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Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember 20052,

beschliesst:

1. Titel: Geltungsbereich und Grundsätze

1. Kapitel: Geltungsbereich und Ausübung der Strafrechtspflege

Art. 1 Geltungsbereich  

1 Die­ses Ge­setz re­gelt die Ver­fol­gung und Be­ur­tei­lung der Straf­ta­ten nach Bun­des­recht durch die Straf­be­hör­den des Bun­des und der Kan­to­ne.

2 Die Ver­fah­rens­vor­schrif­ten an­de­rer Bun­des­ge­set­ze blei­ben vor­be­hal­ten.

Art. 2 Ausübung der Strafrechtspflege  

1 Die Straf­rechts­pfle­ge steht ein­zig den vom Ge­setz be­stimm­ten Be­hör­den zu.

2 Straf­ver­fah­ren kön­nen nur in den vom Ge­setz vor­ge­se­he­nen For­men durch­ge­führt und ab­ge­schlos­sen wer­den.

2. Kapitel: Grundsätze des Strafverfahrensrechts

Art. 3 Achtung der Menschenwürde und Fairnessgebot  

1 Die Straf­be­hör­den ach­ten in al­len Ver­fah­rens­sta­di­en die Wür­de der vom Ver­fah­ren be­trof­fe­nen Men­schen.

2 Sie be­ach­ten na­ment­lich:

a.
den Grund­satz von Treu und Glau­ben;
b.
das Ver­bot des Rechts­miss­brauchs;
c.
das Ge­bot, al­le Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten gleich und ge­recht zu be­han­deln und ih­nen recht­li­ches Ge­hör zu ge­wäh­ren;
d.
das Ver­bot, bei der Be­weis­er­he­bung Me­tho­den an­zu­wen­den, wel­che die Men­schen­wür­de ver­let­zen.
Art. 4 Unabhängigkeit  

1 Die Straf­be­hör­den sind in der Rechts­an­wen­dung un­ab­hän­gig und al­lein dem Recht ver­pflich­tet.

2 Ge­setz­li­che Wei­sungs­be­fug­nis­se nach Ar­ti­kel 14 ge­gen­über den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den blei­ben vor­be­hal­ten.

Art. 5 Beschleunigungsgebot  

1 Die Straf­be­hör­den neh­men die Straf­ver­fah­ren un­ver­züg­lich an die Hand und brin­gen sie oh­ne un­be­grün­de­te Ver­zö­ge­rung zum Ab­schluss.

2 Be­fin­det sich ei­ne be­schul­dig­te Per­son in Haft, so wird ihr Ver­fah­ren vor­dring­lich durch­ge­führt.

Art. 6 Untersuchungsgrundsatz  

1 Die Straf­be­hör­den klä­ren von Am­tes we­gen al­le für die Be­ur­tei­lung der Tat und der be­schul­dig­ten Per­son be­deut­sa­men Tat­sa­chen ab.

2 Sie un­ter­su­chen die be­las­ten­den und ent­las­ten­den Um­stän­de mit glei­cher Sorg­falt.

Art. 7 Verfolgungszwang  

1 Die Straf­be­hör­den sind ver­pflich­tet, im Rah­men ih­rer Zu­stän­dig­keit ein Ver­fah­ren ein­zu­lei­ten und durch­zu­füh­ren, wenn ih­nen Straf­ta­ten oder auf Straf­ta­ten hin­wei­sen­de Ver­dachts­grün­de be­kannt wer­den.

2 Die Kan­to­ne kön­nen vor­se­hen, dass:

a.
die straf­recht­li­che Ver­ant­wort­lich­keit der Mit­glie­der ih­rer ge­setz­ge­ben­den und rich­ter­li­chen Be­hör­den so­wie ih­rer Re­gie­run­gen für Äus­se­run­gen im kan­to­na­len Par­la­ment aus­ge­schlos­sen oder be­schränkt wird;
b.
die Straf­ver­fol­gung der Mit­glie­der ih­rer Voll­zie­hungs- und Ge­richts­be­hör­den we­gen im Amt be­gan­ge­ner Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen von der Er­mäch­ti­gung ei­ner nicht rich­ter­li­chen Be­hör­de ab­hängt.
Art. 8 Verzicht auf Strafverfolgung  

1 Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te se­hen von der Straf­ver­fol­gung ab, wenn das Bun­des­recht es vor­sieht, na­ment­lich un­ter den Vor­aus­set­zun­gen der Ar­ti­kel 52, 53 und 54 des Straf­ge­setz­bu­ches3 (StGB).

2 So­fern nicht über­wie­gen­de In­ter­es­sen der Pri­vat­klä­ger­schaft ent­ge­gen­ste­hen, se­hen sie aus­ser­dem von ei­ner Straf­ver­fol­gung ab, wenn:

a.
der Straf­tat ne­ben den an­de­ren der be­schul­dig­ten Per­son zur Last ge­leg­ten Ta­ten für die Fest­set­zung der zu er­war­ten­den Stra­fe oder Mass­nah­me kei­ne we­sent­li­che Be­deu­tung zu­kommt;
b.
ei­ne vor­aus­sicht­lich nicht ins Ge­wicht fal­len­de Zu­satz­stra­fe zu ei­ner rechts­kräf­tig aus­ge­fäll­ten Stra­fe aus­zu­spre­chen wä­re;
c.
ei­ne im Aus­land aus­ge­spro­che­ne Stra­fe an­zu­rech­nen wä­re, wel­che der für die ver­folg­te Straf­tat zu er­war­ten­den Stra­fe ent­spricht.

3 So­fern nicht über­wie­gen­de In­ter­es­sen der Pri­vat­klä­ger­schaft ent­ge­gen­ste­hen, kön­nen Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te von der Straf­ver­fol­gung ab­se­hen, wenn die Straf­tat be­reits von ei­ner aus­län­di­schen Be­hör­de ver­folgt oder die Ver­fol­gung an ei­ne sol­che ab­ge­tre­ten wird.

4 Sie ver­fü­gen in die­sen Fäl­len, dass kein Ver­fah­ren er­öff­net oder das lau­fen­de Ver­fah­ren ein­ge­stellt wird.

Art. 9 Anklagegrundsatz  

1 Ei­ne Straf­tat kann nur ge­richt­lich be­ur­teilt wer­den, wenn die Staats­an­walt­schaft ge­gen ei­ne be­stimm­te Per­son we­gen ei­nes ge­nau um­schrie­be­nen Sach­ver­halts beim zu­stän­di­gen Ge­richt An­kla­ge er­ho­ben hat.

2 Das Straf­be­fehls- und das Über­tre­tungs­straf­ver­fah­ren blei­ben vor­be­hal­ten.

Art. 10 Unschuldsvermutung und Beweiswürdigung  

1 Je­de Per­son gilt bis zu ih­rer rechts­kräf­ti­gen Ver­ur­tei­lung als un­schul­dig.

2 Das Ge­richt wür­digt die Be­wei­se frei nach sei­ner aus dem ge­sam­ten Ver­fah­ren ge­won­ne­nen Über­zeu­gung.

3 Be­ste­hen un­über­wind­li­che Zwei­fel an der Er­fül­lung der tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der an­ge­klag­ten Tat, so geht das Ge­richt von der für die be­schul­dig­te Per­son güns­ti­ge­ren Sach­la­ge aus.

Art. 11 Verbot der doppelten Strafverfolgung  

1 Wer in der Schweiz rechts­kräf­tig ver­ur­teilt oder frei­ge­spro­chen wor­den ist, darf we­gen der glei­chen Straf­tat nicht er­neut ver­folgt wer­den.

2 Vor­be­hal­ten blei­ben die Wie­der­auf­nah­me ei­nes ein­ge­stell­ten oder nicht an­hand ge­nom­me­nen Ver­fah­rens und die Re­vi­si­on.

2. Titel: Strafbehörden

1. Kapitel: Befugnisse

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 12 Strafverfolgungsbehörden  

Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den sind:

a.
die Po­li­zei;
b.
die Staats­an­walt­schaft;
c.
die Über­tre­tungs­straf­be­hör­den.
Art. 13 Gerichte  

Ge­richt­li­che Be­fug­nis­se im Straf­ver­fah­ren ha­ben:

a.
das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt;
b.
das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt;
c.
die Be­schwer­de­in­stanz;
d.
das Be­ru­fungs­ge­richt.
Art. 14 Bezeichnung und Organisation der Strafbehörden  

1 Bund und Kan­to­ne be­stim­men ih­re Straf­be­hör­den und de­ren Be­zeich­nun­gen.

2 Sie re­geln Wahl, Zu­sam­men­set­zung, Or­ga­ni­sa­ti­on und Be­fug­nis­se der Straf­be­hör­den, so­weit die­ses Ge­setz oder an­de­re Bun­des­ge­set­ze dies nicht ab­sch­lies­send re­geln.

3 Sie kön­nen Ober- oder Ge­ne­ral­staats­an­walt­schaf­ten vor­se­hen.

4 Sie kön­nen meh­re­re gleich­ar­ti­ge Straf­be­hör­den ein­set­zen und be­stim­men für die­sen Fall den je­wei­li­gen ört­li­chen und sach­li­chen Zu­stän­dig­keits­be­reich; aus­ge­nom­men sind die Be­schwer­de­in­stanz und das Be­ru­fungs­ge­richt.

5 Sie re­geln die Auf­sicht über ih­re Straf­be­hör­den.

2. Abschnitt: Strafverfolgungsbehörden

Art. 15 Polizei  

1 Die Tä­tig­keit der Po­li­zei von Bund, Kan­to­nen und Ge­mein­den im Rah­men der Straf­ver­fol­gung rich­tet sich nach die­sem Ge­setz.

2 Die Po­li­zei er­mit­telt Straf­ta­ten aus ei­ge­nem An­trieb, auf An­zei­ge von Pri­va­ten und Be­hör­den so­wie im Auf­trag der Staats­an­walt­schaft; da­bei un­ter­steht sie der Auf­sicht und den Wei­sun­gen der Staats­an­walt­schaft.

3 Ist ein Straf­fall bei ei­nem Ge­richt hän­gig, so kann die­ses der Po­li­zei Wei­sun­gen und Auf­trä­ge er­tei­len.

Art. 16 Staatsanwaltschaft  

1 Die Staats­an­walt­schaft ist für die gleich­mäs­si­ge Durch­set­zung des staat­li­chen Straf­an­spruchs ver­ant­wort­lich.

2 Sie lei­tet das Vor­ver­fah­ren, ver­folgt Straf­ta­ten im Rah­men der Un­ter­su­chung, er­hebt ge­ge­be­nen­falls An­kla­ge und ver­tritt die An­kla­ge.

Art. 17 Übertretungsstrafbehörden  

1 Bund und Kan­to­ne kön­nen die Ver­fol­gung und Be­ur­tei­lung von Über­tre­tun­gen Ver­wal­tungs­be­hör­den über­tra­gen.

2 Über­tre­tun­gen, die im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen ver­übt wor­den sind, wer­den zu­sam­men mit die­sem durch die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te ver­folgt und be­ur­teilt.

3. Abschnitt: Gerichte

Art. 18 Zwangsmassnahmengericht  

1 Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ist zu­stän­dig für die An­ord­nung der Un­ter­su­chungs- und der Si­cher­heits­haft und, so­weit in die­sem Ge­setz vor­ge­se­hen, für die An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung wei­te­rer Zwangs­mass­nah­men.

2 Mit­glie­der des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts kön­nen im glei­chen Fall nicht als Sach­rich­te­rin­nen oder Sach­rich­ter tä­tig sein.

Art. 19 Erstinstanzliches Gericht  

1 Das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt be­ur­teilt in ers­ter In­stanz al­le Straf­ta­ten, die nicht in die Zu­stän­dig­keit an­de­rer Be­hör­den fal­len.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen als ers­tin­stanz­li­ches Ge­richt ein Ein­zel­ge­richt vor­se­hen für die Be­ur­tei­lung von:

a.
Über­tre­tun­gen;
b.
Ver­bre­chen und Ver­ge­hen, mit Aus­nah­me de­rer, für wel­che die Staats­an­walt­schaft ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als zwei Jah­ren, ei­ne Ver­wah­rung nach Ar­ti­kel 64 StGB4, ei­ne Be­hand­lung nach Ar­ti­kel 59 Ab­satz 3 StGB oder, bei gleich­zei­tig zu wi­der­ru­fen­den be­ding­ten Sank­tio­nen, einen Frei­heits­ent­zug von mehr als zwei Jah­ren be­an­tragt.
Art. 20 Beschwerdeinstanz  

1 Die Be­schwer­de­in­stanz be­ur­teilt Be­schwer­den ge­gen Ver­fah­rens­hand­lun­gen und ge­gen nicht der Be­ru­fung un­ter­lie­gen­de Ent­schei­de:

a.
der ers­tin­stanz­li­chen Ge­rich­te;
b.
der Po­li­zei, der Staats­an­walt­schaft und der Über­tre­tungs­straf­be­hör­den;
c.
des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts in den in die­sem Ge­setz vor­ge­se­he­nen Fäl­len.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen die Be­fug­nis­se der Be­schwer­de­in­stanz dem Be­ru­fungs­ge­richt über­tra­gen.

Art. 21 Berufungsgericht  

1 Das Be­ru­fungs­ge­richt ent­schei­det über:

a.
Be­ru­fun­gen ge­gen Ur­tei­le der ers­tin­stanz­li­chen Ge­rich­te;
b.
Re­vi­si­ons­ge­su­che.

2 Wer als Mit­glied der Be­schwer­de­in­stanz tä­tig ge­wor­den ist, kann im glei­chen Fall nicht als Mit­glied des Be­ru­fungs­ge­richts wir­ken.

3 Mit­glie­der des Be­ru­fungs­ge­richts kön­nen im glei­chen Fall nicht als Re­vi­si­ons­rich­te­rin­nen und Re­vi­si­ons­rich­ter tä­tig sein.

2. Kapitel: Sachliche Zuständigkeit

1. Abschnitt: Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen

Art. 22 Kantonale Gerichtsbarkeit  

Die kan­to­na­len Straf­be­hör­den ver­fol­gen und be­ur­tei­len die Straf­ta­ten des Bun­des­rechts; vor­be­hal­ten blei­ben die ge­setz­li­chen Aus­nah­men.

Art. 23 Bundesgerichtsbarkeit im Allgemeinen  

1 Der Bun­des­ge­richts­bar­keit un­ter­ste­hen fol­gen­de Straf­ta­ten des StGB5:

a.6
die Straf­ta­ten des ers­ten und vier­ten Ti­tels so­wie der Ar­ti­kel 140, 156, 189 und 190, so­fern sie ge­gen völ­ker­recht­lich ge­schütz­te Per­so­nen, ge­gen Ma­gis­trats­per­so­nen des Bun­des, ge­gen Mit­glie­der der Bun­des­ver­samm­lung, ge­gen die Bun­des­an­wäl­tin, den Bun­des­an­walt oder die Stell­ver­tre­ten­den Bun­des­an­wäl­tin­nen oder Bun­des­an­wäl­te ge­rich­tet sind;
b.
die Straf­ta­ten der Ar­ti­kel 137–141, 144, 160 und 172ter, so­fern sie Räum­lich­kei­ten, Ar­chi­ve oder Schrift­stücke di­plo­ma­ti­scher Missio­nen und kon­su­la­ri­scher Pos­ten be­tref­fen;
c.
die Gei­sel­nah­me nach Ar­ti­kel 185 zur Nö­ti­gung von Be­hör­den des Bun­des oder des Aus­lan­des;
d.
die Ver­bre­chen und Ver­ge­hen der Ar­ti­kel 224–226ter;
e.7
die Ver­bre­chen und Ver­ge­hen des zehn­ten Ti­tels be­tref­fend Me­tall­geld, Pa­pier­geld und Bank­no­ten, amt­li­che Wert­zei­chen und sons­ti­ge Zei­chen des Bun­des, Mass und Ge­wicht; aus­ge­nom­men sind Vi­gnet­ten zur Be­nüt­zung von Na­tio­nal­stras­sen ers­ter und zwei­ter Klas­se;
f.
die Ver­bre­chen und Ver­ge­hen des elf­ten Ti­tels, so­fern es sich um Ur­kun­den des Bun­des han­delt, aus­ge­nom­men Fahr­aus­wei­se und Be­le­ge des Post­zah­lungs­ver­kehrs;
g.8
die Straf­ta­ten des zwölf­ten Ti­telsbis und des zwölf­ten Ti­telster so­wie des Ar­ti­kels 264k;
h.
die Straf­ta­ten des Ar­ti­kels 260bis so­wie des drei­zehn­ten bis fünf­zehn­ten und des sieb­zehn­ten Ti­tels, so­fern sie ge­gen den Bund, die Be­hör­den des Bun­des, ge­gen den Volks­wil­len bei eid­ge­nös­si­schen Wahlen, Ab­stim­mun­gen, Re­fe­ren­dums- oder In­itia­tiv­be­geh­ren, ge­gen die Bun­des­ge­walt oder ge­gen die Bun­des­rechts­pfle­ge ge­rich­tet sind;
i.
die Ver­bre­chen und Ver­ge­hen des sech­zehn­ten Ti­tels;
j.
die Straf­ta­ten des acht­zehn­ten und neun­zehn­ten Ti­tels, so­fern sie von ei­nem Be­hör­den­mit­glied oder An­ge­stell­ten des Bun­des oder ge­gen den Bund ver­übt wur­den;
k.
die Über­tre­tun­gen der Ar­ti­kel 329–331;
l.
die po­li­ti­schen Ver­bre­chen und Ver­ge­hen, die Ur­sa­che oder Fol­ge von Un­ru­hen sind, durch die ei­ne be­waff­ne­te eid­ge­nös­si­sche In­ter­ven­ti­on ver­an­lasst wird.

2 Die in be­son­de­ren Bun­des­ge­set­zen ent­hal­te­nen Vor­schrif­ten über die Zu­stän­dig­keit des Bun­dess­traf­ge­richts blei­ben vor­be­hal­ten.

5 SR 311.0

6 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

7 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 1 des Ord­nungs­bus­sen­ge­set­zes vom 18. März 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6559; BBl 2015 959).

8 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 3 des BG vom 18. Ju­ni 2010 über die Än­de­rung von Bun­des­ge­set­zen zur Um­set­zung des Rö­mer Sta­tuts des In­ter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hofs, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 4963; BBl 2008 3863).

Art. 24 Bundesgerichtsbarkeit bei organisiertem Verbrechen, terroristischen Straftaten und Wirtschaftskriminalität 9  

1 Der Bun­des­ge­richts­bar­keit un­ter­ste­hen zu­dem die Straf­ta­ten nach den Ar­ti­keln 260ter, 260quin­quies, 260se­xies, 305bis, 305ter und 322ter–322sep­ties StGB10 so­wie die Ver­bre­chen, die von ei­ner kri­mi­nel­len oder ter­ro­ris­ti­schen Or­ga­ni­sa­ti­on im Sin­ne von Ar­ti­kel 260ter StGB aus­ge­hen, wenn die Straf­ta­ten:11

a.
zu ei­nem we­sent­li­chen Teil im Aus­land be­gan­gen wor­den sind;
b.
in meh­re­ren Kan­to­nen be­gan­gen wor­den sind und da­bei kein ein­deu­ti­ger Schwer­punkt in ei­nem Kan­ton be­steht.

2 Bei Ver­bre­chen des zwei­ten und des elf­ten Ti­tels des StGB kann die Staats­an­walt­schaft des Bun­des ei­ne Un­ter­su­chung er­öff­nen, wenn:

a.
die Vor­aus­set­zun­gen von Ab­satz 1 er­füllt sind; und
b.
kei­ne kan­to­na­le Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de mit der Sa­che be­fasst ist oder die zu­stän­di­ge kan­to­na­le Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de die Staats­an­walt­schaft des Bun­des um Über­nah­me des Ver­fah­rens er­sucht.

3 Die Er­öff­nung ei­ner Un­ter­su­chung nach Ab­satz 2 be­grün­det Bun­des­ge­richts­bar­keit.

9 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

10 SR 311.0

11 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 3 des BB vom 25. Sept. 2020 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats zur Ver­hü­tung des Ter­ro­ris­mus mit dem da­zu­ge­hö­ri­gen Zu­satz­pro­to­koll so­wie über die Ver­stär­kung des straf­recht­li­chen In­stru­men­ta­ri­ums ge­gen Ter­ro­ris­mus und or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 360; BBl 2018 6427).

Art. 25 Delegation an die Kantone  

1 Die Staats­an­walt­schaft des Bun­des kann ei­ne Strafsa­che, für wel­che Bun­des­ge­richts­bar­keit nach Ar­ti­kel 23 ge­ge­ben ist, den kan­to­na­len Be­hör­den zur Un­ter­su­chung und Be­ur­tei­lung, aus­nahms­wei­se nur zur Be­ur­tei­lung über­tra­gen. Aus­ge­nom­men sind Strafsa­chen nach Ar­ti­kel 23 Ab­satz 1 Buch­sta­be g.

2 In ein­fa­chen Fäl­len kann sie auch ei­ne Strafsa­che, für wel­che Bun­des­ge­richts­bar­keit nach Ar­ti­kel 24 ge­ge­ben ist, den kan­to­na­len Be­hör­den zur Un­ter­su­chung und Be­ur­tei­lung über­tra­gen.

Art. 26 Mehrfache Zuständigkeit  

1 Wur­de die Straf­tat in meh­re­ren Kan­to­nen oder im Aus­land be­gan­gen oder ha­ben Tä­te­rin­nen, Tä­ter, Mit­tä­te­rin­nen, Mit­tä­ter, Teil­neh­me­rin­nen oder Teil­neh­mer ih­ren Wohn­sitz oder ih­ren ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort in ver­schie­de­nen Kan­to­nen, so ent­schei­det die Staats­an­walt­schaft des Bun­des, wel­cher Kan­ton die Strafsa­che un­ter­sucht und be­ur­teilt.

2 Ist in ei­ner Strafsa­che so­wohl Bun­des­ge­richts­bar­keit als auch kan­to­na­le Ge­richts­bar­keit ge­ge­ben, so kann die Staats­an­walt­schaft des Bun­des die Ver­ei­ni­gung der Ver­fah­ren in der Hand der Bun­des­be­hör­den oder der kan­to­na­len Be­hör­den an­ord­nen.

3 Ei­ne nach Ab­satz 2 be­grün­de­te Ge­richts­bar­keit bleibt be­ste­hen, auch wenn der die Zu­stän­dig­keit be­grün­den­de Teil des Ver­fah­rens ein­ge­stellt wird.

4 Kommt ei­ne De­le­ga­ti­on im Sin­ne die­ses Ka­pi­tels in Fra­ge, so stel­len die Staats­an­walt­schaf­ten des Bun­des und der Kan­to­ne sich die Ak­ten ge­gen­sei­tig zur Ein­sicht­nah­me zu. Nach dem Ent­scheid ge­hen die Ak­ten an die Be­hör­de, wel­che die Sa­che zu un­ter­su­chen und zu be­ur­tei­len hat.

Art. 27 Zuständigkeit für erste Ermittlungen  

1 Ist in ei­nem Fall Bun­des­ge­richts­bar­keit ge­ge­ben, ist die Sa­che dring­lich und sind die Straf­be­hör­den des Bun­des noch nicht tä­tig ge­wor­den, so kön­nen die po­li­zei­li­chen Er­mitt­lun­gen und die Un­ter­su­chung auch von den kan­to­na­len Be­hör­den durch­ge­führt wer­den, die nach den Ge­richts­stands­re­geln ört­lich zu­stän­dig wä­ren. Die Staats­an­walt­schaft des Bun­des ist un­ver­züg­lich zu ori­en­tie­ren; der Fall ist ihr so bald als mög­lich zu über­ge­ben be­zie­hungs­wei­se zum Ent­scheid nach Ar­ti­kel 25 oder 26 zu un­ter­brei­ten.

2 Bei Straf­ta­ten, die ganz oder teil­wei­se in meh­re­ren Kan­to­nen oder im Aus­land be­gan­gen wor­den sind und bei de­nen die Zu­stän­dig­keit des Bun­des oder ei­nes Kan­tons noch nicht fest­steht, kön­nen die Straf­be­hör­den des Bun­des ers­te Er­mitt­lun­gen durch­füh­ren.

Art. 28 Konflikte  

Kon­flik­te zwi­schen der Staats­an­walt­schaft des Bun­des und kan­to­na­len Straf­be­hör­den ent­schei­det das Bun­dess­traf­ge­richt.

2. Abschnitt: Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer Straftaten

Art. 29 Grundsatz der Verfahrenseinheit  

1 Straf­ta­ten wer­den ge­mein­sam ver­folgt und be­ur­teilt, wenn:

a.
ei­ne be­schul­dig­te Per­son meh­re­re Straf­ta­ten ver­übt hat; oder
b.
Mit­tä­ter­schaft oder Teil­nah­me vor­liegt.

2 Han­delt es sich um Straf­ta­ten, die teil­wei­se in die Zu­stän­dig­keit des Bun­des fal­len oder die in ver­schie­de­nen Kan­to­nen und von meh­re­ren Per­so­nen be­gan­gen wor­den sind, so ge­hen die Ar­ti­kel 25 und 33–38 vor.

Art. 30 Ausnahmen  

Die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te kön­nen aus sach­li­chen Grün­den Straf­ver­fah­ren tren­nen oder ver­ei­nen.

3. Kapitel: Gerichtsstand

1. Abschnitt: Grundsätze

Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes  

1 Für die Ver­fol­gung und Be­ur­tei­lung ei­ner Straf­tat sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem die Tat ver­übt wor­den ist. Liegt nur der Ort, an dem der Er­folg der Straf­tat ein­ge­tre­ten ist, in der Schweiz, so sind die Be­hör­den die­ses Or­tes zu­stän­dig.

2 Ist die Straf­tat an meh­re­ren Or­ten ver­übt wor­den oder ist der Er­folg an meh­re­ren Or­ten ein­ge­tre­ten, so sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem zu­erst Ver­fol­gungs­hand­lun­gen vor­ge­nom­men wor­den sind.

3 Hat ei­ne be­schul­dig­te Per­son am sel­ben Ort meh­re­re Ver­bre­chen, Ver­ge­hen oder Über­tre­tun­gen ver­übt, so wer­den die Ver­fah­ren ver­eint.

Art. 32 Gerichtsstand bei Straftaten im Ausland oder ungewissem Tatort  

1 Ist ei­ne Straf­tat im Aus­land ver­übt wor­den oder kann der Tat­ort nicht er­mit­telt wer­den, so sind für die Ver­fol­gung und Be­ur­tei­lung die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem die be­schul­dig­te Per­son ih­ren Wohn­sitz oder ih­ren ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt hat.

2 Hat die be­schul­dig­te Per­son we­der Wohn­sitz noch ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt in der Schweiz, so sind die Be­hör­den des Hei­mator­tes zu­stän­dig; fehlt auch ein Hei­mat­ort, so sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem die be­schul­dig­te Per­son an­ge­trof­fen wor­den ist.

3 Fehlt ein Ge­richts­stand nach den Ab­sät­zen 1 und 2, so sind die Be­hör­den des Kan­tons zu­stän­dig, der die Aus­lie­fe­rung ver­langt hat.

2. Abschnitt: Besondere Gerichtsstände

Art. 33 Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter  

1 Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer ei­ner Straf­tat wer­den von den glei­chen Be­hör­den ver­folgt und be­ur­teilt wie die Tä­te­rin oder der Tä­ter.

2 Ist ei­ne Straf­tat von meh­re­ren Mit­tä­te­rin­nen oder Mit­tä­tern ver­übt wor­den, so sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem zu­erst Ver­fol­gungs­hand­lun­gen vor­ge­nom­men wor­den sind.

Art. 34 Gerichtsstand bei mehreren an verschiedenen Orten verübten Straftaten  

1 Hat ei­ne be­schul­dig­te Per­son meh­re­re Straf­ta­ten an ver­schie­de­nen Or­ten ver­übt, so sind für die Ver­fol­gung und Be­ur­tei­lung sämt­li­cher Ta­ten die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem die mit der schwers­ten Stra­fe be­droh­te Tat be­gan­gen wor­den ist. Bei glei­cher Straf­dro­hung sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem zu­erst Ver­fol­gungs­hand­lun­gen vor­ge­nom­men wor­den sind.

2 Ist in ei­nem be­tei­lig­ten Kan­ton im Zeit­punkt des Ge­richts­stands­ver­fah­rens nach den Ar­ti­keln 39–42 we­gen ei­ner der Straf­ta­ten schon An­kla­ge er­ho­ben wor­den, so wer­den die Ver­fah­ren ge­trennt ge­führt.

3 Ist ei­ne Per­son von ver­schie­de­nen Ge­rich­ten zu meh­re­ren gleich­ar­ti­gen Stra­fen ver­ur­teilt wor­den, so setzt das Ge­richt, das die schwers­te Stra­fe aus­ge­spro­chen hat, auf Ge­such der ver­ur­teil­ten Per­son ei­ne Ge­samt­stra­fe fest.

Art. 35 Gerichtsstand bei Straftaten durch Medien  

1 Bei ei­ner in der Schweiz be­gan­ge­nen Straf­tat nach Ar­ti­kel 28 StGB12 sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem das Me­dien­un­ter­neh­men sei­nen Sitz hat.

2 Ist die Au­to­rin oder der Au­tor be­kannt und hat sie oder er den Wohn­sitz oder ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt in der Schweiz, so sind auch die Be­hör­den des Wohn­sit­zes oder des ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halts­or­tes zu­stän­dig. In die­sem Fal­le wird das Ver­fah­ren dort durch­ge­führt, wo zu­erst Ver­fol­gungs­hand­lun­gen vor­ge­nom­men wor­den sind. Bei An­trags­de­lik­ten kann die an­trag­stel­len­de Per­son zwi­schen den bei­den Ge­richts­stän­den wäh­len.

3 Be­steht kein Ge­richts­stand nach den Ab­sät­zen 1 und 2, so sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem das Me­diener­zeug­nis ver­brei­tet wor­den ist. Er­folgt die Ver­brei­tung an meh­re­ren Or­ten, so sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem zu­erst Ver­fol­gungs­hand­lun­gen vor­ge­nom­men wor­den sind.

Art. 36 Gerichtsstand bei Betreibungs- und Konkursdelikten und bei Strafverfahren gegen Unternehmen  

1 Bei Straf­ta­ten nach den Ar­ti­keln 163–171bis StGB13 sind die Be­hör­den am Wohn­sitz, am ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort oder am Sitz der Schuld­ne­rin oder des Schuld­ners zu­stän­dig.

2 Für Straf­ver­fah­ren ge­gen das Un­ter­neh­men nach Ar­ti­kel 102 StGB sind die Be­hör­den am Sitz des Un­ter­neh­mens zu­stän­dig. Dies gilt eben­so, wenn sich das Ver­fah­ren we­gen des glei­chen Sach­ver­halts auch ge­gen ei­ne für das Un­ter­neh­men han­deln­de Per­son rich­tet.

3 Fehlt ein Ge­richts­stand nach den Ab­sät­zen 1 und 2, so be­stimmt er sich nach den Ar­ti­keln 31–35.

Art. 37 Gerichtsstand bei selbstständigen Einziehungen  

1 Selbst­stän­di­ge Ein­zie­hun­gen (Art. 376–378) sind an dem Ort durch­zu­füh­ren, an dem sich die ein­zu­zie­hen­den Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te be­fin­den.

2 Be­fin­den sich die ein­zu­zie­hen­den Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te in meh­re­ren Kan­to­nen und ste­hen sie auf­grund der glei­chen Straf­tat oder der glei­chen Tä­ter­schaft in Zu­sam­men­hang, so sind die Be­hör­den des Or­tes zu­stän­dig, an dem das Ein­zie­hungs­ver­fah­ren zu­erst er­öff­net wor­den ist.

Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands  

1 Die Staats­an­walt­schaf­ten kön­nen un­ter­ein­an­der einen an­de­ren als den in den Ar­ti­keln 31–37 vor­ge­se­he­nen Ge­richts­stand ver­ein­ba­ren, wenn der Schwer­punkt der de­lik­ti­schen Tä­tig­keit oder die per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se der be­schul­dig­ten Per­son es er­for­dern oder an­de­re trif­ti­ge Grün­de vor­lie­gen.

2 Zur Wah­rung der Ver­fah­rens­rech­te ei­ner Par­tei kann die Be­schwer­de­in­stanz des Kan­tons auf An­trag die­ser Par­tei oder von Am­tes we­gen nach Er­he­bung der An­kla­ge die Be­ur­tei­lung in Ab­wei­chung der Ge­richts­stands­vor­schrif­ten die­ses Ka­pi­tels ei­nem an­dern sach­lich zu­stän­di­gen ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt des Kan­tons zur Be­ur­tei­lung über­wei­sen.

3. Abschnitt: Gerichtsstandsverfahren

Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung  

1 Die Straf­be­hör­den prü­fen ih­re Zu­stän­dig­keit von Am­tes we­gen und lei­ten einen Fall wenn nö­tig der zu­stän­di­gen Stel­le wei­ter.

2 Er­schei­nen meh­re­re Straf­be­hör­den als ört­lich zu­stän­dig, so in­for­mie­ren sich die be­tei­lig­ten Staats­an­walt­schaf­ten un­ver­züg­lich über die we­sent­li­chen Ele­men­te des Fal­les und be­mü­hen sich um ei­ne mög­lichst ra­sche Ei­ni­gung.

Art. 40 Gerichtsstandskonflikte  

1 Ist der Ge­richts­stand un­ter Straf­be­hör­den des glei­chen Kan­tons strei­tig, so ent­schei­det die Ober- oder Ge­ne­ral­staats­an­walt­schaft oder, wenn kei­ne sol­che vor­ge­se­hen ist, die Be­schwer­de­in­stanz die­ses Kan­tons end­gül­tig.

2 Kön­nen sich die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ver­schie­de­ner Kan­to­ne über den Ge­richts­stand nicht ei­ni­gen, so un­ter­brei­tet die Staats­an­walt­schaft des Kan­tons, der zu­erst mit der Sa­che be­fasst war, die Fra­ge un­ver­züg­lich, in je­dem Fall vor der An­kla­ge­er­he­bung, dem Bun­dess­traf­ge­richt zum Ent­scheid.

3 Die zum Ent­scheid über den Ge­richts­stand zu­stän­di­ge Be­hör­de kann einen an­dern als den in den Ar­ti­keln 31–37 vor­ge­se­he­nen Ge­richts­stand fest­le­gen, wenn der Schwer­punkt der de­lik­ti­schen Tä­tig­keit oder die per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se der be­schul­dig­ten Per­son es er­for­dern oder an­de­re trif­ti­ge Grün­de vor­lie­gen.

Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien  

1 Will ei­ne Par­tei die Zu­stän­dig­keit der mit dem Straf­ver­fah­ren be­fass­ten Be­hör­de an­fech­ten, so hat sie die­ser un­ver­züg­lich die Über­wei­sung des Fal­les an die zu­stän­di­ge Straf­be­hör­de zu be­an­tra­gen.

2 Ge­gen die von den be­tei­lig­ten Staats­an­walt­schaf­ten ge­trof­fe­ne Ent­schei­dung über den Ge­richts­stand (Art. 39 Abs. 2) kön­nen sich die Par­tei­en in­nert 10 Ta­gen bei der nach Ar­ti­kel 40 zum Ent­scheid über den Ge­richts­stand zu­stän­di­gen Be­hör­de be­schwe­ren. Ha­ben die Staats­an­walt­schaf­ten einen ab­wei­chen­den Ge­richts­stand ver­ein­bart (Art. 38 Abs. 1), so steht die­se Be­schwer­demög­lich­keit nur je­ner Par­tei of­fen, de­ren An­trag nach Ab­satz 1 ab­ge­wie­sen wor­den ist.

Art. 42 Gemeinsame Bestimmungen  

1 Bis zur ver­bind­li­chen Be­stim­mung des Ge­richts­stands trifft die zu­erst mit der Sa­che be­fass­te Be­hör­de die un­auf­schieb­ba­ren Mass­nah­men. Wenn nö­tig be­zeich­net die zum Ent­scheid über den Ge­richts­stand zu­stän­di­ge Be­hör­de je­ne Be­hör­de, die sich vor­läu­fig mit der Sa­che be­fas­sen muss.

2 Ver­haf­te­te Per­so­nen wer­den den Be­hör­den an­de­rer Kan­to­ne erst zu­ge­führt, wenn die Zu­stän­dig­keit ver­bind­lich be­stimmt wor­den ist.

3 Ein nach den Ar­ti­keln 38–41 fest­ge­leg­ter Ge­richts­stand kann nur aus neu­en wich­ti­gen Grün­den und nur vor der An­kla­ge­er­he­bung ge­än­dert wer­den.

4. Kapitel: Nationale Rechtshilfe

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 43 Geltungsbereich und Begriff  

1 Die Be­stim­mun­gen die­ses Ka­pi­tels re­geln die Rechts­hil­fe in Strafsa­chen von Be­hör­den des Bun­des und der Kan­to­ne zu­guns­ten der Staats­an­walt­schaf­ten, Über­tre­tungs­straf­be­hör­den und Ge­rich­te des Bun­des und der Kan­to­ne.

2 Für die Po­li­zei gel­ten sie in­so­weit, als die­se nach Wei­sun­gen der Staats­an­walt­schaf­ten, Über­tre­tungs­straf­be­hör­den und Ge­rich­te tä­tig ist.

3 Die di­rek­te Rechts­hil­fe zwi­schen den Po­li­zei­be­hör­den von Bund und Kan­to­nen so­wie von Kan­to­nen un­ter sich ist zu­läs­sig, falls sie nicht Zwangs­mass­nah­men zum Ge­gen­stand hat, über wel­che ein­zig die Staats­an­walt­schaft oder das Ge­richt ent­schei­den kann.

4 Als Rechts­hil­fe gilt je­de Mass­nah­me, um die ei­ne Be­hör­de im Rah­men ih­rer Zu­stän­dig­keit in ei­nem hän­gi­gen Straf­ver­fah­ren er­sucht.

Art. 44 Verpflichtung zur Rechtshilfe 14  

Die Be­hör­den des Bun­des und der Kan­to­ne sind zur Rechts­hil­fe ver­pflich­tet, wenn Straf­ta­ten nach Bun­des­recht in An­wen­dung die­ses Ge­set­zes ver­folgt und be­ur­teilt wer­den.

14 Die Be­rich­ti­gung der RedK der BVers vom 10. Nov. 2014, ver­öf­fent­licht am 25. Nov. 2014 be­trifft nur den fran­zö­si­schen Text (AS 2014 4071).

Art. 45 Unterstützung  

1 Die Kan­to­ne stel­len den Straf­be­hör­den des Bun­des und der an­de­ren Kan­to­ne so­weit er­for­der­lich und mög­lich Räu­me für de­ren Amt­stä­tig­keit und für die Un­ter­brin­gung von Un­ter­su­chungs­ge­fan­ge­nen zur Ver­fü­gung.

2 Die Kan­to­ne tref­fen auf Ge­such der Straf­be­hör­den des Bun­des die er­for­der­li­chen Mass­nah­men, um die Si­cher­heit der Amt­stä­tig­keit die­ser Be­hör­den zu ge­währ­leis­ten.

Art. 46 Direkter Geschäftsverkehr  

1 Die Be­hör­den ver­keh­ren di­rekt mit­ein­an­der15.

2 Ge­su­che um Rechts­hil­fe kön­nen in der Spra­che der er­su­chen­den oder der er­such­ten Be­hör­de ge­stellt wer­den.

3 Be­steht Un­klar­heit dar­über, wel­che Be­hör­de zu­stän­dig ist, so rich­tet die er­su­chen­de Be­hör­de das Rechts­hil­fe­ge­such an die obers­te Staats­an­walt­schaft des er­such­ten Kan­tons oder des Bun­des. Die­se lei­tet es an die zu­stän­di­ge Stel­le wei­ter.

15 Die ört­lich zu­stän­di­ge schwei­ze­ri­sche Jus­tiz­be­hör­de für Rechts­hil­feer­su­chen kann über fol­gen­de In­ter­netsei­te er­mit­telt wer­den: www.elor­ge.ad­min.ch

Art. 47 Kosten  

1 Die Rechts­hil­fe wird un­ent­gelt­lich ge­leis­tet.

2 Der Bund ver­gü­tet den Kan­to­nen die von ihm ver­ur­sach­ten Kos­ten für Un­ter­stüt­zung im Sin­ne von Ar­ti­kel 45.

3 Ent­stan­de­ne Kos­ten wer­den dem er­su­chen­den Kan­ton be­zie­hungs­wei­se Bund ge­mel­det, da­mit sie den kos­ten­pflich­ti­gen Par­tei­en auf­er­legt wer­den kön­nen.

4 Ent­schä­di­gungs­pflich­ten aus Rechts­hil­fe­mass­nah­men trägt der er­su­chen­de Kan­ton oder Bund.

Art. 48 Konflikte  

1 Über Kon­flik­te über die Rechts­hil­fe zwi­schen Be­hör­den des glei­chen Kan­tons ent­schei­det die Be­schwer­de­in­stanz die­ses Kan­tons end­gül­tig.

2 Über Kon­flik­te zwi­schen Be­hör­den des Bun­des und der Kan­to­ne so­wie zwi­schen Be­hör­den ver­schie­de­ner Kan­to­ne ent­schei­det das Bun­dess­traf­ge­richt.

2. Abschnitt: Verfahrenshandlungen auf Verlangen des Bundes oder eines anderen Kantons

Art. 49 Grundsätze  

1 Die Staats­an­walt­schaf­ten und die Ge­rich­te des Bun­des und der Kan­to­ne kön­nen von den Straf­be­hör­den an­de­rer Kan­to­ne oder des Bun­des die Durch­füh­rung von Ver­fah­rens­hand­lun­gen ver­lan­gen. Die er­such­te Be­hör­de prüft die Zu­läs­sig­keit und die An­ge­mes­sen­heit der ver­lang­ten Ver­fah­rens­hand­lun­gen nicht.

2 Für die Be­hand­lung von Be­schwer­den ge­gen Rechts­hil­fe­mass­nah­men sind die Be­hör­den des er­su­chen­den Kan­tons oder Bun­des zu­stän­dig. Bei den Be­hör­den des er­such­ten Kan­tons oder Bun­des kann nur die Aus­füh­rung der Rechts­hil­fe­mass­nah­me an­ge­foch­ten wer­den.

Art. 50 Gesuch um Zwangsmassnahmen  

1 Die er­su­chen­de Be­hör­de ver­langt Fest­nah­men mit ei­nem schrift­li­chen Vor­füh­rungs­be­fehl (Art. 208).

2 Die er­such­te Be­hör­de führt fest­ge­nom­me­ne Per­so­nen wenn mög­lich in­nert 24 Stun­den zu.

3 Ge­su­che um an­de­re Zwangs­mass­nah­men wer­den kurz be­grün­det. In drin­gen­den Fäl­len kann die Be­grün­dung nach­ge­reicht wer­den.

Art. 51 Teilnahmerecht  

1 Die Par­tei­en, ih­re Rechts­bei­stän­de und die er­su­chen­de Be­hör­de kön­nen an den ver­lang­ten Ver­fah­rens­hand­lun­gen teil­neh­men, so­weit die­ses Ge­setz es vor­sieht.

2 Ist ei­ne Teil­nah­me mög­lich, so gibt die er­such­te Be­hör­de der er­su­chen­den Be­hör­de, den Par­tei­en und ih­ren Rechts­bei­stän­den Ort und Zeit der Ver­fah­rens­hand­lung be­kannt.

3. Abschnitt: Verfahrenshandlungen in einem anderen Kanton

Art. 52 Grundsätze  

1 Die Staats­an­walt­schaf­ten, Über­tre­tungs­straf­be­hör­den und Ge­rich­te der Kan­to­ne und des Bun­des sind be­rech­tigt, al­le Ver­fah­rens­hand­lun­gen im Sin­ne die­ses Ge­set­zes di­rekt in ei­nem an­de­ren Kan­ton an­zu­ord­nen und durch­zu­füh­ren.

2 Die Staats­an­walt­schaft des Kan­tons, in dem die Ver­fah­rens­hand­lung durch­ge­führt wer­den soll, wird vor­gän­gig be­nach­rich­tigt. In drin­gen­den Fäl­len ist ei­ne nach­träg­li­che Be­nach­rich­ti­gung mög­lich. Für die Ein­ho­lung von Aus­künf­ten und für Ge­su­che um Her­aus­ga­be von Ak­ten ist kei­ne Be­nach­rich­ti­gung nö­tig.

3 Die Kos­ten der Ver­fah­rens­hand­lun­gen und dar­aus fol­gen­de Ent­schä­di­gungs­pflich­ten trägt der durch­füh­ren­de Bund oder Kan­ton; er kann sie nach Mass­ga­be der Ar­ti­kel 426 und 427 den Par­tei­en be­las­ten.

Art. 53 Inanspruchnahme der Polizei  

Be­nö­tigt die er­su­chen­de Be­hör­de für die Durch­füh­rung ei­ner Ver­fah­rens­hand­lung die Un­ter­stüt­zung der Po­li­zei, so rich­tet sie ein ent­spre­chen­des Ge­such an die Staats­an­walt­schaft des er­such­ten Kan­tons; die­se er­teilt der ört­li­chen Po­li­zei die nö­ti­gen Auf­trä­ge.

5. Kapitel: Internationale Rechtshilfe

Art. 54 Anwendbarkeit dieses Gesetzes  

Die Ge­wäh­rung der in­ter­na­tio­na­len Rechts­hil­fe und das Rechts­hil­fe­ver­fah­ren rich­ten sich nur so weit nach die­sem Ge­setz, als an­de­re Ge­set­ze des Bun­des und völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge da­für kei­ne Be­stim­mun­gen ent­hal­ten.

Art. 55 Zuständigkeit  

1 Ist ein Kan­ton mit ei­nem Fall von in­ter­na­tio­na­ler Rechts­hil­fe be­fasst, so ist die Staats­an­walt­schaft zu­stän­dig.

2 Die Ge­rich­te kön­nen wäh­rend des Haupt­ver­fah­rens selbst Rechts­hil­fe­ge­su­che stel­len.

3 Die Be­fug­nis­se der Straf­voll­zugs­be­hör­den blei­ben vor­be­hal­ten.

4 Weist das Bun­des­recht Auf­ga­ben der Rechts­hil­fe ei­ner rich­ter­li­chen Be­hör­de zu, so ist die Be­schwer­de­in­stanz zu­stän­dig.

5 Führt der Kan­ton, der mit ei­nem aus­län­di­schen Rechts­hil­feer­su­chen be­fasst ist, Ver­fah­rens­hand­lun­gen in an­de­ren Kan­to­nen durch, so sind da­für die Be­stim­mun­gen über die na­tio­na­le Rechts­hil­fe an­wend­bar.

6 Die Kan­to­ne re­geln das wei­te­re Ver­fah­ren.

6. Kapitel: Ausstand

Art. 56 Ausstandsgründe  

Ei­ne in ei­ner Straf­be­hör­de tä­ti­ge Per­son tritt in den Aus­stand, wenn sie:

a.
in der Sa­che ein per­sön­li­ches In­ter­es­se hat;
b.
in ei­ner an­de­ren Stel­lung, ins­be­son­de­re als Mit­glied ei­ner Be­hör­de, als Rechts­bei­stand ei­ner Par­tei, als Sach­ver­stän­di­ge oder Sach­ver­stän­di­ger, als Zeu­gin oder Zeu­ge, in der glei­chen Sa­che tä­tig war;
c.
mit ei­ner Par­tei, ih­rem Rechts­bei­stand oder ei­ner Per­son, die in der glei­chen Sa­che als Mit­glied der Vor­in­stanz tä­tig war, ver­hei­ra­tet ist, in ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaft lebt oder ei­ne fak­ti­sche Le­bens­ge­mein­schaft führt;
d.
mit ei­ner Par­tei in ge­ra­der Li­nie oder in der Sei­ten­li­nie bis und mit dem drit­ten Grad ver­wandt oder ver­schwä­gert ist;
e.
mit dem Rechts­bei­stand ei­ner Par­tei oder ei­ner Per­son, die in der glei­chen Sa­che als Mit­glied der Vor­in­stanz tä­tig war, in ge­ra­der Li­nie oder in der Sei­ten­li­nie bis und mit dem zwei­ten Grad ver­wandt oder ver­schwä­gert ist;
f.
aus an­de­ren Grün­den, ins­be­son­de­re we­gen Freund­schaft oder Feind­schaft mit ei­ner Par­tei oder de­ren Rechts­bei­stand, be­fan­gen sein könn­te.
Art. 57 Mitteilungspflicht  

Liegt bei ei­ner in ei­ner Straf­be­hör­de tä­ti­gen Per­son ein Aus­stands­grund vor, so teilt die Per­son dies recht­zei­tig der Ver­fah­rens­lei­tung mit.

Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei  

1 Will ei­ne Par­tei den Aus­stand ei­ner in ei­ner Straf­be­hör­de tä­ti­gen Per­son ver­lan­gen, so hat sie der Ver­fah­rens­lei­tung oh­ne Ver­zug ein ent­spre­chen­des Ge­such zu stel­len, so­bald sie vom Aus­stands­grund Kennt­nis hat; die den Aus­stand be­grün­den­den Tat­sa­chen sind glaub­haft zu ma­chen.

2 Die be­trof­fe­ne Per­son nimmt zum Ge­such Stel­lung.

Art. 59 Entscheid  

1 Wird ein Aus­stands­grund nach Ar­ti­kel 56 Buch­sta­be a oder f gel­tend ge­macht oder wi­der­setzt sich ei­ne in ei­ner Straf­be­hör­de tä­ti­ge Per­son ei­nem Aus­stands­ge­such ei­ner Par­tei, das sich auf Ar­ti­kel 56 Buch­sta­ben b–e ab­stützt, so ent­schei­det oh­ne wei­te­res Be­weis­ver­fah­ren und end­gül­tig:

a.
die Staats­an­walt­schaft, wenn die Po­li­zei be­trof­fen ist;
b.
die Be­schwer­de­in­stanz, wenn die Staats­an­walt­schaft, die Über­tre­tungs­straf­be­hör­den oder die ers­tin­stanz­li­chen Ge­rich­te be­trof­fen sind;
c.
das Be­ru­fungs­ge­richt, wenn die Be­schwer­de­in­stanz oder ein­zel­ne Mit­glie­der des Be­ru­fungs­ge­richts be­trof­fen sind;
d.16
das Bun­dess­traf­ge­richt, wenn das ge­sam­te Be­ru­fungs­ge­richt ei­nes Kan­tons be­trof­fen ist.

2 Der Ent­scheid er­geht schrift­lich und ist zu be­grün­den.

3 Bis zum Ent­scheid übt die be­trof­fe­ne Per­son ihr Amt wei­ter aus.

4 Wird das Ge­such gut­ge­heis­sen, so ge­hen die Ver­fah­rens­kos­ten zu Las­ten des Bun­des be­zie­hungs­wei­se des Kan­tons. Wird es ab­ge­wie­sen oder war es of­fen­sicht­lich ver­spä­tet oder mut­wil­lig, so ge­hen die Kos­ten zu Las­ten der ge­such­stel­len­den Per­son.

16 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. II 3 des BG vom 17. März 2017 (Schaf­fung ei­ner Be­ru­fungs­kam­mer am Bun­dess­traf­ge­richt), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 5769; BBl 2013 7109, 2016 6199).

Art. 60 Folgen der Verletzung von Ausstandsvorschriften  

1 Amts­hand­lun­gen, an de­nen ei­ne zum Aus­stand ver­pflich­te­te Per­son mit­ge­wirkt hat, sind auf­zu­he­ben und zu wie­der­ho­len, so­fern dies ei­ne Par­tei in­nert 5 Ta­gen ver­langt, nach­dem sie vom Ent­scheid über den Aus­stand Kennt­nis er­hal­ten hat.

2 Be­wei­se, die nicht wie­der er­ho­ben wer­den kön­nen, darf die Straf­be­hör­de be­rück­sich­ti­gen.

3 Wird der Aus­stands­grund erst nach Ab­schluss des Ver­fah­rens ent­deckt, so gel­ten die Be­stim­mun­gen über die Re­vi­si­on.

7. Kapitel: Verfahrensleitung 17

17 Berichtigt von der Redaktionskommission der BVers (Art. 58 Abs. 1 ParlG; SR 171.10).

Art. 61 Zuständigkeit  

Das Ver­fah­ren lei­tet:

a.
bis zur Ein­stel­lung oder An­kla­ge­er­he­bung: die Staats­an­walt­schaft;
b.
im Über­tre­tungs­straf­ver­fah­ren: die Über­tre­tungs­straf­be­hör­de;
c.
im Ge­richts­ver­fah­ren bei Kol­le­gi­al­ge­rich­ten: die Prä­si­den­tin oder der Prä­si­dent des be­tref­fen­den Ge­richts;
d.
im Ge­richts­ver­fah­ren bei Ein­zel­ge­rich­ten: die Rich­te­rin oder der Rich­ter.
Art. 62 Allgemeine Aufgaben  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung trifft die An­ord­nun­gen, die ei­ne ge­setz­mäs­si­ge und ge­ord­ne­te Durch­füh­rung des Ver­fah­rens ge­währ­leis­ten.

2 Im Ver­fah­ren vor ei­nem Kol­le­gi­al­ge­richt kom­men ihr al­le Be­fug­nis­se zu, die nicht dem Ge­richt vor­be­hal­ten sind.

Art. 63 Sitzungspolizeiliche Massnahmen  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung sorgt für Si­cher­heit, Ru­he und Ord­nung wäh­rend der Ver­hand­lun­gen.

2 Sie kann Per­so­nen, die den Ge­schäfts­gang stö­ren oder An­stands­re­geln ver­let­zen, ver­war­nen. Im Wie­der­ho­lungs­fal­le kann sie ih­nen das Wort ent­zie­hen, sie aus dem Ver­hand­lungs­raum wei­sen und nö­ti­gen­falls bis zum Schluss der Ver­hand­lung in po­li­zei­li­chen Ge­wahr­sam set­zen las­sen. Sie kann den Ver­hand­lungs­raum räu­men las­sen.

3 Sie kann die Un­ter­stüt­zung der am Or­te der Ver­fah­rens­hand­lung zu­stän­di­gen Po­li­zei ver­lan­gen.

4 Wird ei­ne Par­tei aus­ge­schlos­sen, so wird die Ver­fah­rens­hand­lung gleich­wohl fort­ge­setzt.

Art. 64 Disziplinarmassnahmen  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann Per­so­nen, die den Ge­schäfts­gang stö­ren, den An­stand ver­let­zen oder ver­fah­rens­lei­ten­de An­ord­nun­gen miss­ach­ten, mit Ord­nungs­bus­se bis zu 1000 Fran­ken be­stra­fen.

2 Ord­nungs­bus­sen der Staats­an­walt­schaft und der ers­tin­stanz­li­chen Ge­rich­te kön­nen in­nert 10 Ta­gen bei der Be­schwer­de­in­stanz an­ge­foch­ten wer­den. Die­se ent­schei­det end­gül­tig.

Art. 65 Anfechtbarkeit verfahrensleitender Anordnungen der Gerichte  

1 Ver­fah­rens­lei­ten­de An­ord­nun­gen der Ge­rich­te kön­nen nur mit dem En­dent­scheid an­ge­foch­ten wer­den.

2 Hat die Ver­fah­rens­lei­tung ei­nes Kol­le­gi­al­ge­richts vor der Haupt­ver­hand­lung ver­fah­rens­lei­ten­de An­ord­nun­gen ge­trof­fen, so kann sie das Ge­richt von Am­tes we­gen oder auf An­trag än­dern oder auf­he­ben.

8. Kapitel: Allgemeine Verfahrensregeln

1. Abschnitt: Mündlichkeit; Sprache

Art. 66 Mündlichkeit  

Die Ver­fah­ren vor den Straf­be­hör­den sind münd­lich, so­weit die­ses Ge­setz nicht Schrift­lich­keit vor­sieht.

Art. 67 Verfahrenssprache  

1 Bund und Kan­to­ne be­stim­men die Ver­fah­rens­spra­chen ih­rer Straf­be­hör­den.

2 Die Straf­be­hör­den der Kan­to­ne füh­ren al­le Ver­fah­rens­hand­lun­gen in ih­ren Ver­fah­rens­spra­chen durch; die Ver­fah­rens­lei­tung kann Aus­nah­men ge­stat­ten.

Art. 68 Übersetzungen  

1 Ver­steht ei­ne am Ver­fah­ren be­tei­lig­te Per­son die Ver­fah­rens­spra­che nicht oder kann sie sich dar­in nicht ge­nü­gend aus­drücken, so zieht die Ver­fah­rens­lei­tung ei­ne Über­set­ze­rin oder einen Über­set­zer bei. Sie kann in ein­fa­chen oder drin­gen­den Fäl­len mit dem Ein­ver­ständ­nis der be­trof­fe­nen Per­son da­von ab­se­hen, wenn sie und die pro­to­koll­füh­ren­de Per­son die frem­de Spra­che ge­nü­gend be­herr­schen.

2 Der be­schul­dig­ten Per­son wird, auch wenn sie ver­tei­digt wird, in ei­ner ihr ver­ständ­li­chen Spra­che min­des­tens der we­sent­li­che In­halt der wich­tigs­ten Ver­fah­rens­hand­lun­gen münd­lich oder schrift­lich zur Kennt­nis ge­bracht. Ein An­spruch auf voll­stän­di­ge Über­set­zung al­ler Ver­fah­rens­hand­lun­gen so­wie der Ak­ten be­steht nicht.

3 Ak­ten, die nicht Ein­ga­ben von Par­tei­en sind, wer­den so­weit er­for­der­lich schrift­lich oder zu­han­den des Pro­to­kolls münd­lich über­setzt.

4 Für die Über­set­zung der Be­fra­gung des Op­fers ei­ner Straf­tat ge­gen die se­xu­el­le In­te­gri­tät ist ei­ne Per­son glei­chen Ge­schlechts bei­zu­zie­hen, wenn das Op­fer dies ver­langt und wenn dies oh­ne un­ge­bühr­li­che Ver­zö­ge­rung des Ver­fah­rens mög­lich ist.

5 Für Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer gel­ten die Be­stim­mun­gen über Sach­ver­stän­di­ge (Art. 73, 105, 182–191) sinn­ge­mä­ss.

2. Abschnitt: Öffentlichkeit

Art. 69 Grundsätze  

1 Die Ver­hand­lun­gen vor dem ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt und dem Be­ru­fungs­ge­richt so­wie die münd­li­che Er­öff­nung von Ur­tei­len und Be­schlüs­sen die­ser Ge­rich­te sind mit Aus­nah­me der Be­ra­tung öf­fent­lich.

2 Ha­ben die Par­tei­en in die­sen Fäl­len auf ei­ne öf­fent­li­che Ur­teils­ver­kün­dung ver­zich­tet oder ist ein Straf­be­fehl er­gan­gen, so kön­nen in­ter­es­sier­te Per­so­nen in die Ur­tei­le und Straf­be­feh­le Ein­sicht neh­men.

3 Nicht öf­fent­lich sind:

a.
das Vor­ver­fah­ren; vor­be­hal­ten blei­ben Mit­tei­lun­gen der Straf­be­hör­den an die Öf­fent­lich­keit;
b.
das Ver­fah­ren des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts;
c.
das Ver­fah­ren der Be­schwer­de­in­stanz und, so­weit es schrift­lich durch­ge­führt wird, des Be­ru­fungs­ge­richts;
d.
das Straf­be­fehls­ver­fah­ren.

4 Öf­fent­li­che Ver­hand­lun­gen sind all­ge­mein zu­gäng­lich, für Per­so­nen un­ter 16 Jah­ren je­doch nur mit Be­wil­li­gung der Ver­fah­rens­lei­tung.

Art. 70 Einschränkungen und Ausschluss der Öffentlichkeit  

1 Das Ge­richt kann die Öf­fent­lich­keit von Ge­richts­ver­hand­lun­gen ganz oder teil­wei­se aus­sch­lies­sen, wenn:

a.
die öf­fent­li­che Si­cher­heit oder Ord­nung oder schutz­wür­di­ge In­ter­es­sen ei­ner be­tei­lig­ten Per­son, ins­be­son­de­re des Op­fers, dies er­for­dern;
b.
gros­ser An­drang herrscht.

2 Ist die Öf­fent­lich­keit aus­ge­schlos­sen, so kön­nen sich die be­schul­dig­te Per­son, das Op­fer und die Pri­vat­klä­ger­schaft von höchs­tens drei Ver­trau­ens­per­so­nen be­glei­ten las­sen.

3 Das Ge­richt kann Ge­richts­be­richt­er­stat­te­rin­nen und Ge­richts­be­richt­er­stat­tern und wei­te­ren Per­so­nen, die ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se ha­ben, un­ter be­stimm­ten Auf­la­gen den Zu­tritt zu Ver­hand­lun­gen ge­stat­ten, die nach Ab­satz 1 nicht öf­fent­lich sind.

4 Wur­de die Öf­fent­lich­keit aus­ge­schlos­sen, so er­öff­net das Ge­richt das Ur­teil in ei­ner öf­fent­li­chen Ver­hand­lung oder ori­en­tiert die Öf­fent­lich­keit bei Be­darf in an­de­rer ge­eig­ne­ter Wei­se über den Aus­gang des Ver­fah­rens.

Art. 71 Bild- und Tonaufnahmen  

1 Bild- und Ton­auf­nah­men in­ner­halb des Ge­richts­ge­bäu­des so­wie Auf­nah­men von Ver­fah­rens­hand­lun­gen aus­ser­halb des Ge­richts­ge­bäu­des sind nicht ge­stat­tet.

2 Wi­der­hand­lun­gen kön­nen nach Ar­ti­kel 64 Ab­satz 1 mit Ord­nungs­bus­se be­straft wer­den. Un­er­laub­te Auf­nah­men kön­nen be­schlag­nahmt wer­den.

Art. 72 Gerichtsberichterstattung  

Bund und Kan­to­ne kön­nen die Zu­las­sung so­wie die Rech­te und Pflich­ten der Ge­richts­be­richt­er­stat­te­rin­nen und Ge­richts­be­richt­er­stat­ter re­geln.

3. Abschnitt: Geheimhaltung, Orientierung der Öffentlichkeit, Mitteilung an Behörden

Art. 73 Geheimhaltungspflicht  

1 Die Mit­glie­der von Straf­be­hör­den, ih­re Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter so­wie die von Straf­be­hör­den er­nann­ten Sach­ver­stän­di­gen be­wah­ren Still­schwei­gen hin­sicht­lich Tat­sa­chen, die ih­nen in Aus­übung ih­rer amt­li­chen Tä­tig­keit zur Kennt­nis ge­langt sind.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann die Pri­vat­klä­ger­schaft und an­de­re Ver­fah­rens­be­tei­lig­te und de­ren Rechts­bei­stän­de un­ter Hin­weis auf Ar­ti­kel 292 StGB18 ver­pflich­ten, über das Ver­fah­ren und die da­von be­trof­fe­nen Per­so­nen Still­schwei­gen zu be­wah­ren, wenn der Zweck des Ver­fah­rens oder ein pri­va­tes In­ter­es­se es er­for­dert. Die Ver­pflich­tung ist zu be­fris­ten.

Art. 74 Orientierung der Öffentlichkeit  

1 Die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te so­wie mit de­ren Ein­ver­ständ­nis die Po­li­zei kön­nen die Öf­fent­lich­keit über hän­gi­ge Ver­fah­ren ori­en­tie­ren, wenn dies er­for­der­lich ist:

a.
da­mit die Be­völ­ke­rung bei der Auf­klä­rung von Straf­ta­ten oder bei der Fahn­dung nach Ver­däch­ti­gen mit­wirkt;
b.
zur War­nung oder Be­ru­hi­gung der Be­völ­ke­rung;
c.
zur Rich­tig­stel­lung un­zu­tref­fen­der Mel­dun­gen oder Ge­rüch­te;
d.
we­gen der be­son­de­ren Be­deu­tung ei­nes Straf­fal­les.

2 Die Po­li­zei kann aus­ser­dem von sich aus die Öf­fent­lich­keit über Un­fäl­le und Straf­ta­ten oh­ne Nen­nung von Na­men ori­en­tie­ren.

3 Bei der Ori­en­tie­rung der Öf­fent­lich­keit sind der Grund­satz der Un­schulds­ver­mu­tung und die Per­sön­lich­keits­rech­te der Be­trof­fe­nen zu be­ach­ten.

4 In Fäl­len, in de­nen ein Op­fer be­tei­ligt ist, dür­fen Be­hör­den und Pri­va­te aus­ser­halb ei­nes öf­fent­li­chen Ge­richts­ver­fah­rens sei­ne Iden­ti­tät und In­for­ma­tio­nen, die sei­ne Iden­ti­fi­zie­rung er­lau­ben, nur ver­öf­fent­li­chen, wenn:

a.
ei­ne Mit­wir­kung der Be­völ­ke­rung bei der Auf­klä­rung von Ver­bre­chen oder bei der Fahn­dung nach Ver­däch­ti­gen not­wen­dig ist; oder
b.
das Op­fer be­zie­hungs­wei­se sei­ne hin­ter­blie­be­nen An­ge­hö­ri­gen der Ver­öf­fent­li­chung zu­stim­men.
Art. 75 Mitteilung an andere Behörden  

1 Be­fin­det sich ei­ne be­schul­dig­te Per­son im Straf- oder Mass­nah­men­voll­zug, so in­for­mie­ren die Straf­be­hör­den die zu­stän­di­gen Voll­zugs­be­hör­den über neue Straf­ver­fah­ren und die er­gan­ge­nen Ent­schei­de.

2 Die Straf­be­hör­den in­for­mie­ren die So­zi­al­be­hör­den so­wie die Kin­des- und Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­den über ein­ge­lei­te­te Straf­ver­fah­ren so­wie über Straf­ent­schei­de, wenn dies zum Schutz ei­ner be­schul­dig­ten oder ge­schä­dig­ten Per­son oder ih­rer An­ge­hö­ri­gen er­for­der­lich ist.19

3 Stel­len sie bei der Ver­fol­gung von Straf­ta­ten, an de­nen Min­der­jäh­ri­ge be­tei­ligt sind, fest, dass wei­te­re Mass­nah­men er­for­der­lich sind, so in­for­mie­ren sie un­ver­züg­lich die Kin­des­schutz­be­hör­den.20

3bis Die Ver­fah­rens­lei­tung in­for­miert die Grup­pe Ver­tei­di­gung über hän­gi­ge Straf­ver­fah­ren ge­gen An­ge­hö­ri­ge der Ar­mee oder Stel­lungs­pflich­ti­ge, wenn ernst­zu­neh­men­de An­zei­chen oder Hin­wei­se be­ste­hen, dass die­se sich selbst oder Drit­te mit ei­ner Feu­er­waf­fe ge­fähr­den könn­ten.21

4 Bund und Kan­to­ne kön­nen die Straf­be­hör­den zu wei­te­ren Mit­tei­lun­gen an Be­hör­den ver­pflich­ten oder be­rech­ti­gen.

19Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

20Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 2 des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

21 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 25. Sept. 2015 über Ver­bes­se­run­gen beim In­for­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen Be­hör­den im Um­gang mit Waf­fen (AS 2016 1831; BBl 2014 303). Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 18. März 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 4277, 2017 2297; BBl 2014 6955).

4. Abschnitt: Protokolle

Art. 76 Allgemeine Bestimmungen  

1 Die Aus­sa­gen der Par­tei­en, die münd­li­chen Ent­schei­de der Be­hör­den so­wie al­le an­de­ren Ver­fah­rens­hand­lun­gen, die nicht schrift­lich durch­ge­führt wer­den, wer­den pro­to­kol­liert.

2 Die pro­to­koll­füh­ren­de Per­son, die Ver­fah­rens­lei­tung und die al­len­falls zur Über­set­zung bei­ge­zo­ge­ne Per­son be­stä­ti­gen die Rich­tig­keit des Pro­to­kolls.

3 Die Ver­fah­rens­lei­tung ist da­für ver­ant­wort­lich, dass die Ver­fah­rens­hand­lun­gen voll­stän­dig und rich­tig pro­to­kol­liert wer­den.

4 Sie kann an­ord­nen, dass Ver­fah­rens­hand­lun­gen zu­sätz­lich zur schrift­li­chen Pro­to­kol­lie­rung ganz oder teil­wei­se in Ton oder Bild fest­ge­hal­ten wer­den. Sie gibt dies den an­we­sen­den Per­so­nen vor­gän­gig be­kannt.

Art. 77 Verfahrensprotokolle  

Die Ver­fah­renspro­to­kol­le hal­ten al­le we­sent­li­chen Ver­fah­rens­hand­lun­gen fest und ge­ben na­ment­lich Aus­kunft über:

a.
Art, Ort, Da­tum und Zeit der Ver­fah­rens­hand­lun­gen;
b.
die Na­men der mit­wir­ken­den Be­hör­den­mit­glie­der, der Par­tei­en, ih­rer Rechts­bei­stän­de so­wie der wei­te­ren an­we­sen­den Per­so­nen;
c.
die An­trä­ge der Par­tei­en;
d.
die Be­leh­rung über die Rech­te und Pflich­ten der ein­ver­nom­me­nen Per­so­nen;
e.
die Aus­sa­gen der ein­ver­nom­me­nen Per­so­nen;
f.
den Ab­lauf des Ver­fah­rens, die von der Straf­be­hör­de ge­trof­fe­nen An­ord­nun­gen so­wie die Be­ach­tung der für die ein­zel­nen Ver­fah­rens­hand­lun­gen vor­ge­se­he­nen Form­vor­schrif­ten;
g.
die von den Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten ein­ge­reich­ten oder im Straf­ver­fah­ren sonst wie be­schaff­ten Ak­ten und an­de­ren Be­weis­stücke;
h.
die Ent­schei­de und de­ren Be­grün­dung, so­weit die­se den Ak­ten nicht in se­pa­ra­ter Aus­fer­ti­gung bei­ge­legt wer­den.
Art. 78 Einvernahmeprotokolle  

1 Die Aus­sa­gen der Par­tei­en, Zeu­gin­nen, Zeu­gen, Aus­kunfts­per­so­nen und Sach­ver­stän­di­gen wer­den lau­fend pro­to­kol­liert.

2 Die Pro­to­kol­lie­rung er­folgt in der Ver­fah­rens­spra­che, doch sind we­sent­li­che Aus­sa­gen so­weit mög­lich in der Spra­che zu pro­to­kol­lie­ren, in der die ein­ver­nom­me­ne Per­son aus­ge­sagt hat.

3 Ent­schei­den­de Fra­gen und Ant­wor­ten wer­den wört­lich pro­to­kol­liert.

4 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann der ein­ver­nom­me­nen Per­son ge­stat­ten, ih­re Aus­sa­gen selbst zu dik­tie­ren.

5 Nach Ab­schluss der Ein­ver­nah­me wird der ein­ver­nom­me­nen Per­son das Pro­to­koll vor­ge­le­sen oder ihr zum Le­sen vor­ge­legt. Sie hat das Pro­to­koll nach Kennt­nis­nah­me zu un­ter­zeich­nen und je­de Sei­te zu vi­sie­ren. Lehnt sie es ab, das Pro­to­koll durch­zu­le­sen oder zu un­ter­zeich­nen, so wer­den die Wei­ge­rung und die da­für an­ge­ge­be­nen Grün­de im Pro­to­koll ver­merkt.

5bis Wird die Ein­ver­nah­me im Haupt­ver­fah­ren mit tech­ni­schen Hilfs­mit­teln auf­ge­zeich­net, so kann das Ge­richt dar­auf ver­zich­ten, der ein­ver­nom­me­nen Per­son das Pro­to­koll vor­zu­le­sen oder zum Le­sen vor­zu­le­gen und von die­ser un­ter­zeich­nen zu las­sen. Die Auf­zeich­nun­gen wer­den zu den Ak­ten ge­nom­men.22

6 Bei Ein­ver­nah­men mit­tels Vi­deo­kon­fe­renz er­setzt die münd­li­che Er­klä­rung der ein­ver­nom­me­nen Per­son, sie ha­be das Pro­to­koll zur Kennt­nis ge­nom­men, die Un­ter­zeich­nung und Vi­sie­rung. Die Er­klä­rung wird im Pro­to­koll ver­merkt.

7 Sind hand­schrift­lich er­stell­te Pro­to­kol­le nicht gut les­bar oder wur­den die Aus­sa­gen ste­no­gra­fisch auf­ge­zeich­net, so wer­den sie un­ver­züg­lich in Rein­schrift über­tra­gen. Die No­ti­zen wer­den bis zum Ab­schluss des Ver­fah­rens auf­be­wahrt.23

22 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 28. Sept. 2012 (Pro­to­kol­lie­rungs­vor­schrif­ten), in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 851; BBl 2012 57075719).

23 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 28. Sept. 2012 (Pro­to­kol­lie­rungs­vor­schrif­ten), in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 851; BBl 2012 57075719).

Art. 79 Berichtigung  

1 Of­fen­kun­di­ge Ver­se­hen be­rich­tigt die Ver­fah­rens­lei­tung zu­sam­men mit der pro­to­koll­füh­ren­den Per­son; sie in­for­miert dar­über an­sch­lies­send die Par­tei­en.

2 Über Ge­su­che um Pro­to­koll­be­rich­ti­gung ent­schei­det die Ver­fah­rens­lei­tung.

3 Be­rich­ti­gun­gen, Än­de­run­gen, Strei­chun­gen und Ein­fü­gun­gen wer­den von der pro­to­koll­füh­ren­den Per­son und der Ver­fah­rens­lei­tung be­glau­bigt. In­halt­li­che Än­de­run­gen wer­den so aus­ge­führt, dass die ur­sprüng­li­che Pro­to­kol­lie­rung er­kenn­bar bleibt.

5. Abschnitt: Entscheide

Art. 80 Form  

1 Ent­schei­de, in de­nen über Straf- und Zi­vil­fra­gen ma­te­ri­ell be­fun­den wird, er­ge­hen in Form ei­nes Ur­teils. Die an­de­ren Ent­schei­de er­ge­hen, wenn sie von ei­ner Kol­lek­tiv­be­hör­de ge­fällt wer­den, in Form ei­nes Be­schlus­ses, wenn sie von ei­ner Ein­zel­per­son ge­fällt wer­den, in Form ei­ner Ver­fü­gung. Die Be­stim­mun­gen des Straf­be­fehls­ver­fah­rens blei­ben vor­be­hal­ten.

2 Ent­schei­de er­ge­hen schrift­lich und wer­den be­grün­det. Sie wer­den von der Ver­fah­rens­lei­tung so­wie der pro­to­koll­füh­ren­den Per­son un­ter­zeich­net und den Par­tei­en zu­ge­stellt.

3 Ein­fa­che ver­fah­rens­lei­ten­de Be­schlüs­se und Ver­fü­gun­gen brau­chen we­der be­son­ders aus­ge­fer­tigt noch be­grün­det zu wer­den; sie wer­den im Pro­to­koll ver­merkt und den Par­tei­en in ge­eig­ne­ter Wei­se er­öff­net.

Art. 81 Inhalt der Endentscheide  

1 Ur­tei­le und an­de­re ver­fah­renser­le­di­gen­de Ent­schei­de ent­hal­ten:

a.
ei­ne Ein­lei­tung;
b.
ei­ne Be­grün­dung;
c.
ein Dis­po­si­tiv;
d.
so­fern sie an­fecht­bar sind: ei­ne Rechts­mit­tel­be­leh­rung.

2 Die Ein­lei­tung ent­hält:

a.
die Be­zeich­nung der Straf­be­hör­de und ih­rer am Ent­scheid mit­wir­ken­den Mit­glie­der;
b.
das Da­tum des Ent­scheids;
c.
ei­ne ge­nü­gen­de Be­zeich­nung der Par­tei­en und ih­rer Rechts­bei­stän­de;
d.
bei Ur­tei­len die Schluss­an­trä­ge der Par­tei­en.

3 Die Be­grün­dung ent­hält:

a.
bei Ur­tei­len: die tat­säch­li­che und die recht­li­che Wür­di­gung des der be­schul­dig­ten Per­son zur Last ge­leg­ten Ver­hal­tens, die Be­grün­dung der Sank­tio­nen, der Ne­ben­fol­gen so­wie der Kos­ten- und Ent­schä­di­gungs­fol­gen;
b.
bei an­de­ren ver­fah­renser­le­di­gen­den Ent­schei­den: die Grün­de für die vor­ge­se­he­ne Er­le­di­gung des Ver­fah­rens.

4 Das Dis­po­si­tiv ent­hält:

a.
die Be­zeich­nung der an­ge­wen­de­ten Ge­set­zes­be­stim­mun­gen;
b.
bei Ur­tei­len: den Ent­scheid über Schuld und Sank­ti­on, Kos­ten- und Ent­schä­di­gungs­fol­gen und all­fäl­li­ge Zi­vil­kla­gen;
c.
bei an­de­ren ver­fah­renser­le­di­gen­den Ent­schei­den: die An­ord­nung über die Er­le­di­gung des Ver­fah­rens;
d.
die nach­träg­li­chen rich­ter­li­chen Ent­schei­dun­gen;
e.
den Ent­scheid über die Ne­ben­fol­gen;
f.
die Be­zeich­nung der Per­so­nen und Be­hör­den, die ei­ne Ko­pie des Ent­schei­des oder des Dis­po­si­tivs er­hal­ten.
Art. 82 Einschränkungen der Begründungspflicht  

1 Das ers­tin­stanz­li­che Ge­richt ver­zich­tet auf ei­ne schrift­li­che Be­grün­dung, wenn es:

a.
das Ur­teil münd­lich be­grün­det; und
b.
nicht ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als zwei Jah­ren, ei­ne Ver­wah­rung nach Ar­ti­kel 64 StGB24, ei­ne Be­hand­lung nach Ar­ti­kel 59 Ab­satz 3 StGB oder, bei gleich­zei­tig zu wi­der­ru­fen­den be­ding­ten Sank­tio­nen, einen Frei­heits­ent­zug von mehr als zwei Jah­ren aus­spricht.

2 Das Ge­richt stellt den Par­tei­en nach­träg­lich ein be­grün­de­tes Ur­teil zu, wenn:

a.
ei­ne Par­tei dies in­nert 10 Ta­gen nach Zu­stel­lung des Dis­po­si­tivs ver­langt;
b.
ei­ne Par­tei ein Rechts­mit­tel er­greift.

3 Ver­langt nur die Pri­vat­klä­ger­schaft ein be­grün­de­tes Ur­teil oder er­greift sie al­lein ein Rechts­mit­tel, so be­grün­det das Ge­richt das Ur­teil nur in dem Mas­se, als die­ses sich auf das straf­ba­re Ver­hal­ten zum Nach­teil der Pri­vat­klä­ger­schaft und auf de­ren Zi­vil­an­sprü­che be­zieht.

4 Im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren kann das Ge­richt für die tat­säch­li­che und die recht­li­che Wür­di­gung des an­ge­klag­ten Sach­ver­halts auf die Be­grün­dung der Vor­in­stanz ver­wei­sen.

Art. 83 Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden  

1 Ist das Dis­po­si­tiv ei­nes Ent­schei­des un­klar, wi­der­sprüch­lich oder un­voll­stän­dig oder steht es mit der Be­grün­dung im Wi­der­spruch, so nimmt die Straf­be­hör­de, die den Ent­scheid ge­fällt hat, auf Ge­such ei­ner Par­tei oder von Am­tes we­gen ei­ne Er­läu­te­rung oder Be­rich­ti­gung des Ent­scheids vor.

2 Das Ge­such ist schrift­lich ein­zu­rei­chen; die be­an­stan­de­ten Stel­len be­zie­hungs­wei­se die ge­wünsch­ten Än­de­run­gen sind an­zu­ge­ben.

3 Die Straf­be­hör­de gibt den an­de­ren Par­tei­en Ge­le­gen­heit, sich zum Ge­such zu äus­sern.

4 Der er­läu­ter­te oder be­rich­tig­te Ent­scheid wird den Par­tei­en er­öff­net.

6. Abschnitt: Eröffnung der Entscheide und Zustellung

Art. 84 Eröffnung der Entscheide  

1 Ist das Ver­fah­ren öf­fent­lich, so er­öff­net das Ge­richt das Ur­teil im An­schluss an die Ur­teils­be­ra­tung münd­lich und be­grün­det es kurz.

2 Das Ge­richt hän­digt den Par­tei­en am En­de der Haupt­ver­hand­lung das Ur­teils­dis­po­si­tiv aus oder stellt es ih­nen in­nert 5 Ta­gen zu.

3 Kann das Ge­richt das Ur­teil nicht so­fort fäl­len, so holt es dies so bald als mög­lich nach und er­öff­net das Ur­teil in ei­ner neu an­ge­setz­ten Haupt­ver­hand­lung. Ver­zich­ten die Par­tei­en in die­sem Fal­le auf ei­ne öf­fent­li­che Ur­teils­ver­kün­dung, so stellt ih­nen das Ge­richt das Dis­po­si­tiv so­fort nach der Ur­teils­fäl­lung zu.

4 Muss das Ge­richt das Ur­teil be­grün­den, so stellt es in­nert 60 Ta­gen, aus­nahms­wei­se 90 Ta­gen, der be­schul­dig­ten Per­son und der Staats­an­walt­schaft das voll­stän­di­ge be­grün­de­te Ur­teil zu, den üb­ri­gen Par­tei­en nur je­ne Tei­le des Ur­teils, in de­nen ih­re An­trä­ge be­han­delt wer­den.

5 Die Straf­be­hör­de er­öff­net ein­fa­che ver­fah­rens­lei­ten­de Be­schlüs­se oder Ver­fü­gun­gen den Par­tei­en schrift­lich oder münd­lich.

6 Ent­schei­de sind nach den Be­stim­mun­gen des eid­ge­nös­si­schen und kan­to­na­len Rechts an­de­ren Be­hör­den, Rechts­mit­tel­ent­schei­de auch der Vor­in­stanz, rechts­kräf­ti­ge Ent­schei­de so­weit nö­tig den Voll­zugs- und den Straf­re­gis­ter­be­hör­den mit­zu­tei­len.

Art. 85 Form der Mitteilungen und der Zustellung  

1 Die Straf­be­hör­den be­die­nen sich für ih­re Mit­tei­lun­gen der Schrift­form, so­weit die­ses Ge­setz nichts Ab­wei­chen­des be­stimmt.

2 Die Zu­stel­lung er­folgt durch ein­ge­schrie­be­ne Post­sen­dung oder auf an­de­re Wei­se ge­gen Emp­fangs­be­stä­ti­gung, ins­be­son­de­re durch die Po­li­zei.

3 Sie ist er­folgt, wenn die Sen­dung von der Adres­sa­tin oder dem Adres­sa­ten oder von ei­ner an­ge­stell­ten oder im glei­chen Haus­halt le­ben­den, min­des­tens 16 Jah­re al­ten Per­son ent­ge­gen­ge­nom­men wur­de. Vor­be­hal­ten blei­ben An­wei­sun­gen der Straf­be­hör­den, ei­ne Mit­tei­lung der Adres­sa­tin oder dem Adres­sa­ten per­sön­lich zu­zu­stel­len.

4 Sie gilt zu­dem als er­folgt:

a.
bei ei­ner ein­ge­schrie­be­nen Post­sen­dung, die nicht ab­ge­holt wor­den ist: am sieb­ten Tag nach dem er­folg­lo­sen Zu­stel­lungs­ver­such, so­fern die Per­son mit ei­ner Zu­stel­lung rech­nen muss­te;
b.
bei per­sön­li­cher Zu­stel­lung, wenn die Adres­sa­tin oder der Adres­sat die An­nah­me ver­wei­gert und dies von der Über­brin­ge­rin oder dem Über­brin­ger fest­ge­hal­ten wird: am Tag der Wei­ge­rung.
Art. 86 Elektronische Zustellung 25  

1 Mit dem Ein­ver­ständ­nis der be­trof­fe­nen Per­son kön­nen Mit­tei­lun­gen elek­tro­nisch zu­ge­stellt wer­den. Sie sind mit ei­ner elek­tro­ni­schen Si­gna­tur ge­mä­ss Bun­des­ge­setz vom 18. März 201626 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur zu ver­se­hen.

2 Der Bun­des­rat re­gelt:

a.
die zu ver­wen­den­de Si­gna­tur;
b.
das For­mat der Mit­tei­lun­gen und ih­rer Bei­la­gen;
c.
die Art und Wei­se der Über­mitt­lung;
d.
den Zeit­punkt, zu dem die Mit­tei­lung als zu­ge­stellt gilt.

25 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des BG vom 18. März 2016 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

26 SR 943.03

Art. 87 Zustellungsdomizil  

1 Mit­tei­lun­gen sind den Adres­sa­tin­nen und Adres­sa­ten an ih­ren Wohn­sitz, ih­ren ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort oder an ih­ren Sitz zu­zu­stel­len.

2 Par­tei­en und Rechts­bei­stän­de mit Wohn­sitz, ge­wöhn­li­chem Auf­ent­halts­ort oder Sitz im Aus­land ha­ben in der Schweiz ein Zu­stel­lungs­do­mi­zil zu be­zeich­nen; vor­be­hal­ten blei­ben staats­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen, wo­nach Mit­tei­lun­gen di­rekt zu­ge­stellt wer­den kön­nen.

3 Mit­tei­lun­gen an Par­tei­en, die einen Rechts­bei­stand be­stellt ha­ben, wer­den rechts­gül­tig an die­sen zu­ge­stellt.

4 Hat ei­ne Par­tei per­sön­lich zu ei­ner Ver­hand­lung zu er­schei­nen oder Ver­fah­rens­hand­lun­gen selbst vor­zu­neh­men, so wird ihr die Mit­tei­lung di­rekt zu­ge­stellt. Dem Rechts­bei­stand wird ei­ne Ko­pie zu­ge­stellt.

Art. 88 Öffentliche Bekanntmachung  

1 Die Zu­stel­lung er­folgt durch Ver­öf­fent­li­chung in dem durch den Bund oder den Kan­ton be­zeich­ne­ten Amts­blatt, wenn:

a.
der Auf­ent­halts­ort der Adres­sa­tin oder des Adres­sa­ten un­be­kannt ist und trotz zu­mut­ba­rer Nach­for­schun­gen nicht er­mit­telt wer­den kann;
b.
ei­ne Zu­stel­lung un­mög­lich ist oder mit aus­ser­or­dent­li­chen Um­trie­ben ver­bun­den wä­re;
c.
ei­ne Par­tei oder ihr Rechts­bei­stand mit Wohn­sitz, ge­wöhn­li­chem Auf­ent­halts­ort oder Sitz im Aus­land kein Zu­stel­lungs­do­mi­zil in der Schweiz be­zeich­net hat.

2 Die Zu­stel­lung gilt am Tag der Ver­öf­fent­li­chung als er­folgt.

3 Von En­dent­schei­den wird nur das Dis­po­si­tiv ver­öf­fent­licht.

4 Ein­stel­lungs­ver­fü­gun­gen und Straf­be­feh­le gel­ten auch oh­ne Ver­öf­fent­li­chung als zu­ge­stellt.

7. Abschnitt: Fristen und Termine

Art. 89 Allgemeine Bestimmungen  

1 Ge­setz­li­che Fris­ten kön­nen nicht er­streckt wer­den.

2 Im Straf­ver­fah­ren gibt es kei­ne Ge­richts­fe­ri­en.

Art. 90 Beginn und Berechnung der Fristen  

1 Fris­ten, die durch ei­ne Mit­tei­lung oder den Ein­tritt ei­nes Er­eig­nis­ses aus­ge­löst wer­den, be­gin­nen am fol­gen­den Tag zu lau­fen.

2 Fällt der letz­te Tag der Frist auf einen Sams­tag, einen Sonn­tag oder einen vom Bun­des­recht oder vom kan­to­na­len Recht an­er­kann­ten Fei­er­tag, so en­det sie am nächst­fol­gen­den Werk­tag. Mass­ge­bend ist das Recht des Kan­tons, in dem die Par­tei oder ihr Rechts­bei­stand den Wohn­sitz oder den Sitz hat.27

27 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125).

Art. 91 Einhaltung von Fristen  

1 Die Frist ist ein­ge­hal­ten, wenn die Ver­fah­rens­hand­lung spä­tes­tens am letz­ten Tag bei der zu­stän­di­gen Be­hör­de vor­ge­nom­men wird.

2 Ein­ga­ben müs­sen spä­tes­tens am letz­ten Tag der Frist bei der Straf­be­hör­de ab­ge­ge­ben oder zu de­ren Han­den der Schwei­ze­ri­schen Post, ei­ner schwei­ze­ri­schen di­plo­ma­ti­schen oder kon­su­la­ri­schen Ver­tre­tung oder, im Fal­le von in­haf­tier­ten Per­so­nen, der An­stalts­lei­tung über­ge­ben wer­den.

3 Bei elek­tro­ni­scher Ein­rei­chung ist für die Wah­rung ei­ner Frist der Zeit­punkt mass­ge­bend, in dem die Quit­tung aus­ge­stellt wird, die be­stä­tigt, dass al­le Schrit­te ab­ge­schlos­sen sind, die auf der Sei­te der Par­tei für die Über­mitt­lung not­wen­dig sind.28

4 Die Frist gilt auch dann als ge­wahrt, wenn die Ein­ga­be spä­tes­tens am letz­ten Tag der Frist bei ei­ner nicht zu­stän­di­gen schwei­ze­ri­schen Be­hör­de ein­geht. Die­se lei­tet die Ein­ga­be un­ver­züg­lich an die zu­stän­di­ge Straf­be­hör­de wei­ter.

5 Die Frist für ei­ne Zah­lung an ei­ne Straf­be­hör­de ist ge­wahrt, wenn der Be­trag spä­tes­tens am letz­ten Tag der Frist zu­guns­ten der Straf­be­hör­de der Schwei­ze­ri­schen Post über­ge­ben oder ei­nem Post- oder Bank­kon­to in der Schweiz be­las­tet wor­den ist.

28 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des BG vom 18. März 2016 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

Art. 92 Erstreckung von Fristen und Verschiebung von Terminen  

Die Be­hör­den kön­nen von Am­tes we­gen oder auf Ge­such hin die von ih­nen an­ge­setz­ten Fris­ten er­stre­cken und Ver­hand­lungs­ter­mi­ne ver­schie­ben. Das Ge­such muss vor Ab­lauf der Frist ge­stellt wer­den und hin­rei­chend be­grün­det sein.

Art. 93 Säumnis  

Ei­ne Par­tei ist säu­mig, wenn sie ei­ne Ver­fah­rens­hand­lung nicht frist­ge­recht vor­nimmt oder zu ei­nem Ter­min nicht er­scheint.

Art. 94 Wiederherstellung  

1 Hat ei­ne Par­tei ei­ne Frist ver­säumt und wür­de ihr dar­aus ein er­heb­li­cher und un­er­setz­li­cher Rechts­ver­lust er­wach­sen, so kann sie die Wie­der­her­stel­lung der Frist ver­lan­gen; da­bei hat sie glaub­haft zu ma­chen, dass sie an der Säum­nis kein Ver­schul­den trifft.

2 Das Ge­such ist in­nert 30 Ta­gen nach Weg­fall des Säum­nis­grun­des schrift­lich und be­grün­det bei der Be­hör­de zu stel­len, bei wel­cher die ver­säum­te Ver­fah­rens­hand­lung hät­te vor­ge­nom­men wer­den sol­len. In­nert der glei­chen Frist muss die ver­säum­te Ver­fah­rens­hand­lung nach­ge­holt wer­den.

3 Das Ge­such hat nur auf­schie­ben­de Wir­kung, wenn die zu­stän­di­ge Be­hör­de sie er­teilt.

4 Über das Ge­such ent­schei­det die Straf­be­hör­de in ei­nem schrift­li­chen Ver­fah­ren.

5 Die Ab­sät­ze 1–4 gel­ten sinn­ge­mä­ss bei ver­säum­ten Ter­mi­nen. Wird die Wie­der­her­stel­lung be­wil­ligt, so setzt die Ver­fah­rens­lei­tung einen neu­en Ter­min fest. Die Be­stim­mun­gen über das Ab­we­sen­heits­ver­fah­ren blei­ben vor­be­hal­ten.

8. Abschnitt: Datenbearbeitung

Art. 95 Beschaffung von Personendaten  

1 Per­so­nen­da­ten sind bei der be­trof­fe­nen Per­son oder für die­se er­kenn­bar zu be­schaf­fen, wenn da­durch das Ver­fah­ren nicht ge­fähr­det oder un­ver­hält­nis­mäs­sig auf­wen­dig wird.

2 War die Be­schaf­fung von Per­so­nen­da­ten für die be­trof­fe­ne Per­son nicht er­kenn­bar, so ist die­se um­ge­hend dar­über zu in­for­mie­ren. Die In­for­ma­ti­on kann zum Schut­ze über­wie­gen­der öf­fent­li­cher oder pri­va­ter In­ter­es­sen un­ter­las­sen oder auf­ge­scho­ben wer­den.

Art. 95a Bearbeitung von Personendaten 29  

Bei der Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten sor­gen die zu­stän­di­gen Straf­be­hör­den da­für, dass sie so weit wie mög­lich un­ter­schei­den:

a.
zwi­schen den ver­schie­de­nen Ka­te­go­ri­en be­trof­fe­ner Per­so­nen;
b.
zwi­schen auf Tat­sa­chen und auf per­sön­li­chen Ein­schät­zun­gen be­ru­hen­den Per­so­nen­da­ten.

29 Ein­ge­fügt durch Ziff. II 3 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Um­set­zung der Richt­li­nie (EU) 2016/680 zum Schutz na­tür­li­cher Per­so­nen bei der Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten zum Zwe­cke der Ver­hü­tung, Er­mitt­lung, Auf­de­ckung oder Ver­fol­gung von Straf­ta­ten oder der Straf­voll­stre­ckung, in Kraft seit 1. März 2019 (AS 2019 625; BBl 2017 6941).

Art. 96 Bekanntgabe und Verwendung bei hängigem Strafverfahren  

1 Die Straf­be­hör­de darf aus ei­nem hän­gi­gen Ver­fah­ren Per­so­nen­da­ten zwecks Ver­wen­dung in ei­nem an­de­ren hän­gi­gen Ver­fah­ren be­kannt ge­ben, wenn an­zu­neh­men ist, dass die Da­ten we­sent­li­che Auf­schlüs­se ge­ben kön­nen.

2 Vor­be­hal­ten blei­ben:

a.
die Ar­ti­kel 11, 13, 14 und 20 des Bun­des­ge­set­zes vom 21. März 199730 über Mass­nah­men zur Wah­rung der in­ne­ren Si­cher­heit;
b.
die Vor­schrif­ten des Bun­des­ge­set­zes vom 13. Ju­ni 200831 über die po­li­zei­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­te­me des Bun­des;
c.
die Vor­schrif­ten des Bun­des­ge­set­zes vom 7. Ok­to­ber 199432 über kri­mi­nal­po­li­zei­li­che Zen­tral­stel­len des Bun­des.33

30 SR 120

31 SR 361

32 SR 360

33 Fas­sung ge­mä­ss An­hang 2 Ziff. I 1 Bst. a des BG vom 13. Ju­ni 2008 über die po­li­zei­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­te­me, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2008 4989; BBl 2006 5061).

Art. 97 Auskunftsrechte bei hängigem Verfahren  

So­lan­ge ein Ver­fah­ren hän­gig ist, ha­ben die Par­tei­en und die an­de­ren Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten nach Mass­ga­be des ih­nen zu­ste­hen­den Ak­ten­ein­sichts­rechts das Recht auf Aus­kunft über die sie be­tref­fen­den be­ar­bei­te­ten Per­so­nen­da­ten.

Art. 98 Berichtigung von Daten  

1 Er­wei­sen sich Per­so­nen­da­ten als un­rich­tig, so be­rich­ti­gen die zu­stän­di­gen Straf­be­hör­den sie un­ver­züg­lich.

2 Sie be­nach­rich­ti­gen die Be­hör­de, die ih­nen die­se Da­ten über­mit­telt oder zur Ver­fü­gung ge­stellt hat oder der sie die­se be­kannt ge­ge­ben ha­ben, un­ver­züg­lich über die Be­rich­ti­gung.34

34 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. II 3 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Um­set­zung der Richt­li­nie (EU) 2016/680 zum Schutz na­tür­li­cher Per­so­nen bei der Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten zum Zwe­cke der Ver­hü­tung, Er­mitt­lung, Auf­de­ckung oder Ver­fol­gung von Straf­ta­ten oder der Straf­voll­stre­ckung, in Kraft seit 1. März 2019 (AS 2019 625; BBl 2017 6941).

Art. 99 Bearbeitung und Aufbewahrung von Personendaten nach Abschluss des Verfahrens  

1 Nach Ab­schluss des Ver­fah­rens rich­ten sich das Be­ar­bei­ten von Per­so­nen­da­ten, das Ver­fah­ren und der Rechts­schutz nach den Be­stim­mun­gen des Da­ten­schutz­rechts von Bund und Kan­to­nen.

2 Die Dau­er der Auf­be­wah­rung von Per­so­nen­da­ten nach Ab­schluss ei­nes Ver­fah­rens be­stimmt sich nach Ar­ti­kel 103.

3 Vor­be­hal­ten blei­ben die Vor­schrif­ten des Bun­des­ge­set­zes vom 7. Ok­to­ber 199435 über kri­mi­nal­po­li­zei­li­che Zen­tral­stel­len des Bun­des, des Bun­des­ge­set­zes vom 13. Ju­ni 200836 über die po­li­zei­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­te­me des Bun­des so­wie die Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes über er­ken­nungs­dienst­li­che Un­ter­la­gen und DNA-Pro­fi­le.37

35 SR 360

36 SR 361

37 Fas­sung ge­mä­ss An­hang 2 Ziff. I 1 Bst. a des BG vom 13. Ju­ni 2008 über die po­li­zei­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­te­me, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2008 4989; BBl 2006 5061).

9. Abschnitt: Aktenführung, Akteneinsicht und Aktenaufbewahrung

Art. 100 Aktenführung  

1 Für je­de Strafsa­che wird ein Ak­ten­dos­sier an­ge­legt. Die­ses ent­hält:

a.
die Ver­fah­rens- und die Ein­ver­nah­me­pro­to­kol­le;
b.
die von der Straf­be­hör­de zu­sam­men­ge­tra­ge­nen Ak­ten;
c.
die von den Par­tei­en ein­ge­reich­ten Ak­ten.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung sorgt für die sys­te­ma­ti­sche Ab­la­ge der Ak­ten und für de­ren fort­lau­fen­de Er­fas­sung in ei­nem Ver­zeich­nis; in ein­fa­chen Fäl­len kann sie von ei­nem Ver­zeich­nis ab­se­hen.

Art. 101 Akteneinsicht bei hängigem Verfahren  

1 Die Par­tei­en kön­nen spä­tes­tens nach der ers­ten Ein­ver­nah­me der be­schul­dig­ten Per­son und der Er­he­bung der üb­ri­gen wich­tigs­ten Be­wei­se durch die Staats­an­walt­schaft die Ak­ten des Straf­ver­fah­rens ein­se­hen; Ar­ti­kel 108 bleibt vor­be­hal­ten.

2 An­de­re Be­hör­den kön­nen die Ak­ten ein­se­hen, wenn sie die­se für die Be­ar­bei­tung hän­gi­ger Zi­vil-, Straf- oder Ver­wal­tungs­ver­fah­ren be­nö­ti­gen und der Ein­sicht­nah­me kei­ne über­wie­gen­den öf­fent­li­chen oder pri­va­ten In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

3 Drit­te kön­nen die Ak­ten ein­se­hen, wenn sie da­für ein wis­sen­schaft­li­ches oder ein an­de­res schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se gel­tend ma­chen und der Ein­sicht­nah­me kei­ne über­wie­gen­den öf­fent­li­chen oder pri­va­ten In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

Art. 102 Vorgehen bei Begehren um Akteneinsicht  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung ent­schei­det über die Ak­ten­ein­sicht. Sie trifft die er­for­der­li­chen Mass­nah­men, um Miss­bräu­che und Ver­zö­ge­run­gen zu ver­hin­dern und be­rech­tig­te Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen zu schüt­zen.

2 Die Ak­ten sind am Sitz der be­tref­fen­den Straf­be­hör­de oder rechts­hil­fe­wei­se bei ei­ner an­dern Straf­be­hör­de ein­zu­se­hen. An­de­ren Be­hör­den so­wie den Rechts­bei­stän­den der Par­tei­en wer­den sie in der Re­gel zu­ge­stellt.

3 Wer zur Ein­sicht be­rech­tigt ist, kann ge­gen Ent­rich­tung ei­ner Ge­bühr die An­fer­ti­gung von Ko­pi­en der Ak­ten ver­lan­gen.

Art. 103 Aktenaufbewahrung  

1 Die Ak­ten sind min­des­tens bis zum Ab­lauf der Ver­fol­gungs- und Voll­stre­ckungs­ver­jäh­rung auf­zu­be­wah­ren.

2 Aus­ge­nom­men sind Ori­gi­nal­do­ku­men­te, die zu den Ak­ten ge­nom­men wur­den; sie sind den be­rech­tig­ten Per­so­nen ge­gen Emp­fangs­schein zu­rück­zu­ge­ben, so­bald die Strafsa­che rechts­kräf­tig ent­schie­den ist.

3. Titel: Parteien und andere Verfahrensbeteiligte

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

1. Abschnitt: Begriff und Stellung

Art. 104 Parteien  

1 Par­tei­en sind:

a.
die be­schul­dig­te Per­son;
b.
die Pri­vat­klä­ger­schaft;
c.
im Haupt- und im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren: die Staats­an­walt­schaft.

2 Bund und Kan­to­ne kön­nen wei­te­ren Be­hör­den, die öf­fent­li­che In­ter­es­sen zu wah­ren ha­ben, vol­le oder be­schränk­te Par­tei­rech­te ein­räu­men.

Art. 105 Andere Verfahrensbeteiligte  

1 An­de­re Ver­fah­rens­be­tei­lig­te sind:

a.
die ge­schä­dig­te Per­son;
b.
die Per­son, die An­zei­ge er­stat­tet;
c.
die Zeu­gin oder der Zeu­ge;
d.
die Aus­kunfts­per­son;
e.
die oder der Sach­ver­stän­di­ge;
f.
die oder der durch Ver­fah­rens­hand­lun­gen be­schwer­te Drit­te.

2 Wer­den in Ab­satz 1 ge­nann­te Ver­fah­rens­be­tei­lig­te in ih­ren Rech­ten un­mit­tel­bar be­trof­fen, so ste­hen ih­nen die zur Wah­rung ih­rer In­ter­es­sen er­for­der­li­chen Ver­fah­rens­rech­te ei­ner Par­tei zu.

Art. 106 Prozessfähigkeit  

1 Die Par­tei kann Ver­fah­rens­hand­lun­gen nur gül­tig vor­neh­men, wenn sie hand­lungs­fä­hig ist.

2 Ei­ne hand­lungs­un­fä­hi­ge Per­son wird durch ih­re ge­setz­li­che Ver­tre­tung ver­tre­ten.

3 Ei­ne ur­teils­fä­hi­ge hand­lungs­un­fä­hi­ge Per­son kann ne­ben ih­rer ge­setz­li­chen Ver­tre­tung je­ne Ver­fah­rens­rech­te aus­üben, die höchst­per­sön­li­cher Na­tur sind.

Art. 107 Anspruch auf rechtliches Gehör  

1 Die Par­tei­en ha­ben An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör; sie ha­ben na­ment­lich das Recht:

a.
Ak­ten ein­zu­se­hen;
b.
an Ver­fah­rens­hand­lun­gen teil­zu­neh­men;
c.
einen Rechts­bei­stand bei­zu­zie­hen;
d.
sich zur Sa­che und zum Ver­fah­ren zu äus­sern;
e.
Be­weis­an­trä­ge zu stel­len.

2 Die Straf­be­hör­den ma­chen rechts­un­kun­di­ge Par­tei­en auf ih­re Rech­te auf­merk­sam.

Art. 108 Einschränkungen des rechtlichen Gehörs  

1 Die Straf­be­hör­den kön­nen das recht­li­che Ge­hör ein­schrän­ken, wenn:

a.
der be­grün­de­te Ver­dacht be­steht, dass ei­ne Par­tei ih­re Rech­te miss­braucht;
b.
dies für die Si­cher­heit von Per­so­nen oder zur Wah­rung öf­fent­li­cher oder pri­va­ter Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen er­for­der­lich ist.

2 Ein­schrän­kun­gen ge­gen­über Rechts­bei­stän­den sind nur zu­läs­sig, wenn der Rechts­bei­stand selbst An­lass für die Be­schrän­kung gibt.

3 Die Ein­schrän­kun­gen sind zu be­fris­ten oder auf ein­zel­ne Ver­fah­rens­hand­lun­gen zu be­gren­zen.

4 Be­steht der Grund für die Ein­schrän­kung fort, so dür­fen die Straf­be­hör­den Ent­schei­de nur so weit auf Ak­ten, die ei­ner Par­tei nicht er­öff­net wor­den sind, stüt­zen, als ihr von de­ren we­sent­li­chem In­halt Kennt­nis ge­ge­ben wur­de.

5 Ist der Grund für die Ein­schrän­kung weg­ge­fal­len, so ist das recht­li­che Ge­hör in ge­eig­ne­ter Form nach­träg­lich zu ge­wäh­ren.

2. Abschnitt: Verfahrenshandlungen der Parteien

Art. 109 Eingaben  

1 Die Par­tei­en kön­nen der Ver­fah­rens­lei­tung je­der­zeit Ein­ga­ben ma­chen; vor­be­hal­ten blei­ben be­son­de­re Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung prüft die Ein­ga­ben und gibt den an­de­ren Par­tei­en Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me.

Art. 110 Form  

1 Ein­ga­ben kön­nen schrift­lich ein­ge­reicht oder münd­lich zu Pro­to­koll ge­ge­ben wer­den. Schrift­li­che Ein­ga­ben sind zu da­tie­ren und zu un­ter­zeich­nen.

2 Bei elek­tro­ni­scher Ein­rei­chung muss die Ein­ga­be mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Si­gna­tur ge­mä­ss Bun­des­ge­setz vom 18. März 201638 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur ver­se­hen wer­den. Der Bun­des­rat re­gelt:

a.
das For­mat der Ein­ga­be und ih­rer Bei­la­gen;
b.
die Art und Wei­se der Über­mitt­lung;
c.
die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen bei tech­ni­schen Pro­ble­men die Nach­rei­chung von Do­ku­men­ten auf Pa­pier ver­langt wer­den kann.39

3 Im Üb­ri­gen sind Ver­fah­rens­hand­lun­gen an kei­ne Form­vor­schrif­ten ge­bun­den, so­weit die­ses Ge­setz nichts Ab­wei­chen­des be­stimmt.

4 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann un­le­ser­li­che, un­ver­ständ­li­che, un­ge­bühr­li­che oder weit­schwei­fi­ge Ein­ga­ben zu­rück­wei­sen; sie setzt ei­ne Frist zur Über­ar­bei­tung und weist dar­auf hin, dass die Ein­ga­be, falls sie nicht über­ar­bei­tet wird, un­be­ach­tet bleibt.

38 SR 943.03

39 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 7 des BG vom 18. März 2016 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

2. Kapitel: Beschuldigte Person

Art. 111 Begriff  

1 Als be­schul­dig­te Per­son gilt die Per­son, die in ei­ner Straf­an­zei­ge, ei­nem Straf­an­trag oder von ei­ner Straf­be­hör­de in ei­ner Ver­fah­rens­hand­lung ei­ner Straf­tat ver­däch­tigt, be­schul­digt oder an­ge­klagt wird.

2 Die Rech­te und die Pflich­ten ei­ner be­schul­dig­ten Per­son gel­ten auch für Per­so­nen, de­ren Ver­fah­ren nach ei­ner Ein­stel­lung oder ei­nem Ur­teil im Sin­ne des Ar­ti­kels 323 oder der Ar­ti­kel 410–415 wie­der­auf­ge­nom­men wer­den soll.

Art. 112 Strafverfahren gegen Unternehmen  

1 In ei­nem Straf­ver­fah­ren ge­gen ein Un­ter­neh­men wird die­ses von ei­ner ein­zi­gen Per­son ver­tre­ten, die un­ein­ge­schränkt zur Ver­tre­tung des Un­ter­neh­mens in zi­vil­recht­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten be­fugt ist.

2 Be­stellt das Un­ter­neh­men nicht in­nert an­ge­mes­se­ner Frist ei­ne sol­che Ver­tre­tung, so be­stimmt die Ver­fah­rens­lei­tung, wer von den zur zi­vil­recht­li­chen Ver­tre­tung be­fug­ten Per­so­nen das Un­ter­neh­men im Straf­ver­fah­ren ver­tritt.

3 Wird ge­gen die Per­son, die das Un­ter­neh­men im Straf­ver­fah­ren ver­tritt, we­gen des glei­chen oder ei­nes da­mit zu­sam­men­hän­gen­den Sach­ver­halts ei­ne Stra­fun­ter­su­chung er­öff­net, so hat das Un­ter­neh­men ei­ne an­de­re Ver­tre­te­rin oder einen an­de­ren Ver­tre­ter zu be­zeich­nen. Nö­ti­gen­falls be­stimmt die Ver­fah­rens­lei­tung zur Ver­tre­tung ei­ne an­de­re Per­son nach Ab­satz 2 oder, so­fern ei­ne sol­che nicht zur Ver­fü­gung steht, ei­ne ge­eig­ne­te Dritt­per­son.

4 Wird we­gen des glei­chen oder ei­nes da­mit zu­sam­men­hän­gen­den Sach­ver­halts so­wohl ein Ver­fah­ren ge­gen ei­ne na­tür­li­che Per­son wie auch ein Ver­fah­ren ge­gen ein Un­ter­neh­men ge­führt, so kön­nen die Ver­fah­ren ver­ei­nigt wer­den.

Art. 113 Stellung  

1 Die be­schul­dig­te Per­son muss sich nicht selbst be­las­ten. Sie hat na­ment­lich das Recht, die Aus­sa­ge und ih­re Mit­wir­kung im Straf­ver­fah­ren zu ver­wei­gern. Sie muss sich aber den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Zwangs­mass­nah­men un­ter­zie­hen.

2 Ver­wei­gert die be­schul­dig­te Per­son ih­re Mit­wir­kung, so wird das Ver­fah­ren gleich­wohl fort­ge­führt.

Art. 114 Verhandlungsfähigkeit  

1 Ver­hand­lungs­fä­hig ist ei­ne be­schul­dig­te Per­son, die kör­per­lich und geis­tig in der La­ge ist, der Ver­hand­lung zu fol­gen.

2 Bei vor­über­ge­hen­der Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit wer­den die un­auf­schieb­ba­ren Ver­fah­rens­hand­lun­gen in An­we­sen­heit der Ver­tei­di­gung durch­ge­führt.

3 Dau­ert die Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit fort, so wird das Straf­ver­fah­ren sis­tiert oder ein­ge­stellt. Die be­son­de­ren Be­stim­mun­gen für Ver­fah­ren ge­gen ei­ne schul­d­un­fä­hi­ge be­schul­dig­te Per­son blei­ben vor­be­hal­ten.

3. Kapitel: Geschädigte Person, Opfer und Privatklägerschaft

1. Abschnitt: Geschädigte Person

Art. 115  

1 Als ge­schä­dig­te Per­son gilt die Per­son, die durch die Straf­tat in ih­ren Rech­ten un­mit­tel­bar ver­letzt wor­den ist.

2 Die zur Stel­lung ei­nes Straf­an­trags be­rech­tig­te Per­son gilt in je­dem Fall als ge­schä­dig­te Per­son.

2. Abschnitt: Opfer

Art. 116 Begriffe  

1 Als Op­fer gilt die ge­schä­dig­te Per­son, die durch die Straf­tat in ih­rer kör­per­li­chen, se­xu­el­len oder psy­chi­schen In­te­gri­tät un­mit­tel­bar be­ein­träch­tigt wor­den ist.

2 Als An­ge­hö­ri­ge des Op­fers gel­ten sei­ne Ehe­gat­tin oder sein Ehe­gat­te, sei­ne Kin­der und El­tern so­wie die Per­so­nen, die ihm in ähn­li­cher Wei­se na­he ste­hen.

Art. 117 Stellung  

1 Dem Op­fer ste­hen be­son­de­re Rech­te zu, na­ment­lich:

a.
das Recht auf Per­sön­lich­keits­schutz (Art. 70 Abs. 1 Bst. a, 74 Abs. 4, 152 Abs. 1);
b.
das Recht auf Be­glei­tung durch ei­ne Ver­trau­ens­per­son (Art. 70 Abs. 2, 152 Abs. 2);
c.
das Recht auf Schutz­mass­nah­men (Art. 152–154);
d.
das Recht auf Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rung (Art. 169 Abs. 4);
e.
das Recht auf In­for­ma­ti­on (Art. 305 und 330 Abs. 3);
f.
das Recht auf ei­ne be­son­de­re Zu­sam­men­set­zung des Ge­richts (Art. 335 Abs. 4).

2 Bei Op­fern un­ter 18 Jah­ren kom­men dar­über hin­aus die be­son­de­ren Be­stim­mun­gen zum Schutz ih­rer Per­sön­lich­keit zur An­wen­dung, na­ment­lich be­tref­fend:

a.
Ein­schrän­kun­gen bei der Ge­gen­über­stel­lung mit der be­schul­dig­ten Per­son (Art. 154 Abs. 4);
b.
be­son­de­re Schutz­mass­nah­men bei Ein­ver­nah­men (Art. 154 Abs. 2–4);
c.
Ein­stel­lung des Ver­fah­rens (Art. 319 Abs. 2).

3 Ma­chen die An­ge­hö­ri­gen des Op­fers Zi­vil­an­sprü­che gel­tend, so ste­hen ih­nen die glei­chen Rech­te zu wie dem Op­fer.

3. Abschnitt: Privatklägerschaft

Art. 118 Begriff und Voraussetzungen  

1 Als Pri­vat­klä­ger­schaft gilt die ge­schä­dig­te Per­son, die aus­drück­lich er­klärt, sich am Straf­ver­fah­ren als Straf- oder Zi­vil­klä­ge­rin oder -klä­ger zu be­tei­li­gen.

2 Der Straf­an­trag ist die­ser Er­klä­rung gleich­ge­stellt.

3 Die Er­klä­rung ist ge­gen­über ei­ner Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de spä­tes­tens bis zum Ab­schluss des Vor­ver­fah­rens ab­zu­ge­ben.

4 Hat die ge­schä­dig­te Per­son von sich aus kei­ne Er­klä­rung ab­ge­ge­ben, so weist sie die Staats­an­walt­schaft nach Er­öff­nung des Vor­ver­fah­rens auf die­se Mög­lich­keit hin.

Art. 119 Form und Inhalt der Erklärung  

1 Die ge­schä­dig­te Per­son kann die Er­klä­rung schrift­lich oder münd­lich zu Pro­to­koll ab­ge­ben.

2 In der Er­klä­rung kann die ge­schä­dig­te Per­son ku­mu­la­tiv oder al­ter­na­tiv:

a.
die Ver­fol­gung und Be­stra­fung der für die Straf­tat ver­ant­wort­li­chen Per­son ver­lan­gen (Straf­kla­ge);
b.
ad­hä­si­ons­wei­se pri­vat­recht­li­che An­sprü­che gel­tend ma­chen, die aus der Straf­tat ab­ge­lei­tet wer­den (Zi­vil­kla­ge).
Art. 120 Verzicht und Rückzug  

1 Die ge­schä­dig­te Per­son kann je­der­zeit schrift­lich oder münd­lich zu Pro­to­koll er­klä­ren, sie ver­zich­te auf die ihr zu­ste­hen­den Rech­te. Der Ver­zicht ist end­gül­tig.

2 Wird der Ver­zicht nicht aus­drück­lich ein­ge­schränkt, so um­fasst er die Straf- und die Zi­vil­kla­ge.

Art. 121 Rechtsnachfolge  

1 Stirbt die ge­schä­dig­te Per­son, oh­ne auf ih­re Ver­fah­rens­rech­te als Pri­vat­klä­ger­schaft ver­zich­tet zu ha­ben, so ge­hen ih­re Rech­te auf die An­ge­hö­ri­gen im Sin­ne von Ar­ti­kel 110 Ab­satz 1 StGB40 in der Rei­hen­fol­ge der Erb­be­rech­ti­gung über.

2 Wer von Ge­set­zes we­gen in die An­sprü­che der ge­schä­dig­ten Per­son ein­ge­tre­ten ist, ist nur zur Zi­vil­kla­ge be­rech­tigt und hat nur je­ne Ver­fah­rens­rech­te, die sich un­mit­tel­bar auf die Durch­set­zung der Zi­vil­kla­ge be­zie­hen.

4. Abschnitt: Zivilklage

Art. 122 Allgemeine Bestimmungen  

1 Die ge­schä­dig­te Per­son kann zi­vil­recht­li­che An­sprü­che aus der Straf­tat als Pri­vat­klä­ger­schaft ad­hä­si­ons­wei­se im Straf­ver­fah­ren gel­tend ma­chen.

2 Das glei­che Recht steht auch den An­ge­hö­ri­gen des Op­fers zu, so­weit sie ge­gen­über der be­schul­dig­ten Per­son ei­ge­ne Zi­vil­an­sprü­che gel­tend ma­chen.

3 Die Zi­vil­kla­ge wird mit der Er­klä­rung nach Ar­ti­kel 119 Ab­satz 2 Buch­sta­be b rechts­hän­gig.

4 Zieht die Pri­vat­klä­ger­schaft ih­re Zi­vil­kla­ge vor Ab­schluss der ers­tin­stanz­li­chen Haupt­ver­hand­lung zu­rück, so kann sie sie auf dem Zi­vil­weg er­neut gel­tend ma­chen.

Art. 123 Bezifferung und Begründung  

1 Die in der Zi­vil­kla­ge gel­tend ge­mach­te For­de­rung ist nach Mög­lich­keit in der Er­klä­rung nach Ar­ti­kel 119 zu be­zif­fern und, un­ter An­ga­be der an­ge­ru­fe­nen Be­weis­mit­tel, kurz schrift­lich zu be­grün­den.

2 Be­zif­fe­rung und Be­grün­dung ha­ben spä­tes­tens im Par­tei­vor­trag zu er­fol­gen.

Art. 124 Zuständigkeit und Verfahren  

1 Das mit der Strafsa­che be­fass­te Ge­richt be­ur­teilt den Zi­vil­an­spruch un­ge­ach­tet des Streit­wer­tes.

2 Der be­schul­dig­ten Per­son wird spä­tes­tens im ers­tin­stanz­li­chen Haupt­ver­fah­ren Ge­le­gen­heit ge­ge­ben, sich zur Zi­vil­kla­ge zu äus­sern.

3 An­er­kennt sie die Zi­vil­kla­ge, so wird dies im Pro­to­koll und im ver­fah­renser­le­di­gen­den Ent­scheid fest­ge­hal­ten.

Art. 125 Sicherheit für die Ansprüche gegenüber der Privatklägerschaft  

1 Die Pri­vat­klä­ger­schaft, mit Aus­nah­me des Op­fers, hat auf An­trag der be­schul­dig­ten Per­son für de­ren mut­mass­li­che, durch die An­trä­ge zum Zi­vil­punkt ver­ur­sach­ten Auf­wen­dun­gen Si­cher­heit zu leis­ten, wenn:

a.
sie kei­nen Wohn­sitz oder Sitz in der Schweiz hat;
b.
sie zah­lungs­un­fä­hig er­scheint, na­ment­lich wenn ge­gen sie der Kon­kurs er­öff­net oder ein Nach­lass­ver­fah­ren im Gang ist oder Ver­lust­schei­ne be­ste­hen;
c.
aus an­de­ren Grün­den ei­ne er­heb­li­che Ge­fähr­dung oder Ver­ei­te­lung des An­spruchs der be­schul­dig­ten Per­son zu be­fürch­ten ist.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung des Ge­richts ent­schei­det über den An­trag end­gül­tig. Sie be­stimmt die Hö­he der Si­cher­heit und setzt ei­ne Frist zur Leis­tung.

3 Die Si­cher­heit kann in bar oder durch Ga­ran­tie ei­ner in der Schweiz nie­der­ge­las­se­nen Bank oder Ver­si­che­rung ge­leis­tet wer­den.

4 Sie kann nach­träg­lich er­höht, her­ab­ge­setzt oder auf­ge­ho­ben wer­den.

Art. 126 Entscheid  

1 Das Ge­richt ent­schei­det über die an­hän­gig ge­mach­te Zi­vil­kla­ge, wenn es die be­schul­dig­te Per­son:

a.
schul­dig spricht;
b.
frei­spricht und der Sach­ver­halt spruch­reif ist.

2 Die Zi­vil­kla­ge wird auf den Zi­vil­weg ver­wie­sen, wenn:

a.
das Straf­ver­fah­ren ein­ge­stellt oder im Straf­be­fehls­ver­fah­ren er­le­digt wird;
b.
die Pri­vat­klä­ger­schaft ih­re Kla­ge nicht hin­rei­chend be­grün­det oder be­zif­fert hat;
c.
die Pri­vat­klä­ger­schaft die Si­cher­heit für die An­sprü­che der be­schul­dig­ten Per­son nicht leis­tet;
d.
die be­schul­dig­te Per­son frei­ge­spro­chen wird, der Sach­ver­halt aber nicht spruch­reif ist.

3 Wä­re die voll­stän­di­ge Be­ur­tei­lung des Zi­vil­an­spruchs un­ver­hält­nis­mäs­sig auf­wen­dig, so kann das Ge­richt die Zi­vil­kla­ge nur dem Grund­satz nach ent­schei­den und sie im Üb­ri­gen auf den Zi­vil­weg ver­wei­sen. An­sprü­che von ge­rin­ger Hö­he be­ur­teilt das Ge­richt nach Mög­lich­keit selbst.

4 In Fäl­len, in de­nen Op­fer be­tei­ligt sind, kann das Ge­richt vor­erst nur den Schuld- und Straf­punkt be­ur­tei­len; an­sch­lies­send be­ur­teilt die Ver­fah­rens­lei­tung als Ein­zel­ge­richt nach ei­ner wei­te­ren Par­teiver­hand­lung die Zi­vil­kla­ge, un­ge­ach­tet des Streit­werts.

4. Kapitel: Rechtsbeistand

1. Abschnitt: Grundsätze

Art. 127  

1 Die be­schul­dig­te Per­son, die Pri­vat­klä­ger­schaft und die an­de­ren Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten kön­nen zur Wah­rung ih­rer In­ter­es­sen einen Rechts­bei­stand be­stel­len.

2 Die Par­tei­en kön­nen zwei oder meh­re­re Per­so­nen als Rechts­bei­stand bei­zie­hen, so­weit da­durch das Ver­fah­ren nicht un­ge­bühr­lich ver­zö­gert wird. In die­sem Fall ha­ben sie ei­ne von ih­nen als Haupt­ver­tre­te­rin oder Haupt­ver­tre­ter zu be­zeich­nen, die oder der zu den Ver­tre­tungs­hand­lun­gen vor den Straf­be­hör­den be­fugt ist und de­ren oder des­sen Do­mi­zil als ein­zi­ge Zu­stel­l­adres­se gilt.

3 Der Rechts­bei­stand kann in den Schran­ken von Ge­setz und Stan­des­re­geln im glei­chen Ver­fah­ren die In­ter­es­sen meh­re­rer Ver­fah­rens­be­tei­lig­ter wah­ren.

4 Die Par­tei­en kön­nen je­de hand­lungs­fä­hi­ge, gut be­leu­mun­de­te und ver­trau­ens­wür­di­ge Per­son als Rechts­bei­stand be­stel­len; vor­be­hal­ten blei­ben die Be­schrän­kun­gen des An­walts­rechts.

5 Die Ver­tei­di­gung der be­schul­dig­ten Per­son ist An­wäl­tin­nen und An­wäl­ten vor­be­hal­ten, die nach dem An­walts­ge­setz vom 23. Ju­ni 200041 be­rech­tigt sind, Par­tei­en vor Ge­richts­be­hör­den zu ver­tre­ten; vor­be­hal­ten blei­ben ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen der Kan­to­ne für die Ver­tei­di­gung im Über­tre­tungs­straf­ver­fah­ren.

2. Abschnitt: Verteidigung

Art. 128 Stellung  

Die Ver­tei­di­gung ist in den Schran­ken von Ge­setz und Stan­des­re­geln al­lein den In­ter­es­sen der be­schul­dig­ten Per­son ver­pflich­tet.

Art. 129 Wahlverteidigung  

1 Die be­schul­dig­te Per­son ist be­rech­tigt, in je­dem Straf­ver­fah­ren und auf je­der Ver­fah­rens­stu­fe einen Rechts­bei­stand im Sin­ne von Ar­ti­kel 127 Ab­satz 5 mit ih­rer Ver­tei­di­gung zu be­trau­en (Wahl­ver­tei­di­gung) oder, un­ter Vor­be­halt von Ar­ti­kel 130, sich sel­ber zu ver­tei­di­gen.

2 Die Aus­übung der Wahl­ver­tei­di­gung setzt ei­ne schrift­li­che Voll­macht oder ei­ne pro­to­kol­lier­te Er­klä­rung der be­schul­dig­ten Per­son vor­aus.

Art. 130 Notwendige Verteidigung  

Die be­schul­dig­te Per­son muss ver­tei­digt wer­den, wenn:

a.
die Un­ter­su­chungs­haft ein­sch­liess­lich ei­ner vor­läu­fi­gen Fest­nah­me mehr als 10 Ta­ge ge­dau­ert hat;
b.42
ihr ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als ei­nem Jahr, ei­ne frei­heits­ent­zie­hen­de Mass­nah­me oder ei­ne Lan­des­ver­wei­sung droht;
c.
sie we­gen ih­res kör­per­li­chen oder geis­ti­gen Zu­stan­des oder aus an­de­ren Grün­den ih­re Ver­fah­rens­in­ter­es­sen nicht aus­rei­chend wah­ren kann und die ge­setz­li­che Ver­tre­tung da­zu nicht in der La­ge ist;
d.
die Staats­an­walt­schaft vor dem ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt oder dem Be­ru­fungs­ge­richt per­sön­lich auf­tritt;
e.
ein ab­ge­kürz­tes Ver­fah­ren (Art. 358–362) durch­ge­führt wird.

42 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 5 des BG vom 20. März 2015 (Um­set­zung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Aus­schaf­fung kri­mi­nel­ler Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).

Art. 131 Sicherstellung der notwendigen Verteidigung  

1 Liegt ein Fall not­wen­di­ger Ver­tei­di­gung vor, so ach­tet die Ver­fah­rens­lei­tung dar­auf, dass un­ver­züg­lich ei­ne Ver­tei­di­gung be­stellt wird.

2 Sind die Vor­aus­set­zun­gen not­wen­di­ger Ver­tei­di­gung bei Ein­lei­tung des Vor­ver­fah­rens er­füllt, so ist die Ver­tei­di­gung nach der ers­ten Ein­ver­nah­me durch die Staats­an­walt­schaft, je­den­falls aber vor Er­öff­nung der Un­ter­su­chung, si­cher­zu­stel­len.

3 Wur­den in Fäl­len, in de­nen die Ver­tei­di­gung er­kenn­bar not­wen­dig ge­we­sen wä­re, Be­wei­se er­ho­ben, be­vor ei­ne Ver­tei­di­ge­rin oder ein Ver­tei­di­ger be­stellt wor­den ist, so ist die Be­weis­er­he­bung nur gül­tig, wenn die be­schul­dig­te Per­son auf ih­re Wie­der­ho­lung ver­zich­tet.

Art. 132 Amtliche Verteidigung  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung ord­net ei­ne amt­li­che Ver­tei­di­gung an, wenn:

a.
bei not­wen­di­ger Ver­tei­di­gung:
1.
die be­schul­dig­te Per­son trotz Auf­for­de­rung der Ver­fah­rens­lei­tung kei­ne Wahl­ver­tei­di­gung be­stimmt,
2.
der Wahl­ver­tei­di­gung das Man­dat ent­zo­gen wur­de oder sie es nie­der­ge­legt hat und die be­schul­dig­te Per­son nicht in­nert Frist ei­ne neue Wahl­ver­tei­di­gung be­stimmt;
b.
die be­schul­dig­te Per­son nicht über die er­for­der­li­chen Mit­tel ver­fügt und die Ver­tei­di­gung zur Wah­rung ih­rer In­ter­es­sen ge­bo­ten ist.

2 Zur Wah­rung der In­ter­es­sen der be­schul­dig­ten Per­son ist die Ver­tei­di­gung na­ment­lich ge­bo­ten, wenn es sich nicht um einen Ba­ga­tell­fall han­delt und der Straf­fall in tat­säch­li­cher oder recht­li­cher Hin­sicht Schwie­rig­kei­ten bie­tet, de­nen die be­schul­dig­te Per­son al­lein nicht ge­wach­sen wä­re.

3 Ein Ba­ga­tell­fall liegt je­den­falls dann nicht mehr vor, wenn ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als 4 Mo­na­ten oder ei­ne Geld­stra­fe von mehr als 120 Ta­ges­sät­zen zu er­war­ten ist.43

43 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 19. Ju­ni 2015 (Än­de­run­gen des Sank­tio­nen­rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).

Art. 133 Bestellung der amtlichen Verteidigung  

1 Die amt­li­che Ver­tei­di­gung wird von der im je­wei­li­gen Ver­fah­rens­sta­di­um zu­stän­di­gen Ver­fah­rens­lei­tung be­stellt.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung be­rück­sich­tigt bei der Be­stel­lung der amt­li­chen Ver­tei­di­gung nach Mög­lich­keit die Wün­sche der be­schul­dig­ten Per­son.

Art. 134 Widerruf und Wechsel der amtlichen Verteidigung  

1 Fällt der Grund für die amt­li­che Ver­tei­di­gung da­hin, so wi­der­ruft die Ver­fah­rens­lei­tung das Man­dat.

2 Ist das Ver­trau­ens­ver­hält­nis zwi­schen der be­schul­dig­ten Per­son und ih­rer amt­li­chen Ver­tei­di­gung er­heb­lich ge­stört oder ei­ne wirk­sa­me Ver­tei­di­gung aus an­dern Grün­den nicht mehr ge­währ­leis­tet, so über­trägt die Ver­fah­rens­lei­tung die amt­li­che Ver­tei­di­gung ei­ner an­de­ren Per­son.

Art. 135 Entschädigung der amtlichen Verteidigung  

1 Die amt­li­che Ver­tei­di­gung wird nach dem An­walt­s­ta­rif des Bun­des oder des­je­ni­gen Kan­tons ent­schä­digt, in dem das Straf­ver­fah­ren ge­führt wur­de.

2 Die Staats­an­walt­schaft oder das ur­tei­len­de Ge­richt le­gen die Ent­schä­di­gung am En­de des Ver­fah­rens fest.

3 Ge­gen den Ent­schä­di­gungs­ent­scheid kann die amt­li­che Ver­tei­di­gung Be­schwer­de füh­ren:

a.
wenn der Ent­scheid von der Staats­an­walt­schaft oder dem ers­tin­stanz­li­chen Ge­richt ge­fällt wur­de: bei der Be­schwer­de­in­stanz;
b.
wenn der Ent­scheid von der Be­schwer­de­in­stanz oder dem Be­ru­fungs­ge­richt des Kan­tons ge­fällt wur­de: beim Bun­dess­traf­ge­richt.

4 Wird die be­schul­dig­te Per­son zu den Ver­fah­rens­kos­ten ver­ur­teilt, so ist sie, so­bald es ih­re wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se er­lau­ben, ver­pflich­tet:

a.
dem Bund oder dem Kan­ton die Ent­schä­di­gung zu­rück­zu­zah­len;
b.
der Ver­tei­di­gung die Dif­fe­renz zwi­schen der amt­li­chen Ent­schä­di­gung und dem vol­len Ho­no­rar zu er­stat­ten.

5 Der An­spruch des Bun­des oder des Kan­tons ver­jährt in 10 Jah­ren nach Rechts­kraft des Ent­schei­des.

3. Abschnitt: Unentgeltliche Rechtspflege für die Privatklägerschaft

Art. 136 Voraussetzungen  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung ge­währt der Pri­vat­klä­ger­schaft für die Durch­set­zung ih­rer Zi­vil­an­sprü­che ganz oder teil­wei­se die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge, wenn:

a.
die Pri­vat­klä­ger­schaft nicht über die er­for­der­li­chen Mit­tel ver­fügt; und
b.
die Zi­vil­kla­ge nicht aus­sichts­los er­scheint.

2 Die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge um­fasst:

a.
die Be­frei­ung von Vor­schuss- und Si­cher­heits­leis­tun­gen;
b.
die Be­frei­ung von den Ver­fah­rens­kos­ten;
c.
die Be­stel­lung ei­nes Rechts­bei­stands, wenn dies zur Wah­rung der Rech­te der Pri­vat­klä­ger­schaft not­wen­dig ist.
Art. 137 Bestellung, Widerruf und Wechsel  

Be­stel­lung, Wi­der­ruf und Wech­sel der Ver­bei­stän­dung rich­ten sich sinn­ge­mä­ss nach den Ar­ti­keln 133 und 134.

Art. 138 Entschädigung und Kostentragung  

1 Die Ent­schä­di­gung des Rechts­bei­stands rich­tet sich sinn­ge­mä­ss nach Ar­ti­kel 135; der de­fi­ni­ti­ve Ent­scheid über die Tra­gung der Kos­ten des Rechts­bei­stands und je­ner Ver­fah­rens­hand­lun­gen, für die der Kos­ten­vor­schuss er­las­sen wur­de, bleibt vor­be­hal­ten.

2 Wird der Pri­vat­klä­ger­schaft ei­ne Pro­zess­ent­schä­di­gung zu­las­ten der be­schul­dig­ten Per­son zu­ge­spro­chen, so fällt die­se Ent­schä­di­gung im Um­fang der Auf­wen­dun­gen für die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge an den Bund be­zie­hungs­wei­se an den Kan­ton.

4. Titel: Beweismittel

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

1. Abschnitt: Beweiserhebung und Beweisverwertbarkeit

Art. 139 Grundsätze  

1 Die Straf­be­hör­den set­zen zur Wahr­heits­fin­dung al­le nach dem Stand von Wis­sen­schaft und Er­fah­rung ge­eig­ne­ten Be­weis­mit­tel ein, die recht­lich zu­läs­sig sind.

2 Über Tat­sa­chen, die un­er­heb­lich, of­fen­kun­dig, der Straf­be­hör­de be­kannt oder be­reits rechts­ge­nü­gend er­wie­sen sind, wird nicht Be­weis ge­führt.

Art. 140 Verbotene Beweiserhebungsmethoden  

1 Zwangs­mit­tel, Ge­walt­an­wen­dung, Dro­hun­gen, Ver­spre­chun­gen, Täu­schun­gen und Mit­tel, wel­che die Denk­fä­hig­keit oder die Wil­lens­frei­heit ei­ner Per­son be­ein­träch­ti­gen kön­nen, sind bei der Be­weis­er­he­bung un­ter­sagt.

2 Sol­che Me­tho­den sind auch dann un­zu­läs­sig, wenn die be­trof­fe­ne Per­son ih­rer An­wen­dung zu­stimmt.

Art. 141 Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise  

1 Be­wei­se, die in Ver­let­zung von Ar­ti­kel 140 er­ho­ben wur­den, sind in kei­nem Fal­le ver­wert­bar. Das­sel­be gilt, wenn die­ses Ge­setz einen Be­weis als un­ver­wert­bar be­zeich­net.

2 Be­wei­se, die Straf­be­hör­den in straf­ba­rer Wei­se oder un­ter Ver­let­zung von Gül­tig­keits­vor­schrif­ten er­ho­ben ha­ben, dür­fen nicht ver­wer­tet wer­den, es sei denn, ih­re Ver­wer­tung sei zur Auf­klä­rung schwe­rer Straf­ta­ten un­er­läss­lich.

3 Be­wei­se, bei de­ren Er­he­bung Ord­nungs­vor­schrif­ten ver­letzt wor­den sind, sind ver­wert­bar.

4 Er­mög­lich­te ein Be­weis, der nach Ab­satz 2 nicht ver­wer­tet wer­den darf, die Er­he­bung ei­nes wei­te­ren Be­wei­ses, so ist die­ser nicht ver­wert­bar, wenn er oh­ne die vor­her­ge­hen­de Be­weis­er­he­bung nicht mög­lich ge­we­sen wä­re.

5 Die Auf­zeich­nun­gen über un­ver­wert­ba­re Be­wei­se wer­den aus den Strafak­ten ent­fernt, bis zum rechts­kräf­ti­gen Ab­schluss des Ver­fah­rens un­ter se­pa­ra­tem Ver­schluss ge­hal­ten und da­nach ver­nich­tet.

2. Abschnitt: Einvernahmen

Art. 142 Einvernehmende Strafbehörde  

1 Ein­ver­nah­men wer­den von der Staats­an­walt­schaft, den Über­tre­tungs­straf­be­hör­den und den Ge­rich­ten durch­ge­führt. Bund und Kan­to­ne be­stim­men, in wel­chem Mas­se Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter die­ser Be­hör­den Ein­ver­nah­men durch­füh­ren kön­nen.

2 Die Po­li­zei kann be­schul­dig­te Per­so­nen und Aus­kunfts­per­so­nen ein­ver­neh­men. Bund und Kan­to­ne kön­nen An­ge­hö­ri­ge der Po­li­zei be­stim­men, die im Auf­trag der Staats­an­walt­schaft Zeu­gin­nen und Zeu­gen ein­ver­neh­men kön­nen.

Art. 143 Durchführung der Einvernahme  

1 Zu Be­ginn der Ein­ver­nah­me wird die ein­zu­ver­neh­men­de Per­son in ei­ner ihr ver­ständ­li­chen Spra­che:

a.
über ih­re Per­so­na­li­en be­fragt;
b.
über den Ge­gen­stand des Straf­ver­fah­rens und die Ei­gen­schaft, in der sie ein­ver­nom­men wird, in­for­miert;
c.
um­fas­send über ih­re Rech­te und Pflich­ten be­lehrt.

2 Im Pro­to­koll ist zu ver­mer­ken, dass die Be­stim­mun­gen nach Ab­satz 1 ein­ge­hal­ten wor­den sind.

3 Die Straf­be­hör­de kann wei­te­re Er­he­bun­gen über die Iden­ti­tät der ein­zu­ver­neh­men­den Per­son durch­füh­ren.

4 Sie for­dert die ein­zu­ver­neh­men­de Per­son auf, sich zum Ge­gen­stand der Ein­ver­nah­me zu äus­sern.

5 Sie strebt durch klar for­mu­lier­te Fra­gen und Vor­hal­te die Voll­stän­dig­keit der Aus­sa­gen und die Klä­rung von Wi­der­sprü­chen an.

6 Die ein­zu­ver­neh­men­de Per­son macht ih­re Aus­sa­gen auf­grund ih­rer Er­in­ne­rung. Sie kann mit Zu­stim­mung der Ver­fah­rens­lei­tung schrift­li­che Un­ter­la­gen ver­wen­den; die­se wer­den nach Ab­schluss der Ein­ver­nah­me zu den Ak­ten ge­nom­men.

7 Sprech- und hör­be­hin­der­te Per­so­nen wer­den schrift­lich oder un­ter Bei­zug ei­ner ge­eig­ne­ten Per­son ein­ver­nom­men.

Art. 144 Einvernahme mittels Videokonferenz  

1 Staats­an­walt­schaft und Ge­rich­te kön­nen ei­ne Ein­ver­nah­me mit­tels Vi­deo­kon­fe­renz durch­füh­ren, wenn das per­sön­li­che Er­schei­nen der ein­zu­ver­neh­men­den Per­son nicht oder nur mit gros­sem Auf­wand mög­lich ist.

2 Die Ein­ver­nah­me wird in Ton und Bild fest­ge­hal­ten.

Art. 145 Schriftliche Berichte  

Die Straf­be­hör­de kann ei­ne ein­zu­ver­neh­men­de Per­son ein­la­den, an Stel­le ei­ner Ein­ver­nah­me oder zu ih­rer Er­gän­zung einen schrift­li­chen Be­richt ab­zu­ge­ben.

Art. 146 Einvernahme mehrerer Personen und Gegenüberstellungen  

1 Die ein­zu­ver­neh­men­den Per­so­nen wer­den ge­trennt ein­ver­nom­men.

2 Die Straf­be­hör­den kön­nen Per­so­nen, ein­sch­liess­lich sol­cher, die ein Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs­recht ha­ben, ein­an­der ge­gen­über­stel­len. Die be­son­de­ren Rech­te des Op­fers blei­ben vor­be­hal­ten.

3 Sie kön­nen ein­ver­nom­me­ne Per­so­nen, die nach Ab­schluss der Ein­ver­nah­me vor­aus­sicht­lich wei­te­ren Per­so­nen ge­gen­über­ge­stellt wer­den müs­sen, ver­pflich­ten, bis zur Ge­gen­über­stel­lung am Ort der Ver­fah­rens­hand­lung zu blei­ben.

4 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann ei­ne Per­son vor­über­ge­hend von der Ver­hand­lung aus­sch­lies­sen, wenn:

a.
ei­ne In­ter­es­sen­kol­li­si­on be­steht; oder
b.
die­se Per­son im Ver­fah­ren noch als Zeu­gin, Zeu­ge, Aus­kunfts­per­son oder sach­ver­stän­di­ge Per­son ein­zu­ver­neh­men ist.

3. Abschnitt: Teilnahmerechte bei Beweiserhebungen

Art. 147 Im Allgemeinen  

1 Die Par­tei­en ha­ben das Recht, bei Be­weis­er­he­bun­gen durch die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te an­we­send zu sein und ein­ver­nom­me­nen Per­so­nen Fra­gen zu stel­len. Die An­we­sen­heit der Ver­tei­di­gung bei po­li­zei­li­chen Ein­ver­nah­men rich­tet sich nach Ar­ti­kel 159.

2 Wer sein Teil­nah­me­recht gel­tend macht, kann dar­aus kei­nen An­spruch auf Ver­schie­bung der Be­weis­er­he­bung ab­lei­ten.

3 Die Par­tei oder ihr Rechts­bei­stand kön­nen die Wie­der­ho­lung der Be­weis­er­he­bung ver­lan­gen, wenn der Rechts­bei­stand oder die Par­tei oh­ne Rechts­bei­stand aus zwin­gen­den Grün­den an der Teil­nah­me ver­hin­dert wa­ren. Auf ei­ne Wie­der­ho­lung kann ver­zich­tet wer­den, wenn sie mit un­ver­hält­nis­mäs­si­gem Auf­wand ver­bun­den wä­re und dem An­spruch der Par­tei auf recht­li­ches Ge­hör, ins­be­son­de­re dem Recht, Fra­gen zu stel­len, auf an­de­re Wei­se Rech­nung ge­tra­gen wer­den kann.

4 Be­wei­se, die in Ver­let­zung der Be­stim­mun­gen die­ses Ar­ti­kels er­ho­ben wor­den sind, dür­fen nicht zu­las­ten der Par­tei ver­wer­tet wer­den, die nicht an­we­send war.

Art. 148 Im Rechtshilfeverfahren  

1 Wer­den Be­wei­se im Rah­men ei­nes Rechts­hil­fe­ge­suchs im Aus­land er­ho­ben, so ist dem Teil­nah­me­recht der Par­tei­en Ge­nü­ge ge­tan, wenn die­se:

a.
zu­han­den der er­such­ten aus­län­di­schen Be­hör­de Fra­gen for­mu­lie­ren kön­nen;
b.
nach Ein­gang des er­le­dig­ten Rechts­hil­fe­ge­suchs Ein­sicht in das Pro­to­koll er­hal­ten; und
c.
schrift­li­che Er­gän­zungs­fra­gen stel­len kön­nen.

2 Ar­ti­kel 147 Ab­satz 4 ist an­wend­bar.

4. Abschnitt: Schutzmassnahmen

Art. 149 Im Allgemeinen  

1 Be­steht Grund zur An­nah­me, ei­ne Zeu­gin oder ein Zeu­ge, ei­ne Aus­kunfts­per­son, ei­ne be­schul­dig­te Per­son, ei­ne sach­ver­stän­di­ge Per­son oder ei­ne Über­set­ze­rin oder ein Über­set­zer könn­te durch die Mit­wir­kung im Ver­fah­ren sich oder ei­ne Per­son, die mit ihr oder ihm in ei­nem Ver­hält­nis nach Ar­ti­kel 168 Ab­sät­ze 1–3 steht, ei­ner er­heb­li­chen Ge­fahr für Leib und Le­ben oder ei­nem an­dern schwe­ren Nach­teil aus­set­zen, so trifft die Ver­fah­rens­lei­tung auf Ge­such hin oder von Am­tes we­gen die ge­eig­ne­ten Schutz­mass­nah­men.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann da­zu die Ver­fah­rens­rech­te der Par­tei­en an­ge­mes­sen be­schrän­ken, na­ment­lich in­dem sie:

a.
die An­ony­mi­tät zu­si­chert;
b.
Ein­ver­nah­men un­ter Aus­schluss der Par­tei­en oder der Öf­fent­lich­keit durch­führt;
c.
die Per­so­na­li­en un­ter Aus­schluss der Par­tei­en oder der Öf­fent­lich­keit fest­stellt;
d.
Aus­se­hen oder Stim­me der zu schüt­zen­den Per­son ver­än­dert oder die­se ab­schirmt;
e.
die Ak­ten­ein­sicht ein­schränkt.

3 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann der zu schüt­zen­den Per­son ge­stat­ten, sich von ei­nem Rechts­bei­stand oder von ei­ner Ver­trau­ens­per­son be­glei­ten zu las­sen.

4 Wird ei­ne Per­son un­ter 18 Jah­ren als Zeu­gin, Zeu­ge oder Aus­kunfts­per­son ein­ver­nom­men, so kann die Ver­fah­rens­lei­tung zu­dem Schutz­mass­nah­men nach Ar­ti­kel 154 Ab­sät­ze 2 und 4 an­ord­nen.

5 Die Ver­fah­rens­lei­tung sorgt bei al­len Schutz­mass­nah­men für die Wah­rung des recht­li­chen Ge­hörs der Par­tei­en, ins­be­son­de­re der Ver­tei­di­gungs­rech­te der be­schul­dig­ten Per­son.

6 Wur­de der zu schüt­zen­den Per­son die Wah­rung ih­rer An­ony­mi­tät zu­ge­si­chert, so trifft die Ver­fah­rens­lei­tung die ge­eig­ne­ten Mass­nah­men, um Ver­wechs­lun­gen oder Ver­tau­schun­gen zu ver­hin­dern.

Art. 150 Zusicherung der Anonymität  

1 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann der zu schüt­zen­den Per­son die Wah­rung ih­rer An­ony­mi­tät zu­si­chern.

2 Die Staats­an­walt­schaft un­ter­brei­tet die von ihr ge­mach­te Zu­si­che­rung in­nert 30 Ta­gen dem Zwangs­mass­nah­men­ge­richt zur Ge­neh­mi­gung; da­bei hat sie sämt­li­che zur Be­ur­tei­lung der Recht­mäs­sig­keit er­for­der­li­chen Ein­zel­hei­ten ge­nau an­zu­ge­ben. Das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt ent­schei­det end­gül­tig.

3 Ver­wei­gert das Zwangs­mass­nah­men­ge­richt die Ge­neh­mi­gung, so dür­fen die un­ter Zu­si­che­rung der An­ony­mi­tät be­reits er­ho­be­nen Be­wei­se nicht ver­wer­tet wer­den.

4 Ei­ne ge­neh­mig­te oder er­teil­te Zu­si­che­rung der An­ony­mi­tät bin­det sämt­li­che mit dem Fall be­trau­ten Straf­be­hör­den.

5 Die zu schüt­zen­de Per­son kann je­der­zeit auf die Wah­rung der An­ony­mi­tät ver­zich­ten.

6 Die Staats­an­walt­schaft und die Ver­fah­rens­lei­tung des Ge­richts wi­der­ru­fen die Zu­si­che­rung, wenn das Schutz­be­dürf­nis of­fen­sicht­lich da­hin­ge­fal­len ist.

Art. 151 Massnahmen zum Schutz verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler  

1 Ver­deck­te Er­mitt­le­rin­nen und Er­mitt­ler, de­nen die Wah­rung der An­ony­mi­tät zu­ge­si­chert wor­den ist, ha­ben An­spruch dar­auf, dass:

a.
ih­re wah­re Iden­ti­tät wäh­rend des gan­zen Ver­fah­rens und nach des­sen Ab­schluss ge­gen­über je­der­mann ge­heim ge­hal­ten wird, aus­ser ge­gen­über den Mit­glie­dern der mit dem Fall be­fass­ten Ge­rich­te;
b.
kei­ne An­ga­ben über ih­re wah­re Iden­ti­tät in die Ver­fah­rens­ak­ten auf­ge­nom­men wer­den.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung trifft die not­wen­di­gen Schutz­mass­nah­men.

Art. 152 Allgemeine Massnahmen zum Schutz von Opfern  

1 Die Straf­be­hör­den wah­ren die Per­sön­lich­keits­rech­te des Op­fers auf al­len Stu­fen des Ver­fah­rens.

2 Das Op­fer kann sich bei al­len Ver­fah­rens­hand­lun­gen aus­ser von sei­nem Rechts­bei­stand von ei­ner Ver­trau­ens­per­son be­glei­ten las­sen.

3 Die Straf­be­hör­den ver­mei­den ei­ne Be­geg­nung des Op­fers mit der be­schul­dig­ten Per­son, wenn das Op­fer dies ver­langt. Sie tra­gen in die­sem Fall dem An­spruch der be­schul­dig­ten Per­son auf recht­li­ches Ge­hör auf an­de­re Wei­se Rech­nung. Ins­be­son­de­re kön­nen sie das Op­fer in An­wen­dung von Schutz­mass­nah­men nach Ar­ti­kel 149 Ab­satz 2 Buch­sta­ben b und d ein­ver­neh­men.

4 Ei­ne Ge­gen­über­stel­lung kann an­ge­ord­net wer­den, wenn:

a.
der An­spruch der be­schul­dig­ten Per­son auf recht­li­ches Ge­hör nicht auf an­de­re Wei­se ge­währ­leis­tet wer­den kann; oder
b.
ein über­wie­gen­des In­ter­es­se der Straf­ver­fol­gung sie zwin­gend er­for­dert.
Art. 153 Besondere Massnahmen zum Schutz von Opfern von Straftaten gegen die sexuelle Integrität  

1 Op­fer von Straf­ta­ten ge­gen die se­xu­el­le In­te­gri­tät kön­nen ver­lan­gen, von ei­ner Per­son glei­chen Ge­schlechts ein­ver­nom­men zu wer­den.

2 Ei­ne Ge­gen­über­stel­lung mit der be­schul­dig­ten Per­son darf ge­gen den Wil­len des Op­fers nur an­ge­ord­net wer­den, wenn der An­spruch der be­schul­dig­ten Per­son auf recht­li­ches Ge­hör nicht auf an­de­re Wei­se ge­währ­leis­tet wer­den kann.

Art. 154 Besondere Massnahmen zum Schutz von Kindern als Opfer  

1 Als Kind im Sin­ne die­ses Ar­ti­kels gilt das Op­fer, das im Zeit­punkt der Ein­ver­nah­me oder Ge­gen­über­stel­lung we­ni­ger als 18 Jah­re alt ist.

2 Die ers­te Ein­ver­nah­me des Kin­des hat so rasch als mög­lich statt­zu­fin­den.

3 Die Be­hör­de kann die Ver­trau­ens­per­son vom Ver­fah­ren aus­sch­lies­sen, wenn die­se einen be­stim­men­den Ein­fluss auf das Kind aus­üben könn­te.

4 Ist er­kenn­bar, dass die Ein­ver­nah­me oder die Ge­gen­über­stel­lung für das Kind zu ei­ner schwe­ren psy­chi­schen Be­las­tung füh­ren könn­te, so gel­ten die fol­gen­den Re­geln:

a.
Ei­ne Ge­gen­über­stel­lung mit der be­schul­dig­ten Per­son darf nur an­ge­ord­net wer­den, wenn das Kind die Ge­gen­über­stel­lung aus­drück­lich ver­langt oder der An­spruch der be­schul­dig­ten Per­son auf recht­li­ches Ge­hör auf an­de­re Wei­se nicht ge­währ­leis­tet wer­den kann.
b.
Das Kind darf wäh­rend des gan­zen Ver­fah­rens in der Re­gel nicht mehr als zwei­mal ein­ver­nom­men wer­den.
c.
Ei­ne zwei­te Ein­ver­nah­me fin­det nur statt, wenn die Par­tei­en bei der ers­ten Ein­ver­nah­me ih­re Rech­te nicht aus­üben konn­ten oder dies im In­ter­es­se der Er­mitt­lun­gen oder des Kin­des un­um­gäng­lich ist. So­weit mög­lich er­folgt die Be­fra­gung durch die glei­che Per­son, wel­che die ers­te Ein­ver­nah­me durch­ge­führt hat.
d.
Ein­ver­nah­men wer­den im Bei­sein ei­ner Spe­zia­lis­tin oder ei­nes Spe­zia­lis­ten von ei­ner zu die­sem Zweck aus­ge­bil­de­ten Er­mitt­lungs­be­am­tin oder ei­nem ent­spre­chen­den Er­mitt­lungs­be­am­ten durch­ge­führt. Fin­det kei­ne Ge­gen­über­stel­lung statt, so wer­den die Ein­ver­nah­men mit Bild und Ton auf­ge­zeich­net.
e.
Die Par­tei­en üben ih­re Rech­te durch die be­fra­gen­de Per­son aus.
f.
Die be­fra­gen­de Per­son und die Spe­zia­lis­tin oder der Spe­zia­list hal­ten ih­re be­son­de­ren Be­ob­ach­tun­gen in ei­nem Be­richt fest.
Art. 155 Massnahmen zum Schutz von Personen mit einer psychischen Störung  

1 Ein­ver­nah­men von Per­so­nen mit ei­ner psy­chi­schen Stö­rung wer­den auf das Not­wen­di­ge be­schränkt; mehr­fa­che Be­fra­gun­gen wer­den ver­mie­den.

2 Die Ver­fah­rens­lei­tung kann spe­zia­li­sier­te Straf- oder So­zi­al­be­hör­den mit der Ein­ver­nah­me be­auf­tra­gen oder zur Ein­ver­nah­me Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge, an­de­re Ver­trau­ens­per­so­nen oder Sach­ver­stän­di­ge bei­zie­hen.

Art. 156 Massnahmen zum Schutz von Personen ausserhalb eines Verfahrens  

Bund und Kan­to­ne kön­nen Mass­nah­men zum Schutz von Per­so­nen aus­ser­halb ei­nes Ver­fah­rens vor­se­hen.

2. Kapitel: Einvernahme der beschuldigten Person

Art. 157 Grundsatz  

1 Die Straf­be­hör­den kön­nen die be­schul­dig­te Per­son auf al­len Stu­fen des Straf­ver­fah­rens zu den ihr vor­ge­wor­fe­nen Straf­ta­ten ein­ver­neh­men.

2 Sie ge­ben ihr da­bei Ge­le­gen­heit, sich zu die­sen Straf­ta­ten um­fas­send zu äus­sern.

Art. 158 Hinweise bei der ersten Einvernahme  

1 Po­li­zei oder Staats­an­walt­schaft wei­sen die be­schul­dig­te Per­son zu Be­ginn der ers­ten Ein­ver­nah­me in ei­ner ihr ver­ständ­li­chen Spra­che dar­auf hin, dass:

a.
ge­gen sie ein Vor­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wor­den ist und wel­che Straf­ta­ten Ge­gen­stand des Ver­fah­rens bil­den;
b.
sie die Aus­sa­ge und die Mit­wir­kung ver­wei­gern kann;
c.
sie be­rech­tigt ist, ei­ne Ver­tei­di­gung zu be­stel­len oder ge­ge­be­nen­falls ei­ne amt­li­che Ver­tei­di­gung zu be­an­tra­gen;
d.
sie ei­ne Über­set­ze­rin oder einen Über­set­zer ver­lan­gen kann.

2 Ein­ver­nah­men oh­ne die­se Hin­wei­se sind nicht ver­wert­bar.

Art. 159 Polizeiliche Einvernahmen im Ermittlungsverfahren  

1 Bei po­li­zei­li­chen Ein­ver­nah­men hat die be­schul­dig­te Per­son das Recht, dass ih­re Ver­tei­di­gung an­we­send sein und Fra­gen stel­len kann.

2 Bei po­li­zei­li­chen Ein­ver­nah­men ei­ner vor­läu­fig fest­ge­nom­me­nen Per­son hat die­se zu­dem das Recht, mit ih­rer Ver­tei­di­gung frei zu ver­keh­ren.

3 Die Gel­tend­ma­chung die­ser Rech­te gibt kei­nen An­spruch auf Ver­schie­bung der Ein­ver­nah­me.

Art. 160 Einvernahme einer geständigen beschuldigten Person  

Ist die be­schul­dig­te Per­son ge­stän­dig, so prü­fen Staats­an­walt­schaft und Ge­richt die Glaub­wür­dig­keit ih­res Ge­ständ­nis­ses und for­dern sie auf, die nä­he­ren Um­stän­de der Tat ge­nau zu be­zeich­nen.

Art. 161 Abklärung der persönlichen Verhältnisse im Vorverfahren  

Die Staats­an­walt­schaft be­fragt die be­schul­dig­te Per­son über ih­re per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se nur dann, wenn mit ei­ner An­kla­ge oder ei­nem Straf­be­fehl zu rech­nen oder es aus an­de­ren Grün­den not­wen­dig ist.

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