der Schweiz nie­der­ge­las­se­nen Bank oder Ver­si­che­rung er­bracht wer­den.

Art. 239 Freigabe der Sicherheitsleistung  

1 Die Si­cher­heits­leis­tung wird frei­ge­ge­ben, wenn:

a.
der Haft­grund weg­ge­fal­len ist;
b.
das Straf­ver­fah­ren durch Ein­stel­lung oder Frei­spruch rechts­kräf­tig ab­ge­schlos­sen wur­de;
c.
die be­schul­dig­te Per­son die frei­heits­ent­zie­hen­de Sank­ti­on an­ge­tre­ten hat.

2 Wird die von der be­schul­dig­ten Per­son ge­leis­te­te Si­cher­heits­leis­tung frei­ge­ge­ben, so kann sie zur De­ckung der Geld­stra­fen, Bus­sen, Kos­ten und Ent­schä­di­gun­gen ver­wen­det wer­den, die der be­schul­dig­ten Per­son auf­er­legt wor­den sind.

3 Über die Frei­ga­be ent­schei­det die Be­hör­de, bei der die Sa­che hän­gig ist oder zu­letzt hän­gig war.

Art. 240 Verfall der Sicherheitsleistung  

1 Ent­zieht sich die be­schul­dig­te Per­son dem Ver­fah­ren oder dem Voll­zug ei­ner frei­heits­ent­zie­hen­den Sank­ti­on, so ver­fällt die Si­cher­heits­leis­tung dem Bund oder dem Kan­ton, des­sen Ge­richt sie an­ge­ord­net hat.

2 Hat ei­ne Dritt­per­son die Si­cher­heit ge­leis­tet, so kann auf den Ver­fall ver­zich­tet wer­den, wenn die Dritt­per­son den Be­hör­den recht­zei­tig die In­for­ma­tio­nen ge­lie­fert hat, die ei­ne Er­grei­fung der be­schul­dig­ten Per­son er­mög­licht hät­ten.

3 Über den Ver­fall der Si­cher­heits­leis­tung ent­schei­det die Be­hör­de, bei der die Sa­che hän­gig ist oder zu­letzt hän­gig war.

4 Ei­ne ver­fal­le­ne Si­cher­heits­leis­tung wird in sinn­ge­mäs­ser An­wen­dung von Ar­ti­kel 73 StGB72 zur De­ckung der An­sprü­che der Ge­schä­dig­ten und, wenn ein Über­schuss bleibt, zur De­ckung der Geld­stra­fen, Bus­sen und der Ver­fah­rens­kos­ten ver­wen­det. Ein all­fäl­lig noch ver­blei­ben­der Über­schuss fällt dem Bund oder dem Kan­ton zu.

4. Kapitel: Durchsuchungen und Untersuchungen

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 241 Anordnung  

1 Durch­su­chun­gen und Un­ter­su­chun­gen wer­den in ei­nem schrift­li­chen Be­fehl an­ge­ord­net. In drin­gen­den Fäl­len kön­nen sie münd­lich an­ge­ord­net wer­den, sind aber nach­träg­lich schrift­lich zu be­stä­ti­gen.

2 Der Be­fehl be­zeich­net:

a.
die zu durch­su­chen­den oder zu un­ter­su­chen­den Per­so­nen, Räum­lich­kei­ten, Ge­gen­stän­de oder Auf­zeich­nun­gen;
b.
den Zweck der Mass­nah­me;
c.
die mit der Durch­füh­rung be­auf­trag­ten Be­hör­den oder Per­so­nen.

3 Ist Ge­fahr im Ver­zug, so kann die Po­li­zei die Un­ter­su­chung der nicht ein­seh­ba­ren Kör­per­öff­nun­gen und Kör­per­höh­len an­ord­nen und oh­ne Be­fehl Durch­su­chun­gen vor­neh­men; sie in­for­miert dar­über un­ver­züg­lich die zu­stän­di­ge Straf­be­hör­de.

4 Die Po­li­zei kann ei­ne an­ge­hal­te­ne oder fest­ge­nom­me­ne Per­son durch­su­chen, na­ment­lich um die Si­cher­heit von Per­so­nen zu ge­währ­leis­ten.

Art. 242 Durchführung  

1 Die durch­füh­ren­den Be­hör­den oder Per­so­nen tref­fen ge­eig­ne­te Si­cher­heits­vor­keh­ren, um das Ziel der Mass­nah­me zu er­rei­chen.

2 Sie kön­nen Per­so­nen un­ter­sa­gen, sich wäh­rend der Durch­su­chung oder Un­ter­su­chung zu ent­fer­nen.

Art. 243 Zufallsfunde  

1 Zu­fäl­lig ent­deck­te Spu­ren oder Ge­gen­stän­de, die mit der ab­zu­klä­ren­den Straf­tat nicht in Zu­sam­men­hang ste­hen, aber auf ei­ne an­de­re Straf­tat hin­wei­sen, wer­den si­cher­ge­stellt.

2 Die Ge­gen­stän­de wer­den mit ei­nem Be­richt der Ver­fah­rens­lei­tung über­mit­telt; die­se ent­schei­det über das wei­te­re Vor­ge­hen.

2. Abschnitt: Hausdurchsuchung

Art. 244 Grundsatz  

1 Häu­ser, Woh­nun­gen und an­de­re nicht all­ge­mein zu­gäng­li­che Räu­me dür­fen nur mit Ein­wil­li­gung der be­rech­tig­ten Per­son durch­sucht wer­den.

2 Die Ein­wil­li­gung der be­rech­tig­ten Per­son ist nicht nö­tig, wenn zu ver­mu­ten ist, dass in die­sen Räu­men:

a.
ge­such­te Per­so­nen an­we­send sind;
b.
Tat­spu­ren oder zu be­schlag­nah­men­de Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te vor­han­den sind;
c.
Straf­ta­ten be­gan­gen wer­den.
Art. 245 Durchführung  

1 Die mit der Durch­füh­rung be­auf­trag­ten Per­so­nen wei­sen zu Be­ginn der Mass­nah­me den Haus­durch­su­chungs­be­fehl vor.

2 An­we­sen­de In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber der zu durch­su­chen­den Räu­me ha­ben der Haus­durch­su­chung bei­zu­woh­nen. Sind sie ab­we­send, so ist nach Mög­lich­keit ein voll­jäh­ri­ges Fa­mi­li­en­mit­glied oder ei­ne an­de­re ge­eig­ne­te Per­son bei­zu­zie­hen.

3. Abschnitt: Durchsuchung von Aufzeichnungen

Art. 246 Grundsatz  

Schrift­stücke, Ton-, Bild- und an­de­re Auf­zeich­nun­gen, Da­ten­trä­ger so­wie An­la­gen zur Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung von In­for­ma­tio­nen dür­fen durch­sucht wer­den, wenn zu ver­mu­ten ist, dass sich dar­in In­for­ma­tio­nen be­fin­den, die der Be­schlag­nah­me un­ter­lie­gen.

Art. 247 Durchführung  

1 Die In­ha­be­rin oder der In­ha­ber kann sich vor­gän­gig zum In­halt der Auf­zeich­nun­gen äus­sern.

2 Zur Prü­fung des In­halts der Auf­zeich­nun­gen, ins­be­son­de­re zur Aus­son­de­rung von Auf­zeich­nun­gen mit ge­schütz­tem In­halt, kön­nen sach­ver­stän­di­ge Per­so­nen bei­ge­zo­gen wer­den.

3 Die In­ha­be­rin oder der In­ha­ber kann der Straf­be­hör­de Ko­pi­en von Auf­zeich­nun­gen und Aus­dru­cke von ge­spei­cher­ten In­for­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung stel­len, wenn dies für das Ver­fah­ren aus­reicht.

Art. 248 Siegelung  

1 Auf­zeich­nun­gen und Ge­gen­stän­de, die nach An­ga­ben der In­ha­be­rin oder des In­ha­bers we­gen ei­nes Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rechts oder aus an­de­ren Grün­den nicht durch­sucht oder be­schlag­nahmt wer­den dür­fen, sind zu ver­sie­geln und dür­fen von den Straf­be­hör­den we­der ein­ge­se­hen noch ver­wen­det wer­den.

2 Stellt die Straf­be­hör­de nicht in­nert 20 Ta­gen ein Ent­sie­ge­lungs­ge­such, so wer­den die ver­sie­gel­ten Auf­zeich­nun­gen und Ge­gen­stän­de der be­rech­tig­ten Per­son zu­rück­ge­ge­ben.

3 Stellt sie ein Ent­sie­ge­lungs­ge­such, so ent­schei­det dar­über in­ner­halb ei­nes Mo­nats end­gül­tig:

a.
im Vor­ver­fah­ren: das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt;
b.
in den an­de­ren Fäl­len: das Ge­richt, bei dem der Fall hän­gig ist.

4 Das Ge­richt kann zur Prü­fung des In­halts der Auf­zeich­nun­gen und Ge­gen­stän­de ei­ne sach­ver­stän­di­ge Per­son bei­zie­hen.

4. Abschnitt: Durchsuchung von Personen und von Gegenständen

Art. 249 Grundsatz  

Per­so­nen und Ge­gen­stän­de dür­fen oh­ne Ein­wil­li­gung nur durch­sucht wer­den, wenn zu ver­mu­ten ist, dass Tat­spu­ren oder zu be­schlag­nah­men­de Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te ge­fun­den wer­den kön­nen.

Art. 250 Durchführung  

1 Die Durch­su­chung von Per­so­nen um­fasst die Kon­trol­le der Klei­der, der mit­ge­führ­ten Ge­gen­stän­de, Be­hält­nis­se und Fahr­zeu­ge, der Kör­pero­ber­flä­che und der ein­seh­ba­ren Kör­per­öff­nun­gen und Kör­per­höh­len.

2 Durch­su­chun­gen, die in den In­tim­be­reich der Be­trof­fe­nen ein­grei­fen, wer­den von Per­so­nen des glei­chen Ge­schlechts oder von ei­ner Ärz­tin oder ei­nem Arzt durch­ge­führt, es sei denn, die Mass­nah­me dul­de kei­nen Auf­schub.

5. Abschnitt: Untersuchungen von Personen

Art. 251 Grundsatz  

1 Die Un­ter­su­chung ei­ner Per­son um­fasst die Un­ter­su­chung ih­res kör­per­li­chen oder geis­ti­gen Zu­stands.

2 Die be­schul­dig­te Per­son kann un­ter­sucht wer­den, um:

a.
den Sach­ver­halt fest­zu­stel­len;
b.
ab­zu­klä­ren, ob sie schuld-, ver­hand­lungs- und haf­ter­ste­hungs­fä­hig ist.

3 Ein­grif­fe in die kör­per­li­che In­te­gri­tät der be­schul­dig­ten Per­son kön­nen an­ge­ord­net wer­den, wenn sie we­der be­son­de­re Schmer­zen be­rei­ten noch die Ge­sund­heit ge­fähr­den.

4 Ge­gen­über ei­ner nicht be­schul­dig­ten Per­son sind Un­ter­su­chun­gen und Ein­grif­fe in die kör­per­li­che In­te­gri­tät ge­gen ih­ren Wil­len zu­dem nur zu­läs­sig, wenn sie un­er­läss­lich sind, um ei­ne Straf­tat nach den Ar­ti­keln 111–113, 122, 124, 140, 184, 185, 187, 189, 190 oder 191 StGB73 auf­zu­klä­ren.74

73 SR 311.0

74 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. III des BG vom 30. Sept. 2011, in Kraft seit 1. Ju­li 2012 (AS 2012 2575; BBl 2010 56515677).

Art. 252 Durchführung am Körper  

Un­ter­su­chun­gen von Per­so­nen und Ein­grif­fe in die kör­per­li­che In­te­gri­tät wer­den von ei­ner Ärz­tin oder ei­nem Arzt oder von ei­ner an­de­ren me­di­zi­ni­schen Fach­per­son vor­ge­nom­men.

6. Abschnitt: Untersuchungen an Leichen

Art. 253 Aussergewöhnliche Todesfälle  

1 Be­ste­hen bei ei­nem To­des­fall An­zei­chen für einen un­na­tür­li­chen Tod, ins­be­son­de­re für ei­ne Straf­tat, oder ist die Iden­ti­tät des Leich­nams un­be­kannt, so ord­net die Staats­an­walt­schaft zur Klä­rung der To­des­art oder zur Iden­ti­fi­zie­rung des Leich­nams ei­ne Le­ga­l­in­spek­ti­on durch ei­ne sach­ver­stän­di­ge Ärz­tin oder einen sach­ver­stän­di­gen Arzt an.

2 Be­ste­hen nach der Le­ga­l­in­spek­ti­on kei­ne Hin­wei­se auf ei­ne Straf­tat und steht die Iden­ti­tät fest, so gibt die Staats­an­walt­schaft die Lei­che zur Be­stat­tung frei.

3 An­dern­falls ord­net die Staats­an­walt­schaft die Si­cher­stel­lung der Lei­che und wei­te­re Un­ter­su­chun­gen durch ei­ne rechts­me­di­zi­ni­sche In­sti­tu­ti­on, nö­ti­gen­falls die Ob­duk­ti­on an. Sie kann die Lei­che oder Tei­le da­von zu­rück­be­hal­ten, so­lan­ge der Zweck der Un­ter­su­chung es er­for­dert.

4 Die Kan­to­ne be­stim­men, wel­che Me­di­zi­nal­per­so­nen ver­pflich­tet sind, aus­ser­ge­wöhn­li­che To­des­fäl­le den Straf­be­hör­den zu mel­den.

Art. 254 Exhumierung  

Wenn es zur Auf­klä­rung ei­ner Straf­tat nö­tig er­scheint, kann die Aus­gra­bung ei­ner be­stat­te­ten Lei­che oder die Öff­nung ei­ner Aschenur­ne an­ge­ord­net wer­den.

5. Kapitel: DNA-Analysen

Art. 255 Voraussetzungen im Allgemeinen  

1 Zur Auf­klä­rung ei­nes Ver­bre­chens oder ei­nes Ver­ge­hens kann ei­ne Pro­be ge­nom­men und ein DNA-Pro­fil er­stellt wer­den von:

a.
der be­schul­dig­ten Per­son;
b.
an­de­ren Per­so­nen, ins­be­son­de­re Op­fern oder Ta­tort­be­rech­tig­ten, so­weit es not­wen­dig ist, um von ih­nen stam­men­des bio­lo­gi­sches Ma­te­ri­al von je­nem der be­schul­dig­ten Per­son zu un­ter­schei­den;
c.
to­ten Per­so­nen;
d.
ta­tre­le­van­tem bio­lo­gi­schem Ma­te­ri­al.

2 Die Po­li­zei kann an­ord­nen:

a.
die nicht in­va­si­ve Pro­be­nah­me bei Per­so­nen;
b.
die Er­stel­lung ei­nes DNA-Pro­fils von ta­tre­le­van­tem bio­lo­gi­schem Ma­te­ri­al.
Art. 256 Massenuntersuchungen  

Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt kann auf An­trag der Staats­an­walt­schaft zur Auf­klä­rung ei­nes Ver­bre­chens die Ent­nah­me von Pro­ben und die Er­stel­lung von DNA‑Pro­fi­len ge­gen­über Per­so­nen an­ord­nen, die be­stimm­te, in Be­zug auf die Tat­be­ge­hung fest­ge­stell­te Merk­ma­le auf­wei­sen.

Art. 257 Bei verurteilten Personen  

Das Ge­richt kann in sei­nem Ur­teil an­ord­nen, dass ei­ne Pro­be ge­nom­men und ein DNA-Pro­fil er­stellt wird von Per­so­nen:

a.
die we­gen ei­nes vor­sätz­lich be­gan­ge­nen Ver­bre­chens zu ei­ner Frei­heits­s­tra­fe von mehr als ei­nem Jahr ver­ur­teilt wor­den sind;
b.
die we­gen ei­nes vor­sätz­lich be­gan­ge­nen Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens ge­gen Leib und Le­ben oder ge­gen die se­xu­el­le In­te­gri­tät ver­ur­teilt wor­den sind;
c.
ge­gen­über de­nen ei­ne the­ra­peu­ti­sche Mass­nah­me oder die Ver­wah­rung an­ge­ord­net wor­den ist.
Art. 258 Durchführung der Probenahme  

In­va­si­ve Pro­be­nah­men wer­den von ei­ner Ärz­tin oder ei­nem Arzt oder von ei­ner an­de­ren me­di­zi­ni­schen Fach­per­son vor­ge­nom­men.

Art. 259 Anwendbarkeit des DNA-Profil-Gesetzes  

Im Üb­ri­gen fin­det das DNA-Pro­fil-Ge­setz vom 20. Ju­ni 200375 An­wen­dung.

6. Kapitel: Erkennungsdienstliche Erfassung, Schrift- und Sprachproben

Art. 260 Erkennungsdienstliche Erfassung  

1 Bei der er­ken­nungs­dienst­li­chen Er­fas­sung wer­den die Kör­per­merk­ma­le ei­ner Per­son fest­ge­stellt und Ab­drücke von Kör­per­tei­len ge­nom­men.

2 Die Po­li­zei, die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te, in drin­gen­den Fäl­len ih­re Ver­fah­rens­lei­tung, kön­nen die er­ken­nungs­dienst­li­che Er­fas­sung an­ord­nen.

3 Die er­ken­nungs­dienst­li­che Er­fas­sung wird in ei­nem schrift­li­chen, kurz be­grün­de­ten Be­fehl an­ge­ord­net. In drin­gen­den Fäl­len kann sie münd­lich an­ge­ord­net wer­den, ist aber nach­träg­lich schrift­lich zu be­stä­ti­gen und zu be­grün­den.

4 Wei­gert sich die be­trof­fe­ne Per­son, sich der An­ord­nung der Po­li­zei zu un­ter­zie­hen, so ent­schei­det die Staats­an­walt­schaft.

Art. 261 Aufbewahrung und Verwendung erkennungsdienstlicher Unterlagen  

1 Er­ken­nungs­dienst­li­che Un­ter­la­gen über die be­schul­dig­te Per­son dür­fen aus­ser­halb des Ak­ten­dos­siers wäh­rend fol­gen­der Dau­er auf­be­wahrt und, so­fern ein hin­rei­chen­der Tat­ver­dacht auf ein neu­es De­likt be­steht, auch ver­wen­det wer­den:

a.
im Fal­le ei­ner Ver­ur­tei­lung oder ei­nes Frei­spruchs we­gen Schul­d­un­fä­hig­keit: bis zum Ab­lauf der Fris­ten für die Ent­fer­nung der Ein­trä­ge im Straf­re­gis­ter;
b.
im Fal­le ei­nes Frei­spruchs aus an­dern Grün­den, der Ein­stel­lung oder der Nicht­an­hand­nah­me ei­nes Ver­fah­rens: bis zur Rechts­kraft des Ent­scheids.

2 Ist in ei­nem Fall von Ab­satz 1 Buch­sta­be b auf­grund be­stimm­ter Tat­sa­chen zu er­war­ten, dass die er­ken­nungs­dienst­li­chen Un­ter­la­gen über die be­schul­dig­te Per­son der Auf­klä­rung künf­ti­ger Straf­ta­ten die­nen könn­ten, so dür­fen sie mit Zu­stim­mung der Ver­fah­rens­lei­tung wäh­rend höchs­tens 10 Jah­ren seit Rechts­kraft des Ent­schei­des auf­be­wahrt und ver­wen­det wer­den.

3 Er­ken­nungs­dienst­li­che Un­ter­la­gen über nicht be­schul­dig­te Per­so­nen sind zu ver­nich­ten, so­bald das Ver­fah­ren ge­gen die be­schul­dig­te Per­son ab­ge­schlos­sen oder ein­ge­stellt wur­de oder ent­schie­den wur­de, es nicht an die Hand zu neh­men.

4 Ist das In­ter­es­se an der Auf­be­wah­rung und Ver­wen­dung vor Ab­lauf der Fris­ten nach den Ab­sät­zen 1–3 of­fen­sicht­lich da­hin­ge­fal­len, so sind die er­ken­nungs­dienst­li­chen Un­ter­la­gen zu ver­nich­ten.

Art. 262 Schrift- und Sprachproben  

1 Be­schul­dig­te Per­so­nen, Zeu­gin­nen und Zeu­gen so­wie Aus­kunfts­per­so­nen kön­nen da­zu an­ge­hal­ten wer­den, für einen Schrift- oder Sprach­ver­gleich Schrift- oder Sprach­pro­ben ab­zu­ge­ben.

2 Per­so­nen, die sich der Ab­ga­be sol­cher Pro­ben wi­der­set­zen, kön­nen mit Ord­nungs­bus­se be­straft wer­den. Aus­ge­nom­men sind die be­schul­dig­te Per­son und, im Um­fang ih­res Ver­wei­ge­rungs­rechts, Per­so­nen, die zur Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rung be­rech­tigt sind.

7. Kapitel: Beschlagnahme

Art. 263 Grundsatz  

1 Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te ei­ner be­schul­dig­ten Per­son oder ei­ner Dritt­per­son kön­nen be­schlag­nahmt wer­den, wenn die Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te vor­aus­sicht­lich:

a.
als Be­weis­mit­tel ge­braucht wer­den;
b.
zur Si­cher­stel­lung von Ver­fah­rens­kos­ten, Geld­stra­fen, Bus­sen und Ent­schä­di­gun­gen ge­braucht wer­den;
c.
den Ge­schä­dig­ten zu­rück­zu­ge­ben sind;
d.
ein­zu­zie­hen sind.

2 Die Be­schlag­nah­me ist mit ei­nem schrift­li­chen, kurz be­grün­de­ten Be­fehl an­zu­ord­nen. In drin­gen­den Fäl­len kann sie münd­lich an­ge­ord­net wer­den, ist aber nach­träg­lich schrift­lich zu be­stä­ti­gen.

3 Ist Ge­fahr im Ver­zug, so kön­nen die Po­li­zei oder Pri­va­te Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te zu­han­den der Staats­an­walt­schaft oder der Ge­rich­te vor­läu­fig si­cher­stel­len.

Art. 264 Einschränkungen  

1 Nicht be­schlag­nahmt wer­den dür­fen, un­ge­ach­tet des Or­tes, wo sie sich be­fin­den, und des Zeit­punk­tes, in wel­chem sie ge­schaf­fen wor­den sind:

a.
Un­ter­la­gen aus dem Ver­kehr der be­schul­dig­ten Per­son mit ih­rer Ver­tei­di­gung;
b.
per­sön­li­che Auf­zeich­nun­gen und Kor­re­spon­denz der be­schul­dig­ten Per­son, wenn ihr In­ter­es­se am Schutz der Per­sön­lich­keit das Straf­ver­fol­gungs­in­ter­es­se über­wiegt;
c.76
Ge­gen­stän­de und Un­ter­la­gen aus dem Ver­kehr der be­schul­dig­ten Per­son mit Per­so­nen, die nach den Ar­ti­keln 170–173 das Zeug­nis ver­wei­gern kön­nen und im glei­chen Sach­zu­sam­men­hang nicht sel­ber be­schul­digt sind;
d.77
Ge­gen­stän­de und Un­ter­la­gen aus dem Ver­kehr ei­ner an­de­ren Per­son mit ih­rer An­wäl­tin oder ih­rem An­walt, so­fern die An­wäl­tin oder der An­walt nach dem An­walts­ge­setz vom 23. Ju­ni 200078 zur Ver­tre­tung vor schwei­ze­ri­schen Ge­rich­ten be­rech­tigt ist und im glei­chen Sach­zu­sam­men­hang nicht sel­ber be­schul­digt ist.

2 Die Ein­schrän­kun­gen nach Ab­satz 1 gel­ten nicht für Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te, die zur Rück­ga­be an die ge­schä­dig­te Per­son oder zur Ein­zie­hung be­schlag­nahmt wer­den müs­sen.

3 Macht ei­ne be­rech­tig­te Per­son gel­tend, ei­ne Be­schlag­nah­me von Ge­gen­stän­den und Ver­mö­gens­wer­ten sei we­gen ei­nes Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rechts oder aus an­de­ren Grün­den nicht zu­läs­sig, so ge­hen die Straf­be­hör­den nach den Vor­schrif­ten über die Sie­ge­lung vor.

76 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 6 des BG vom 28. Sept. 2012 über die An­pas­sung von ver­fah­rens­recht­li­chen Be­stim­mun­gen zum an­walt­li­chen Be­rufs­ge­heim­nis, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 847; BBl 2011 8181).

77 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 6 des BG vom 28. Sept. 2012 über die An­pas­sung von ver­fah­rens­recht­li­chen Be­stim­mun­gen zum an­walt­li­chen Be­rufs­ge­heim­nis, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 847; BBl 2011 8181).

78 SR 935.61

Art. 265 Herausgabepflicht  

1 Die In­ha­be­rin oder der In­ha­ber ist ver­pflich­tet, Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te, die be­schlag­nahmt wer­den sol­len, her­aus­zu­ge­ben.

2 Kei­ne Her­aus­ga­be­pflicht ha­ben:

a.
die be­schul­dig­te Per­son;
b.
Per­so­nen, die zur Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rung be­rech­tigt sind, im Um­fang ih­res Ver­wei­ge­rungs­rechts;
c.
Un­ter­neh­men, wenn sie sich durch die Her­aus­ga­be selbst der­art be­las­ten wür­den, dass sie:
1.
straf­recht­lich ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den könn­ten, oder
2.
zi­vil­recht­lich ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den könn­ten, und wenn das Schut­z­in­ter­es­se das Straf­ver­fol­gungs­in­ter­es­se über­wiegt.

3 Die Straf­be­hör­de kann die zur Her­aus­ga­be ver­pflich­te­te Per­son zur Her­aus­ga­be auf­for­dern, ihr ei­ne Frist set­zen und sie für den Fall der Nicht­be­ach­tung auf die Straf­dro­hung von Ar­ti­kel 292 StGB79 oder die Mög­lich­keit ei­ner Ord­nungs­bus­se hin­wei­sen.

4 Zwangs­mass­nah­men sind nur zu­läs­sig, wenn die Her­aus­ga­be ver­wei­gert wur­de oder an­zu­neh­men ist, dass die Auf­for­de­rung zur Her­aus­ga­be den Zweck der Mass­nah­me ver­ei­teln wür­de.

Art. 266 Durchführung  

1 Die an­ord­nen­de Straf­be­hör­de be­stä­tigt im Be­schlag­nah­me­be­fehl oder in ei­ner se­pa­ra­ten Quit­tung den Emp­fang der be­schlag­nahm­ten oder her­aus­ge­ge­be­nen Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te.

2 Sie er­stellt ein Ver­zeich­nis und be­wahrt die Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te sach­ge­mä­ss auf.

3 Wer­den Lie­gen­schaf­ten be­schlag­nahmt, so wird ei­ne Grund­buch­sper­re an­ge­ord­net; die­se wird im Grund­buch an­ge­merkt.

4 Die Be­schlag­nah­me ei­ner For­de­rung wird der Schuld­ne­rin oder dem Schuld­ner an­ge­zeigt, mit dem Hin­weis, dass ei­ne Zah­lung an die Gläu­bi­ge­rin oder den Gläu­bi­ger die Schuld­ver­pflich­tung nicht tilgt.

5 Ge­gen­stän­de, die ei­ner schnel­len Wert­ver­min­de­rung un­ter­lie­gen oder einen kost­spie­li­gen Un­ter­halt er­for­dern, so­wie Wert­pa­pie­re oder an­de­re Wer­te mit ei­nem Bör­sen- oder Markt­preis kön­nen nach den Be­stim­mun­gen des Bun­des­ge­set­zes vom 11. April 188980 über Schuld­be­trei­bung und Kon­kurs (SchKG) so­fort ver­wer­tet wer­den. Der Er­lös wird mit Be­schlag be­legt.

6 Der Bun­des­rat re­gelt die An­la­ge be­schlag­nahm­ter Ver­mö­gens­wer­te.

Art. 267 Entscheid über die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte  

1 Ist der Grund für die Be­schlag­nah­me weg­ge­fal­len, so hebt die Staats­an­walt­schaft oder das Ge­richt die Be­schlag­nah­me auf und hän­digt die Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te der be­rech­tig­ten Per­son aus.

2 Ist un­be­strit­ten, dass ein Ge­gen­stand oder Ver­mö­gens­wert ei­ner be­stimm­ten Per­son durch die Straf­tat un­mit­tel­bar ent­zo­gen wor­den ist, so gibt die Straf­be­hör­de ihn der be­rech­tig­ten Per­son vor Ab­schluss des Ver­fah­rens zu­rück.

3 Ist die Be­schlag­nah­me ei­nes Ge­gen­stan­des oder Ver­mö­gens­wer­tes nicht vor­her auf­ge­ho­ben wor­den, so ist über sei­ne Rück­ga­be an die be­rech­tig­te Per­son, sei­ne Ver­wen­dung zur Kos­ten­de­ckung oder über sei­ne Ein­zie­hung im En­dent­scheid zu be­fin­den.

4 Er­he­ben meh­re­re Per­so­nen An­spruch auf Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te, de­ren Be­schlag­nah­me auf­zu­he­ben ist, so kann das Ge­richt dar­über ent­schei­den.

5 Die Straf­be­hör­de kann die Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te ei­ner Per­son zu­spre­chen und den üb­ri­gen An­spre­che­rin­nen oder An­spre­chern Frist zur An­he­bung von Zi­vil­kla­gen set­zen.

6 Sind im Zeit­punkt der Auf­he­bung der Be­schlag­nah­me die Be­rech­tig­ten nicht be­kannt, so schreibt die Staats­an­walt­schaft oder das Ge­richt die Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te zur An­mel­dung von An­sprü­chen öf­fent­lich aus. Er­hebt in­nert fünf Jah­ren seit der Aus­schrei­bung nie­mand An­spruch, so fal­len die be­schlag­nahm­ten Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te an den Kan­ton oder den Bund.

Art. 268 Beschlagnahme zur Kostendeckung  

1 Vom Ver­mö­gen der be­schul­dig­ten Per­son kann so viel be­schlag­nahmt wer­den, als vor­aus­sicht­lich nö­tig ist zur De­ckung:

a.
der Ver­fah­rens­kos­ten und Ent­schä­di­gun­gen;
b.
der Geld­stra­fen und Bus­sen.

2 Die Straf­be­hör­de nimmt bei der Be­schlag­nah­me auf die Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se der be­schul­dig­ten Per­son und ih­rer Fa­mi­lie Rück­sicht.

3 Von der Be­schlag­nah­me aus­ge­nom­men sind Ver­mö­gens­wer­te, die nach den Ar­ti­keln 92–94 SchKG81 nicht pfänd­bar sind.

8. Kapitel: Geheime Überwachungsmassnahmen

1. Abschnitt: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs

Art. 269 Voraussetzungen  

1 Die Staats­an­walt­schaft kann den Post- und den Fern­mel­de­ver­kehr über­wa­chen las­sen, wenn:

a.
der drin­gen­de Ver­dacht be­steht, ei­ne in Ab­satz 2 ge­nann­te Straf­tat sei be­gan­gen wor­den;
b.
die Schwe­re der Straf­tat die Über­wa­chung recht­fer­tigt; und
c.
die bis­he­ri­gen Un­ter­su­chungs­hand­lun­gen er­folg­los ge­blie­ben sind oder die Er­mitt­lun­gen sonst aus­sichts­los wä­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­den.

2 Ei­ne Über­wa­chung kann zur Ver­fol­gung der in den fol­gen­den Ar­ti­keln auf­ge­führ­ten Straf­ta­ten an­ge­ord­net wer­den:

a.82
StGB: Ar­ti­kel 111–113, 115, 118 Ab­satz 2, 122, 124, 127, 129, 135, 138–140, 143, 144 Ab­satz 3, 144bis Zif­fer 1 Ab­satz 2 und Zif­fer 2 Ab­satz 2, 146–148, 156, 157 Zif­fer 2, 158 Zif­fer 1 Ab­satz 3 und Zif­fer 2, 160, 163 Zif­fer 1, 180–185bis, 187, 188 Zif­fer 1, 189–191, 192 Ab­satz 1, 195–197, 220, 221 Ab­sät­ze 1 und 2, 223 Zif­fer 1, 224 Ab­satz 1, 226, 227 Zif­fer 1 Ab­satz 1, 228 Zif­fer 1 Ab­satz 1, 230bis, 231, 232 Zif­fer 1, 233 Zif­fer 1, 234 Ab­satz 1, 237 Zif­fer 1, 238 Ab­satz 1, 240 Ab­satz 1, 242, 244, 251 Zif­fer 1, 258, 259 Ab­satz 1, 260bis–260se­xies, 261bis, 264–267, 271, 272 Zif­fer 2, 273, 274 Zif­fer 1 Ab­satz 2, 285, 301, 303 Zif­fer 1, 305, 305bis Zif­fer 2, 310, 312, 314, 317 Zif­fer 1, 319, 322ter, 322qua­ter und 322sep­ties;
b.83
Aus­län­der- und In­te­gra­ti­ons­ge­setz84 vom 16. De­zem­ber 200585: Ar­ti­kel 116 Ab­satz 3 und 118 Ab­satz 3;
c.
Bun­des­ge­setz vom 22. Ju­ni 200186 zum Haa­ger Ad­op­ti­ons­über­ein­kom­men und über Mass­nah­men zum Schutz des Kin­des bei in­ter­na­tio­na­len Ad­op­tio­nen: Ar­ti­kel 24;
d.87
Kriegs­ma­te­ri­al­ge­setz vom 13. De­zem­ber 199688: Ar­ti­kel 33 Ab­satz 2 und
34–35b;
e.
Kern­ener­gie­ge­setz vom 21. März 200389: Ar­ti­kel 88 Ab­sät­ze 1 und 2, 89 Ab­sät­ze 1 und 2 und 90 Ab­satz 1;
f.90
Be­täu­bungs­mit­tel­ge­setz vom 3. Ok­to­ber 195191: Ar­ti­kel 19 Ab­satz 2 so­wie 20 Ab­satz 2;
g.
Um­welt­schutz­ge­setz vom 7. Ok­to­ber 198392: Ar­ti­kel 60 Ab­satz 1 Buch­sta­ben g–i so­wie m und o;
h.
Gü­ter­kon­troll­ge­setz vom 13. De­zem­ber 199693: Ar­ti­kel 14 Ab­satz 2;
i.94
Sport­för­de­rungs­ge­setz vom 17. Ju­ni 201195: Ar­ti­kel 22 Ab­satz 2 und 25a Ab­satz 3;
j.96
Fi­nanz­marktin­fra­struk­tur­ge­setz vom 19. Ju­ni 201597: Ar­ti­kel 154 und 155;
k.98
Waf­fen­ge­setz vom 20. Ju­ni 199799: Ar­ti­kel 33 Ab­satz 3;
l.100
Heil­mit­tel­ge­setz vom 15. De­zem­ber 2000101: Ar­ti­kel 86 Ab­sät­ze 2 und 3;
m.102
Geld­spiel­ge­setz vom 29. Sep­tem­ber 2017103: Ar­ti­kel 130 Ab­satz 2 für die Straf­ta­ten nach Ar­ti­kel 130 Ab­satz 1 Buch­sta­be a;
n.104
Nach­rich­ten­dienst­ge­setz vom 25. Sep­tem­ber 2015105: Ar­ti­kel 74 Ab­satz 4.

3 Wird die Be­ur­tei­lung ei­ner der mi­li­tä­ri­schen Ge­richts­bar­keit un­ter­ste­hen­den Straf­tat der zi­vi­len Ge­richts­bar­keit über­tra­gen, so kann die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs auch an­ge­ord­net wer­den zur Ver­fol­gung der in Ar­ti­kel 70 Ab­satz 2 des Mi­li­tär­straf­pro­zes­ses vom 23. März 1979106 auf­ge­führ­ten Straf­ta­ten.

82 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

83 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

84 Der Ti­tel wur­de in An­wen­dung von Art. 12 Abs. 2 des Pu­bli­ka­ti­ons­ge­set­zes vom 18. Ju­ni 2004 (SR 170.512) auf den 1. Jan. 2019 an­ge­passt. Die­se An­pas­sung wur­de im gan­zen Text vor­ge­nom­men.

85 SR 142.20

86 SR 211.221.31

87 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. II des BG vom 16. März 2012, in Kraft seit 1. Fe­br. 2013 (AS 2013 295; BBl 20115905).

88 SR 514.51

89 SR 732.1

90 Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 19. Sept. 2011, ver­öf­fent­licht am 4. Okt. 2011 (AS 2011 4487).

91 SR 812.121

92 SR 814.01

93 SR 946.202

94 Ein­ge­fügt durch Art. 34 Ziff. 2 des Sport­för­de­rungs­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2011 (AS 2012 3953; BBl 2009 8189). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 2 des Geld­spiel­ge­set­zes vom 29. Sept. 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5103; BBl 2015 8387).

95 SR 415.0

96 Ein­ge­fügt durch Ziff. II 4 des BG vom 28. Sept. 2012 (AS 2013 1103; BBl 2011 6873). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 4 des Fi­nanz­marktin­fra­struk­tur­ge­set­zes vom 19. Ju­ni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483).

97 SR 958.1

98 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

99 SR 514.54

100 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 1 des BB vom 29. Sept. 2017 (Me­di­cri­me-Kon­ven­ti­on), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4771; BBl 2017 3135).

101 SR 812.21

102 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 2 des Geld­spiel­ge­set­zes vom 29. Sept. 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5103; BBl 2015 8387).

103 SR 935.51

104 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

105 SR 121

106 SR 322.1

Art. 269bis Einsatz von besonderen technischen Geräten zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs 107  

1 Die Staats­an­walt­schaft kann den Ein­satz be­son­de­rer tech­ni­scher Ge­rä­te zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs an­ord­nen, um Ge­sprä­che mit­zu­hö­ren oder auf­zu­neh­men oder ei­ne Per­son oder Sa­che zu iden­ti­fi­zie­ren oder de­ren Stand­ort zu er­mit­teln, wenn:

a.
die Vor­aus­set­zun­gen von Ar­ti­kel 269 er­füllt sind;
b.
die bis­he­ri­gen Mass­nah­men zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs nach Ar­ti­kel 269 er­folg­los ge­blie­ben sind oder die Über­wa­chung mit die­sen Mass­nah­men aus­sichts­los wä­re oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­de;
c.
die für den Ein­satz die­ser Ge­rä­te auf­grund des Fern­mel­de­rechts nö­ti­gen Be­wil­li­gun­gen zum Zeit­punkt des Ein­sat­zes vor­lie­gen.

2 Die Staats­an­walt­schaft führt ei­ne Sta­tis­tik über die­se Über­wa­chun­gen. Der Bun­des­rat re­gelt die Ein­zel­hei­ten.

107 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 269ter Einsatz von besonderen Informatikprogrammen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs 108  

1 Die Staats­an­walt­schaft kann das Ein­schleu­sen von be­son­de­ren In­for­ma­tik­pro­gram­men in ein Da­ten­ver­ar­bei­tungs­sys­tem an­ord­nen, um den In­halt der Kom­mu­ni­ka­ti­on und die Rand­da­ten des Fern­mel­de­ver­kehrs in un­ver­schlüs­sel­ter Form ab­zu­fan­gen und aus­zu­lei­ten, wenn:

a.
die Be­din­gun­gen von Ar­ti­kel 269 Ab­sät­ze 1 und 3 er­füllt sind;
b.
es sich um die Ver­fol­gung ei­ner in Ar­ti­kel 286 Ab­satz 2 ge­nann­ten Straf­tat han­delt;
c.
die bis­he­ri­gen Mass­nah­men zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs nach Ar­ti­kel 269 er­folg­los ge­blie­ben sind oder die Über­wa­chung mit die­sen Mass­­nah­men aus­sichts­los wä­re oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­de.

2 Die Staats­an­walt­schaft be­zeich­net in der Über­wa­chungs­an­ord­nung:

a.
die ge­wünsch­ten Da­ten­ty­pen; und
b.
die nicht öf­fent­li­chen Räum­lich­kei­ten, in die al­len­falls ein­ge­drun­gen wer­den muss, um be­son­de­re In­for­ma­tik­pro­gram­me in das be­tref­fen­de Da­ten­ver­ar­bei­tungs­sys­tem ein­zu­schleu­sen.

3 Durch Ab­satz 1 nicht ge­deck­te Da­ten, die beim Ein­satz sol­cher In­for­ma­tik­pro­gram­me ge­sam­melt wer­den, sind so­fort zu ver­nich­ten. Durch sol­che Da­ten er­lang­te Er­kennt­nis­se dür­fen nicht ver­wer­tet wer­den.

4 Die Staats­an­walt­schaft führt ei­ne Sta­tis­tik über die­se Über­wa­chun­gen. Der Bun­des­rat re­gelt die Ein­zel­hei­ten.

108 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 269quater Anforderungen an die besonderen Informatikprogramme zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs 109  

1 Es dür­fen nur be­son­de­re In­for­ma­tik­pro­gram­me ein­ge­setzt wer­den, wel­che die Über­wa­chung lücken­los und un­ver­än­der­bar pro­to­kol­lie­ren. Das Pro­to­koll ge­hört zu den Ver­fah­rens­ak­ten.

2 Die Aus­lei­tung aus dem über­wach­ten Da­ten­ver­ar­bei­tungs­sys­tem bis zur zu­stän­di­gen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de er­folgt ge­si­chert.

3 Die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de stellt si­cher, dass der Quell­co­de über­prüft wer­den kann zwecks Prü­fung, dass das Pro­gramm nur über ge­setz­lich zu­läs­si­ge Funk­tio­nen ver­fügt.

109 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 270 Gegenstand der Überwachung  

Es dür­fen Post- und Fern­mel­de­ver­kehr fol­gen­der Per­so­nen über­wacht wer­den:110

a.
der be­schul­dig­ten Per­son;
b.
von Dritt­per­so­nen, wenn auf­grund be­stimm­ter Tat­sa­chen an­ge­nom­men wer­den muss, dass:
1.111
die be­schul­dig­te Per­son die Po­st­adres­se oder den Fern­mel­de­dienst der Dritt­per­son be­nutzt, oder
2.
die Dritt­per­son für die be­schul­dig­te Per­son be­stimm­te Mit­tei­lun­gen ent­ge­gen­nimmt oder von die­ser stam­men­de Mit­tei­lun­gen an ei­ne wei­te­re Per­son wei­ter­lei­tet.

110 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

111 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 271 Schutz von Berufsgeheimnissen 112  

1 Bei der Über­wa­chung ei­ner Per­son, die ei­ner in den Ar­ti­keln 170–173 ge­nann­ten Be­rufs­grup­pe an­ge­hört, sind In­for­ma­tio­nen, die mit dem Ge­gen­stand der Er­mitt­lun­gen und dem Grund, aus dem die­se Per­son über­wacht wird, nicht in Zu­sam­men­hang ste­hen, un­ter der Lei­tung ei­nes Ge­rich­tes aus­zu­son­dern. Da­bei dür­fen der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de kei­ne Be­rufs­ge­heim­nis­se zur Kennt­nis ge­lan­gen. Die aus­ge­son­der­ten Da­ten sind so­fort zu ver­nich­ten; sie dür­fen nicht aus­ge­wer­tet wer­den.

2 In­for­ma­tio­nen nach Ab­satz 1 müs­sen nicht vor­gän­gig aus­ge­son­dert wer­den, wenn:

a.
der drin­gen­de Tat­ver­dacht ge­gen die Trä­ge­rin oder den Trä­ger des Be­rufs­ge­heim­nis­ses sel­ber be­steht; und
b.
be­son­de­re Grün­de es er­for­dern.

3 Bei der Über­wa­chung an­de­rer Per­so­nen sind, so­bald fest­steht, dass die­se mit ei­ner in den Ar­ti­keln 170–173 ge­nann­ten Per­son Ver­bin­dung ha­ben, In­for­ma­tio­nen zur Kom­mu­ni­ka­ti­on mit die­ser Per­son ge­mä­ss Ab­satz 1 aus­zu­son­dern. In­for­ma­tio­nen, über wel­che ei­ne in den Ar­ti­keln 170–173 ge­nann­te Per­son das Zeug­nis ver­wei­gern kann, sind aus den Ver­fah­rens­ak­ten aus­zu­son­dern und so­fort zu ver­nich­ten; sie dür­fen nicht aus­ge­wer­tet wer­den.

112 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 272 Genehmigungspflicht und Rahmenbewilligung  

1 Die Über­wa­chung des Post- und des Fern­mel­de­ver­kehrs be­darf der Ge­neh­mi­gung durch das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt.

2 Er­ge­ben die Er­mitt­lun­gen, dass die zu über­wa­chen­de Per­son in ra­scher Fol­ge den Fern­mel­de­dienst wech­selt, so kann das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt aus­nahms­wei­se die Über­wa­chung al­ler iden­ti­fi­zier­ten Diens­te be­wil­li­gen, über wel­che die zu über­wa­chen­de Per­son ih­ren Fern­mel­de­ver­kehr ab­wi­ckelt, oh­ne dass je­des Mal ei­ne Ge­neh­mi­gung im Ein­zel­fall nö­tig ist (Rah­men­be­wil­li­gung).113 Die Staats­an­walt­schaft un­ter­brei­tet dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt mo­nat­lich und nach Ab­schluss der Über­wa­chung einen Be­richt zur Ge­neh­mi­gung.

3 Er­for­dert die Über­wa­chung ei­nes Diens­tes im Rah­men ei­ner Rah­men­be­wil­li­gung Vor­keh­ren zum Schutz von Be­rufs­ge­heim­nis­sen und sind die Vor­keh­ren in der Rah­men­be­wil­li­gung nicht ent­hal­ten, so ist die­se ein­zel­ne Über­wa­chung dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt zur Ge­neh­mi­gung zu un­ter­brei­ten.114

113 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

114 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 273 Teilnehmeridentifikation, Standortermittlung und technische Merkmale des Verkehrs 115  

1 Be­steht der drin­gen­de Ver­dacht, ein Ver­bre­chen, ein Ver­ge­hen oder ei­ne Über­tre­tung nach Ar­ti­kel 179sep­ties StGB116 sei be­gan­gen wor­den, und sind die Vor­aus­set­zun­gen nach Ar­ti­kel 269 Ab­satz 1 Buch­sta­ben b und c die­ses Ge­set­zes er­füllt, so kann die Staats­an­walt­schaft die Rand­da­ten des Fern­mel­de­ver­kehrs ge­mä­ss Ar­ti­kel 8 Buch­sta­be b des Bun­des­ge­set­zes vom 18. März 2016117 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs (BÜPF) und die Rand­da­ten des Post­ver­kehrs ge­mä­ss Ar­ti­kel 19 Ab­satz 1 Buch­sta­be b BÜPF der über­wach­ten Per­son ver­lan­gen.

2 Die An­ord­nung be­darf der Ge­neh­mi­gung durch das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt.

3 Aus­künf­te nach Ab­satz 1 kön­nen un­ab­hän­gig von der Dau­er der Über­wa­chung und bis 6 Mo­na­te rück­wir­kend ver­langt wer­den.

115 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

116 SR 311.0

117 SR 780.1

Art. 274 Genehmigungsverfahren  

1 Die Staats­an­walt­schaft reicht dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt in­nert 24 Stun­den seit der An­ord­nung der Über­wa­chung oder der Aus­kunft­s­er­tei­lung fol­gen­de Un­ter­la­gen ein:

a.
die An­ord­nung;
b.
die Be­grün­dung und die für die Ge­neh­mi­gung we­sent­li­chen Ver­fah­rens­ak­ten.

2 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det mit kur­z­er Be­grün­dung in­nert 5 Ta­gen seit der An­ord­nung der Über­wa­chung oder der Aus­kunft­s­er­tei­lung. Es kann die Ge­neh­mi­gung vor­läu­fig oder mit Auf­la­gen er­tei­len oder ei­ne Er­gän­zung der Ak­ten oder wei­te­re Ab­klä­run­gen ver­lan­gen.

3 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt er­öff­net den Ent­scheid un­ver­züg­lich der Staats­an­walt­schaft so­wie dem Dienst für die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs nach Ar­ti­kel 3 BÜPF118.119

4 Die Ge­neh­mi­gung äus­sert sich aus­drück­lich dar­über:

a.
wel­che Vor­keh­ren zum Schutz von Be­rufs­ge­heim­nis­sen ge­trof­fen wer­den müs­sen;
b.
ob in nicht öf­fent­li­che Räum­lich­kei­ten ein­ge­drun­gen wer­den darf, um be­son­de­re In­for­ma­tik­pro­gram­me zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs in das be­tref­fen­de Da­ten­ver­ar­bei­tungs­sys­tem ein­zu­schleu­sen.120

5 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt er­teilt die Ge­neh­mi­gung für höchs­tens 3 Mo­na­te. Die Ge­neh­mi­gung kann ein- oder mehr­mals um je­weils höchs­tens 3 Mo­na­te ver­län­gert wer­den. Ist ei­ne Ver­län­ge­rung not­wen­dig, so stellt die Staats­an­walt­schaft vor Ab­lauf der be­wil­lig­ten Dau­er einen be­grün­de­ten Ver­län­ge­rungs­an­trag.

118 SR 780.1

119 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

120 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

Art. 275 Beendigung der Überwachung  

1 Die Staats­an­walt­schaft be­en­det die Über­wa­chung un­ver­züg­lich, wenn:

a.
die Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr er­füllt sind; oder
b.
die Ge­neh­mi­gung oder die Ver­län­ge­rung ver­wei­gert wird.

2 Die Staats­an­walt­schaft teilt dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt im Fall von Ab­satz 1 Buch­sta­be a die Be­en­di­gung der Über­wa­chung mit.

Art. 276 Nicht benötigte Ergebnisse  

1 Die aus ge­neh­mig­ten Über­wa­chun­gen stam­men­den Auf­zeich­nun­gen, die für das Straf­ver­fah­ren nicht not­wen­dig sind, wer­den von den Ver­fah­rens­ak­ten ge­son­dert auf­be­wahrt und un­mit­tel­bar nach Ab­schluss des Ver­fah­rens ver­nich­tet.

2 Post­sen­dun­gen kön­nen so lan­ge si­cher­ge­stellt wer­den, als dies für das Straf­ver­fah­ren not­wen­dig ist; sie sind den Adres­sa­tin­nen und Adres­sa­ten her­aus­zu­ge­ben, so­bald es der Stand des Ver­fah­rens er­laubt.

Art. 277 Verwertbarkeit von Ergebnissen aus nicht genehmigten Überwachungen  

1 Do­ku­men­te und Da­ten­trä­ger aus nicht ge­neh­mig­ten Über­wa­chun­gen sind so­fort zu ver­nich­ten. Post­sen­dun­gen sind so­fort den Adres­sa­tin­nen und Adres­sa­ten zu­zu­stel­len.

2 Durch die Über­wa­chung ge­won­ne­ne Er­kennt­nis­se dür­fen nicht ver­wer­tet wer­den.

Art. 278 Zufallsfunde  

1 Wer­den durch die Über­wa­chung an­de­re Straf­ta­ten als die in der Über­wa­chungs­an­ord­nung auf­ge­führ­ten be­kannt, so kön­nen die Er­kennt­nis­se ge­gen die be­schul­dig­te Per­son ver­wen­det wer­den, wenn zur Ver­fol­gung die­ser Straf­ta­ten ei­ne Über­wa­chung hät­te an­ge­ord­net wer­den dür­fen.

1bis Wer­den bei ei­ner Über­wa­chung nach den Ar­ti­keln 35 und 36 BÜPF121 straf­ba­re Hand­lun­gen be­kannt, so dür­fen die Er­kennt­nis­se un­ter den Vor­aus­set­zun­gen der Ab­sät­ze 2 und 3 ver­wen­det wer­den. 122

2 Er­kennt­nis­se über Straf­ta­ten ei­ner Per­son, die in der An­ord­nung kei­ner straf­ba­ren Hand­lung be­schul­digt wird, kön­nen ver­wen­det wer­den, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Über­wa­chung die­ser Per­son er­füllt sind.

3 In Fäl­len nach den Ab­sät­zen 1, 1bis und 2 ord­net die Staats­an­walt­schaft un­ver­züg­lich die Über­wa­chung an und lei­tet das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ein.123

4 Auf­zeich­nun­gen, die nicht als Zu­falls­fun­de ver­wen­det wer­den dür­fen, sind von den Ver­fah­rens­ak­ten ge­son­dert auf­zu­be­wah­ren und nach Ab­schluss des Ver­fah­rens zu ver­nich­ten.

5 Für die Fahn­dung nach ge­such­ten Per­so­nen dür­fen sämt­li­che Er­kennt­nis­se ei­ner Über­wa­chung ver­wen­det wer­den.

121 SR 780.1

122 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

123 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

Art. 279 Mitteilung  

1 Die Staats­an­walt­schaft teilt der über­wach­ten be­schul­dig­ten Per­son und den nach Ar­ti­kel 270 Buch­sta­be b über­wach­ten Dritt­per­so­nen spä­tes­tens mit Ab­schluss des Vor­ver­fah­rens Grund, Art und Dau­er der Über­wa­chung mit.

2 Die Mit­tei­lung kann mit Zu­stim­mung des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts auf­ge­scho­ben oder un­ter­las­sen wer­den, wenn:

a.
die Er­kennt­nis­se nicht zu Be­weis­zwe­cken ver­wen­det wer­den; und
b.
der Auf­schub oder das Un­ter­las­sen zum Schut­ze über­wie­gen­der öf­fent­li­cher oder pri­va­ter In­ter­es­sen not­wen­dig ist.

3 Per­so­nen, de­ren Post- oder Fern­mel­de­ver­kehr über­wacht wur­de oder die die über­wach­te Po­st­adres­se oder den über­wach­ten Fern­mel­de­dienst mit­be­nutzt ha­ben, kön­nen Be­schwer­de nach den Ar­ti­kel 393–397 füh­ren.124 Die Be­schwer­de­frist be­ginnt mit Er­halt der Mit­tei­lung zu lau­fen.

124 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

2. Abschnitt: Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten

Art. 280 Zweck des Einsatzes  

Die Staats­an­walt­schaft kann tech­ni­sche Über­wa­chungs­ge­rä­te ein­set­zen, um:

a.
das nicht öf­fent­lich ge­spro­che­ne Wort ab­zu­hö­ren oder auf­zu­zeich­nen;
b.
Vor­gän­ge an nicht öf­fent­li­chen oder nicht all­ge­mein zu­gäng­li­chen Or­ten zu be­ob­ach­ten oder auf­zu­zeich­nen;
c.
den Stand­ort von Per­so­nen oder Sa­chen fest­zu­stel­len.
Art. 281 Voraussetzung und Durchführung  

1 Der Ein­satz darf nur ge­gen­über der be­schul­dig­ten Per­son an­ge­ord­net wer­den.

2 Räum­lich­kei­ten oder Fahr­zeu­ge von Dritt­per­so­nen dür­fen nur über­wacht wer­den, wenn auf­grund be­stimm­ter Tat­sa­chen an­ge­nom­men wer­den muss, dass die be­schul­dig­te Per­son sich in die­sen Räum­lich­kei­ten auf­hält oder die­ses Fahr­zeug be­nutzt.

3 Der Ein­satz darf nicht an­ge­ord­net wer­den, um:

a.
zu Be­weis­zwe­cken Vor­gän­ge zu er­fas­sen, an de­nen ei­ne be­schul­dig­te Per­son be­tei­ligt ist, die sich im Frei­heits­ent­zug be­fin­det;
b.
Räum­lich­kei­ten oder Fahr­zeu­ge ei­ner Dritt­per­son zu über­wa­chen, die ei­ner der in den Ar­ti­keln 170–173 ge­nann­ten Be­rufs­grup­pen an­ge­hört.

4 Im Üb­ri­gen rich­tet sich der Ein­satz tech­ni­scher Über­wa­chungs­ge­rä­te nach den Ar­ti­keln 269–279.

3. Abschnitt: Observation

Art. 282 Voraussetzungen  

1 Die Staats­an­walt­schaft und, im Er­mitt­lungs­ver­fah­ren, die Po­li­zei kön­nen Per­so­nen und Sa­chen an all­ge­mein zu­gäng­li­chen Or­ten ver­deckt be­ob­ach­ten und da­bei Bild- oder Tonauf­zeich­nun­gen ma­chen, wenn:

a.
auf­grund kon­kre­ter An­halts­punk­te an­zu­neh­men ist, dass Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen be­gan­gen wor­den sind; und
b.
die Er­mitt­lun­gen sonst aus­sichts­los wä­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­den.

2 Hat ei­ne von der Po­li­zei an­ge­ord­ne­te Ob­ser­va­ti­on einen Mo­nat ge­dau­ert, so be­darf ih­re Fort­set­zung der Ge­neh­mi­gung durch die Staats­an­walt­schaft.

Art. 283 Mitteilung  

1 Die Staats­an­walt­schaft teilt den von ei­ner Ob­ser­va­ti­on di­rekt be­trof­fe­nen Per­so­nen spä­tes­tens mit Ab­schluss des Vor­ver­fah­rens Grund, Art und Dau­er der Ob­ser­va­ti­on mit.

2 Die Mit­tei­lung wird auf­ge­scho­ben oder un­ter­las­sen, wenn:

a.
die Er­kennt­nis­se nicht zu Be­weis­zwe­cken ver­wen­det wer­den; und
b.
der Auf­schub oder die Un­ter­las­sung zum Schut­ze über­wie­gen­der öf­fent­li­cher oder pri­va­ter In­ter­es­sen not­wen­dig ist.

4. Abschnitt: Überwachung von Bankbeziehungen

Art. 284 Grundsatz  

Zur Auf­klä­rung von Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen kann das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt auf An­trag der Staats­an­walt­schaft die Über­wa­chung der Be­zie­hun­gen zwi­schen ei­ner be­schul­dig­ten Per­son und ei­ner Bank oder ei­nem ban­k­ähn­li­chen In­sti­tut an­ord­nen.

Art. 285 Durchführung  

1 Stimmt das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt dem An­trag zu, so er­teilt es der Bank oder dem ban­k­ähn­li­chen In­sti­tut schrift­li­che Wei­sun­gen dar­über:

a.
wel­che In­for­ma­tio­nen und Do­ku­men­te zu lie­fern sind;
b.
wel­che Ge­heim­hal­tungs­mass­nah­men zu tref­fen sind.

2 Die Bank oder das ban­k­ähn­li­che In­sti­tut ha­ben kei­ne In­for­ma­tio­nen oder Do­ku­men­te zu lie­fern, wenn sie sich durch die Her­aus­ga­be selbst der­art be­las­ten wür­den, dass sie:

a.
straf­recht­lich ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den könn­ten; oder
b.
zi­vil­recht­lich ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den könn­ten, und wenn das Schutz­in­ter­es­se das Straf­ver­fol­gungs­in­ter­es­se über­wiegt.

3 Die Kon­to­be­rech­tig­ten wer­den nach Mass­ga­be von Ar­ti­kel 279 Ab­sät­ze 1 und 2 nach­träg­lich über die Mass­nah­me in­for­miert.

4 Per­so­nen, de­ren Bank­ver­kehr über­wacht wur­de, kön­nen Be­schwer­de nach den Ar­ti­keln 393–397 füh­ren. Die Be­schwer­de­frist be­ginnt mit Er­halt der Mit­tei­lung zu lau­fen.

5. Abschnitt: Verdeckte Ermittlung125

125 Ursprünglich vor Art. 286.

Art. 285a Begriff 126  

Ver­deck­te Er­mitt­lung liegt vor, wenn An­ge­hö­ri­ge der Po­li­zei oder Per­so­nen, die vor­über­ge­hend für po­li­zei­li­che Auf­ga­ben an­ge­stellt sind, un­ter Ver­wen­dung ei­ner durch Ur­kun­den ab­ge­si­cher­ten falschen Iden­ti­tät (Le­gen­de) durch täu­schen­des Ver­hal­ten zu Per­so­nen Kon­tak­te knüp­fen mit dem Ziel, ein Ver­trau­ens­ver­hält­nis auf­zu­bau­en und in ein kri­mi­nel­les Um­feld ein­zu­drin­gen, um be­son­ders schwe­re Straf­ta­ten auf­zu­klä­ren.

126 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012 über die ver­deck­te Er­mitt­lung und Fahn­dung, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 20131051; BBl 201255915609).

Art. 286 Voraussetzungen  

1 Die Staats­an­walt­schaft kann ei­ne ver­deck­te Er­mitt­lung an­ord­nen, wenn:

a.
der Ver­dacht be­steht, ei­ne in Ab­satz 2 ge­nann­te Straf­tat sei be­gan­gen wor­den;
b.
die Schwe­re der Straf­tat die ver­deck­te Er­mitt­lung recht­fer­tigt; und
c.
die bis­he­ri­gen Un­ter­su­chungs­hand­lun­gen er­folg­los ge­blie­ben sind oder die Er­mitt­lun­gen sonst aus­sichts­los wä­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­den.

2 Die ver­deck­te Er­mitt­lung kann zur Ver­fol­gung der in den fol­gen­den Ar­ti­keln auf­ge­führ­ten Straf­ta­ten ein­ge­setzt wer­den:

a.127
StGB: Ar­ti­kel 111–113, 122, 124, 129, 135, 138–140, 143 Ab­satz 1, 144 Ab­satz 3, 144bis Zif­fer 1 Ab­satz 2 und Zif­fer 2 Ab­satz 2, 146 Ab­sät­ze 1 und 2, 147 Ab­sät­ze 1 und 2, 148, 156, 160, 182–185bis, 187, 188 Zif­fer 1, 189 Ab­sät­ze 1 und 3, 190 Ab­sät­ze 1 und 3, 191, 192 Ab­satz 1, 195, 196, 197 Ab­sät­ze 3–5, 221 Ab­sät­ze 1 und 2, 223 Zif­fer 1, 224 Ab­satz 1, 227 Zif­fer 1 Ab­satz 1, 228 Zif­fer 1 Ab­satz 1, 230bis, 231, 232 Zif­fer 1, 233 Zif­fer 1, 234 Ab­satz 1, 237 Zif­fer 1, 238 Ab­satz 1, 240 Ab­satz 1, 242, 244 Ab­satz 2, 251 Zif­fer 1, 260bis–260se­xies, 264–267, 271, 272 Zif­fer 2, 273, 274 Zif­fer 1 Ab­satz 2, 301, 305bis Zif­fer 2, 310, 322ter, 322qua­ter, 322sep­ties;
b.128
Aus­län­der- und In­te­gra­ti­ons­ge­setz vom 16. De­zem­ber 2005129: Ar­ti­kel 116 Ab­satz 3 und 118 Ab­satz 3;
c.
Bun­des­ge­setz vom 22. Ju­ni 2001130 zum Haa­ger Ad­op­ti­ons­über­ein­kom­men und über Mass­nah­men zum Schutz des Kin­des bei in­ter­na­tio­na­len Ad­op­tio­nen: Ar­ti­kel 24;
d.131
Kriegs­ma­te­ri­al­ge­setz vom 13. De­zem­ber 1996132: Ar­ti­kel 33 Ab­satz 2 und
34–35b;
e.
Kern­ener­gie­ge­setz vom 21. März 2003133: Ar­ti­kel 88 Ab­sät­ze 1 und 2, 89 Ab­sät­ze 1 und 2 und 90 Ab­satz 1;
f.134
Be­täu­bungs­mit­tel­ge­setz vom 3. Ok­to­ber 1951135: Ar­ti­kel 19 Ab­satz 2 so­wie 20 Ab­satz 2;
g.
Gü­ter­kon­troll­ge­setz vom 13. De­zem­ber 1996136: Ar­ti­kel 14 Ab­satz 2;
h.137
Sport­för­de­rungs­ge­setz vom 17. Ju­ni 2011138: Ar­ti­kel 22 Ab­satz 2 und 25a Ab­satz 3;
i.139
Waf­fen­ge­setz vom 20. Ju­ni 1997140: Ar­ti­kel 33 Ab­satz 3;
j.141
Heil­mit­tel­ge­setz vom 15. De­zem­ber 2000142: Ar­ti­kel 86 Ab­sät­ze 2 und 3;
k.143
Geld­spiel­ge­setz vom 29. Sep­tem­ber 2017144: Ar­ti­kel 130 Ab­satz 2 für die Straf­ta­ten nach Ar­ti­kel 130 Ab­satz 1 Buch­sta­be a;
l.145
Nach­rich­ten­dienst­ge­setz vom 25. Sep­tem­ber 2015146: Ar­ti­kel 74 Ab­satz 4.

3 Wird die Be­ur­tei­lung ei­ner der mi­li­tä­ri­schen Ge­richts­bar­keit un­ter­ste­hen­den straf­ba­ren Hand­lung der zi­vi­len Ge­richts­bar­keit über­tra­gen, so kann die ver­deck­te Er­mitt­lung auch zur Ver­fol­gung der in Ar­ti­kel 70 Ab­satz 2 des Mi­li­tär­straf­pro­zes­ses vom 23. März 1979147 auf­ge­führ­ten Straf­ta­ten an­ge­ord­net wer­den.

127 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

128 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

129 SR 142.20

130 SR 211.221.31

131 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. II des BG vom 16. März 2012, in Kraft seit 1. Fe­br. 2013 (AS 2013 295; BBl 20115905).

132 SR 514.51

133 SR 732.1

134 Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 19. Sept. 2011, ver­öf­fent­licht am 4. Okt. 2011 (AS 2011 4487).

135 SR 812.121

136 SR 946.202

137 Ein­ge­fügt durch Art. 34 Ziff. 2 des Sport­för­de­rungs­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2011 (AS 2012 3953; BBl 2009 8189). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 2 des Geld­spiel­ge­set­zes vom 29. Sept. 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5103; BBl 2015 8387).

138 SR 415.0

139 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 1 des BG vom 18. März 2016 be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).

140 SR 514.54

141 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 1 des BB vom 29. Sept. 2017 (Me­di­cri­me-Kon­ven­ti­on), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4771; BBl 2017 3135).

142 SR 812.21

143 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 2 des Geld­spiel­ge­set­zes vom 29. Sept. 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5103; BBl 2015 8387).

144 SR 935.51

145 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

146 SR 121

147 SR 322.1

Art. 287 Anforderungen an die eingesetzten Personen  

1 Als ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen oder Er­mitt­ler kön­nen ein­ge­setzt wer­den:

a.
An­ge­hö­ri­ge ei­nes schwei­ze­ri­schen oder aus­län­di­schen Po­li­zei­korps;
b.
Per­so­nen, die vor­über­ge­hend für po­li­zei­li­che Auf­ga­ben an­ge­stellt wer­den, auch wenn sie nicht über ei­ne po­li­zei­li­che Aus­bil­dung ver­fü­gen.

2 Als Füh­rungs­per­so­nen dür­fen nur An­ge­hö­ri­ge ei­nes Po­li­zei­korps ein­ge­setzt wer­den.

3 Wer­den An­ge­hö­ri­ge ei­nes Po­li­zei­korps des Aus­lan­des ein­ge­setzt, so wer­den sie in der Re­gel von ih­rer bis­he­ri­gen Füh­rungs­per­son ge­führt.

Art. 288 Legende und Zusicherung der Anonymität  

1 Die Po­li­zei stat­tet ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen oder Er­mitt­ler mit ei­ner Le­gen­de aus.148

2 Die Staats­an­walt­schaft kann ver­deck­ten Er­mitt­le­rin­nen oder Er­mitt­lern zu­si­chern, dass ih­re wah­re Iden­ti­tät auch dann nicht preis­ge­ge­ben wird, wenn sie in ei­nem Ge­richts­ver­fah­ren als Aus­kunfts­per­so­nen oder Zeu­gin­nen oder Zeu­gen auf­tre­ten.149

3 Be­ge­hen ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen oder Er­mitt­ler wäh­rend ih­res Ein­sat­zes ei­ne Straf­tat, so ent­schei­det das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt, un­ter wel­cher Iden­ti­tät das Straf­ver­fah­ren ge­führt wird.

148 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012 über die ver­deck­te Er­mitt­lung und Fahn­dung, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 20131051; BBl 201255915609).

149 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012 über die ver­deck­te Er­mitt­lung und Fahn­dung, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 20131051; BBl 201255915609).

Art. 289 Genehmigungsverfahren  

1 Der Ein­satz ei­ner ver­deck­ten Er­mitt­le­rin oder ei­nes ver­deck­ten Er­mitt­lers be­darf der Ge­neh­mi­gung durch das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt.

2 Die Staats­an­walt­schaft reicht dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt in­nert 24 Stun­den seit der An­ord­nung der ver­deck­ten Er­mitt­lung fol­gen­de Un­ter­la­gen ein:

a.
die An­ord­nung;
b.
die Be­grün­dung und die für die Ge­neh­mi­gung we­sent­li­chen Ver­fah­rens­ak­ten.

3 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det mit kur­z­er Be­grün­dung in­nert 5 Ta­gen seit der An­ord­nung der ver­deck­ten Er­mitt­lung. Es kann die Ge­neh­mi­gung vor­läu­fig oder mit Auf­la­gen er­tei­len oder ei­ne Er­gän­zung der Ak­ten oder wei­te­re Ab­klä­run­gen ver­lan­gen.

4 Die Ge­neh­mi­gung äus­sert sich aus­drück­lich dar­über, ob es er­laubt ist:

a.
Ur­kun­den zum Auf­bau oder zur Auf­recht­er­hal­tung ei­ner Le­gen­de her­zu­stel­len oder zu ver­än­dern;
b.
die An­ony­mi­tät zu­zu­si­chern;
c.
Per­so­nen ein­zu­set­zen, die über kei­ne po­li­zei­li­che Aus­bil­dung ver­fü­gen.

5 Die Ge­neh­mi­gung wird für höchs­tens 12 Mo­na­te er­teilt. Sie kann ein­mal oder mehr­mals um je­weils 6 Mo­na­te ver­län­gert wer­den. Ist ei­ne Ver­län­ge­rung not­wen­dig, so stellt die Staats­an­walt­schaft vor Ab­lauf der be­wil­lig­ten Dau­er einen be­grün­de­ten Ver­län­ge­rungs­an­trag.

6 Wird die Ge­neh­mi­gung nicht er­teilt oder wur­de kei­ne Ge­neh­mi­gung ein­ge­holt, so be­en­det die Staats­an­walt­schaft den Ein­satz un­ver­züg­lich. Sämt­li­che Auf­zeich­nun­gen sind so­fort zu ver­nich­ten. Durch die ver­deck­te Er­mitt­lung ge­won­ne­ne Er­kennt­nis­se dür­fen nicht ver­wer­tet wer­den.

Art. 290 Instruktion vor dem Einsatz  

Die Staats­an­walt­schaft in­stru­iert die Füh­rungs­per­son so­wie die ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder den ver­deck­ten Er­mitt­ler vor Be­ginn des Ein­sat­zes.

Art. 291 Führungsperson  

1 Die ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder der ver­deck­te Er­mitt­ler un­ter­ste­hen wäh­rend des Ein­sat­zes der di­rek­ten Wei­sungs­be­fug­nis der Füh­rungs­per­son. Wäh­rend des Ein­sat­zes er­folgt der Kon­takt zwi­schen der Staats­an­walt­schaft und der ver­deck­ten Er­mitt­le­rin oder dem ver­deck­ten Er­mitt­ler aus­sch­liess­lich über die Füh­rungs­per­son.

2 Die Füh­rungs­per­son hat ins­be­son­de­re fol­gen­de Auf­ga­ben:

a.
Sie in­stru­iert die ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder den ver­deck­ten Er­mitt­ler de­tail­liert und fort­lau­fend über Auf­trag und Be­fug­nis­se so­wie über den Um­gang mit der Le­gen­de.
b.
Sie lei­tet und be­treut die ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder den ver­deck­ten Er­mitt­ler und be­ur­teilt lau­fend die Ri­si­ko­si­tua­ti­on.
c.
Sie hält münd­li­che Be­rich­te der ver­deck­ten Er­mitt­le­rin oder des ver­deck­ten Er­mitt­lers schrift­lich fest und führt ein voll­stän­di­ges Dos­sier über den Ein­satz.
d.
Sie in­for­miert die Staats­an­walt­schaft lau­fend und voll­stän­dig über den Ein­satz.
Art. 292 Pflichten der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler  

1 Ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen und Er­mitt­ler füh­ren ih­ren Ein­satz im Rah­men der In­struk­tio­nen pflicht­ge­mä­ss durch.

2 Sie be­rich­ten der Füh­rungs­per­son lau­fend und voll­stän­dig über ih­re Tä­tig­keit und ih­re Fest­stel­lun­gen.

Art. 293 Mass der zulässigen Einwirkung  

1 Ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen und Er­mitt­ler dür­fen kei­ne all­ge­mei­ne Tat­be­reit­schaft we­cken und die Tat­be­reit­schaft nicht auf schwe­re­re Straf­ta­ten len­ken. Sie ha­ben sich auf die Kon­kre­ti­sie­rung ei­nes vor­han­de­nen Ta­tent­schlus­ses zu be­schrän­ken.

2 Ih­re Tä­tig­keit darf für den Ent­schluss zu ei­ner kon­kre­ten Straf­tat nur von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung sein.

3 Wenn er­for­der­lich, dür­fen sie zur An­bah­nung des Haupt­ge­schäf­tes Pro­be­käu­fe tä­ti­gen oder ih­re wirt­schaft­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit do­ku­men­tie­ren.

4 Über­schrei­tet ei­ne ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder ein ver­deck­ter Er­mitt­ler das Mass der zu­läs­si­gen Ein­wir­kung, so ist dies bei der Zu­mes­sung der Stra­fe für die be­ein­fluss­te Per­son ge­büh­rend zu be­rück­sich­ti­gen, oder es ist von ei­ner Stra­fe ab­zu­se­hen.

Art. 294 Einsatz bei der Verfolgung von Delikten gegen das Betäubungsmittelgesetz  

Ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen und Er­mitt­ler sind nicht nach den Ar­ti­keln 19 so­wie 20–22 des Be­täu­bungs­mit­tel­ge­set­zes vom 3. Ok­to­ber 1951150 straf­bar, so­weit sie im Rah­men ei­ner ge­neh­mig­ten ver­deck­ten Er­mitt­lung han­deln.

Art. 295 Vorzeigegeld  

1 Auf An­trag der Staats­an­walt­schaft kann der Bund über die Na­tio­nal­bank die für Schein­ge­schäf­te und die Do­ku­men­ta­ti­on der wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit be­nö­tig­ten Geld­be­trä­ge in der er­for­der­li­chen Men­ge und Art zur Ver­fü­gung stel­len.

2 Der An­trag ist mit ei­ner kur­z­en Sach­ver­halts­dar­stel­lung an das Bun­des­amt für Po­li­zei zu rich­ten.

3 Die Staats­an­walt­schaft trifft die not­wen­di­gen Vor­keh­run­gen zum Schut­ze des zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Gel­des. Bei Ver­lust haf­tet der Bund oder der Kan­ton, dem die Staats­an­walt­schaft zu­ge­hört.

Art. 296 Zufallsfunde  

1 Er­geb­nis­se aus ei­ner ver­deck­ten Er­mitt­lung, die auf ei­ne an­de­re als die in der An­ord­nung ge­nann­te Straf­tat hin­deu­ten, dür­fen ver­wer­tet wer­den, wenn zur Auf­klä­rung der neu ent­deck­ten Straf­tat ei­ne ver­deck­te Er­mitt­lung hät­te an­ge­ord­net wer­den dür­fen.

2 Die Staats­an­walt­schaft ord­net un­ver­züg­lich die ver­deck­te Er­mitt­lung an und lei­tet das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ein.

Art. 297 Beendigung des Einsatzes  

1 Die Staats­an­walt­schaft be­en­det den Ein­satz un­ver­züg­lich, wenn:

a.
die Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr er­füllt sind;
b.
die Ge­neh­mi­gung oder die Ver­län­ge­rung ver­wei­gert wird; oder
c.
die ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder der ver­deck­te Er­mitt­ler oder die Füh­rungs­per­son In­struk­tio­nen nicht be­folgt oder in an­de­rer Wei­se ih­re Pflich­ten nicht er­füllt, na­ment­lich die Staats­an­walt­schaft wis­sent­lich falsch in­for­miert.

2 Sie teilt in den Fäl­len nach Ab­satz 1 Buch­sta­ben a und c dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt die Be­en­di­gung des Ein­sat­zes mit.

3 Bei der Be­en­di­gung ist dar­auf zu ach­ten, dass we­der die ver­deck­te Er­mitt­le­rin oder der ver­deck­te Er­mitt­ler noch in die Er­mitt­lung ein­be­zo­ge­ne Drit­te ei­ner ab­wend­ba­ren Ge­fahr aus­ge­setzt wer­den.

Art. 298 Mitteilung  

1 Die Staats­an­walt­schaft teilt der be­schul­dig­ten Per­son spä­tes­tens mit Ab­schluss des Vor­ver­fah­rens mit, dass ge­gen sie ver­deckt er­mit­telt wor­den ist.

2 Die Mit­tei­lung kann mit Zu­stim­mung des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts auf­ge­scho­ben oder un­ter­las­sen wer­den, wenn:

a.
die Er­kennt­nis­se nicht zu Be­weis­zwe­cken ver­wen­det wer­den; und
b.
der Auf­schub oder die Un­ter­las­sung zum Schut­ze über­wie­gen­der öf­fent­li­cher oder pri­va­ter In­ter­es­sen not­wen­dig ist.

3 Per­so­nen, ge­gen die ver­deckt er­mit­telt wur­de, kön­nen Be­schwer­de nach den Ar­ti­keln 393–397 füh­ren. Die Be­schwer­de­frist be­ginnt mit Er­halt der Mit­tei­lung zu lau­fen.

5a. Abschnitt: Verdeckte Fahndung151

151 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 14. Dez. 2012 über die verdeckte Ermittlung und Fahndung, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 20131051; BBl 201255915609).

Art. 298a Begriff  

1 Ver­deck­te Fahn­dung liegt vor, wenn An­ge­hö­ri­ge der Po­li­zei im Rah­men kur­z­er Ein­sät­ze in ei­ner Art und Wei­se, dass ih­re wah­re Iden­ti­tät und Funk­ti­on nicht er­kenn­bar ist, Ver­bre­chen und Ver­ge­hen auf­zu­klä­ren ver­su­chen und da­bei ins­be­son­de­re Schein­ge­schäf­te ab­sch­lies­sen oder den Wil­len zum Ab­schluss vor­täu­schen.

2 Ver­deck­te Fahn­de­rin­nen und Fahn­der wer­den nicht mit ei­ner Le­gen­de im Sin­ne von Ar­ti­kel 285a aus­ge­stat­tet. Ih­re wah­re Iden­ti­tät und Funk­ti­on wird in den Ver­fah­rens­ak­ten und bei Ein­ver­nah­men of­fen­ge­legt.

Art. 298b Voraussetzungen  

1 Die Staats­an­walt­schaft und, im Er­mitt­lungs­ver­fah­ren, die Po­li­zei kön­nen ei­ne ver­deck­te Fahn­dung an­ord­nen, wenn:

a.
der Ver­dacht be­steht, ein Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen sei be­gan­gen wor­den; und
b.
die bis­he­ri­gen Er­mitt­lungs- oder Un­ter­su­chungs­hand­lun­gen er­folg­los ge­blie­ben sind oder die Er­mitt­lun­gen sonst aus­sichts­los wä­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­den.

2 Hat ei­ne von der Po­li­zei an­ge­ord­ne­te ver­deck­te Fahn­dung einen Mo­nat ge­dau­ert, so be­darf ih­re Fort­set­zung der Ge­neh­mi­gung durch die Staats­an­walt­schaft.

Art. 298c Anforderungen an die eingesetzten Personen und Durchführung  

1 Für die An­for­de­run­gen an die ein­ge­setz­ten Per­so­nen gilt Ar­ti­kel 287 sinn­ge­mä­ss. Der Ein­satz von Per­so­nen nach Ar­ti­kel 287 Ab­satz 1 Buch­sta­be b ist aus­ge­schlos­sen.

2 Für Stel­lung, Auf­ga­ben und Pflich­ten der ver­deck­ten Fahn­de­rin­nen und Fahn­der so­wie der Füh­rungs­per­so­nen gel­ten die Ar­ti­kel 291–294 sinn­ge­mä­ss.

Art. 298d Beendigung und Mitteilung  

1 Die an­ord­nen­de Po­li­zei oder Staats­an­walt­schaft be­en­det die ver­deck­te Fahn­dung un­ver­züg­lich, wenn:

a.
die Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr er­füllt sind;
b.
im Fal­le ei­ner An­ord­nung durch die Po­li­zei die Ge­neh­mi­gung der Fort­set­zung durch die Staats­an­walt­schaft ver­wei­gert wird; oder
c.
die ver­deck­te Fahn­de­rin oder der ver­deck­te Fahn­der oder die Füh­rungs­per­son In­struk­tio­nen nicht be­folgt oder in an­de­rer Wei­se ih­re Pflich­ten nicht er­füllt, na­ment­lich die Staats­an­walt­schaft wis­sent­lich falsch in­for­miert oder die Ziel­per­son in un­zu­läs­si­ger Wei­se zu be­ein­flus­sen ver­sucht.

2 Die Po­li­zei teilt der Staats­an­walt­schaft die Be­en­di­gung der ver­deck­ten Fahn­dung mit.

3 Bei der Be­en­di­gung ist dar­auf zu ach­ten, dass die ver­deck­te Fahn­de­rin oder der ver­deck­te Fahn­der kei­ner ab­wend­ba­ren Ge­fahr aus­ge­setzt wird.

4 Für die Mit­tei­lung der ver­deck­ten Fahn­dung gilt Ar­ti­kel 298 Ab­sät­ze 1 und 3 sinn­ge­mä­ss.

6. Titel: Vorverfahren

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